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IT-Offshoring

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IT-Offshoring

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Michael Amberg · Martin Wiener

IT-OffshoringManagement internationalerIT-Outsourcing-Projekte

Mit 45 Abbildungen und 19 Tabellen

Physica-VerlagEin Unternehmenvon Springer

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Prof. Dr. Michael AmbergDr. Martin WienerUniversität Erlangen-NürnbergWirtschaftsinformatik IIILange Gasse 2090403 NürnbergE-mail: [email protected]

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Geleitwort

IT-Offshoring – kaum ein anderes Thema wird zurzeit so kontrovers in den Unternehmen und in der Presse diskutiert. Die Meinungen in der deutsch-sprachigen IT-Branche sind gespalten und es wird emotional und vorur-teilsbehaftet argumentiert. Die einen versprechen sich von Offshoring sig-nifikante Kostenvorteile und Lösungen für vorhandene Kapazitäts- und Projektengpässe, die anderen sind der Meinung, dass aufgrund sprachli-cher und kultureller Barrieren Offshoring in Deutschland „eh nicht funkti-oniert“.

Schaut man über den eigenen Tellerrand hinaus, z. B. in die USA oder nach Großbritannien, so gehen die Unternehmen dort anders mit dem Thema IT-Offshoring um. Sie behandeln die Thematik insgesamt sachli-cher und setzen das IT-Offshoring in denjenigen Bereichen gezielt ein, in denen es vorteilhaft erscheint.

Eine weitere Beobachtung ist, dass global operierende Großunternehmen, allen voran die großen IT-Dienstleister, zum Teil drastisch ihre Offshore-Kapazitäten aufbauen. Es sei also die Frage erlaubt, ob deutsche Unter-nehmen im globalen Wettbewerb nicht Wettbewerbsnachteile erleiden, wenn sie sich mit dem Thema IT-Offshoring nicht hinreichend auseinan-dersetzen.

Insbesondere für mittelständische Unternehmen in deutschsprachigen Län-dern scheint jedoch aufgrund der hohen Komplexität und der unwägbaren Risiken von Offshore-Projekten die Einstiegshürde sehr hoch zu sein. Ich bin deshalb sehr froh, dass es Herrn Prof. Dr. Michael Amberg und Herrn Martin Wiener gelungen ist, in diesem Buch das Thema IT-Ofshoring aus-giebig zu beleuchten und einen praktischen Leitfaden für das Management von internationalen Outsourcing-Projekten zu entwickeln. Meiner Mei-nung nach ist dieses Buch mehr als überfällig für die deutsche IT-Ge-meinde. Neben der fundierten Grundlagenbetrachtung des IT-Offshorings werden insbesondere im zweiten Teil dieses Buches die Aktivitäten in IT-Offshoring-Projekten praxisnah diskutiert und ein Vorgehensmodell abge-leitet.

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VI Geleitwort

Ich bin davon überzeugt, dass mit diesem Buch ein wichtiger Schritt zur „Entmystifizierung“ des Themas IT-Offshoring gemacht wurde. Das Buch kann Unternehmen dabei unterstützen, sachlich und fundiert die Vorteile und Problemstellungen eines Offshore-Vorhabens zu analysieren, Risken zu bewerten, ein Vorgehensmodell abzuleiten und so letztendlich die bes-ten Optionen für das eigene Unternehmen und die anstehenden IT-Projekte herauszuarbeiten.

Ich wünsche allen Lesern viele Anregungen für die Umsetzung in der Pra-xis.

Rolf Stephan

Vorstand der NIIT Technologies AG

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Vorwort der Autoren

Die zunehmende Globalisierung und die hiermit verbundene Wettbewerbs-intensivierung stellen Unternehmen weltweit vor eine erhebliche Heraus-forderung. Eine mögliche Antwort ist das so genannte IT-Offshoring. Um in globalen Märkten wettbewerbsfähig zu sein, haben Unternehmen in den letzten Jahren neben Produktionsleistungen auch verstärkt Dienstleistun-gen in Niedriglohnländer verlagert. In Nordamerika kann die Verlagerung von IT-Services in das Ausland bereits als eine etablierte Management-praktik angesehen werden.

In Deutschland waren erste Erfahrungen der Unternehmen mit IT-Offshor-ing nicht durchweg positiv. Diese Negativerfahrungen werden häufig mit den bestehenden kulturellen und sprachlichen Unterschieden zwischen den Projektpartnern sowie den strukturellen Rahmenbedingungen in Deutsch-land, aber auch mit einem unzureichenden Projektmanagement durch die beteiligten Unternehmen begründet. Gerade für Letzteres ist es wichtig, die bestehenden Handlungsalternativen sowie die Einflussfaktoren auf die durchzuführenden Managementaktivitäten zu kennen.

