Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5...

26
Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing 54. Jahrgang Oktober 2017 Simultanveranstaltung Deutschlands stärkste Schachdame zu Gast hinter Mauern Aggro-Schach Straubings Knackis als Trendsetter Kampf um die Zukunft Großmeister Shytaj im Gespräch Dr. Häcki-Team Medizin für Schlaflose und Sorgenvolle

Transcript of Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5...

Page 1: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Justizvollzugsanstalt (JVA)

Straubing 54. Jahrgang Oktober 2017

Simultanveranstaltung

Deutschlands stärkste Schachdame

zu Gast hinter Mauern

Aggro-Schach

Straubings Knackis als Trendsetter

Kampf um die Zukunft

Großmeister Shytaj im Gespräch

Dr. Häcki-Team

Medizin für Schlaflose und

Sorgenvolle

Page 2: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

In dieser Ausgabe lesen Sie:

Auf ein Wort ......................................................................... 1

Simultanveranstaltung mit WGM Pähtz ............................... 2

Simultanveranstaltung - Partien ............................................ 3

Interview mit Elisabeth Pähtz .............................................. 9

Schachmatt ......................................................................... 11

Kampf um die Zukunft ........................................................ 12

Sigis Schachmensch III ....................................................... 13

Aggro-Schach...................................................................... 14

Wörterbuch -Gambit ........................................................... 15

Wer ist wer? ........................................................................ 16

Frag das Dr. Häcki-Team .................................................... 17

Eröffnungen für Jedermann Teil 4 ...................................... 18

Schachpost Klassiker Adolar .............................................. 19

Wie geht es weiter? ............................................................. 21

Zu guter Letzt: Flobo .......................................................... 22

Kontakt: Redaktion der Kleinen Schachpost

Die Kleine Schachpost erhalten Sie im Abonnement als PDF

gratis unter: [email protected]!

Page 3: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Liebe Leserinnen und Leser,

fast mutet es an, als hätten Sie eine Son-derausgabe in Händen. Lange genug angekündigt wäre sie ja gewesen. Glücklicherweise kam unverhofft nicht etwas dazwischen und wir konnten am 2. September Elisabeth Pähtz, aktuell stärkste Schachdame Deutschlands, in der JVA Straubing zu einer Simultanver-anstaltung begrüßen. Wir beschäftigen uns also schwerpunktmäßig mit dieser Nachhilfe in 27 Fällen. Neben ausge-wählten Partien (S. 3) finden Sie ein In-terview mit Frau Pähtz (S. 9). Am Rande

konnten wir ihren Ehemann Dr. Iart Luca Shytaj ebenfalls für ein kurzes Gespräch gewinnen (S. 12), während es seiner Gemahlin nicht allzu viele Schwierigkei-ten bereitete, einen Haufen Sträflinge alleine aufs Kreuz zu legen. Manche hat-ten ihre Möglichkeiten wohl höher ein-

geschätzt als es ihnen das Ergebnis letztlich bestätigte. Etwas lernen konn-ten aber hoffentlich die meisten aus den Lektionen, die ihnen erteilt wurden.

Wie der Volksmund weiß, offenbart sich der Charakter eines Menschen beim Kar-tenspiel. Wir wissen, dass dies nicht weniger fürs Schach gilt. Natürlich fällt es leicht, charmant zu bleiben, wenn man ungefährdet aufspielen kann. Dass Frau Pähtz indes, wie nebenbei, einen Workshop um den idealen nächsten Zug veranstaltete, war nicht vorhersehbar.

Auf der Bretterseite manchen Gastgeg-ners dagegen haben Züge provinzieller Raffgier und chauvinistischer Gewöhn-lichkeit weniger zu einem Sieg als zu einer Extraportion Kekse geführt. Immer-hin. Bleiben Sie neugierig!

