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 Johann Lafer: Hier spricht der Koch 

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    JohannLafer:

    Hier sprichtder Koch

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    "Warum sagt man: ,Darauf gebe ich keinen Pfifferling?'Das habe ich nie verstanden. Pfifferlinge waren fr mich

    als steirischer Bauernbub immer etwas sehr Kostbares,und als Koch schtze ich sie noch viel mehr."

    Mit diesen Worten erffnete Johann Lafer im September2000 seine Kolumne "Hier spricht der Koch". Alles, wasdie kleinen Kochkunst-Stcke auszeichnet, war in diesen

    ersten Stzen schon versammelt: die Anekdoten aus deridyllisch-rmlichen Kindheit in der Steiermark, die Freudean einfachen Dingen, die heute so einfach gar nicht mehrsind. Wie behandelt man zum Beispiel einen Loup de Mer?Wozu pat Korianderkraut? Wie bereitet man einen Fasanzu? Johann Lafer berichtet einiges aus seiner eigenen

    Lehrzeit, das auch ein wenig nach Leidenszeit klingt.Sich davon etwas abzuschauen, ist schon entschiedenleichter: In mittlerweile mehr als vierzig Stcken erklrtder Patron der Stromburg in Stromberg die Grundlagenseiner Rezepte.

    Johann Lafer ist Patron der Stromburg mit dem Restau-rant Le Val d'Or in Stromberg.

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    Fleisch und WildGesunde und wohlschmeckende Tierehaben ihren PreisEine starke Gemeinschaft 6Ein vorzglicher Begleiter 8

    Rucherkammerspiele 10Im Widerstreit der Gefhle 12

    Fisch und KrustentiereEin Fisch kann nur so gut sein wie das,was er gefressen hatRohe Botschaft 15Mitsommernachtsschmaus 17

    Schimmernder Schmaus 19Dieser Ruber ist sensibel 21Das Kaninchen unter den Fischen 24

    Geflgel und EierGute Eier sind eine wichtige Grundlage der guten KcheEin Kultobjekt zu Weihnachten 27Wie gerupft so gelungen 29

    Ein Klassiker zu Ostern 31Von herausfordernder Farbigkeit 33Trost trber Herbsttage 35

    Gemse und PilzeGehen Sie beim Einkaufen mit der JahreszeitWir Knollenkinder 38Traumhaft klein 40Kolumbus sei Dank 43

    Knig der Kohlkpfe 45Widersetzt sich jeder Zchtung 47Lizenz zum Rumpeln 49Nicht nur am Grndonnerstag 51Erdig und s, aber wrzig 53Knigin der Kche 55Luxus des Wartens 57Sonnenstrahl im Winter 59

    Ein Fest der satten Farben 61Biedermann und Kosmopolit 63Nicht waschen, nur putzen 65

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    Kruter und GewrzeUnentbehrliche Verfeinerungen fr die gute Kche

    Auf Wiederschmecken! 68Triangel gibt den Ton an 70Fr den Frhling 72

    Ein scharfes Stck 75Ein Zwerg-Nase-Erlebnis 77Wundersame Dienerin 79

    Teigwaren und GebackenesEs gibt gewi wenige Menschen,die sich ein Leben ohne Brot vorstellen knntenReif an Heiligaben 82

    Das Glck ist selbst gebacken 84Klassiker mit vielen Gesichtern 86

    FrchteViele Frchte machen mit ihrer Suredem Wein KonkurrenzSaure Versuchung 89Als die Bananen fliegen lernten 92

    Europische Mango 94Ses Nichts 96Freundin der Vanille 98In der Steiermark gab es sie nicht 100Ein Stck Sden im Norden 102Die feudale Sprde vom Waldrand 104

    Praktische TipsVerblffend einfache Tricks und Kniffefr raffiniertes KochenBrhe befriedet den Bauch 107Kleine Hexerei 109Baba und Spagat-Krapfen 111Basis fr die sesten Snden 113

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    Fleisch und Wild

    Gesunde und wohlschmeckende Tiere haben ihren Preis

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    Eine starke Gemeinschaft

    Der Sonntagsbraten gehrt zu den schnsten Traditionen, an die ich mich erin-nern kann. Ein Braten ist mehr als ein Gericht, er ist ein soziales Ereignis. Ein

    Braten mu gro sein, sonst gelangt er nicht auf die Hhe seines Geschmacks.Ein Braten mu aber auch frisch gegessen werden, sonst verliert er diesenkstlichen Geschmack. Kalt kann man den Rest aufschneiden, aber aufwrmensollte man ihn nicht. Da gibt es nur eine Lsung fr Freunde eines klassischenBratens: Man mu sich das Haus voller Gste laden. In Frankreich oder Italienfindet man immer noch an den Sonntagen solche groen Familienrunden. Werunter der Woche nicht zu Hause war, versucht unbedingt, am Sonntag dabei-zusein. Der Braten ist ein rituelles Essen, es stiftet Gemeinschaft, wenn dasimposante Stck Fleisch, beim Hereintragen mit "Oh!" und "Ah!" begrt, feier-lich vom Hausherrn - oder wer immer sich dazu imstande fhlt - in Scheibengeschnitten und auf die Teller gelegt wird.

    Ein groes Wirtshaus mit vielen Gsten kann einem diesen Genu auch nochverschaffen. In meiner Lehrzeit bereiteten wir jeden Mittag einen frischenKalbsnierenbraten, die Gste wuten schon, da es davon nur gab, solange derBraten reichte. Ein Braten gehrt zur hheren Kochkunst. Das Fleisch gar undzugleich saftig zu bekommen, hat manchen Koch in Verzweiflung gestrzt.

    Natrlich kommt alles auf die Qualitt des Fleisches an. Eine Kalbs- oder Rin-derschulter ist zwar kein Filet, aber wer glaubt, Fleisch von minderer Qualittsei immer noch gut genug fr einen Braten, der wird schon sehen, was er da-von auf dem Teller hat.

    Ich sehe noch meine Mutter vor mir, wie sie ein Klbchen im Stall mit derMilchflasche grozieht, damit es nur ja kein Grn- oder Kraftfutter zu sichnahm. Meist kauften wir das Kalbfleisch aber beim Nachbarn, der selbstschlachtete; auch da wute man freilich, was man bekam. Ein Milchkalbfleisch

    mu hellrosa sein, und auch auf die Herkunft sollte man achten. Der hohe Preisfr Kalbfleisch hat schon manchen Produzenten verfhrt, bei der Zucht frag-wrdige Methoden anzuwenden. Meine Mutter nahm am liebsten die Kalbs-brust, die an der Spitze gut marmoriert ist. Mit einem langen Messer schnitt siedas Fleisch der Quere nach auf, umwickelte ihre Hand mit Klarsichtfolie undfuhr in das Fleisch hinein, um darin eine groe Hhle zu machen. Aus gesam-melten trockenen Brtchen - die Regel war: Nichts wegwerfen! - wurden dieSemmelwrfel fr die Fllung gerieben. Durch Zufall entdeckte sie, da ge-brunte Schalotten, die mit Milch eingekocht und mit Honig gewrzt wurden,

    zum Schlu auf die beinahe gare Kalbsbrust gestrichen, die Krnung des Bra-tens waren.

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    Berhmt ist auch der Kalbsnierenbraten. Dazu werden Kalbsnieren gesubertund gewssert, mit Pfeffer und Salz gewrzt und in die flach aufgeschnitteneKalbsschulter eingerollt. Dann wird das Ganze zusammengebunden. Nun brtman das Fleisch in heiem Butterschmalz gut an. Das ist eine wichtige Grund-regel fr jeden Braten: Wenn das Fleisch nicht gebraten ist, verliert es im

    Backofen seine Flssigkeit und wird trocken. Nun wrzt man den Braten mitSalz und Pfeffer, gibt in den Brter oder die Kasserolle noch ein paar Schalot-ten, Weiwein und Kalbsfond und schiebt sie in den Ofen. Darin soll sie nunmehrere Stunden bei etwa 130 Grad und stndigem bergieen bleiben. Ge-lungen ist der Kalbsnierenbraten, wenn die Nieren innen noch zart rosa sind.

    Wer den Genu noch steigern mchte, dem empfehle ich, den Braten nachdem Garen herauszunehmen. Der Fond wird eingekocht, mit Salz und Pfeffergewrzt und mit fester Butter gebunden. Den Braten streicht man mit einem

    milden Senf ein und drckt gehackte Kruter - Thymian, Kerbel und Petersilie -und selbstgemachte Semmelbrsel in den Senf; mit Butterflckchen besetztkommt der Braten in den Ofen zurck und wird dort goldbraun berbacken. EinKalbsbraten mit seinem zarten Eigengeschmack reizt manchen auch dazu, ei-nen krftigen Gewrzakzent zu setzen. So kann man den Braten kurz vor demEnde des Garens auch mit einem Gemisch aus Honig, Sojasauce, Austernsauceund gemahlenem Chili einpinseln und so noch einmal in den Ofen schieben.

    Das zum Kalb am besten passende Gewrz ist die Salbei. Aus Italien kennen

    wir Kalbsleber mit Butter und Salbei und die kleinen Kalbsschnitzel "Saltimboc-ca alla romana", die mit Salbei gebraten werden. Hier eine besonders gelunge-ne Beilage zum Kalbsbraten: Salbeinudeln. Aus einem Pfund Mehl, vierzehnEigelben, Salz und l knetet man einen Nudelteig. Nachdem er eine Weile ge-ruht hat, walzt man ihn aus und schneidet schne Bandnudeln daraus, die manin reichlich Salzwasser kocht. Inzwischen brt man Salbeibltter in aufge-schumter Butter, gibt die abgeschtteten Nudeln hinzu und wrzt das Ganzemit Salz, Pfeffer und gemahlenem Chili.

    Wenn doch einmal Reste vom Kalbsbraten brigbleiben, empfiehlt sich amnchsten Tag, auch nach Festen mit reichlichem Essen, ein Fleischsalat. Manschneidet den Braten dnn wie ein Carpaccio auf, hackt viel frische Zwiebelund rohe Champignons, rhrt eine Sauce an aus Mayonnaise, hartgekochtenund durchpassierten Eigelben, Senf, Salz, Pfeffer und Zitrone, macht damit denSalat an und serviert ihn auf Kopfsalatherzen. So erlebt der mchtige Bratennoch ein zartes Nachspiel als Vorspeise.

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    Ein vorzglicher Begleiter

    Schafherden waren selten bei uns in der Steiermark. Weideland ist meist nichtder beste Boden, und so findet man die groen Herden eher in den kargenRegionen, in der Lneburger Heide, in der Normandie, in Irland und Schottlandund in den karstigen Bergen des Mittelmeerraumes. Um die Osterzeit aberkauften meine Eltern bei Bekannten stets ein Milchlamm. Seit Tausenden vonJahren ist das Lamm eine rituelle Speise, und meine Eltern verhielten sich mitihrem Kauf nicht anders als die Juden zur Zeit des Moses, gewi ohne grodarber nachzudenken. Die wirklich wichtigen Dinge tut man ja unwillkrlich.

    In der Kirche eines Nachbarortes hat mich als Kind ein holzgeschnitztes Reliefstark beeindruckt: Da sa Jesus mit den zwlf Jngern beim Abendmahl. Sogardie Falten des Tischtuchs waren nicht vergessen worden und Tellerchen undMesserchen der Apostel auch nicht. In der Mitte aber stand eine Schssel miteinem ganzen gebratenen Osterlamm - sogar der Kopf war noch dran. Wie aufdieser gotischen Schnitzerei sah der Ostertisch bei uns zu Hause aus. Wer esauf sich nahm, das niedliche Osterlamm mit seiner feinen Wolle zu schlachten,wei ich nicht mehr. Jedenfalls wurde ihm danach das Fell ber die Ohren ge-zogen. Meine Mutter zerteilte das Lamm in groe Stcke und legte sie in einengueisernen Brter - der Kopf allerdings war nicht dabei, das wre fr unsKinder doch zu grauslich gewesen. Nachdem das Brot fr Ostern in unserm

    Brotbackofen gebacken worden war, kam der Brter in die milde Wrme, im-merhin noch etwa 130 bis 150 Grad. Zu den Lammstcken legte man vielehalbierte Knoblauchknollen, Rosmarinzweige, Pfefferkrner und etwas Schwei-neschmalz. Anderthalb Stunden schmorte das Lamm nun in der Restwrme, inder letzten halben Stunde kamen halbierte Kartoffeln in der Schale dazu.Schlielich stand der ganze heie Brter bei uns auf dem Tisch. Dazu gab esnur Brot. Besonders glcklich war, wer den Saft ausschlecken durfte. Ein klas-sisches Ostermahl von wahrhaft antiker Einfachheit war das.

