Jarmen wird zur Kunstmeile in der Region Von...• Blumenhaus Vorpahl: Holzwerkstatt-Arbeiten von...

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JARMEN. Dass der östliche Landesteil durchaus eine Viel- zahl an Reizen, Talenten, In- novationen, Tatkraft, und da- mit einhergehend, mitunter Überraschungen bereithält, das weiß Ministerpräsident a.D. Harald Ringstorff (SPD) wohl bestens aus seiner Poli- tiker-Zeit. Doch ab und an können ihn die Orte dort und ihre Bewohner offenbar auch heute noch verblüffen, selbst tief in der vorpommerschen Provinz gelegen wie Jarmen. Denn der erste Auftritt der Kleinstadt seit eineinhalb Jahrzehnten bei „Kunst: Of- fen“ nötigte dem inzwischen 77-Jährigen gehörigen Res- pekt und Bewunderung ab. An die Peene gekommen war der frühere Landesvater diesmal sozusagen als gern gesehenes Beiwerk: Seine Frau Dagmar, eine unter dem Pseudonym Dagmar Dark bekannte Pantomimin, fun- gierte als Schirmherrin und übernahm die offizielle Eröff- nung des Jarmener Beitrages zu der landesweiten Aktion an Pfingsten. Dabei dürften gleich meh- rere Superlative für den Nord- osten zusammengekommen sein, die in der Art der Kunst- Präsentation und der Anzahl der Beteiligten begründet lie- gen. Schließlich präsentierte sich der Ort mit einer langen Galerie an Schaufenstern, die sonst für die Waren und Dienstleistungen dahinter werben oder aber leer stehen. Schon seit rund drei Jahren versuchen einige Enthusias- ten, auf diese Weise ihre Hei- matstadt ansehnlicher zu ge- stalten und tote Glasf lächen zu reduzieren, doch mit der Anmeldung zu „Kunst: Of- fen“ geriet diese Idee nun so in Fahrt, dass sogar die Beteiligten völlig überrascht wurden durch die Resonanz. „Es ist für mich bemer- kenswert, wie viele Leute sie hier zum Mitmachen gewin- nen konnten“, kommentier- te Harald Ringstorff im Ge- spräch mit dem Nordkurier. Und dass ausgerechnet im tiefsten Vorpommern, das bei Uneingeweihten doch nach wie vor eher den zweifel- haften Ruf genieße, hinterm Mond zu sein. „Aber das hier zeigt wieder einmal, dass es hier eine reiche Kulturland- schaft gibt.“ Nicht zuletzt basierend auf dem ehren- amtlichen Engagement vie- ler Menschen dort und der Unterstützung der lokalen Wirtschaft. Aussagen, die dem Ex-Regierungschef frü- her mancher vielleicht als reine Politiker-Rhetorik zu- geschrieben hätte. Doch seine Frau hieb genau in die gleiche Kerbe und beide starteten an- schließend trotz gesundheit- licher Probleme zu einem stundenlangen Schaufenster- Bummel, bei dem großes In- teresse für die Ausstellungs- stücke und die Protagonisten deutlich wurde. Wie die meisten anderen Pfingst-Kunstgucker – im alle drei Tage 24 Stunden lang „geöffneten“ Jarmen waren es mit Sicherheit mindestens mehrere Hundert – nahm sich das Paar dabei erst die eine Seite der Hauptstraße vor und dann die andere. Die Exponate in der Peenestadt offenbarten eine enorme Viel- falt, was die Art und die Urhe- ber betrifft. Letztere reichten von Kindergarten-Steppkes und Schüler über Hobby-Ak- teure und Laien bis hin zu echten Profis, die mitunter sogar ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Wie etwa Marika Herzog, eine 30-Jährige Manga-Künst- lerin. In Vorpommern groß geworden, lebt sie in Berlin, ist auf Messen präsent und so etwas wie ein Star dieser Sze- ne in Deutschland. Ihre Vita und einige ihrer filigranen Zeichnungen schmückten am vergangenen Wochenen- de die Scheibe einer Versiche- rungsagentur in der Lange Straße. Gleich nebenan bezie- hungsweise gegenüber gab es in den zwei Salons einer Fri- sörmeisterin hingegen echte Hausmannskost – sprich: regionale Handarbeiten, und nur ein paar Schritte weiter neben Brillen-Gestellen fei- ne Glasgravuren. An anderer Stelle wartete ein Elektriker plötzlich mit einer Foto-Aus- stellung auf, ein Handy- und Hausgeräteladen mit Ölma- lerei, Blumenläden mit Holz- skulpturen und Keramik. Der Nordkurier widmete die Fensterfronten seines Bü- In Sachen „Kunst: Offen“ präsentierte sich Jarmen mit seiner Schaufenster-Galerie als Superlativ. Denn außer der zentralen Sammelausstellung in Lubmin dürfte es in Vorpommern 2017 nirgends mehr Vielfalt gegeben haben. Jarmen wird zur Kunstmeile in Stefan Hoeft Von Stationen, Aussteller und Objekte: • Stadt Jarmen/Mirko Quade: Kugelbrunnen mit Holzbiber • Natursteinbetrieb Feilhaber: Steinmetzarbeiten und Steinmetzwerkzeuge • Elektrotechnik Stöwesand: Ölmalerei Jens Gutjahr • Blumenecke Merklein: Hobbykeramik Kerstin Böttger • Bäckerei Giermann: Kinderzeichnungen Kita Jarmen • Nordkurier-Lesertreff: Dokumentation des Gesprächskreises Jarmen • Leder-/Kurzwaren Wagner: Klöppelarbeiten von Simone Grams • Galerie Haus Schlecker: Schülerarbeiten Regionalschule, Stein- und Metallverbin- dungen von Siegfried Peris, Fotokunst von Elke Maier, Landschaftsbilder von Adolf Müller, Fotoarbeiten von Juliane Mruk • Ehemaliger Konsum (Kohnertstraße 4): „Find Your Personality“ von Bettina und Lutz Münchberg • Ehemalige Drogerie Kolvitz: Hobbytöpferei von Elsbeth Pohlmann, Fotografien von Petra Niebuhr, Arbeiten von Hubschmied Andreas Ludwig und Juliane Eggers „aus Schrott“ • Ehemaliges Bekleidungshaus Schwerin: Aquarelle von Hubertus Braha, Skulpturen und Lichtinstalla- tionen von Tycho Braha • Elektroservice Breitsprecher: Fotografien von Katja Heymann, Ölmalerei von Oliver Helzel • Blumenhaus Vorpahl: Holzwerkstatt-Arbeiten von Jarmener Regionalschülern • Altes Pfarrhaus (Neuer Markt 6): Stadt- und kirchengeschicht- liche Dokumente, Gedichte von Helmuth Schulz • Leeres Haus Neuer Markt 14: Fenstergestaltung/Malerei von Bettina Münchberg/ kreAktiv • Fahrschule Malkowsky: Ölbilder und Zeichnungen von Diana Hoth • Herrensalon/Damensalon Melly (Lange Straße 3/5): Handarbeiten vom „Zemmi- ner Handarbeitskreis“ • Versicherungsagentur Andrea Hinrichs: Mangas von Marika Herzog • Optiker Wilke: Glasgravuren von Bettina Kugler • Haushaltsgeräte Borchardt: Ölbilder • Schuhhaus Sorge: Alte Stadtansichten – gezeichnet von Wilhelm Hacker • Jeans & Moden Roswitha Herrmann: Bastelarbeiten nach Fröbelpädagogik (Kita Jarmen) • Ehemalige Apotheke (Alter Markt 13): Atelier kreAktiv (Bettina Münchberg) • Treffpunkt Volkssolidarität (Demminer Straße 23): Hand- arbeiten