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1 Otto v. Stritzky Jugoslawien - Wasser, Berge und ein Partisan 1953 Dieser Bericht war bisher enthalten in dem Buch Donau, Elbe, Rhone, Mittelmeer — vom Boot aus gesehen Er steht jetzt unentgeltlich zur Verfügung und bringt Ihnen hoffentlich beim, Lesen einen Nutzen. Wie wäre es als Dank dafür mit einer Spende an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger? Die finanziert aus- schließlich aus solchen Einnahmen die Hilfe für auf See in Gefahr geratene Menschen, auch für Kleinbootfahrer — vielleicht mal für Sie? Überweisung dann bitte an DGzRS, Konto Nr. 107 2016, BLZ 290 501 01, Sparkasse Bremen Und wenn Sie nach dem Lesen des Berichtes Fragen beantwortet haben möchten, dann schreiben Sie uns bitte Otto v. Stritzky und Marja de Pree Im Birkenfeld 13 A, 65779 Kelkheim-Eppenhain Tel / Fax 06198-8657, e-mail <[email protected]> Text und Bilder dieses Berichtes sind Eigentum des Autors bzw. seines Verlages. Sie dürfen ohne schriftliche Genehmigung nicht vervielfältigt oder in Publikationen über- nommen werden, sei es gedruckt oder mittels elektronischer Medien. Auch die Wei- terverbreitung auf andere Weise, sowie Übersetzungen, unterliegen den Bestimmun- gen des Urheberrechts und damit der Zustimmung des Autors / des Verlages.

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Otto v. Stritzky

Jugoslawien - Wasser, Berge und ein Partisan

1953

Dieser Bericht war bisher enthalten in dem Buch

Donau, Elbe, Rhone, Mittelmeer — vom Boot aus gesehen

Er steht jetzt unentgeltlich zur Verfügung und bringt Ihnen hoffentlichbeim, Lesen einen Nutzen. Wie wäre es als Dank dafür mit einer Spende andie Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger? Die finanziert aus-schließlich aus solchen Einnahmen die Hilfe für auf See in Gefahr gerateneMenschen, auch für Kleinbootfahrer — vielleicht mal für Sie?

Überweisung dann bitte an

DGzRS, Konto Nr. 107 2016, BLZ 290 501 01, Sparkasse Bremen

Und wenn Sie nach dem Lesen des Berichtes Fragen beantwortet habenmöchten, dann schreiben Sie uns bitte

Otto v. Stritzky und Marja de PreeIm Birkenfeld 13 A, 65779 Kelkheim-EppenhainTel / Fax 06198-8657, e-mail <[email protected]>

Text und Bilder dieses Berichtes sind Eigentum des Autors bzw. seines Verlages. Siedürfen ohne schriftliche Genehmigung nicht vervielfältigt oder in Publikationen über-nommen werden, sei es gedruckt oder mittels elektronischer Medien. Auch die Wei-terverbreitung auf andere Weise, sowie Übersetzungen, unterliegen den Bestimmun-gen des Urheberrechts und damit der Zustimmung des Autors / des Verlages.

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“Fotografieren? Wozu der Aufwand“, meinFreund plusterte sich tüchtig auf, „der Erin-nerungen wegen? Bleiben bei mir auch so hän-gen.“ Und er zitierte einen Abend lang Ge-schichten von seiner letzten Reise. Nervend.Nicht, weil wir das alles schon kannten – eherwegen dem Gefühl, da nicht mithalten zu kön-nen. Denn so einfach aus dem Kopf? Na, in einpaar Jahren wird er vielleicht nur noch die

Hälfte erinnern undviele Einzelheiten ver-gessen haben. Hätteer jedoch fotogra-fiert...Ich bin jetzt dabei dieBilder von unsererFahrt nach Jugosla-wien zu ordnen. Undschon hier mit demersten Foto kommt dieganze Spannung desMonats vor dem Startzurück: Radtour ,