Wir möchten mit diesem Buch Interessierten eine umfassende Einführung in das IT-Offshoring geben. Im ersten Teil des Buches stehen die ver-schiedenen Gestaltungsaspekte von internationalen IT-Outsourcing-Pro-jekten im Vordergrund. Im zweiten Teil werden die wesentlichen Mana-gementaktivitäten diskutiert und in Form eines Leitfadens strukturiert. Es werden insbesondere Offshoring-spezifische Problemstellungen, wie z. B. die Identifikation geeigneter Tätigkeiten, die Auswahl eines Offshore-Ziel-landes und -Providers, die Gestaltung internationaler Outsourcing-Verträge sowie das Management der Kommunikation und der kulturellen Unter-schiede zwischen den Projektpartnern betrachtet.

An dieser Stelle möchten wir uns recht herzlich bei allen bedanken, die an diesem Buch mitgewirkt haben. Unser Dank gilt vor allem Herrn Rolf Stephan für konstruktives Feedback und wertvolle Einblicke in die Praxis des IT-Offshorings. Des Weiteren wollen wir uns bei unseren zahlreichen weiteren Praxis- und Kooperationspartnern bedanken, die die Entstehung dieses Buches erst ermöglicht haben. Zudem möchten wir Frau Nadja

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VIII Vorwort der Autoren

Hoßbach und Herrn Daniel Stengel für die Unterstützung bei der techni-schen Erstellung des Buches danken.

Wir wünschen den Lesern interessante Einblicke in das hochaktuelle Ge-biet des IT-Offshorings.

Nürnberg, im Mai 2006

Michael Amberg und Martin Wiener

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Inhaltsverzeichnis

Geleitwort ..................................................................................................V

Vorwort der Autoren .............................................................................VII

Einführung..................................................................................................1

Teil A: Grundlagen ....................................................................................5

1 Formen ...................................................................................................7

1.1 Leistungsformen ...........................................................................81.1.1 Infrastructure Service Offshoring .......................................101.1.2 Software Development Offshoring .....................................121.1.3 Business Process Offshoring (BPO) ...................................14

1.2 Gestaltungsformen......................................................................171.2.1 Totales Offshoring ..............................................................171.2.2 Partielles Offshoring ...........................................................18

1.3 Organisationsformen...................................................................191.3.1 Tochterunternehmen ...........................................................201.3.2 Joint Venture .......................................................................231.3.3 Fremdunternehmen .............................................................24

2 Sourcing-Modelle ................................................................................27

2.1 Kooperationsmodelle ..................................................................272.1.1 Onsite Delivery ...................................................................282.1.2 Onshore Delivery ................................................................292.1.3 Offshore Delivery ...............................................................30

2.2 Geschäftsmodelle........................................................................302.2.1 Global Sourcing ..................................................................312.2.2 Build-Operate-Transfer (BOT) ...........................................332.2.3 Multisourcing......................................................................34

3 Chancen und Risiken..........................................................................37

3.1 Chancen ......................................................................................373.1.1 Finanzielle Chancen............................................................393.1.2 Qualitative Chancen............................................................423.1.3 Strategische Chancen ..........................................................44

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X Inhaltsverzeichnis

3.2 Risiken ....................................................................................... 48 3.2.1 Risiken bezogen auf den Auftraggeber .............................. 50 3.2.2 Risiken bezogen auf die Kooperation ................................ 53 3.2.3 Risiken bezogen auf den Auftragnehmer ........................... 55

4 Total Cost of Offshoring .................................................................... 57

4.1 Einmalige Kosten....................................................................... 59 4.1.1 Koordinationskosten........................................................... 59 4.1.2 Infrastrukturkosten ............................................................. 62

4.2 Wiederkehrende Kosten............................................................. 64 4.2.1 Arbeitskosten...................................................................... 64 4.2.2 Betriebskosten .................................................................... 65

5 Qualitätsstandards ............................................................................. 69

5.1 ISO 9000 .................................................................................... 70 5.2 Capability Maturity Model (CMM) ........................................... 72 5.3 Six Sigma ................................................................................... 74

6 Vertragswerk ...................................................................................... 77

6.1 Vertragskategorien..................................................................... 78 6.2 Internationalisierung des Vertragswerks.................................... 81

