JOACHIM KÜHNERT Der Judenburger Kaufmann Nikolaus Körbler

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70 Blätter für Heimatkunde 78 (2004) JOACHIM KÜHNERT Der Judenburger Kaufmann Nikolaus Körbler Bemerkungen zuseinem Porträt vonParis Bordone (1532) Zu den neueren Entwick- lungen der Kunstgeschichte zählt das Bemühen, zu den Porträts bürgerlicher Kauf- leute, insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts, auch eine Vita zu erschließen und so auch wirtschafts- undsozi- algeschichtliche Erkenntnisse in die Betrachtung einzube- ziehen. Ein solches Lebens- bild zuzeichnen, soll imFol- genden zu dem im Besitzder Fürstlich Liechtensteinschen Gemäldegalerie stehenden Bildnis des Nikolaus Körb- ler von Paris Bordone, eines prominenten Tizianschülers, versucht werden. Über die Person desNikolaus Körbler weiß derKatalog der Galerie nur kurz zu berichten: Als Kaufmann aus dem steiri- schen Judenburg habe er sich der Strafexpedition Kaiser Karls V. nach Tunis angeschlossen und inNordafrika als Admiral der kaiserlichen Flotte an den von Entbehrungen und heldenhaftem Geist gekennzeichneten Kämpfen gegen denPiraten Chaireddin Barbarossa mitgewirkt. Wer warNikolaus Körbler wirklich? Die Bezeichnungen auf dem Bild geben einen ersten Hinweis: „37 AETATIS ANOR/UM/ M.D.XXXII" auf der Kartusche links und auf dem Fries der Hintergrundsarchitektur „NICOLAUS KORBLER • D A IUDENBURG ARMIRAGUO • Di CAROLO V A TUNISE 15-32". Rechts unten am Stamm des Baumes nennt sich der Künstler: „PARIS bordone f/ecit/." Tatsächlichist in Judenburg seit dem Ende des 15. Jahrhunderts eine angesehene Familie Körbler, Großhändler mit weitreichenden Geschäftsbeziehungen, nachweisbar. 1 Wie sich aus Abb. 1: P. Bordone: Nikolaus Körbler.Sammlung des Reg. Fürsten vonLiechtenstein, Inv.-Nr. 1128. Die Daten zu denfamiliären Beziehungen Nikolaus Körblers sind, ebenso wie dieAngaben zu dengeschäftlichen Aktivitäten, ganz überwiegend entnommen aus: FERDINAND TREMEL,

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70 Blätter für Heimatkunde 78 (2004)

JOACHIM KÜHNERT

Der Judenburger Kaufmann Nikolaus Körbler Bemerkungen zu seinem Porträt von Paris Bordone (1532)

Zu den neueren Entwick­lungen der Kunstgeschichte zählt das Bemühen, zu den Porträts bürgerlicher Kauf­leute, insbesondere des 16. und 17. Jahrhunderts, auch eine Vita zu erschließen und so auch wirtschafts- und sozi­algeschichtliche Erkenntnisse in die Betrachtung einzube-ziehen. Ein solches Lebens­bild zu zeichnen, soll im Fol­genden zu dem im Besitz der Fürstlich Liechtensteinschen Gemäldegalerie stehenden Bildnis des Nikolaus Körb­ler von Paris Bordone, eines prominenten Tizianschülers, versucht werden. Über die Person des Nikolaus Körbler weiß der Katalog der Galerie nur kurz zu berichten: Als Kaufmann aus dem steiri-schen Judenburg habe er sich der Strafexpedition Kaiser Karls V. nach Tunis angeschlossen und in Nordafrika als Admiral der kaiserlichen Flotte an den von Entbehrungen und heldenhaftem Geist gekennzeichneten Kämpfen gegen den Piraten Chaireddin Barbarossa mitgewirkt.

Wer war Nikolaus Körbler wirklich? Die Bezeichnungen auf dem Bild geben einen ersten Hinweis: „37 AETATIS ANOR/UM/ M.D.XXXII" auf der Kartusche links und auf dem Fries der Hintergrundsarchitektur „NICOLAUS • KORBLER • DA •

IUDENBURG • ARMIRAGUO • Di • CAROLO • V • A • TUNISE • 15-32". Rechts unten am

Stamm des Baumes nennt sich der Künstler: „PARIS bordone f/ecit/." Tatsächlich ist in Judenburg seit dem Ende des 15. Jahrhunderts eine angesehene Familie Körbler, Großhändler mit weitreichenden Geschäftsbeziehungen, nachweisbar.1 Wie sich aus

Abb. 1: P. Bordone: Nikolaus Körbler. Sammlung des Reg. Fürsten von Liechtenstein, Inv.-Nr. 1128.