Die Redaktion

Seite 1 Oktober 2017

Page 4: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Der große Tag war endlich gekommen und entsprechend waren auch die Er-wartungen. Am 2. September durften wir die Großmeisterin Elisabeth Pähtz zu einem Simultanvergleich in der eigens umfunktionierten Turnhalle begrüßen. Chancen hatten sich einige von uns und den sechs temporär verknasteten Gäs-ten ausgerechnet. Rechnen allein macht aber noch keinen Großmeisterinnenbesieger. Die Fakten sprachen für Frau Pähtz. Nur 27 Partien hatte sie vor sich - und die Spielstärke ihrer Gegner war nicht gerade berau-schend. Seriöse Aussichten hatten viel-leicht eine Handvoll. Nichtsdestotrotz müssen auch die Großen solch einen Parcours erst einmal überstehen. Eine gewisse Nervosität war beidseitig zu spüren, weil ja jeder ein ungewohntes Kaliber vor sich hatte. Der Modus kam Frau Pähtz vordergrün-dig entgegen. An stärker eingestuften Brettern eröffnete sie mit Weiß, während Enteloisierte ihrerseits zuerst ziehen durften. Alle ersten Züge spielte sie ge-wohnt souverän und trennte schnell das wenige Weizen von der Spreuwolke. Um seine Chance zu wahren, hieß es, vor dem Mittelspiel bereits alle Reserven zu mobilisieren. Das Verpflegungsbuffet, das eigentlich erst für die Mittagspause vorgesehen war, wurde mithin jetzt be-reits attackiert. Mit zunehmender Mara-thonisierung brannte die Unterzucke-rung immer mehr im Hirn. Ich durfte die Spielstärke von Frau Pähtz ja auch über mich hinwegrollen spüren. In der Eröffnung konnte ich noch mithal-ten, aber beim Übergang ins Mittelspiel fühlte ich wie die Daumenschrauben enger wurden. Die Mittagspause rettete neben allen noch nicht kapituliert Ha-benden auch mich, obschon ich zur

Halbzeit bereits ganz eingetütet war. Eine Sardine in der Dose hatte mehr Platz. Physisch gestärkt, doch passiv und zurückgedrängt stand ich nach der Pause da. Glückli-cherweise ging die heiße Phase an meh-reren Brettern los und Gedanken, die nichts mit unserer Partie zu tun hatten, schienen Frau Pähtz zu beschäftigen. Kurz: Sie machte einen schwachen Zug und die Partie fing an zu kippen. Ich bot ihr Remis an und sie akzeptierte. Sicher war Glück im Spiel, aber dank einer ge-wissen Beharrlichkeit und Routine konn-te ich die Partie bis hierher drehen. Das Remis war gleichwohl das Höchste des Möglichen. Die Herren Schubert, Popp und Königl unmittelbar neben mir sitzend, haben Frau Pähtz wohl noch am meisten ge-bunden. Sie alle haben über Stunden hinweg teils schwierige Stellungen ge-halten. Der Einzige indessen, der wirk-lich eine Gelegenheit hatte zu gewin-nen, war Herr Popp. Dank seines strate-gisch geschickt angelegten Spiels hatte er Frau Pähtz in ein Turmendspiel mit einem Mehrbauern manövriert. Schließ-lich genügte aber auch hier die formale Stärke, um eine tatsächliche Niederlage abzuwenden und die Partie für ein wei-teres Remis zu öffnen. Mit 23 Siegen und vier Remis kam es dann so deutlich wie es sich von Anfang an abgezeichnet hatte. Doch waren letztlich beide Seiten zufrieden und eini-ge erfuhren gar die neue Lust am Brett; eine lehrreiche Erfahrung für uns war diese Veranstaltung in jedem Fall. (jh)

Seite 2 Oktober 2017

Page 5: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Französische Verteidigung (Rubinstein-Variante) 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 dxe4 4.Sxe4 Sd7 5.Ld3 Sgf6 6.De2 c5 7.Sf3 Le7 8.Sxf6+ Sxf6 9.dxc5 Da5+ 10.Ld2 Dxc5 Soweit so gut! Standardzüge bescheren uns eine ziemlich ausgeglichene Stellung. Die Zukunft wird zeigen, wer die besse-ren Pläne hat. 11.Se5 0–0 12.0–0–0 Weiß wirft den Feh-de-Handschuh, denn die weiße Stellung hat Potenzial. 12...b6 13.g4 gleich in die Offensive! 13...Sd7 14.De4 f5 15.Sxd7 Lxd7 16.De2 Tae8 17.Thg1

