Juli/August - dfb.de · 4 SCHIEDSRICHTER-ZEITUNG 4/2014 er sich eingehend mit Schiedsrich-tern...

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Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund 4/2014 Juli/August Titelthema Große Studie: So sehen sich Deutschlands Schiedsrichter Interview Saison 2013/2014: Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel zieht seine Bilanz Porträt Torsten Günther ist Deutschlands FIFA-Referee beim Beachsoccer Lehrwesen Was soll man tun, wenn sich der Charakter des Spiels ändert? Eine deutschlandweit angelegte Untersuchung der Universität Saarbrücken hat die Erfahrungen und Erwartungen der Schiedsrichter aller Spielklassen ausgewertet. Im Bild (von links): Leif Jischkowski, Alexander Teuscher und Jörg Blume vor einem Spiel der Oberliga Hamburg.

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Offizielles Magazin für die Schiedsrichter im Deutschen Fußball-Bund

4/2014Juli/August

Titelthema

Große Studie:So sehen sich DeutschlandsSchiedsrichter

Interview

Saison 2013/2014:Schiedsrichter-ChefHerbert Fandelzieht seine Bilanz

Porträt

Torsten Güntherist DeutschlandsFIFA-Referee beimBeachsoccer

Lehrwesen

Was soll man tun, wenn sich derCharakter desSpiels ändert?

Eine deutschlandweit angelegte Untersuchung der Universität Saarbrücken hat die Erfahrungenund Erwartungen der Schiedsrichter aller Spielklassen ausgewertet. Im Bild (von links): Leif Jischkowski, Alexander Teuscher und Jörg Blume vor einem Spiel der Oberliga Hamburg.

Wenn aus 80 Millionen ein Team wird.

Offizieller Partner der deutschen Nationalmannschaft und ihrer Fans.

Deutschland feiert mit Bitburger.

3S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 4Dieser Ausgabe ist ein Prospekt der Firma Allzweck-Sportartikel beigeheftet. Wir empfehlen, zur Durchsicht diesen Teil herauszunehmen.

Editorial Inhalt

Liebe Leserinnen und Leser,

die diesjährige Sommerpause bietet, bedingtdurch die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasi-lien, ausreichend Zeit, die abgelaufene Spiel-zeit zu analysieren und zu verarbeiten.

Zeit, welch ein kostbares Gut: Zeit, um fern-ab vom Fußball einmal abzuschalten. Zeit,auch anderen Bereichen des Lebens jetzteinmal den Vorrang einzuräumen. Zeit zurRegeneration, Zeit zur Vorbereitung auf diekommende Spielzeit.

Während unsere Nationalspieler am Zucker-hut um den Weltmeistertitel kämpfen, habenwir Zeit, um neue Kraft zu tanken. Diese Mög-lichkeit sollten wir nutzen, um den immerwiederkehrenden Anforderungen in allenSpielklassen als Unparteiische gerecht wer-den zu können.

Allerdings ist jetzt auch die Zeit der Obleuteund Lehrwarte, die zusammen mit ihrenSchiedsrichter-Ausschüssen und -Kommissio-nen die vergangene Saison aufarbeiten unddie Sommerlehrgänge zur Vorbereitung aufdie neue Spielzeit organisieren.

Die Sommerpause ist für sie auch eineschwierige Zeit, denn die Schiedsrichter-Gremien müssen Personal-Entscheidungentreffen, die Jahr für Jahr die Schiedsrichterin unserem Land bewegen.

Leistungen und Perspektiven werden„gemessen“ und bewertet, abgewogen unddiskutiert. Die jeweilige Saisonleistung einesUnparteiischen wird unter die Lupe genom-men und in ein Gesamtkonzept eingebettet.Am Ende gibt es Sieger und Verlierer – Auf-steiger, aber auch Absteiger.

Es ist daher ein Gebot der Fairness, dass dieSchiedsrichter-Führungen – von der Kreis-klasse bis hin zum professionellen Fußball –ihre Personal-Entscheidungen nach bestem

Zeit für Entscheidungen

Herbert Fandel, Vorsitzender des DFB-Schiedsrichter-Ausschusses.

Wissen und Gewissen und in Abstimmung mitmöglichst vielen Kolleginnen und Kollegentreffen und möglichst transparent und nach-vollziehbar kommunizieren.

Dass diese Entscheidungen dennoch nicht injedem Einzelfall auf Beifall stoßen, bedarfkeiner näheren Erklärung. Persönliche Emp-findungen und Empfindlichkeiten werdenunausweichlich berührt. Leistungs- undAltersgrenzen werden, je nach persönlicherBetroffenheit, unterschiedlich gesehen undbewertet.

Ich wünsche daher allen Obleuten und Lehr-warten, zusammen mit ihren Ausschüssenund Kommissionen, eine ruhige und vorallem glückliche Hand.

***

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilienbegleitet uns nun für einige Wochen. LassenSie uns dieses großartige Turnier genießenund unserem Schiedsrichter Dr. Felix Brychund seinem Team die Daumen drücken, dasssie mit guten und überzeugenden Spiellei-tungen den weltweit hervorragenden Ruf derdeutschen Schiedsrichter untermauern.

Ihnen allen wünsche ich eine schöne Som-merpause.

Ihr

Herbert Fandel

TitelthemaSchiedsrichter unter der LupeWelche Ergebnisse eine bundesweite Befragung gebracht hat 4

Panorama 9

Gespräch„Erstklassige Rückrunde stellt uns sehr zufrieden“Wie Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel die Saison bewertet 12

LehrwesenEin Spiel und sein CharakterWas im DFB-Lehrbrief Nr. 55 steht 15

RegelwerkÄnderungen der Regel 4Welche Vorgaben es für die kommende Saison gibt 18

Regel-TestBestimmungen beim Strafstoß 19

AnalyseEine ganz besondere TätlichkeitWas man aus den letzten Spieltagen der Saison lernen kann 23

PorträtEine Karriere auf Sand gebautWer der erste deutsche FIFA-Schiedsrichter beim Beachsoccer ist 28

Blick in die Presse 31

Aus den Verbänden 32

Vorschau 5/2014 34

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er sich eingehend mit Schiedsrich-tern beschäftigt hat. „In meinerJugend habe ich selbst aktiv Fuß-ball gespielt, heute nur noch hinund wieder mit Freunden. Für dieWelt der Schiedsrichter hat michaber erst die Forschung sensibili-siert – und wenn ich jetzt ins Sta-dion gehe oder die Berichterstat-tung in den Medien verfolge, achteich schon eher mal auf den Unpar-teiischen: wie er agiert oder wie ernachher in der Presse gesehenwird.“

Auch für Eike Emrich bedeutetedie wissenschaftliche Beschäfti-gung ein Umdenken: „Man nimmt

Titelthema

Schiedsrichter unter der Die Zahl der Schiedsrichter wird immer kleiner, Ursachenforschung ist angesagt. Deshalb möchte der D F besser kennenlernen. Und holt sich Hilfe aus der Forschung. Wer sind sie, die Schiedsrichter in Deutsch Woche für Woche, ihr Hobby auf den Plätzen der Republik? Eine aktuelle Studie ist diesen Fragen nachg ger stellt die Ergebnisse vor.

Sommer-Märchen 2006. AchtJahre ist es inzwischen her,

dass die Weltmeisterschaft imeigenen Land Fußball-Deutschlandin ihren Bann zog.

Es waren nicht nur die vielen Fans,die Fähnchen an den Autos undder Erfolg der Nationalmann-schaft, die dieses Jahr im DFB soerfolgreich machten – auch für dasSchiedsrichter-Wesen war 2006 eingutes Jahr. Damals gab es im Deut-schen Fußball-Bund noch mehr als80.000 Schiedsrichter.

Der AnlassIn den vergangenen Jahren istdiese Zahl kontinuierlich gesun-ken, 2013 waren es nicht einmalmehr 75.000 Unparteiische. Stellteman sich die Frage, warum so vieleSchiedsrichter in der jüngeren Ver-gangenheit die Pfeife an den Nagelgehängt haben, stieß man zwangs-läufig auf das Thema Gewalt.

Doch trotz der Übergriffe aufSpielleiter, trotz der Schlagzeilenüber Spielabbrüche und körperli-che Attacken: Klare Belege fürzunehmende Gewalt als Auslösermassenhafter Rücktritte gab esnicht.

Für den DFB war bald klar: Will manden Rückgang stoppen, wird eshöchste Zeit, die eigenen Schieds-richter wieder besser kennenzuler-nen.

Wer sind die Zehntausende vonUnparteiischen, die seit Jahren,teilweise Jahrzehnten an jedemWochenende bei jedem Wetter ihreTasche packen? Was hat sie einstauf die Idee gebracht, ein Amt zuübernehmen, das wohl die wenigs-ten auf Anhieb als Traumjobbezeichnen würden?

Wo haben sie Probleme, wo liegendie Schwierigkeiten, was kann derVerband tun, um seinen Schieds-

richtern ihr schwieriges Amt etwaszu erleichtern? Warum haben einigevon ihnen nach vielen Jahren dieNase voll, hängen ihre Pfeife anden Nagel und werden – auch aufder anderen Seite, als Beobachteroder Lehrwart – nie mehr gesehen?

Zwei Wissenschaftler sind diesenFragen nachgegangen: Eike Emrich,Professor für Sportsoziologie undSportökonomie an der Universitätdes Saarlandes, und sein Mitarbei-ter Christian Rullang. Im Auftragdes DFB forschen sie zu den The-men Gewinnung und Erhalt vonSchiedsrichtern. Anfang des Jah-res ist ihr Abschlussbericht für dasJahr 2013 erschienen.

Für Christian Rullang, der das Pro-jekt als Promotions-Thema bear-beitet, war es das erste Mal, dass

Wer sind Deutschlands Schiedsrichter? Die Forscher der Universität des Saarlandes haben beiihrer Untersuchung genau hingeschaut.

Christian Rullang hat dieUnparteiischen zum Promo-tions-Thema gemacht.

Das öffentliche Bild des Schiedsrichters

ist verzerrt.

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r Lupe FB seine Unparteiischen

land? Wie erleben sie, egangen. Tobias Altehen-

Schiedsrichter auf einmal ganzanders wahr. Obwohl es ohne siekeinen Ligabetrieb geben würde

Zwei zentrale Ergebnisse der Untersuchung: Der Anteil der Schiedsrichter, die Karrieremachen möchten, ist signifikant größer als die Zahl derer, die ihr Hobby des Geldes wegenbetreiben. Auch gibt die Hälfte der Unparteiischen an, durch ihre Tätigkeit dem eigenen Vereinhelfen zu wollen.

und sie somit eigentlich eineunglaublich wichtige Rolle einneh-men, wird nur dann über siegesprochen, wenn es Probleme mitder Akzeptanz ihrer Entscheidun-gen gibt – oder wenn plötzlichSchiedsrichter fehlen.“

Und Christian Rullang ergänzt:„Pfeift ein Schiedsrichter gut undunauffällig, bleibt das allenfallseine Randnotiz. Insofern ist dasBild des Schiedsrichters in derÖffentlichkeit doch stets etwasverzerrt.“

Die StudieOb dieses verzerrte Bild auch dieSchiedsrichter selbst stört, oderob sie sich mit ihrem unpopulärenJob abfinden – Professor Emrichund sein Mitarbeiter begaben sichauf Spurensuche.

In der ersten Phase der Studie galtes dabei zunächst, einen möglichstaufschlussreichen Fragebogen zuerarbeiten. Zu diesem Zweck wur-den ausführliche Interviews durch-geführt, in denen erst einmal 13Schiedsrichter aus dem Südwest-

deutschen- und SaarländischenFußballverband befragt wurden.

Die Forscher wollten dabei zumBeispiel wissen, aus welchem sozi-alen Umfeld die Probanden kamen,warum sie Schiedsrichter wurdenund welchen Problemen undSchwierigkeiten sie sich bereitsstellen mussten.

Dabei gab es neben vielen zuerwartenden Antworten auch man-ches Kuriosum. Ein Befragter nannteetwa eine „Wette“ als Grund fürden Auftakt seiner Schiedsrichter-Laufbahn – ein Freund habe ihndamit aufgezogen, dass er dieRegeln sowieso nicht beherrschenwürde. Um ihm das Gegenteil zubeweisen, habe er sich daraufhinzum Lehrgang angemeldet.

Nachdem anhand dieser qualitati-ven Interviews ein Online-Fragebo-gen erstellt worden war, beganndie deutschlandweite Befragung.Die Internetadresse war über denDFB und die Landesverbände andie Schiedsrichter weitergegebenworden, sodass jeder die Möglich-keit hatte, sich zu beteiligen.

Um die deutschen Unparteiischenbesser kennenzulernen, hattenEmrich und Rullang sechs zentraleFragen formuliert, die in dem Fra-gebogen dezidiert beantwortetwerden sollten (siehe: „Die zentra-len Fragen“).

Die zentralen Fragen

In der Schiedsrichter-Befra-gung 2013 haben sich die Saar-brücker Wissenschaftler auffolgende zentrale Fragen fokus-siert:

� Wer wird Schiedsrichter?� Warum wird man Schieds-

richter?� Warum will man aufsteigen?� Welche Probleme treten

während der Tätigkeit auf?� Warum steigt man aus?� Welche Unterschiede gibt es

zwischen den Leistungsklas-sen sowie zwischen männ-lichen und weiblichenSchiedsrichtern?

Hintergrund

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Titelthema

Sechs Handlungsempfehlungenhaben die Saarbrücker Wissen-schaftler dem DFB und seinen Lan-desverbänden in ihrer Studie mitauf den Weg gegeben.

Wir fragen Andreas Thiemann,Regional-Obmann des Westdeut-schen Fußball- und Leichtathletik-verbandes (WFLV) und in der DFB-Schiedsrichter-Kommission Ama-teure zuständig für Gewinnungund Erhalt von Unparteiischen,nach seinem Fazit.

Handlungsempfehlung 1:Präventions-Training„Um die Verletzungsgefahr beiSchiedsrichtern zu verringern,wäre ein Präventions-Training zuempfehlen. Dieses Training könnteden Schiedsrichtern als Muster-Trainingsplan zur Verfügunggestellt werden.“

Andreas Thiemann: Schiedsrichtersind längst nicht mehr nur dieUnparteiischen auf dem Platz. Diegestiegenen Anforderungen erfor-dern auch in den Amateurklassen

athletische, trainierte und aufihren Körper achtende Akteure.

Seit einiger Zeit tragen gezielteFortbildungsangebote dieser Tat-sache Rechnung. Den Schiedsrich-tern werden auf Stützpunkten,Lehrgängen in den Verbänden undauch in der Schiedsrichter-ZeitungTrainingspläne angeboten undÜbungen zur Vermeidung von Ver-letzungen an die Hand gegeben.

Es müssen mit den sportmedizini-schen Experten weitere Trainings-module entwickelt werden. Vorallem solche, die unsere vielenSchiedsrichter an der Basis leichtumsetzen können.

Handlungsempfehlung 2:Praxis-Schocks vermeiden„Eine praxisnähere Ausrichtungder Ausbildung wäre empfehlens-wert. Außerdem wäre eine Art‚Paten-Programm’ denkbar, beidem junge und unerfahreneSchiedsrichter von erfahrenen Kol-legen begleitet und unterstütztwerden.“

Thiemann: Die Schiedsrichter-Aus-bildung ist zunächst einmal theore-tisch ausgerichtet. Mit den Grund-kenntnissen zum Regelwerkmachen die Neulinge ihre erstenErfahrungen bei ihren Spielleitun-gen.

Viele Schiedsrichter-Gruppenbegleiten ihre Anfänger bereitsdurch Paten im Rahmen ihrer Mög-lichkeiten. Das führt oft auch zumErfolg.

Gegen Anfeindungen von außensind aber auch die Paten oft macht-los. Und es kann auch nicht die Auf-

gabe eines Paten sein, für Ruhe aufdem Spielfeld zu sorgen. Hier mussein Umdenkungs-Prozess bei allenAktiven einsetzen, bei den Eltern,Betreuern und Trainern.

Handlungsempfehlung 3:Maßnahmen gegen Gewaltergreifen„95 Prozent der Schiedsrichterwurden bereits beleidigt, 57 Pro-zent bedroht und 22 Prozent wur-den gewaltsam angegangen. DenSchiedsrichtern sollte bei solchenVorfällen ein ausreichendes Betreu-ungsangebot zur Verfügung stehen.Denkbar wäre etwa, den Vereinenaufzuerlegen, einen Schiedsrichter-Betreuer zu benennen, der für dieSicherheit der Unparteiischen ver-antwortlich ist.“

Thiemann: Auch hier bedarf eseines Schulterschlusses zwischenallen am Fußball Beteiligten. Gewaltdarf niemals verharmlost werden,nie darf der Eindruck entstehen,dass Gewalt toleriert wird.

Wer Gewalt ausübt, schadet unse-rem Sport, schadet der FaszinationFußball. Fußball spielt man mit demHerzen und nicht mit den Fäusten.

Andreas Thiemann nimmt fürdie Schiedsrichter-ZeitungStellung zu den zentralenAussagen der Studie.

Die Studie im Praxis-Check

Andreas Thiemann bewertet die Ergebnisse

„Wir sind davon ausgegangen,dass die Antworten auf diese Fra-gen den DFB sehr interessierenwürden“, erklärt Eike Emrich,„schließlich sollen die Ergebnissedazu dienen, die Situation derSchiedsrichter im DFB und dessenMitgliedsverbänden zu verbessernund außerdem dem DFB und sei-nen Landesverbänden bessereInstrumente für die Gewinnungund Bindung von Schiedsrichternan die Hand zu geben.“

Von Juli bis September 2013 warder Online-Bogen freigeschaltet.Knapp 5.000 Schiedsrichter betei-ligten sich, rund fünf Prozent vonihnen waren Frauen. Vertretenwaren Referees aller Leistungs-niveaus, von der FIFA-Liste bis zumKreislevel. Die unerfahrensten

Schiedsrichter waren in ihremersten, der erfahrenste Kollege garin seinem 63. Schiedsrichter-Jahr.