Edda Langwald/ Gudrun Wiese • Optiker Bertram (Schillerstraße): Kinderzeichnungen Kita Zarrenthin Jarmener Schaufenster 2017 Statt Waschmittel, Zahnpasta und Drogerieartikeln wurden in der ehemaligen Schlecker-Filiale jede Menge Malerei, Fotos und andere Kunst präsentiert. Hereinspaziert zu Vorpommerns längster Galerie: Auch Bürgermeister Arno Karp zeigte sich angetan von dem, was seine Stadt zu Pfingsten aufbieten konnte. Verkaterte Kunst? Schuhhausherr „Mauz“ staunte nicht schlecht, was da jetzt die Auslagen in seinem Stamm-Schaufenster füllte: Statt Stiefeln sah sich der Stubentiger alten Ansichten von Jarmen gegenüber, gezeichnet von Ortschronist Wilhelm Hacker. Schau, wer guckt von draußen rein: Viele Jarmener Schaufenster boten am langen Pfingstwochenende einen etwas anderen Einblick. Die große Welt im kleinen Jarmen: Mangas gelten in Vorpommerns Provinz eher als exotisch. Doch genau damit brilliert eine junge ehemalige Peenestädterin. Und stellte jetzt in der alten Heimat einige ihrer Arbeiten aus. Kunst zum Durchschauen: Beim Optiker in der Langen Straße zogen Glasgravur-Arbeiten die Blicke auf sich. ge en Kun Straß Seite 14 Mittwoch, 7. Juni 2017 Vorpommern Kurier ros der langen und abwechs- lungsreichen Geschichte des Jarmener Gesprächskreises, aus dem heraus einst die Schaufenster-Idee geboren wurde, der Jarmener Stein- metzbetrieb präsentierte ausgewählte Stücke und Ge- räte dieser Handwerkskunst. Und wie so nebenbei erfuhr das Publikum, was so man- cher Mitbürger in seiner Frei- zeit anstellt, von dem bisher kaum einer etwas wusste. Seien es die Klöppeleien der Supermarktverkäuferin, die Tier- und Landschaftszeich- nungen der Bauplanerin oder das Maltalent des Bademeis- ters. Mitunter fanden sogar Ge- nerationen zusammen, wie im einstigen Bekleidungs- geschäft Schwerin: Auf der einen Flanke schmückten alte Zeichnungen von Huber- tus Braha den Raum hinter der Scheibe, die andere „be- setzte“ sein Sohn Tycho mit Installationen aus Licht und „Fossilien“. Wobei das mit der Beleuchtung leider nicht so klappte, wie es sich der selbstständige Handelsvertre- ter erhofft hatte. Ansonsten indes sieht er die Jarmener Aktion als vollen Erfolg an, und das keineswegs nur, weil sich unerwarteterweise Inte- ressenten an seiner Arbeit meldeten. Ihn verblüffte die generelle gewaltige Resonanz in der Kleinstadt und ihrer Umgebung auf den Aufruf zum Mitmachen, äußerte der heute in Demmin lebende Mann gegenüber dem Nord- kurier. Besonders freute er sich über die große Band- breite und die Beteiligung des Nachwuchses. Immerhin war neben den Kitas aus der Peenestadt und Zarrenthin auch die Regional- schule an mehreren Stellen präsent. Teils im Eigen-Mar- keting, teils im Zusammen- spiel mit dem Atelier kreAk- tiv von Bettina Münchberg, die ein Holzskulpturen-Pro- jekt mit den jungen Leuten realisiert hat. Sie und ihr Mann Lutz stifteten ohnehin an mehreren Punkten Hin- gucker, öffneten zudem ihr Haus am Alten Markt für Be- sucher und Gespräche. Viel zu reden gab es auch bei Peter Sorge vom gleich- namigen Schuhhaus, den Ge- sprächskreis-Initiator Hans- Robert