    Deshalb habe ich mich viele Jahre spter bei einem griechischen Osterfestsofort zu Hause gefhlt. Bei den Orthodoxen ist das Osterfest der Hhepunktdes Jahres. Das Lamm schmeckt dabei doppelt gut, weil vor dem Fest oft nochernsthaft gefastet worden ist. Einen ganzen Vormittag steckt das Lamm aufeinem Spie, wird mit Olivenl, Rosmarin und Thymian eingerieben und gepin-selt und langsam ber dem Feuer gedreht. Kstlich sind vor allem die zartenInnereien, die in die sauber ausgewaschenen Drme gefllt werden; den An-douillettes in Frankreich vergleichbar grillt man diese Wrstchen ber der Glut.In China hingegen hat man mir bei einer privaten Einladung einen sorgfltig

    zubereiteten Lammkopf serviert und die Augen danebengelegt - die seien be-sonders "good for men", wurde bedeutungsvoll vermerkt. Sie zu zerkauen habeich nicht ber mich gebracht. Wie dicke Pillen habe ich sie hinuntergeschluckt.

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    Trotz unseres unvergelichen Osterlammes hat das Lammfleisch in meinerJugend kein hohes Ansehen besessen. Es mag daran gelegen haben, da dasLamm oft genug ein ausgewachsener Hammel gewesen ist mit einem nichtgerade appetitanregenden, tranigen und muffigen Eigengeschmack. Fr diegroe Kche war Lammfleisch aber immer schon unentbehrlich. Es gibt fr

    einen groen Rotwein kaum einen besseren Begleiter als ein Lammcarree odereine Lammkeule. Mit den vielen trkischen Metzgern sind berall in Deutsch-land "Lammspezialisten" erreichbar. Aber auch die deutschen Lmmer habenQualitt, ein Sylter Salzwiesenlamm ist eine wirkliche Delikatesse. Die Salzwie-sen werden regelmig von Meerwasser berflutet und gewrzt - da hat dieNatur den Braten schon aufs beste vorbereitet, bevor er berhaupt in die K-che gekommen ist.

    Ich schlage vor, die Lammkeule so schonend wie mglich zu garen. Man spicke

    sie mit Rosmarinnadeln und Knoblauchzehen, brate sie dann an und schiebesie daraufhin bei 80 bis 90 Grad fr drei bis vier Stunden in den Ofen. Kurz vorEnde der Garzeit holt man die Keule kurz heraus, bestreicht sie mit Senf,mischt frisch gehackte Kruter - Thymian, Rosmarin und Petersilie - mit fri-schen Weibrotbrseln, drckt diese Panade in den Senf und belegt das Ganzemit festen Butterscheiben. Im Ofen wird die Keule nun bei hherer Hitze kurzberbacken. Dazu empfehle ich in Speck gebratene Bohnen mit frischem Boh-nenkraut, frischem Knoblauch und viel weiem Pfeffer. Zu den Stampfkartof-feln rstet man sich Schalotten, die zum Schlu in Milch gekocht werden; das

    Ganze wird dann ber die Kartoffeln gegossen. Wer frchtet, da das immernoch zu trocken ist, kann sich noch mit Sahne und Blauschimmelkse eineschne Soe rhren.

    Klassisch ist auch ein Eintopf mit Wirsing und Lamm. Dazu wird eine Lamm-schulter mit zwei angebrunten halben Zwiebeln mit Schale, zwei Karotten,einer halben Lauchstange, zwei Rosmarinzweigen, zwei Thymianzweigen, ei-nem Teelffel weier Pfefferkrner und anderthalb Elffel Meersalz bei milderHitze eine bis anderthalb Stunden gesotten. Ist das Fleisch gar, kommt es ausdem Topf; der Lammfond wird durch ein Tuch passiert und entfettet. Ein Wir-singkopf wird ohne Strunk in Wrfel geschnitten. Der Lammfond wird wiedererhitzt; die Wirsingstcke werden mit Kartoffeln, Schalotten und eingeweichtengetrockneten Steinpilzen samt deren Weichwasser darin gekocht. Nun wird dieLammschulter von den Knochen gelst, in groe Stcke geschnitten undgleichfalls in den Topf gegeben; das Ganze wird mit Salz und Pfeffer abge-schmeckt und schlielich kommen noch gehackter Thymian und Rosmarin so-wie zerschnittene, gehutete Tomaten hinzu. Dazu gibt es Baguettescheiben,

    die im Backofengrill, mit Knoblauchbutter bestrichen, goldbraun gewordensind. So kommt der Eigengeschmack des Lammes besonders gut zur Geltung.

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    Rucherkammerspiele

    Familienmitglied ist ein Hausschwein in meiner Kinderzeit in der Steiermarknicht gerade gewesen. Aber gut gelebt hat es. Wenn ein Schwein wei, da es

    bald soweit ist, da die Buerin mit dem Eimer kommt, kann es ein groesGeschrei anfangen. Es verstummt aber sofort, wenn die Nahrung in den Troggeschttet wird. Rben bekam unser Schwein, gestampfte Kartoffeln und na-trlich auch, was wir selbst auf den Tellern gelassen hatten. Tpfe und Pfan-nen wurden zunchst ohne Seife abgewaschen, und das Splwasser gelangteebenfalls in den Schweinetrog. Was die Ernhrung des Hausschweins anging,war der Nahrungskreislauf wirklich geschlossen. Zustzlich mute ich im Som-mer ein besonders feines Gras schneiden, das "Saugras". Aber dann kam imHerbst oder Winter schlielich der bse Tag, den ich als Kind stets gefrchtet

    habe. In meiner Fibel war ein schnes buntes Bild: ein fettes Schweinchen undein Metzger mit weier Schrze und langem Schlachtermesser daneben. Dar-unter stand: "Du armes Schwein, du tust mir leid / du lebst ja nur noch kurzeZeit!" Ein schlimmer Bub soll dies Verslein seiner neunzig Jahre alten Urgro-mutter zum Geburtstag aufgesagt haben. Wenn das Schwein noch lebendig he-rumlief, waren seine Krperteile doch schon alle verteilt. Woraus die Wurst ge-macht werden sollte, was Siedefleisch und Prekopf werden sollte, war klar. Aberob die Hinterkeule Schnitzelfleisch oder einen schnen Schinken abgab, war oftGegenstand des Nachgrbelns. Zum Glck hat ein Schwein zwei Hinterbeine - sowurde eines davon zum Schnitzelfleisch und das andere der Schinken.

    Der Schinken, den wir heute im Supermarkt kaufen, ist oft in drei bis vier Ta-gen fertig. Bei uns zu Hause hat dieser Proze etwas lnger gedauert. Im De-zember fing man an. Der Schinken wurde in Salzlake gelegt, der Knoblauch,Wacholder und andere Kruter beigegeben waren. Sechs Wochen lag er indieser Lake. Dann kam er zum Ruchern. Im Sommer hatten wir dafr im WaldBuchenholz gesammelt. Damit wurde in der Rucherkammer (auch Selchkam-

    mer genannt) ein kleines Feuer unterhalten. Dort hing der Schinken lange indem lauwarmen, wrzigen Rauch. Eine solche Rucherkammer hatten alleunsere Nachbarn. Wenn ich im Winter Fahrrad fuhr oder spazierenging, tauch-te ich an jedem Hof in eine neue, kstliche Duftwolke aus der dortigen Ru-cherkammer. Zum Schlu kam der Schinken auf den Dachboden. Dort war ineiner Ecke ein kleines Fenster mit Fliegengitter bespannt, und dort hing derSchinken noch wochenlang in mildem Luftzug. Erst am Ostersonntag nach derKirche wurde er angeschnitten.

    Vor Jahren war ich beim Jagerwirt in Sankt Stefan ob Stainz zu Gast. Er hatHausschwein und Wildschwein erfolgreich gekreuzt - da hatte ich pltzlich wie-der den Geschmack meiner Jugend auf der Zunge. Die Stdter aber haben

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    damals auch gewut, da auf dem Land ein guter Schinken gemacht wird.Immerfort hat es an der Tr geklingelt: ob wir vielleicht ein Stck "Geselchtes"(steirischer Ausdruck fr geruchertes Fleisch) abzugeben htten?

    Jede Landschaft hat ihren eigenen Schinken. Im Mittelmeerraum wird ein be-

    sonderer Schinkenkult getrieben. Dort hngen die Schinken vergoldet und ver-silbert von den Decken der Geschfte herab. Spanischer Serrano-Schinken,italienischer San-Daniele- und Parmaschinken sind weltberhmt geworden -alle drei nicht geruchert. Das Ruchern ist etwas Nordisches. In Tirol, imSchwarzwald, in Westfalen und Holstein, aber auch in Schweden und Englandwird geruchert, freilich stets auf andere Weise, und so ergibt sich ein immerneuer Geschmack. Gekochter Schinken konnte bei uns auch geruchert wer-den. Sonst aber kommt das nicht hufig vor. Besonders gut ist der franzsischeJambon persille, gekochter Schinken, der von einem Aspik mit viel Petersilie

    umgeben ist. Das Rosa im grnen Rahmen sieht besonders appetitanregendaus. Gekochter Schinken mu schn saftig sein. Am besten ist er in dickenScheiben mit der Hand vom Knochenschinken geschnitten - eine Metzgerei, diedas anbietet, ist aber leider selten geworden.

    Hier mein Schinkenbrot: Dunkles Bauernbrot wird in der Pfanne mit Butter undKnoblauch gerstet, sodann mit einem Salatblatt und dnn geschnittenemgekochten Schinken belegt. Darauf wird etwas Gruyere gehobelt und das Gan-ze im Ofen leicht berbacken. Eine schne Zwischenmahlzeit ist das. In meiner

    Lehrzeit bekamen wir Jungkche manchmal Schinken-Kraut-Fleckerl zum Mit-tagessen. Dazu wurden Nudeln gekocht, in ein Sieb gegossen, abgeschrecktund mit l betrufelt, damit sie nicht zusammenkleben. Dann wurde Weikrautvom Strunk befreit und in zwei Zentimeter groe Stcke geschnitten, kurz inSalzwasser gekocht und mit Eiswasser abgeschreckt. Nun wurde Zucker mitButter in einer heien Pfanne geschmolzen und Schalotten, gehackte Knob-lauchzehen und Wrfel vom gekochten Schinken dazugegeben. Nachdem dasGanze kurz angerstet war, kam das Weikraut hinzu. Zum Schlu wurdenauch die Nudeln dazugegeben, mit Salz, Pfeffer und Kmmel gewrzt und mitgehackter Petersilie durchmischt. In einer anderen Pfanne wurden in Butter-schmalz Spiegeleier gebraten. Die Schinken-Kraut-Fleckerl wurden mit einemSpiegelei serviert - ein junger Koch soll auch nicht leben wie ein Hund.

    Junge sterreichische Kche haben mir auf einer Messe einmal gezeigt, was inden Sdstaaten der Vereinigten Staaten mit einem Schinken angestellt wird.Hier also Schinken la Scarlett O'Hara: Ein ganzer gekochter Schinken wird mitOrangenscheiben und Gewrznelken gespickt und in einem groen Brter mit

    Orangensaft, Bourbon-Whisky und Honig langsam gegart. Dazu gibt es Rosma-rinkartoffeln. Wer diesen Schinken probiert, wird endlose Baumwollfelder vorseinem geistigen Auge erstehen sehen.

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    Im Widerstreit der Gefhle

    Wir haben abgelegen gewohnt. Der Wald war nah am Haus. An stillen Aben-den, wenn die Sonne schon untergegangen war, standen die Rehe auf der

    Wiese. Die Stille und das Erscheinen der Rehe gehrten zusammen, denn beimkleinsten Mucks sprangen sie mit Riesenstzen ins Dunkel zurck. Im Herbstund Winter fand um Haus und Hof herum eine Treibjagd statt, bei der dannimmer auch Rehe, diese zarten Tiere mit den groen sanften Augen, erlegtwurden. So fest ich in meiner Heimat und meinem Aufwachsen verwurzelt bin -ein Jger ist nie aus mir geworden. Das blutige Geschft des Zerwirkens warmir ein Graus.

    Beim Heumachen hat man hllisch aufpassen mssen, da man mit der Sense

    kein Rehkitz verletzte. Mir ist das einmal trotzdem passiert; mhevoll habe ichdas Junge dann mit der Milchflasche grogezogen. Ja, ich liebe die Rehe - aufder Wiese, aber eben auch auf dem Teller, den Widerspruch vermag ich nichtaufzulsen. Rehfleisch ist eine der kstlichsten, erlesensten Fleischsorten frmich und fr viele Feinschmecker. Und leider kann man mit gezchtetem Wildaus dem Gatter auch keinesfalls denselben Effekt erzielen wie mit geschosse-nem. Was solch ein wildes Reh alles zu sich nimmt an Blttern und Wrzelchenund wrzigen Pflanzen, das wirkt sich auf den Geschmack aus und ist durchkeine Ftterung zu ersetzen.

    Wenn in der Garage das aus der Decke geschlagene Wild abhing und meinFreund, der Jger, die frische Rehleber sofort nach der Jagd mit Zwiebel, Majo-ran und Butter briet, dann war mein Grausen immer schon mit einer groenLust durchsetzt, anders kann ich den Widerstreit meiner Gefhle gar nichtschildern. Das schnste Wild, prachtvolle Rehrcken und -keulen waren zuHause eine Selbstverstndlichkeit; erst whrend meiner Wanderjahre als Kochmute ich erkennen, da es groe Unterschiede geben kann. Wild ist Vertrau-enssache. Seinen Wildhndler mu man fordern. Fr mich gehrte es zu einemgeradezu schicksalhaften Glck, da ich bei meinem Anfang in Guldental einenJger kennenlernte, der mit Liebe und Leidenschaft bei der Sache ist, jedesTier gleichsam beim Namen kennt, es gehegt und beobachtet hat, bevor er esschiet, und der es dann so wunderbar behandelt, da jedes Stck Fleisch, daser mir liefert, einen vollendeten Genu bereitet.