Sandweg, Sturz, Arm gebrochen. „Dauertsechs Wochen“ meinte der Arzt. So lange warkeine Zeit – das eingegipste Monstrum hatteeinfach schneller zu heilen, damit wir noch imSommer unterwegs sein konnten, bevor „Sie“wieder zu ihrer Bildhauerei in die Landes-kunstschule musste. „Wetten? Wenn nach vierWochen die Röntgenaufnahme nicht geheiltanzeigt, dann zahle ich, sonst....“ Lachen, abge-

macht. Und es klappte - termingemäß. Be-schleunigungsrezept: Karotten, morgens, mit-tags, abends und zwischendurch auch noch –roh, geraspelt, als Brei, Mus, Suppe oder Saft.Am 19.9. konnten wir los. Ziemlich spät fürsPaddeln an der Adria. Und die ärztlich verord-neten gymnastischen Streckübungen? DasPaddeln würde die unterwegs sicher gut undkräftigend ersetzen.Bahnfahrt: 3. Klasse Hamburg - München -Salzburg - Jesenice - Ljubljana - Rijeka. ImGepäcknetz, wer würde das in den drei Packsä-cken vermuten, ein ganzes Faltboot, aufgebautmehr als 5 m lang. Nebst Zelt, Luftmatratzen,Schlafsäcken, Kocher, Töpfen und vielen ande-ren nützlichen Utensilien. Grenzkontrolle. Un-sere Campingausrüstung sowie der Fotoappa-rat wurden im Pass eingetragen - damit wir sieim Lande nicht verscherbeln sollten, in derVolksrepublik des Marschall Tito.

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Das nächste Bild – „Es lebe Marschall Tito“steht auf einer grauen Häuserwand. Er hatteim Krieg die Partisanen geführt, gegen dieDeutschen gekämpft. Und letztlich gewonnenim wilden Berggebiet des Balkan. Unter ihmeinigten sich, jedenfalls nach Außen hin, diezuvor oft zerstrittenen Völker – Kosovaren,Kroaten, Bosniaken, Ser-ben, Slowenen, Mazedo-nier, Montenegriner undandere. In einem kommu-nistischen Staat, der dannnach und nach seine Unab-hängigkeit vom sowjetrus-sischen "großen Bruder“erreichte.Als ich diese Aufnahmeknipste, da stand ein Mili-zien, ein Polizeisoldat, ganzin der Nähe und schauteäußerst misstrauisch zu:Wozu knipst der Auslän-

der das, mag er gedacht ha-ben, sagte jedoch nichts. Al-lerdings: Damals musste manschon gut überlegen, man dain Jugoslawien fotografiertwerden sollte, nichts militäri-sches, keine Brücken und Fab-riken. Sonst konnte es leichtheißen: „Du Spion“! Und Ge-fängnisse in diesem Land wa-

ren gewiss nicht sehr komfortabel.Zurück dorthin, wo die Reise anfing: Zum Ha-fen van Rijeka. Zur Abfahrt bereit lag dort amKai unser Schiff, die ,Viadimir Nazor‘ mit demroten Stern am Schornstein. Ziel: Dubrovnik.Nur wenige Passagiere. Und dann eine Nacht-fahrt in der ungemütlich stickigen Kabine.

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Morgens Zwischenstop in Hvar: „So ein Leicht-sinn“, sagte jemand neben mir, „Uniformiertedarf man hier doch nicht knipsen!“ Aber dawar dieses Bild schon im Kasten.Und dann lag Ragusa voraus, auch die „Königinder Adria“ genannt. So hieß Dubrovnik nachdem 13. Jahrhundert, als es unter VenedigsOberhoheit die Rechte eines Freistaates be-saß. Gegründet worden war die Stadt etwa600 Jahre zuvor von griechischen Einwande-rern, die als Flüchtlinge kamen. Wuchtige Fes-tungsmauern, Türme, strahlende Sonne be-grüßten uns beim Einlaufen in den Hafen. Wirwanderten durch die engen Gassen, über dieweiten Plätze dieser schönen Stadt, vorbei anPalästen und alten Brunnen, durch das hohe

Tor in die Weingärten ihrer Umge-bung, wo sich von der Stadtmaueraus alles weit überblicken und fo-tografieren ließ.Putnik, das staatliche Reisebüro,sorgte für Hotelplätze. Zimmerkosteten für Ausländer dreimal soviel wie für Einheimische. Zu be-zahlen mit Dinaren - pro Tag undKopf hatten wir 10 DM gegen sieeinwechseln müssen, um das Visumzu erhalten. Der Staat brauchteeben viel Geld, zum Auf- und Aus-bau der Industrie, zur Aufrüstung