Metelmann als den „Generalsekretär der Schau- fenstergalerie“ titulierte. Wo sonst diverse Stiefel, Sanda- letten und Pantoffeln in den Auslagen stehen, fanden sich jetzt 32 Bleistiftzeichnungen von Ortschronist Wilhelm Hacker wieder, die sämtlich Bauwerke abbildeten, die inzwischen verschwunden sind. Gleichfalls um Histori- sches ging es im alten Pfarr- haus, wo interessierte Pee- nestädter Kirchendokumente und die Kirchenchronik des benachbarten Kartlows mit handgefertigten Bildern bestaunen durften. Nebenbei gab es noch einige Verse aus der Feder des in- zwischen verstorbenen Hei- matdichters Helmut Schulz zu hören. So etwas wie einen zen- tralen Anlaufpunkt bildete das Wochenende über die einstige Schlecker-Filiale: Dort stellten gleich mehrere Künstler und Akteure aus, verwandelten den stillgeleg- ten Drogerie-Markt in eine Art Kunsthalle. Gespickt mit Fotoarbeiten und Malerei, Ge- töpfertem und besonderen Verbindungen aus Stein und Metall. Letztere geschaffen von Siegfried Peris aus der Scheunenstraße, der in seiner Freizeit Findlinge und Stahl zu Tierfiguren zusammen- fügt. Und zwar auf so hüb- sche Art, dass die Ringstorffs umgehend eine Bestellung für ihren heimischen Garten aufgaben. Jarmens Auftritt zu „Kunst: Offen“ wird ihnen also mit Sicherheit lange in Erinnerung bleiben. Doppelte Handwerkskunst hüben wie drüben: Frisörmeisterin Melanie Hübbe machte die Fensterfronten ihrer beiden Salons an der Langen Straße für den Handarbeitskreis aus Zemmin frei. zur größten der Region Auch wenn es mit dem Licht- spiel nicht so klappte wie erhofft, erwies sich die Installation von Tycho Braha als Augenmagnet. FOTOS: STEFAN HOEFT Steinstarke Kunst: Der Steinmetzbetrieb Feilhaber präsentierte Arbeitsproben und einige Werkzeuge seines Berufsstandes. Große Veranstaltungskunst mit wechselnden Thema und Referenten: Der Nordkurier widmete seine Schaufenster dem Jarmener Gesprächskreis, aus dem auch die Idee der Schaufenster-Galerie stammt. Anziehungspunkt Kleinstadt: Hunderte Menschen nahmen Jarmens Haupt- und Nebenstraßen unter ihre Füße, um die längste Kunstmeile Vorpommerns zu betrachten. Schon früher unterschrieb er wichtige Dinge unten links: Mecklenburg-Vorpommerns früherer Ministerpräsident Harald Ringstorff verewigte sich als erster auf diesem „Gästebuch“ der Jarmener Schaufenster-Galerie. Wo sonst die künftigen Autopiloten büffeln: Bei der Fahrschule Malkowsky gab es Zeichnungen und Malerei von Diana Hoth zu betrachten. Was versteckt sich hinter diesem Loch im maroden Zaun? Natürlich starteten auch Gesprächskreis- Initiator Hans-Robert Metelmann und Schirmherrin Dagmar Ringstorff (im Vordergrund) zu einem Kunst-Rundgang durch Jarmen. ows mit ldern en. Anzi unt Die Besucher erwarteten in der Peenestadt so viele Mäzene und Künstler wie in keinem anderen Ort des Landes. Obendrein war so gut wie alles rund um die Uhr zu betrachten, und zur Eröffnung rückte sogar ein einstiger Ministerpräsident an. Seite 15 Mittwoch, 7. Juni 2017 Vorpommern Kurier Immobilienmarkt Vermietung Die Kleinanzeige zum Verkauf einer Immobilie jetzt mit Foto aufgeben.

