Juli 2008 Neue Rechtsentwicklungen · 2018-06-25 · neue Pflegezeitgesetz und Neues aus dem...

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Neue Rechtsentwicklungen BRANDI DRÖGE PILTZ HEUER & GRONEMEYER RECHTSANWÄLTE BIELEFELD | DETMOLD | GÜTERSLOH | PADERBORN | LEIPZIG | PARIS | PEKING Juli 2008 . www.bdphg.de Liebe Leserinnen, liebe Leser, international geht es ins 2. Halbjahr und damit auch in den 2. Mandanten- rundbrief in 2008. Unsere franzö- sischen Kollegen berichten über grundlegende Neuerungen im franzö- sischen Arbeitsrecht. Wir freuen uns sehr über die Beiträge von Herrn Uwe Augustin und Frau Mischa Honnen- Traum. Die Kollegen aus der Kompe- tenzgruppe Arbeitsrecht informieren Sie sodann über neue Entscheidungen aus dem deutschen Arbeitsrecht. Unter anderem finden Sie eine Entscheidung des BAG zum Befristungsrecht, das neue Pflegezeitgesetz und Neues aus dem Kündigungsschutzrecht. Nach einer erfolgreichen IHK-Begegnungs- woche mit Polen blickt der Kollege aus Posen Dr. Mirosław Babiaczyk noch einmal auf die geplanten Änderungen im polnischen Handelsrecht. Internatio- nal geht es weiter mit der Frage des Mahnverfahrens im Ausland. Hieran schließen sich u. a. Kurzinformationen über den Rechtsverkehr mit China, wettbewerbsrechtliche Fragen zur Verpackungsordnung sowie Widerrufs- belehrungen und Impressumspflichten an. Wir wünschen Ihnen wie immer viel Vergnügen bei der Lektüre. Herzlichst Ihre Patrizia Ferrara Inhalt Uwe Augustin Grundlegende Neuerungen im französischen Arbeitsrecht 2008 ...... Seite 2 Mischa Honnen Das TEPA Gesetz verschärft die Regelungen für „golden parachutes“ ........................................................... Seite 2 Dr. Götz Zerbe Betriebliches Eingliederungsmanagement und krankheitsbedingte Kündigung............................................... Seite 3 Dr. Andrea Pirscher Neues zum Befristungsrecht .................................................. Seite 4 Dr. Sören Kramer Das neue Pflegezeitgesetz .................................................... Seite 4 Dr. Sören Kramer Arbeitsrecht: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ .................... Seite 5 Dr. Mirosław Babiaczyk Polnisches Handelsrecht – geplante Änderungen ........................ Seite 6 Dr. Nils Wigginghaus „Internationales“ Mahnverfahren – eine sinnvolle Alternative zur Klage im Ausland .......................... Seite 6 Dr. Nils Wigginghaus Kurzinformationen für den Rechtsverkehr mit China – Juni 2008 ...... Seite 7 Dr. Jens Hoffmann Ordnungsgeld wegen unterlassener Offenlegung von Jahresabschlüssen ........................................................ Seite 8 Frank Schembecker Rechtliche Risiken bei Einführung neuer Produkt-/Geschäfts-/ Unternehmensbezeichnungen und deren Vermeidung................... Seite 9 Dr. Sebastian Meyer Nutzung der Musterverträge EVB-IT in der freien Wirtschaft ........... Seite 9 Dr. Kevin Kruse Wettbewerbsverstoß durch Verwendung unwirksamer AGBs? ......... Seite 10 Dr. Kevin Kruse Neue Verpackungsverordnung birgt wettbewerbsrechtliche Risiken ............................................................................ Seite 10 Dr. Kevin Kruse Neues zu Widerrufsbelehrungen und Impressumspflichten ............ Seite 11

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Neue Rechtsentwicklungen

Brandi dröge Piltz Heuer & gronemeyer RechtsaNwälte

Bielefeld | detmold | GüteRsloh | PadeRBoRN | leiPziG | PaRis | PekiNG

Juli 2008

. www.bdphg.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

international geht es ins 2. Halbjahr und damit auch in den 2. Mandanten-rundbrief in 2008. Unsere franzö-sischen Kollegen berichten über grundlegende Neuerungen im franzö-sischen Arbeitsrecht. Wir freuen uns sehr über die Beiträge von Herrn Uwe Augustin und Frau Mischa Honnen-Traum. Die Kollegen aus der Kompe-tenzgruppe Arbeitsrecht informieren Sie sodann über neue Entscheidungen aus dem deutschen Arbeitsrecht. Unter anderem finden Sie eine Entscheidung des BAG zum Befristungsrecht, das neue Pflegezeitgesetz und Neues aus dem Kündigungsschutzrecht. Nach einer erfolgreichen IHK-Begegnungs-woche mit Polen blickt der Kollege aus Posen Dr. Mirosław Babiaczyk noch einmal auf die geplanten Änderungen im polnischen Handelsrecht. Internatio-nal geht es weiter mit der Frage des Mahnverfahrens im Ausland. Hieran schließen sich u. a. Kurzinformationen über den Rechtsverkehr mit China, wettbewerbsrechtliche Fragen zur Verpackungsordnung sowie Widerrufs-belehrungen und Impressumspflichten an. Wir wünschen Ihnen wie immer viel Vergnügen bei der Lektüre.

Herzlichst Ihre Patrizia Ferrara

Inhalt

Uwe AugustinGrundlegende Neuerungen im französischen Arbeitsrecht 2008 . . . . . . Seite 2

Mischa HonnenDas TEPA Gesetz verschärft die Regelungen für „golden parachutes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2

Dr. Götz ZerbeBetriebliches Eingliederungsmanagement und krankheitsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3

Dr. Andrea PirscherNeues zum Befristungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Dr. Sören KramerDas neue Pflegezeitgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 4

Dr. Sören KramerArbeitsrecht: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 5

Dr. Mirosław BabiaczykPolnisches Handelsrecht – geplante Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

Dr. Nils Wigginghaus„Internationales“ Mahnverfahren – eine sinnvolle Alternative zur Klage im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6

Dr. Nils WigginghausKurzinformationen für den Rechtsverkehr mit China – Juni 2008 . . . . . . Seite 7

Dr. Jens HoffmannOrdnungsgeld wegen unterlassener Offenlegung von Jahresabschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8

Frank SchembeckerRechtliche Risiken bei Einführung neuer Produkt-/Geschäfts-/ Unternehmensbezeichnungen und deren Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 9

Dr. Sebastian MeyerNutzung der Musterverträge EVB-IT in der freien Wirtschaft . . . . . . . . . . . Seite 9

Dr. Kevin KruseWettbewerbsverstoß durch Verwendung unwirksamer AGBs? . . . . . . . . . Seite 10

Dr. Kevin KruseNeue Verpackungsverordnung birgt wettbewerbsrechtliche Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10

Dr. Kevin KruseNeues zu Widerrufsbelehrungen und Impressumspflichten . . . . . . . . . . . . Seite 11

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Grundlegende Neuerungen im französischen Arbeitsrecht 2008

Im französischen Arbeitsrecht treten voraussichtlich noch in diesem Jahr bedeutende Änderungen in Kraft. Ein Gesetz-entwurf zur Modernisierung des Arbeitsrechts, der auf einem Kompromiss der Arbeitgeber und der Gewerkschaften im Januar 2008 basiert, wurde Ende April vor der Nationalver-sammlung beschlossen und liegt nach durch den Senat vor-genommenen Änderungen einem gemeinsamen Ausschuss von Nationalversammlung und Senat zur Klärung letzter Unstimmigkeiten vor. Das neue Arbeitsrecht könnte so noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Ziel der Reform ist es, dem französischen Zauberwort des Arbeitsrechts „flexi-sécu-rité“ (flexible Sicherheit) Impulse zu geben und die Zahl der Arbeitslosen weiter zu senken. Zwar befand sich diese Ende 2007 auf dem tiefsten Stand seit 25 Jahren (2,1 Mio. Arbeits-lose, das entspricht einer Quote von 7,8 %), jedoch ist die französische Regierung weiter darauf bedacht, den positiven Trend fortzusetzen.

Im Folgenden soll ein Überblick über die Eckpunkte des Gesetzentwurfes gegeben werden.

Die Form des unbefristeten Arbeitsvertrages (contrat à durée indéterminée, kurz CDI) wird als Regelfall für alle Arbeits-verträge festgeschrieben. Dies ist einer der Kernpunkte der Reform. Damit verbunden ist der endgültige Wegfall des soge-nannten „contrat de nouvelle embauche“ (CNE), der als beson-dere Form des befristeten Arbeitsverhältnisses innerhalb der ersten zwei Jahre der Beschäftigung eine Kündigung ohne Angabe von Gründen ermöglichte. Diese Arbeitsverhältnisse werden automatisch zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

Befristete Arbeitsverhältnisse sind nach der Reform nun-mehr auch für Ingenieure und Cadre-Angestellte projektbe-zogen auf Grundlage einer auf fünf Jahre befristeten Experi-mentierklausel für die Dauer von 18 bis 36 Monaten möglich, vorausgesetzt, eine solche Befristung ist im Branchen- oder Haustarifvertrag vorgesehen.

Eine weitere entscheidende Veränderung wird auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes angestrebt. Bislang ist es in Frankreich durch erhebliche Hindernisse in den Bereichen des Sozial- und Steuerrechts de facto ausgeschlossen, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im gegenseitigen Einver-nehmen voneinander trennen. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit eines Aufhebungsvertrags (rupture conventi-onnelle) vor, der nach Ablauf eines formalen Verfahrens und einer zweiwöchigen Widerrufsfrist zur Auflösung des Arbeits-verhältnisses führt. Dies eröffnet beiden Seiten neue Mög-lichkeiten: Der Arbeitgeber erlangt größere Planungssicher-heit und kann Gerichtskosten der häufig langen Kündigungsverfahren vermeiden, dem betroffenen Arbeit-nehmer steht auch im Falle der einvernehmlichen Auflösung sofort ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu.