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Du b r o v n ik

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der Streitkräfte. Denn Jugoslawien wolltewirtschaftlich unabhängig und militärisch einernst zu nehmender Faktor auf dem Balkansein - respektiert vom Westen und von denSowjetrussen im Osten. So sahen wir Fabrikenin beschlagnahmten Privathäusern und vieleKasernen. Und ein überzeugter Kommunist,viele von denen trafen wir nicht, sagte: „Wirhaben gute Fortschritte gemacht.“ Vielleichtstimmte das - irgendwo. Aber: Das Land warnoch arm, sehr arm. Und die Leute schlechtdran. Allen Parolen zum Trotz. Das Panorama-bild übrigens ist aus mehreren Fotos zusam-mengesetzt. Die Übergänge – beim genauenHinsehen sind sie noch zu erkennen.Wegen des stürmischen Wetters konnten wirnicht, wie geplant, in Dubrovnik mit dem Falt-boot starten. Mit einem Bus – den auf diesemBild haben wir von einem Bergpfad aus foto-grafiert. Seine Staubwolke zeigt die Beschaf-

fenheit der Straßen über die wir zum Golf vonKotor fuhren. Beim Einsteigen hatten wir zweiPlätze belegt und waren kurz wieder rausge-gangen. Als wir zurück kamen war einer dieserPlätze besetzt - von einem jungen Jugoslawen.

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Freundlicher Hinweis: „... da lagen schon unse-re Sachen“. Vergeblich. Der Chauffeur wurdeaufmerksam. Er schaltete sich ein und dann,dann war plötzlich ein Tumult im Gange wieman ihn, nicht nur, im hitzigen Süden erlebenkann, wo sich Temperamente entladen undexplodieren. Eine Aggression gegen uns, diewestlichen Fremden? Wir glaubten es, ver-standen kein Wort, verhielten uns still. Unddann, nach langer heißer Debatte, kam einer,

der Deutsch konnte: Wir möchten dochbitte entschuldigen, der Herr da vertragedie Luft im Wagen leider nicht gut. Darumwolle er den Platz, unseren, am Fenster.Trotz der heftigen Proteste seinerLandsleute sei er nicht bereit, ihn auf-zugeben. Ob wir vielleicht einen anderen,

natürlich auch einen Fensterplatz, nehmenwollten? Den würde man uns einräumen,schließlich seien wir ja Gäste im Lande ...!Die nächsten Aufnahmen aus dem Stapel derFotos zeigen uns dort, wo wir wieder Wasserunterm eigenen Kiel haben wollen. Am ruhigen,viele Kilometer ins Land reichenden, breitenGolf von Kotor. Oder von Cattaro, wie er frü-her hieß. Kurzer Weg vom Bus zum Stein-strand. Auspacken, das Faltboot zusammen-

bauen, Gepäck einladen und los. UnserVersuch hinaus aufs Meer zu paddeln,um an der Küste weiter gen Süden zuwandern jedoch scheiterte: HoherSeegang, zu viel für unseren kleinenPlünnenkreuzer. Also blieben wir „imLand“ auf dem auch hier salzigenWasser. Wir erkundeten die Buchtenund Ufer des Fjordes, Blick hinauf zueindrucksvollen, hohen, ja wilden

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Karstbergen. Unwirtlich und abweisend dasgraue Gestein. Den Wald, den es einst gab,holzten die Venetianer in früheren Jahrhun-derten ab – sie brauchten die Stämme alsMasten für ihre Boote.

Manchmal waren wir so et-was wie eine Sensation fürdie Menschen. So wie hier,als sie kamen um zu schau-en wie da jemand im Bootetwas schreibt. Postkartennach Hause? Nach Nje-maczka? Sie staunten undfragten. Deutsche? Hass,weil sie ja im Krieg auf deranderen Seite in einem vonuns besetzten Land waren,

in dem bis 1945 gekämpft und gemordet wur-de? Keine Spur. Verständigung mit Händen undFüßen, mit Gesten und Zeichnungen. Und La-chen über die falsch ausgesprochenen Voka-beln aus dem Wörterbuch.Mitten im Golf von Kotor eine Insel: SvetiGiorgio. Jene, die der Schweizer Maler ArnoldBöcklin, 1827-1901, als „Toteninsel“ berühmtmachte. Und wirklich: Totenstill war es aufihr. Verlassen die Kirche, verfallen die Gräber.Hohe Zypressen, duftende Büsche und bunte,wild wachsende Blumen. Im Turm die Glocke,drinnen im Gebäude noch gut erhaltene Räume.Auf dem Grasplatz hinter der niedrigen,schützenden Ringmauer stand dann einige Ta-ge lang unser Zelt. Sonne, klares Wasser zumSchnorcheln; viel Zeit zum Sehen.