    Wir haben beim Wild ja einen Wechsel der Mode vollzogen: Es werden jngereTiere geschossen, die dann auch nicht mehr so lange abhngen mssen und

    auch auf groe Marinaden verzichten knnen. Der berhmte Hautgout war frviele Leute ein Hindernis, sich fr Wild zu begeistern; ich mag ihn eigentlichauch nicht so gern und bin mit dem zarten jungen Rehfleisch von meinem J-

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    ger sehr glcklich. Lange hat man Bedenken gehabt, Wild zu essen, weil dieNatur von dem durch die Tschernobyl-Katastrophe verschmutzten Regen be-lastet war. Jetzt erleben wir die Katastrophe der industriellen Ftterung, dawird die Liebe zum Wild gewi einen Aufschwung erleben. Hoffentlich lernenwir recht bald, da ein Stck Fleisch nicht besser sein kann als das, was das

    Tier gefressen hat, und da gesunde und wohlschmeckende Tiere ihren Preishaben! Beim Reh hat man das schon akzeptiert. Reh gibt es nicht im Sonder-angebot, Reh ist teuer, und zwar zu Recht.

    In Buttermilch mssen wir also unseren Rehrcken nicht mehr einlegen, denner riecht nicht mehr streng, und auch das fr mein Gefhl ganz schlimme Spi-cken mit Speck ist schon lange nicht notwendig. Heute wird das Fleisch nurnoch ein bis zwei Tage in Walnul mit zerstoenen Wacholderbeeren, Ge-wrznelken, Thymian und Rosmarin gebadet. Schmoren tut man nur die min-

    deren Teile, aber Rcken und Keule werden nur kurz zartrosa gebraten. Ichbrate Wild nicht zu hei in Butterschmalz oder dem nussig schmeckendenRapsl, gebe beim Anbraten Schalotten mit Schale, Wacholderbeeren, Thymianund Rosmarin ins Bratfett, nehme das Fleisch heraus, gebe es auf Alufolie aufeinem Blech bei 80 Grad fr zwei bis drei Stunden in den vorgeheizten Ofenund lasse es langsam und sensibel gar werden. Oder ich brate das Fleisch mitKrutern und Schalotten an und lege es dann in einem Dnsteinsatz ber einenWildfonddampf, in dem auch Zitronengras, Wacholder, Thymian und Rosmarinund Nelken duften. So werden die Aromen noch intensiver, das Fleisch wird

    butterzart. Aber der Dampf darf nicht zu hei werden! Und Zeit mu man sichnehmen!

    Fr mich als Koch ist eine der grten Herausforderungen der klassischen K-che die Wildsauce - ein phantastischer Gewrzreichtum, der dennoch fein ab-gestimmt und harmonisch ist. Zunchst werden kleingehackte Knochen und dieParuren mit Wrfeln von roten Zwiebeln, Karotten, Lauch und Sellerie angebra-ten, Wacholder, Thymian, Lorbeer, Pfeffer, Nelken, Apfelwrfel kommen hinzu;wenn alles eine schne Farbe hat, wird noch Tomatenmark mitgerstet. Mangiet jetzt krftigen Rotwein und Wasser zu, lt das Ganze sehr lange kchelnund giet es schlielich durch ein Sieb. Fr die Sauce werden rote Zwiebeln inwenig l angebraten, der Wildfond mit schwarzem Johannisbeersaft und Honigdazugegeben, und nun lt man das Ganze auf ein Minimum einkochen, pas-siert es durch ein Sieb und schmeckt es mit Orangenlikr, Salz und Pfeffer ab.Die Sauce kann mit Butter gebunden werden und noch eine Einlage von Prei-selbeeren erhalten. Was sich abspielt, wenn man eine solche Sauce auf dieZunge bekommt, ist wahrhaft unbeschreiblich - die Aromen explodieren, und

    das Staunen lt das Tischgesprch verstummen.

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    Fisch und Krustentiere

    Ein Fisch kann nur so gut sein wie das,

    was er gefressen hat

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    Rohe Botschaft

    Die Steiermark liegt nicht am Meer, und so waren meine Erfahrungen mit Fischin meinen Kinderjahren auf Forelle, Karpfen und tiefgefrorenen panierten Fisch,

    den ich "Panzerplatte" nannte, beschrnkt. Selten genug fhrten mich die El-tern in ein Restaurant. Das Schnste, was dort auf der Karte stand, die teuers-te und edelste Delikatesse, war Rucherlachs mit Sahnemeerrettich und Toast.Und tatschlich war das fettglnzende Rosa der Fischscheiben, kontrastiert miteiner hellgelben Zitronenscheibe, ein erstaunlicher Anblick. Das Lachsrosa ver-leiht diesem hocharomatischen Fisch einen besonderen Rang; auch heute, woder Lachs die Aura des Erlesenen beinahe vollstndig verloren hat, wollen dieGste auf einem kalten Bfett Rucherlachs oder einen ganzen gekochtenLachs sehen - sonst fehlt einfach eine Farbe.

    Dabei rhrte das Prestige des Lachses in frheren Zeiten keineswegs von sei-ner Seltenheit her. Sie ist ein neuzeitliches Phnomen, die traurige Folge vonberfischung, verschmutzten Gewssern und Dammbauten, welche die Wan-derung der Lachse die Flsse hinauf behindern. Gern wird aus einer rheini-schen Gesindeordnung zitiert, die in der "guten alten Zeit" der Herrschaft ver-bot, dem Personal fter als dreimal in der Woche Rheinsalm vorzusetzen. Ge-sehen habe ich diese legendre Verordnung nie, aber sie kommt mir sehr zeit-gem vor.

    Als der Atlantik-Lachs - es gibt auerdem noch fnf Sorten Pazifik-Lachs - vorwenigen Jahren beinahe ausgestorben war, begann man seine Zucht in groenLachsfarmen. Das Unternehmen wurde so erfolgreich, da billige Lachsproduk-te den Markt berschwemmten. In meiner Jugend zehrte noch der feuerrotgefrbte Lachsersatz, mit Zwiebel und gekochtem Ei zwischen zwei Brtchen-hlften eine Jahrmarktswonne, vom Ruhm des echten Lachses. Heute machtder echte Lachs dem falschen scharfe Konkurrenz. Da es dabei nicht mit rech-ten Dingen zugehen kann, versteht sich von selbst. Auch fr die Lachszucht giltdie simple Regel: Ein Fisch kann nur so gut sein wie das, was er gefressen hat.

    So gibt es groe Qualittsunterschiede zwischen den Lachsen, die auf denMarkt kommen. Auch in der Verarbeitung, beim Salzen und Ruchern, kannman vieles falsch machen. Vor Jahren versuchte der Schweizer SchauspielerGerd Kbel, den Lachs als Luxusprodukt zu retten. Er erfand den "Balik-Lachs".Dazu wird nur das obere Teil des Filets, das "Zarenfilet", von allen brunlichenTeilen und der Haut befreit, vorsichtig geruchert. In den Delikatessenlden

    findet man zahlreiche Variationen von Lachsprodukten: den "gravad Lachs",den die Skandinavier so lieben, mit verschiedenen Marinaden eingelegten undmit allen nur denkbaren Hlzern bis hin zum Sandelholz gerucherten Lachs.

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    Vor vierzehn Tagen habe ich in Kuala Lumpur in einem japanischen Restaurantdiesen wundervollen Fisch in seiner vielleicht besten Form genossen: als Sa-chimi vom rohen Lachs. Die Japaner mit ihrer Vorliebe fr rohen Fisch knnenuns wirklich lehren, den Lachs wieder zu schtzen - vor allem, wenn wir dieKosten nicht scheuen und Wildlachs nehmen.

    Vom rohen Lachs ist ein Lachstatar ohne viel Aufwand vorzubereiten. Rucher-lachs und roher frischer Lachs werden zu gleichen Teilen mit einem extra schar-fen Messer kleingeschnitten - bitte keinen Fleischwolf verwenden, der den Fischin Matsch verwandelt! Dazu gibt man feingeschnittene Schalotten; wenn sie zuscharf schmecken, werden sie kurz in kochendem Wasser blanchiert. Nun kommenOlivenl, gehackter Dill, Salz, Pfeffer, eine Prise Zucker und etwas gemahleneKorianderbeeren an den Fisch. Zum Schlu wird noch frischgepreter Limonen-saft dazugegeben, dann wird alles gut miteinander verrhrt. In der Pfanne brt

    man Pumpernickel mit Butter und gehacktem Knoblauch von beiden Seiten an.Nun formt man aus dem Lachstatar kleine "Nocken", Bllchen, setzt sie auf denPumpernickel und krnt sie mit etwas Crme frache und einem Dillzweiglein.

    Wer weiterhin in rohem Lachs schwelgen will, bereitet sich ein Lachs-Carpaccio.Ein Lachsfilet ohne Haut und ohne die braunen Stellen wird, wenn mglich, querhalbiert, zwischen zwei mit etwas l bepinselte Klarsichtfolienstcke gelegt undflachgeklopft. Zu dem Filet werden nun frischgehackte Kruter (Basilikum, Ker-bel, Dill, Estragon) gegeben, es wird mit Olivenl betrufelt, mit Fleur-de-sel,

    dem besten Salz der Normandie, bestreut und dann zusammengerollt. Im Tief-khlfach friert diese Rolle leicht an. Nun lt sie sich mit einem scharfen Messeroder der Maschine gut in feine Scheiben schneiden. Die Sauce besteht aus Senf,Honig, Limonensaft, Olivenl, gehacktem Dill, Salz und Chili aus der Gewrzmh-le. Dazu gibt es Brot mit Rucherlachsgeschmack: Die Haut des Rucherlachseswird in viel Butter gebraten, die aromatisierte Butter wird durch ein Sieb odereinen Kaffeefilter gegossen, und nun brt man Weibrotscheiben darin.

    Lachs mu schonend gegart werden; er soll auch warm seine rosa Farbe nichtverlieren. Die beste und schonendste Methode, Lachs zu garen, ist: Lachsfiletin einem Teller mit etwas Olivenl gelegt, mit Salz, Pfeffer und Zitronensaftgewrzt bei etwa 90 Grad lange und langsam garen. Es kann aber auch schnel-ler gehen. Schalotten werden mit Weiwein, Sahne, Fischfond, Salz, Pfefferund Zitronensaft stark eingekocht. Frischer Lachs, in Scheiben von einem hal-ben Zentimeter Dicke, wird in einem Teller dick mit Sauerampferstreifen be-streut und mit Salz und Pfeffer gewrzt. Nun wird die eingekochte Sahne durchein Sieb passiert, mit kalter Butter aufmontiert, mit Schlagsahne verfeinert und

    dann ber den Lachs gegossen. Fnf Minuten gart der Fisch im Backofengrill.Dazu gibt es neue Kartoffeln und ein Glas Grauburgunder - la vie en rose!

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    Mittsommernachtsschmaus

    "Das Land, wo Milch und Honig flieen" - so kommt mir das steirische Rosentalheute vor, in dem ich meine Jugend verbracht habe. Manchmal denke ich, da

    es ein Traum war: Der Muggentaler Bach, der hinter unserem Haus vorbeiflo,wimmelte von den schnsten Flukrebsen. Was ganz zu Recht als groe Delika-tesse und Klassiker der Haute Cuisine gilt, der Flukrebs, das htten wir Bauern-buben mit den bloen Hnden aus dem Wasser ziehen knnen. Wir taten dasaber nicht; als Bub hab' ich vor den Krebsen eher Angst gehabt, vor allem, weildie Burschen nicht im Wasser blieben, sondern gern auch auf der angrenzendenWiese herumgekrabbelt sind. Dabei htte ich genau wissen knnen, da mir einKrebs keine edlen Teile abbeien konnte, denn die Scheren haben meist nichteinmal das Stckchen gepackt, mit dem die Mutigen unter uns solch einen Krebs

    auf Landausflug geneckt haben. Fr meine Groeltern war es noch eine Selbst-verstndlichkeit, den Sommer mit einer groen Terrine Krebse zu feiern.

    Krebs essen hie immer viel essen. Ein groer Topf Wasser wurde aufgesetzt,dahinein kam Kmmel, den wir Steiermrker besonders lieben, ganze Zwie-beln, Liebstckel aus dem Garten - darber staune ich heute, denn Liebstckelfinde ich fr den feinen Krebsgeschmack eigentlich viel zu stark, aber man muauch bedenken, da diese Krebse einen viel krftigeren Geschmack hatten alsihre Verwandten, mit denen wir heute zu tun haben. Einmal kurz aufkochen

    lt man den Topf, wenn die Krebse hineingeworfen worden sind, dann nimmtman ihn vom Feuer und lt sie zehn Minuten ziehen. Dazu gab es eine Knob-lauchmayonnaise von den Eiern der eigenen Hhner und selbstgebackenesBrot. Ein hartes Leben, aber auch viel intensivere Gensse haben die Groel-tern gehabt. Merkwrdigerweise haben wir von den Krebsen frher Abschiedgenommen als sie von uns. Nachts haben wir mit den Taschenlampen in denBach geleuchtet, bis es im Lichtkegel regelrecht gewimmelt hat, aber mit Reuedenke ich daran, wie selten ich diese himmlische berflle genutzt habe.