Weiterhin wird durch die Reform die Mindestdauer der Beschäftigung für einen Anspruch auf Zahlung einer gesetz-lichen Kündigungsentschädigung von zwei Jahren auf ein Jahr verringert. Außerdem wird die Höhe der zu zahlenden Entschädigung unabhängig vom Kündigungsgrund verein-heitlicht. Während bisher aus betriebsbedingten Gründen gekündigte Arbeitnehmer eine höhere Entschädigung bean-spruchen konnten, entsteht dieser Anspruch nunmehr auch im Falle einer personenbedingten Kündigung.

Der Gesetzentwurf führt zudem eine Höchstdauer für die Probezeit ein, die je nachdem, in welche der drei unterschied-lichen Kategorien der Arbeitnehmer fällt (Arbeiter, Angestell-ter, Cadre-Angestellter), zwei, drei oder vier Monate beträgt.

Eine weitere bedeutende Änderung betrifft die Schluss-abrechnung (solde de tout compte), welche dem Arbeitneh-mer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgehändigt werden muss. Unterzeichnet der Arbeitnehmer die Abrech-nung, kann er diese nach Eintreten der Reform nur noch innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten angreifen.

Schließlich stellt der Gesetzentwurf einen rechtlichen Rahmen für die Praxis des sogenannten „portage salarial“ auf. Hier handelt es sich um eine Praxis, bei der ein Arbeit-nehmer durch ein Unternehmen eingestellt wird, jedoch ver-einbart wird, dass er für ein zweites Unternehmen arbeitet. Aufgabe des ersten Unternehmens ist es lediglich, die Arbeit-geberfunktion zu übernehmen und so dem Arbeitnehmer den Weg in die Selbstständigkeit zu erleichtern.

Insgesamt lässt sich sagen, dass die vorgenannten Neu-regelungen einen Schritt in Richtung „flexi-sécurité“ darstel-len. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich diese in der Pra-xis bewähren.Uwe Augustin, Büro Paris | [email protected]

Das TEPA Gesetz verschärft die Regelungen für „golden parachutes“

Durch das Gesetz (TEPA Gesetz) zur Förderung der Arbeit, der Beschäftigung und der Kaufkraft vom 21. August 2007 wurden die Bestimmungen über Abfindungen für Geschäfts-führungsmitglieder noch weitergehend verschärft.

Bereits durch ein Gesetz aus dem Jahr 2005 wurden alle Vereinbarungen, durch die den Geschäftsführungsmitglie-dern börsennotierter Unternehmen Abfindungen im Falle einer Beendigung oder Änderung ihres Mandatsverhältnisses zugesagt werden, als genehmigungsbedürftige Vereinba-rungen („conventions réglementées“) eingestuft. Sie bedür-fen daher der vorherigen Zustimmung des Aufsichts- oder Verwaltungsrats, einer Erwähnung im Sonderbericht des Wirtschaftsprüfers sowie einer Genehmigung der Hauptver-sammlung.

Durch das TEPA Gesetz wird die Gewährung solcher Abfindungen nun erstmals auch inhaltlich an Bedingungen geknüpft. Zudem werden weitere verfahrensrechtliche Anfor-derungen aufgestellt.

Künftig müssen Vereinbarungen über Abfindungen oder andere zeitlich verzögerte Vergütungen für Geschäftsfüh-rungsmitglieder börsennotierter Unternehmen die Zahlung solcher Abfindungen oder Vergütungen von Anfang an von der Erreichung bestimmter Leistungsziele durch den Begün-stigten abhängig machen. Ob diese Ziele tatsächlich erreicht wurden, unterfällt der Beurteilung durch den Aufsichts- oder Verwaltungsrat im Zeitpunkt der Auszahlung.

Ausgenommen von dieser Regelung sind Abfindungen, die als Gegenleistung für ein Wettbewerbsverbot geschuldet werden, und bestimmte Altersbezüge.

Zur Erhöhung der Transparenz müssen sowohl der Beschluss des Verwaltungs- oder Aufsichtsrats über die Genehmigung der Abfindungsvereinbarung als auch derje-nige über die Auszahlung der Abfindung veröffentlicht wer-den. Eine Durchführungsverordnung vom 7. Mai 2008 sieht

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Mandantenrundbrief | Juli 2008

Mandantenrundbrief | Juli 2008 Seite 3

vor, dass die Veröffentlichung innerhalb einer Frist von fünf Tagen nach der Sitzung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrates auf der Homepage des Unternehmens zu erfolgen hat.

Das Verfahren der „convention réglementée“ wird inso-fern verschärft, als dass jede einzelne Abfindungszahlung durch einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung genehmigt werden muss. Außerdem muss der Wirtschafts-prüfer die Richtigkeit der Informationen betreffend die Abfin-dung und weiterer Vorteile jeglicher Art für ein Geschäftsfüh-rungsmitglied bestätigen.

Bereits bestehende Abfindungsvereinbarungen müssen bis spätestens zum 23. Februar 2009 den Bestimmungen des neuen Gesetzes angepasst werden. Nach diesem Datum können sie für unwirksam erklärt werden.Mischa Honnen, Büro Paris | [email protected]

Betriebliches Eingliederungsmanagement und krankheitsbedingte Kündigung

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer vor kurzem veröffentli-chten Entscheidung aus dem Jahr 2007 die Anforderungen, die ein Arbeitgeber bei Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung zu erfüllen hat, im Zusammenhang mit den Vor-schriften über das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) verschärft. Die Vorschriften über das betriebliche Ein-gliederungsmanagement legen jedem Arbeitgeber die Pflicht auf, für Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfä-hig sind, unter Einbeziehung des Betriebsrates (soweit vor-handen) mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeitsunfä-higkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann, zu klären. Dabei ist erfor-derlichenfalls der Werks- oder Betriebsarzt hinzuzuziehen. Ferner ist die betroffene Person zuvor über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hin-zuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen – bei schwerbehin-derten Beschäftigten das Integrationsamt – hinzuzuziehen. Auch wenn das Bundesarbeitsgericht darauf erkannt hat, dass die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsma-nagements keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung (Nichtdurchführung des BEM führt ohne weitere Einzelfall-prüfung zur Unwirksamkeit der Kündigung) einer krankheits-bedingten Kündigung ist, kommen diesen Vorschriften in der Praxis jetzt erhebliche Bedeutung zu. Nach der Gesetzesbe-gründung sollen krankheitsbedingte Kündigungen bei allen Arbeitnehmern durch das BEM verhindert werden. Daraus folgert das Bundesarbeitsgericht, dass sehr genau geprüft werden muss, ob dem Arbeitnehmer ggf. nach Durchführung des BEM der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann und die Fehl-zeiten sinken können.

Das Bundesarbeitsgericht prüft die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung in mehreren Stufen. Auf der ersten Stufe ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Es müssen – abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit –

objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer wei-teren, längerfristigen Erkrankung rechtfertigen. Steht fest, dass der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitslei-stung überhaupt nicht mehr erbringen kann oder ist die Wie-derherstellung seiner Arbeitskraft völlig ungewiss, ist eine solche negative Prognose gerechtfertigt. Dabei steht die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der dauernden Leistungsunfähigkeit gleich, wenn in nicht abseh-barer Zeit mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Hierbei legt die Rechtsprechung einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten zugrunde.

In der zweiten Stufe prüft die Rechtsprechung, ob die pro-gnostizierten (in der Zukunft liegenden) Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen kann einerseits durch Störungen im Arbeitsablauf oder durch eine erhebliche wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlungskosten hervorgerufen werden. An dieser Stelle der Prüfung verlangt das Bundesar-beitsgericht strikt die Beachtung des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes. Danach ist eine Kündigung nur dann gerecht-fertigt, wenn sie nicht durch andere mildere Mittel vermieden werden kann. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits in der Vergangenheit stets verlangt, dass der Arbeitgeber prüfen muss, ob gleichwertige, „leidensgerechte“ Arbeitsplätze vor-handen sind, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre. Diesen leidensgerechten Arbeitsplatz muss der Arbeitgeber ggf. durch entsprechende Umsetzungen und Versetzungen frei machen.

In der dritten Stufe schließlich muss der Arbeitgeber einen Interessenabwägung durchführen, bei der zu prüfen ist, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer bil-ligerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeit-gebers führen.

Die Durchführung des BEM spielt mithin auf der zweiten Stufe der Prüfung der Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung eine entscheidende Rolle. Zwar steht das Bun-desarbeitsgericht auf dem Standpunkt – wie bereits erwähnt –, dass die Durchführung des BEM keine formelle Wirksam-keitsvoraussetzung der Kündigung ist, und weiter führt das Bundesarbeitsgericht aus, dass das BEM auch nicht an sich ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung ist. Das Bun-desarbeitsgericht zieht aber aus der Nichtdurchführung des BEM im Hinblick auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess negative Konse-quenzen für den Arbeitgeber. Der Arbeitgeber trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 Kündigungsschutzgesetz die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung fehlender alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten. Bislang konnte der Arbeit-geber zunächst pauschal behaupten, es bestehe keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für einen dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer. Dann war es Sache des Arbeitneh-mers, konkret darzulegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine andere Beschäftigungs-möglichkeit – an einem anderen Arbeitsplatz – vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könne. Erst wenn der Arbeitnehmer hierzu einen konkreten Vortrag geliefert hatte, musste der Arbeitgeber diesen wider-legen. In der Praxis zeigte sich häufig, dass die Arbeitnehmer zu einem solchen konkreten Vortrag nicht in der Lage waren.