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  • JARMEN. Dass der östliche Landesteil durchaus eine Viel-zahl an Reizen, Talenten, In-novationen, Tatkraft, und da-mit einhergehend, mitunter Überraschungen bereithält, das weiß Ministerpräsident a.D. Harald Ringstorff (SPD) wohl bestens aus seiner Poli-tiker-Zeit. Doch ab und an können ihn die Orte dort und ihre Bewohner offenbar auch heute noch verblüffen, selbst tief in der vorpommerschen Provinz gelegen wie Jarmen. Denn der erste Auftritt der Kleinstadt seit eineinhalb Jahrzehnten bei „Kunst: Of-fen“ nötigte dem inzwischen 77-Jährigen gehörigen Res-pekt und Bewunderung ab. An die Peene gekommen war der frühere Landesvater diesmal sozusagen als gern gesehenes Beiwerk: Seine Frau Dagmar, eine unter dem Pseudonym Dagmar Dark

    bekannte Pantomimin, fun-gierte als Schirmherrin und übernahm die offizielle Eröff-nung des Jarmener Beitrages zu der landesweiten Aktion an Pfingsten.

    Dabei dürften gleich meh-rere Superlative für den Nord-osten zusammengekommen sein, die in der Art der Kunst-Präsentation und der Anzahl der Beteiligten begründet lie-gen. Schließlich präsentierte sich der Ort mit einer langen Galerie an Schaufenstern, die sonst für die Waren und Dienstleistungen dahinter werben oder aber leer stehen. Schon seit rund drei Jahren versuchen einige Enthusias-ten, auf diese Weise ihre Hei-matstadt ansehnlicher zu ge-stalten und tote Glasflächen zu reduzieren, doch mit der Anmeldung zu „Kunst: Of-fen“ geriet diese Idee nun so in Fahrt, dass sogar die Beteiligten völlig überrascht wurden durch die Resonanz.

    „Es ist für mich bemer-kenswert, wie viele Leute sie hier zum Mitmachen gewin-nen konnten“, kommentier-te Harald Ringstorff im Ge-spräch mit dem Nordkurier. Und dass ausgerechnet im tiefsten Vorpommern, das bei Uneingeweihten doch nach wie vor eher den zweifel-haften Ruf genieße, hinterm Mond zu sein. „Aber das hier zeigt wieder einmal, dass es hier eine reiche Kulturland-schaft gibt.“ Nicht zuletzt basierend auf dem ehren-amtlichen Engagement vie-ler Menschen dort und der Unterstützung der lokalen Wirtschaft. Aussagen, die dem Ex-Regierungschef frü-her mancher vielleicht als reine Politiker-Rhetorik zu-geschrieben hätte. Doch seine Frau hieb genau in die gleiche Kerbe und beide starteten an-

    schließend trotz gesundheit-licher Probleme zu einem stundenlangen Schaufenster-Bummel, bei dem großes In-teresse für die Ausstellungs-stücke und die Protagonisten deutlich wurde.

    Wie die meisten anderen Pfingst-Kunstgucker – im alle drei Tage 24 Stunden lang „geöffneten“ Jarmen waren es mit Sicherheit mindestens mehrere Hundert – nahm sich das Paar dabei erst die eine Seite der Hauptstraße vor und dann die andere. Die Exponate in der Peenestadt offenbarten eine enorme Viel-falt, was die Art und die Urhe-ber betrifft. Letztere reichten von Kindergarten-Steppkes und Schüler über Hobby-Ak-teure und Laien bis hin zu echten Profis, die mitunter sogar ihren Lebensunterhalt damit verdienen.