Weiß bereitet den Zug g5 vor. 17...Lf6 18.g5 Nicht ungefährlich für Schwarz. Opfer-Kombis liegen in der Luft! 18...Ld4 19.g6 h6 20.c3 f4 21.Lc2 hebt die Fesselung auf. 21...Lb5 22.cxd4 Dxc2+ Natürlich! Nur so! 23.Kxc2 Lxe2 24.Tde1 ½–½

Fazit: Ein ausgekämpftes Remis, wegen der ungleichen Läufer verständlich. Die Partie hatte Charakter mit einer Fülle von Ideen und Fallen. Sehr schön!

Französische Verteidigung (Tarrasch-Variante) 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sf6 4.e5 Der Zug, der wohl Schwarz am meisten Probleme macht, weil der Vorposten e5 die schwarze Stellung massiv einengt. 4...Sfd7 5.f4 c5 Nur so! 6.c3 Sc6 7.Sdf3 Db6 8.a3 Le7 9.b4 zwingt Schwarz sich zu erklären, wie er weiterfahren will bezüglich seines Punk-tes c5. 9...cxd4 10.cxd4 0–0 eine weittragende Entscheidung, weil Weiß noch nicht ro-chiert hat. Schwarz muss f7-f6 spielen. Dadurch öffnet sich das Spiel und Weiß wird angegriffen. Die Frage ist nur: Kann Schwarz standhalten? 11.Ld3 f6 Natürlich nicht 11...Sxd4! 12.h4 und schon geht es los... 12...Te8 ein Fehler! Schwarz sollte sei-nen Turm auf f8 stehenlassen, da die f-Linie sich öffnen wird. Schwarz hatte aber andere Pläne, um sich zu verteidi-gen. 13.Se2 Sf8 14.Le3 Ld7 15.h5 h6 16.0–0 f5 17.Sc3 droht Sc3 - Sa4 - Sc5. 17...Sd8 18.Dd2 Weiß baut sich auf. Schwarz muss höllisch aufpassen. 18...Sf7 19.Sh2 droht 20.g2-g4 19...Tec8 20.g4 Weiß ist klar am Drücker. 20...fxg4 21.Sxg4 Dd8 Schwarz muss dringend umbauen. Beide Königsstellun-gen sind offen, aber die schwarze sieht wackelig aus! 22.Se2 De8 23.Tf2 sieht fürchterlich aus. Die halboffene g-Linie in Verbindung mit

Seite 3 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz - Werner Schubert

Elisabeth Pähtz - Jürgen H.

Page 6: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Seite 4 Oktober 2017

Reihum bringt eine Großmeisterin die ins Schwitzen, die sitzen.

Page 7: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

den Läufern und Springern macht Sorge. Schwarz muss aufpassen, dass er nicht in eine Opferkombination gerät. 23...Tc7! 24.Tg2 24...Kh8 Erstmal den König aus der Schusslinie nehmen. 25.Sg3??

Weiß hatte wohl Angst um h5, aber nach 25.De1 und 26.Dg3 kann Schwarz nur noch zusehen wie er zerlegt wird. 25...Lb5 26.Lb1 Ab diesem Zeitpunkt kippt die Partie. 26...Tac8 27.f5 Spielt Schwarz in die Kar-ten! 27...Sg5 28.Dd1 exf5 29.Lxf5 Ld7 30.Ld3 Tc3 Oh, welch ein Wunder! Schwarz steht besser, aber die Stellung ist hoch-explosiv. 31.Sf2 Le6 ½–½ Fazit: Schwarz hatte große Probleme, konnte aber gegenhalten und das Spiel drehen. Weiß stand schon fast auf Ge-winn. Dank des schwarzen Kämpferher-zens kam Weiß noch ins Straucheln, er-spielte sich aber noch einen halben Punkt.

Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0–0 cxd4 8.Sxd4 Der Springer steht gut. Schwarz hat ei-nen Isolani auf d5 und hängt mit der Entwicklung zurück. 8...Ld7 9.Te1+ Le7 10.Le3 0–0 11.Le2 a6 12.Sd2 Te8 13.Sxc6 bxc6 14.Sb3 Die Fra-ge auf Dauer wird sein: Sind die schwar-zen c5/d5 stark oder schwach? 14...a5 15.Lf3 Dc8 16.Dd2 Lg4

Schwarz will natürlich den weißfeldri-gen Läufer abtauschen, weil das den Druck auf d5 verringert. 17.Lxg4 Sxg4 18.Lg5 Dc7 19.Lf4 Ld6 20.Lg3 Se5 21.Sd4 g6 Der weiße Sprin-ger steht auf d4 stark und auf f5 würde er sich wohlfühlen. 22.b3 Sd7 23.Dg5 Lxg3 24.hxg3 f6 25.Df4 Dxf4 26.gxf4 c5 Schwarz hat sich mehr als befreit. 27.Sb5 Sb6 28.Sc7 Txe1+ 29.Txe1 Tc8 30.Te6 Txc7 31.Txb6 c4 Schwarz steht überlegen. Dank seiner beiden Mittel-bauern kann er Druck machen. Weiß ist

Seite 5 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz - Michael Popp

Page 8: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

gelähmt und kann nur hoffen. 32.Tb5?? Theoretisch der Verlustzug! 32...d4! Schwarz bekommt einen starken Freibauern. 33.bxc4 dxc3 34.Tb1 Txc4 35.Tc1 Kf7 36.Kf1 Ke6 37.Ke2 Kd5 38.g3 Kd4 39.Td1+ Kc5 40.Tc1 Kb4 41.Kd3 Tc7 42.Tb1+ Ka3 43.Kc2 a4 44.Tb6? Weiß ist nicht zu beneiden. 44...f5 45.Ta6 Kb4 46.Ta8?? Ein solcher Fehler bei einem Großmeister! Aber man bedenke: Es war eine Simultanveranstal-tung und schon mehr als vier Stunden gespielt! 46...Ka3 47.Ta5 Tb7 48.Kxc3 ½–½

Sizilianisch (Najdorf-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Aggressiv! 7...Le7 8.Df3 Sbd7 9.Lc4 Dc7?? Ups! Die-ser Fehler kostet schon die Partie. 10.Lxe6 Db6 11.Lxd7+ Lxd7 12.0–0–0 Lg4?

Schwarz kann nicht widerstehen, aber Weiß hat schon weitergerechnet.

13.Dg3 Lxd1 14.Txd1 Tc8 15.e5 Txc3?? 16.Dxc3 Weiß hat sein Material zurück und hat eine überlegene Stellung. 16...Se4 17.Dc8+ Ld8 18.Dxd8+ Dxd8 19.Lxd8 dxe5 20.Sf5 Und Weiß behält eine Mehrfigur. 20...0–0 21.fxe5 Sf2 22.Td6 Sg4 23.Td5 Sxh2 24.Le7 Te8 25.Td8 Txd8 26.Lxd8 Sg4 27.Lc7 g6 28.Sd6 b5 29.Se4 Kg7 30.Sc5 Se3 31.g3 h5 32.e6 fxe6 33.Sxe6+ Kf6 34.Sc5 Kf5 35.Sxa6 Kg4 36.Sc5 Sf5 37.Se4 Kf3 38.Sg5+ Kg4 39.c4 Bis zu diesem Zug war Herr Bily-avsky überzeugt, dass er einen seiner Bauern durchdrücken würde und diese Überzeugung floss in seine Körperspra-che - nach jedem seiner Züge wuchs er merklich. Seine Reaktion auf den unauf-geregten weißen Konter zum Schutz des angegriffenen Springers demonstriert unser Schachgemeinschaftsbauer:

39...bxc4 40.Sf7 Kh3 41.a4 Sxg3 42.a5 Kg4 43.a6 g5 44.Sxg5 1–0 Fazit: Weiß war taktisch überlegen und immer einen Zug voraus. Der weiße Sieg stand schnell fest und war hochverdient.