6.2.1 Globales Vertragswerk ....................................................... 81 6.2.2 Länderspezifisches Vertragswerk....................................... 82

6.3 Service Level Agreements (SLAs) ............................................ 83 6.4 Preismodelle............................................................................... 85

Teil B: Projektmanagement.................................................................... 89

7 Strategiedefinition .............................................................................. 91

7.1 Vision......................................................................................... 91 7.2 Ziele ........................................................................................... 92 7.3 Strategie ..................................................................................... 94

8 Make-or-Buy-Entscheidung .............................................................. 97

8.1 Identifikationsphase ................................................................... 97 8.1.1 Kriterien ............................................................................. 98

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Inhaltsverzeichnis XI

8.1.2 Unterstützende Methoden bzw. Modelle ..........................1018.2 Analysephase ............................................................................103

8.2.1 Anforderungsanalyse ........................................................1048.2.2 Realisierbarkeitsanalyse....................................................1068.2.3 Wirtschaftlichkeitsanalyse ................................................1078.2.4 Risikoanalyse ....................................................................1108.2.5 Marktanalyse.....................................................................111

8.3 Auswahlphase ...........................................................................111

9 Standortauswahl ...............................................................................115

9.1 Country-Ratings........................................................................1169.2 Bewertungskriterien..................................................................1179.3 Länderprofile ............................................................................119

9.3.1 Nearshore-Regionen..........................................................1209.3.2 Offshore-Regionen............................................................125

10 Providerauswahl ...............................................................................131

10.1 Request for Information (RFI)..................................................13210.2 Projektspezifikation ..................................................................134

10.2.1 Pflichtenheft ......................................................................13510.2.2 Letter of Intent (LoI) .........................................................136

10.3 Request for Proposals (RFP) ....................................................13710.4 Entscheidung.............................................................................14010.5 Due Diligence ...........................................................................142

11 Vertragsmanagement .......................................................................145

11.1 Vertragsverhandlung.................................................................14511.1.1 Verhandlungsvorbereitung................................................14611.1.2 Verhandlungstipps ............................................................147

11.2 Vertragsverwaltung...................................................................14911.2.1 Pflichtenmanagement........................................................14911.2.2 Change Request Management...........................................15011.2.3 Konfliktmanagement.........................................................152

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XII Inhaltsverzeichnis

12 Transition Management .................................................................. 153

12.1 Transfer von Mitarbeitern ........................................................ 154 12.2 Transfer von Assets.................................................................. 155 12.3 Transfer von vertraglichen Verpflichtungen............................ 157 12.4 Transfer von Daten und Know-how......................................... 158

13 Leistungsmanagement ..................................................................... 161

13.1 Leistungsmessung .................................................................... 161 13.2 Evaluierung .............................................................................. 164

14 Kommunikationsmanagement ........................................................ 169

14.1 Entwicklung einer Kommunikationsstrategie .......................... 169 14.2 Auswahl von Kommunikationsmedien .................................... 172

15 Management der kulturellen Unterschiede ................................... 177

15.1 Change Management ............................................................... 177 15.2 Relationship Management........................................................ 180

16 Erfolgsfaktoren................................................................................. 185

16.1 Planungs- und Analysephase ................................................... 186 16.2 Entscheidungsphase ................................................................. 190 16.3 Verhandlungsphase .................................................................. 191 16.4 Durchführungsphase ................................................................ 193

Ausblick.................................................................................................. 197

Anhang ................................................................................................... 199

Abbildungsverzeichnis .......................................................................... 201

Tabellenverzeichnis ............................................................................... 203

Abkürzungsverzeichnis......................................................................... 205

Literaturverzeichnis .............................................................................. 207

Sachverzeichnis...................................................................................... 215