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Führt der Arbeitgeber das BEM nicht durch, ändert sich in diesem Punkt die Darlegungs- und Beweislast. Es bedarf nun eines umfassenderen, konkreten Sachvortrags des Arbeitge-bers zu einem nicht mehr möglichen Einsatz des Arbeitneh-mers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz einerseits und zu der Frage, warum andererseits eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeits-platz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden könne. Im Ergebnis muss der Arbeitgeber vortragen, dass auch die Durchführung des BEM nicht zur Abwendung der Kündigung geführt hätte. Er muss damit umfassend vortragen, welche anderen Arbeitsplätze vorhanden sind und warum dort ein Einsatz des betroffenen Arbeitnehmers – ggf. auch nach technischer Nachrüstung des Arbeitsplatzes – nicht in Betracht kommt. Das Bundesarbeitsgericht geht sogar so weit, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer im Prozess vor-geschlagene anderweitige Einsatzmöglichkeiten nicht mit dem Argument zurückweisen könne, dieser Arbeitsplatz sei gar nicht vorhanden. Der Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, auf der Basis seines Direktionsrechtes eine betriebliche Umorganisation vorzunehmen, um dem betroffenen Arbeit-nehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu erhalten. Dafür, dass eine solche Maßnahme einerseits aufgrund der betrieblichen Strukturen und Abläufe überhaupt nicht mög-lich oder nur mit großen Schwierigkeiten umsetzbar wäre oder andererseits keinen Erfolg für eine leidensgerechte Wei-terbeschäftigung des Arbeitnehmers hätte, ist der Arbeitge-ber darlegungsbelastet. Er muss also alle diese Umstände vortragen.

Trägt der Arbeitgeber hierzu nicht umfassend vor, läuft er Gefahr, dass vor allem die Arbeitsgerichte erster Instanz unter Hinweis auf die nicht erfüllte Darlegungs- und Beweis-last des Arbeitgebers das Vorliegen betrieblicher Beeinträch-tigungen durch die Krankheit des Arbeitnehmers verneinen und somit der Kündigungsschutzklage stattgeben. Jedenfalls ist zu erwarten, dass mit diesem Argument seitens der Arbeitsgerichte der Vergleichsdruck auf den Arbeitgeber deutlich erhöht wird.

Für die Praxis folgen daraus drei Handlungsanleitungen:1. Vor Ausspruch jeder krankheitsbedingten Kündigung ist

das betriebliche Eingliederungsmanagement durchzu-führen.

2. Das betriebliche Eingliederungsmanagement verlangt die Zustimmung des Arbeitnehmers. Erteilt der Arbeitnehmer die Zustimmung nicht, muss das BEM nicht durchgeführt werden. Diese Weigerung des Arbeitnehmers sollte jedenfalls nachgewiesen werden können. Deshalb sollte der Arbeitnehmer unter Beachtung der Unterrichtungs-pflichten des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX stets schriftlich zur Einwilligung in die Durchführung des BEM aufgefordert werden.

3. In größeren Betrieben, insbesondere in Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, sollte ein institutionalisier-tes Verfahren der Durchführung des betrieblichen Einglie-derungsmanagements eingeführt werden.

Dr. Götz Zerbe, Büro Bielefeld | [email protected]

Neues zum Befristungsrecht

Das BAG hat am 16.04.2008 zwei Entscheidungen zum Befri-stungsrecht getroffen:

1. In einem schriftlichen Arbeitsvertrag hatte der Arbeitge-ber das Arbeitsverhältnis auf ein Jahr befristet und diese Befristungsabrede sogar durch Fettdruck drucktechnisch hervorgehoben. Gleichzeitig enthielt der Arbeitsvertrag eine normal gedruckte Klausel, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der sechsmonatigen Probezeit ende, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Die von der Arbeitnehmerin erho-bene Entfristungsklage hatte Erfolg. Die Probezeitbefristung sei – so das BAG – als überraschende Klausel nicht Bestand-teil des Vertrages geworden. Aufgrund der drucktechnischen Hervorhebung der Ein-Jahres-Befristung habe die Arbeit-nehmerin nicht damit rechnen müssen, dass der Vertrag eine weitere Befristungsabrede enthalte. Das gelte umso mehr, als gerade die kürzere Befristungszeit nicht hervorgehoben worden sei.

Arbeitgeber müssen diese Rechtsprechung bei der Ver-tragsgestaltung berücksichtigen. Die Vereinbarung einer Pro-bezeit im Rahmen einer Ein-Jahres-Befristung ist möglich. Allerdings muss die Dauer der Probezeit der Dauer des befri-steten Arbeitsverhältnisses angepasst sein.

2. Wir hatten bislang immer dringend davor gewarnt, den Arbeitnehmer seine Tätigkeit aufnehmen zu lassen, bevor der befristete Arbeitsvertrag von beiden Seiten unterschrieben ist. Nun hatte das BAG folgenden Fall zu entscheiden:

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer vor Beginn des Arbeitsverhältnisses einen bereits unterzeichneten Arbeits-vertrag mit der Bitte um Unterzeichnung und baldige Rück-gabe zugesandt. Der Arbeitnehmer hatte dies bis zur Arbeits-aufnahme nicht getan. Erst auf Nachfrage des Arbeitgebers gab er – allerdings erst nach seinem Arbeitsantritt – den unterzeichneten Vertrag zurück. Die Entfristungsklage war erfolglos. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis liege – so das BAG – selbst dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer das Vertragsangebot erst nach Arbeitsaufnahme unterzeich-net haben sollte. Bei der Übersendung eines schriftlichen Angebots mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung könne der Arbeitnehmer das Vertragsangebot grundsätzlich nur durch Unterzeichnung annehmen. Durch die bloße Arbeitsaufnahme sei kein Arbeitsverhältnis begründet wor-den, da der Arbeitgeber sein Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages von der Rückgabe des unter-zeichneten Arbeitsvertrages abhängig gemacht habe.

Da bislang nur eine Pressemitteilung des Gerichts vor-liegt, bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung im Einzelnen begründet wird. Bis dahin sollte man auf „Nummer sicher“ gehen und vor Vertragsbeginn den befristeten Vertrag bei-derseits unterzeichnen. Kritische Altfälle können aber auf-grund der neuen Rechtsprechung ggf. „gerettet“ werden. Dr. Andrea Pirscher, Büro Bielefeld | [email protected]

Das neue Pflegezeitgesetz

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 25.04.2008 das zuvor bereits vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung beschlossen. Das Gesetz ist am 01.07.2008 in Kraft getreten.

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Bestandteil des Reformgesetzes ist das Pflegezeitgesetz, das einige wichtige arbeitsrechtliche Neuerungen bereithält:

Arbeitnehmer sind künftig berechtigt, im Falle einer akut auftretenden Pflegesituation eines nahen Angehörigen für die Dauer von bis zu zehn Arbeitstagen Freistellung von der Arbeitspflicht zu verlangen. Diese kurzzeitige Arbeitsbefrei-ung soll den Arbeitnehmern die Möglichkeit bieten, sich über Pflegeleistungsangebote zu informieren und organisato-rische Vorkehrungen für die Pflege zu treffen sowie die Pfle-geleistungen kurzfristig selbst zu Hause zu verrichten, bis eine geeignete Pflegeeinrichtung für den Angehörigen gefun-den wird.

Darüber hinaus gewährt das Gesetz einen Anspruch auf Gewährung einer bis zu sechsmonatigen „Pflegezeit“, in der der Arbeitnehmer ebenfalls von der Erbringung der Arbeits-leistung befreit ist. Anders als im Falle der kurzzeitigen Arbeitsbefreiung setzt die Inanspruchnahme der Pflegezeit allerdings voraus, dass im Unternehmen des Arbeitgebers regelmäßig mehr als fünfzehn Personen beschäftigt sind. Die Pflegezeit dient dazu, dem Arbeitnehmer die Pflegeleistungen für seinen Angehörigen selber in häuslicher Umgebung zu erbringen. Die Zustimmung des Arbeitgebers zur Inanspruch-nahme der Pflegezeit ist nicht erforderlich; die Arbeitsbefrei-ung tritt kraft Gesetzes ein, wenn der Arbeitnehmer bei Vor-liegen der Voraussetzungen im Übrigen die Pflegezeit spätestens zehn Tage vor Beginn schriftlich angekündigt hat.

Sowohl im Falle der kurzzeitigen Arbeitsbefreiung als auch im Falle der Pflegezeit entfällt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Fortzahlung der Vergütung.

Die kurzzeitige Arbeitsbefreiung und die bis zu sechsmo-natige Pflegezeit werden flankiert von einem Kündigungsver-bot: Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, ab dem Zeitpunkt der Ankündigung bzw. der Inanspruchnahme der kurzzeitigen Arbeitsbefreiung bzw. der Pflegezeit eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen.

Neben den vorstehend beschriebenen arbeitsrechtlichen Regelungen enthält das Reformgesetz folgende weitere sozi-alversicherungsrechtliche Regelungen:n Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung steigt um 0,25

Prozentpunkte auf 1,95 Prozent bzw. auf 2,2 Prozent für kinderlose Beschäftigte.

n Sofern eine entsprechende landesgesetzliche Regelung geschaffen wird, werden Pflegestützpunkte etabliert, die Auskunft, Beratung und individuelles Fallmanagement betreiben.

n Ab dem 01.01.2009 besteht ein gesetzlicher Anspruch von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen auf Betreu-ung durch einen Pflegeberater der Pflegekasse.

n Der Betreuungsbetrag für „Pflegebedürftige mit einge-schränkter Alterskompetenz“ (d.h. Demenzkranke) wird deutlich angehoben. Auch Demenzkranke der sogenann-ten „Pflegestufe 0“ erhalten künftig einen Betreuungsbe-trag.

n Die Anforderungen an die Qualität der Pflegeleistungen und die entsprechenden Kontrollmechanismen werden wesentlich verbessert: Ab dem Jahre 2011 sollen Heime und ambulante Einrichtungen regelmäßig im Abstand von höchstem einem Jahr vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung oder von beauftragten Sachver-ständigen überprüft werden. Die Überprüfungen erfolgen künftig unangemeldet.

n Personen, die Angehörige selber pflegen, können künftig

für bis zu vier Wochen im Jahr durch professionelle Pfle-gekräfte ersetzt werden (sogenannte „Verhinderungspfle-ger“). Die bisherige Wartezeit von zwölf Monaten wird auf sechs Monate verkürzt.