Für Eike Emrich und Christian Rul-lang also eine Menge Material, dases anschließend auszuwerten galt.

Die Ergebnisse sollten den Auf-wand jedoch rechtfertigen.

Die ErgebnisseInteressant für die Forscher warenzunächst die unterschiedlichenRekrutierungswege neuer Schieds-richter. Hierbei stellte sich heraus,dass es – von kuriosen Begründun-gen wie „Wette“ abgesehen – vorallem drei Faktoren sind, die diemeisten zur Laufbahn als Unpar-teiische führen:

� Vereinsbindung� Karriere� Nähe zum Fußball

Eike Emrich: „Überraschend füruns war zu sehen, wie oft der Wegzum Schiedsrichter eher zufälliggeschieht – man wird angespro-

Praxis-Schock: Für viele Schiedsrichter sind insbesondere dieersten Einsätze eine enorme Herausforderung.

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Wenn das gesellschaftsfähig ist undjeder um die Konsequenzen einerGewalthandlung weiß, wird sichhier ein nachhaltiger Erfolg ein-stellen.

Betreuer vor Ort und Schiedsrich-ter-Beauftragte bei den Vereinensind ein erster guter Schritt. Eineaktuelle Befragung unter denSchiedsrichtern des Westdeut-schen Fußball- und Leichtathletik-verbandes hat aber auch gezeigt,dass man sich von Schiedsrichter-seite einen intensiveren Dialog mitSpielern und Trainern wünscht. Vorallem auch deshalb, weil man alsUrsache zahlreicher Konflikte man-gelnde Regelkenntnisse ausge-macht hat.

Handlungsempfehlung 4:Anpassung der Aufwands-Entschädigungen„Die Schiedsrichter sind mehrheit-lich der Auffassung, dass die Ver-gütung zu niedrig sei. Eine Anpas-sung der Spesen, vor allem in denunteren Klassen, wäre hier denk-bar, um zum einen die Zufrieden-heit der derzeitigen Schiedsrichterzu erhöhen und neue, jungeSchiedsrichter zu werben.“

Thiemann: Die Aufwands-Entschädi-gung hat auch immer etwas mitWertschätzung zu tun – und hiersind die Landesverbände in der Ver-antwortung. Ich gehe dort voneiner gewissenhaften Entscheidungaus. Vielleicht bietet sich ja eineAngleichung aktuell mal wieder an.Die Spesenregelung sollte im Übri-gen immer in regelmäßigen Abstän-den überprüft werden.

Man darf sich aber keine Wundervon einer hohen Aufwands-Entschä-digung versprechen. Geld pfeiftschließlich keine Spiele.

Handlungsempfehlung 5:Schiedsrichter-Werbungverbessern„Die Schiedsrichter geben an, dassmehr junge Schiedsrichter durchmehr Werbung gewonnen werdenkönnten. Zu diesem Zweck könntendie aktiven Schiedsrichter als ‚Bot-schafter für ihr Hobby’ eingesetztwerden.“

Thiemann: Derzeit läuft dieSchiedsrichter-Werbung und -Gewinnung zu einem sehr hohenAnteil durch Initiativen der ört-lichen Schiedsrichter-Gruppen. Hier

haben sich die Vereine, die durchdie Satzung für die Gestellung vonSchiedsrichtern verantwortlichsind, vielerorts mit ihrer geringenVerantwortung arrangiert.

Das muss sich ändern, denn weraußer den Vereinen selbst solldenn bei den eigenen Mitgliedernfür das Schiedsrichter-Amt wer-ben?

Natürlich werden die Schiedsrich-ter-Gremien auf allen Ebenen auchmithilfe des DFB-Masterplans hiergezielte Aktionen einleiten. Dasentbindet aber niemanden von sei-nen Pflichten. Soziale Medien sindhier sicherlich auch ein guterAnsatzpunkt.

Handlungsempfehlung 6:Höhere Transparenz imSchiedsrichter-Monitoring„Die Schiedsrichter geben an, dasses während ihrer Laufbahn Problememit den Verantwortlichen und denBeobachtern gegeben habe. UmAufstiegs- beziehungsweise Nicht-Aufstiegs-Entscheidungen nach-vollziehbarer zu machen, könntentransparentere Kriterien festge-legt werden. Außerdem wären Eva-

luationsgespräche denkbar.“

Thiemann: Jede Form der Intrans-parenz öffnet Spekulationen Tür und Tor. Daher kann man nurallen Entscheidungs-Gremien emp-fehlen, die Grundsätze ihrer Leis -tungs-Beurteilung rechtzeitig vorder Leistungs-Messung zu vermit-teln und sie öffentlich zu machen.

Häufig liegt die empfundene feh-lende Klarheit in den Entscheidun-gen aber auch an mangelnderKommunikation, da die Entschei-dungen auf klaren Kriterien basie-ren, dem Einzelnen aber in nichtimmer einfachen Gesprächen ver-deutlicht werden müssen.

Genau an dieser Führungsverant-wortung setzt beispielhaft auchdie in Planung befindliche Obleute-Qualifizierung der Schiedsrichter-Kommission Amateure an.

Nicht unterschätzen sollte man in diesem Feld die individuellen,subjektiven Empfindungen einerBenachteiligung, die mit den ver-fügbaren Leistungsdaten nicht zurechtfertigen sind.

chen und schafft es nicht, ‚Nein‘ zusagen; meistens, weil man demVerein helfen will.“

Die Gründe, Schiedsrichter zu wer-den, bezeichnen Emrich und Rul-lang aber insgesamt als „hoch dif-ferent“, natürlich auch deshalb,weil bei vielen Anwärtern verschie-dene Gründe zusammenfallen.

In vielen Bereichen konnten dieWissenschaftler eine überwiegendeZufriedenheit unter den Befragtenfeststellen. So gaben etwa dreiViertel der Unparteiischen an, dass

Fast jeder zweite Schiedsrichter ist der Meinung, dass die Anwärter-Ausbildung zu theoretischist.

Der Weg zum Schiedsrichter geschieht

häufig eher zufällig.m

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ihre Schiedsrichter-Karriere plan-mäßig und zu ihrer Zufriedenheitverlaufen sei, eine ebenso großeMehrheit bezeichnete die ver-bandsinternen Leistungstests alsvollkommen angemessen.

In Hinblick auf Gründe zum Aufhö-ren befragt, die die noch aktivenProbanden bei ihren Kollegen mit-erlebt haben, wurden häufig „Ver-letzungen“, „berufliche Gründe“,„private Gründe“ oder „Alters-grenze“ genannt. Bemerkenswert:Deutlich weniger Schiedsrichtermachten Gewalt auf dem Fußball-platz für den Rücktritt der ehema-ligen Kollegen verantwortlich.

In anderen Bereichen sehen dieForscher jedoch deutlichen Hand-lungsbedarf. Namentlich in sechsThemenfeldern gibt es nach derAuffassung von Eike Emrich undChristian Rullang Luft nach oben.Im Fazit ihrer Studie haben dieWissenschaftler daher diese The-menkomplexe isoliert und demDFB und seinen Regional- und Lan-desverbänden sechs Handlungs-empfehlungen unterbreitet (sieheKasten). Nun stellt sich die Frage,wie man diese weiter nutzen kann.

Die ReaktionenWir fragen bei einem Mann nach,der es wissen muss. Helmut Geyerleitet die im vergangenen Jahr neugegründete DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure. Er kennt dieStudie der Saarbrücker Forscherund freut sich über den zusätz-lichen Input aus der Wissenschaft.

„Natürlich sind wir über jede Formvon Erkenntnissen dankbar, wennes darum geht, unseren Landes-verbänden bei der Gewinnung undErhaltung von Schiedsrichtern zuhelfen. Die Ergebnisse der Studiehaben wir intensiv in unseren Rei-hen diskutiert und direkt genutzt,um durch eine Abfrage bei unserenLandesverbänden einen Überblicküber die bisher eingesetztenInstrumente zu gewinnen.“

So ist zum Beispiel das von denForschern vorgeschlagene „Paten-Programm“ in vielen Landesver-bänden schon im Einsatz. ErfahreneSchiedsrichter unterstützen hier

die jüngeren Kollegen in denersten Spielen, um dadurch einenetwaigen Praxis-Schock zu verhin-dern.

Dennoch wünscht sich HelmutGeyer bundesweite Maßnahmen –gerade auch, um das Image derSchiedsrichter zu verbessern. „Dasbedarf allerdings einer gründ-lichen Vorbereitung, die wir inzwi-schen auch in die Wege geleitethaben. In naher Zukunft wird eineGruppe von Öffentlichkeits-Mitar-beitern der Verbands-Schiedsrich-ter-Ausschüsse gemeinsam mit derSchiedsrichter-Kommission Ama-teure die Arbeit dazu aufnehmen.“

Auch die anderen Handlungs-empfehlungen stoßen bei HelmutGeyer und seinem Team auf Inter-esse und Zustimmung. Dabei ist

klar: „Wichtig ist, dass es sich beider Werbung von neuen Schieds-richterinnen und Schiedsrichternniemals alleine um eine Aufgabeder Schiedsrichter-Gremien han-deln kann. Für dieses Projekt sindwir auch auf die Hilfe der Vereineund anderer Instanzen angewie-sen.“

Und: Die richtigen Schlüsse zu zie-hen, reicht ebenfalls nicht immeraus. Eine große Rolle bei derGewinnung und Bindung vonUnparteiischen spielt stets auchdie Tatsache, wie die Freude amHobby vorgelebt wird.

Hier ist Helmut Geyer aber schonsehr zufrieden. „Die Befragung derLandesverbände hat ja deutlichherausgestellt, dass vor allem ander Basis ungemein viel für dieSchiedsrichterinnen und Schieds-richter geleistet wird. Feste, Aus-flüge, Trainingsabende oder Spiel-besuche sind nur einige Beispiele.Wir sind stolz auf das hohe Enga-gement unserer Verantwortlichenim Ehrenamt!“

Für Nachwuchs steht die Tür dabeijederzeit offen. Denn, das weißHelmut Geyer nur zu genau, eineStudie allein wird nichts verän-dern. „Jeder einzelne Schiedsrich-ter kann daran mitwirken, dieGemeinschaft zu erhalten undsomit in der Zukunft möglichstwenige Kollegen zu verlieren. Auch

Professor Eike Emrich setztauch 2014 seine Untersu-chungen rund ums ThemaSchiedsrichter fort.

Wie mit den Ergebnissen der Befragung umzugehen ist, bespricht Helmut Geyer im Kreis derObleute und Lehrwarte der Verbände.

in unseren Schiedsrichter-Gruppenlastet die Verantwortung meistnoch auf wenigen Schultern – jedehelfende Hand ist hier willkommen.“

Ein AusblickIn Saarbrücken plant man derweilschon die nächsten Schritte. EikeEmrich gibt einen Ausblick: „Nach-dem wir uns in dieser Studie aus-schließlich mit noch aktivenSchiedsrichtern beschäftigt haben,befragten wir in einer weiterenStudie bereits ehemalige Unpartei-ische. Hier interessieren uns vorallem die Bewertung der eigenenTätigkeit in der Rückschau und dieGründe für einen eventuell frühzei-tig erfolgten Ausstieg.“

Außerdem ist eine Befragung derFunktionäre im Schiedsrichter-Wesen geplant, deren Sicht die For-scher ebenfalls ermitteln und mitder Sicht der aktiven Referees ver-gleichen wollen. Dabei ist das Zielklar: „Je mehr wir über die Sozial-figur des Schiedsrichters wissen,desto zielorientierter könnenSuchstrategien entwickelt wer-den“, sagt Christian Rullang.

Soll heißen: Um die Probleme imSchiedsrichter-Wesen anzugehen,um Zufriedenheit zu stärken undlangfristig wieder steigende Mit-gliederzahlen zu generieren, mussman ganz genau wissen, wer sieeigentlich sind – die Unpartei-ischen in unserem Land. �

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U 20-WM: Steinhaus in Kanada im Einsatz

Der Begriff „Sommerpause“ ist fürDFB-Schiedsrichterin Bibiana Stein-haus ein Fremdwort.

„Blaue Karte“ für mehr Fairness

Unter dem Motto „Bleib Fair“ riefder Württembergische Fußballver-band (WFV) Ende April die Fußball-familie dazu auf, Solidarität mitden 7.000 Schiedsrichtern des Ver-bandes zu bekunden.

Bei den Spielen von der Kreis-bis zur Verbandsliga der Herren-und Frauen-Mannschaften wurdenmehr als 130.000 blaue Karten mit dem Slogan „Bleib Fair. FürRespekt und Toleranz im Fußball“ausgegeben.

Spielerinnen und Spieler verteiltendie Karten persönlich vor dem An-stoß an die anwesenden Zuschauer.Zudem wurde mit einer Stadion-durchsage auf die Aktion hinge-wiesen. Mit einer zehnminütigenSpielunterbrechung wurde ein Zei-chen gesetzt und zum Nachdenkenangeregt.

Brych leitete Europa-League-Finale

Auf dem Weg zur Weltmeister-schaft in Brasilien wartete nochein besonderer Höhepunkt aufDFB-Schiedsrichter Dr. Felix Brych:Der 38-Jährige leitete am 14. Maidas Europa-League-Finale zwi-schen dem FC Sevilla und BenficaLissabon 4:2 n.E. (0:0) im Juven-tus Stadium in Turin.

Für Brych war es der erste „rich-tige“ Final-Einsatz auf internatio-naler Ebene, nachdem der Münch-ner im vergangenen Jahr bereitsals Vierter Offizieller Endspiel-Luft schnuppern durfte.

Unterstützt wurde der FIFA-Refe-ree in Turin von seinen Assisten-ten Mark Borsch (Mönchenglad-bach) und Stefan Lupp (Zossen).Als zusätzliche Schiedsrichter-

Das deutsche Team in Turin: Bastian Dankert, Stefan Lupp,Felix Brych, Mark Borsch und Tobias Welz (von links).

Assistenten waren Tobias Welz(Wiesbaden) und Bastian Dankert(Brüsewitz) nominiert. ThorstenSchiffner (Konstanz) vervollstän-digte als Ersatz-Assistent dasdeutsche Schiedsrichter-Team,dem hinterher von allen Seiteneine erstklassige Leistungbescheinigt wurde.

Es sei „das wichtigste Spiel mei-ner bisherigen Karriere“, sagteBrych vor der Begegnung ineinem Interview. „In der Anfangs-phase einer Laufbahn kann mansolch eine Partie nicht leiten.Man muss physisch fit und men-tal stark sein, aber Erfahrung istfür solche Spiele vielleicht dasWichtigste", sagte der Münchner.

Die hat der FIFA-Referee in denvergangenen Jahren reichlichgesammelt: Brych pfiff vor demFinale bereits 50 Spiele in UEFA-Wettbewerben.

Foulende Spieler aufZeit vom Platz?

Pierluigi Collina, Schiedsrichter-Chef der Europäischen Fußball-Union (UEFA), sprach sich amRande des Europa-League-Finalesfür eine Regeländerung aus:Begeht ein Spieler ein Foul undmuss der Gefoulte außerhalb des

Württembergs VerbandspräsidentHerbert Rösch zeigte sich überwäl-tigt angesichts der Resonanz ausden Vereinen: „Dass wir eine Soli-daritätsbekundung für unsereSchiedsrichter auf so breiter Basiserhalten, das stimmt mich sehrzuversichtlich für die Zukunft.“

Auch für Giuseppe Palilla, Vorsit-zender im Verbands-Schiedsrich-ter-Ausschuss, ist die Aktion „BleibFair“ ein positives Signal für alleUnparteiischen im württembergi-schen Fußball: „Die Aufgabe fürunsere Schiedsrichter ist in denvergangenen Jahren nicht einfa-cher geworden. Wir kämpfen stetsdarum, unser hohes Niveau imSchiedsrichter-Wesen zu haltenund unseren Vereinen gute Leis-tungen zu bieten.

Vor diesem Hintergrund war esimmens wichtig, ein Zeichen zusetzen für diejenigen, die mitihrer Kritik an den Unparteiischenregelmäßig über das Ziel hinaus-schießen.“

Der gemeinsame Aktionstag warzugleich der Beginn einer vom WFVinitiierten Kampagne mit dem Titel„Fußball hat viele Gesichter“, beider in jedem Verein eine Werte-diskussion angestoßen und dieKommunikation rund um denSportplatz angeregt werden soll.

Seit 2008 ist die 35-Jährige ausHannover regelmäßig bei interna-tionalen Endrunden im Einsatz. Soist sie auch in diesem Jahr vomFußball-Weltverband (FIFA) für die U 20-Weltmeisterschaft der Frauenvom 5. bis 24. August in Kanadanominiert.

Für Steinhaus ist es bereits diedritte Nominierung für eine U 20-Weltmeisterschaft nach den Tur-nieren 2008 in Chile und 2010 inDeutschland.

Genau wie bei den vergangenenEinsätzen wird sie gemeinsam mitihren Assistentinnen Marina Woz-niak (Herne) und Katrin Rafalski(Bad Zwesten) zu dem interna-

tionalen Kräftemessen der U 20-Teams reisen.

Insgesamt nominierte die FIFA 18Schiedsrichterinnen – davon fünfals Reserve – und 26 Schiedsrich-ter-Assistentinnen für das Turnierin Kanada.

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Spielabbruch in der Fair-Play-Liga

Eigentlich soll die Fair-Play-Ligaim Bayerischen Fußball-Verband(BFV) ein Beispiel dafür sein, dasses auch ohne Schiedsrichter fair und sportlich auf dem Fuß-ballplatz zugehen kann. Der Fall eines F-Jugend-Spiels bildetehier jedoch eine Ausnahme:Eltern provozierten einen Spiel-abbruch.