Seite 6 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz - Borrys Bilyavsky

Page 9: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Sizilianisch (Klassisches System mit e7-e6) 1.d4 e6 2.e4 c5 3.Sf3 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.e5 Sg8 Schwarz muss sich dringend entwickeln, sonst wird er er-drückt. Weiß hat eine sehr schöne und aktive Stellung. 7.Ld3 Dc7 8.De2 Lc5 9.Sb3 Lb4 10.Ld2 Weiß ist schon fast voll entwickelt. 10...Sc6 11.a3 Lxc3 12.Lxc3 Sge7 Schwarz legt sein Augenmerk auf diesen Punkt. 13.0–0 Sd5 14.f4 Sxc3 15.bxc3 Jeder Tausch begünstigt natürlich Schwarz. 15...Se7 16.c4 b6 17.f5 exf5 18.Lxf5 Lb7 19.Ld3

Tja, dank des reduzierten Materials hat Weiß nicht mehr viel. Schwarz hat klug abgetauscht, die Stellung vereinfacht und kann zufrieden sein. 19...0–0 20.Tae1 Tae8 21.Sd2 Sg6 22.Lxg6 hxg6 ½–½ Fazit: Das Remis ist gerechtfertigt, ob-wohl Weiß einen Tick schlechter steht.

Schwarz hat clever die Stellung zu sei-nen Gunsten gedreht.

Angenommenes Damengambit 1.d4 d5 2.c4 Sf6 3.cxd5 Sxd5 4.e4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4 e6 7.a4 Lb4 8.Dd3 Sc6 9.Sge2 0–0 Weiß hat ein Vollzentrum und mehr Raum, Schwarz dagegen das Problem seines weißfeldrigen Läufers. 10.0–0 Sg4 11.Dg3 e5 Dieser Verlockung hätte Schwarz widerstehen sollen. 12.d5 Sa5 13.La2 Schwarz lässt sich von Weiß locken und stellt seine Figuren konsequent auf schlechte Felder. 13...b6 14.h3 Sf6 15.Dxe5 Eigentlich ist es schon vorbei! Nach diesem Bauernge-winn hat Schwarz nichts mehr zu bestel-len. 15...Ld6 16.Dg5 h6 17.Dh4 Le7 18.Dg3 Kh7 19.Le3

Stückchenweise baut Weiß an seiner Stellung. Schwarz hat seine Entwicklung noch immer nicht vollendet. 19...Sb7 20.Lb1 g6 Ein Notzug! 21.Td1 Ld6 22.e5 Sh5 23.Df3 und wegen

Seite 7 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz - Anton Königl

Elisabeth Pähtz - Sebastian Q.

Page 10: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Figurenverlustes (Läufer d6 und Sprin-ger h5) könnte Schwarz aufgeben. 23...Lxe5 24.Dxh5 Lg7 25.Df3 Sd6 26.Ld3 Lb7 27.Sf4 Lc8 28.g4 Df6 29.Dg3 De5 30.Te1 Df6 31.Sh5 Dd8 32.Sxg7 Kxg7 33.Ld4+ f6 34.Te2 Kf7 35.Tae1 Te8 36.Txe8 Sxe8 37.De3 Sd6 38.Dxh6 Df8 39.Dxg6# 1–0 Fazit: Schwarz hat phasenweise mitge-spielt, aber Weiß ließ nie einen Zweifel an seiner Chefrolle aufkommen.

Sizilianisch (Rauser-Anti-Drachen-Variante)

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sc6 5.Sc3 e5 6.Sb3 Le6 7.Le2 Sge7 8.0–0 a6 9.Sd5 Weiß hat großen Entwicklungsvor-sprung. Schwarz hat Probleme auf d6.

