Ist die Onychopathologie durch die Lehre von den endokrinen Störungen gefördert worden?

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tteller: Ist die 0nychopathologie dutch die Lehre usw. 177 31. Herr lteller-Charlottenburg: Ist die 0nyehopathologie dutch die Lehre von den endokrinen St6rungen gef6rdert worden? Heller hebt die Schw~ehe der Beweisfiihrung hervor, die in Lehr- biiehern der Endokrinologie und Dermatologie sowohl wie in Einzel- arbeiten herangezogen wurde, um die Abhiingigkeit vieler NagelstS- rungen yon Erkrankung der Drfisen oder Driisensysteme mit innerer Sekretion nachzuweisen. Da es keine ,Nagelerkrankung gibt, welche bakteriologisch, morphologisch oder klinisch charakteristiseh fiir eine Erkrankung eines endokrinen Organs ist, da bei allen Arten der Hyper- tIypo-Dysfunktion endokriner Drfisen alle Arten yon Nagelveri~nderun- gen beschrieben werden, so beweisen positive Literaturangaben sehr wenig. Was ist denn gesagt, wenn bei 10 Fi~llen der endokrinen StOrung X die Nagelerkrankung u wirklich vorki~me, solange man nieht wei/~, wie h~ufig X ohne u und u ohne X vorkommt. Es kommt dazu, dab die meisten yon Dermatologen beschriebenen Beobachtungen einer strengen Kritik nicht standhalten, da die Konstatierung irgendeines angeblieh vorhandenen endokrinen Symptoms neben der Nagelerkran- kung vielfach ffir ausreichend gehalten wird, um eine Abhiingigkeit der letzteren yon der supponierten endokrinen Affektion anzunehmen, Stoffwechseluntersuchungen, Grundumsatzbestimmungen, experimentell- pharmakologische Untersuehungen (mit Adrenalin, Atropin usw.) sind fast gar nieht vorgenommen; wo sie beschrieben werden, haben sie wenig Positives ergeben. Vielfach ist man nut dutch Analogiesehliisse, dureh die supponierte Ahnliehkeit der Haare mit den N~geln zu un- bewiesenen Behauptungen gekommen. Heller weist auf die Unzul~ssig- keit dieser Schlul~folgerung bin. Zweifellos beeinfluI~t die Kastration das Haarkleid der Kastraten; wiirde bei den Hufhauss~ugetieren die Versehneidung die Hufe sch~digen, so h~tte der vide Jahrtausende alte Brauch gar nieht'eingeffihrt werden kOnnen, da ja die Tiere an ihrem wichtigsten Gebrauehsorgan gesehi~digt worden w~ren. Dabei reagieren bekanntlich die ttufe sehr leicht und genau auf allgemeine trophisehe St5rungen des Organismns. Da Literaturzusammenstellungen und Einzelbeobachtungen nicht weiterfiihren, hat Heller die Kranken der inneren Stationen der Berliner K_rankenh~user methodisch untersueht. Er sah unter den 18 000 Pa- tienten 562 F~lle, in denen endokrine StSrungen entweder sicher fest- gestellt oder wenigstens annehmbar waren. Es handelte sieh durch- g~ngig um Patienten, die l~ngere Zeit yon klinischen Autorit~ten zum Teil mit allen Methoden der Klinik (Grundumsatzbestimmung, Stoff- wechseluntersuehung u. a.) genau untersucht waren, deren Diagnose als so sichergestellt war, wie es der angebliehe Stand der Wissenschaft ,erlaubt. Die F~lle waren Krankenhausf~lle, also fast nut schwere Archiv f. Dermatologie u. Syphilis. Bd. 151. (Kongrellbericht.) 12

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tteller: Ist die 0nychopathologie dutch die Lehre usw. 177

31. Herr lteller-Charlottenburg: Ist die 0nyehopathologie dutch die Lehre von den endokrinen St6rungen gef6rdert worden?

Heller hebt die Schw~ehe der Beweisfiihrung hervor, die in Lehr- biiehern der Endokrinologie und Dermatologie sowohl wie in Einzel- arbeiten herangezogen wurde, um die Abhiingigkeit vieler NagelstS- rungen yon Erkrankung der Drfisen oder Driisensysteme mit innerer Sekretion nachzuweisen. Da es keine ,Nagelerkrankung gibt, welche bakteriologisch, morphologisch oder klinisch charakteristiseh fiir eine Erkrankung eines endokrinen Organs ist, da bei allen Arten der Hyper- tIypo-Dysfunktion endokriner Drfisen alle Arten yon Nagelveri~nderun- gen beschrieben werden, so beweisen positive Literaturangaben sehr wenig. Was ist denn gesagt, wenn bei 10 Fi~llen der endokrinen StOrung X die Nagelerkrankung u wirklich vorki~me, solange man nieht wei/~, wie h~ufig X ohne u und u ohne X vorkommt. Es kommt dazu, dab die meisten yon Dermatologen beschriebenen Beobachtungen einer strengen Krit ik nicht standhalten, da die Konstatierung irgendeines angeblieh vorhandenen endokrinen Symptoms neben der Nagelerkran- kung vielfach ffir ausreichend gehalten wird, um eine Abhiingigkeit der letzteren yon der supponierten endokrinen Affektion anzunehmen, Stoffwechseluntersuchungen, Grundumsatzbestimmungen, experimentell- pharmakologische Untersuehungen (mit Adrenalin, Atropin usw.) sind fast gar nieht vorgenommen; wo sie beschrieben werden, haben sie wenig Positives ergeben. Vielfach ist man nut dutch Analogiesehliisse, dureh die supponierte Ahnliehkeit der Haare mit den N~geln zu un- bewiesenen Behauptungen gekommen. Heller weist auf die Unzul~ssig- keit dieser Schlul~folgerung bin. Zweifellos beeinfluI~t die Kastrat ion das Haarkleid der Kastraten; wiirde bei den Hufhauss~ugetieren die Versehneidung die Hufe sch~digen, so h~tte der v ide Jahrtausende alte Brauch gar nieht 'eingeffihrt werden kOnnen, da ja die Tiere an ihrem wichtigsten Gebrauehsorgan gesehi~digt worden w~ren. Dabei reagieren bekanntlich die t tufe sehr leicht und genau auf allgemeine trophisehe St5rungen des Organismns.