Mit dem neuen Pflegezeitgesetz beabsichtigt der Gesetzge-ber, pflegenden Angehörigen eine begrenzte Aus- zeit – ohne Fortzahlung der Vergütung – zu ermöglichen. Die Voraussetzungen werden allerdings nicht den Regelungen in vergleichbaren Gesetzen (Teilzeit- und Befristungsgesetz, Bundeselterngeld- und -elternzeitgesetz) angepasst, so dass sich erst noch zeigen muss, ob das neue Gesetz den Anfor-derungen der betrieblichen Praxis wird genügen können. Dr. Sören Kramer, Büro Detmold | [email protected]

Arbeitsrecht: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“

Das Landesarbeitsgericht Thüringen hatte sich im Sommer vergangenen Jahres im Rahmen eines Verfahrens auf Pro-zesskostenhilfebewilligung mit folgendem Sachverhalt zu beschäftigen:

Das Arbeitsverhältnis des Klägers hatte im September 2006 begonnen. Nach einer Beschäftigungsdauer von ca. zwei Monaten erlitt der Kläger Mitte November 2006 auf dem Heimweg von der Arbeit nach Hause einen schweren Ver-kehrsunfall. Am Tag nach dem Verkehrsunfall meldete seine Schwester den Kläger bei der beklagten Arbeitgeberin telefo-nisch arbeitsunfähig. Der Gesprächspartner auf Seiten der Arbeitgeberin äußerte in dem Telefonat sinngemäß Folgendes: „Sie [die Schwester] solle nicht seine Zeit verschwenden; er könne nur Mitarbeiter gebrauchen, die am Arbeitsplatz ihre Arbeit tun. Wer krank mache aus welchem Grund auch immer, müsse mit der Kündigung rechnen.“ Wenige Tage später erhielt der Kläger noch während der Arbeitsunfähigkeit die Kündigung.

Das Landesarbeitsgericht Thüringen hatte im Beschwer-deverfahren über die möglichen Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage als Voraussetzung für die Bewilli-gung von Prozesskostenhilfe zu befinden und kam zu der Auffassung, dass eine Kündigungsschutzklage wohl Erfolg haben würde; die von der Beklagten ausgesprochene Kündi-gung sei rechtswidrig, da sie gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße, möglicherweise sogar sittenwidrig sei. Das Landesarbeitsgericht Thüringen kommt zu dem zunächst richtigen Ergebnis, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis (noch) keine Anwendung fand, da es noch keine sechs Monate bestanden hatte. Gleichwohl unter-liege jegliche Arbeitgeberkündigung nach der Rechtspre-chung des Bundesarbeitsgerichtes einer Rechtskontrolle nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bzw. vor dem Maßstab der Sittenwidrigkeit. Die beklagte Arbeitgeberin habe durch die Äußerungen ihres leitenden Mitarbeiters zu erkennen gegeben, dass sie diejenigen Mitarbeiter, die krank-heitsbedingt an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert seien, grundsätzlich kündigen werde. Das Landesarbeitsge-richt unterstellt der Arbeitgeberin, dass sie sich mit diesem Verhalten nicht an die Anforderungen des Kündigungsschutz-gesetzes bei der Aussprache krankheitsbedingter Kündi-gungen halten werde. Das Landesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass die Arbeitgeberin zum Ausdruck gebracht habe, dass sie das Krankwerden als solches mit einer Kündi-

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gung maßregeln wolle. Dies sei nicht nur ein klassischer Fall von willkürlicher Mitarbeiterbehandlung; ein derartiges Arbeit-geberverhalten enthalte auch eine – so wörtlich – menschen-verachtende Komponente. Die Tatsache schließlich, dass ein Mitarbeiter auch nach einem schweren Verkehrsunfall mit erheblichen Verletzungsfolgen beschuldigt werde, er „mache krank“, bekräftige dieses Ergebnis. Die beklagte Arbeitgebe-rin maßregle daher in einer rücksichtslosen und diskriminie-renden Art ihre Mitarbeiter. Derartiges Verhalten sei mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren.

Ob diese überspitzte Haltung des LAG mit der Rechtspre-chung des BAG vereinbar ist, wird sich nunmehr nur noch in einem für die Beklagte möglicherweise sehr teuren Kündi-gungsschutzprozess klären lassen. Sicher ist, dass der Klä-ger ohne die unbedachte und sehr harsche Äußerung des leitenden Mitarbeiters der Klägerin in einem etwaigen Kündi-gungsschutzprozess keinerlei Aussichten auf Erfolg gehabt hätte. Man möchte der Beklagten also gerne nachträglich empfehlen, keine unabgestimmten Auskünfte über die Motive für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erteilen und auch alle Mitarbeiter anzuweisen, entsprechend zu handeln. Diese allgemeine Empfehlung gilt im Übrigen nicht nur für den Bereich des Kündigungsrechtes, sondern darüber hinaus auch für andere Bereiche des Arbeitsrechts, namentlich für das Diskriminierungsrecht vor dem Hintergrund des Allge-meinen Gleichbehandlungsgesetzes. Dr. Sören Kramer, Büro Detmold | [email protected]

Polnisches Handelsrecht – geplante Änderungen

Die polnische Regierung hat beim poln. Parlament den Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzbuches der Han-delsgesellschaften eingereicht. Dieses Gesetz soll einige wesentliche Änderungen ins Gesetzbuch der Handelsgesell-schaften einführen:

Die minimale Höhe eines Stammkapitals einer GmbH soll von jetzigen PLN 50.000 (ca. EUR 14.500) auf PLN 5.000 (ca. EUR 1.450) und einer AG von jetzigen PLN 500.000 (ca. EUR 145.000) auf PLN 100.000 (ca. EUR 26.500) herab-gesetzt werden.

Die Kommunikation zwischen einem Gesellschafter einer Einmanngesellschaft und dieser Gesellschaft soll vereinfacht werden. Die Erklärungen eines Gesellschafters gegenüber dieser Gesellschaft werden keiner Schriftform mit notariell beglaubigten Unterschriften mehr bedürfen. Zur Zeit bedür-fen diese Erklärungen für ihre Wirksamkeit einer Schriftform mit notariell beglaubigten Unterschriften, falls sie eine über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehende Angele-genheit betreffen. Gleiches gilt für die AG.

Die Gesellschafter werden schneller Nachschüsse zurückerstattet bekommen. Zur Zeit können Nachschüsse erst nach 3 Monaten, gerechnet seit der entsprechenden Bekanntgabe, ausgezahlt werden. Gemäß dem Gesetzent-wurf wird diese Frist auf 1 Monat verkürzt.

Die Regeln betreffend die Frist für die Auszahlung einer Dividende werden konkretisiert. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass eine Dividende in einer im Beschluss der Gesellschaf-terversammlung festzulegenden Frist auszuzahlen ist. Wird ein Zahlungstag im Beschluss nicht genannt, wird er von der Geschäftsführung festgelegt. Diese Angelegenheit war bis-her im Gesetzbuch der Handelsgesellschaften nicht geregelt,

was vor allem steuerliche Nachteile verursachte (unentgelt-liche Leistung).

Das Gesetz wird nach 30 Tagen ab der Veröffentlichung in einem Publikationsblatt in Kraft treten.

Neue Steuersätze in PolenDie Einkommensteuersätze in Polen werden ab 1. Januar 2009 18% und 32%, je nach der Höhe der Einkommen, betra-gen. Zur Zeit betragen sie 19%, 30% und 40% des Einkom-mens. Der Körperschaftsteuersatz bleibt unverändert und wird nach wie vor 19% betragen. Die Höhe der Mehrwert-steuer wird auch unverändert bleiben und beträgt 22%.Dr. Mirosław Babiaczyk, Posen (Polen) | [email protected]

„Internationales“ Mahnverfahren – eine sinnvolle Alternative zur Klage im Ausland

Das Mahnverfahren in Deutschland erfreut sich großer Beliebtheit. Gerade bei geringen Forderungen bietet das Ver-fahren dem Gläubiger die Möglichkeit, kosten- und zeitspa-rend an einen Vollstreckungstitel zu gelangen. Sitzt der Schuldner im Ausland, so war das Mahnverfahren bislang wenig attraktiv – der durch das Verfahren erlangte Vollstre-ckungstitel musste im Ausland durch ein aufwendiges Ver-fahren anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden. Seit dem 21.10.2005 gibt es den sog. „europäischen Vollstre-ckungstitel“, der das Anerkennungs- und Vollstreckbarkeits-erklärungsverfahren im europäischen Ausland entbehrlich macht. Nunmehr liegen erste Erfahrungen vor, auf die zurück-gegriffen werden sollte, denn damit das Verfahren seine volle Wirkung entfalten kann, sind verschiedene Dinge zu be- achten.

1. Der europäische Vollstreckungstitel gilt überhaupt nur für Forderungen gegen im europäischen Ausland ansässige Schuldner mit Ausnahme Dänemarks – und praktisch auch nur dann, wenn es sich bei diesen nicht um Verbraucher han-delt. In vielen dieser Länder gibt es keine gesetzlichen Gebüh-renordnungen für Anwälte, so dass das dortige Gebührenni-veau in der Regel deutlich über dem deutschen liegt. Die ebenfalls häufig fehlende Kostenerstattung für den Gläubiger führt in der Regel dazu, dass sich eine Rechtsverfolgung im Ausland für geringe Forderungen wirtschaftlich nicht lohnt. Durch eine umsichtige Gestaltung der Rechtsgeschäfte mit ausländischen Kunden sowie unter geschickter Einbeziehung eigens für den internationalen Vertrieb erstellter AGB lässt sich jedoch bereits bei Vertragsschluss der Boden für eine effiziente Rechtsverfolgung von Deutschland aus bereiten.