9...Lxd5 10.exd5 Sb8 11.c4 Sg6 12.Ld2 Le7 13.Sa5 Weiß setzt weiter kleine Na-delstiche.

13...Dc7 14.b4 b6 15.Sb3 Sd7 16.Tc1 0–0 17.Le3 Es geht um den Punkt c5!

17...Tfc8 18.Lg4 Tab8 19.Dd2 Tf8 20.Dd3 Sf6 21.Lf5 Sh4 22.Lh3 Die bei-den weißen Läufer scheinen nicht nur furchteinflößend auf ihren offenen Diago-nalen.

22...Sg6 23.c5 Lange vorbereitet! Schön zu sehen wie Schwarz auf beiden Flü-geln beschäftigt wird.

23...bxc5 24.bxc5 dxc5 25.Sxc5 Dd6 26.Sxa6 Ta8 27.Sc7 Txa2? Dass Schwarz seinen Bauern zurückhaben will, ist ver-ständlich. Weit wichtiger ist es aber, die gegnerische Zentrifugalkraft im Auge zu behalten.

28.Tc6 Da3 29.Dxa3 Txa3 30.d6 Ld8 Vor diesem Freibauern fürchtet sich Schwarz zu Recht.

31.Lc5 in Verbindung mit beiden Läu-fern.

31...Td3 32.Lf5 e4 33.f4 Sh4 34.Lh3 Sd5? 35.Sxd5 Txd5 36.d7 Txc5? Schwarz wollte tricksen, aber Weiß wusste be-reits, was er vor hatte. Dank des Frei-bauern verstärkt jeder Abtausch die weiße Stellung.

37.Txc5 Lb6 38.Tfc1 Td8 39.Kf1 Lxc5 40.Txc5 Kf8 41.Te5 Sg6 42.Txe4 h6 43.g3 Sh8? 43.Se7 wäre zu bedenken.

44.Kg2 f6 45.Te3 Sf7 46.Le6 g6 47.g4 g5 48.Kf3 In aller Ruhe spielt es Weiß zu Ende.

48...Sd6 49.Kg3 Sf7 50.h4 Sh8 51.fxg5 fxg5 52.Lf5 Sf7 53.Te2 Sd6 54.Le6 Ta8??

Damit dürfte der Zug One-Way abgefah-ren sein. 54...Ke7 und Schwarz könnte den letzten Wagon vielleicht noch erwi-schen.

55.Te5 gxh4+ 56.Kxh4 Kg7 57.Lf5 Un-genau! 57.Ld5 ist stärker.

57...Kf7 58.Kh5 Sxf5 59.Txf5+ Ke6 60.Kxh6 Kxd7 61.Te5 Stark! Erst mal den schwarzen König auf Abstand hal-ten. Natürlich steht Weiß auf Gewinn.

61...Ta6+ 62.Kg7 1–0

Fazit: Schwarz lieferte einen harten Kampf. Letzten Endes war er chancen-los, hat sich aber teuer verkauft. Weiß zeigte feine Technik und beherrschte das Geschehen.

Seite 8 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz - Günter G.

Page 11: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Redaktion: Frau Pähtz, fallen wir mit der Tür ins Haus: Gibt es in Ihrem Le-ben noch schachliche Ziele, die sie un-bedingt erreichen möchten?

Elisabeth Pähtz: Ich möchte gern noch in die Top 10 der Weltrangliste kom-men. Mein bisher bestes Ergebnis war Platz 13. Zur Zeit bin ich leider auf Platz 27 abge-rutscht. Das möchte ich gerne ändern.

Was sehen Sie bisher als Ihren größten Er-folg am Brett?

Nun, ich war Junioren-Weltmeisterin. Später dann Vize-Europa-meisterin im Blitz-schach. Dann hatte ich einige weitere internati-onale Erfolge, vor allem im Blitz- und Schnell-schach.

Manchmal zählen für eine Sportlerin ja nicht unbedingt die Titel. Gab es vielleicht mal ein außergewöhnliches Match, das sie zu den großen Erfolgen rechnen würden?