    Schwarz ist der lebende Krebs, buchstblich "krebsrot" kommt er aus dem hei-en Sud, und dieses Rot ist eine der appetitanregendsten, schnsten Farben;das ganze Tier sieht wie eine Goldschmiedearbeit aus, und deshalb kommt derKrebs bei einem znftigen Mittsommernachtsschmaus auch ganz auf den Tisch;jeder schlt ihn sich selbst - es gibt auch Krebsbesteck, das aber wenig hilfreichist -, und zum Schlu hat jeder zerstochene Fingerkuppen wie eine Nhmamsell.Fr die Schweden, bei denen der Sommer geradezu einen Krebskult auslst,gehrt auf jeden Krebs ein Aquavit, aber gewi nicht, weil der Krebs schwer ver-daulich wre, er ist ja das Zarteste und Leichteste, was man sich vorstellen kann.

    Als junger Koch in Viehausers "Canard" in Hamburg stand ich dann schlielichzum ersten Mal einem Spankorb aus der Trkei oder Kanada gegenber, voll

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    lebender Krebse, die ich zubereiten sollte. Beim Tten der Krebse mute icheinen starken inneren Widerstand berwinden. Wenn man das richtig professi-onell machen will, ergreift man den Krebs, hebt seine mittlere Schwanzflossean, dreht sie um, zieht den Darm heraus und wirft das Tier sofort in das spru-delnde Wasser. Der Vorgang mu eine einzige Handbewegung sein; wer sich

    da nicht sicher ist, kocht den Darm lieber mit!Der Krebs gehrt zu den Nahrungsmitteln, bei denen es keinen Abfall gibt: DieSchalen sind der Grundstock fr eine der berhmtesten Suppen und Saucen,die Krebs-Bisque. Dazu rstet man Krebs-Carcassen mit Knoblauch in Olivenl,gibt frisches Tomatenmark dazu, flambiert mit Cognac, giet Weiwein undguten Fischsud auf und lt das Ganze so lange kcheln, bis die Schalen aus-gelaugt sind. Dieser Krebsfond wird durch ein feines Tuch gegossen, mit Salz,Pfeffer und Cognac gewrzt und mit Butter und Schlagsahne verfeinert.

    Als einen Hhepunkt meiner Schpfungen sehe ich ein Savarin (ein Frmchen)aus Spaghetti, Flukrebsen und Krebssauce an. Dazu werden die Savarin-Frmchen ausgebuttert und dann liebevoll mit al-dente-gekochten Spaghettiausgelegt, so da ein Faden immer auf dem anderen liegt. Der Innenraum wirdmit Fisch-Farce bestrichen und fest mit Krebsschwnzen gefllt. Die mit Klar-sichtfolie bedeckten Frmchen kommen ins Wasserbad und werden dort ganzlangsam pochiert. Dann werden sie auf einen Teller gestrzt und mit feinenGemseperlen angerichtet; dazu die beschriebene Bisque!

    Eines der berhmtesten deutschen Gerichte, das auch auf den frstlichen Tafelneine groe Rolle spielte, ist das "Leipziger Allerlei" - eine groe Hommage anFrhling und Sommer. Hier kommt meine Version: Blumenkohlrschen, Finger-mhren, Kaiserschoten, Spargelspitzen, Kohlrabi und Petersilienwurzeln werdenin kochendem Salzwasser bifest blanchiert, eiskalt abgeschreckt und trockenge-tupft. Morcheln werden von Sand und Stielen befreit - bitte behutsam, wennberhaupt waschen! Frischgekochten Krebsen werden das Schwanzfleisch unddie Scheren entnommen und dann warmgestellt. Die Carcassen werden zerklei-nert und in flssiger Butter aufgekocht. Die Butter wird passiert; sie wird fr dieSauce gebraucht. Fr diese Sauce wird Butter in einem Topf mit etwas Mehlleicht angerstet, mit Weiwein abgelscht und mit Geflgelfond aufgegossen.

    Nach zehn Minuten Kcheln wird Sahne zugegossen und mit Salz, Pfeffer undMuskat gewrzt. Die Krebsbutter kommt dazu, das Ganze wird mit Zitronensaftabgeschmeckt und schaumig gerhrt. Die in Butter und Gemsefond gewrmtenGemse werden mit den in Butter gebratenen Morcheln angerichtet, das Krebs-

    fleisch kommt dazu, die Sauce wird darumgegossen; Krebsnasen und ein Kerbel-struchen schmcken die Platte. Das versteht man unter einem "Leipziger Aller-lei". Sage niemand, das Understatement sei ein Vorrecht der Englnder!

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    Schimmernder Schmaus

    Von den Fastenbruchen der katholischen Kirche, die in meiner steirischenJugend noch vielfach beachtet wurden und einfach zur Lebenskultur gehrten,

    hab ich schon mehrfach erzhlt. Ein alter Brauch, der uns heute vielleicht et-was willkrlich vorkommt, rechnete den Fisch nicht zum Fleisch - wenn Fleischverboten war, dann war Fisch erlaubt und schlielich sogar geboten. FreitagsFisch, das hie, wenn man Glck hatte, bei uns zu Hause manchmal: Forelle.Die hat man nicht im Fischgeschft gekauft, sondern gleich beim Zchter. DieSteiermark ist voller klarer Bche, und sauberes Wasser lieben und brauchendie Forellen, die sich vorzugsweise im Strmenden aufhalten. Obwohl ihnendas Wasser krftig entgegenfliet, scheinen sie beinahe unbeweglich stillzuste-hen und haben doch nur die unablssig spielenden kleinen Flossen, um demDruck Widerstand zu leisten. Anders als die fetten Karpfen leben sie im groenSchwarm und sind in allen Bewegungen genauer aufeinander abgestimmt alsein Regiment beim Parademarsch.

    Mit dem Moped sind wir zum Zchter gefahren und haben zugesehen, wie erden Kscher eintauchte und dann die schnen zappelnden Fische schlachtete.Die elegante Form der Forelle ist mir schon als Kind aufgefallen, die silberneHaut, die beim Ruchern wunderbar golden wird, ist ein appetitanregender An-

    blick. Meine Mutter hat die Forellen in Schmalz gebraten. Dazu hat sie Schwei-neschmalz hei gemacht und Knoblauch darin gerstet, bis das Schmalz ganznach Knoblauch geschmeckt hat. Dann hat sie das Fett durchpassiert und dieForellen langsam darin gebraten. Aus dem Krutergarten wurde dann geholt,was gerade wuchs, und da hab ich auch etwas gelernt: Der Liebstckel, dendie Mutter einmal an die Forellen getan hat, war zu stark im Geschmack, derhat die zarte Forelle bertnt; man mu mit Gewrzen bei Forellen sehr behut-sam sein. Wenn die Forelle gar war, wurde das Fett mit Zitronensaft abge-lscht; statt der Mandeln hat meine Mutter Krbiskerne ber die Forelle ge-

    streut.

    Wir haben die Forelle aber auch paniert, mit selbstgemachter Sauce Remoula-de aus den Eiern unserer Hhner als Festtagsessen gegessen, und wenn mandann einmal in einem Restaurant war, gab es als Vorspeise geruchertes Forel-lenfilet mit Meerrettich und Toast - an dieses Gericht, das in unserer kargenNachkriegswelt ein Hhepunkt an kulinarischen Wonnen war, wird sich man-cher gewi noch erinnern. Auch die Forellenwelt hat sich eben inzwischen stark

    verndert! Zunchst aber noch ein Rezept meiner Mutter aus der alten Zeit, diefr mich im Dunstkreis ihrer Kche auch eine gute Zeit war: Forellenkndel!

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    Dazu enthrtet man gerucherte Forellen und entfernt ihre Grten. Das Forel-lenfleisch wird in Wrfel geschnitten. Haut und Grten erhitzt man mit Butter-schmalz, lt sie fnzehn Minuten ziehen, passiert sie durch ein Sieb und stelltdas mit Forellengeschmack angereicherte Fett beiseite. Nun dreht man roheForellenfilets durch den Fleischwolf, mischt die Masse mit flssiger Sahne, mit

    Eigelb, gehackter Petersilie, Kerbel, Salz und Cayenne-Pfeffer. Die gerucher-ten Wrfel kommen dazu, auerdem Weibrotwrfel, alles wird gut vermischt.Zum Garen nimmt man Weiwein, Wasser, Lorbeerblatt, Wacholderbeeren,Dillzweige und Thymian und lt das Ganze aufkochen. Aus der Fischmassewerden kleine Kugeln geformt und in dem Sud zehn Minuten lang pochiert.Jetzt kommt noch die Rucherschmelze: In dem oben passierten Fett rstetman Semmelbrsel und wlzt die Kndel darin. Dazu Kopfsalat - bei uns"Huptel-Salat" - mit Apfelessig und Krbiskernl. Auf das Essen hab ich michschon in der Schule gefreut.

    In meiner ersten Lehrzeit hab ich den Vorteil gehabt, da ich schon wute, wieman Forellen zerlegt. Es ist aber gar nicht schwer, denn die Natur hilft mit.ber den Leib der Forelle zieht sich ein schwarzer Strich, dem man nur mit derGabel folgen mu, um das Filet in zwei Teile auseinandersinken zu lassen. Dar-unter liegt dann die lange Rckengrte, die man behutsam hochhebt, damit diekleinen Grten dran hngenbleiben. Die Forelle gehrt zu den Fischen, die dieLust am Schmausen nicht durch schwierige Grten trben.

    Aber jetzt kommt mein Lieblingsrezept: Forellen im Beutel (Gefrierbeutel) ge-gart. Schalotten, kleingehackte Mhren, Knoblauch werden in Butter gebraten;Dillzweige, Petersilienstengel, Estragonzweige, Weiwein und Wermut werdendazugegeben. Man lt das Ganze etwas einkochen und fgt Salz und grobzerstoenen weien Pfeffer hinzu. Die Forellen werden gut gewaschen undauen und innen gepfeffert und gesalzen und kommen nun mit ihrer Marinadein einen Gefrierbeutel - am besten nimmt man zwei bereinander, fr den Fall,da einer beim Garen kaputtgeht. Ein groer Topf voll Wasser - nicht siedend,sondern bei 80 Grad! - nimmt die Beutel nun auf, am besten in einem Sieb,damit sie ganz von Wasser bedeckt bleiben; ungefhr zehn Minuten lt mansie in dem heien Bad schwimmen. So garen die Forellen schonend, ohne mitWasser in Berhrung zu kommen. Wenn man die Beutel ffnet, schlgt einemder intensive Duft der Natur entgegen. Die zarte Forelle hat nichts verloren,sondern ist in ihrem Eigengeschmack noch krftiger geworden. Die Natur zurEntfaltung zu bringen - das ist fr mich eine Definition guter Kche.

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    Dieser Ruber ist sensibel

    Meine Mutter a keinen Fisch, aber sie legte Wert darauf, da die Familie des-halb nicht auf diesen besonderen Genu verzichten mute. Natrlich achtete

    sie darauf, da ihre Kinder jedes Jahr am 3. Februar den Blasius-Segen mit dengekreuzten Kerzen bekamen, der verhindern soll, da die Kleinen eine Grteverschlucken. Allerdings war zu meinen Jugendzeiten in der Steiermark dasFischangebot bescheiden. Zunchst gab es den gefrorenen "Plattenfisch", denRollmops und den Bismarckhering (in sterreich ist der Name keine Empfeh-lung!), die Forelle und, als Krnung, aber nicht zu Haus, sondern in einemschnen Restaurant, den Rucherlachs mit Toastbrot und Sahnemeerrettich.

    Auch in meiner Lehrzeit ging das Angebot ber Kabeljau, Goldbarsch und Rot-

    barsch nicht weit hinaus. Das Nonplusultra war die Seezunge "Mllerin", undfr mich stellte sie denn auch den Inbegriff dessen dar, was ein feiner Fisch zubieten hat. Falsch habe ich mit dieser Einschtzung nicht gelegen, denn See-zunge ist heute erst recht Luxusware.

    Wie klein mein Horizont in bezug auf die Welt des Meeres war, habe ich erstfeststellen mssen, als ich in Hamburg im Restaurant "Le canard" von Viehau-ser anfing. Morgens kamen da die Styropor-Ksten, in denen auf gestoenemEis die sonderbarsten Lebewesen lagen. Auf dem Lieferschein standen "See-

    igel, Langusten, Steinbutt, Austern", ein besonders muskulser, schner Fischwar der "Loup de mer", der Wolfsbarsch aus dem Mittelmeer. "Was machst dunun mit dieser Pracht?" habe ich mich sorgenvoll gefragt. Der Gast erwartetezu Recht ja nicht nur, da ich mit den Fischen irgendwie fertig wurde, sondernforderte ein kulinarisches Erlebnis ersten Ranges! Mir war wie einem kleinstd-tischen Kirmes-Go-Kart-Fahrer zumute, der zur Rallye Paris-Dakar aufbrechensoll.