2. Damit das deutsche Mahnverfahren überhaupt zuläs-sig ist, müssen die deutschen Gerichte zuständig sein; es muss einen sog. „Gerichtsstand“ in Deutschland geben. Grundsätzlich gibt es diesen nach der momentanen Rechts-lage nicht ohne weiteres, sondern dieser Gerichtsstand muss entweder zwischen den Parteien vereinbart und diese Ver-einbarung wirksam sein oder sich als sog. „Gerichtsstand des Erfüllungsortes“ in Deutschland befinden.

a) In der Praxis erweist sich diese Voraussetzung mei-stens als ungewöhnlich schwer zu erfüllen, da in vielen Fällen zwar eine Gerichtsstandsvereinbarung in den AGB deutscher Unternehmen zu finden ist, diese jedoch oftmals nicht wirk-sam in das konkrete Rechtsgeschäft einbezogen wurden. AGB sind im internationalen Verkehr grundsätzlich nur dann

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einbezogen, wenn sie bis spätestens beim Vertragsschluss der anderen Seite in einer für diese verständlichen Sprache zur Kenntnis gebracht werden (die Möglichkeit zur Kenntnis-nahme reicht in der Regel nicht und ist außerdem durch die Gegenseite leicht zu bestreiten). Diese verständliche Spra-che ist die Verhandlungs- oder Heimatsprache. In der Praxis werden in den meisten grenzüberschreitenden Sachverhal-ten die Verhandlungen auf Englisch geführt, nur die wenigsten Unternehmen verfügen über englischsprachige AGB, womit eine wirksame Einbeziehung (gerade im praktisch wichtigsten Fall der Warenlieferung ins Ausland) bereits gescheitert ist. Ferner findet sich ein Verweis auf die AGB (gerade bei Ver-tragsschluss per E-Mail oder am Telefon) oftmals erst auf der Rechnung – diese wird aber erst nach Vertragsschluss gestellt, eine Einbeziehung der AGB in den Vertrag scheitert also auch daran.

An dieser Stelle muss daher darauf hingewiesen werden, dass der Gestaltung und der Einbeziehungspraxis der AGB oftmals eine entscheidende Bedeutung zukommt.

b) Scheitert die wirksame Einbeziehung der AGB wie vorab beschrieben, bleibt noch die Möglichkeit, die Zustän-digkeit deutscher Gerichte über den sog. „Gerichtsstand des Erfüllungsortes“ zu begründen. Wo dieser Erfüllungsort anzu-nehmen ist, ist zwischen verschiedenen Obergerichten in Deutschland und auch in anderen Ländern der EU streitig. Zur Zeit vertreten im praktischen Fall der Warenlieferung wie-derum die meisten Gerichte eine Auffassung, die fast immer zu einem Gerichtsstand am Wohnsitz des Schuldners führt (den man freilich auch ohne den Rückgriff auf den Erfüllungs-ort immer hat). Zur Zeit ist der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst, ob diese Rechtsprechung aufrechterhalten werden kann, so lange aber eine die Rechtsunsicherheit beseitigende Entscheidung des höchsten deutschen Zivilge-richts fehlt, muss man den misslichen Zustand als gegeben akzeptieren. Hier können jedoch bereits simple Vermerke in den ausgehandelten Kaufvertrag helfen, etwa indem dort eine Lieferung „ex works“ ausgehandelt wird. Dann liegt eine sog. Erfüllungsortvereinbarung vor – zugunsten des deut-schen Gerichts, wenn das Unternehmen sein Werk in Deutschland hat (was unterstellt wird).

3. Abweichend vom bekannten, rein nationalen Mahnver-fahren muss man dem Mahnbescheidsantrag unbedingt ein erläuterndes Schreiben an das Mahngericht beifügen, aus dem sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt. Grund für dieses Schreiben ist § 32 Abs. 2 AVAG: „Macht der Antrag-steller geltend, dass das Gericht aufgrund einer Gerichts-standsvereinbarung zuständig sei, so hat er dem Mahnantrag die erforderlichen Schriftstücke über die Vereinbarung beizu-fügen.“ Diese sollten, wenn der Gerichtsstand sich aus wirk-sam einbezogenen AGB ergibt, aus einer Kopie des Auftrags sowie der Auftragsbestätigung mitsamt einer Abschrift der die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenen AGB bestehen.

Uns sind Fälle bekannt, in denen auch dies dem Gericht nicht ausreicht. Danach fordert das Gericht vom Antrags-gegner unterschriebene Aufträge oder Verträge, in denen eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten deutscher Gerichte getroffen oder die Geltung von AGB mit einer sol-chen Klausel ausdrücklich vereinbart wird. Dem Gericht gegenüber ist dann nachzuweisen, dass der Antragsgegner die AGB tatsächlich akzeptiert hat. Diese Forderung findet zwar keine Stütze im Gesetz, jedoch sind die Streitwerte in den Fällen so gering, dass die Betroffenen wenig Motivation

verspüren, sich mit dem Mahngericht weiter auseinanderzu-setzen.

Es empfiehlt sich daher, in dem Anschreiben zum Mahn-bescheid dem Mahngericht gegenüber detailliert darzulegen, woraus sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt. Das-selbe gilt auch für den Fall, dass sich der Antragsteller auf den oben bereits erwähnten „Gerichtsstand des Erfüllungsortes“ beruft. Zwar prüft das Mahngericht dessen Vorliegen bereits von Amts wegen, es schadet jedoch nicht, dem prüfenden Rechtspfleger bereits die eigene Wertung darzulegen, son-dern beugt unter Umständen lästigen Nachfragen vor.

4. All dies hilft jedoch wenig, wenn man weder eine wirk-same Gerichtsstandsvereinbarung noch eine Erfüllungsort-vereinbarung in den Vertrag aufgenommen hat und dies ggf. einem Mahngericht gegenüber auch nachweisen kann. Aus diesem Grunde sollte diesem Problemkreis gerade dann mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn Unterneh-men eine Vielzahl von Einzelgeschäften mit ausländischen Kunden tätigen, deren Einzelvolumen eine vollständige Rechtsverfolgung (also Klage) im Ausland nicht rechtfertigt.Dr. Nils Wigginghaus, Büro Gütersloh | [email protected]

Kurzinformationen für den Rechtsverkehr mit China – Juni 2008

Die Olympischen Spiele 2008 werfen ihre Schatten voraus und an Superlativen muss nicht gespart werden: die höch-sten Investitionen vor Ort, die meisten Erlöse aus TV- und Sponsorengeldern, ein Vielfaches der Investitionen von Athen 2004. Inzwischen sind die meisten eindrucksvollen olympischen Austragungsstätten fertiggestellt, das U-Bahn-netz um mehrere Linien erweitert und die Stadt Peking biegt auf die eigene Zielgerade ein: zwei Wochen vor und zwei Wochen während der Olympiade ist der luftverschmutzenden Industrie um Peking herum der Betrieb untersagt, um die Luftqualität zu steigern. Vor Ort wird sich in dieser Zeit wenig bewegen, erwartet wird trotz des zusätzlichen Einsatzes mehrerer Tausend Taxis und neuer Buslinien ein Verkehrs-chaos. Viele Büros schließen offiziell, andere halten nur eine Notbesetzung bereit.

Das Büro von BDPHG in Beijing wird während der Olym-pischen Spiele geöffnet sein, allerdings kann es bei der Bear-beitung von Mandaten zu unvorhersehbaren Verzögerungen kommen, die bereits jetzt einkalkuliert werden sollten.

Eines ist klar: Bereits vor der Eröffnungsfeier am 8.8.2008 (gewählt, da die Zahl „8“ im Chinesischen eine Glückszahl ist, obwohl August der klimatisch schlechteste Monat des Jahres in Beijing ist) tritt China und insbesondere Peking in einen Ausnahmezustand, der Geschäftsbeziehungen zeitlich bela-sten wird, aber die Chinesen mit viel Stolz erfüllt.

1. Einschränkungen bei der Vergabe von Visa für die VR China im Vorfeld und während der Olympiade 2008Bereits seit einigen Wochen ist zu bemerken, dass sich die Visa-Vergabepolitik der chinesischen Botschaften geändert hat. Obwohl die Praxis der verschiedenen Konsulate hier nicht einheitlich ist, lässt sich als genereller Trend herausle-sen: Die Vergabe der sehr beliebten F-Visa (Geschäftsvisa) mit einer Dauer von 12 Monaten bei mehrfacher Einreise ist eingeschränkt. Damit möchte die Regierung in Peking vor allem eine stärkere Kontrolle über diejenigen Ausländer

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bekommen, die während der Olympiade im Land sind, zum anderen aber auch die Ausländer erfassen, die aufgrund ihres ständigen Aufenthaltes im Land dort steuerpflichtig sind, ohne dort bislang Steuern zu zahlen. Das kann dazu führen, dass sich vor allem Geschäftsreisende mit einer chinesischen Tochtergesellschaft darauf einstellen müssen, dass sich kurz-fristige Reisen zum Unternehmen aufgrund restriktiver Visa-Politik schwieriger gestalten als vorher. Noch schwieriger wird es, wenn bislang die Visa-Bestimmungen (etwa: die Registrierung des jeweiligen Aufenthaltsortes) nicht beachtet wurden und dies aktenkundig ist. Letzteres kann in etwa dann geschehen, wenn der Ausländer die maximale Aufenthalts-dauer überschreitet und einen entsprechenden Vermerk über seine Ausreisepflicht innerhalb von zehn Tagen im Pass angebracht wird. Für denjenigen dürfte es schwierig bis sogar unmöglich sein, ein neues Visum zu beantragen. Unter Umständen muss dann ein anderer Vertreter des Unterneh-mens in die Volksrepublik reisen.

Wichtig: Der früher oft gewählte Weg über Hong Kong führt einigen Berichten zufolge auch nicht mehr zum Ziel. Das dortige „Visa Office“ lehnt demnach Anträge von nicht in Hongkong residierenden Antragstellern ab.