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Auch zum Zeichnen und Malen. Einkaufenim alten Perastum der Römer, in Perast,nur wenige Minuten entfernt — ohne Mo-tor. Einmal kam Besuch angerudert. EinFischer brachte den Gast, einen jungen Berli-ner auf der Wanderschaft. Mit viel leichteremGepäck als wir zog er durchs Land. Ob er eineNacht bleiben dürfe — wir seien doch wohl,jetzt jedenfalls, die „Schlossherren“? Er be-zog Quartier im Kirchturm, rollte seinenSchlafsack dort aus und als es dunkel wurdesaßen wir zusammen am Lagerfeuer. Er knipsteuns, wir ihn - und dieser Film ging verloren.Morgens paddelte ich ihn zum Festland, ernahm den Dampfer zur Weiterfahrt.

Ohne Brieftasche, ohne Geld und Papiere.Denn die ließ er bei uns liegen. Also Tempo, mitdem Boot hinterher. Zum Schiff da drüben ander Landebrücke — das aber legte bereits ab.Und war uneinholbar schnell. Zum nächstenOrt also, Boot liegen gelassen, einen Lastwa-genfahrer dazu bewegt mit uns dem Dampfernachzufahren. Bei dessen übernächstem Stophatten wir ihn. Und sahen einen Passagier vonBord gehen - sichtlich verstört, bis er uns unddas Mitbringsel erkannte.

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Pe ra s t

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Am Tage darauf gingen auch wir „an Land“. InKotor, der mittelalterlichen Stadt. Enge Gas-sen und hohe Steinfassaden, keine Lust aberbei der Hitze viel zu besichtigen. Wir ließendas Boot bzw. die drei Gepäckstücke in einemHotel, das eine Terrasse zum Wasser hin hat-te, und nahmen den Bus hinauf in die Berge.

Nach Njegusi, einem kleinen Dorf, indas sich Fremde kaum je verirren.Häuser aus dicken Felssteinen ge-baut, manche ohne Fenster, nur eingroßer Raum für die ganze Familie.Eines mit zwei Stockwerken war füreine Nacht unsere Bleibe. Ein dunklesZimmer mit uraltmodischem Bett – inder Gastwirtschaft darunter aus di-ckem Holz gezimmerte Tische, wackeligeStühle, der Geruch nach Tabak und Schnaps.Zuerst waren wir allein dort mit einer dickenFrau hinter ´ner Art Tresen. Nach und nachaber füllte sich der Raum. Das halbe - oder

ganze - Dorf kam angepilgert um die beidenFremden zu sehen. Bilder – nein, gibt’s davonleider nicht. Der Ortspolizist, dienstlich mitMütze und Pistole verlangte die Pässe und ließsie von Tisch zu Tisch zirkulieren. Verglei-chende bis zweifelnde Blicke von den Passfo-tos zu den Originalen. Dann setzte sich einer,der etwas Deutsch sprach, zu uns, übersetzteFragen und Antworten. Warum hier? Und wo-hin? Auf den Lovcen — zum Grab des Njegos?Spontan stand er auf, schüttelt uns die Hände.Ja hier, in diesem Dorf, hätte einst der mon-tenegrinische Fürst, Staatsmann und DichterNjegos gelebt, Herrscher eines kleinen, aber

unabhängigen Staates,über das Land derschwarzen Berge. MitMännern, die heute nochstolz darauf wären da-zuzugehören - die umuns herum sahen auch soaus. Jemand werde unsmorgen hinauf führen zuihrem Njegos. Treff-punkt sehr früh beimletzten Haus im Ort.Morgens - irgendwo

klapperte ein Eimer. Schon 4.30 Uhr? HöchsteZeit, denn noch vor Sonnenaufgang sollten wirden größten Teil des Anstiegs geschafft ha-ben, bevor es so heiß wird, dass man lieber ba-den als bergsteigen möchte. Also rasch die

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Turnhose übergestreift und hinunter zumBrunnen, dessen Eimer nun wieder klapperteund Zuschauer herbei lockte. Ob sie so eineArt Wäsche schon einmal gesehen hatten? Of-fenbar nicht - Frauen schauten dezent weg.Frühstück? Unterwegs, sonst wird‘s zu spät.Schon war es oben an den Bergrändern ganzhell geworden. Rasch zumOrtsausgang – niemand daum uns zu führen. Also wan-derten wir allein einenschmalen Eselspfad bergan,Schritt für Schritt. So ein-fach wie bei uns in den Al-pen war das nicht. EinerGeröllhalde gleich lagenhier die großen und kleinenSteine des Karstgebirgesauf dem Lehmboden. Siegaben nach, sowie man aufsie trat. Jeder Schrittwollte also ausgewogen undbedacht sein. Immer steilerwurde der Weg. Hundege-bell irgendwo vor uns. Men-schen - so früh am Morgen?Ja, da kamen sie uns schon entgegen, Frauen,einige schwer bepackt mit Lasten und Bündeln.“Dobre dan“ grüßten sie, guten Tag, und feuer-ten mit lautem „heide, heide“ ihre Esel an, dieuns neugierig beschnupperten. Wir fragten,Zeichensprache, nach dem Weg zur Capellu,