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Einführung

In den 80er-Jahren bis in die frühen 90er-Jahre legten viele Unternehmen Wert auf eine breite Ausrichtung der Unternehmenstätigkeiten. Ein gutes Beispiel hierfür war die Strategie des damaligen Technologiekonzerns Daimler-Benz unter der Leitung von Edzard Reuter. Seit Anfang der 90er-Jahre scheint sich dieser Trend allerdings zu wenden (Söbbing, 2002: 19). Ab diesem Zeitpunkt ist weltweit eine verstärkte Konzentration der Unter-nehmen auf ihre Kernkompetenzen zu erkennen (Fischer und Schumacher, 2004). In Verbindung mit der zunehmenden Globalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte und der daraus resultierenden Wettbewerbsinten-sivierung durch den Eintritt neuer Konkurrenten suchen Unternehmen nach neuen Möglichkeiten, um ihre Geschäftstätigkeiten profitabel zu ge-stalten. Hierbei erweist sich insbesondere der zunehmende Kostendruck, der als eine Folge der Globalisierung zu verstehen ist, als problematisch. Laut Statistik scheitern daran mehr als die Hälfte aller Softwareprojekte in Deutschland1 (Beeler, 2004). Damit geht der deutschen Volkswirtschaft ein immenses Potenzial verloren. Zudem bleiben die notwendigen Innova-tionen aus, die ein Hochpreisland wie Deutschland zur Aufrechterhaltung seines hohen Lebensstandards benötigt.

Viele Unternehmen sehen eine mögliche Lösung dieser Problematik in der verstärkten Auslagerung von IT-Projekten in Billiglohnländer mit ausge-zeichneten Fähigkeiten und ausreichenden Kapazitäten. Hiermit ist auch der zunehmende Trend zum IT-Offshoring zu begründen. Deutsche Unter-nehmen folgen dem Beispiel amerikanischer und britischer Firmen, die diesen Schritt bereits vor einigen Jahren wagten (Böhm, 2003a; TransCrit, 2004). In den USA findet die Auslagerung von IT-Dienstleistungen in Niedriglohnländer bereits seit Ende der 80er-Jahre statt. Heutzutage wird dort bei großen Ausschreibungen automatisch davon ausgegangen, dass die potenziellen Auftragnehmer zumindest teilweise Leistungen offshore einkaufen. Unternehmen, die auf den Einkauf von Dienstleistungen aus Ländern wie Indien, China etc. verzichten, sind in Bezug auf den Preis nicht mehr wettbewerbsfähig. Unter anderem aus diesem Grund könnte sich der Einbezug ausländischer IT-Dienstleister in der Zukunft mehr und mehr zur Voraussetzung entwickeln, um sich im globalen Wettbewerb

1 Stand: April 2003

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2 Einführung

durchsetzen zu können (Dunn und Furniss, 2004). Diese These wird auch durch die Prognose der international tätigen Unternehmensberatung Frost & Sullivan unterstützt, die eine Vervierfachung des Umsatzvolumens des europäischen Outsourcing-Markts bis zum Jahre 2006 vorhersagt (Söb-bing, 2002: 21).

Quelle: in Anlehnung an Moczadlo (2002)

Technik

Politisch-rechtlicheRahmenbedingungen

IT-Infrastruktur Zeitunterschied

KulturelleUnterschiede

Projekt-management

Kommunikation Denkweise

Legende:0 absolut unproblematisch… …7 sehr problematisch

2 4 63 5 710

Abbildung 1: Problemfelder von Offshore-Projekten2

Allerdings haben erste Erfahrungen mit der Verlagerung von Outsourcing-Projekten in das Ausland gezeigt, dass hiermit eine Vielzahl von Problem-feldern verbunden ist (siehe Abbildung 1). In erster Linie erschweren die kulturellen Unterschiede und die sprachlichen Schwierigkeiten die Durch-führung von Offshore-Projekten erheblich. Nicht selten führen die im Pro-jektverlauf auftretenden Komplikationen zu unerwartet hohen Zusatzkos-

2 Die aufgeführten Ergebnisse stammen aus einer Studie zum Thema Offshore-Softwareentwicklung, an der sich im Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2002 insgesamt 318 Unternehmen beteiligten (Moczadlo, 2004).

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Einführung 3

ten, die die angestrebten Kosteneinsparungen teilweise vollständig verpuf-fen lassen.

Definition

Den Begriff IT-Outsourcing definiert Broß (2005) als die Verlagerung von IT-Dienstleistungen und -Prozessen auf einen spezialisierten IT-Dienstleister. Als eine Teilmenge des IT-Outsourcings ist das so genannte IT-Offshoring3 zu verstehen. Dieses liegt vor, „wenn die Verlagerung an ITK-Dienstleister in Niedriglohnländer – also z. B. China, Indien oder (…) die neuen EU-Staaten – erfolgt“ (Broß, 2005).