2. Kampf gegen Produktpiraterie – Vertragsgestaltung bei OEM HerstellungBDPHG rät allen seinen Mandanten mit geschäftlichen Kon-takten nach China (egal ob als Importeur, Exporteur oder Dienstleister) stets zu prüfen, ob das geistige Eigentum in China geschützt ist. Selbst wer in China selbst nicht aktiv ist, sollte dort einen gewissen Grundschutz erlangen, da Pro-duktpiraten in China in der Lage sind, das gesamte Ostasien-geschäft empfindlich zu stören. Oftmals verzichten deutsche Unternehmer auf Schutz aufgrund der damit zusammenhän-genden Kosten oder mit dem Hinweis darauf, dass in China nur „OEM“-Ware produziert werde. Richtig ist, dass in die-sem Fall ein Markenschutz zunächst entbehrlich ist, aller-dings bedarf die Vertragsgestaltung mit dem OEM-Produzenten entsprechend größerer Aufmerksamkeit. So sollte dort eine explizite Verpflichtung mit aufgenommen sein, es zu unterlas-sen, die OEM Produkte unter eigenem Namen auf den Markt zu bringen. Immer wieder tauchen OEM-Lieferanten deut-scher Unternehmer mit einem identischen Produktkatalog auf chinesischen Messen auf. Damit wirksam gegen solch ein Verhalten vorgegangen werden kann, bedarf es einer wirksamen Schiedsklausel im OEM-Vertrag, die aber gleich-zeitig den Zugang zu den chinesischen Gerichten für Maß-nahmen des einstweiligen Rechtsschutzes offenhält.

3. Neues Kartellgesetz der VR China tritt zum 1. August 2008 in KraftNach über 13-jähriger Arbeit an dem neuen Gesetz wird es am 1. August 2008 in Kraft treten und weitreichende Neue-rungen auf dem Gebiet des Kartellrechts mit sich bringen. Das neue Recht löst über zwölf bereits existierende Vor-schriften ab und soll ein umfangreiches Rahmenrecht für die Behandlung kartellrechtlicher Probleme in China bereitstel-len. Davon betroffen sind sämtliche Fälle eines kartellrecht-lichen „Verhaltens“. Das Gesetz definiert ein solches Verhalten als monopolistische Verträge zwischen Unterneh-men, Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowie anderes wettbewerbswidriges Handeln. Für Unternehmens-akquisitionen bedeutet dies, dass neben der bisher bereits

erforderlichen ministeriellen Erlaubnis bei Unternehmens-käufen nun auch eine kartellrechtliche Genehmigung einge-holt werden muss. Grundsätzlich unzulässig sind nach dem neuen Gesetz Preisabsprachen, Absatzbeschränkungen, Marktaufteilungen sowohl im Ein- als auch im Verkauf u.v.m. Dem „Basis Law“ Ansatz der VR China folgend ist das Gesetz selbst gemessen an unseren Vorstellungen vage und wird aller Voraussicht nach durch weitere Auslegungsrichtlinien konkretisiert.Dr. Nils Wigginghaus, Büro Gütersloh | [email protected]

Ordnungsgeld wegen unterlassener Offenlegung von Jahresabschlüssen

Viele Unternehmen haben in den vergangenen Wochen Post vom Bundesamt für Justiz (BfJ) bekommen. Darin wird ihnen ein Ordnungsgeld wegen Verletzung ihrer Verpflichtung zur Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse angedroht. Dieses Ord-nungsgeld wird festgesetzt, wenn das Unternehmen nicht innerhalb von sechs weiteren Wochen seiner Offenlegungs-pflicht nachkommt. Da bei „beharrlicher“ Nichtoffenlegung oder fehlender Rechtfertigung mittels Einspruchs die Verfü-gung unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes wie-derholt wird, kann die Angelegenheit schnell teuer werden.

Hintergrund ist das am 01.01.2007 in Kraft getretene Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genos-senschafts-/Unternehmensregister (EHUG). Das EHUG hat das bisherige Sanktionssystem für Verstöße gegen die Ver-pflichtung zur Offenlegung von Jahresabschlüssen abgelöst, wonach Offenlegungsverstöße nur auf Antrag verfolgt wur-den. Nunmehr schreitet bei Verstößen gegen die Offenle-gungspflicht eine eigens geschaffene Bundesbehörde, das BfJ mit Sitz in Bonn, von Amts wegen ein, ohne dass es eines gesonderten Antrags bedarf. Für die ab dem 01.01.2006 beginnenden Geschäftsjahre muss daher mit der konse-quenten Ahndung von Publizitätspflichtverletzungen gerech-net werden.

Zwar gibt es die Möglichkeit, sich gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung der Veröffentlichung des Jahresabschlusses durch einen Einspruch zu wehren. Erfolgreich wird ein solcher Einspruch voraussichtlich aber nur ausnahmsweise sein, wenn z.B. die Ordnungsgeldverfü-gung des BfJ nicht „bestimmt genug“ ist oder wenn ein Unter-nehmen zwar offengelegt hat, die Offenlegung aber nach unzutreffender Ansicht des BfJ (z. B. wegen angeblich unzu-lässiger Inanspruchnahme der gesetzlichen Erleichterungen über die Offenlegung für kleine Kapitalgesellschaften) unzu-reichend sein soll. Es kommt also auf den Einzelfall an.

Für Unternehmen, die sich gegen eine Veröffentlichung ihrer Jahresabschlüsse für Geschäftsjahre bis zum Jahr 2005 wehren wollen, wird es ebenfalls schwer. Solche „Altfälle“ werden auch nach Inkrafttreten des EHUG nur auf Antrag durch die örtlichen Registergerichte verfolgt. Grundlage für Sanktionen der Registergerichte war eine Vorschrift in dem Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG). Eben diese FGG-Vorschrift hat der Gesetzgeber jedoch bei Verab-schiedung des EHUG ersatzlos gestrichen. Aus diesem Grund lehnten einige Untergerichte in nicht veröffentlichten Entscheidungen Sanktionen wegen Nichteinreichung von Jahresabschlüssen für vor dem 01.01.2006 begonnene Geschäftsjahre ab. Diesem Standpunkt ist nunmehr das OLG

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München entgegengetreten. Zwar sei die Aufhebung der FGG-Verfahrensvorschrift ein „gesetzgeberisches Missge-schick“. Nach Ansicht des OLG München soll sich aber aus den Überleitungsvorschriften zum EHUG ergeben, dass die aufgehobene FGG-Vorschrift trotzdem noch für Altfälle anzu-wenden sei.

Ob mit diesem neuen Beschluss des OLG München schon das letzte Wort in der Frage der Sanktionierung von Publizitätspflichtverletzungen für sog. Altfälle gesprochen ist, bleibt abzuwarten. Dr. Jens Hoffmann, Büro Detmold | [email protected]

Rechtliche Risiken bei Einführung neuer Produkt-/Geschäfts-/Unternehmens- bezeichnungen und deren Vermeidung

1. Neue Produkt-, Geschäfts- bzw. Unternehmensbe-zeichnungen (bestehend aus Wörtern und/oder Logos) kön-nen mit älteren Bezeichnungen kollidieren und Rechte Dritter verletzen. Diese Gefahr besteht sowohl im Verhältnis zu iden-tischen als auch zu verwechselbar ähnlichen Bezeichnungen. Der Schutzbereich kann dabei erstaunlich weit reichen.

Kommt man insoweit jemandem in die Quere (wofür es schon genügt, erkennbare Vorbereitungen für die bevorste-hende Benutzung einer kollidierenden Bezeichnung zu tref-fen; auf eine eigene Markenanmeldung kommt es insoweit z. B. nicht an), kann das gravierende Folgen haben:

In der Regel erhält man zunächst eine kostspielige anwalt-liche Abmahnung, in der man zur sofortigen Einstellung der Benutzung der Bezeichnung und (bei Registrierung) deren Löschung, zur Auskunftserteilung über den bisherigen Benut-zungsumfang, Schadensersatz und Erstattung der Anwalts-kosten aufgefordert wird. Fügt man sich dem nicht, folgt meist ein Gerichtsverfahren, das weitere erhebliche Kosten verurs-acht. Schließlich sind vorsätzliche Verstöße gegen das Mar-kengesetz sogar strafbar.

2. Vor der Entscheidung für neue Produkt-, Geschäfts- bzw. Unternehmensbezeichnungen empfiehlt es sich daher, von einem Fachmann potentielle Kollisionsrisiken prüfen zu lassen.

Dafür kann man zunächst von einem darauf spezialisierten Dienstleister eine Recherche nach älteren Marken durchfüh-ren lassen, deren Ergebnis sodann rechtlich zu bewerten ist.

Anders als bei Marken kommt es bei älteren Unterneh-mensbezeichnungen weniger auf die reine Registerlage an als auf die Benutzungssituation. Wer neue Produkt-, Geschäfts- bzw. Unternehmensbezeichnungen in Gebrauch nehmen will, ist meist gut informiert, wer auf „seinem“ Markt sonst noch vergleichbar auftritt. Auch hierauf sollte sich die rechtliche Bewertung erstrecken.

Recherche und Bewertung lassen sich innerhalb weniger Tage erledigen. Die Kosten hängen vom konkreten Aufwand bzw. davon ab, auf wie viele unterschiedliche Warenbereiche sich die eigene neue Produkt-, Geschäfts- bzw. Unterneh-mensbezeichnung erstrecken soll. Im Regelfall werden 600,00 – 800,00- € netto nicht überschritten – und damit nur ein Bruch-teil der Kosten einer späteren Auseinandersetzung. Eine genauere Vorhersage ist möglich, wenn feststeht, auf wie viele unterschiedliche Warenbereiche sich die eigene neue Produkt-, Geschäfts- bzw. Unternehmensbezeichnung erstrecken soll.

3. Eine eigene Markenregistrierung der neuen Produkt-,

Geschäfts- bzw. Unternehmensbezeichnung hilft zwar nicht gegenüber Inhabern älterer Rechte, sichert einen jedoch wir-kungsvoll gegenüber späteren „Trittbrettfahrern“ (insbeson-dere bei Anmeldung schon vor der ersten öffentlichen Benut-zung).

Für den Zeitrang einer Marke im Verhältnis zu Drittrechten ist in der Regel deren Anmeldetag maßgeblich. Bis zur Regis-trierung – ab dann existiert die Marke und kann anderen ent-gegengehalten werden – vergehen ca. 6 Monate.

Kosten (deutsche Marke):Die Gebühren des Patentamtes hängen wiederum davon ab, auf wie viele unterschiedliche Warenbereiche sich die eigene neue Bezeichnung erstrecken soll:n Wenn bis zu drei Klassen der amtlichen

Liste erfasst werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300,00 €n Jede weitere Klasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100,00 €Zusätzlicher Aufwand kann entstehen, wenn das Patentamt Bedenken hinsichtlich der Schutzfähigkeit der Marke äußert oder von dritter Seite Widerspruch gegen die Eintragung ein-gelegt wird.