dem Grab des Niegos. Zeit um in ihren Gesich-tern zu lesen. Von viel harter Arbeit standdarin geschrieben. Von Frauenarbeit. Denn derMann ist der Herr. Er ist frei, lässt arbeitenDurch tiefe Laubwälder führte der Pfad im-mer höher hinauf. Ganz klein lag unser DorfNjegusi nun schon unter uns, noch immer nicht

von der Sonne erreicht,der wir entgegen wander-ten. Wieder hörten wirStimmen, diesmal hinteruns. Zwei Männer kamenherauf, mit weiten Schrit-ten, leicht und elastisch inihren ledernen Opanken.Sie holten uns ein. Beidebewaffnet. Was hatten sievor? Ein seltsames Gefühlbei dieser Begegnung imeinsamen Gebirge, auf je-den Fall bedenklich. Dennwelcher Mensch in Zivilläuft bei uns mit einem Ka-rabiner und einer schwe-ren Armeepistole am Gür-tel durch die Gegend?

Schließlich hatten wir ja etwas Geld und denhier sehr wertvollen Fotoapparat bei uns. „Wirwerden führen...“ sagte der mit ´ner schwar-zen Kappe auf einem Auge. Auf Deutsch. Wa-ren wir erleichtert - kein Grund zur Sorge al-so, im Gegenteil.

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Sie gingen voran, schneller als wir.Nach einer Weile eine Baustelle vor-aus. Am Wegrand saßen unheimlichaussehende Gesellen mit braunen, bär-tigen Gesichtern, schwarzen Haarenunter abgetragenen Arbeitsmützen.Dunkle Augen blickten uns entgegen.Und dann standen die ersten auf. Warum?Weil da Fremde kamen? Weil eine Frau unterdenen war? Eine einladende Gebärde: Wirmöchten uns bitte zu ihnen setzen. Auf einemTuch lagen Brotstücke und Schafskäse, in al-ten Flaschen warteten Wein und Schnaps.

Auch hier sprach einer Deutsch, hatte es, wieer sagte, in der alten österreichisch-unga-rischen Armee gelernt: „Ihr Freunde“, über-setzte er, „und hier unsere Gäste.“ Er wies aufseine Kameraden, die nickten. Die natürlicheGastfreundschaft, die man nicht enttäuschendarf. Also saßen wir eine Weile mit den Män-nern zusammen, nahmen von ihrem Brot, tran-ken aus einer reihum gehenden Flasche underzählten von unserer Fahrt. Doch unsereFührer drängten zum Aufbruch. Und bald wa-ren wir oben auf dem Gipfel des Lovcen.

Weit der Blick hinüber nach Albanien, auf dereinen Seite die Adria, auf der anderen drun-ten die Bucht von Kotor, in der unser kleinesFaltboot lag und auf uns wartete. Drei Schüs-se eines unserer Begleiter hallten durch dieTäler, Zeichen für den Bauern, der den

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Schlüssel des Mausoleums hatte. Tatsächlich,dort kam er - wozu braucht man hier also einTelephon? Nachdem wir uns drinnen in das Be-sucherbuch eingetragen hatten, traten wirwieder hinaus in die jetzt heiß flimmerndeLuft. Und da sind die Bilder - eines machtendie Männer mit meinem Foto. Nachdem er ei-ne leere Konservendose in die Felsen gestellt,mir sein Gewehr gegeben hatte und ich vorbeischoss. Er aber traf.Zeigte auf den Parti-sanenorden Titos anseiner Brust. Undfragte mich ob ich beider SS gewesen wä-re. „Nein? SS gutt,gutt Soldat“. Dannmit einer verächtli-chen, wegwerfendenGebärde „ltaliani nixgutt, laufen weg.“ Da-zu muss man wissen,dass unter anderemEinheiten der deutschen Waffen-SS auf demBalkan zur Bekämpfung der Partisanen einge-setzt worden waren. Elitesoldaten also, diehart kämpften. Deshalb waren sie als Gegneranerkannt. Typisch fürs Denken in dieser Ge-gend, wo sich oft Clans, Gruppen fast traditio-nell schon befehden, wo gern geschossen wirdund teilweise heute die Blutrache noch gilt.Meine Feldflasche war beim Malen auf dem

Berg leer gewor-den. Aber: Sogarhier oben in 1780m Höhe gab esWasser: Eineschräge Stein-platte, ein ge-mauertes Was-serloch, dieses soangelegt, dassder Regen überdie Platte hinein-floss. Grüne Eid-echsen huschtendort und über

den Weg, als wir zurückwanderten. Bergabging es nun wieder durch den schönen Waldund durch weite Strecken öden Karstgeländes.Mit ihrer Hände Arbeit hatten die Bauerndort Stein für Stein aufgelesen und aus ihnenWälle gebaut, die das Erdreich schützen.