    Beim Wolfsbarsch habe ich dann gelernt, da es noch etwas Besseres als dieSeezunge gibt. Der Geschmack und die Konsistenz des fettarmen Wolfsbarsch-fleisches sind unvergleichlich. Wenn mein damaliger Chef Viehauser nicht dawar, briet ich mir nachts einen "Loup de mer" mit Butter, Zitronensaft, Salz,Pfeffer und Petersilie und verspeiste ihn ganz allein mit Salzkartoffeln. DerWolfsbarsch steht fr mich gleichberechtigt neben dem Steinbutt. Inzwischenwird er auch gezchtet. Ich habe das mit bangem Herzen vernommen. Meisthat dieses Zchten von Fischen nicht zu einer besseren Qualitt gefhrt. "Manist, was man it" - dieser alte medizinische Grundsatz gilt nicht nur fr den

    Menschen, sondern auch fr die Tiere. Ich hoffe, niemals erleben zu mssen,da der Wolfsbarsch ein billiger Kaufhausfisch wird, den scheinbar jeder sichleisten kann und den niemand mehr so bekommt, wie es sich gehrte. Im "Ca-

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    nard" erschien der Wolfsbarsch als Vorspeise auf einem Schwarzwurzelsalat, erwar mit der Haut gebraten und von einer Tomaten-Basilikum-Vinaigrette be-gleitet. Das war kstlich, aber die Steigerung erlebte ich, als ich in einem asia-tischen Restaurant in Deutschland einmal gednsteten "Loup de mer" in Soja-sauce, Fischfond, Chili und Korianderkraut bekam. In einer Strandhtte an der

    Cte d'Azur war der Fisch von einer Salzkruste umhllt. Dazu macht man einenTeig aus viel Salz, geschlagenem Eiwei und Mehl und bedeckt den geschupp-ten Fisch damit etwa einen Zentimeter dick. Nach 40 Minuten im 180 Gradheien Ofen holt man ihn heraus. Wenn die Kruste aufgeschlagen wird, unterder das Aroma nicht entweichen konnte, strmt einem der intensive Geruchentgegen. Billig war das nicht, auch nicht in der Strandhtte, aber unverge-lich.

    Wolfsbarsch wird auch fertig vorbereitet in Filets zerteilt angeboten, aber ich

    ziehe es vor, den ganzen Fisch zu kaufen, denn nur so erkenne ich, ob er wirk-lich frisch ist, und das ist fr den Geschmack unerllich. Fnf Merkmale sollteman sich einprgen: hellrote Kiemen, glnzende Augen, feste Bauchlappen,keine Druckstellen auf der Haut und ein reinlicher, frischer Geruch - der Fischdarf nicht "nach Fisch" riechen! Zum Filetieren bentigen Sie ein groes, schar-fes Messer - kein Sgemesser, sondern ein glattes, am Wetzstein geschrftes! -,denn die Grten in der Mitte sind fest und mssen durchgeschnitten werden.Fr die Grten gibt es dann noch eine groe Pinzette oder Grtenzange. Wenndie Haut dranbleiben soll, mu der Fisch geschuppt werden - behutsam! Dieser

    Raubfisch ist sensibel, seine Haut ist empfindlich. Zu meinen Lieblingsgerichtengehrt der Loup de mer in Kartoffelschuppen auf Balsamico-Linsen. Dazu wer-den die Haut und die Filets in Portionsgre geschnitten.

    Meine Kochschler kennen oft die alte Regel fr die Vorbereitung des Fisches:subern, suern, salzen. Davon halte ich nicht soviel. Ich bestreiche das Filetmit Eigelb, hoble dann Kartoffeln, steche kleine Kreise aus den Scheibchen undbelege den Fisch damit, als wolle ich die abgezogene Haut ersetzen. Dannwerden die Kartoffelschuppen mit geschmolzener Butter mehrfach dicht einge-pinselt; danach wird der Fisch kalt gestellt. Zwiebelwrfel werden mit Butterangeschwitzt, eingeweichte, abgetropfte Linsen kommen dazu, mit Fischbrhewird aufgegossen, und nun gart alles, bis die Flssigkeit verdunstet ist. In ei-nem anderen Topf kochen Sie Balsamico-Essig ein, binden mit Butter, gebendie Linsen dazu, schmecken mit Salz und Pfeffer ab und streuen gehackte Pe-tersilie darber. Dann wird eine beschichtete Pfanne hei gemacht, das Fischfi-let mit der Kartoffelseite nach unten hineingelegt und so lange gebraten, bisdie Kartoffeln goldbraun sind. Dann dreht man das Filet um, gibt Thymian,

    Rosmarin und Knoblauch in die Pfanne und lt den Fisch fertig garen. Jetztwird mit Salz und Pfeffer gewrzt. Dazu kann man einen mit Sahne eingekoch-ten und mit Butter aufgemixten Fischfond servieren.

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    Was aber ergnzt den Wolfsbarsch am reizvollsten? Versuchen Sie einmal, denFisch mit der Haut in Kokosmilch zu garen, mit Zitronengras, Chili, Koriander-kraut und Ingwer - aber langsam, nicht kochen! Die passierte Kokosmilch wirdspter schaumig gemixt und mit in Sojasauce marinierten Glasnudeln serviert.Auf die Begegnung mit der Kokosmilch hat der Wolfsbarsch meiner berzeu-

    gung nach sehnlichst gewartet.

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    Das Kaninchen unter den Fischen

    Wir Steiermrker sind Binnenlnder, und fr uns waren die einzigen frischenFische, mit denen wir in Berhrung kamen, die Forelle und der Karpfen. Der

    Karpfen kommt aus Asien, auf chinesischem Porzellan ist er mit seinen rundenAugen und dem ausdrucksvollen Fischmaul wie eine Art phlegmatisches Was-serungeheuer hufig gemalt worden. Aber in Franken und Bayern, in Bhmenund sterreich, in Polen und Ruland ist er schon lange kein Exot mehr, son-dern fester Bestandteil der Kche.

    Man sieht schon aus dieser Aufzhlung, da der Karpfen gut mit Bier zusam-mengehen mu, denn viele dieser Lnder sind keine Wein-, sondern Bierln-der. Die Kultur der Karpfenzucht hat viel mit der katholischen Fastenordnung

    zu tun. Man mte berhaupt einmal ein Kochbuch schreiben, das die altenFastengerichte sammelt, denn "in der Beschrnkung erst zeigt sich der Meis-ter", und fr die Hausfrauen und Klsterkche war es eine besondere Heraus-forderung, trotz Fastengeboten mit den erlaubten Zutaten ein besonders kstli-ches Essen zu kochen. Manche Orden haben berhaupt aufs Fleischessen ver-zichtet. In der Nhe dieser Klster lagen dann groe Karpfenteiche. In Fssernkamen die Karpfen frisch auf den Markt, und auch heute noch kann man viel-fach sich den Karpfen noch lebendig aussuchen. Er wird dann vor den Augendes Kunden geschlachtet.

    Im Winter gehrt der Karpfen seit jeher zu den traditionellen Festessen. DieKarpfenteiche werden dann abgelassen, und die fetten trgen Burschen kn-nen eingesammelt werden. Fr den Heiligabend, die Vigil von Weihnachten, beider vor der Christmette die Adventfasten ja noch nicht beendet waren, ist derKarpfen der klassische kulinarische Hhepunkt. Ich habe dennoch eine guteZeit gebraucht, um dem Karpfen nherzurcken. Meine Liebesgeschichte mitdiesem gehaltvollen, aber nicht besonders geschmacksintensiven Fisch war vonNiederlagen gezeichnet. Zunchst habe ich im Bach hinterm Haus eine kleineStaumauer angelegt, um dahinter Karpfen zu ziehen. Ein groer Regengu liedie Wasser ber den Damm treten, und die Karpfen schwammen, so lahm siesonst waren, davon. Spter, ich war schon junger Koch, wollte ich die Elternmit Weihnachtskarpfen beglcken. Die glitschige Haut hat mich daran gehin-dert, ihn schn zu zerteilen. In einem Wurzelsud mit viel Gemse habe ich ihngegart, aber als er auf den Tisch kam, hatten alle Angst vor den Grten. Meineweichherzige Schwester hat das arme Tier bedauert, und der Vater hat sichnach seiner Gans gesehnt. Spter gab es in meinem Leben noch eine Karpfen-

    blamage. Da sollte ich im Fernsehen den berhmten jiddischen "Gefillte Fisch"kochen, aber die Kenner wiegten kritisch die Kpfe, weil ich den Originalge-schmack dieses Traditionsgerichtes nicht getroffen hatte.

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    Trotz allem: Mut zum Karpfen! Der Karpfen ist, so knnte man sagen, dasHuhn oder das Kaninchen unter den Fischen, er fordert die Kochkunst heraus,denn er ist eigentlich vor allem eine schne zarte Folie, auf der sich schpferi-sche Ideen erst entfalten mssen; das Charakteristische an ihm ist der leichte

    Teichgeschmack, der natrlich nicht als Sumpf- oder Modergeschmack ver-strkt auftreten sollte. Die Delikatessen des Karpfens sind der Rogen, die Wan-gen und die Lippen.

    Zunchst ein klassisches Karpfenrezept: gebackenes Karpfenfilet mit Apfel-meerrettich. Bevor man die Filets paniert, schneidet man die Haut ein, damitsie sich in der Pfanne nicht aufrollt. Zur Panade gibt man Mehl, verquirlt ganzeEier mit geschlagener Sahne, um die Panade besonders locker zu machen, undwlzt das Filet in einer Mischung aus Semmelbrseln und gehobelten Mandeln.

    Dann wird es in viel Butterschmalz ausgebacken. Fr die Soe mischt manCrme fraiche, Mayonnaise, weien Balsamico, kleine Apfelwrfel, frischenMeerrettich, Salz, Pfeffer und Zucker. Kompliziert ist das nicht und macht den-noch viel Arbeit, weil man es schlecht vorbereiten kann. Sie mssen IhreFreunde in die Kche bitten.

    Fr den Weihnachtskarpfen habe ich hier aber einen ungewhnlichen Vor-schlag: mit Karpfen gefllter Weikohl in Champagnersoe. Vom Weikohlkopfwird der Strunk entfernt, der Kopf wird auf eine Gabel gespiet und in kochen-

    des Wasser gehalten. Jedes Blatt, das sich lst, kommt in kaltes Wasser. Nundreht man Karpfenfilets ohne Haut zusammen mit Frhstcksspeck durch denFleischwolf und mischt die Masse mit flssigem Eiwei, Strkemehl, Schnitt-lauch, Dill, kleinen Karottenwrfeln, roten Zwiebelwrfeln, Salz, Pfeffer undChili aus der Gewrzmhle. Eine Schssel, so hoch und gro wie ein Kohlkopf,wird mit einem feinen Leintuch ausgelegt, und nun legt man abwechselndWeikohlbltter (vorher blanchiert) und Karpfenfarce hinein. Schlielich drehtman das Leintuch fest zusammen und bindet es zu. Gleichzeitig hat man einenPochiersud vorbereitet. Hhnerbrhe, Weiwein, Thymian, Rosmarin, Estragon,Schalotten, Knoblauch, Pfefferkrner, Lorbeerbltter und Salz werden aufge-kocht. Dann lt man die Temperatur etwas zurckgehen; in die etwa 80 Gradheie Flssigkeit wird das Leintuchbndel hineingetaucht und gart dort lang-sam. Fr die Soe wird ein Teil des Pochiersudes mit Sahne eingekocht, mitSalz und Pfeffer abgeschmeckt, mit kalter Butter durch einen Zauberstab auf-gemixt und mit Champagner und geschlagener Sahne verfeinert. Das Leintuchwird geffnet und der Kohlkopf dann in Scheiben geschnitten. Frische Petersiliekommt darber, die herrliche Champagnersoe und Butterkartoffeln gibt's dazu.

    Viel mehr kann ein Karpfen auf Erden nicht werden, und Ihre Tischgenossen wer-den Sie mit diesem neuartigen und doch sehr klassischen Gericht berraschen.