Für die Erstreckung einer Marke auf einzelne weitere Län-der oder eine europaweite Anmeldung entstehen zusätzliche Kosten, die je nach Fall unterschiedlich sind, aber vorab unverbindlich ermittelt werden können.Frank Schembecker, Büro Detmold | [email protected]

Nutzung der Musterverträge EVB-IT in der freien Wirtschaft

Seit über 30 Jahren arbeitet die öffentliche Verwaltung bei der Vergabe von Aufträgen aus dem Bereich der Datenverar-beitung bzw. Informationstechnologie mit Standardverträgen und vorformulierten Einkaufsbedingungen. Es existieren mehrere Musterverträge, durch die typische Konstellationen wie der Erwerb von Hardware, die Erstellung von Software oder die Einführung neuer IT-Systeme erfasst werden. Die Dokumente wurden zunächst als „Besondere Vertragsbedin-gungen für die Beschaffung von Datenverarbeitungsanlagen und -geräten“ (BVB) veröffentlicht. Inhaltlich erfolgte durch die BVB eine Konkretisierung der „Allgemeinen Vertragsbe-dingungen für die Ausführung von Leistungen“ (VOL/A).

Seit 2000 sind die BVB nach und nach durch neue „Ergän-zende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen“ (EVB-IT) abgelöst worden. Der Vorteil der EVB-IT ist die vergleichsweise einfache Struktur. Alle EVB-IT-Musterverträge sind vollständig ausformuliert, wobei von den Verwendern lediglich noch Platzhalter etwa im Hin-blick auf die genaue Bezeichnung der Leistungen und die Vergütung ausgefüllt werden müssen. An vielen Stellen bietet der Vertragstext verschiedene Optionen; durch Ankreuzen kann dann eine Alternative ausgewählt werden. Im Herbst 2007 ist zuletzt der EVB-IT-Systemvertrag veröffentlicht wor-den, so dass aktuell für alle wesentlichen Vertragskonstellati-onen auf EVB-IT-Muster zurückgegriffen werden kann.

In der Vergangenheit war es üblich, dass die öffentliche Verwaltung die Musterverträge im Einvernehmen mit der Wirtschaft erarbeitet hat. Wegen dieser gemeinsamen Erar-beitung werden die EVB-IT vielfach als ausgewogene Ver-tragsbestimmungen dargestellt. Tatsächlich sind die Ver-tragsbestimmungen vielfach allerdings eher anbieterfreundlich.

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Für den neuen EVB-IT-Systemvertrag gilt dies jedoch nur eingeschränkt, da erstmals eine nicht mit der Wirtschaft abgestimmte Version veröffentlicht wurde.

Teilweise greifen Unternehmen vor dem Hintergrund der vermeintlich ausgewogenen Regelungen auch auf die Ver-tragsbestimmungen zurück, wenn die öffentliche Verwaltung überhaupt nicht als Auftraggeber beteiligt ist. Sofern der Vor-schlag bzw. die Vorgabe der Nutzung der EVB-IT nicht von der öffentliche Verwaltung als Auftraggeber kommt, ist zu beachten, dass die Musterverträge dem AGB-Recht unterlie-gen und damit einer Inhaltskontrolle zu unterziehen sind. Während die Verwendung der EVB-IT als Einkaufsbedin-gungen unbedenklich ist, können bei ihrer Verwendung als Verkaufsbedingungen einige Klauseln problematisch sein, da der Auftraggeber (für den sie ursprünglich entworfen worden sind) einseitig benachteiligt wird. Vor diesem Hintergrund sollten die EVB-IT, die als Muster hilfreich sind, jedenfalls nicht ungeprüft als Grundlage für Verträge in der freien Wirt-schaft genutzt werden.Dr. Sebastian Meyer, Büro Bielefeld | [email protected]

Wettbewerbsverstoß durch Verwendung unwirksamer AGBs?

Die wohl meisten Unternehmen, die Waren oder Leistungen anbieten, verwenden Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formularverträge. Nicht selten enthalten solche Geschäfts-bedingungen rechtlich unzulässige Bestimmungen, da sie die teils strengen Anforderungen an die Wirksamkeit von Formu-larklauseln gem. §§ 307 ff. BGB nicht erfüllen. Oftmals wer-den Klauseln in älteren Geschäftsbedingungen auch durch eine Gesetzesänderung oder eine neue Rechtsprechung unwirksam. Bislang führte der Verstoß einzelner Klauseln gegen geltendes Recht nur dazu, dass an die Stelle dieser Bestimmungen die jeweilige gesetzliche Regelung trat. Dane-ben gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, dass bestimmte Organisationen und Verbände die Unterlassung der Verwendung der unwirksamen AGBs verlangen können, was in der Praxis jedoch nur von geringer Bedeutung ist. In der jüngeren Vergangenheit mussten sich allerdings immer wieder die Gerichte mit der Frage befassen, ob die Verwen-dung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern nicht auch zugleich einen Wettbe-werbsverstoß darstellt und somit auch von Mitbewerbern ver-folgt werden kann.

Wesentlich für die Beantwortung dieser Frage ist die Fest-stellung, ob die Vorschriften über die Inhaltskontrolle von All-gemeinen Geschäftsbedingungen in § 307 ff. BGB so genannte Marktverhaltensregelungen im Sinne des Wettbe-werbsrechts darstellen. Während die Oberlandesgerichte Hamburg und Köln dies vor kurzem noch verneinten, ist das Kammergericht Berlin – zuletzt mit einer Entscheidung vom 25.01.2008 – dieser Auffassung entgegengetreten und hat entschieden, dass unwirksame AGB-Klauseln, die gegenü-ber Verbrauchern verwendet werden, unter bestimmten Umständen zugleich wettbewerbswidrig sind. Gegenstand der Entscheidung war die Klausel „Teillieferungen und Teilab-rechnungen sind zulässig“. Diese Bestimmung ist in Formu-larverträgen mit Verbrauchern nach Auffassung des KG Ber-lin unwirksam (meint übrigens auch das OLG Hamburg), da sie die dem Verbraucher zustehenden Leistungsverweige-

rungs- und Rücktrittsrechte einschränke. Während das OLG Hamburg hierzu die Auffassung vertritt, dass nur solche Ver-tragsklauseln wettbewerbswidrig seien, die sich bei der Nach-frageentscheidung des Verbrauchers im Vorfeld des Ver-tragsschlusses auswirken, meint das Kammergericht Berlin, dass auch Regelungen, die sich auf das Verhalten nach Ver-tragsabschluss, z. B. die Lieferung, auswirken, Gegenstand eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches sein können. Eine endgültige Klärung dieser Fragen durch den Bundesgerichtshof steht noch aus. Bis dahin sollte vor-sorglich davon ausgegangen werden, dass die Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln gegenüber Verbrauchern zu-gleich wettbewerbswidrig ist.

Wer solche Geschäftsbedingungen verwendet, sollte sie deshalb auf etwaige Rechtsverstöße überprüfen, um eine wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme zu vermeiden. Dr. Kevin Kruse, Büro Bielefeld | [email protected]

Neue Verpackungsverordnung birgt wettbewerbs-rechtliche Risiken

Die Verpackungsverordnung (VerpackV) in ihrer aktuellen Fassung vom 30.12.2005 verpflichtet Vertreiber von Waren u. a. dazu, vom Endverbraucher gebrauchte und entleerte Ver-kaufsverpackungen zurückzunehmen. Dies gilt auch für Ver-sandhändler, die darüber hinaus gem. § 6 Abs. 1 VerpackV sowohl in der Warensendung als auch in Katalogen (auch online!) auf die Rückgabemöglichkeit hinzuweisen haben. Mit einem Urteil vom 29.06.2006 (I ZR 171/03) hat der BGH bereits festgestellt, dass § 6 VerpackV eine sog. Marktverhal-tensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG darstellt, womit Verstöße gegen die Verpackungsverordnung zugleich als Wettbewerbsverletzung von Konkurrenten und Verbänden verfolgt werden können. Zuletzt hat das LG Lübeck mit Urteil vom 22.04.2008 (11 O 9/08) entschieden, dass das Fehlen des Hinweises auf die Rücknahmepflichten grundsätzlich wettbewerbswidrig sei. Jedenfalls bei kleinen Ebay-Shops sei aber nach Auffassung des Gerichts die Bagetellschwelle noch nicht überschritten, so dass im hier entschiedenen Ein-zelfall die Klage erfolglos geblieben ist.

Durch eine anstehende Neuregelung der Verpackungs-verordnung haben sich Vertriebsunternehmen allerdings auf eine völlig neue Gesetzeslage einzustellen, die zugleich auch zusätzliche wettbewerbsrechtliche Risiken mit sich bringt:

Am 02.04.2008 hat die Bundesregierung mit der Fünften Verordnung zur Änderung der Verpackungsverordnung (BGBl. 2008 I S. 531 ff.) die bisherigen Regelungen der Verpa-ckungsverordnung in einigen wesentlichen Punkten geändert bzw. ergänzt. Ab dem 01.01.2009 müssen sich Hersteller und Vertreiber, die mit Ware befüllte Verkaufsverpackungen, die typischerweise zum privaten Endverbraucher gelangen, erst-mals in den Verkehr bringen, zwingend an einem dualen Ent-sorgungssystem beteiligen. § 6 Abs. 1 S. 4 VerpackV n. F. untersagt dann die Abgabe von Verkaufsverpackungen an private Endverbraucher ausdrücklich, wenn sich die Herstel-ler und Vertreiber mit diesen Verpackungen nicht an einem solchen Entsorgungssystem beteiligen. Von dieser Regelung unmittelbar betroffen sind also nicht nur in Deutschland ansässige Hersteller, sondern auch Importeure, die die bereits verpackte Ware aus dem Ausland beziehen, sowie Händler, die die Ware zum Zwecke des Weitervertriebs an

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private Endverbraucher mit einer neuen bzw. weiteren Verpa-ckung versehen. Selbst kleine Internethändler sind nach die-ser Vorschrift künftig gezwungen, ausschließlich im dualen System lizenziertes Verpackungs- und Füllmaterial zu ver-wenden bzw. sich selbst eine Lizenz bei einem Systembetrei-ber zu beschaffen.