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Schützen gegen die Erosiondurch Regenfluten imHerbst. Sie hatten gedüngt,gesät und geerntet. Aberviel ist es nicht, was derBoden hergibt. Darum vieleLeute, die wirklich arm dransind. Manche der Bilder, dieda gerade zum Vorscheinkommen, zeigen das.Und dann ist da der alte Mann auf dem Foto,der mit dem Fez als Kopfbedeckung. Der ließseine Adresse aufschreiben, um die Bildereines Tages zu bekommen – inzwischen hat ersie. Er muss ein verdienter Veteran irgendeines der vielen Kriege gewesen sein – Friedenhat es ja auf dem Balkan nicht oft und nicht

lange gegeben. Einmal kamen die Römer, danndie Serben als Eroberer und Mitte des 16.Jahrhunderts die Türken. Gegen sie kämpftedas Land Montenegro um seine Unabhängigkeitund gewann sie. Der Fürst Nikita, 1860-1918,erweiterte das Gebiet, auch nicht friedlich,

und wurde der erste undzunächst mal letzte König. Mitdem Ende der Österreich-Ungarischen Besetzung im erstenWeltkrieg kam Montenegro zuJugoslawien. Als stillen Protestgegen die Einverleibung seinesLandes in diesen Vielvölkerstaattrug der alte Mann ein schwarzesTuch auf seinem Fez, statt dessonst üblichen roten.

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Wo bekommen wir Eier? In einem Ort kam aufdiese Frage hin gleich einer der Einheimischenmit uns um jemand ausfindig zu machen, dernoch nicht alles, was seine Hühner produzier-ten, abgeliefert hätte. Aussichtslos, wie esschien. Dann aber verschwand er, ließ uns sit-zen und warten. Und kam nach langer Zeitstrahlend zurück - mit zwei Eiern – „gratis!“

Bezahlung wäre in diesem Fall eine Beleidigunggewesen - wir haben ihm später dafür Bilderaus Deutschland geschickt. Auch dem Bauern,der uns einlud als wir vor seinem Haus stehenblieben und durch die offene Tür hinein schau-ten. So arm er war, „ein Gast ist immer will-kommen!“ Und wo alte Menschen im damalsnoch österreich-ungarischen Kaiserreich ihr

Deutsch gelernt hatten, da hieß es öftermal: „Hoabe die Ehre - griaß Gott werteLeit, treten‘s ein bitta scheen...“Dann sind da die Fotos aus Ulcinj, der letz-

ten Stadt vor der der albanischen Grenze.Überragt vom Minarett einer kleinenMoschee — hier hatte sich die ReligionMohammeds gegen den atheistischen Trenddes Staates behauptet. Männer inbestickten Blusen, in alten Trachten, mitrundem Fez; verschleierte Frauen inPluderhosen, Opanken an den Füßen.Marktszenen und Gerüche des Orients. Einewestlich gekleidete Frau sprach uns an, alssie den Fotoapparat sah: „Aus Deitschland?Ich mich freie, Sie kommen, ich wärdezeigen. Sie vielleicht wollen machen Bildär?“Sie, Professorin, also Lehrerin, an der örtli-chen Schule, nahm uns mit in eines der weißgestrichenen, niedrigen Häuser mit hoherMauer rundherum: „Diese Woche hierHochzeit! Sie sollen sehen...“ Begrüßungs-trunk im Schneidersitz auf Kissen am Bo-den. Eintönige Gesänge vom Radio.