Panorama

UEFA-Schiedsrichter-ChefPierluigi Collina.

EU-Kommissarin fordert mehr Schieds-richterinnen

Die EU-Kommission machte sichim Rahmen der Auftaktveranstal-tung zum UEFA-Programm fürFrauen in Führungspositionen fürmehr Schiedsrichterinnen imeuropäischen Fußball stark.

„Dem europäischen Fußball ent-geht eine Menge Talent“, sagteAndroulla Vassiliou, EU-Kommissa-rin für Bildung, Kultur, Mehrspra-chigkeit und Jugend, vor einemTreffen mit UEFA-Präsident MichelPlatini in Nyon und kündigte an,einen entsprechenden Antrag beider UEFA einzureichen.

Spielfelds behandelt werden,dann soll in Zukunft auch derschuldige Spieler den Platz ver-lassen müssen – so die Idee vonCollina.

Dieser Vorstoß soll dem unge-rechten Überzahlspiel währendder Verletzungsbehandlung nacheinem Foulspiel ein Ende setzen.

Das DFB-Pokalendspiel der Frauen leitete in diesem JahrMarina Wozniak (Zweite von links) mit ihren AssistentinnenSandra Blumenthal (rechts) und Ines Appelmann (links). Sieführten im Kölner RheinEnergie-Stadion vor 16.623 Zuschau-ern den 1. FFC Frankfurt und die SGS Essen (3:0) aufs Spiel-feld. Als Vierte Offizielle mit dabei war Riem Hussein.

Zweites Pokalfinale für Florian Meyer: Nachdem der Burgdorferbereits 2005 das DFB-Pokalendspiel leitete, kam er in diesemJahr zum zweiten Mal bei diesem Höhepunkt – auch ausSchiedsrichter-Perspektive – zum Einsatz: Bei der Begegnungzwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München(0:2) assistierten ihm im ausverkauften Berliner Olympiasta-dion Frank Willenborg (links) und Christoph Bornhorst. VierterOffizieller an diesem Abend war Christian Dingert.

Schiedsrichter-Aus-tausch wird fortgesetzt

Bereits seit fünf Jahren fahrenniedersächsische und niederlän-dische Schiedsrichter regelmäßigzum Pfeifen über die Grenze.

Nun ist klar: Der NiedersächsischeFußballverband (NFV) und derKöniglich Niederländische Fuß-ballverband (KNVB) setzen nachdem Beschluss des NFV-Präsidiumsden Austausch auch in Zukunftfort.

So trafen sich kürzlich in Nord-horn die Vertreter des NFV unddes KNVB, um die Fortführung desAustauschs für die kommendenJahre zu vereinbaren.

Mit Beginn der nächsten Saisonwerden niederländische Schieds-richter auch in der OberligaNiedersachsen eingesetzt. Ent-sprechend werden die NFV-Schiedsrichter künftig in derhöchsten niederländischen Ama-teurklasse Spiele leiten.

Den ersten Testlauf gab es bereitskurz nach der Unterzeichnung derVereinbarung: Der 22-jährigePatrick Brandt (Rastede) kam beimSpiel Achilles 94 gegen GVAV Rapi-ditas in der ersten niederländi-schen Amateurliga zum Einsatz.

Geht es nach Collina, dann sollzukünftig der foulende Spielerso lange vom laufenden Spiel aus-geschlossen werden, bis der vonihm gefoulte Spieler wieder teil-nehmen kann. Auf einer Presse-konferenz in Turin bestätigte derItaliener, dass die UEFA diesenVorschlag einer Regeländerungeinreichen werde.

Bereits zuvor hatte sich Collina in einem Interview mit „The FIFAWeekly“ über das Gedankenspielder UEFA geäußert: „Sobald dergefoulte Spieler das Feld verlas-sen hat, wird das Spiel wiederaufgenommen – und zwar mitnumerischer Überlegenheit derMannschaft, die das Foul began-gen hat. Das ist sportlich gese-hen nicht korrekt.“

Ob sich Collinas Idee in Zukunfttatsächlich im offiziellen Regel-werk wiederfindet, muss aber erst noch von den Fußball-Regel-hütern des International FootballAssociation Board (IFAB) entschie-den werden.

Schließlich seien laut Kommissionnur 20 bis 30 Prozent der Schieds-richter in Europa weiblich. In 20 von 54 Mitgliedsverbänden sei dieAufgabe zudem noch ausschließ-lich Männern vorbehalten.

Durch eine stärkere Präsenz vonweiblichen Unparteiischen hofftdie Kommission, dass mehr Mäd-chen und Frauen Sport treiben undder Kampf gegen sexuelle Belästi-gung in der Fußballwelt weiter vor-angetrieben werden kann.

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Die internationalen Spiele der Deutschen im März und April 2014

FIFA-Schiedsrichter unterwegsName Wettbewerb Heim Gast Assistenten/Vierte Offizielle/Torrichter

Deniz AYTEKIN A-Länderspiel Österreich Uruguay Kleve, Häcker, Dankert

Felix BRYCH Champions League FC Chelsea Galatasaray Istanbul Borsch, Lupp, Bornhorst, Welz, Dankert

Felix BRYCH Champions League FC Barcelona Atlético Madrid Borsch, Lupp, Häcker, Welz, Dankert

Bastian DANKERT EM-Qualifikation U 17 Griechenland Türkei Schaal

Bastian DANKERT EM-Qualifikation U 17 Türkei Polen Schaal

Christian DINGERT A-Länderspiel Israel Slowakei Henschel, Achmüller

Manuel GRÄFE Europa League FC Salzburg FC Basel Pickel, Kleve, Achmüller, Fritz, Hartmann

Wolfgang STARK Europa League FC Porto FC Sevilla Salver, Pickel, Bornhorst, Fritz, Hartmann

Felix ZWAYER U 21-Länderspiel Belgien Serbien Pickel, Pelgrim, Siebert

Riem HUSSEIN Champions League Frauen Tyresö FF (SWE) NÖSV Neulengbach (AUT) Biehl, Söder

Riem HUSSEIN WM-Qualifikation Frauen Ungarn Finnland Biehl, Söder

Bibiana STEINHAUS Champions League Frauen Arsenal Ladies FC Birmingham City Ladies FC Rafalski, Wozniak

Bibiana STEINHAUS WM-Qualifikation Frauen Belgien Norwegen Rafalski, Wozniak

Als Wolfgang Stark am 10. Maidas Bundesliga-Spiel VfL Wolfs-burg gegen Borussia Mönchen-gladbach abpfiff, rollte an derSeitenlinie Jan Hendrik Salverseine Fahne ein – zum letztenMal. Denn der erfahrenste allerSchiedsrichter-Assistenten derBundesliga ging nach diesemSpiel in den „Ruhestand“. Mitgenau 300 Einsätzen in derhöchsten deutschen Spielklasse –ein Rekord, den sich der Stutt-garter in 17 Jahren „erwunken“hat.

Auch international kommt nie-mand Salver gleich: EM-Finale2004 (bei Markus Merk), Einsätzebei den Weltmeisterschaften2006 und 2010 sowie der Euro-pameisterschaft 2012, Olympi-sche Spiele 2008 in Peking;Assistent beim Europa-League-Finale 2012 (bei Wolfgang Stark).

Detlef Scheppe 251Carsten Kadach 248Thomas Frank 215Thorsten Schiffner** 210Wolfgang Walz** 203Christian Schräer 196

* Die Einsätze werden seit 1996/1997 statistisch fest-gehalten

** noch aktiv

Salver, Anklam, Scheppe – Abschied für Top-Ten-Assistenten

ten-Karriere beendet hat GeorgSchalk (Augsburg) nach 192 Ein-sätzen (Platz 14).

Die Top-Ten derBundesliga-Assistenten*

Jan Hendrik Salver 300Matthias Anklam 279Mike Pickel** 270Volker Wezel 265

Drei der ganz erfahrenen Schiedsrichter-Assistenten beenden im Sommer ihre Karriere:Detlef Scheppe, Jan Hendrik Salver und Matthias Anklam (von links).

Außer dem Schwaben, der großenRespekt bei allen Spielern und Trai-nern genoss, haben zwei weitereTop-Ten-Assistenten (siehe Liste)die Fahne an den Nagel gehängt:Matthias Anklam aus Buchholz(Niedersachsen) und Detlef Scheppeaus Wenden (Nordrhein-Westfalen).Zusammen waren die drei aus denTop-Ten an 829 Bundesliga-Spielenbeteiligt. Ebenfalls seine Assisten-

Betroffen war die Partie der Fair-Play-Liga zwischen den F 2-Junio-ren des TSV Meitingen und des TSVSteppach: Auslöser waren ein wei-nender Spieler und eine besorgteMutter, die beim Stand von 0:3 aufdas Spielfeld lief, um ihr Kind vomPlatz zu tragen.

Dabei soll sie ein Kind des Heim-vereins verbal attackiert haben,

worauf die Betreuer des TSV Mei-tingen die Frau aufforderten, dasSpielfeld zu verlassen.

Dies blieb nicht ohne Reaktion derübrigen Steppacher Eltern: EinWort gab das andere, Beleidigun-gen sollen gefallen sein. Die Mei-tinger brachen daraufhin das Spielab. Die kleinen Fußballer warenplötzlich in der Zuschauerrolle.

Jetzt muss sich das Jugend-Sport-gericht mit der Fair-Play-Ligabeschäftigen. Das ist schwierig,weil es eben keinen neutralenSchiedsrichter gibt.

„Es macht bald keinen Spaß mehr.Das ist wohl ein Witz“, sagte Spiel-leiter Gerhard Kesselring vomBayerischen Fußball-Verband, alser vom Spielabbruch erfuhr.

Mit der Fair-Play-Liga will maneigentlich den Leistungsdruckvon den Kindern nehmen, die inden F- und E-Junioren-Mannschaf-ten spielen. Anstelle eines Schieds-richters entscheiden die jungenSpieler selbst, ob es ein Foul waroder nicht.

Wenn da eben nicht noch dieEltern wären…

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Gespräch

Nach einer durchwachsenen Hinrunde freut sich Herbert Fandel über eine deutliche Leistungsstei-gerung der Schiedsrichter in der Rückrunde.

„Erstklassige Rückrundestellt uns sehr zufrieden“Nachdem die Saison 2013/2014 abgeschlossen ist, zieht Herbert Fandel (50) in der DFB-Schiedsrich-ter-Zeitung Bilanz. Mit den SRZ-Mitarbeitern David Bittner und Andreas Arens spricht der Vorsitzendeder DFB-Schiedsrichter-Kommission über die Entwicklungen der vergangenen zwölf Monate.

Der letzte Spieltag des abgelau-fenen Spieljahres liegt inzwi-

schen einige Wochen zurück. Wasbleibt aus Schiedsrichter-Sichtvon der Saison 2013/2014 in Erin-nerung?

Herbert Fandel: Nach einer durch-wachsenen Hinrunde standen dieSchiedsrichter zum Jahreswechseldeutlich mehr unter Druck alssonst. Alle haben aber gemeinsam„die Ärmel hochgekrempelt“, undam Ende ist den Schiedsrichterneine Rückserie gelungen, die unssehr, sehr zufriedenstellt. Wir alsSchiedsrichter-Führung sind froh,dass unsere Leute das Bundesliga-Schiff am Ende ruhig in den Ziel-hafen gelenkt haben.

Zu den Themen, die in der Hin-runde noch kontrovers diskutiertwurden, zählte unter anderem dieAuslegung von Handspiel...

Fandel: Hier konnten wir in derRückrunde deutliche Verbesserun-gen erzielen. Bei unseren Lehr-gängen haben wir anhand vonspeziellen Spielszenen gezielt ander Auslegung gearbeitet und sind mit unseren Schiedsrichternimmer wieder ins Detail gegangen.So hatten wir diesen Bereich inder zweiten Halbserie im Griff.

Weniger Schwierigkeiten als viel-leicht befürchtet hat dagegen dieneue Abseits-Auslegung bereitet,die vor einem Jahr eingeführtwurde.

Fandel: Was die Auslegung und dieUmsetzung dieser Regel angeht,wird unsere Regelanwendung auch

in der UEFA sehr positiv gesehen.Unser internes Videoportal, aufdem wir nach jedem Spieltagwichtige Szenen hinterlegen undkommentieren, half und hilft unsbei dieser komplexen Thematiksehr.

Auf dem Halbjahres-Zeugnis hat-ten Sie den Bundesliga-Schieds-

richtern noch eine Drei minusgegeben...

Fandel: Eine solche Form derNotenvergabe war eine einmaligeGeschichte, das wird es in Zukunftnicht mehr geben. Fakt ist: Die Leis-tungen waren in der Rückrundedeutlich besser, und unsereSchiedsrichter haben die Saison

sauber und professionell zu Endegebracht.

Das Winter-Trainingslager auf Mal-lorca hat sich also ausgezahlt?

Fandel: Ja, diesen Eindruck habenLutz Michael Fröhlich, Hellmut Krugund ich. Wir haben alle Anstren-gungen unternommen, um Verbes-

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serungen zu erzielen. Dazu zählteeinerseits ein hartes Training imphysischen und theoretischenBereich auf Mallorca. Darüber hin-aus aber auch eine Menge anÖffentlichkeitsarbeit.

In diesem Zusammenhang: Anfangvergangener Saison besuchten Siedas „ZDF-Sportstudio“, um dort dieHandspiel-Auslegung zu erläutern.Könnten Sie sich solche „öffent-lichen Regelschulungen“ auchkommende Saison vorstellen?

Fandel: Zu einer vernünftigen Pro-fessionalisierung des Schiedsrich-ter-Wesens gehört auch eine fun-dierte Öffentlichkeitsarbeit zuSchiedsrichter-Themen. Dazu zähltenatürlich mein Besuch beim ZDF,aber auch zahlreiche Vorträge undSchulungen meiner Kollegen ausder Schiedsrichter-Kommission beiTrainer-Tagungen oder vor Fach-journalisten. Wir wollen denen, dieüber den Fußball schreiben, Fuß-ballspiele übertragen und kom-mentieren oder sich intensiv mitihm befassen wollen, Einblicke inregeltechnische Fragen und derenaktuelle und korrekte Auslegunggeben.

Wenn man im Fernsehen manchenReporter-Kommentar hört, scheinthier weiterhin Schulungsbedarf zubestehen...

Fandel: An der einen oder anderenStelle hakt es leider noch. Das be-trifft aber dann meist diejenigen

Journalisten, die nicht an einersolchen Schulung teilgenommenhaben und nicht auf dem neuestenStand sind. Wenn jene dann falscheInformationen verbreiten, ist dasfür uns und für den Fußballfannatürlich ärgerlich.

Obwohl zuletzt das DFB-Pokalfinaleden Nutzen einer Torlinientechno-logie unterstrich, wurde deren Ein-führung im April von den Vereinenabgelehnt. Wie sehr trauern Siedieser Entscheidung nach?

Fandel: Wir hätten diese mitunterheikle Frage – Tor oder kein Tor? –

Der Schiedsrichter-Chef verlässt sich auf „die erstklassige Unterstützung“ seiner Kollegen in derKommission. Im Bild: Hellmut Krug (links) und Lutz Michael Fröhlich.

Im ZDF erläuterte Herbert Fandel während der Hinrunde dieAuslegung von Handspiel – zuvor hatte es einige strittige Ent-scheidungen gegeben.

zu 100 Prozent klären können. DieNutzung der Torlinientechnologiewürde diesen Diskussionen, wie wir sie nach dem Pokalfinale erlebthaben, ein Ende setzen. Ich sehenicht ein, dass solche Dinge aufdem Rücken der Schiedsrichterausgetragen werden.

Wie bewerten Sie denn derzeit dasVerhältnis zwischen den Schieds-richtern und den Offiziellen derVereine?

Fandel: Scheinbar gibt es einigewenige, die auf ein vernünftigesArbeitsklima keinen Wert legen.

Abgesehen von diesen Ausnahmenist es aber ein überwiegend offe-nes und entspanntes Verhältnis.Auch der Kontakt zwischen derSchiedsrichter-Führung und derLiga ist sehr gut – nicht zuletztdank meines Kommissions-Kolle-gen Hellmut Krug, der bei der DFLfür die Schiedsrichter-Fragenzuständig ist.

Am Ende einer Saison steigennicht nur Mannschaften auf undab, sondern auch Schiedsrichter.Welche Veränderungen wird es imKader des Elite-Bereichs zur neuenSpielzeit geben?

Fandel: In der kommenden Saisonwird Sascha Stegemann in denKader der Bundesliga-Schiedsrich-ter aufrücken. In der 2. Bundesligawerden mit Arne Aarnink, TimoGerach und Sven Jablonski dreijunge talentierte Referees neudabei sein. Tobias Christ, ChristianFischer und Christian Leicherscheiden zwar von der Liste derZweitliga-Schiedsrichter aus, blei-ben uns aber als Assistenten in derBundesliga erhalten. Neu auf derListe der Bundesliga-Assistentenstehen ab Sommer Eduard Beitin-ger, Arno Blos und Thomas Stein.

Mit Peter Gagelmann (46), Thors-ten Kinhöfer (46), Knut Kircher(45) und Florian Meyer (45) stehenvier der deutschen Top-Schieds-richter davor, bald die Altersgrenzezu erreichen. Steht bei den Bun-desliga-Schiedsrichtern ein Gene-rations-Wechsel an?

Fandel: Der wird ohne Zweifel kom-men, doch davor braucht uns nichtbange zu sein. Denn wir habennicht nur in der Bundesliga, son-dern auch in der 2. Bundesliga und3. Liga zahlreiche hochkarätigejunge Schiedsrichter, die zuletztdeutlich ihr Potenzial gezeigthaben. Sie werden die bald entste-henden Lücken schließen können,und ich bin mir sicher, dass wirden bevorstehenden Altersschnittgut und zukunftsorientiert meis-tern werden.