    Wie etwa Marika Herzog, eine 30-Jährige Manga-Künst-lerin. In Vorpommern groß geworden, lebt sie in Berlin, ist auf Messen präsent und so etwas wie ein Star dieser Sze-ne in Deutschland. Ihre Vita und einige ihrer filigranen Zeichnungen schmückten am vergangenen Wochenen-de die Scheibe einer Versiche-rungsagentur in der Lange Straße. Gleich nebenan bezie-hungsweise gegenüber gab es in den zwei Salons einer Fri-sörmeisterin hingegen echte Hausmannskost – sprich: regionale Handarbeiten, und nur ein paar Schritte weiter neben Brillen-Gestellen fei-ne Glasgravuren. An anderer Stelle wartete ein Elektriker plötzlich mit einer Foto-Aus-stellung auf, ein Handy- und Hausgeräteladen mit Ölma-lerei, Blumenläden mit Holz-skulpturen und Keramik.

    Der Nordkurier widmete die Fensterfronten seines Bü-

    In Sachen „Kunst: Offen“ präsentierte sich Jarmen mit seiner Schaufenster-Galerie als Superlativ. Denn außer der zentralen Sammelausstellung in Lubmin dürfte es in Vorpommern 2017 nirgends mehr Vielfalt gegeben haben.

    Jarmen wird zur Kunstmeile in

    Stefan HoeftVon

    Stationen, Aussteller und Objekte:

    • Stadt Jarmen/Mirko Quade: Kugelbrunnen mit Holzbiber

    • Natursteinbetrieb Feilhaber: Steinmetzarbeiten und Steinmetzwerkzeuge

    • Elektrotechnik Stöwesand: Ölmalerei Jens Gutjahr

    • Blumenecke Merklein: Hobbykeramik Kerstin Böttger

    • Bäckerei Giermann: Kinderzeichnungen Kita Jarmen

    • Nordkurier-Lesertreff: Dokumentation des Gesprächskreises Jarmen

    • Leder-/Kurzwaren Wagner: Klöppelarbeiten von Simone Grams

    • Galerie Haus Schlecker: Schülerarbeiten Regionalschule, Stein- und Metallverbin-dungen von Siegfried Peris, Fotokunst von Elke Maier, Landschaftsbilder von Adolf Müller, Fotoarbeiten von Juliane Mruk

    • Ehemaliger Konsum (Kohnertstraße 4): „Find Your Personality“ von Bettina und Lutz Münchberg

    • Ehemalige Drogerie Kolvitz: Hobbytöpferei von Elsbeth Pohlmann, Fotografien von Petra Niebuhr, Arbeiten von Hubschmied Andreas Ludwig und Juliane Eggers „aus Schrott“

    • Ehemaliges Bekleidungshaus Schwerin: Aquarelle von Hubertus Braha, Skulpturen und Lichtinstalla-tionen von Tycho Braha

    • Elektroservice Breitsprecher: Fotografien von Katja Heymann, Ölmalerei von Oliver Helzel

    • Blumenhaus Vorpahl: Holzwerkstatt-Arbeiten von Jarmener Regionalschülern

    • Altes Pfarrhaus (Neuer Markt 6): Stadt- und kirchengeschicht-liche Dokumente, Gedichte von Helmuth Schulz

    • Leeres Haus Neuer Markt 14: Fenstergestaltung/Malerei von Bettina Münchberg/kreAktiv

    • Fahrschule Malkowsky: Ölbilder und Zeichnungen von Diana Hoth

    • Herrensalon/Damensalon Melly (Lange Straße 3/5): Handarbeiten vom „Zemmi-ner Handarbeitskreis“

    • Versicherungsagentur Andrea Hinrichs: Mangas von Marika Herzog

    • Optiker Wilke: Glasgravuren von Bettina Kugler

    • Haushaltsgeräte Borchardt: Ölbilder

    • Schuhhaus Sorge: Alte Stadtansichten – gezeichnet von Wilhelm Hacker

    • Jeans & Moden Roswitha Herrmann: Bastelarbeiten nach Fröbelpädagogik (Kita Jarmen)

    • Ehemalige Apotheke (Alter Markt 13): Atelier kreAktiv (Bettina Münchberg)

    • Treffpunkt Volkssolidarität (Demminer Straße 23): Hand-arbeiten Edda Langwald/Gudrun Wiese

    • Optiker Bertram (Schillerstraße): Kinderzeichnungen Kita Zarrenthin

    Jarmener Schaufenster 2017

    Statt Waschmittel, Zahnpasta und Drogerieartikeln wurden in der ehemaligen Schlecker-Filiale jede Menge Malerei, Fotos und andere Kunst präsentiert.