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Aus demFotografie-ren wurdedann nichtviel. Nurdieses Bildda von derl8 Jahre al-ten Brautneben ihrer

Schwester und deren Kleinkind. Drei Jahrelang war sie verlobt gewesen, ohne ihren Zu-künftigen zu kennen oder gar zu sehen. Siemusste weben und sticken, für ihre Aussteuersorgen - Teppiche, Kissen, Pluderhose, mit gol-denen Münzen und Bändern reich verziertesKleid. Zwar würde, so hörten wir, dieses Mäd-chen voraussichtlich die einzige Frauin der Ehe bleiben - untergeordnetjedoch dem Mann. Sie würde arbei-ten müssen, während er im Kavana,im Kaffeehaus, mit anderen disku-tiert, politisiert. „Daran muss mansich, kommt man aus dem Nordenunseres Landes, erst gewöhnen“,seufzte die Professorin, „doch dieFrauen hier sind nicht unzufriedenermit ihrem Leben als wir.“ Vielleichtstimmte das. Jedenfalls haben siemeist im Hause das Sagen. Und alsich einmal einer Frau anbot ihr beimTragen von sehr schwerem Gepäck

zu helfen, da schaute sie mich an, als habe dieSonne mir bereits den Verstand geraubt. Sieschüttelte den Kopf. Energisch.Sogar in die Moschee hatten wir gedurft - ob-wohl wir ja nach muslimischer Auslegung un-gläubig waren. „Das ist Mekka“, erklärte einalter Moslem und zeigte aufs Bild über demgroßen Gebetsteppich, „Dorthin beten wir,fünfmal am Tage. Ich war dort - einmal.“ Seit-dem darf er sich Hadschi nennen. Der Koran,der da lag, sei hundert Jahre alt, erzählte er.Das heilige Buch, von rechts nach links ge-schrieben - alle Moslems der Welt müssen esin der arabischen Sprache lesen und verstehenkönnen. Diese Gemeinsamkeit schafft einBand, das weit über den Globus reicht.Kurz bevor der Muezin laut seine Suren vom

Turm des Minaretts rief,zum Preise Allahs und desPropheten Mohammed,verließen wir die Ruheund den Frieden der Mo-schee. Draußen, untermSonnenschirm, eine wohlkatholische Nonne. Wiemag sie sich hier unterden Muslimen fühlen?Fremd, einsam? Nachdemwir sie fotografiert hat-ten, winkte sie freundlichund lächelte - über die-ses weltliche Gehabe?

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Schon früh am Morgen hatten uns die für un-sere Ohren unmelodischen Gesänge vom Turmdes Minaretts geweckt. Im Hotel, dem bestenam Platze. Teu-er? Nein, derStaat setzte jadie Preise fest,ihm gehörte al-les. Und verges-sen hatte er hierdie Touristen-aufschläge zuaddieren. 170 Di-nar also nur proBett und Nacht -umgerechnet nur2,30 Mark! Bil-lig - für uns je-denfalls. Für dieEinheimischen?Als einfache Ar-beiter verdien-ten sie 5-6000 Dinar, als Angestellte kaummehr im Monat. Lebensmittel waren billig. Füreinen Meter Anzugstoff jedoch mussten sie7.000 Dinar zahlen, umgerechnet knapp 100DM. Kein Wunder also, dass man Hosen undJacken mit immer neuen Flicken reparierte.Nebenverdienste? Die Eigeninitiative war mi-nimiert, da alles sozialisiert, also verstaat-licht, wurde. Nur noch Kleinbauern und einzel-ne Handwerker konnten selbständig arbeiten.

Aber gut ging es auch denen nicht. Auf demMarkt boten sie Gemüse, Milch, Eier und Käsean – ältere Frauen mit vom harten Leben in

den Bergen gezeichneten Gesich-tern. Auf die Frage, ob wir ein Fotomachen dürften, nickte eine, zogaber grinsend das große weiße Tuchnoch enger vors Gesicht. Und kaumdrehten wir den Rücken, da gingdas Geplapper los. Etwa: „...wolltenEier nach Stück kaufen, statt sieauswiegen zu lassen. KomischeFremde...“Nun, wir fuhren dann, wieder mitdem Bus, dorthin, wo wir etwasmehr geschützt vor den hohenHerbstwellen noch einige Tage pad-deln konnten.

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Busfahren - die Fahrpreise waren unglaublichniedrig - anstandslos wanderte das Gepäckaufs Dach. Manchmal hatten wir rasant fah-rende Männer am Steuer. Atembe-raubend jagten sie die Serpentinen-straßen hinauf, den Fuß auf der Hu-pe. Beim Passieren eines entgegenkommenden Fahrzeuges blieben oftnur Zentimeter zum anderen Wa-gen. Oder, beim Ausweichmanöver,hing das Heck weit über dem tiefen,finsteren Abgrund. Manchmal warZeit genug zum Aussteigen um zuknipsen. Dann wieder das lauteTrommelfeuer der Steine gegen denBoden, dichter gelber Staub hinteruns, Geruch von Menschen, die indiesem trockenen Land kein Wasserfürs tägliche Waschen verschwen-

den konnten. Die geräumigen, modernen FiatBusse schwankten wie Schiffe auf hoher See.Und Seekranke gab es wohl auf jeder Fahrt.