Die Daten zu den familiären Beziehungen Nikolaus Körblers sind, ebenso wie die Angaben zu den geschäftlichen Aktivitäten, ganz überwiegend entnommen aus: FERDINAND TREMEL,

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Abb. 2: M. Goebel: Nikolaus Kaibier (=Körbler). Kunsthistor. Museum Wien MK 10.430.

der Altersangabe auf dem Bild ergibt, wurde Nikolaus Körbler 1495 geboren. Er hatte zwei Brüder, Clemens und Augustin, die beide, so wie er selbst, den Kaufmannsberuf ergriffen. Mit Augustin gemeinsam betrieb er einen umfangreichen Handel mit Speik (Heil- und Duftpflanzen), ein Geschäft, für das sie von der Stadt Judenburg ein Mono­pol gepachtet hatten. Ein weiterer wichtiger Geschäftszweig der beiden Brüder war der Handel mit Vitriol, für das Venedig, ebenso wie für Speik, ein wichtiger Handelsplatz war. Tatsächlich sind italienische Geschäfte der beiden Körbler mit diesen Produkten nachweisbar. Man wird daher davon ausge­hen können, dass die beiden Brüder mit dem Markt in Oberitalien bestens verrraut waren,

ja, aller Wahrscheinlichkeit nach dem in Großhändlerkreisen damals üblichen Aus­bildungsweg gefolgt waren und sich die nötigen kommerziellen wie Sprachkennt­nisse als junge Leute in Venedig erworben hatten. Nikolaus und Augustin waren sehr wohlhabende Kaufleute, was aus dem Steuerbuch der Stadt Judenburg deutlich wird. Ihre Steuerleistung betrug 1528 je 19 Pfund 1 Schilling 10 Pfennig. Nikolaus Körbler ist als Mitglied des Rates der Stadt Judenburg mindestens im Jahre 1536 nachweisbar. Verstorben ist er vor dem 4. März 1541.

Soweit die Umrisse der bürgerlichen Kaufmannsexistenz des Nikolaus Körbler. Freilich gab es da auch noch eine abenteuerliche Komponente. Im Frühjahr 1532 schickte sich Sultan Süleiman zu einem weiteren Vorstoß gegen Wien an. Kaiser Karl V und sein Bruder König Ferdinand I. begegneten dieser Offensive mit um­fangreichen Werbungen für das Reichsheer in Italien, Spanien und Deutschland. Schließlich wuchs das kaiserliche Heer auf eine Stärke von 76.000 bis 86.000 Mann an. Im September 1532 trat Süleimann, ohne daß es zu einer entscheidenden Schlacht gekommen wäre, den Rückzug an. Im Hinblick auf die fortgeschrittene Jahreszeit entschloß sich der Kaiser, sein Heer unter den Mauern Wiens aufzulösen und mit den spanischen und italienischen Kontingenten nach Italien zu ziehen. Dieser Zug führte durch die Steiermark, wobei es zu schweren Ausschreitungen der spanischen und italienischen Söldner gegen die Zivilbevölkerung kam. Der Bruder unseres Nikolaus, Augustin, hat über diesen Truppendurchzug umfangrei­che Aufzeichnungen hinterlassen, die eine wertvolle historische Quelle bilden.2

Danach erreichte Augustin Körbler - er war neben seinem Kaufmannsberuf auch Pfleger der Stubenbergischen Herrschaft Frauenburg bei Unzmarkt - am

Das Handelsbuch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbler, 1526-1548. Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichtsquellen XLVII/NF. XV, Graz 1960. - Zu den Geschäfts­beziehungen des Handelshauses Körbler mit Süddeutschland siehe auch HEINRICH KUN-NERT, Nürnberger Montanunternehmer in der Steiermark. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 53 (1965), 229-254.

2 Bericht des Augustin Körbler an Wolfgang von Stubenberg. Ediert v. ARNOLD LUSCHIN unter dem Titel „Ein Truppendurchzug im 16. Jahrhunderte". In: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte NF III. Jg., Hannover 1874.

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6. Oktober 1532 der kaiserliche Befehl, für eine ausreichende Verproviantierung des durch das obere Murtal ziehenden Heeres zu sorgen. Am 14. Oktobet gegen 12 Uhr wurde Augustin in Unzmarkt von Karl V. und Ferdinand I. zur Audienz empfangen. Sein Bruder Nikolaus begleitete ihn. Die beiden Körbler gaben den Majestäten bis Scheifling das Geleit. Bei dieser Gelegenheit wurde Nikolaus Körb­ler von Karl V. zum Eintritt in kaiserliche Dienste aufgefordert. Dieser nahm das ehrenvolle Angebot sofort an und zog mit dem Heer nach Italien.

