Julian Voloj/Claudia Ahlering: Ghetto Brother

11

description

 

Transcript of Julian Voloj/Claudia Ahlering: Ghetto Brother

27

Die Ironie war, dass die Armut uns zwang, in denselben

Vierteln zu leben.

Aber anstatt gegen das System zu kämpfen, bekämpften wir uns gegenseitig.

Irgendwie überbrückten die Gangs die Kluft zwischen Schwarzen und Puerto Ricanern. Sie waren selten nach Rasse getrennt.

Gangs waren territorial.

Später nannten einige diesen Stadtteil die „Inner City“, aber wir nannten ihn einfach das „Ghetto“.

Deshalb nannten wir uns Ghetto Brothers.

28

Aber dann kamen die Hells Angels.

Anfangs malten die Gangs ihre Colors hinten auf ihre Westen.

Im alten England hatten die Ritter ihre Wappen.

Hier im Ghetto hatte jede Gang ihre eigene Art von Kennzeichen, die Colors.

... gab’s Dresche. Oh, Mann! Wir hatten eine Menge Spaß.

Wir verteidigten unser Gebiet. Wenn jemand unsere Straße ohne Erlaubnis passierte ...

29

Alle Gangs wollten brutal rüberkommen und Angst verbreiten.

Und glaub mir, die Hells Angels waren die Brutalsten von allen.

Wir brauchen auch so was. Etwas, das schockt!

Vielleicht einen Totenkopf? Oder ...

Sie malten ihre Colors nicht auf ihre Kutten, die hatten Aufnäher.

Ja, das Nazikreuz.

Das ist krass.

Blödsinn.... wie heißt das noch, das Naziding?

Wir brauchen etwas, das für uns steht.

Wir sind keine Nazis.

Weißt du überhaupt, was Nazis sind? Und es heißt Hakenkreuz.

30

Weißt du, was das bedeutet?

Ich werde mit deinen

Eltern sprechen.

Äh ...

Aber vorher hielt sie mir einen Vortrag. Ich muss zugeben, ich hatte keine Ahnung, was dieses Zeichen bedeutete. Ich wusste nicht wirklich, wer die Nazis waren.

Alles mögliche.

Ich kritzelte.

Ich hatte damals im Unterricht nicht aufgepasst.

Ich kannte das Wort durch Miss Rita,

… meine Lehrerin.

31

Ich wusste, die waren mies und brutal,

aber nicht was sie getan hatten. Miss Rita war Jüdin. Das wusste ich auch nicht. Ich fühlte mich schlecht.

Mach das nie wieder.

Ok?

Benjy, wir wollen krass aussehen.

Ich bin für’s Nazikreuz.

Nach einigen Diskussionen wussten wir was wir wollten.

Wir brauchen das nicht, um krass

auszusehen.

Weil iches sage.

Warum?

32

Die GBs waren eine der Größten. In der Bronx allein hatten wir 2000 Mitglieder. Und es gab Ableger in New Jersey, Connecticut und anderswo.

Mit den falschen Colors im Gebiet einer anderen Gang standst du auf der Abschussliste. Wenn man dich dabei erwischte, gab’s Prügel.

Bald trugen alle Gangs Kutten wie wir. Wir sahen alle grimmig, knallhart und abgewrackt aus.

Die Mülltonnen symbolisierten die erbärmlichen Lebensbedingungen der South Bronx.

Um seinen Respekt zu zeigen, musste man seine Weste ausziehen, wenn man das Gebiet einer anderen Gang betrat.

Respekt zollen und respektiert werden.

Es gab über 100 Gangs mit über 10.000 Mitgliedern in der Bronx.

Es war eine Volksarmee.

33

Führungsqualität.

Eine ausgestreckte Hand.

Das Geheimnis unseres Erfolgs?

Der Typ ist geil.

Sorgfältige Personalplanung.

34

Und manchmal auch feindliche Übernahmen.

Koalitionsabkommen.

Gute Öffentlichkeitsarbeit. Diplomatie.

35

Die Gangs übernahmen leerstehende Wohnblocks und verwandelten sie in ihre Clubhäuser.

Die Turbans, Peacemakers, Mongols, Roman Kings, Seven Immortals, Dirty Dozens, Black Spades ... Damals gab‘s so viele Gangs in New York.

Gangs waren Familienersatz.

Sie boten ein Dach über dem Kopf und Schutz.

36

Riesenfehler.

Einmal hatte jemand eine Schwester der Savage Nomads belästigt.

Dwyer High war die Arena der Gangs.

Wer ein Problem hatte, kam zu uns und wirlösten es.