Captive Offshore

Outsourcing

InterneLeistungs-erbringung

OffshoreOutsourcing

(Onshore) Outsourcing

National International

Inte

rnE

xter

n

Quelle: Schaaf (2004)

Abbildung 2: Formen der Leistungserbringung

Hinsichtlich des Offshoring kann zudem zwischen dem klassischen „Off-shore Outsourcing“ (Beauftragung eines unabhängigen Dienstleisters im Ausland) und dem „Captive Offshore Outsourcing“ (Beauftragung eines ausländischen Tochterunternehmens) unterschieden werden (siehe rechte Matrixspalte in Abbildung 2). Die Leistungserbringung in Form eines Joint Venture oder einer strategischen Allianz wird ebenfalls unter dem Begriff „Captive Offshore Outsourcing“ gefasst.

3 Der Begriff „Nearshoring“ wird im Folgenden unter dem Begriff „Offshoring“ subsumiert.

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4 Einführung

Markt

Die Zahl der IT-Outsourcing-Projekte in Deutschland steigt kontinuierlich an. In Europa haben die Auftragsvolumina solcher Projekte mit 50 Millio-nen Euro im Jahr 2003 sogar den kumulierten Vertragswert entsprechender Projekte in den USA übertroffen (Oecking und Westerhoff, 2005).

Der deutsche IT-Offshoring-Markt steckt hingegen momentan noch in seinen „Kinderschuhen“. Mit einem Gesamtvolumen von 0,4 Milliarden Euro war dieser im Jahr 2003 um den Faktor 135 kleiner als der US-amerikanische Markt (54 Milliarden Euro). Allerdings werden dem deut-schen Markt erhebliche Wachstumspotenziale vorhergesagt. So geht Broß (2005) davon aus, dass sich dieser bis zum Jahr 2008 verdoppeln wird.

Zum aktuellen Zeitpunkt macht das Offshoring der Softwareentwicklung den größten Teil des deutschen IT-Offshoring-Markts aus (Broß, 2005). Im Gegensatz hierzu spielt die Verlagerung anderer IT-Services in das Aus-land, wie z. B. der Betrieb eines Rechenzentrums, momentan noch eine untergeordnete Rolle.

Buchstruktur

Die Inhalte dieses Buches lassen sich grob in zwei Teile untergliedern: Im ersten Teil werden die Grundlagen des IT-Offshorings, im zweiten Teil das Management entsprechender Projekte dargelegt. Innerhalb des Grundla-genteils wird zunächst auf die unterschiedlichen Formen und Modelle ei-nes Offshore-Projekts, die Chancen und Risiken, die mit einem solchen Projekt verbunden sind sowie auf quantitative, qualitative und rechtliche Aspekte eines internationalen Verlagerungsprojekts eingegangen. Im zwei-ten Teil werden dann in Anlehnung an ein vierphasiges Vorgehensmodell die typischerweise zu durchlaufenen Aktivitäten näher betrachtet. Diesbe-züglich wird eine Unterscheidung zwischen der Analyse- und Planungs-phase, der Entscheidungsphase, der Verhandlungsphase sowie der Durch-führungsphase vorgenommen. Es ist noch anzumerken, dass sich beide Teile schwerpunktmäßig aus der Sicht eines deutschen Kunden mit dem Offshoring auseinandersetzen.

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Teil A: Grundlagen Im Rahmen der Grundlagen werden zunächst unterschiedliche Formenund Sourcing-Modelle des IT-Offshorings vorgestellt. Hinsichtlich der Formen kann zwischen Leistungs-, Gestaltungs- und Organisationsformen unterschieden werden. Während sich die Leistungsformen mit den Leis-tungsvarianten eines Offshore-Projekts auseinander setzen, beziehen sich die Gestaltungsformen auf den Umfang der ausgelagerten Aktivitäten. Als Organisationsformen werden die verschiedenen Rechtsformen bezeichnet, die zur Abwicklung einer Auslandsverlagerung gewählt werden können.

Im Anschluss daran wird auf Chancen und Risiken eingegangen, die ein Offshore-Projekt bietet bzw. die mit der Abwicklung eines solchen Pro-jekts in Kauf genommen werden müssen. Bezüglich der Chancen kann zwischen finanziellen, qualitativen und strategischen Chancen differenziert werden. Hinsichtlich der Risiken können Risiken bezogen auf den Auf-traggeber, die Kooperation und den Auftragnehmer unterschieden werden.

Des Weiteren wird im ersten Teil des Buches auf die Kostenblöcke, die im Rahmen eines Offshore-Projekts anfallen können (Total Cost of Offsho-ring), die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Qualitätsstandards,mit denen eine Vielzahl der ausländischen Provider gegenüber dem Kun-den ihre Leistungsfähigkeit bewerben, sowie auf das Vertragswerk eines Outsourcing-Projekts und hierbei insbesondere auf dessen Internationali-sierung eingegangen.