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    Geflgel und Eier

    Gute Eier sind eine wichtige Grundlage der guten Kche

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    Ein Kultobjekt zu Weihnachten

    So bescheiden das Leben der steirischen Bauern oft war, ihre Geflgelhfehatten eine geradezu barocke Pracht. Am bescheidensten waren die Hhner,

    aber die Federn der Hhne schillerten schon in Schwarz und Grn, und auchdie Enteriche hatten manchmal tiefgrne Kpfe. Auf vielen Hfen wurden auchPfauen gehalten, und wenn der Pfau sein Rad schlgt, hat er keine Konkurrenz.Wenn er aber die Federn wieder zusammenfaltet, bertrumpft ihn der Trut-hahn an Imposanz. Sein grauweies oder schwarzweies Gefieder ist der reineLuxus; wenn er in Zorn gert - und ein Truthahn ist eigentlich immer zornig -,stellen sich die Federn auf und lassen den ohnehin riesigen Vogel leicht doppeltso gro erscheinen. Am Schnabel baumelt der hautige Klunker, der sich in derWut straff mit Blut fllt. Tatschlich wurden die Truthhne von vielen Nachbarn

    als eine Art Hofhund gehalten. Wenn es hie, zu solchen Leuten hinberzuge-hen, mute ich als Kind meinen ganzen Mut zusammennehmen, um dem imKoller zitternden und gurrenden Truthahn standzuhalten. Auch bei der Maian-dacht wurde ich selten gesehen, denn rund um die Kapelle stolzierte mit sei-nem eigentmlichen Rucken ein besonders stattlicher Truthahn.

    Vor ein paar Jahren habe ich in der Steiermark eine wilde Truthenne vorgesetztbekommen. Da wurde mir erst klar, was die Zchtung aus einem Tier machenkann. Da ein zwlf bis sechzehn Wochen alter Vogel ausgenommen schon bis

    zu zehn Kilo wiegen kann, ist das Ergebnis mehrhundertjhriger Zchtung. Derwilde Truthahn ist viel leichter und magerer. In Nordamerika, woher der Trut-hahn stammt, ist er ein Kultobjekt, in hherem Ma vielleicht sogar als bei unsdie Weihnachtsgans. Am Thanksgiving Day und an Weihnachten mu es "turkey"geben. Das Putenfleisch ist grobfasriger als das Hhnerfleisch und weniger aro-matisch. Deshalb liebt man in Nordamerika und England zum traditionellen Tur-key krftige Saucen: Chutneys, Mint-Jellies und se Zwiebeln. Und gegen dieTrockenheit des Putenfleisches spritzt man gern Butter unter die Haut. Einensolchen Truthahn kann man auch schon fertig prpariert kaufen. Ich rate dazu,Butter aufzuschlagen, viele Kruter gehackt darunter zu mischen, das Ganze mitSalz und Pfeffer krftig zu wrzen, die Haut mit Zeigefinger und Daumen vomFleisch zu lsen und die Masse mit dem Spritzbeutel darunter zu spritzen.

    Man kann diese Vorbereitung noch steigern: Die schaumig aufgeschlageneButter wird mit gehackter schwarzer Trffel und Trffell angereichert und mitSalz und Pfeffer gewrzt - was dem Truthahn da unter die Haut geht, erinnertdaran, da er einst nur auf die Tische der Knige kam. Ein klassischer Trut-

    hahn wie bei Scarlett O'Hara soll die Exotik der Sdstaaten ahnen lassen. Manschneidet dafr Orangen mit der Schale in dnne Scheiben und besteckt denTruthahn damit dicht an dicht mit Hilfe von Gewrznelken. In einer groen

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    Pfanne oder einem Blech, dessen Boden mit Orangensaft, Canadian oder Bour-bon-Whiskey und braunem Zucker bedeckt wird, kommt der Truthahn lange(gut vier bis fnf Stunden) bei hundert Grad in den Ofen. Dann werden dieOrangenscheiben abgenommen, und der Puter wird mit einer Mischung ausHonig, braunem Zucker und Whiskey bestrichen; daraufhin kommt er bei 220

    Grad noch einmal fr 25 Minuten in den Ofen, um schn braun zu werden.Wenn die Weihnachtsgesellschaft gro ist, mag auch eine Fllung willkommensein: Zwiebel wird in Butter angebraten und dann mit Hackfleisch, Salz, Pfeffer,Ei, Semmelbrsel und Cognac gemischt.

    Ich schlage Ihnen aber noch etwas Ausgefalleneres vor, eine Hommage an diebayerische Brezel. Ich verwende zu diesem Rezept am liebsten die hocharoma-tischen Putenkeulen, die dunkler als das Brustfleisch sind. Den Knochen ausder Oberkeule lst man aus. Um die Oberflche der Oberkeule zu vergrern,

    schneidet man die dicken Fleischteile etwas ein und klappt sie auseinander.Dann klopft man sie mit dem Plattiereisen dnn aus und wrzt sie mit Pfefferund Salz. Fr die Fllung schneidet man Laugenbrezeln in kleine Wrfel undlt sie in heier Milch zwanzig Minuten quellen. In zerlassener Butter werdenkleingeschnittene Schalotten und Knoblauch glasig gednstet und daraufhinmit Ei, gehackter Petersilie, fein gewrfelten Drrpflaumen, Salz, Pfeffer undMuskat mit der Brezelmasse gut verknetet. Nachdem die Fllung etwas gezo-gen hat, setzt man sie auf die plattierten Oberkeulen und klappt das Fleischdarber zusammen. Mit Kchengarn werden die Keulen zusammengebunden

    und nun auch auen gepfeffert und gesalzen. Jetzt brt man sie in nicht zustark erhitztem Butterschmalz gut an - das feine Putenfleisch vertrgt keinestarke Hitze! Ganz wenig Zucker und viel geschnittene Zwiebel werden hinzu-gegeben, bis das Ganze karamelisiert. Dann wird mit Geflgelfond aufgefllt.Im vorgeheizten Backofen garen die Keulen bei 160 Grad in anderthalb Stun-den und werden dabei mehrmals mit dem Bratenfond begossen. Dann werdensie herausgenommen und warm gestellt.

    Aus dem im Fettknnchen entfetteten, durch ein Sieb passierten Fond, denman etwas einkochen lt, bereitet man eine Pfeffersauce, die auch zu ande-rem Geflgel und sogar zu einem schnen Steak vorzglich pat. Dazu zersttman weie Pfefferkrner im Mrser, gibt sie in ein Sieb und blanchiert sie kurzin kochendem Wasser - so verliert der Pfeffer seine Schrfe, nicht aber seinenGeschmack. Nun werden Schalotten mit diesem Pfeffer in Butter glasiert, mitBrhe vom Garen und Sahne wird aufgefllt, und das Ganze wird bei nicht zustarker Hitze auf die Hlfte eingekocht. Zum Schlu giet man die Sauce durchein feines Sieb und schmeckt sie ab. Dazu empfehle ich ein in Weiwein und

    Sahne gednstetes Wirsinggemse. Wer die Vorbereitung des Weihnachtsbra-tens schon als Beginn der Entspannung ber die Festtage begreift, dem wird erbesonders gut gelingen.

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    Wie gerupft so gelungen

    "Die Ente ist ein schwieriger Vogel - fr einen zuviel und fr zwei zuwenig."Solche Weisheit kndet von buerlichen Schmusen im Winter, bei denen den

    Gsten das Schmalz in den Mundwinkeln glnzt. Die Ente wird, wenn sie aufeinem Bauernhof aufwchst, im Winter schlachtreif. Meine Mutter hat, als letz-te von unzhligen Generationen, die Enten noch gemstet, um sie schnschwer zu bekommen; mit dem Kochlffelstiel wurden die Maiskrner in dengereckten Hals geschoben, damit die Leber richtig fett wurde. Das "Stopfen"oder "Nudeln" von Enten und Gnsen ist heute in Deutschland verboten; sonstist man, was artgerechte Haltung der Tiere angeht, noch nicht sehr viel weitergekommen. Die Enten meiner Mutter fhrten das Jahr ber jedenfalls ein herr-liches Leben. Hinter dem Haus schwammen sie auf einem klaren Bach und

    watschelten abends aus eigenem Antrieb in den Entenstall. Wenn frh derHahn krhte, wurden auch die Enten wach und forderten laut schnatternd ihrFutter. Ich liebte ihr schnes Gefieder, ihre Eleganz auf dem Wasser und dierhrende Unbeholfenheit auf dem Land. Wenn es ans Entenschlachten ging,vergossen wir Kinder Trnen. Wenn das schreckliche Geschft beendet war,kam die Ente ganz kurz in heies Wasser, denn danach konnte man sie rupfen,ohne die Haut zu beschdigen. Die Haut gehrt zu den Delikatessen der Ente.Als Schwimmvogel hat sie ein reichliches Fettpolster unmittelbar unter derHaut, das sie vor der Wasserklte selbst im Winter schtzt. Wenn dieses Fett

    beim Braten schmilzt, wird die Haut kro und bleibt doch saftig. Nur zuviel Fettist auch nicht erfreulich. Die Mutter berbrhte die gerupfte Ente deshalb stetskurz mit kochendem Salzwasser, das lie viel berschssiges Fett aus dem Tierherauslaufen.

    In unserem Brotbackofen gerieten die Enten am besten. Wenn das Brot her-ausgeholt wurde und die Hitze nur noch schwach war, kam die Ente hinein.Vorher wurde sie dick mit Salzlake eingepinselt. So garte sie schonend, trock-nete nicht aus und verlor nicht soviel Gewicht. Wenn sie fertig war, fehlte ihrerHaut allerdings noch die appetitliche braune Farbe. Jetzt wurde sie mit Honigund Butter bestrichen und in den richtig aufgeheizten Kchenofen geschoben,bis sie knusprig war. Ganz klassisch haben wir eine solche Ente mit Semmel-oder Kartoffelkndeln und Rotkraut verspeist.

    Ein franzsischer Professor hat inzwischen ein Rezept ersonnen, das die knusp-rigste Entenhaut hervorbringt, die es je gab. Auch dieser geniale Mann lt dieEnte drei bis vier Stunden bei nur 90 Grad garen, stellt inzwischen eine Lsung

    her aus drei Elffeln Glukose, einem Elffel Pektin und etwas Sstoff, er-wrmt sie und bepinselt die gare Ente damit, bevor er sie wieder bei nun 200Grad in den Ofen schiebt. Die drei unterschiedlichen Zuckerarten bewirken ein

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    Wunder: Eine zweite Haut bildet sich wie Pergament; weil sie durchlssig ist,kann der Dampf aus dem Fleisch gut entweichen und dadurch das Knusprig-werden nicht verhindern.

    Und wo bleibt die Sauce? Die Sauce schafft bei der Ente immer eine groe

    Schwierigkeit. Die Antwort der groen Kche wirkt ein wenig einschchternd:Man kaufe nur fr die Sauce eine zweite Ente, schneide sie klein und bereiteaus ihr eine intensive Essenz. So weit wird es im privaten Haushalt freilich sel-ten getrieben. Man kann sich auch etwas bescheidener behelfen: Rote Zwie-beln werden kurz in Butter angednstet, mit Rotwein und Johannisbeersaftaufgefllt, das Ganze lt man einkochen und verfeinert mit Thymian, Honig,Butter, Salz und Pfeffer.

    Nirgendwo wird die Ente so hoch geehrt wie in China, dort bildet sie einen der

    Hhepunkte der Gensse. Die Chinesen zchten eine etwas magerere Enten-rasse, die zugleich etwas lnger ist. ber der Vorbereitung waltet ein Geheim-nis, das ich nicht ganz aufgeklrt habe. Was sind die Bestandteile der Mi-schung, mit der die Ente vor dem Braten eingerieben wird? Luseblut ist wahr-scheinlich auch dabei. In einem runden Ofen, vergleichbar den indischen Tan-doori-fen, wird die wohlvorbereitete Ente dann gleichmig gegart. Und nunserviert man die Haut getrennt vom Fleisch! Ein Stck Haut umhllt man sichmit etwas hauchdnnem Pfannekuchen, packt noch ein Stckchen Frhlings-zwiebel dazu und wrzt das Ganze mit einem Klecks Pflaumenpree. Das

    Fleisch wird durchgedreht und gut gewrzt in einem sauren Salatblatt ange-richtet. Whrend des Mahls wird aus der Karkasse eine Suppe gekocht; deshalbbeschliet das Mahl bei den Chinesen die Suppe. Wer Anla hat, auf seinenCholesterinspiegel zu achten, sollte eine solche Ente aber nicht tglich essen!

    Legendr ist die "Ente l'orange". Dazu brt man eine gesalzene und gepfef-ferte Ente in heiem l von allen Seiten an, setzt sie dann auf ein Bett ausgewrfelten Schalotten und Mhren, das mit Rosmarin und Lorbeerblatt ge-wrzt ist, begiet sie mit Geflgelfond und Orangensaft und brt sie im Ofenbei 150 Grad ein bis anderthalb Stunden lang, nicht ohne sie dabei fter zubegieen. Die fertige Ente lt man kurz abkhlen, lst Keulen und Brste ausund legt sie in eine Pfanne. In einer anderen Pfanne karamelisiert man Zuckerund lscht mit Orangensaft und Bratenfond. Etwas Essig kommt hinzu, undnun kchelt das Ganze dreiig Minuten, wird dann mit Salz und Pfeffer ge-wrzt, eingekocht und mit Speisestrke gebunden. Nun werden in Streifengeschnittene Orangenschalen blanchiert und mit Orangenfilets auf die Entegelegt. Die durch ein Sieb passierte Orangensauce wird nun ber die Ente ge-

    gossen. Manche schwren, dies sei das Beste, was eine Ente werden kann.