    Hereinspaziert zu Vorpommerns längster Galerie: Auch Bürgermeister Arno Karp zeigte sich angetan von dem, was seine Stadt zu Pfingsten aufbieten konnte.

    Verkaterte Kunst? Schuhhausherr „Mauz“ staunte nicht schlecht, was da jetzt die Auslagen in seinem Stamm-Schaufenster füllte: Statt Stiefeln sah sich der Stubentiger alten Ansichten von Jarmen gegenüber, gezeichnet von Ortschronist Wilhelm Hacker.

    Schau, wer guckt von draußen rein: Viele Jarmener Schaufenster boten am langen Pfingstwochenende einen etwas anderen Einblick.

    Die große Welt im kleinen Jarmen: Mangas gelten in Vorpommerns Provinz eher als exotisch. Doch genau damit brilliert eine junge ehemalige Peenestädterin. Und stellte jetzt in der alten Heimat einige ihrer Arbeiten aus.

    Kunst zum Durchschauen: Beim Optiker in der Langen Straße zogen Glasgravur-Arbeiten die Blicke auf sich. ge

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    KunStraß

    Seite 14 Mittwoch, 7. Juni 2017Vorpommern Kurier

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    ros der langen und abwechs-lungsreichen Geschichte des Jarmener Gesprächskreises, aus dem heraus einst die Schaufenster-Idee geboren wurde, der Jarmener Stein-metzbetrieb präsentierte ausgewählte Stücke und Ge-räte dieser Handwerkskunst. Und wie so nebenbei erfuhr das Publikum, was so man-cher Mitbürger in seiner Frei-zeit anstellt, von dem bisher kaum einer etwas wusste. Seien es die Klöppeleien der Supermarktverkäuferin, die Tier- und Landschaftszeich-nungen der Bauplanerin oder das Maltalent des Bademeis-ters.

    Mitunter fanden sogar Ge-nerationen zusammen, wie im einstigen Bekleidungs-geschäft Schwerin: Auf der einen Flanke schmückten alte Zeichnungen von Huber-tus Braha den Raum hinter der Scheibe, die andere „be-setzte“ sein Sohn Tycho mit Installationen aus Licht und „Fossilien“. Wobei das mit der Beleuchtung leider nicht so klappte, wie es sich der selbstständige Handelsvertre-ter erhofft hatte. Ansonsten indes sieht er die Jarmener Aktion als vollen Erfolg an, und das keineswegs nur, weil sich unerwarteterweise Inte-ressenten an seiner Arbeit meldeten. Ihn verblüffte die generelle gewaltige Resonanz in der Kleinstadt und ihrer Umgebung auf den Aufruf zum Mitmachen, äußerte der heute in Demmin lebende Mann gegenüber dem Nord-kurier. Besonders freute er sich über die große Band-breite und die Beteiligung des Nachwuchses.

    Immerhin war neben den Kitas aus der Peenestadt und Zarrenthin auch die Regional-schule an mehreren Stellen

    präsent. Teils im Eigen-Mar-keting, teils im Zusammen-spiel mit dem Atelier kreAk-tiv von Bettina Münchberg, die ein Holzskulpturen-Pro-jekt mit den jungen Leuten realisiert hat. Sie und ihr Mann Lutz stifteten ohnehin an mehreren Punkten Hin-gucker, öffneten zudem ihr Haus am Alten Markt für Be-sucher und Gespräche.