Auch Wolfgang Stark scheidet innicht allzu ferner Zeit von derFIFA-Liste aus. Ist mit Felix Brych,

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Gespräch

der ja auch bei der WM dabei ist,sein Nachfolger als Deutschlandsneue Nummer Eins unter denUnparteiischen gefunden?

Fandel: Ja, Felix hat in der Vergan-genheit schwierigste Partien auchauf internationalem Terrain gepfif-fen und dabei sehr gute, souveräneLeistungen gezeigt. Das Europa-League-Finale war ein Beweis sei-ner internationalen Akzeptanz. Erkann jedes Spiel auf der Welt leiten.Deshalb ist er auch unsere Num-mer Eins.

Beim DFB-Bundestag 2013 wurdedie Aufteilung des deutschenSchiedsrichter-Wesens in einenElite- und Amateur-Bereichbeschlossen. Wie ist die Arbeit inden neuen Kommissionen imersten halben Jahr angelaufen?

Fandel: Sehr gut und problemlos –aber das war auch zu erwarten.Beim DFB-Bundestag wurde dasverankert, was zuvor schon in derPraxis gelebt wurde. Die Zusam-menarbeit zwischen beiden Kom-missionen betrachte ich als sehroffen, freundschaftlich und ziel-führend. Wir kümmern uns um denProfi-Bereich, die KommissionAmateure um den Verbands-Bereich.

Trotz dieser Aufteilung wurde stetsbetont, dass die Kommunikation

zwischen Elite- und Amateur-Kom-mission funktionieren muss. Wiestellt sich das nun in der Praxisdar?

Fandel: Die Kommunikation stimmt.Es sind auch entsprechende Perso-nen und Schnittstellen in dieseStruktur installiert worden: LutzWagner seitens der Schiedsrichter-Kommission Amateure und RainerWerthmann im Bereich der Elite.Jetzt gilt es, Nägel mit Köpfen zumachen und gemeinsam ein mo-dernes Konzept für die Nachwuchs-und Talentförderung zu entwi-ckeln, das den Weg in die Zukunftzeigt.

Inwiefern stellt sich bei Ihrer Arbeiteigentlich inzwischen eine Art Rou-tine ein, wo Sie den Posten desSchiedsrichter-Chefs vor mittler-weile vier Jahren übernommenhaben?

Fandel: Routine gibt es nicht, daist nach wie vor pure Leidenschaftfür diese komplexe Schiedsrichter-Tätigkeit die entscheidende Trieb-feder. Mit Hellmut Krug und LutzMichael Fröhlich habe ich in derSchiedsrichter-Kommission erst-klassige Fachleute an meiner Seite,auf die zu 100 Prozent Verlass ist.Darüber hinaus bearbeiten EugenStrigel und Rainer Werthmann wich-tige Arbeitsfelder. An viele Abläufeund Szenarien hat man sich imLaufe der Jahre gewöhnt. Trotzdem

bleiben Jahr für Jahr am Endeeiner Saison schwierige Entschei-dungen.

Welche „Baustellen“ beziehungs-weise Herausforderungen wollenSie für die kommende Saisonanpacken?

Fandel: Unser primäres Ziel ist es,die Schiedsrichter und denSchiedsrichter-Bereich in unseremLand weiterzuentwickeln. Das istein großes, aber auch sehr loh-nendes Ziel, das uns und michungemein motiviert. Schließlichhaben wir viele junge und kompe-tente Schiedsrichter, die unserenWeg mitgehen, zuhören und stän-dig selbstkritisch an ihrer Leistungarbeiten. Ich bin überzeugt davon,

Nach der Ablehnung der Torlinientechnologie wird es wohl auch kommende Saison wieder Diskus-sionen darüber geben, ob der Ball im Tor ist oder nicht.

Sascha Stegemann aus Nie-derkassel (Fußball-VerbandMittelrhein) verstärkt in derkommenden Saison das Teamder Bundesliga-Schiedsrichter.

„Die Schiedsrichter und den Schiedsrichter-Bereich weiterzuent-wickeln, ist ein großes und lohnendes Ziel.“

dass wir für die Zukunft bestensaufgestellt sind.

Ein ehemaliger internationalerWeltklasse-Schiedsrichter hat neu-lich in einem Interview gesagt, erkönnte auch heute noch Spiele aufhöchstem Niveau pfeifen. DenkenSie auch manchmal noch daran,wie es wäre, selbst nochmal alsSchiedsrichter auf dem Platz zustehen?

Fandel: Der Fußball und auch dasSchiedsrichter-Wesen entwickelnsich ständig enorm weiter. Ausmeiner Sicht wäre es deshalb fürmich auch nicht mehr möglich,aktiv einzugreifen. Dies ist Wunsch-denken und geht an der Realitätvöllig vorbei. �

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Wenn auf dem Platz die Emotionen hochkochen, sollte der Schiedsrichter – wie hier DenizAytekin – einen kühlen Kopf bewahren.

Lehrwesen

Ein Spiel und sein CharakterDass jedes Fußballspiel seinen eigenen Charakter hat – und dass diesersich während der 90 Minuten auch mal ändern kann – darum geht es imaktuellen DFB-Lehrbrief Nr. 55. Günther Thielking stellt ihn vor.

Wenn nach dem Spiel der Schieds-richter-Beobachter die Kabine

der Unparteiischen betritt, ist diesoft ein spannender Moment: Wie hatder Beobachter die Leistung desSchiedsrichters gesehen? Dabeilautet eine wichtige Frage zu Be-ginn der Spielanalyse oft: Hat derReferee den Spielcharakter richtigerkannt und seine Spielleitung ent-sprechend darauf eingestellt?

Gerade diese Fähigkeit spielt fürdie Benotung des Schiedsrichterseine bedeutende Rolle – nebenPersönlichkeit, Fitness und einigenweiteren Faktoren.

In der Spielanalyse soll herausge-funden werden, ob sich die Atmo-sphäre der Begegnung währendder 90 Minuten verändert hat, zumBeispiel aufgrund besonderer Situa-tionen im Spiel.

Es kann passieren, dass sich einzunächst freundschaftlich geführ-tes Spiel plötzlich überzogenkampfbetont, hektisch, ja sogarbösartig entwickelt. Andererseitskann ein Unparteiischer ein aggres-sives Spiel durch sein Eingreifenauch in eine positive Bahn lenken.

In beiden Fällen soll der Beobach-ter bei seiner Gesprächsführungso vorgehen, dass er den Schieds-richter die Entwicklung des Spielsund sein eigenes Verhalten in denentscheidenden Situationen selbstreflektieren lässt.

Der Unparteiische soll dabei her-ausfinden, wo seine Stärken lie-gen, gleichzeitig aber soll ernoch vorhandene Schwächen inseinem Auftreten und im Umset-zen des Regelwerks erkennen.

Dabei muss selbstverständlichauch die Sichtweise des Beob-achters in das Gespräch einflie-ßen. Situationsbezogen wird die-ser durch klare Statements dem

Unparteiischen positive wie nega-tive Aspekte aufzeigen, die Ein-fluss auf die Beobachtungsnotehaben.

Damit die Entwicklung eines Spielsden Schiedsrichter nicht über-rascht, sollte dieser sich schonfrühzeitig auf seinen Einsatz vor-bereiten und Hinweise auf mögli-che Konfliktpotenziale einholen.

Für eine Spielleitung kann es zumBeispiel bedeutsam sein, wenn esbei der gleichen Spielpaarungbereits in der Vergangenheit Pro-bleme gab.

Handelt es sich bei dem Spielauf-trag gar um ein Derby? Ist eineMannschaft dabei, deren Betreueroder Trainer besonders ehrgeizigsind? Sind bei einem Spiel derJunioren übermotivierte Elternmit dabei? Geht es vielleicht so-gar um die Meisterschaft odergegen den Abstieg?

In all‘ diesen Fällen sollte dergute Unparteiische bereits beimEintreffen am Spielort das Umfeldaufmerksam im Auge haben undseine anschließende Spielleitungdarauf einstellen. Hat die Erfah-rung doch gezeigt, dass dieseIndikatoren negativen Einflussauf den Spielcharakter habenkönnen.

Die Spuck-Attacke von Frank Rijkaard gegen Rudi Völler istbis heute unvergessen. Bei dem WM-Spiel 1990 änderte sichnach diesem Zwischenfall der Spielcharakter.

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Lehrwesen

Ein solches Spiel beobachtete derniedersächsische Schiedsrichter-Referent Marco Haase in Celle. DerGastgeber, der dringend Punktegegen den Abstieg aus der Ober-liga benötigte, traf auf den lang-jährigen Rivalen VfV Hildesheim.

In seinem Beobachter-Berichtstellte Marco Haase nachher fest:

„Nach einem kurzen Abtastennahm die Aggressivität sehrschnell zu. Beide Mannschaftengingen nun mehrfach regelwidrig,teilweise rücksichtslos und mithohem Einsatz in die Zweikämpfe.Der Schiedsrichter erkanntediese Veränderung des Spielcha-rakters sofort. Mit dem Einsatzdisziplinarischer Strafen, einerkleinlichen Spielleitung sowieeinem taktisch sehr klugen Lauf-vermögen und Stellungsspielgelang es dem Unparteiischennun bis zum Schlusspfiff, dasschwer zu leitende Spiel sicherüber die Zeit zu bringen.“

Der Schiedsrichter in diesem Spielerhielt am Ende eine sehr guteBewertung, denn das Spiel stellteschon nach wenigen Minuten hoheAnforderungen an ihn. „Nacheinem kurzen Abtasten“ heißt esauf dem Beobachtungsbogen.

So wusste der Referee aufgrundseiner Erfahrung und seiner Sensi-bilität für die Entwicklung desSpielcharakters, innerhalb kürzes-ter Zeit seine Spielleitung demveränderten Geschehen anzupas-sen.

Manchmal reicht sogar eine ein-zelne Spielsituation aus, dass einSpiel in der Folge hektisch, bösar-tig, in vielen Situationen unsport-lich geführt wird. Etliche der älte-ren Leser werden sich noch an dasWM-Achtelfinale 1990 im MailänderGiuseppe-Meazza-Stadion zwischenDeutschland und den Niederlandenerinnern.

Nachdem Schiedsrichter Juan Car-los Loustau aus Argentinien die-ses Spiel zunächst im Griff hatte,kam es in der 22. Spielminute zueiner unrühmlichen Szene: FrankRijkaard foulte Rudi Völler, der

Schiedsrichter notierte die GelbeKarte.

In der Annahme, der Referee könneihn einen Moment später nicht se-hen, spuckte Rijkaard seinem Geg-ner für alle sichtbar ins Haar undzog wenig später dann auch nocham Ohr des deutschen National-spielers.

Dem Niederländer war nicht be-wusst, dass sein Verhalten bei die-ser WM mit dem erstmaligen Ein-satz zahlreicher TV-Kameras inZeitlupe und im Standbild schonwenige Minuten später um dieganze Welt ging. Die mediale Zei-tenwende hatte begonnen.

Und auch das trotz aller Rivalitä-ten bis dahin normal geführteSpiel hatte mit dieser Aktion eineWende genommen. In der Folgegab es eine Vielzahl verbissenerZweikämpfe, es wurde um jedenMeter gerungen. Immer wiederstand der Unparteiische in der Kritik, und das Endergebnis von 2:1 für Deutschland bleibt lediglichetwas für die Statistik. Unverges-sen bleibt bis heute dagegen dasGeschehen in der 22. Minute, das in dieser Auseinandersetzung denSpielcharakter völlig veränderteund die Spielleitung für den Refe-ree zur Schwerstarbeit werden ließ.

Doch solche grob unsportlichenAktionen geschehen nicht nur bei Spielen einer Fußball-Weltmeis-terschaft, sondern auch in unterenSpielklassen. Dort führen sie

schnell zu „Rudelbildungen“ undweiteren Unsportlichkeiten.

In Senioren-Spielen, aber auch beiden Junioren, den Frauen, sogarbei den Alten Herren muss derSchiedsrichter dann zur RotenKarte greifen, weil Spieler ihreGegner anspucken, sie schlagenoder so brutal treten, dass dieseverletzt das Spielfeld verlassenmüssen.

Für den Unparteiischen bedeutetdies, dass er in der Folge mit hoherKonzentration, großer Laufleistungund absoluter Konsequenz durch-greifen muss.

Nur wenn er jetzt nah am Gesche-hen agiert, kleinlich jedes Foulabpfeift, kaum einmal „Vorteil“gewährt und mit klarer Körper-

sprache gegen fehlbare Spielervorgeht, dann behält er sein Spielim Griff.

Im Lehrbrief 55 geben die Verfas-ser Hinweise, welche Faktorenden Spielcharakter positiv wienegativ beeinflussen können. Siezeigen methodische Wege für dieLehrarbeit auf, mit denen dieLehrwarte am Thema „Ein Spieländert seinen Charakter“ arbei-ten können. Sie geben demSchiedsrichter Möglichkeiten andie Hand, wie er dem von ihmgeleiteten Spiel seinen Stempelaufdrücken kann.

Gelingt dies, so wird ihm der Beob-achter am Ende dann auch einegute beziehungsweise sehr guteLeistung bestätigen.

Um ein intensives Spiel in geordnete Bahnen zu bringen, muss der Schiedsrichter besonderskonsequent auftreten – wie Florian Meyer in dieser Situation.

Ein einziger Zweikampf reicht aus, dass selbst in einemFreundschaftsspiel die Akteure zweier Teams aneinanderge-raten – wie hier beim Duell Deutschland gegen Italien imNovember 2013.

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Vier Fragen an Manuel Gräfe

Die praktischen Fragen zumaktuellen Lehrbrief-Themabeantwortet dieses Mal FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe.

Wie sollte ein Schiedsrichterseine Spielleitung anlegen,wenn er weiß, dass es zum Beispiel für beide Mannschaftenum besonders viel geht?

Manuel Gräfe: Als Schiedsrich-ter sollte man jedes Spiel gleichangehen, das heißt sehr gut vor-bereitet, immer hoch konzen-triert und mit der gleichen„Strategie“ – egal in welcherSpielklasse und egal, was dieKonstellation des Spiels erwar-ten lässt. Ich lasse grundsätzlichdas Spiel zunächst „auf michzukommen“ und entscheidedann je nach Spielverlauf, wieich agiere. Denn es gibt auchSpiele, die vorher als brisanteingestuft wurden und dannpassiert doch recht wenig.Genauso kann umgekehrt ineinem vermeintlich normalenSpiel auf einmal aufgrund vondiversen Umständen „die Postabgehen“.

Die alte Spielleitungstheorie, die mir in meiner Anfangszeitoft angeraten wurde – „in denersten 15 Minuten musst du zei-gen, wer der Herr im Haus ist" –war für mich persönlich nie derrichtige Weg. Ich versuche,mich immer erst mal zurückzu-halten und die Spieler ihr Spielmachen zu lassen. Wenn siemich als Schiedsrichter aberfordern, dann muss ich auchsofort da sein, das heißt aktivund gezielt auf die Spieler unddas Spielgeschehen positiv ein-wirken!

Was sind konkrete Merkmale imSpiel, anhand derer der Schieds-richter erkennen kann, dass sichder Spielcharakter verändertund er reagieren muss?

Gräfe: Zunächst einmal ist wich-tig, dass der Schiedsrichter jeder-zeit damit rechnet. Es gibt ver-schiedene Faktoren, die den Spiel-charakter ändern können. Ganzsimpel kann das zum Beispiel einTor, aber auch eine umstrittenewichtige Entscheidung desSchiedsrichters sein. Selbst nachgravierenden Entscheidungen, dievon allen Beteiligten als korrektempfunden werden, wie zum Bei-spiel ein Feldverweis oder einStrafstoß, kann sich der Spiel-charakter ändern. Weitere Bei-spiele sind übertrieben emotiona-les bis aggressives Trainerverhal-ten, verändertes Zuschauerver-halten und die Halbzeitpause miteiner möglichen taktischen Neu-ausrichtung oder kämpferischveränderten Einstellung einesoder beider Teams.

tet und diese im Keim erstickt, umdas Spiel konsequent nach Sinnund Geist der Fußballregeln zuEnde leiten zu können.

Welche praktischen Möglichkeitenhat der Unparteiische, seineSpielleitung umzustellen, wenndas Spiel seiner Einschätzungnach zu intensiv wird?

Gräfe: Es gibt mehrere Stell-schrauben. Grundsätzlich sollte ernoch kommunikativer werden,was aber nicht mit „Kumpelhaftig-keit“ verwechselt werden darf. ImGegenteil: Er muss beim Anspre-chen der Spieler noch deutlicherals zuvor Grenzen ziehen. Dabeimuss das Ziel immer sein, dieSpieler „mitzunehmen“, das heißt,sie davon zu überzeugen, dass siesich gerade auf dem falschen Wegbefinden und sich damit eherschaden als nützen.

Man kann natürlich auch dieSpielführung enger gestalten,also weniger laufen lassen undbei den Spiel- und den Persön-lichen Strafen kleinlicher leiten.Schlecht angewandt birgt dasaber auch Gefahren: Man darfnämlich auch nicht überziehen,sonst wird es möglicherweisenoch hektischer. Was dann helfenkann, ist, sich zum Beispiel malnach einem Freistoßpfiff vor denBall zu stellen und mit den betei-ligten Spielern zu reden. Dadurchnimmt man „Dampf raus“, weil esnicht gleich hektisch weitergeht,sondern alle Beteiligten ein wenig„herunterkommen“ können.

Was kann der Schiedsrichter nochtun, wenn alle Maßnahmen nichtsnutzen und ihm das Spiel sprich-wörtlich „aus dem Ruder zu lau-fen“ droht?