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1 Formen

In der Praxis hat sich eine Vielzahl von Offshoring-Formen entwickelt. Diese ergibt sich zum einen aus den verschiedenartigen Anforderungen, die ein Unternehmen an ein internationales Outsourcing-Projekt stellt. Zum anderen besteht für ein und dieselbe Ausprägung des IT-Offshorings eine Reihe unterschiedlicher Bezeichnungen (Mayer und Söbbing, 2004: 15). Um ein einheitliches Begriffsverständnis zu schaffen sowie eine klare Abgrenzung zwischen den bestehenden Formen sicherzustellen, kann zwi-schen den folgenden Formen des IT-Offshorings unterschieden werden (siehe hierzu auch Abbildung 3):

Gestaltungsform

en

Quelle: Amberg und Wiener (2004)

Business

Process

Offshorin

g (BPO)

Infrastr

ucture

Service

Offshorin

gSoftware

Development

Offshorin

g

Toch

teru

nter

nehm

en

Join

t Ven

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Frem

dunt

erne

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Totales Offshoring

Partielles OffshoringLeis

tung

sfor

men

Organisationsformen

Abbildung 3: Formen des IT-Offshorings

LeistungsformenDie Leistungsformen beschäftigen sich mit der Kernfrage eines je-den Offshoring-Projekts: „Welche Leistungen lagere ich aus?“GestaltungsformenDie Gestaltungsformen setzen sich mit dem Ausmaß der auszula-gernden IT-Leistungen auseinander. Hier stellt sich die Frage: „In welchem Umfang lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“

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8 1 Formen

Organisationsformen Die Organisationsformen zeigen alternative Strukturen bei der Abwicklung eines Offshoring-Projekts auf. Demnach beschäftigen sich diese mit der Fragestellung: „Wie lagere ich die identifizierten Leistungen aus?“

Die aufgezeigten Dimensionen eines Offshoring-Projekts sind prinzipiell unabhängig voneinander, d. h. die unterschiedlichen Dimensionsausprä-gungen können beliebig miteinander kombiniert werden. Zudem ist anzu-merken, dass die Klassifikation der Offshoring-Formen anhand der vorge-stellten Dimensionen nicht als Offshoring-spezifisch zu verstehen ist. Vielmehr ist die vorgenommene Differenzierung auch auf nationale Out-sourcing-Projekte zu übertragen.

1.1 Leistungsformen

Das Offshoring von IT-Aktivitäten begann mit der Verlagerung von Back-Office-Funktionalität (z. B. Betrieb eines Daten-Centers in Nachbarlän-dern) und der Fremdvergabe unkritischer Softwareentwicklungsprojekte an ausländische Programmierteams (Böhm, 2003a). Dieser eingeschränkte Leistungsumfang des Offshore-Outsourcings besitzt heutzutage keine Gül-tigkeit mehr. Die von ausländischen Service-Providern am Outsourcing-Markt angebotenen Dienstleistungen reichen von der einfachen Beratung bis hin zur Durchführung komplexer Softwareentwicklungsprojekte und der Übernahme kompletter Geschäftsprozesse (Bräutigam, 2004: 55; Spar-row, 2003: 6). Demnach stellt heutzutage weder das Offshoring der voll-ständigen IT-Infrastruktur noch die Verlagerung von Geschäftsprozessen, über die Einrichtung eines Call-Centers hinaus, ein Tabuthema für ein Offshore-Projekt dar (Dück, 2004; Dunn und Furniss, 2004).

Grundsätzlich kann sich die Auslandsverlagerung von Leistungen im IT-Kontext auf alle Bereiche, Ebenen, Phasen und Tätigkeiten eines Unter-nehmens beziehen, in denen Informationstechnologien zum Einsatz kom-men (Bräutigam, 2004: 54). In diesem Zusammenhang gewinnt insbeson-dere die Verlagerung von Geschäftsprozessen in den Bereichen Human Resources (HR), Finanzen und Rechnungswesen zunehmend an Bedeu-tung (Dunn und Furniss, 2004; Goolsby und Parrino, 2004).

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1.1 Leistungsformen 9

Die McKinsey-Berater Lancellotti, Schein, Spang und Stadler (2003: 82-83) differenzieren bezüglich des Outsourcings von IT-Dienstleistungen zwischen den in Abbildung 4 dargestellten Leistungsbereichen.