    Viel zu reden gab es auch bei Peter Sorge vom gleich-namigen Schuhhaus, den Ge-sprächskreis-Initiator Hans-Robert Metelmann als den „Generalsekretär der Schau-fenstergalerie“ titulierte. Wo sonst diverse Stiefel, Sanda-letten und Pantoffeln in den Auslagen stehen, fanden sich jetzt 32 Bleistiftzeichnungen von Ortschronist Wilhelm Hacker wieder, die sämtlich Bauwerke abbildeten, die inzwischen verschwunden sind. Gleichfalls um Histori-sches ging es im alten Pfarr-haus, wo interessierte Pee-nestädter Kirchendokumente und die Kirchenchronik des benachbarten Kartlows mit handgefertigten Bildern bestaunen durften.

    Nebenbei gab es noch einige Verse aus der Feder des in-zwischen verstorbenen Hei-matdichters Helmut Schulz zu hören.

    So etwas wie einen zen-tralen Anlaufpunkt bildete das Wochenende über die einstige Schlecker-Filiale: Dort stellten gleich mehrere Künstler und Akteure aus, verwandelten den stillgeleg-ten Drogerie-Markt in eine Art Kunsthalle. Gespickt mit Fotoarbeiten und Malerei, Ge-töpfertem und besonderen Verbindungen aus Stein und Metall. Letztere geschaffen von Siegfried Peris aus der Scheunenstraße, der in seiner Freizeit Findlinge und Stahl zu Tierfiguren zusammen-fügt. Und zwar auf so hüb-sche Art, dass die Ringstorffs umgehend eine Bestellung für ihren heimischen Garten aufgaben. Jarmens Auftritt zu „Kunst: Offen“ wird ihnen also mit Sicherheit lange in Erinnerung bleiben.

    Doppelte Handwerkskunst hüben wie drüben: Frisörmeisterin Melanie Hübbe machte die Fensterfronten ihrer beiden Salons an der Langen Straße für den Handarbeitskreis aus Zemmin frei.

    zur größten der Region

    Auch wenn es mit dem Licht-spiel nicht so klappte wie erhofft, erwies sich die Installation von Tycho Braha als Augenmagnet. FOTOS: STEFAN HOEFT

    Steinstarke Kunst: Der Steinmetzbetrieb Feilhaber präsentierte Arbeitsproben und einige Werkzeuge seines Berufsstandes.

    Große Veranstaltungskunst mit wechselnden Thema und Referenten: Der Nordkurier widmete seine Schaufenster dem Jarmener Gesprächskreis, aus dem auch die Idee der Schaufenster-Galerie stammt.

    Anziehungspunkt Kleinstadt: Hunderte Menschen nahmen Jarmens Haupt- und Nebenstraßen unter ihre Füße, um die längste Kunstmeile Vorpommerns zu betrachten.

    Schon früher unterschrieb er wichtige Dinge unten links: Mecklenburg-Vorpommerns früherer Ministerpräsident Harald Ringstorff verewigte sich als erster auf diesem „Gästebuch“ der Jarmener Schaufenster-Galerie.

    Wo sonst die künftigen Autopiloten büffeln: Bei der Fahrschule Malkowsky gab es Zeichnungen und Malerei von Diana Hoth zu betrachten.

    Was versteckt sich hinter diesem Loch im maroden Zaun? Natürlich starteten auch Gesprächskreis-Initiator Hans-Robert Metelmann und Schirmherrin Dagmar Ringstorff (im Vordergrund) zu einem Kunst-Rundgang durch Jarmen.

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    Die Besucher erwarteten in der Peenestadt so viele Mäzene und Künstler wie in keinem anderen Ort des Landes. Obendrein war so gut wie alles rund um die Uhr zu betrachten, und zur Eröffnung rückte sogar ein einstiger Ministerpräsident an.

    Seite 15Mittwoch, 7. Juni 2017 Vorpommern Kurier

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