Da Literaturzusammenstellungen und Einzelbeobachtungen nicht weiterfiihren, hat Heller die Kranken der inneren Stationen der Berliner K_rankenh~user methodisch untersueht. Er sah unter den 18 000 Pa- t ienten 562 F~lle, in denen endokrine StSrungen entweder sicher fest- gestellt oder wenigstens annehmbar waren. Es handelte sieh durch- g~ngig um Patienten, die l~ngere Zeit yon klinischen Autorit~ten zum Teil mit allen Methoden der Klinik (Grundumsatzbestimmung, Stoff- wechseluntersuehung u. a.) genau untersucht waren, deren Diagnose als so sichergestellt war, wie es der angebliehe Stand der Wissenschaft ,erlaubt. Die F~lle waren Krankenhausf~lle, also fast nut schwere

Archiv f. Dermato log ie u. Syphilis. Bd. 151. (Kongrellbericht.) 12

178 Heller: Ist die 0nychopathologie durch die Lehre usw.

Forrnen der einzelnen Erkr~nkungen, dadureh also besonders geeignet, so langdauernde Syrnptorne, wie Nagelver~nderungen, zu zeigen. Hdler darf fiir sieh wohI eine genaue Kenntnis der Nagelp~thologie in Anspruch nehrnen. Letztere ist sehr notwendig, da nur der Fachkenner banale Vorkornmnisse, trophisch bedingte Vergnderungen, gewerbliehe Sehg- digungen, Folgen vorangegangener Eiterungen und Infektionen, spezi- fisehe und eharakteristische ])errnatosen aussehliel3en kann. Hellers Fglle betrafen 10 Hypophysen-, 92 Sehilddriisen-, 20 Ovarienerkran- kungen, 21 rnal handelt es sich urn Adipositas aus endokriner Ursaehe und infolge yon Dystrophia adiposi-genitalis; 178 Fglle hochgradigster Idiotie, 168 Patienten mit sehwerern Diabetes, 53 rnit chronischer Arthritis deforrnans warden untersueht. Der Rest verteilte sich auf Morbus Addison, Tetanie, Spasrnophi]ie, Infantilisrnus usw. HeIler sehildert irn einzelnen die Untersuehungsresultate. Es konnte Gewebe- schgdigung gelegentlich festgestellt werden; wiederholt fanden sich Beausche Linien Ms Zeichen einer trophisehen StOrung des Gesarnt- organismus (Daniederliegen der Nahrungsaufnahrne usw.). Bei zwei Kranken konnten Angaben fiber angeblich vorhanden gewesene l~agel- erkrankungen als phantastische Aussehrniickungen nachgewiesen wer- den. Ein Fall yon schwerer Osteornalaeie zeigte I\Tagelvergnderungen;. es bestand aber gleichzeitig eine ])errnatose, die HeIler ffir eine ehronische mit ]Jberpigmentierung einhergehende Urtiearis hielt. Wiederholter NagelabfM1 bei Diabetes (4 Kranke) kann sehr wohl ein Symptom tier yon Heller auch anatomisch nachgewiesenen Iqeuritis diabetiea sein.

Unter den 562 Fallen waren h5ehstens 6--8, bei denen die Frage eines Zusarnrnenhanges der NagelstSrung rnit der diagnostizierten endo- krinen Erkrankung iiberhaupt erw~genswert erschien. Unter ~2 Base- dowfhllen waren z. B. nur 2 derartige Kranke. Eine sehwer erkrankte Patientin zeigte Systeme yon tiefer Furchenbildung auf einer Anzahl Iqagel. ])as Krankheitsbild entsprach dern Eczema medianum striatum unginum, die Vertiefungen konnten viel]eieht dutch rnangelhafte I~agel- bildung w~ihrend Perioden sehlechten Allgerneinbefindens erklart werden. In einern zweiten ]eiehten Fall lag sine sonst schwer zu erkl~rende Koilonyehie vor. Heller l~ornrnt zu dern Resultat, dab an seinern Material sich kein Anhaltspunkt daffir ergibt, dM~ StSrungen des endokrinen Systems in nennenswertem MM~e Nagelerkrankungen ausl6sen. ])as Zusamrnentreffen yon l~agelaffektionen und Erkrankung endokriner ])riisen ist in jedern Falle unter Vorsieht und Kritik zu erkl~ren, viele vermeintliche Zusarnmenhange sind als betang]ose Zuf~lligkeiten anzu- sehen. (Die Arbeit erscheint ausffihrlieh rnit allen Einzelheiten in der ])tsch. rned. Woehenschr., Abbildungen werden in der neuen Auflage~ der ,,Krankheiten der Nagel" verSffentlieht.)