Davon wurde dann e-benso wenig Aufse-hens gemacht, wievon der jungen Mut-ter, die im Bus ihrBaby stillte oder vonder häufigen Zwangs-pause für irgendeineReparatur. Reifen-wechsel zum Bei-spiel — auch beimErsatz schaute dieLeinwand schon un-term Gummi hervor.Die Bremsen kreisch-ten erbärmlich, dieKupplungen krachtenund nachgetankt wur-de unterwegs aus ei-

nem verrosteten Kanister.Techniker wären ebenso knapp wie Ersatz-teile, erzählte ein Mitreisender, die Ziga-rette lose zwischen den grauen Bartstop-peln, „wenn ich mein Radio in die Werkstattgebe, dann flicken die mit den Teilen ausmeinem Gerät das desjenigen, der vor mireinen ,Patienten‘ einlieferte. Und ich musswarten, lange warten, bis jemand anderesmit seinem Radio kommt ...“

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Weiterfahrt dann in unserem Boot. An einemStrand hatten wir es aufgebaut und beka-men es gleich von Anfang an mit ziemlichheftigem Wellengang zu tun. Und doch wardiese Schaukelei besser als die in den Bus-

sen. Vor allem aber waren da unterwegswieder schöne Zeltplätze, manche ansauberen Sandstränden: Das Lagerfeu-er qualmte, über ihm brutzelte dieZeltfrau das leckere Essen. Unterwegspustete die Bora, der berüchtigte Fall-

wind von den Bergen herab. Er bläst Lastwa-gen von den Uferstraßen und treibt kleineBoote ins Meer - keine Chance gegen ihn. Sei-netwegen paddelten wir vorsichtig unter Land.Bis nach Budva, einer alten, schönen Stadt.

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Jetzt, Anfang Oktober, schickte der Wetter-gott Jugoslawiens uns Donner und Blitze –mächtiges Getöse und Regenprasseln aufsDach unserer Stoffhütte. Aber auch Gelegen-heit für diese Zeitaufnahme aus dem Zeltheraus.

Womit nun endgültig das Ende der Som-mersaison gekommen war. Genau dreiWochen nach dem Start in Hamburgräumten wir die Sachen aus dem Boot,falteten die Haut zusammen, verstauten

alles in den Packsäcken und beluden mitihnen den Bootswagen: Ab zum Hafen.Nachts um 2 Uhr ging unser Dampfer.Voll packte unterwegs der Sturm unserSchiffchen von der Seite, festhalten anStrecktauen und warm anziehen: KeinWetter mehr um hier unterwegs zu sein.

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Zagreb, 10. Oktober 53 – eine Nacht Aufent-halt, unser Zug fuhr erst am folgenden Tagweiter. Demonstrationen: „Unser Leben, abernicht Triest“, wurde gerufen. Diese Adria-Hafenstadt, Freistaat seit 1947, stand alsentmilitarisiertes Territorium unter Aufsichtdes internationalen Sicherheitsrates.

Und da hatte es wohl Krach gege-ben – die Jugoslawen wollten einerBesetzung durch Italien vorbeugen.Würde es Krieg wegen dieser Stadtgeben? Truppentransporte rolltenvorbei. Doch von denen sind keineBilder im Stapel der Fotos, der nunschon fast ganz abgeräumt ist.

Nur noch einige vomMarkt, von Menschen dievom Land kamen um ihreWaren zu verkaufen. Men-schen die natürlich undbescheiden leben - andersals wir. Die so leben müs-sen in ihrem Land. Ob siees wollen, ob sie ihr Sys-tem, das kommunistische,richtig finden? Auf solcheFragen hin schwiegen diemeisten. Ein Land der Kon-traste, dieses Jugosla-wien.

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Ach ja, da sind noch zwei Fotos: Der Tauern-Express läuft im BahnhofZagreb ein und „Hamburg grüßt seine Spätheimkehrer“. Waren wir ge-meint, weil der Zug fast vier Stunden Verspätung hatte und keine Chancemehr bestand pünktlich ins Büro zu kommen? Unsinn, natürlich nicht. Dakamen in diesen Tagen Soldaten aus Russland zurück – bis zu zehn Jahrenach ihrer Gefangennahme an der Ostfront, acht Jahre nach Kriegsen-de – klare Verletzung des Völkerrechts. Nur wenige Überlebende der si-birischen Kälte- und Hungerlager waren das, viele aus meinem Jahrgang.Warum blieb mir so ein Schicksal während des Krieges erspart?