Leistungsbereich Beispiele Leistungsform

Geschäftsprozesse

Applikationen

IT-Infrastruktur

Call-CenterHelpdesk

SoftwareentwicklungSoftwaremigration

NetzwerkmanagementServer-Management

Business Process Offshoring (BPO)

Software Development Offshoring

Infrastructure Service Offshoring

Quelle: in Anlehnung an Lancellotti et al. (2002)

Abbildung 4: „Outsourcing-Stack”

Ausgehend von dem dargestellten „Outsourcing Stack“ wird in Bezug auf die Leistungsformen des IT-Offshorings im Folgenden eine Klassifikation in das Infrastructure Service Offshoring, das Software Development Offshoring und das Business Process Offshoring (BPO) vorgenommen.

Praxiserfahrung:

Den Erfahrungen der deutschen Tochtergesellschaft des indischen IT-Service-Providers NIIT Technologies (ein Unternehmensprofil befindet sich im Anhang) zufolge handelt es sich bei IT-Offshoring-Projekten in Deutschland zumeist um Offshore-Softwareentwicklungs- bzw. Software-wartungsprojekte. Dies wird auch durch Broß (2005) bestätigt. In diesem Zusammenhang erweist sich die Migration bzw. die Neuentwicklung von Altsystemen als besonders gut geeignet für ein Offshore-Projekt, da ent-sprechende Projekte einen relativ geringen Spezifikationsaufwand erfor-dern.

Ebenfalls ein hohes Potenzial für das IT-Offshoring haben so genannte Managed Services. Diese umfassen beispielsweise das Erstellen von Back-ups, das Einrichten einer Nutzer-Hotline oder das Bereitstellen eines 2nd- bzw. 3rd-Level-Supports im ERP-Umfeld. Vorteilhaft erweist sich bei den Managed Services, dass die Produktivität der Offshore-Mitarbeiter, im Gegensatz zur Softwareentwicklung, nur eine untergeordnete Rolle spielt (z. B. 24/7 Support).

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10 1 Formen

Das BPO umfasst insbesondere die Auslandsverlagerung von Call-Center-Dienstleistungen. Aufgrund der unzureichenden Deutschkenntnisse in vie-len Offshore- und Nearshore-Zielländern macht dieses jedoch zum aktuel-len Zeitpunkt nur einen relativ geringen Anteil des deutschen IT-Offsho-ring-Markts aus.

1.1.1 Infrastructure Service Offshoring

Das Infrastructure Service Offshoring befasst sich mit der Bereitstellung, Wartung und Pflege von Hardware- und Softwarekomponenten durch ei-nen externen Service-Provider (Mayer und Söbbing, 2004: 39). Insbeson-dere Services in Verbindung mit dem Applikationsmanagement werden zunehmend an externe Dienstleistungsunternehmen übertragen (Bräuti-gam, 2004: 62; Dubey, 2003: 12).

Die Auslagerung von Infrastrukturservices gehört zu den beliebtesten Leis-tungsformen des IT-Outsourcings. Dies liegt unter anderem daran, dass der Outsourcing-Kunde möglichst unabhängig von der zugrunde liegenden IT-Infrastruktur agieren möchte. Mithilfe dieser Leistungsform kann das Un-ternehmen die bestehende Infrastruktur einfacher an die sich ändernden Anforderungen anpassen. Im Hinblick auf das Offshoring erweist sich bei dieser Leistungsform allerdings die weite Entfernung zwischen den Part-nern als Hemmschwelle. Durch die zunehmende globale Vernetzung und die kontinuierliche Verbesserung der Telekommunikationstechniken dürfte diese aber in absehbarer Zeit zunehmend sinken (Mayer und Söbbing, 2004: 39-40).

Eine Sonderform des Infrastructure Service Offshorings stellt die Inan-spruchnahme von Applikationen über ein Netzwerk dar. Man spricht in diesem Fall vom so genannten Application Service Providing (ASP). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zum jetzigen Zeit-punkt keine einheitliche Meinung besteht, ob es sich beim ASP um IT-Outsourcing bzw. Offshoring handelt. Der wesentliche Unterschied zum klassischen Outsourcing wird in der Ausrichtung auf den Anwender gese-hen. Während ein Outsourcing-Anbieter kundenindividuelle Lösungen erarbeitet, verfolgt ein Application Service Provider eine One-to-Many-Strategie. Er versucht standardisierte Lösungen einer Vielzahl von Ab-nehmern zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund klassifiziert ein Outsourcing-Anbieter sein Leistungsangebot nach Kunden. Ein Applicati-