Der Verordnungsgeber hat dabei erkannt, dass die Behör-den die Einhaltung der neuen Vorschriften vor allem bei kleineren Unternehmen niemals ausreichend überwachen könnten. Das besondere an der Neuregelung ist deshalb, dass § 1 Abs. 1 VerpackV n. F. nunmehr ausdrücklich klar-stellt, dass das Gesetz neben den abfallwirtschaftlichen Zie-len auch dem Schutz der Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb dient. Damit unterfällt die Verpackungsverord-nung künftig sogar qua Gesetz der Regelung des § 4 Nr. 11 UWG, wonach der Verstoß gegen bestimmte marktregelnde Gesetze zugleich wettbewerbswidrig ist. Zwar konnten nach der bisherigen Rechtsprechung Verstöße gegen die Verpa-ckungsverordnung auch bereits von den nach dem UWG kla-gebefugten Verbänden (z. B. der Wettbewerbszentrale) sowie von jedem Mitbewerber auf zivilrechtlichem Wege verfolgt werden. Nunmehr werden Konkurrenten und Verbände aber sogar regelrecht damit beauftragt, die Einhaltung des Gesetzes zu überwachen. Denn aus der Begründung der Ver-ordnung ergibt sich, dass es ausdrücklich gewünscht ist, dass der Wettbewerb selbst für die Einhaltung der Vorausset-zungen der Verpackungsverordnung sorgt. Daneben können Verstöße gegen die Verpackungsverordnung wie bisher auch von den Behörden als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden.

Im Hinblick auf diese Neuregelung ist spätestens ab dem 01.01.2009 mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnwelle aufgrund von Verstößen gegen die Verpackungsverordnung zu rechnen, die vor allem kleinere Händler, die ihre Produkte vorwiegend über das Internet absetzen, betreffen könnte. Aufgrund der Gesetzesbegründung werden die Gerichte voraussichtlich kaum mehr einen Fall als Bagatelle ansehen können, da dies dem klar formulierten Zweck des Gesetzes widerspräche. Hersteller, Importeure und Vertriebsunterneh-men sollten deshalb umgehend überprüfen, ob die von ihnen verwendeten Verpackungen ausreichend lizenziert sind, soweit sie zur Weitergabe an den privaten Endverbraucher bestimmt sind. Vor allem bei Importverpackungen aus Fern-ost dürfte dies in der Regel nicht der Fall sein, so dass die Vertreiber sich rechtzeitig eine entsprechende Lizenz besor-gen sollten. Dr. Kevin Kruse, Büro Bielefeld | [email protected]

Neues zu Widerrufsbelehrungen und Impressumspflichten

Die strengen Anforderungen der Rechtsprechung an die ord-nungsgemäße Belehrung von Verbrauchern beim Abschluss so genannter Fernabsatzgeschäfte sind längst zum Dauer-thema für alle, die Waren oder Leistungen über das Internet, per Katalog oder im Telefonmarketing anbieten, geworden (siehe hierzu auch unseren Mandantenrundbrief Nr. 3/2007, S. 3 ff.). Zuletzt hatten einige Gerichte sogar entschieden, dass die Verwendung der vom Bundesjustizministerium in einer Verordnung vorgegebenen „amtlichen“ Musterwider-rufsbelehrung den gesetzlichen Anforderungen nicht genügte. Die Bundesregierung hat darauf jetzt reagiert und das Muster

in der BGB-Informationspflichten-Verordnung mit Wirkung vom 01.04.2008 geändert. Der Text kann aktuell unter www.bmj.de/files/-/3052/BGB_Info_VO_120308.pdf herun-tergeladen werden. Es ist dringend zu empfehlen, dass alle Betreiber von Web-Shops sowie gewerbliche Nutzer der Internetauktionsplattform eBay ab sofort dieses Muster ver-wenden.

Auch bei Übernahme des amtlichen Musters ist allerdings Vorsicht geboten. Es handelt sich nämlich leider nicht um eine allgemeingültige und für jeden Fall gleich zu verwen-dende Vorlage, sondern vielmehr um eine Art „Baukasten“, aus dem die jeweils passende Widerrufsbelehrung erst zusammengesetzt werden muss. Der Mustertext muss des-halb ggf. nach Maßgabe der in den Fußnoten enthaltenen Anweisungen geändert bzw. ergänzt werden. So ist z. B. im Grundtext der Hinweis enthalten, dass auch eine bestim-mungsgemäße Ingebrauchnahme der erhaltenen Ware eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers auslösen kann. Dies gilt gem. § 357 Abs. 3 BGB allerdings nur dann, wenn der Ver-braucher vor Abschluss des Geschäftes in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist. Da die bloße Darstellung der Widerrufsbelehrung am Bildschirm nach ständiger Rechtsprechung nicht den Anforderungen an die Textform genügt, ist dieser Hinweis z. B. bei allen Rechtsge-schäften, die über eBay abgewickelt werden, falsch und damit wettbewerbswidrig. Das hat das Oberlandesgericht Stuttgart zuletzt mit Urteil vom 07.02.2008 festgestellt. Einen weiteren Fallstrick enthält das Muster in Bezug auf die Widerrufsfrist, die bei den meisten Fernabsatzverträgen nicht wie im Grund-text angegeben zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt. Die Erstellung der Widerrufsbelehrung anhand des Musters sollte somit mit aller größter Sorgfalt erfolgen, um kostspie-lige wettbewerbsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang ist auf eine weitere Rechtsän-derung hinzuweisen: seit dem 12.12.2007 ist die EU-Richtli-nie über unlautere Geschäftspraktiken von den deutschen Wettbewerbsgerichten anzuwenden, obwohl sie vom Gesetz-geber noch nicht ins nationale Recht umgesetzt worden ist (wir berichteten in unserem Mandantenrundbrief Nr. 4/2007, S. 10 ff.). Im Hinblick darauf hat das Oberlandesgericht Hamm jetzt mit einem Beschluss vom 13.03.2008 festgestellt, dass jedwede Verletzung der Impressumspflicht gem. § 5 Teleme-diengesetz zugleich einen Wettbewerbsverstoß darstellt, der niemals unter die so genannte Bagatellegrenze fallen kann. Jeder Unternehmer sollte deshalb seinen Internetauftritt noch einmal daraufhin überprüfen, ob sämtliche Impressumsanga-ben korrekt und vollständig gemacht werden. Selbst kleinere Fehler wie die Nichtangabe der Umsatzsteueridentifikations-nummer oder die falsche Bezeichnung des Inhabers eines einzelkaufmännischen Unternehmens als „Geschäftsführer“ können nach der neuen Rechtslage abmahnfähig sein. Wichtig: die Impressumspflicht gilt auch bei eBay-Angeboten und bei der Einstellung von gewerblichen Angeboten auf sonstigen Plattformen, die von Dritten angeboten werden (z. B. www.immobilienscout24.de etc.).Dr. Kevin Kruse, Büro Bielefeld | [email protected]

Seite 11Mandantenrundbrief | Juli 2008

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Unter dieser Rubrik berichten wir Ihnen von Tätigkeiten und Ereignissen, die ein wenig außerhalb der eigentlichen Anwaltstätigkeit liegen, mit ihr jedoch gleichwohl in Bezug stehen. Die genannten Veröffentlichungen stellen Ihnen die Autoren selbst-verständlich wie immer gern zur Verfügung.

n Unser Bielefelder Partner Herr Dr. Jürgen Löbbe ist seit Mai 2008 Notar und trägt seit Juni 2008 den Fachanwaltstitel für Erbrecht.

n Herr Dr. Christian Kollmeier hat im April 2008 zum Thema „Die Zurechnung einer von Dritten geschaffenen Haustürsituation - analog § 123 Abs. 2 BGB: Der richtige Weg?“ zum Dr. jur. promoviert.

n Der Paderborner Partner Herr Dr. Martin Dippel hält auch im laufenden Sommer-semester im Rahmen seines Lehrauftrages an der juristischen Fakultät der Universi-tät Rostock wieder eine Vorlesung zum Thema „Öffentliches Bau- und Bodenrecht“. Weiterhin arbeitet er an der Kommentierung im Erich Schmidt-Verlag zum künftigen Umweltgesetzbuch (UGB) mit, dessen erste Teile 2009 in Kraft treten sollen.

n Unsere Gütersloher Kollegen unterstützen die Opfer des Erdbebens in der Provinz Sechuan mit 5.000,00 €. Herr Dr. Franz Tepper und Herr Dr. Nils Wigging-haus übergaben einen entsprechenden Scheck an Herrn Oliver Engelen, Mitarbei-ter der Amity Foundation, einer gemeinnützigen Stiftung mit Büros in China.

n Darüber hinaus hielt Herr Dr. Franz Tepper im Rahmen der internationalen Begeg-nungswoche „OWL meets Polen“ in der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld einen Vortrag zu den Besonderheiten des polnischen Rechts.

n Weiterhin möchten wir Sie gerne schon heute darüber informieren, dass unsere Kompetenzgruppe Unternehmensrecht am 06.11.2008 im Parkhotel in Gütersloh zu der Reform des GmbH-Rechts, den Neuerungen im Erbrecht und zur Schenkung- und Erbschaftsteuerreform eine Mandantenveranstaltung durchführen werden. Wir würden uns freuen, wenn wir hierfür Ihr Interesse wecken können. Einladungsschrei-ben werden gesondert erfolgen.

Die in unseren Beiträgen allgemein erteilten Hinweise und Empfehlungen können und sollen eine anwaltliche Beratung nicht ersetzen. Für Anregungen und Rück-fragen stehen Ihnen die jeweiligen Autoren der Beiträge oder die Redaktion ([email protected]) gern zur Verfügung.