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    Ein Klassiker zu Ostern

    Zu Ostern mchte ich Ihnen vom Ei erzhlen - ein klassischeres Osterthemagibt es wohl nicht. Als Kind habe ich noch die Freude kennengelernt, wenn die

    Hhner im Frhling vor Ostern wieder anfingen zu legen und wir wieder denGenu von frischen Eiern hatten. Das Hhnerfttern war bei uns Aufgabe derKinder. Beim Kochen wurden die Eierschalen aufgehoben und am Herdrandgetrocknet, whrend das Herdfeuer langsam in sich zusammenfiel. Am nchs-ten Tag hat meine Mutter die Schalen zerbrselt und unter den Mais fr dieHhner gemischt, damit die nchsten Eierschalen wieder schn fest wurdenund die Hhner gesund blieben und viel legten. Unsere Eier waren so gelb, daman von einem Omelett geradezu geblendet wurde. Wenn ich von solcherheute selten gewordenen Qualitt schwrme, dann nicht, um in Nostalgie zu

    schwelgen. So lang liegt die Zeit nicht zurck, da man so gute Sachen bekam.Und wenn wir alle wollen, dann kann es auch wieder so werden; der Augen-blick ist fr ein Umdenken nicht ungnstig.

    Nach den Hausaufgaben suchte ich die Eier aus den Nestern, viele waren nochwarm. Im Getreidekasten wurden sie aufbewahrt. Einmal in der Woche kamder Eiermann und kaufte auf, was wir nicht gegessen hatten; bei dem Mannkonnte man auch Sigkeiten fr die Kinder kaufen, und unsere Mutter hat unsvon dem Eiergeschft immer etwas Ses zukommen lassen. Eine der schns-

    ten sen Sachen meiner Jugend ist ein Wein-Chateau mit selbstgebackenemLffelbiskuit, das war auch eine begehrte Krankenspeise! Eigelbe wurden mitZucker und einem sen Gewrztraminer, der leicht nach Rosen duftete, imWasserbad zu einem Sabayon aufgeschlagen. Im italienischen Restaurantnimmt man fr ein Sabayon guten Marsala und auch etwas Zitrone. Beim Auf-schlagen kommt der Koch ins Schwitzen! Fr die Spiegeleier hatte meine Mut-ter sich etwas Besonderes ausgedacht: Sie nahm einen kleinen mit Fettangepinselten Blechring, legte ihn in die Pfanne und schlug das Ei hinein. "Wiekommt es nur, da die Spiegeleier bei Ihnen so kreisrund sind?" fragte dieNachbarin. "Weil bei uns die Hhner besonders runde Eier legen!" war dieselbstbewute Antwort meiner Mutter.

    Mit neun Jahren schenkte mir meine Tante eine Plastikschssel und einenSchneebesen. Mit der Emailleschssel machte ich meiner Mutter beim Auf-schlagen zu viel Lrm, aber von jetzt an durfte ich mitkochen. Mein Standard-rezept war eine Biskuitroulade. Dazu habe ich drei Eier mit 90 Gramm Zuckerund der Schale einer halben Zitrone ber dem Wasserbad aufgeschlagen, da-

    nach kalt geschlagen und schlielich 90 Gramm gesiebtes Mehl und 40 Grammflssige Butter daruntergehoben. Ein Backblech wurde mit Backpapier belegtund mit dieser Masse bestrichen. Im 200 Grad heien Ofen wurde der Teig

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    zehn bis fnfzehn Minuten gebacken. Wenn ich ihn wieder herausgeholt undmit Marmelade bestrichen hatte, kam der spannende Moment: Wrde der Teigsich aufrollen lassen? bung kann dabei nicht schaden!

    An Ostern gab es bei uns Selchfleisch (eine gerucherte Schweinekeule) mit

    hartgekochten Eiern und frisch geschabtem Meerrettich, ein halb winterlich undhalb frhlingshaftes Essen. In meiner Lehrzeit habe ich die "Russischen Eier"verflucht, wenn ich allein Gemseberge zu winzigen Wrfeln zu schneiden hat-te, um hartgekochte ausgehhlte Eier mit einem Mayonnaise-Gemsesalat zufllen. Das war, mit Kopfsalat und Toastbrot serviert, ein Klassiker der feinenKche, und wenn ich sie nicht vorbereiten mu, esse ich "Russische Eier" im-mer noch gern, wenn man sie berhaupt noch bekommt.

    Wenn ich daran denke, welche Pfennigbetrge der Eiermann damals meiner

    Mutter fr ihre kstlichen Eier zahlte und was heute ein gutes Ei kosten mu,wird Wirtschaftsgeschichte, in eine Eierschale zusammengedrngt, erfahrbar.Aber es hilft nichts: Gute Eier sind eine wichtige Grundlage der guten Kche.Sehr schn kommen sie eingelegt mit Tomaten-Lauch-Vinaigrette zur Geltung.Dazu schneidet man eine Ingwerknolle in Stcke, gibt sie mit Honig, Essig,Zwiebelschalen, Sojasoe in eine Hhnerbrhe, die man aufkochen lt. DieEier sticht man ein, damit sie nicht beim Kochen platzen, kocht sie hart,schreckt sie ab, schlt sie und legt sie einen Tag in diese Flssigkeit. Fr dieVinaigrette schneidet man das Weie vom Lauch in feine Streifen, enthutet

    Tomaten, hackt Petersilie und Korianderkraut und mischt das Ganze mit Hh-nerbrhe, Apfelessig, Distell, Sesaml, Schalotten, Salz, Pfeffer und Cayenne-Pfeffer. Nun kommen Lauch und Tomaten dazu; die eingelegten Eier werdenhalbiert, auf Rucola-Salat angerichtet und mit Vinaigrette berzogen.

    Fr die kommende Spargelzeit nun noch die berhmte Sauce hollandaise: Manschwitzt in Butter Schalotten an, giet mit Weiwein auf, fgt Lorbeerblatt undganze weie Pfefferkrner hinzu. Das Ganze lt man aufkochen, leicht einko-chen, dann bleibt es eine Stunde stehen und wird dann durch ein Sieb gegos-sen. Mit dieser Flssigkeit werden nun die Eigelbe im Wasserbad schaumiggeschlagen. Ein Hauptfehler: Man hat oft nicht den Mut, die Crme dick genugwerden zu lassen! Jetzt nimmt man den Topf aus dem Wasserbad und rhrtzimmerwarme Butter unter - keine geschmolzene! Die feste Butter gibt einenvollmundigeren Geschmack und eine schnere Konsistenz. Mit Zitrone, Pfefferund Salz wird abgeschmeckt. Der Nhrwert der Spargel ist so gering, da manvon dieser Soe getrost einen groen Lffel nehmen darf.

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    Von herausfordernder Farbigkeit

    "Da brat mir einer einen Storch!" sagt man, wenn man etwas Unglaublichesgehrt hat. Da man Strche it, habe ich nie gehrt, aber sonst ist vom wil-

    den Geflgel bis vor kurzem noch alles gegessen worden, vom Auerhahn biszur Singdrossel, vom Kiebitz bis zur Fettammer. Die meisten dieser Vgel sindheute vom Aussterben bedroht und streng geschtzt. Wir haben es ihnen inihrer natrlichen Umgebung so ungemtlich gemacht, da dieser Teil des eu-ropischen Speisezettels historisch geworden ist. "Der Vogelfnger bin ich ja,stets lustig, heiter, hopsasa!" - manchmal frchte ich, der Papageno wrdeheute vom Volkszorn gelyncht. Aber selbst das Rebhuhn und die Schnepfe sindauerordentlich selten geworden. Da bleibt als wilder Vogel fr die Kche nurnoch der Fasan, der prchtigste und bunteste von allen Waldtieren. Das Feder-

    kleid der Mnnchen ist von so herausfordernder Farbigkeit, als habe man inFasanenkreisen noch nie etwas von der Notwendigkeit sich zu tarnen gehrt.Die Hennen freilich gehen als braun-graue Nonnen, sie schmecken auch nichtso gut wie ein Hahn. In der Pekingoper sind die Masken der Snger mit riesen-langen Fasanenfedern geschmckt; aus China stammt der Fasan denn auchund wirkt auf einem abgeernteten hessischen Stoppelacker stets exotisch.

    Bei uns zu Haus wurde vor der Treibjagd stets gewettet, ob mehr Hhne oderHennen geschossen wrden. Im Federkleid wurden die Fasane dann abge-

    hngt. Der Geruch kann einer feinen Kindernase schon ganz schn zusetzen. Ergehrt aber, jedenfalls bis zu einem gewissen Grade, dazu, denn das Charakte-ristische am Fasanenfleisch ist die leichte Moschusnote, die ihm anhaftet. Unddann war es oft gar nicht so leicht, einen Vogel zu finden, der vom Schrot nichtgar so zerfetzt war. In Berlin habe ich von einer frechen Marktfrau gehrt: "DerFasan ist mir zu zerschossen", sagte zu ihr eine Kundin. "Dann nehmen Se den,jn' Frau, der hat sich die Pulsadern aufgeschnitten."

    Heute mu man schon Glck haben, eine Schrotkugel im Fasan zu finden. Ichwei noch genau, wie ich bei meinen Waldspaziergngen auf die ersten Volie-ren und Fasanerien gestoen bin. Da waren die wilden Fasane schon seltengeworden. Solch ein zahmer Fasan, der pickt, was ihm vorgeschttet wird, istmir vorgekommen wie ein Huhn aus einer Geflgelfarm, verglichen mit einemHaushuhn, das im Mist gekratzt hat. Trotzdem kann ich als Koch auf den Fasannicht verzichten.

    Die Verbindung von magerem, sehr zartem Fleisch und Wildgeschmack ist ein-

    zigartig. Wer aber glaubt, es reiche, den Fasan wie ein Brathhnchen in denOfen zu schieben, der wird vom Ergebnis enttuscht sein. Jeder hat schoneinmal trocken gewordenen Fasan gegessen, da bleibt einem jeder Bissen im

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    Halse stecken. Frher hat man den Fasan mit Speck umwickelt, um das Aus-trocknen zu verhindern. Heute brt man ihn mit wenig Hitze. Am besten machtman aus den Keulen, die immer zh bleiben, eine sehr feine Farce: das Fasa-nenfleisch mit Sahne, Salz, Pfeffer und Cognac in der Kchenmaschine feinprieren. Dann brt man die Fasanenbrust in Butterschmalz, Thymian und

    Wacholderbeeren an. Gleichzeitig blanchiert man in kochendem SalzwasserWirsingbltter, lt sie abkhlen, bestreicht sie mit der Farce, legt die Brustdarauf und wickelt das Ganze zur Roulade. Auch die Roulade wird nun an-gebraten und kommt dann bei 120 Grad Celsius in den vorgeheizten Ofen. Sowird die Brust schonend gegart.

    Eines der klassischen Gerichte ist ein gebratener Fasan auf Champagner-, bes-ser noch Tresterkraut. Dazu brate ich zunchst einmal viele Zwiebeln in Butterin der Pfanne an. Dazu kommen Majoran, Thymian, Rosmarin, Nelken und

    Wacholder. Mit Weiwein, Sahne und Brhe wird gelscht, das Ganze dannkrftig einkochen lassen. Der innen und auen gut gewrzte Fasan wird ineiner groen Pfanne mit Drrfleischwrfeln angebraten. Dann wird er mit derBrust nach unten auf das Zwiebelbett gelegt; mit dem Rest der Zwiebelmassewird er dick berzogen. So wird er in den auf 150 Grad Celsius vorgeheiztenOfen geschoben. Wenn das Fleisch nach etwa einer Stunde gar ist, werdenBrust und Keulen abgelst, die Zwiebelpaste wird abgekratzt, das Fleisch wirdmit Honig eingepinselt, auf dem Backofengrill gebrunt und mit dem durch einSieb gestrichenen und abgeschmeckten Zwiebelmousse zusammen serviert.

    Und dazu das Weikraut: Der Kopf wird geviertelt, der Strunk entfernt und dieBltter in Wrfel geschnitten. Zwiebeln werden in Butter glasiert, mitTresterbrand oder Champagner abgelscht, das Weikraut wird dazugegebenund mit Brhe angegossen. Salz, Pfeffer und Muskat kommen hinzu, und nungart der Kohl langsam unter dem Deckel. Wenn das Kraut weich ist, wird esmit einem Schu Champagner oder Trester verfeinert. Nun hebe man nochfrische halbierte Weintrauben darunter: Die leicht sliche Zwiebelmousse undder Trester mit dem Fasanenfleisch ergnzen sich vorzglich.

    Wer seine Angst vor trockenem Fasan nicht besiegen kann, der versuche dasRezept meiner Mutter: Fasan la crme. Ein groer Fasan wird mit viel Gem-se, Wasser, Weiwein und Gewrzen gekocht. Dann werden die Fleischstck-chen abgelst, die entfettete Brhe wird stark eingekocht, mit Sahne, Salz,Pfeffer und Gin abgeschmeckt und das gewrfelte Fleisch als Einlage hinzuge-geben. In separater Pfanne sind inzwischen Pilze mit Schalotten und Knoblauchangebraten worden, die kommen auch in den groen Topf, auerdem blan-chierte Wirsingbltter, in Wrfel geschnitten, gebratene Maronen, dann werden

    Sahne und Eigelbe verquirlt, zum Schlu in die Soe gegeben - und dann darfsie nicht mehr kochen, sonst gibt es Rhrei mit Fasan. Dazu gab es Bltterteig-pastetchen - das hat man bei uns unter Ragout fin verstanden!