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1.1 Leistungsformen 11

on Service Provider hingegen nimmt eine Klassifikation nach angebotenen Anwendungen vor. Im Gegensatz zur Differenzierung zwischen dem Out-sourcing und dem ASP kann allerdings in der Bereitstellung von Standard-lösungen auch eine Weiterentwicklung des herkömmlichen Outsourcings gesehen werden (Bräutigam, 2004: 71). Aufgrund der Vielzahl an Gemein-samkeiten mit dem IT-Outsourcing wird das ASP im Folgenden als eine Sonderform des Infrastructure Service Offshorings betrachtet.

Hinsichtlich des Infrastructure Service Offshorings können im Wesentli-chen die nachfolgenden Leistungskategorien unterschieden werden:

Tabelle 1: Leistungskategorien des Infrastructure Service Offshorings

Leistungskategorie Beschreibung

Netzwerkmanagement Der Offshoring-Kunde kann das Netzwerk-management an einen externen Dienstleister übergeben. Unter Berücksichtigung der enormen Entfernung zwischen den Ver-tragspartnern beim Offshore-Outsourcing bietet sich im Rahmen dieser Leistungska-tegorie insbesondere die Einrichtung und Betreuung eines Wide Area Network (WAN) durch den Offshore-Provider an.

Server-Management (Hosting)

Das Server-Management erstreckt sich von der Bereitstellung einzelner Server über die Systemadministration bis hin zur Übernah-me der Gesamtverantwortung für den Ser-ver-Betrieb. Da beim Offshore-Outsourcing aufgrund der Entfernung zwischen den Vertragspartnern keine Vor-Ort-Betreuung der sich beim Auftraggeber befindenden Zentralrechner möglich ist, stellt der Off-shore-Anbieter dem Kunden Speicher- und Rechnerkapazität auf den Servern seines Rechenzentrums zur Verfügung (Bräutigam, 2004: 846).

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12 1 Formen

Applikationsmanagement Die Verwaltung der im Unternehmen vor-handenen Applikationen umfasst insbeson-dere die Bereitstellung sowie die Pflege und Wartung von Standardsoftware. Demnach ist das ASP ebenfalls dieser Servicekatego-rie zuzuordnen.

In Einzelfällen nimmt der IT-Dienstleister in Verbindung mit dem Appli-kationsmanagement individuelle Anpassungen an Standardlösungen vor, damit diese den Kundenanforderungen gerecht werden (Bräutigam, 2004: 862). Das so genannte Customizing ist allerdings genauso wie weiterfüh-rende Entwicklungstätigkeiten, beispielsweise der Ausbau von Standard-software oder die Neuentwicklung von Individualsoftware, der Leistungs-form des Application Development Offshorings zuzuordnen. Im Allge-meinen besitzt die Auslandsverlagerung von Tätigkeiten in Verbindung mit Standardsoftware aufgrund des benötigten betriebswirtschaftlichen Know-hows ein geringeres Potenzial für das IT-Offshoring als die Ent-wicklung und Betreuung von Individualsoftware (Buchta et al., 2004: 6).

1.1.2 Software Development Offshoring

Eine weitere Leistungsform des IT-Outsourcings, die sich insbesondere in Verbindung mit dem Offshoring enormer Beliebtheit erfreut, ist das Soft-ware Development Offshoring (oder Offshore-Softwareentwicklung). Diesem sind in erster Linie die Entwicklung von Individualsoftware bzw. die Erweiterung und das Re-Engineering bestehender Softwareapplikatio-nen unter Zuhilfenahme externer Leistungen zuzuordnen. Als Vorteile dieser Leistungsform erweisen sich vor allem die höhere Flexibilität in Bezug auf den Einsatz von Ressourcen, die Nutzung des technischen Know-hows des Offshoring-Partners und nicht zuletzt der hiermit verbun-dene Risikotransfer auf den Kooperationspartner (Bräutigam, 2004: 62).

Im Hinblick auf die Softwareentwicklung kann der Offshore-Anbieter alternativ in alle Entwicklungsphasen oder ausschließlich in kritischen Phasen eingebunden werden. Demnach müssen im Rahmen der Kooperati-on mit einem Offshoring-Partner nicht zwangsläufig alle Aktivitäten ins Ausland verlagert werden. Eine Reihe von Tätigkeiten kann im Unterneh-men verbleiben oder wird durch Mitarbeiter des Service-Providers vor Ort