Gräfe: Es gibt Abschnitte oderauch ganze Spiele, in denen mankonsequent seinen Weg gehenmuss, auch wenn das nicht ein-fach ist und häufig mit zum Teilheftiger Kritik im und nach demSpiel verbunden sein kann.

Was man auf keinen Fall darf,ist „einknicken“, das heißt,klarste, unauslegbare Entschei-dungen umgehen oder sie garunterlassen, weil man sonstnoch mehr Probleme befürch-tet. Dann werden Unsportlich-keiten belohnt und die Fußball-regeln auf den Kopf gestellt.Der unschöne Nebeneffektdabei: Die Spieler merken sichfür das nächste Spiel mit die-sem Schiedsrichter: „Mit demkönnen wir es ja machen.“ DerAutoritätsverlust ist vorpro-grammiert.

Wenn es derart „aus dem Ruderläuft“, dass der Fußball allge-mein oder Beteiligte grobenSchaden nehmen könnten, sollteman auch einmal zu ungewöhn-lichen Maßnahmen greifen.Dazu könnte in solchen Aus-nahmefällen zählen, beideKapitäne oder auch die Trainerzu sich zu holen und auf dieseeinzuwirken, sie an ihre Vor-bildfunktion zu erinnern, aberauch an die des Fußballs insge-samt. Aber wie gesagt, diesmuss die Ausnahme bleiben.Ich wünsche den Schiedsrich-tern in allen Spielklassen, dasssie mit ihren eigenen Mittelnund Methoden die Spiele immerin die richtige Bahn lenken kön-nen.

„Alle Antennen ausfahren“

FIFA-Schiedsrichter ManuelGräfe (40) pfeift seit zehnJahren in der Bundesliga.

All‘ dies kann, aber muss nichtzu einer Veränderung des Spiel-charakters führen. Optimal istes, wenn der Schiedsrichterschon kleinste Veränderungenim Verhalten der Spieler gegen-einander oder dem Schiedsrich-ter gegenüber erkennt, denndas ist ein entscheidendesMerkmal. Er muss umgehenddarauf reagieren, indem er zumBeispiel durch verstärkte Kom-munikation mit den Akteureneine Veränderung des Spielcha-rakters gar nicht erst zulässt.

Manchmal kann er das dennochnicht verhindern. Dann heißt es„alle Antennen ausfahren“,indem er noch konzentrierterauf sich entwickelnde Aggres-sionen zwischen Spielern ach-

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Regelwerk

Änderungen der Regel 4Lediglich zwei Regeländerungen gibt es zur neuen Saison, die sich beide mit der Regel 4 „Ausrüs-tung der Spieler“ beschäftigen. Hierbei geht es einmal explizit um die Unterwäsche und einmal umdie Grundausrüstung generell.

Die vorgeschriebene Grundaus-rüstung darf keine politischen,

religiösen oder persönlichen Slo-gans, Botschaften oder Bilder auf-weisen. Das Team des Spielers,dessen Grundausrüstung politi-sche, religiöse oder persönlicheSlogans, Botschaften oder Bilderaufweist, wird vom Ausrichter desbetreffenden Wettbewerbs oderder FIFA bestraft.

Spieler dürfen insbesondere auchkeine Unterwäsche mit politischen,religiösen oder persönlichen Slo-gans, Botschaften oder Bildernoder Werbeaufschriften mit Aus-nahme des Hersteller-Logos zurSchau stellen.

Bei der zweiten Änderung derRegel 4 geht es um das Trageneiner Kopfbedeckung. Dies istmittlerweile unter gewissen Vor-aussetzungen erlaubt.

zungen für solche Ausrüstungs-gegenstände festgehalten sind.Dort heißt es:

Etwaige Kopfbedeckungen...

� müssen schwarz oder in der Hauptfarbe des Hemdes gehal-ten sein (vorausgesetzt, die Spieler desselben Teams tra-gen dieselbe Farbe),

� müssen der professionellen Erscheinung der Spielerausrüs-tung entsprechen,

Kopfbedeckungen, wie Torhüter Petr Cech sie trägt, sind auch laut Regelwerk offiziell erlaubt.

� dürfen nicht an das Hemd angemacht sein,

� dürfen weder für den Träger noch für einen anderen Spielereine Gefahr darstellen (zum Beispiel Öffnungs-/Verschluss-Mechanismus um den Nacken),

� dürfen keine Teile aufweisen, die von der Oberfläche abste-hen (vorstehende Elemente).

Entscheidend ist hierbei, dasskein Unterschied mehr gemacht

Politische, religiöse, aberauch persönliche Botschaftender Spieler sind verboten.

wird zwischen Spielerinnen undSpielern und dass keine Verlet-zungsgefahr sowohl für den tra-genden Spieler als auch für dieGegenspieler besteht.

Geeignet ist eine Kopfbedeckunginsbesondere dort, wo sie auchmedizinische Zwecke erfüllt. EinBeispiel hierfür ist Torhüter PetrCech vom FC Chelsea, der auf-grund einer in der Vergangenheiterlittenen Kopfverletzung einenHelm trägt.

Die Auslegung der Spielregelnund Richtlinien der FIFA fürSchiedsrichter wurde unter „Wei-tere Ausrüstungsgegenstände“um einen neuen vierten Absatzerweitert, in dem die Vorausset-

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Regel-Test Fragen

Der Strafstoß ist eine wichtige Spielstrafe, beideren Ausführung der Schiedsrichter vieleBestimmungen beachten muss. Einige davonfragt Lutz Wagner im aktuellen Regel-Test ab.

Hat der Schiedsrichter auf Strafstoß entschieden, muss er dieanschließende Ausführung genau überwachen.

Situation 1Ohne den Pfiff des Schiedsrichtersabzuwarten, läuft der ausführendeSpieler bei einer Strafstoß-Ausfüh-rung an und schießt den Ball aufsTor. Der Torwart kann den Ball insToraus zum Eckstoß abwehren.Welche Entscheidung trifft derSchiedsrichter?

Situation 2In der 88. Minute will der Gastver-ein den nominierten Ersatztorhü-ter als Feldspieler einsetzen. Erzieht sich dazu ein Feldspieler-Tri-kot an. Erlaubt der Schiedsrichterdies?

Situation 3Der Torwart hat den Ball nacheiner Flanke sicher gefangen. Ertippt ihn zweimal auf den Bodenauf, um ihn dann anschließend indie Luft zu werfen und mit demFuß abzuschlagen. Ein Gegenspie-ler spitzelt dabei den Ball weg –ohne den Torhüter zu berühren –und verwandelt den Ball zumTorerfolg. Was unternimmt derSchiedsrichter?

Situation 4Der Strafstoß-Schütze schießt den Ball bei der Ausführung nichtdirekt aufs Tor, sondern nur wenigeMeter nach vorne. Ein andererAngreifer läuft, nachdem der Ballins Spiel gebracht wurde, diesemhinterher und erzielt ein Tor. Wieentscheidet der Schiedsrichter?

Situation 5Der Schiedsrichter-Assistent signa-lisiert etwas voreilig dem Schieds-richter, dass der Ball die Seiten -linie überschreitet. Jedoch bleibt

der Ball in einer Pfütze kurz vorder Seitenlinie liegen. Da ein Spie-ler das Zeichen des Assistentengesehen hat, nimmt er den Ball mitden Händen auf, um den Einwurfauszuführen. Wie entscheidet derSchiedsrichter?

Situation 6Bei der Ausführung eines indirek-ten Freistoßes für die angreifendeMannschaft schießt der Schützeden Ball direkt aufs Tor. Der aufder Torlinie stehende Verteidigerwehrt den Ball, der sonst ins Torgeflogen wäre, durch ein absicht -liches Handspiel ab. Der Schieds-richter unterbricht nun das Spiel.Was muss er veranlassen?

Situation 7Bei der Ausführung eines Straf -stoßes bewegt sich der Torwartdeutlich zu früh von der Linie nachvorne. Er kann dadurch den Ballabwehren – aber nur zu einemAngreifer, der deutlich zu früh inden Strafraum gelaufen ist. Ent-scheidung des Schiedsrichters?

Situation 8Beim Anstoß zum Spielbeginn wirdder Ball vom Angreifer nach hintenin die eigene Spielhälfte gespielt.Der Schiedsrichter unterbricht dasSpiel und entscheidet auf Wieder-holung des Anstoßes. Ein Spielerist darüber so verärgert, dass erlautstark den Schiedsrichter belei-digt. Wie reagiert dieser?

Situation 9In der 65. Minute wird der Schieds-richter durch Zurufe darauf auf-merksam gemacht, dass sich hin-ter seinem Rücken ein Vergehen

abspielt. Als er sich herumdreht,sieht er, wie ein Spieler im eigenenStrafraum einen Zuschauer mitden Fäusten traktiert. Der Ball wirdzu diesem Zeitpunkt im Mittelfeldgespielt. Der Schiedsrichter unter-bricht nun das Spiel. Wie muss erentscheiden?

Situation 10Unmittelbar nach einem Torerfolgläuft ein Spieler in die Fankurveund zieht sein Trikot bis zu denSchultern hoch. Dadurch wird aufseinem Unterhemd eine Werbeauf-schrift sichtbar. Wie reagiert derSchiedsrichter?

Situation 11Beim Strafstoß täuscht der Schützeden Torwart in unerlaubter Weise.Der Torwart kann den Ball zumEckstoß abwehren. Entscheidungdurch den Schiedsrichter?

Situation 12Bei einem Pokalspiel steht es nachder Verlängerung unentschieden,und es kommt zur Entscheidungdurch Elfmeterschießen. Nach derAusführung des dritten Elfmetersbeleidigt der Torwart des Heimver-eins den Schiedsrichter und wirddeshalb ausgeschlossen. Darfdiese Mannschaft jetzt den imSpielbericht gemeldeten und bis-her nicht eingesetzten Ersatztor-hüter einwechseln?

Situation 13Bei einem Zweikampf an der Straf-

raumgrenze kommen sowohl derAbwehrspieler als auch der Stür-mer zu Fall. Da der Schiedsrichternicht pfeift, nimmt der Abwehr-spieler – der innerhalb des Straf-raums liegt – den Ball in die Hand.Er wirft diesen dem Stürmer, dereinen Meter außerhalb des Straf-raums liegt, heftig gegen den Kopf.Wie entscheidet der Schiedsrich-ter?

Situation 14Strafstoß-Ausführung Mitte derersten Halbzeit: Da sich der Tor-wart zu früh von der Linie bewegthat und den Ball abwehren konnte,ordnet der Schiedsrichter dieWiederholung des Strafstoßes an.Der Angreifer mit der Nummer 9,der den Strafstoß ausgeführt hat,möchte jedoch nicht zur Wiederho-lung antreten, sondern die Ausfüh-rung seinem Mitspieler mit derNummer 10 überlassen. DerSchiedsrichter besteht allerdingsauf der Wiederholung durch dieNummer 9. Handelt er richtig?

Situation 15Nachdem der Ball bei der Ausfüh-rung eines Schiedsrichter-Ballsden Boden berührt hat, spitzelt derSpieler des Gastvereins den Ballzunächst etwa drei Meter weit zurSeite. Als ein Gegenspieler zumBall läuft, spielt er den Ball einzweites Mal und schießt ihn weit indie gegnerische Spielfeldhälfte.Muss der Schiedsrichter einschrei-ten?

Bestimmungen beim Strafstoß

Regel-Test Antworten

So werden die auf Seite 19 beschriebenen Situationen korrekt gelöst.

Situation 1Wiederholung des Strafstoßes. DerStrafstoß gilt als nicht regelge-recht ausgeführt, da der Ball nochnicht freigegeben war. Somit kannnatürlich auch die Vorteil-Bestim-mung nicht angewandt werden.

Situation 2Ja, der Schiedsrichter muss sichnur die entsprechende Nummernotieren und die Veränderunggegebenenfalls im Spielberichtdokumentieren.

Situation 3Indirekter Freistoß für den Torwart.Das ungehinderte Abschlagen desBalles durch den Torwart mussmöglich sein. Der Ball ist während-dessen nicht frei und darf dahernicht durch den Stürmer gespieltwerden.

Situation 4Tor, Anstoß. Die indirekte Ausfüh-rung des Strafstoßes ist erlaubt.

Situation 5Der Schiedsrichter unterbricht dasSpiel, gibt einen direkten Freistoßwegen Handspiels und macht demSpieler klar, dass nur der Schieds-richter ein Spiel unterbrechen kann.Eine Persönliche Strafe wegen des Handspiels erfolgt natürlichnicht.

Situation 6Strafstoß und Verwarnung gegenden Verteidiger. Die Verwarnungfür das Handspiel erfolgt, da essich um einen Torschuss handelte.Eine Torverhinderung lag nicht vor,da aus einem indirekten Freistoßkein direktes Tor erzielt werdenkann.

Situation 7Wiederholung des Strafstoßes. Beieinem Verstoß beider Mannschaf-ten gegen die Ausführungsbestim-mungen ist der Strafstoß zuwiederholen.

Situation 8Ausschluss des Spielers mittelsRoter Karte. Der ausgeschlosseneSpieler darf durch einen nominier-ten Ersatzspieler ersetzt werden,da das Spiel noch nicht begonnenhat. Das Spiel beginnt erst, wennder Ball korrekt ins Spiel gebrachtwird.

Situation 9Der Spieler wird mit der RotenKarte des Feldes verwiesen. DerZuschauer wird vom Ordnungs-dienst aus dem Innenraumgebracht. Spielfortsetzung ist derSchiedsrichter-Ball dort, wo sichder Ball bei der Unterbrechungbefand, und zwar aufgrund derChronologie der Ereignisse:Zunächst lief der Zuschauer auf

das Spielfeld (äußerer Einfluss),danach erst kam es zum Schlag desSpielers. Über den Vorfall erfolgteine Meldung im Spielbericht.

Situation 10Der Schiedsrichter notiert den Vor-fall und erstattet Meldung. DerSpieler wird jedoch nicht verwarnt.

Situation 11Indirekter Freistoß für die Mann-schaft des Torhüters und Verwar-nung des Schützen.

Situation 12Nein, es muss ein anderer teilneh-mender Spieler die Position desTorwarts einnehmen. Ein Tauschdes Torwarts ist nur bei einer Ver-letzung möglich – sofern das Aus-

Kann der Torwart den Ball abwehren, weil er sich bereits vor der Ausführung des Strafstoßes vonseiner Linie nach vorne bewegt hat, dann entscheidet der Schiedsrichter auf Wiederholung desStrafstoßes.

tausch-Kontingent noch nichterschöpft ist.

Situation 13Strafstoß wegen Handspiels undRote Karte wegen des heftigenAnwerfens des Gegenspielers.

Situation 14Nein, der Schütze kann bei derAusführung eines Strafstoßesjederzeit neu benannt werden.

Situation 15Nein, er lässt weiterspielen. Hatder Ball nach einem Schiedsrich-ter-Ball den Boden berührt, ist erdamit korrekt ins Spiel gebrachtworden. Danach darf er beliebigoft gespielt werden.

Bestimmungen beim Strafstoß

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Analyse – Der besondere Fall

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Analyse

Wenn Tore fallen, freuen sichdie Spieler der einen Mann-

schaft – und die der anderenärgern sich. Diese Erkenntnis istso alt wie das Fußballspiel selbst.

Der Jubel drückt sich heutzutageauf die verschiedensten Weisenaus: Herzen aus Fingern werdengeformt, Veitstänze mit dem Verweis auf den eigenen Namenaufgeführt, Trikots vom Körpergerissen und weggeschleudertoder Spielertrauben auf demRasen gebildet, wobei manmanchmal um die Unversehrt -heit des Torschützen fürchtenmuss.

Der Ärger sucht sich andere Ven-tile: Abseits wird reklamiert miteinem verzweifelten Blick zumSchiedsrichter-Assistenten, Fußoder Faust landen am Pfosten,mancher Spieler starrt nur resig-niert zu Boden.

Der Schiedsrichter, der sich nachder Anerkennung des Tores rück -wärts laufend Richtung Mittelliniebegibt, und seine Assistentenbehalten in solchen Momentenmöglichst alle Emotions-Ausbrü-che auf und neben dem Spielfeldim Blick.

So war es auch im Spiel SV Sand-hausen gegen Fortuna Düsseldorf(31. Spieltag).

Nach dem 2:0 für die Düsseldorfersucht sich der Frust von TorwartManuel Riemann allerdings einenbesonderen Weg. Zunächst stößt erseinen Mitspieler Seyi Olajengbesimit beiden Händen zweimal in denRücken (Foto 1a), daraufhin drehtdieser sich um und stößt den Tor-wart zuerst gegen die Brust, dannauch mit beiden Händen in Rich-tung Hals.

Obwohl anschließend die Mitspielerschlichtend eingreifen, kommt eserneut zu einem Wortgefecht zwi-schen den beiden Kontrahenten, indessen Verlauf Olajengbesi seinemTorwart mit der Hand derart wuch-tig ins Gesicht langt, dass dies einerOhrfeige nahekommt (Foto 1b).„Übertriebene Härte oder Gewaltgegen eigene Mitspieler“ geltenauch als Tätlichkeit – so steht es inRegel 12. Ganz sicher trifft das aufden Spieler Olajengbesi zu. Dieserhätte „Rot“ sehen müssen. Aberauch der Torhüter hätte für seineaggressive Provokation mindestens„Gelb“ sehen müssen.

***

Um eine Tätlichkeit anderer Artoder – besser ausgedrückt – umkeine Tätlichkeit, sondern um dieSimulation einer solchen, ging esim Spiel FSV Frankfurt gegenEnergie Cottbus, das am 32. Spiel-tag stattfand.