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    Trost trber Herbsttage

    Wenn man ein deutsches Nationalgericht nennen wollte, dann htte die Ganswahrscheinlich gute Chancen, in all den doch hchst unterschiedlichen Regio-

    nen Deutschlands als Lieblingsvogel den Preis zu gewinnen. Fr viele ist dieGans die Krnung und der Trost kalter, dunkler Herbst- und Wintertage. "Mar-tini man die Gnse schlachtet", heit eine Spruchweisheit, die an den altenBrauch erinnert, am 11. November eine Gans zu verzehren. An Weihnachten istdie Gans ohnehin als Festtagsbraten ungeschlagen; so sehr auch in der Kche- oft mit groem Gewinn! - an den Traditionen gerttelt wird, fr die Gans gibtes einfach keinen Ersatz. Nein, es ist nicht zu frh, von der Gans zu sprechen,wenn man am 25. Dezember keine Enttuschung erleben will!

    Der beste Koch kann aus einer schlechten Gans keine gute Gans machen. Wieaber kommt man an eine gute Gans? Es lohnt sich hier ein gewisser Aufwand,wenn es einem darauf ankommt, nicht auf einen Vogel angewiesen zu sein, derschon ein Jahr in der Tiefkhltruhe gelegen hat. Das beste ist eine Verbindungzu einem Bauern mit kleiner Gnseherde. Eine wohlschmeckende Gans sollteviel Auslauf zur Entwicklung ihrer Muskulatur gehabt haben, sie sollte langsamihr Gewicht gewonnen haben und nicht vier Wochen vor dem Schlachten nochein Kilo angemstet bekommen. Wer Gnse zchtet, wei, welch eine klugePersnlichkeit eine Gans sein kann. Da fllt es oft schwer, einem solchen Le-

    bewesen dann den Hals umzudrehen. Im Krieg hielt eine Wiener Familie eineGans auf dem Balkon; als Martini kam, hatte keiner das Herz, sie zu schlach-ten; deshalb flte man der Armen eine berdosis Schlaftabletten ein. Dannwurde sie gerupft und wieder auf den Balkon gelegt. Aber wer beschreibt denSchrecken der Leute, als sie am nchsten Tag die Gans drauen nackt herum-watscheln sahen! Auch in der rgsten Hungerzeit legte keiner mehr Hand ansie.

    In Bhmen schwrt man darauf, die Gans vor dem Braten zu kochen. Anderewollen die Gans zwei Tage in einer Marinade aus Weiwein, Rinderbrhe undHonig einlegen. Bekannt ist auch, die Gans bei hoher Temperatur mit viel Fls-sigkeit im Brter in den nicht vorgeheizten Backofen zu schieben. Das kannalles zu einem sehr guten Ergebnis fhren. Ich verrate Ihnen aber, was ichmachen wrde. Bei mir wird die Gans mit einem geschmacksneutralen l be-pinselt, gepfeffert und gesalzen und dann im Brter, der mit Butterschmalzausgerieben wurde, in den vorgeheizten Ofen geschoben - bei achtzig Grad!Fnf bis sechs Stunden bleibt sie bei dieser Temperatur. Es mag sich mancher

    fragen, ob die Gans bei so schwacher Hitze berhaupt garen kann. Nur ruhig -sie wird herrlich gar, auf die gewaltloseste Weise. Denken Sie nur daran, wennSie ein heies Bad nehmen. Niemand steigt gern in eine kochende Badewanne.

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    Allmhlich will man sich aufwrmen, und genauso mag es auch die Gans imOfen. Auerdem haben Sie einen viel geringeren Gewichtsverlust als bei star-ker Hitze. Natrlich habe ich die Gans gefllt - Apfelwrfel mit der Schale voneinem aromatischen Apfel, Zwiebeln, Orangenfilets, Rosinen, gerstete Man-delkerne habe ich gesalzen und gepfeffert in Gnseschmalz angebraten. Wich-

    tigstes Gansgewrz ist der Beifu; der spezifische Gnseschmalzgeschmackfordert den Beifu gebieterisch.

    Nun schauen wir nach fnf Stunden in den Ofen - da liegt die Gans und ist sowei wie vom Tod erschrocken. Wo ist die goldbraune Farbe, die krosse Haut,das eigentliche Vergngen an einer Gans? Dafr mischt man flssige Butter mitSoja-Sauce und Honig, setzt die Gans auf eine Abtropfpfanne mit Gitter, bepin-selt sie und schiebt sie wieder in die Rhre, und das mu man mehrfach wie-derholen. Das beste ist, wenn dabei der Backofengrill eingeschaltet ist, noch

    besser, wenn man Infra-Braten kann, also Backofengrill mit Umluft hat.

    Wer eine ideal krosse Haut erreichen will, der mu etwas mehr Umstnde ma-chen. Hier ein Tip, der Wunder wirkt. Ich koche Wasser in einem Topf undhnge die rohe Gans ber den Topf in den heien Wasserdampf. Jetzt schmilztdas Fett unter der Haut und tropft heraus, und damit kann die Haut in derRhre so knusprig werden wie bei einer Pekingente - die Chinesen sind dieerfahrensten Geflgelkche. Fr die Sauce gibt es jetzt hchst praktische Fett-knnchen, eine kleine Giekanne, in die man den Bratensaft hineinfllt - das

    Fett ist leicht und schwimmt oben und kann bequem vom reinen Bratenfettgetrennt werden. Der Saft wird in einem Tpfchen eingekocht, mit Sojasoeund Honig abgeschmeckt und vielleicht mit etwas Strkemehl gebunden. Ihreklassische Weihnachtsgans ist fertig. Wer zerlegt sie jetzt? "Wer tranchiert, derregiert", sagte man frher. Gefhrlich genug sehen ein groes Tranchier-besteck und Geflgelschere jedenfalls aus.

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    Gemse und Pilze

    Gehen Sie beim Einkaufen mit der Jahreszeit

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    Wir Knollen-Kinder

    Es gibt Gemsesorten, bei denen es schwer ist, die Grenze zum Obst zu zie-hen, so s und fruchtig sind sie. In unserem Gemsegarten behielt ich stetsdas Kohlrabibeet besonders sehnschtig im Auge. Das Bewutsein, da einbestimmtes kstliches Gemse nur fr eine kurze Zeit im Jahr zur Verfgungsteht, verleiht ihm einen viel hheren Platz auf der Stufenleiter der Delikates-sen, als es die unbeschrnkte Verfgbarkeit je knnte. Mein Appell an alleLiebhaber der Kche: Versuchen Sie so zu tun, als lebten wir noch vor fnfzigJahren, gehen Sie beim Einkaufen mit der Jahreszeit, und essen Sie, was IhreHeimatregion hervorbringt. Dann kann der schlichte Kohlrabi, der in der groenKche kein groes Prestige geniet, aus einem buerlichen oder kleingrtneri-schen Produkt zu etwas Edlem und Ausgesuchtem werden.

    Die Konsistenz des Kohlrabi ist fest und saftig, man knnte ihn als eine Kreuzungaus Rettich und Apfel bezeichnen. Wir Kinder haben in den rohen Kohlrabi hin-eingebissen. Das kann freilich auch eine Enttuschung geben: Von auen siehtman dem Kohlrabi sein Innenleben nicht an. Blaurot wie ein Rotkohl oder hell-grn gewachst schimmert die appetitliche, aber nicht ebare Schale. Und den-noch kann das weie Fleisch innen holzig und ungeniebar sein. Deshalb meinRat: Man kaufe nur ganz jungen, kleinen Kohlrabi, und man nehme lieber zweiKnollen mehr als notwendig - fr den Fall, da man auch schlechte im Korb hat.

    Der alte Brauch, von einem Produkt mglichst alles zu verwenden - so hieltman es bei den kleinen Bauern und bei den Meisterkchen der groen Kche -,brachte meine Mutter dazu, uns, wenn der Kohlrabi reif war, eine Suppe ausRadieschen- und Kohlrabiblttern zu kochen. Das scharfe Radieschen und dermilde Kohlrabi ergeben ein gutes Paar. Dazu wurden Zwiebeln und Knoblauchin Schweineschmalz angebraten, das Ganze wurde mit Mehl bestubt, unddiese leichte, helle Einbrenne wurde mit Fleischbrhe aus guten Markknochenaufgefllt. Whrend die Brhe gut durchkochte, wurden die Bltter von Ra-

    dieschen und Kohlrabi mit einem Zwiebelhacker zerkleinert und in die Suppegegeben. Rahm aus der Milchkanne kam hinzu, Salz, Pfeffer und Muskatnusowie Semmelwrfel, die in Butter gerstet waren, rundeten die Suppe ab. Dievielseitige Kohlrabiknolle ist auch roh interessant. Das wuten nicht nur wirKinder, sondern das wute auch meine Mutter mit ihrem Kohlrabisalat. Sieraspelte dazu Kohlrabi und mischte ihn mit gleichfalls geraspeltem Rettich;dann wurde der Salat mit Apfelmostessig, Zwiebeln, Knoblauch, Kmmel, Kr-biskernl, Salz und Pfeffer angemacht. Wer keinen Appetit hatte, der bekamihn bei diesem Salat.

    Das erstaunlichste Kohlrabirezept meiner Mutter waren aber die Kohlrabi-"Ravioli". Damit nherte sie sich professioneller Gourmetkche, und das, ohne

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    den leisesten Ehrgeiz in dieser Richtung zu haben. Sie hobelte von einer Kohlra-biknolle sehr dnne, aber noch gengend feste Scheiben. Aus Quark, Eigelb, vielgehackter Petersilie, Salz und Pfeffer rhrte sie eine Fllung. Dann legte sie dieKohlrabischeiben auf ein Blech, tat etwas Fllung auf jede, bestrich die Rnderder Scheiben mit Eigelb und bedeckte jede Scheibe mit einer weiteren Kohlrabi-

    scheibe, die sie auf dem Rand der unteren festdrckte. In einem Topf wurdenfeingeschnittene Zwiebeln in Butter angebraten und mit Weiwein abgelscht.Dann kamen die Kohlrabi-"Ravioli" hinein. Sie lie die Brhe aufkochen, stellte denTopf vom Feuer und lie seinen Inhalt ziehen. Dazu gab sie uns geselchten Bau-ernschinken, dnn geschnitten, und der Rucher- und der Kohlrabigeschmackverbanden sich aufs schnste. Auch als Beilage, etwa zu einem gebackenenSchweinskotelett, ist Kohlrabi beliebt. Er wird dazu in Stifte oder Scheiben ge-schnitten und mit Zwiebeln, Knoblauch, einer hellen Einbrenne und Brhe gegart.Zum Schlu kommen Salz, Pfeffer, viel gehackte Petersilie und Zitrone dazu.

    Und nun noch ein Kohlrabirezept, das selbst unsere Gromtter berraschthtte: Gefllte Kohlrabi mit Garnelen und Muscheln. Dazu werden die groenBltter des Kohlrabi entfernt und in feine Streifen geschnitten. Von der ge-schlten Knolle schneidet man einen Deckel ab und hhlt sie bis zum Rand aus.Deckel und Knolle werden in Salzwasser fnf bis zehn Minuten gekocht unddanach warm gestellt. Nun werden gewrfelte Schalotten in Butter gednstet,abgezogene Champignons kommen hinzu, werden mitgednstet und mit Salzund Pfeffer gewrzt. Garnelen und Muschelfleisch kommen zu den Pilzen, die in

    Streifen geschnittenen Kohlrabibltter und Tomatenwrfel werden darunter-gemischt. In der ausgehhlten Kohlrabi wird das Ganze mit Tomatensauceangerichtet und mit Basilikumblttern garniert.

    hnlich gut wie die Muscheln verbindet sich Kalbsbries mit dem Kohlrabi. Des-halb hier eine berbackene Kohlrabitarte mit glasierten Kalbsbriesrschen inaltem Balsamico-Essig. Man legt dazu Tartelette-Frmchen mit Bltterteig ausund backt ihn im Ofen. Kohlrabi wird in gleichmige Stifte geschnitten; diesewerden blanchiert und gewrzt auf die gebackenen Tartelettes verteilt. Die

    restlichen Kohlrabiabschnitte kocht man mit Sahne auf die Hlfte ein, wrzt mitSalz und Pfeffer, passiert das Ganze durch ein Haarsieb und verquirlt dieseKohlrabisahne mit Eigelben. Jetzt wird sie auf die gefllten Tartelettes verteiltund fr 25 Minuten bei 180 Grad in den vorgeheizten Backofen geschoben.Dann wird leicht angeschlagene Sahne darbergegeben und unter dem Grillkurz gratiniert. Zugleich werden die Kalbsbriesrschen in einer Pfanne mit hei-em l angebraten. Man gibt Butter zu und rstet das Bries goldbraun. Dannwird mit Balsamico-Essig abgelscht und mit Kalbsjus aufgefllt. Man lt dieSauce einkochen, bis sie ein