Nikolaus Körbler muß sich in den folgenden Wochen in kaiserlichen Diensten ganz außerordentlich bewährt haben, denn am 20. November wurde er vom Kai­ser in Mantua in den Adelsstand erhoben.5 Doch für welche Verdienste? Militäri­sche Heldentaten werden es wohl nicht gewesen sein, denn der Marsch nach Italien vetlief ohne weitere Feindberührung. Also muß der Grund für die Aus­zeichnung in einem anderen Bereich zu suchen sein. Die Frage stellen, was den Kaiser bewogen haben mag, am Ende eines Feldzuges einen Kaufmann mit einer offensichtlich wichtigen Aufgabe zu betrauen, heißt sie zugleich beantworten. Armeen der damaligen Zeit waren ganz überwiegend aus Söldnern zusammenge­setzt, die bei herannahendem Winter zum größeren Teil entlassen wurden und in ihre Heimat zurückkehrten, zum kleineren Feil Winterquartiere bezogen. Eine solche Teildemobilisierung war jeweils eine große organisatorische Herausforde­rung, die auch finanzielle Operationen notwendig machte (Entlohnung der Trup­pen, Verkauf nicht mehr benötigter bzw. Erneuerung verlorener oder beschädigter Ausrüstungsgegenstände). Kaufleute waren naturgemäß am besten geeignet, der­artige Aufgaben zu bewältigen, und so wird sich Nikolaus Körbler seinen Adels­briefwohl in diesem Metier verdient haben.

In den dem Autor dieser Zeilen zugänglichen Quellen fanden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Nikolaus Körbler am Tunis-Feldzug 1535 teilgenommen und gar den Titel eines Admirals erhalten hätte. Ganz ausgeschlossen sollte das indes nicht werden, denn es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, daß sich die kaiserlichen Behörden der Verdienste Körblers beim Feldzug 1532 erinnerten, ihm eine finanziell-organisatorische Funktion auch im Zusammenhang mit der Operation Tunis anvertrauten und den Kaufmann aus Judenburg letztlich mit einem klingenden Titel belohnten.

Die Erhebung in den Adelsstand nahm Nikolaus Körbler offensichtlich zum Anlaß, sich von Paris Bordone porträtieren zu lassen. Die Entstehungszeit des Bildnisses läßt sich somit auf die letzten sechs Wochen des Jahres 1532 einengen. Nikolaus Körbler hat beteits vor dem Auftrag an Bordone, ihn zu porträtieren, von dem später berühmten Nürnberger Medailleur Matthes Goebel eine Porträt­medaille fertigen lassen. Das Alter Körblers wird in der Umschrift mit 30 Jahren angegeben, demnach ist sie 1525 entstanden. Habich fügt diese Medaille in das Schaffen Goebels des Jahres 1531 ein, eine Einschätzung, die sich auf Grund der nun zur Verfügung stehenden Daten als revisionsbedürftig erweist, die Zuordnung zu seinem Frühwerk aber voll bestätigt.1

* Österr. Staatsarchiv - Adelsarchiv. Verzeichnet auch bei KARI.-FRIF.DRICH VON FRANK, Stan­deserhebungen und Gnadenakte für das Deutsche Reich und die österreichischen Erblandc. 5 Bde., Schloß Senftenegg (NÖ) 1967-1974, hier Bd. 3, S. 54.

4 G. HABICH, Die deutschen Schaumünzen des 16. Jahrhunderts, München 1929-1934, Bd. I, 2, Nr. 1063. - Ein Exemplar, aus der Ambraser Sammlung stammend, befindet sich im Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien.

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Kaiser Karl V. schlug vom 6. November bis 7. Dezember 1532 sein Hoflager in Mantua auf und begab sich hernach nach Bologna. Dort verfertigte Seisenegget sein berühmtes Bild Karls V mit dem englischen Wasserhund, dasselbe Motiv wurde dort von Tizian gemalt. Es ist nicht ohne Reiz, sich vorzustellen, daß das Bild Bordones ebenfalls in Bologna entstanden ist, und sich somit drei berühmte Maler zu diesem Zeitpunkt im Umkreis des Kaisers aufgehalten haben.

* * *

Der Verfasser dankt den Sammlungen des regierenden Fürsten von Lichtenstein für die freund­liche Abdruckerlaubnis des Bildnisses des Nikolaus Körbler von Paris Bordone, desgleichen dem Kunsthistorischen Museum für die Bewilligung der Reproduktion der Nikolaus Körbler darstel­lenden Medaille des Matthias Goebel.

Anschrift des Verfassers: Dr. Joachim Kühnert, Hintzerstr. 12, 1030 Wien