Der Cottbuser Sven Michel undOdise Roshi (FSV) geraten nacheiner Spielunterbrechung aneinan-der. Dabei stößt zunächst Roshiseinen Gegner leicht vor die Brust.Anschließend kommen sich beidemit den Köpfen näher. Der Frank-

furter neigt seinen Kopf etwas inRichtung des Gegners. Es bleibtjedoch ein Zwischenraum erkenn-bar, sodass es nicht zum Kontaktder Köpfe kommt (Foto 2a). DerCottbuser stürzt dennoch theatra-lisch zu Boden (Foto 2b). Auf Mel-dung des Assistenten sieht Roshidie Rote Karte.

Eine überzogene Entscheidung,„Gelb“ für beide Spieler wäre hierangebracht gewesen: für denFrankfurter wegen der Provokationund den leichten Stoß mit dem

Eine ganzbesondereTätlichkeitMit der Analyse von neun Szenen aus dem Profi-fußball blicken Lutz Michael Fröhlich und Lutz Lüttig auf die letzten Spieltage der vergangenenSaison zurück. Am Anfang steht eine Situation, die relativ selten ist, aber unbedingt in das Erwar-tungs-Repertoire eines Schiedsrichters gehört.

Wütend stößt Sandhausens Torwart Riemann seinen Mitspie-ler Olajengbesi mit beiden Händen weg.

Olajengbesi revanchiert sich mit einem kräftigen „Hand-schlag“ an Riemanns Hals.

Foto 1a

Foto 1b

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Analyse

Arm vorher, für Michel wegen derSimulation einer Tätlichkeit.

Was könnte der Grund sein für dieseFehleinschätzung des Schiedsrich-ter-Teams? Beide Unparteiischestanden im Moment des Gesche-hens so, dass sie jeweils auf denRücken eines der beiden Spielerschauten. Sie konnten also daswirkliche Geschehen, das sich – im wahrsten Sinne des Wortes –zwischen den Kontrahentenabspielte, nicht erfassen.

Dabei gilt doch die eiserne Regel:Nur was der Unparteiische wirklichgesehen hat, darf er zur Grundlageseiner Entscheidung machen. Indiesem Fall hat der Assistent etwasin die Situation hineininterpretiert(Köpfe dicht beieinander, ein Spie-ler stürzt schreiend zu Boden), waser in ähnlichen Fällen schon einigeMale gesehen haben mag. Wer sichaber bei seinen Entscheidungenauf das weite Feld der Interpreta-tionen oder Wahrscheinlichkeitenbegibt, kommt schnell vom rechtenWeg ab.

***

Im dritten Fall geht es ebenfalls umeine Täuschung, allerdings nichtum die Simulation eines Vorgangsdurch einen Spieler. Hier geht esum die falsche Erwartung, die einSchiedsrichter-Assistent aus einemBewegungsablauf ableitet.

Die Situation trug sich beim SpielDynamo Dresden gegen den Karls-ruher SC (32. Spieltag) zu. Karlsru-hes Stürmer Manuel Torres läuft vonrechts hinter einem langen Einwurfher in den Dynamo-Strafraum, derBall prallt vor ihm auf. Gegenspie-ler Romain Brégerie springt demKarlsruher entgegen. Dabei hat erbeide Unterarme seitlich nebenseinem Kopf erhoben (Foto 3a).Torres will nun den Ball über Brége-rie hinweg Richtung Tor spielen.Dabei trifft er den Dresdner imGesicht (Foto 3b), der Ball fliegt insAus. Torres und ein Mitspielerreklamieren sofort „Handspiel“.

Der Schiedsrichter-Assistent hateinen freien Blick auf die Situationund zeigt dem Schiedsrichter mit

offener Fahne einen Strafstoßwegen Handspiels an – eine Ent-scheidung, die der Schiedsrichtersofort übernimmt. Er hatte auf-grund seiner Position den Vor -gang nicht klar erfassen können.Dabei wäre für ihn eine bessereSicht durchaus erreichbar gewe-sen. Allerdings hat er nicht antizi-piert, welch gefährliche Situationaus dem weiten Einwurf in denStrafraum entstehen könnte undist deshalb im „Geh-Modus“ geblie-ben, statt sich im Sprint näher andie „Gefahrenzone“ zu begeben.

Und auch der (schwerer wiegende)Fehler des Assistenten hat etwasmit der Vorausahnung, also derAntizipation eines Geschehens zutun. Es ist ja im Prinzip sehr hilf-reich, aus Erfahrung mit einembestimmten Ablauf rechnen zukönnen. Wir haben darüber in der„Analyse“ der vorigen Ausgabe derSchiedsrichter-Zeitung ausführlichgeschrieben.

Dabei haben wir aber auch daraufhingewiesen, dass die Technik des Antizipierens eine Gefahr birgt, die sich in dieser Spielsitua-tion deutlich gezeigt hat: Der Assis -tent hat von den erhobenen Armendes Dresdner Spielers auf eingleich eintretendes Handspielgeschlossen. Er war sozusageninnerlich vordisponiert, im nächs-ten Moment dieses Handspiel zu„sehen“.

Dass es nicht stattfand, beweisendie Bilder.

***

In den Fußball-Regeln, die für allegelten, die unmittelbar (auf demSpielfeld) und mittelbar (auf denErsatzbänken) am Spiel beteiligtsind, heißt es: „Der Trainer und alleübrigen Personen, die sich in der‚Technischen Zone‘ aufhalten, müs-sen sich jederzeit korrekt verhal-ten.“

Für den Fachbegriff „TechnischeZone“ hat sich landläufig der Aus-druck „Coaching Zone“ etabliert.Das ist auch gut so, denn er drücktpräziser das aus, was hier gesche-hen soll und darf: Der Trainer kann

Ganz nahe kommen sich der Cottbuser Michel und seinKontrahent Roshi,…

…bevor Michel sich blitzartig zu Boden fallen lässt.

Als Torres schießt, hat Brégerie schon beide Arme gehoben.

Einen Augenblick später bekommt der Dresdner den Ball anden Kopf.

Foto 2a

Foto 2b

Foto 3a

Foto 3b

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von dort aus Anweisungen anseine Mannschaft geben, sie also„coachen“. Zu diesem Zweck kanner die gesamte Spieldauer in die-sem Bereich stehen, er muss sichnicht hinsetzen.

Nun hat es sich eingebürgert, dassmanche Trainer in den Profiligennicht nur fast ununterbrochen dieBemühungen ihrer Schützlingeverbal und mit großen Gestenunterstützen wollen, sondern sichberufen fühlen, die Entscheidun-gen der Unparteiischen zu kom-mentieren – auch dies mit vielenWorten und großen Gesten.

Damit verstoßen sie gegen denoben genannten Regeltext – sieverhalten sich nicht „korrekt“. DieUnparteiischen können dagegeneinschreiten, genauso wie sie esbei den Spielern tun. Für die heißtes in Regel 12, dass das Vergehen„Protestieren/Reklamieren durchWorte und Handlungen“ mit einerGelben Karte bestraft wird.

Wenn also wie im Spiel BorussiaDortmund gegen Borussia Mön-chengladbach (25. Spieltag) einTrainer wütend und lautstarkreklamierend auf den Vierten Offiziellen zuläuft (Foto 4a) undanschließend wild gestikulierendin Richtung Schiedsrichter protes -tiert (Foto 4b), dann ist ein Ver-weis aus dem Innenraum die rich-tige Konsequenz. Die Maßnahmewirkt in diesem Fall auch deshalbso überzeugend, weil sie Schieds-richter Aytekin in sehr ruhiger und besonnener Art ausspricht(Foto 4c).

Dass der Trainer unmittelbar nachSpielschluss als erstes zum ViertenOffiziellen läuft, um ihn zu fragen,wer ihn denn nun herausgestellthabe (so erzählt es der Trainerhinterher selbst), spricht Bände inSachen Regelkenntnis. So wie einSpieler nur vom Schiedsrichtervom Platz gestellt werden kann,verhält es sich auch bei einemInnenraum-Verweis für einen Trai-ner. Der Vierte Offizielle „infor-miert den Schiedsrichter, wennsich Personen in der ‚TechnischenZone‘ ungebührlich verhalten“,heißt es im Regelwerk. Was aus

dieser Information folgt, entschei-det ganz allein der Schiedsrichter.

Auf jeden Fall darf der Hinweis desVierten Offiziellen nicht nur ausden Worten „Der Trainer muss aufdie Tribüne“ bestehen. Der Schieds-richter muss einen klaren Sachver-halt geschildert bekommen, ausdem er seine Sanktion ableitet.

***

Wichtig ist allerdings, dass derVierte Offizielle seinen „Chef“überhaupt informiert. Natürlich istder Übergang von akzeptierterEmotionalität eines Trainers zurAggression nicht immer leicht fest-zustellen.

Wenn aber – um ein weiteres Bei-spiel anzuführen – wie beim SpielSC Freiburg gegen den 1. FC Nürn-berg (28. Spieltag) der Trainer derHeim-Mannschaft vor Wutschreiend (Foto 5a) und wild gesti-kulierend durch die Coaching Zonespringt und seinen Unmut dabeilautstark in Richtung des ViertenOffiziellen artikuliert, dann ist dieGrenze überschritten. Ein solchesVerhalten muss ihn dazu veranlas-sen, den Schiedsrichter zu infor-mieren.

Zumal in diesem Fall auch nochhinzukam, dass dieser Trainer sichverbal und drohend mit Mitgliederndes gegnerischen Betreuerstabsanlegte (Foto 5b) und dabei vomVierten Offiziellen kaum zu bändi-gen war. Hier kann die richtigeMaßnahme nur der Verweis ausdem Innenraum sein.

Noch einmal deutlich: Die CoachingZone dient zum Coachen und nichtzum Frust- oder Aggressionsabbaufür Trainer (und andere Offizielle),deren Mannschaft vielleicht nichtso spielt, wie sie das gern hätten.Das Schiedsrichter-Team kann sichsolche Ausbrüche nicht gefallenlassen, wenn es seine Autorität, diesich aus den Fußball-Regeln ablei-tet, wahren will.

Erinnert werden muss auch daran,dass sich alle Beteiligten eben die-sen Fußball-Regeln unterwerfen,wenn ein Spiel beginnt – und dazu

„Wer, ich?“ Ungläubig schaut der Trainer Schiedsrichter Ayte-kin an.

…und gestikuliert einen Moment später abfällig RichtungSchiedsrichter.

Trainer Jürgen Klopp brüllt den Vierten Offiziellen wütend an…

Foto 4a

Foto 4b

Foto 4c

26 S C H I E D S R I C H T E R - Z E I T U N G 4 / 2 0 1 4

Analyse

gehören auch die Bestimmungen,die die „Technische Zone“ betref-fen.

***

Häufig haben uns in der abgelaufe-nen Saison Abseits-Situationenbeschäftigt, weshalb wir auch hiernochmal drei knifflige Szenenansprechen wollen.

Im Spiel Erzgebirge Aue gegenden SC Paderborn (33. Spieltag)gab es einen Fall mit einer wirklichseltenen Konstellation.

Der Auer Abwehrspieler Müller ver-liert rechts vom eigenen Strafraumden Ball an den Paderborner Meha.Der schießt den Ball direkt von derseitlichen Strafraumgrenze flachauf das Auer Tor (Foto 6a). DerTorwart, der sich weit außerhalbseines Tores zum Anspiel angebo-ten hat, rennt nun nach dem Ball-verlust seines Mitspielers von derTorauslinie schräg Richtung Tor-raum zurück und hechtet zum Ball.

Auf seinem Weg passiert er füreinen Moment auch den in seinemSichtfeld zum Ball stehendenPaderborner Kachunga (Foto 6b),der sich im Moment des Schussesvon Meha in einer Abseitspositionbefand. Der Torwart kann den Ballnicht erreichen, er fliegt ins Tor.

Die Frage, ob Kachunga tatsächlichdie Sicht des Torwarts zum Ballbehindert, ist schwierig zu beant-worten. Die Position des Spielerszum Torwart spricht eher dafür.Die klare und ungestörte Lauf- undSprungaktion des Torwarts zumBall spricht eher dagegen. Wirhaben es hier deshalb mit einemGrenzfall zu tun, bei dem die Ent-

scheidung des Schiedsrichters zuakzeptieren ist, der nicht auf straf-bares Abseits erkennt, sondern aufTor.

***

In demselben Spiel ging es beieinem weiteren Tor der Paderbor-ner nochmal um eine kniffligeAbseits-Situation. Beim Torschussdes Paderborners Vrancic aus rund18 Metern Entfernung steht seinMitspieler Meha elf Meter vor demTor im Abseits (Foto 7a). Das Fotovermittelt den Eindruck, als obMeha den Blick des Torwarts aufden Ball zustellt.

Aber die Linie zwischen demSchützen und Torwart Männel deu-tet schon an, was das Foto 7bdeutlich macht. Der Torwart vonErzgebirge Aue hatte vom Momentdes Schusses bis zum „Einschlag“immer freie Sicht zum Ball. Es laghier also keine strafbare Abseits -position von Meha vor, das Torwurde korrekt erzielt.

***

Eine Szene aus dem Zweitliga-SpielKarlsruher SC gegen den 1. FC Kai-serslautern (28. Spieltag) rundetden Bereich „Abseits/Sichtfeld“sehr gut ab.

Karlsruhes Nazarov schießt denBall aus rund 20 Metern auf dasTor von Kaiserslautern. Sein Mit-spieler Rouwen Hennings läuft beidiesem Schuss aus einer Abseits-position im Torraum heraus. AlsNazarov schießt, versperrt erdabei zunächst nicht die Sicht vonTorwart Sippel zum Ball. Henningskreuzt dann beim Herauslaufen dieSchussbahn des Balls und weicht

…der dann vergeblich versucht, noch an den Ball zu kommen.

Links am Strafraum schießt der Paderborner aufs Tor von Tor-wart Männel,…

…der ihn dann nur mühsam von seinen Tiraden Richtung geg-nerische Bank abbringen kann.

Auch hier: Wutschnaubend dreht sich Trainer ChristianStreich zum Vierten Offiziellen,…

Als Vrancic aufs Tor schießt, steht Meha im Abseits – strafbar?

Foto 5a

Foto 5b

Foto 6a

Foto 6bFoto 7a

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diesem durch einen Sprung aus.Der Ball geht unberührt ins Tor.

Die zentrale Frage hierzu lautet: Istdas Verhalten Hennings noch imSinne einer Sichtbehinderung fürden Torwart – aus einer strafbarenAbseitsstellung heraus – zu bewer-ten, obwohl er ja nicht dessenSicht zum schießenden Spielerversperrt?

Im Vergleich zum gerade geschil-derten Fall in Aue wird hier aller-dings nach dem Schuss die Sichtdes Torwarts auf den Flug des Bal-les behindert. Weil dadurch seineReaktionsmöglichkeit beeinträch-tigt wird, handelt es sich hier umeine strafbare Abseitsposition. Dasist allerdings wirklich knifflig undbedarf schon einer eingehendenAnalyse.

***

Ganz zum Schluss der Analysendieser Saison wollen wir noch aufeinen Teilaspekt der Diskussion umdas nicht gegebene Tor im Finaleum den DFB-Pokal zwischen Borus-sia Dortmund und Bayern Mün-chen eingehen.

Als der Assistent aus seiner Sichtdaran zweifelte, dass der Ball dieTorlinie überschritten hatte, tat erdas, was man an der Linie in sol-chen Fällen macht: Er streckte denlinken Arm aus (Foto 9) und signa-lisierte damit, dass der Ball nichtim Tor war.

Denn dieses Zeichen („freie Hand“)bedeutete schon, als die Assisten-ten noch Linienrichter hießen, also

sozusagen seit ewigen Zeiten:„Weiterspielen!“ Es ist ein bestäti-gendes Signal für den Schiedsrich-ter: Der Ball ist nicht im Tor, derBall ist nicht im Aus, der Spieler istnicht im strafbaren Abseits, esliegt kein Foul oder Handspiel vor;also lass das Spiel weiterlaufen!

Dieses Zeichen ist eben nicht das,wofür es beim Pokalfinale Regelun-kundige hielten – für eine Anzeige„Tor“! Ein gültig erzieltes Tor näm-lich zeigt der Assistent im Zwei-felsfall an, indem er die Fahne hebtund Richtung Mittellinie läuft.

Im Profifußball ruft er demSchiedsrichter zusätzlich überHeadset das dafür abgesprocheneCodewort zu, im übrigen Liga-Betrieb nickt er beim Blickkontaktzum Schiedsrichter bestätigendmit dem Kopf oder gibt das fürdiese Fälle im Team abgesprochenezusätzliche Zeichen.

Diese Abläufe sind keine Erfindungder Neuzeit (von der Headset-Hilfemal abgesehen). Es gibt sie schonso lange, dass man sie wirklichkennen kann, auch wenn mankeine Schiedsrichter-Ausbildunghat. Deshalb ist es bedauerlich,dass aufgrund dieser mangelndenKenntnisse das Gerücht in Umlaufkam, der Schiedsrichter habe beidieser kniffligen Szene den Assis -tenten überstimmt.

Wobei allein schon die Position desSchiedsrichters im entscheidendenMoment – fast 20 Meter von derTorlinie entfernt – deutlich zeigt,wie absurd ein solcher Gedankeist. �

Nein, denn Torwart Männel hatte beim Schuss und danach freieSicht auf den Ball. Nazarov (ganz rechts) schießt aufs Tor, Hennings steht im

Abseits.

Hennings (Nr. 17) verdeckt kurzzeitig den Ball und springtdann hoch.

Der Assistent zeigt mit dem ausgestreckten linken Arm an:weiterspielen!

Foto 7b Foto 8a

Foto 8b

Foto 9

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Porträt

Eine Karriere auf Sa

Sein Problem: Das ist für ihn imFeldfußball – wie bei so vielen Kol-legen auch – ab einer gewissenStufe und einem gewissen Alternicht mehr realistisch. Er siehtkaum mehr Perspektiven. „Irgend-wann bin ich an einem Punktangekommen, an dem es nichtmehr weiterging. Also habe ichmeine neue Herausforderung imFutsal gesucht und gefunden.“

Als hierfür eine DFB-Liste aufgestelltwird, ist Torsten Günther dabei.Schon hier hat er die Chance aufinternationale Einsätze, als mit Ste-fan Weber einer der beiden amtie-renden FIFA-Futsal-SchiedsrichterEnde 2008 aus Altersgründen vonder FIFA-Liste ausscheidet. „Daswurde auch scherzhaft innerhalbder Gruppe der DFB-Futsal-Schieds-richter immer wieder thematisiert.“

Während einer solch lockerenGesprächsrunde unter Kollegensagt Schiri-Kollege RicardoMunoz-Nunez aus Frankfurt beiläufig einen Satz, der für Torsten Günther ungeahnte Folgenhaben soll. „Er sagte: ‚Wenn es für mich nicht für einen FIFA-Platzim Futsal reicht, dann probiere ich es eben im Beachsoccer‘ “,erzählt Torsten schmunzelnd. „Da gibt es nämlich noch keinenFIFA-Schiedsrichter aus Deutsch-land.“

Torsten hört genau zu – und lässtden Scherz ernst werden, als Kollege Swen Eichler aus Erfurtden FIFA-Futsal-Platz bekommt.„Ich war also wieder an einemPunkt angekommen, an dem esaus Karrieresicht nicht mehr weiterging. Das allgemeine Inter-esse an Futsal stieg, die Schieds-richter wurden immer jünger,sodass ich schon bei diesemLehrgang den Entschluss gefassthabe, nochmal etwas anderesanzufangen.“

Anfang des Jahres erhielt der 37-Jährige das offizielle FIFA-Emblem von DFB-Lehrwart Lutz Wagner (links) und AndreasThiemann (Mitglied DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateure).

Wir Schiedsrichter gelten schon an sich als „besondere Spezies“ – und sind darauf ja auch oft ein bisschen sto derer Exot. Nach einer durchaus vorzeigbaren Laufbahn als Fußball- und Futsal-Referee ist der Rheinländer jet der FIFA-Liste. SRZ-Mitarbeiter Bernd Peters porträtiert diesen neuesten deutschen FIFA-Schiedsrichter.

Torsten Günther ist Personal-Sachbearbeiter bei der Bundes-

anstalt für Straßenwesen in Ber-gisch Gladbach. „Dieser Job istinteressanter als er sich anhört“,sagt der Regierungsoberinspektor –und lacht.

Sie sollten trotzdem weiterlesen –denn sein Bürojob mit viel sit-zender Tätigkeit ist einer derGründe, warum sich TorstenGünther ein sportlichesHobby suchte, in das ersich reinstürzen, rein-wühlen, reinfühlenkann. Mit Haut und Haa-ren. „Und manchmal viel zu sehrund viel zu lange“, wie TorstensFrau schmunzelnd hinzufügt. Dashat sich aber gelohnt, weil derRegierungsoberinspektor auf sport-lichem Terrain für Furore sorgt.

Aber von vorn: Was jetzt in interna-tionalen Ehren gipfelt, nämlich derBerufung als Beachsoccer-Refereeauf der FIFA-Liste, beginnt 1993 ganzklein – und ganz normal. TorstenGünther startet als Schiedsrichterfür den SV Bergisch Gladbach 09 imregulären Fußball. Er steigt im hei-mischen Fußball-Verband Mittel-rhein schnell auf, bis in die Amateur-oberliga (damals 4. Liga), leitetdort 50 Spiele. Danach ist er aufVerbands- und DFB-Ebene auch imFutsal aktiv.

Der Reiz des „Neuen“ hat auf Torsten Günther eine besondereAnziehungskraft. Denn der packtihn auch, als er erstmals vomBeachsoccer erfährt. „Wie bei vie-len Schiedsrichtern war mir einegewisse sportliche Entwicklungimmer besonders wichtig“, sagt er.„Mein persönlicher Anreiz wardaher immer, eine Stufe weiterzu-kommen und eine neue Herausfor-derung anzunehmen.“

Torsten Günther ist Deutschlands erster FIFA-Schiedsrichter beim Trendsport Beachsoccer.

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Da ist er wieder – der Reiz desNeuen. Torsten Günther hat jaschon einmal einen Riecher füraufkeimende neue Trendsportartenbewiesen. Warum nicht nochmal?Jetzt keimt der Beachsoccer –wenn auch damals noch als sehrkleines Pflänzchen. „Es wurde nur im Bereich des Freizeitsportsgespielt. Nicht beim DFB oder seinen Verbänden.“

Trotzdem wird Torsten aktiv, aufeigene Initiative. „Ich habe michan die Veranstalter von solchenFreizeitevents gewandt, die aucheine Schiedsrichter-Ausbildungangeboten haben.“ Und im Mai2009 wird er nach einer Schulungmit anschließender schriftlicherPrüfung im heimischen Wohnzim-mer(!) Beachsoccer-Schiedsrich-ter. „Das fühlte sich damalsunwirklich an, sehr amateurhaft.“Von da an darf er Freizeit-Turnierepfeifen, die von privaten Anbie-tern organisiert werden.

Der erste Einsatz im Juni 2009 inDüsseldorf wäre jedoch fast seinletzter geworden. „Es regnete wieaus Kübeln, und so richtig Strand-feeling kam nicht auf. Ich weißnoch, dass ich vor dem letztenSpiel fröstelnd einen Ort gesuchthabe, an dem ich mich aufwärmenkonnte, aber leider nichts gefun-den habe. Da habe ich darübernachgedacht, ob das überhauptdas Richtige für mich ist.“ Daserste Turnier fiel also ins Wasser.Erkältung inklusive.

Aufgeben ist aber nicht TorstensArt – er gibt dem Beachsoccernoch eine weitere Chance. ZweiterEinsatz im ostfriesischen Touris-ten-Mekka Norddeich. Ein Turnierauf Natursand direkt an der Nord-see. Klingt schon eher nachUrlaubs-Feeling. „Dank traumhaftem

Wetter ging meine Beachsoccer-Laufbahn weiter“, erzählt Torstenlachend.

Im selben Jahr findet in Köln amwunderbar idyllischen Escher Seedas Deutschland-Finale der Frei-zeitserie statt – wieder mit TorstenGünther. Er qualifiziert sich, wieauch in den beiden Folgejahren, fürdas Endspiel. Und: Der Verantwort-liche für das „Team Germany“, dervom DFB inzwischen anerkannten„Nationalmannschaft“, entdecktden Mann aus Bergisch Gladbach.

„Über ihn bin ich dann auch zumeinem ersten internationalenEinsatz gekommen.“ Es ist dasFreundschaftsspiel Deutschlandgegen Estland am 15. Mai 2010 imRahmen des DFB-Pokalfinales derFrauen in Köln.

Im selben Jahr folgt ein weiteresFreundschaftsspiel gegen dieNiederlande. „Mein größtes Glückin meiner Beachsoccer-Laufbahn

Bei einem Turnier in Berlinschnupperte Torsten Güntherim Jahr 2012 erstmals inter-nationale Beachsoccer-Luft.Im Bild verwarnt er einenItaliener wegen einer„Schwalbe“.

war, dass die FIFA entschiedenhat, 2011 einen Spieltag der Euro-pean Beach Soccer League (EBSL)in Berlin auszutragen“, sagt Tors-ten Günther.

Denn: Dem Team-Verantwortlichenwird dabei die Gelegenheit gege-ben, einen deutschen Schiedsrich-ter zu benennen, der dort alsNicht-FIFA-Schiedsrichter teilneh-men darf. Die Wahl fällt auf TorstenGünther, sodass er zu seinemersten FIFA-Einsatz kommt.

„Ich habe niemals damit gerech-net, dass ich bei diesem Turnierals leitender Schiedsrichter zumEinsatz kommen könnte. Ich wareigentlich mit zwei Einsätzen alsdritter Schiedsrichter, vergleich-bar mit dem Vierten Offiziellen imFeldfußball, überglücklich.“

Aber es gibt das Sahne-Häubchen:Sein erstes offizielles Länderspiel,Tschechien gegen Andorra. „DerEinzug ins Stadion mit der FIFA-Hymne, die Nationalhymnen, dieLive-Übertragung im Fernsehen,der erste Anpfiff - ich hattegefühlt noch Wochen später Gän-sehaut“, sagt Torsten – und seineAugen leuchten. „Nun war meineEntscheidung klar: Das, was ich inBerlin erlebt hatte, durfte nichtmein letztes Erlebnis dieser Artgewesen sein!“

Er nimmt Kontakt mit DFB-Lehr-wart Lutz Wagner auf. „Ich habebei ihm für meine neue Leiden-schaft geworben. Das war von ihm wahrscheinlich nicht immergewünscht, aber er hat michimmer sehr geduldig ertragen“,sagt Torsten heute.

Aber auch Lutz Wagner als dama-liges Mitglied der Schiedsrichter-Kommission kann ihm nicht direktweiterhelfen - weil es zu diesemZeitpunkt keinen offiziellen Spiel-betrieb in Deutschland gibt. „Ichmusste mich also weiter selbstversorgen und habe jede Gelegen-heit genutzt, im Beachsoccertätig zu werden, den Sport zu för-dern und bekannter zu machen.“Mit Beachsoccer-NationalcoachNils Böringschulte, DFB-Abtei-lungsleiter Bernd Barutta und

nd gebaut lz. Torsten Günther (37) aber ist so gesehen ein beson-

zt Deutschlands erster Beachsoccer-Schiedsrichter auf

FIFA-Referee-Instructor StephanFässler hat er aber bald weitereeinflussreiche Fürsprecher.

Die EBSL gastiert 2012 erneut inBerlin. Torsten Günther wirderneut eingeladen – und darf mitPeter Herbaly aus Ungarn dasEröffnungsspiel zwischen Italienund Rumänien leiten. Außerdementsteht die „German Beach Soc-cer League“ (GBSL), eine Liga mitacht Mannschaften, die mit Hin-und Rückspiel deutschlandweitihren Meister ausspielt – 2013 startet der reguläre Spielbetrieb,eine FIFA-Voraussetzung für dieNominierung eines internationalenSchiedsrichters.

Dort kann Torsten nun regelmäßigeErfahrungen als Beachsoccer-Referee machen. Und er kümmertsich um die Organisation desSchiedsrichter-Wesens der Liga.Er ist jetzt regelmäßig in ganzDeutschland unterwegs. „Da gingfast der ganze Jahresurlaub drauf –aber das war es auch wert.“

Sein vorläufiges Highlight: DerLiga-Finalspieltag bei hervorra-gendem Strandwetter in Warne-münde an der Ostseeküste. BeimEndspiel zwischen Rostock undDüsseldorf stehen unter TorstensLeitung 800 Zuschauer rund umdas Spielfeld. „Wieder Gänsehautpur“, schwärmt Torsten. „Als dieHeimmannschaft Rostock diesesFinale auch noch für sich ent-scheiden konnte, bebte derStrand. So was hatte ich noch nieerlebt.“ Ende des Jahres gibt esdann die FIFA-Nominierung oben-drauf.

Was fasziniert ihn an der Rand-sportart Beachsoccer? „Sie istjung, es entwickelt sich noch viel.An dieser Entwicklung teilzuneh-men, macht mir sehr viel Spaß“,schwärmt Torsten. Er lacht wiederlaut auf, dieses ansteckendeLachen. „Und man trifft auf vieleGleichgesinnte – oder Verrückte,wie es Außenstehende ausdrü-cken würden. Man schließt schnellFreundschaft.“

Beachsoccer sei ein Lebensgefühl.„Fußball am Strand, bestenfalls bei

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Porträt

Sonnenschein, Musik während derSpiele, Spaß am Spiel, alles das istfaszinierend. Man muss es einfachmal selbst erleben.“ Auch sportlichfasziniert ihn die Disziplin. „Es istschnell und durch den Sand unbere-chenbar. Mal entscheidet die Taktik,mal die Athletik und mal die Akro-batik über Sieg oder Niederlage.Der Torabschluss steht immer imVordergrund, sodass oft spekta-kuläre Aktionen zu sehen sind.“

Neugierig geworden? Man kannsich diesen erfolgreichen Manndurchaus zum Vorbild nehmen –denn der Bedarf an ausgebildetenBeachsoccer-Schiedsrichternsteigt stetig. „Je früher man dabeiist, umso mehr Erfahrung kannman sammeln“, empfiehlt Torsten.„Einzelne Landesverbände fangenjetzt schon damit an, Ausbildungs-Lehrgänge zum Beachsoccer-Schiedsrichter zu organisieren.Wenn also Interesse an einer Tätig-keit als Beachsoccer-Schiedsrich-ter besteht, sollte man sich an sei-nen Kreis-Obmann oder direkt anden Verbands-Obmann wenden.“

Wichtig: Eine vorherige Ausbildungzum „normalen“ Fußball-Schieds-richter ist Voraussetzung. Torstenempfiehlt seinen kompletten Wer-degang weiter: „Erfahrungen beimFutsal sind hilfreich für Beach-soccer. Wenn man die Regelnbeherrscht, ist die nächste Schwie-rigkeit das Pfeifen zu zweit. Hatman das drauf, muss man nurnoch das ‚unfallfreie Laufen‘ aufSand üben…“

Torsten wäre aber nicht Torsten,würde er sich nach der Nominie-rung für die FIFA-Liste nun ausru-hen. Sein neuer Traum: die Teil-nahme an einer Beachsoccer-WM. Das Problem auch hier: „Selbst im Beachsoccer gibt es bereitsviele junge internationaleSchiedsrichter, die mehr Erfah-rung aufweisen können als ich.Ich freue mich aber über jedeninternationalen Einsatz, den ich bekomme, und werde dortmein Bestes geben. Was darauswird, kann man jetzt ganzbestimmt noch nicht sagen. Ichkann mir nur selbst die Daumendrücken für eine Nominierung zum

WM-Qualifikationsturnier im Sep-tember.“

Und wie sieht Torsten das Entwick-lungspotenzial von Beachsoccer inDeutschland? „Die GBSL mussteaufstocken, da mehr und mehrTeams Interesse am Spielbetriebhaben. In diesem Jahr werden

zwölf Mannschaften um die Meis-terschaft spielen. Ich denke, dassBeachsoccer in Deutschland nichtmehr aufzuhalten ist und sich inden nächsten Jahren stetig undschnell weiterentwickeln wird.“

Und Torsten Günther ist ein wichti-ger Teil davon, als internationaler

Aus Brasiliennach Europa

Beachsoccer ist älter als manvermutet: Die Sportart entstandin den Küstenregionen Brasi-liens gegen Ende des 19. Jahr-hunderts. Anfangs waren eseuropäische Seeleute, die aufihren Landgängen im Sand Fuß-ball spielten.

Der Fußball am Strand war und istin Brasilien fester Bestandteil derFreizeitgestaltung. 1957 fandendort die ersten offiziellen Beach-soccer-Turniere statt. Seitdemwerden dort auch regelmäßigprofessionelle Turniere durchge-führt, mit der Premiere der inoffi-ziellen Weltmeisterschaft 1995.Von der Copacabana hat sichBeachsoccer zunächst auf dieUSA, dann aber sehr schnell aufdie restliche Welt ausgedehnt.

Was sind – mal abgesehen vomUntergrund - die Unterschiedezwischen klassischem Fußballund Beachsoccer? „Schon vorSpielbeginn fällt auf, dass dasSpiel – wie Futsal auch – von zweiSchiedsrichtern geleitet wird“,erklärt Torsten Günther.

„Beide Mannschaften spielen mitfünf Spielern – natürlich ohneSchuhe – und fliegendem Wech-sel. Ein Spiel ist unterteilt in dreiDrittel zu je zwölf Minuten, beiSpielunterbrechungen wird dieSpielzeit angehalten. Ist der Ballim Seitenaus, kann entweder ein-gekickt oder eingeworfen wer-den. Die Linien sind imaginär unddurch Fahnen, die außerhalb des

Spielfelds stehen, gekennzeich-net. Alle Spielfortsetzungen sindinnerhalb von fünf Sekunden aus-zuführen.“

Die vier Besonderheiten, die denSport ausmachen und für denZuschauer erst einmal gewöh-nungsbedürftig sind, beschreibtTorsten Günther so:

1. „Der Torwart darf einen Rück-pass seines Mitspielers mit denHänden aufnehmen. Erst beimzweiten Rückpass ohne Berüh-rung des Gegners wird das Spielunterbrochen. Diese Regelungwird oft zur Einleitung schnellerKonter genutzt.“

2. „Wird ein Freistoß verhängt,darf die verteidigende Mann-schaft keine ‚Mauer‘ bilden. Dergefoulte Spieler, der den Freistoßausführen muss, hat immer freieSchussbahn auf‘s Tor.“

3. „Um die Attraktivität des Spielszu fördern, wird der Spieler, dereinen Fallrückzieher ausführt,besonders geschützt. Setzt einSpieler zum Fallrückzieher anund wird dabei von einem Gegen-spieler behindert, erhält derAngreifer den Freistoß. Selbstdann, wenn er im Extremfall denVerteidiger mit seinem Fallrück-zieher verletzt hat. Passiert dasim Strafraum, folgt natürlich einStrafstoß aus neun Metern.“

4. „Kein Spiel im Beachsoccerendet mit einem Unentschieden.Ist in der regulären Spielzeit keinSieger gefunden, folgt eine drei-minütige Verlängerung. Stehtdann immer noch kein Sieger fest,wird per Neun-Meter-Schießen im‚Sudden Death‘ der Siegerermittelt.“

Hintergrund: Beachsoccer

Der „normale" Schiedsrichter würde auf Gefährliches Spieldes Angreifers entscheiden - beim Beachsoccer gibt es insolch einer Situation dagegen Freistoß für den Angreifer,weil er vom Verteidiger am Fallrückzieher gehindert wird.

Repräsentant des deutschen Beach-soccer-Schiedsrichter-Wesens.Einer mit Ehrgeiz, Leidenschaftund Durchsetzungsvermögen. Und einer, der beileibe nicht solangweilig ist, wie sich sein regulä-rer Job anhört.

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Blick in die Presse

Stephan Lorenz, Redakteur beider Freien Presse, nimmt Stellungin der Diskussion über technischeHilfsmittel im Fußball.

Eine Fußballer-Weisheit, leicht abge-wandelt, lautet: Tor ist, wenn derSchiedsrichter pfeift. An strittigenEntscheidungen reiben sich seitJahrzehnten Spieler, Fans undFunktionäre. Schiedsrichter sollenAutorität und Gerechtigkeit aufdem Platz ausstrahlen, stehen imMillionen-Spektakel Fußball aberimmer öfter am Pranger.

Im Fußball geht es oft um Millime-ter oder um Sekundenbruchteile,die Mannschaften von Sieg oderTragödie trennen. Dabei ist derSchiedsrichter, weil auch er nurein Mensch ist, der größte Unsi-cherheitsfaktor.

Nach dem Pokalfinale zwischenBayern München und BorussiaDortmund ist die Diskussion über

Ein Tor ist ein Tor...

den Einsatz der Torlinientechnikneu eröffnet worden. Die Bayernhaben bei der Deutschen FußballLiga (DFL) einen neuen Antrag zur Einführung der Technik in derBundesliga gestellt. Erst am24. März dieses Jahres hatten diesdie 36 Erst- und Zweitligisten mehr-heitlich abgelehnt. Auch weil einigeKlubs die hohen Kosten für denEinbau der Technik scheuten.

Damit läuft der deutsche Fußballder Entwicklung hinterher: In Eng-land werden enge Torsituationenschon seit dieser Saison mit tech-nischen Hilfen entschieden. Auchbei der Weltmeisterschaft wird einsolches Verfahren angewendetwerden.

Die DFL sollte die Torlinientechnikendlich einführen, nicht nur für die

Nach dem „Nicht-Tor“ von Mats Hummels im DFB-Pokalfinalewird auch in Deutschland wieder über die Einführung der Tor-linientechnik diskutiert.

Bundesliga, sondern auch für die 2. Bundesliga. Die Branche setztMilliarden um, da sollte die Fragevon Kosten und Nutzen keine Rollemehr spielen.

Ärmere Vereine müssen eben aus-reichende finanzielle Hilfen bekom-men. So viel Solidarität sollte es imsportlichen Haifisch-Becken namensProfifußball geben.

Eines ist aber auch klar: Die neueTechnik ist nicht der Königsweg zumehr Gerechtigkeit im Fußball. Siewird die Schiedsrichter bei ihrerschwierigen Aufgabe allenfallsunterstützen können. Es gibt nochgenügend knifflige Spielsituationen,bei denen es auf das Auge und denMut der Referees ankommt.

Das sollte auch die Traditionalistenberuhigen, die um den „Zauber desFußballs“ fürchten. An dem Heilig-tum der unumstößlichen Tatsachen-Entscheidung wird mit dieser Tech-nik nicht gerüttelt. Sie bringt mehrProfessionalität in das Milliarden-geschäft Fußball. Ein Tor sollte einTor sein – auch wenn das Netznicht wackelt.

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Aus den Verbänden

Film-Vorstellung (von links): VSA-Vorsitzender Wilfred Diekert, VSA-Lehr-wart Frank Behrmann, Film-Produzent Dominik Voigt und HFV-Marketing-Chef Carsten Byernetzki.

Die Perspektiv- und Nachwuchs-Schiedsrichter der VereinigungTrier-Saarburg.

„Projekt Karneval“ war erfolgreich

In der Ausgabe 2/2014 hatten wirin der Schiedsrichter-Zeitung überein Projekt in Braunschweigberichtet: Die dortige Schiedsrich-ter-Gruppe bereitete damals einenMotivwagen vor, um am Karnevals-umzug teilzunehmen.

Rückblickend kann man sagen: DerWagen wurde rechtzeitig zumUmzug fertig und fand viel Beach-tung bei den 250.000 Zuschauernan der Strecke und bei den Kom-mentatoren der Live-Berichterstat-tung im Dritten Programm desNorddeutschen Rundfunks. Zudemberichtete die örtliche Presse überdie ungewöhnliche Nachwuchs-Werbung.

Nachwuchs-Lehrgang derSchiedsrichter

Bereits zum fünften Mal absolvier-ten die Perspektiv- und Nach-wuchs-Schiedsrichter der Vereini-gung Trier-Saarburg ein Lehrwo-chenende. In diesem Jahr wähltendie Verantwortlichen Bad Honnefam Rhein als Ziel des Lehrgangs.

Neben dem Regeltest am Freitag-abend und einem sportlichen Pro-gramm am Samstagmorgen warvor allem der Besuch einesBundesligaspiels in der BayArenain Leverkusen der Höhepunkt der Tour. Dank guter Plätze konnten die Schiedsrichter vieleSpielsituationen aus kurzerDistanz beurteilen und die Ent-scheidungen von FIFA-Schieds-richter Felix Zwayer im Anschlussdiskutieren.

Am dritten Tag des Lehrgangs warReinhard Maguin vom Verbands-Schiedsrichter-Ausschuss zu Gast.Zum einen besprach er bei einerVideo-Analyse die korrekte Regel-auslegung, zum anderen stellte erdie Anforderungen und den Wegeines Perspektiv-Schiedsrichtersim Fußballverband Rheinland vor.

Franz-Josef Ferring

Neuer Imagefilm

Zu viele Fußball-Schiedsrichterhören auf! Neue Schiedsrichtermüssen gewonnen werden! Gewon-nene Schiedsrichter müssen gehal-ten werden! Respekt vor demSchiedsrichter schwindet! Auch dieUnparteiischen des HamburgerFußball-Verbandes stehen ständigim Fokus und werben für qualifi-zierten Nachwuchs. Helfen solldabei ein neuer Imagefilm, der auf www.hfv.de und Youtube zusehen ist.

Auf einer Pressekonferenz wurdeder neue Imagefilm der HamburgerSchiedsrichter vorgestellt. Produzent Dominik Voigt und derVorsitzende des Verbands-Schieds-richter-Ausschusses, Wilfred Die-kert, erläuterten die Gründe undden Inhalt des kurzen Films, derdarstellt, warum man Schiedsrich-ter wird, Schiedsrichter ist und

Hamburg

Niedersachsen

Saarland

Rheinland

Schiedsrichter bleibt. DominikVoigt: „Der Film „Schiedsrichter einEhrenamt“ soll viele Menschenmotivieren, auch Schiedsrichter zuwerden, und die aktiven Unpartei-ischen dazu bewegen, weiterhindieses schöne Amt auszuführen.“„Wir bilden pro Jahr 400 bis 500Schiedsrichter aus, verlieren aberauch genauso viele. Außerdemdroht eine Überalterung“, mahnteder VSA-Vorsitzende Wilfred Diekert.

Carsten Byernetzki

50 Jahre Schiedsrichter

Mit Werner Kremer vom FC Oberleu-ken-Borg ist ein Urgestein derSchiedsrichter im Kreis Merzig-Wadern nach über 50-jähriger Tätig-keit von der Fußball-Bühne abgetre-ten. Beim Lehrabend der Schieds-richter-Gruppe Saar-Mosel hat der71-Jährige sein Amt als Obmann, daser neben der Leitung von Spielenals Unparteiischer zusätzlich seit

1981 innehatte, zur Verfügunggestellt und nicht mehr kandidiert.

Gleichzeitig hat er damit den Wegfür einen jüngeren Schiedsrichterfrei gemacht. Die nahezu vollzähligangetretene Schiedsrichter-Mann-schaft der Saar-Mosel-Gruppe wählteThomas Hackenberger zu ihremneuen Obmann. Hackenberger ist 28Jahre alt, gehört dem SV Mettlachan und verschafft seit 13 Jahren denFußball-Regeln auf den Sportplätzender Region Geltung.

Björn Becker

Werner Kremer (links) gratuliert seinem Nachfolger Thomas Hackenberger.

Der Erfolg der Aktion überraschteselbst die Initiatoren: 20 Personenerkundigten sich in den Folgetagen,wie man Schiedsrichter werdenkönne. Darüber hinaus gibt es beiden Braunschweigern auch schonIdeen für einen Motivwagen in derKarneval-Session 2015.

Jens Goldmann

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Über hohe Auszeichnungen des Fußball- und Leichtathletik-VerbandesWestfalen konnten sich Thorsten Kinhöfer (rechts) und Werner Schüttefreuen.

Mit einer 45-minütigen Percussion-Show sorgte das „Drum Café“ beim Bunten Abend für eine tolle Stimmung.

Westfalen

Herausragende Schiedsrichtergeehrt

Ehre wem Ehre gebührt: Auf derTagung der Vorsitzenden und Lehr-warte der Schiedsrichter-Ausschüssedes Fußball- und Leichtathletik-Ver-bandes Westfalen (FLVW) wurden imSportCentrum Kaiserau die „Schiedsrichter des Jahres 2013“geehrt. Erstmals ging der Titel„Schiedsrichter des Jahres“ anzwei herausragende Unparteiische:Thorsten Kinhöfer und DetlefScheppe erhielten die Verbands-auszeichnung. „Ehren-Schiedsrich-ter des Jahres“ wurde WernerSchütte, Nachwuchs-Referee Alexander Ernst.

Michael Liedtke, Vorsitzender desVerbands-Schiedsrichter-Aus-schusses, lobte dabei besondersdie langjährigen Leistungen vonThorsten Kinhöfer. Der Herner istseit 1994 DFB-Schiedsrichter, leitet

seit 2002 Spiele in der Bundesligaund kam 2006 auf die FIFA-Liste.Der aktuell einzige Bundesliga-Referee des Fußball- und Leicht-athletik-Verbandes Westfalen musste Ende vergangenen Jahresaufgrund der Altersgrenze im FIFA-

Trommeln zum 100. Geburtstag

Mit einem rhythmisch-dynamischenProgramm hat die Schiedsrichter-Vereinigung Frankfurt am Main ihrezweitägigen Jubiläumsfeierlichkei-ten zum 100-jährigen Bestehen zele-briert. Eingeleitet wurden die Feier-lichkeiten mit einem Festakt im Kai-sersaal des Frankfurter Römer. Bei der akademischen Feier gratu-lierte Frankfurts Stadtrat und Sport-dezernent Markus Frank, der alsVertreter von Oberbürgermeisterund Schirmherr Peter Feldmanngekommen war, und begrüßte dierund 200 geladenen Gäste – unteranderem die Kreis-Schiedsrichter-Obleute der benachbarten Schieds-richter-Vereinigungen sowie Vertre-ter der etwa 80 Frankfurter Fußball-Vereine. Im Namen des DeutschenFußball-Bundes gratulierte HelmutGeyer, der Vorsitzende der DFB-Schiedsrichter-Kommission Amateu-re. Auch Rolf Hocke, der Präsidentdes Hessischen Fußball-Verbandes,

würdigte in seiner Festrede dieFrankfurter Schiedsrichter-Vereini-gung, insbesondere auch im Bereichder Nachwuchsförderung. Diesunterstrich Mathias Lippert – seitzehn Jahren Kreis-Schiedsrichter-Obmann in Frankfurt. Sänger „Mijo“umrahmte das Programm im Kaiser-saal mit seiner außergewöhnlichenStimme.

Für die etwa 300 Mitglieder sowieFreunde und Partner der Schieds-richter-Vereinigung fand einen Tag

Hessen

Bereich nach acht Jahren von derinternationalen Schiedsrichter-Liste ausscheiden. Genau wie seinlangjähriger Assistent DetlefScheppe. Auch wenn die Ehrungfür den Abschluss der internatio-nalen Karriere erfolgte, gab es

noch viele weitere Gründe für dieVerleihung des Ehrentitels: „SeineEinsatzbereitschaft, seine konse-quenten Spielleitungen, seinestets sportliche Einstellung zuseinen Mitmenschen machen ihnzu einem Vorbild für alle Schieds-richter“, begründete Liedtke dieEntscheidung des Verbandes.

Der ehemalige DFB-SchiedsrichterWerner Schütte wurde für seinenengagierten Einsatz im Schieds-richter-Wesen geehrt. „Wir würdi-gen damit seine langjährigen,herausragenden Leistungen alsaktiver Schiedsrichter, Funktionärund Beobachter“, so MichaelLiedtke.

Die Ehrungen für Detlef Scheppe,der aufgrund eines DFB-Einsatzesverhindert war, und für AlexanderErnst, der in Barcelona ein Aus-lands-Semester absolviert, sollenzeitnah nachgeholt werden.

David Hennig

später im Titus-Forum des Frank-furter NordWestZentrums ein Bun-ter Abend statt. DFB-Lehrwart LutzWagner hielt eine unterhaltsameLaudatio, bei der er unter anderembekannte Frankfurter Schiedsrich-ter wie Thorsten Bastian undMichel Cucak hervorhob. DieEhrung verdienstvoller Mitgliederübernahm die musikalische Bot-schafterin Birgit Rütters. Geehrtwurden Helga Altvater, Hans Lan-kes, Dieter Heckeroth, Horst Koch,Dieter Engel, Roland Stopper,

Mile Banovic, Willi Pfeiffer und Helmut Strunz.

Ein besonderes Erlebnis für dieGäste war die 45-minütige Percus-sion-Show des „Drum Cafés“. DieShow bewies eindrucksvoll, dassSchiedsrichter an einem Strang zie-hen und für einen Tag mal keine Ein-zelkämpfer sind. VortrommlerinSabine Vieten schaffte es, das Publi-kum zwischen zwölf und 85 Jahrenzum Trommeln zu bringen.

Goran Culjak

SpielplanImpressum

Vorschau 5/2014

Schwitzen für die neue Saison: Zum zweiten Mal absolvieren die Spitzen-Schiedsrichter desDFB ihr Vorbereitungscamp am Chiemsee. Dort steht nicht nur die Leistungsprüfung auf demPlan, sondern es wird auch an einer einheitlichen Regelauslegung gearbeitet. David Bittnerberichtet über die Inhalte des viertägigen Trainingslagers.

Während die Bundesliga ruht, sind die Augen der Fußballfans nach Brasilien gerichtet. Dortfiebern wir nicht nur mit unserer Nationalmannschaft, sondern auch mit unserem deutschenSchiedsrichter-Team um Felix Brych. Lutz Michael Fröhlich analysiert die Entscheidungen derUnparteiischen bei der WM.

Die Diskussion zum Thema Handspiel ist ständig aktuell. Vor allem in der abgelaufenen Spiel-zeit gab es in der öffentlichen Wahrnehmung viele Missverständnisse darüber, wann ein Hand-spiel strafbar ist und wann nicht. So erscheint der aktuelle DFB-Lehrbrief Nr. 56 zum Thema„Das Handspiel in aktueller Auslegung“. Günther Thielking stellt den Inhalt des Lehrbriefs vor.

Analyse

Das Team Brychbei der WM

Die Ausgabe erscheint am 15. August 2014.

Lehrwesen

Das Spielmit der Hand

bequem per E-Mail:[email protected]

ABO

Report

Trainingslageram Chiemsee

Herausgeber:Deutscher Fußball-Bund Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/MainTelefon 0 69/6788-0www.dfb.de

Verantwortlich für den Inhalt:Ralf Köttker

Koordination:David Bittner, Thomas Dohren

Mitarbeiter dieser Ausgabe:Tobias Altehenger, Andreas Arens, Lutz MichaelFröhlich, David Hennig, Manfred Kobstaedt,Klaus Löw, Martin Moers, Bernd Peters, GüntherThielking, Lutz Wagner

Lektorat:Klaus Koltzenburg

Konzeptionelle Beratung:Lutz Lüttig

Bildnachweis:David Bittner, firo sportphoto, Udo Gottschalk,Wolf Heider-Sawall, imago, Günther Thielking,Manuel Queimadelos

Gestaltung, Satz und Druck:AWD Druck + Verlag GmbH,Otto-Brenner-Straße 7, 52477 Alsdorf,Telefon 0 24 04/2 2071, Fax 0 24 04/8 18 22, E-Mail: [email protected]

Anzeigenverwaltung: AWD Druck + Verlag GmbH, Manfred Kuper

Erscheinungsweise:Zweimonatlich. Jahresabonnementspreis 15,– Euro. Lieferung ins Ausland oder per Streifband aufAnfrage. Abonnements-Kündigungen sindsechs Wochen vor Ablauf des berechnetenZeitraums dem Abonnements-Vertriebbekannt zu geben.

Zuschriften, soweit sie die Redaktion betref-fen, sind an den Deutschen Fußball-Bund,Otto-Fleck-Schneise 6, 60528 Frankfurt/Main,[email protected], zu richten.

Vertrieb:AWD Druck + Verlag GmbH, Otto-Brenner-Straße 7, 52477 Alsdorf,Telefon 0 24 04/2 2071, Fax 0 24 04/8 18 22, E-Mail: [email protected]

Nachdruck oder anderweitige Verwendungder Texte und Bilder – auch auszugsweise undin elektronischen Systemen – nur mit schrift-licher Genehmigung und Urhebervermerk.

Die DFB-Schiedsrichter-Zeitung wird auf PEFC-zertifiziertem Papier gedruckt.

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Kein Fairplay ohne Schiedsrichter.Was er auch macht – er kann es keinem recht machen. Obwohl er dafür sorgt, dass auf dem Rasen alles rechtens abläuft: Schiedsrichter zu sein ist ein harter Job. Und doch bringen über 70.000 Frauen und Männer Woche für Woche Fairplay ins Spiel – mit Neutralität, Sachverstand und einer großen Portion Leidenschaft. Genau wie DEKRA: Seit knapp 90 Jahren sorgen wir dafür, dass auch abseits des Rasens alles im grünen Bereich ist.

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