Ja, das gab es tatsächlich. Ich habe in einem Freundschaftsspiel gegen Ale-xandra Kostenjuk (vgl. Wer ist Wer, Seite 16) einmal einen überlegenen Sieg errun-gen. Sie ist immerhin Platz 4 der aktuel-len Weltrangliste. Ich glaube, das war ein großer Erfolg, da ich ab dem Moment wusste, dass ich mein Ziel erreichen kann.

Im Gefängnis ist vor allem der monoto-ne Alltag ein Problem. Wie kann man

sich aktuell Ihren Alltag vorstellen? Wie lange beschäftigen Sie sich mit Schach und womit genau? Halten Sie Ihren Alltag auch für eintönig?

Nein, ich habe viel zu tun. Ich schmeiße den Haushalt (lacht). Ja, ich bin Haus-

frau. Mutter kommt noch. Natürlich beschäf-tige ich mich auch mit Schach. Davon lebe ich ja auch. Ansonsten füh-re ich ein ganz normales Leben. Ich koche zu Hause. Meinen Mann kann ich da nicht mit reinziehen. Eigentlich ist er ja noch ein Kind. Ansonsten treibe ich viel Sport. Das ist wich-tig als Ausgleich.

Welche Sportarten?

Ich jogge gern.

Längere Strecken?

Wenn ich die Zeit habe, bis zu 10 Kilometer. Ei-nen Halbmarathon könn-te ich vielleicht schaffen.

Die JVA hat ja eine Mannschaft in der Be-

zirksliga. Was könnten Sie ihr aus Ih-ren Erfahrungen zur Turniervorberei-tung mitgeben? Was hilft Ihnen am meisten?

Auf diesem Level ist vor allem Tak-tiktraining wichtig. Die Spiele werden vor allem taktisch geprägt. Das sollte man ausgiebig üben.

Wie wichtig ist dann die spezifische Vorbereitung auf den kommenden Gegner auf Ihrem Level?

Auch da bleibt die Taktik das wichtigste Mittel. Natürlich hilft es, den Gegner zu

Seite 9 Oktober 2017

Elisabeth Pähtz

Page 12: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

kennen. Entschieden wird das Spiel aber, wenn es läuft. Hierauf muss man sich vorbereiten.

Folgen Sie dem Trend zum Mental-Trainer oder gar zum ganzen Trainer-stab, mit dem Sie gezielt trainieren können? Oder haben Sie einen persön-lichen Physiotherapeuten?

Ich trainiere mit dem Bundestrainer. An-sonsten habe ich auch schon mal Ge-spräche mit einem Mental-Trainer ge-führt. Manchmal gibt´s da eine Blocka-de, aber der sagt einem im Grunde auch nur, was man eigentlich schon weiß. Umsetzen muss man das im Spiel dann trotzdem ganz allein.

Wie oft trainieren Sie mit dem Bundes-trainer?

So zwei bis drei Mal im Jahr.

Das ist eindeutig seltener als wir er-wartet hätten. Reicht das?

Ja, ich denke schon. Er hat ja sehr viele Spieler zu betreuen.

Was war eigentlich das Ungewöhn-lichste, das sie bisher bei einem Schachturnier erlebt haben?

Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich passiert auf den Turnieren nicht viel Au-ßergewöhnliches. Obwohl - eine eher traurige Geschichte: Ein Spieler, den wir alle immer sehr schätzten - W. Brown - war immer so nervös, dass er das durch gewisse Tics ausgleichen musste. Er schimpfte lautstark mit sich. Er schlug sich. Er war einfach nur wild. Ein kon-zentriertes Spiel war so nicht mehr mög-lich. Alle haben sich nur auf ihn kon-zentriert und nicht mehr auf ihre Bretter. Ich fand es traurig, wie sehr ihn sein eigenes Können unter Druck setzt. Die Amerikaner kannten das schon und meinten bloß: „Welcome to the W. Brown

-Show“.

Glauben Sie, er könnte das nur gespielt haben, um sich einen Vorteil zu ver-schaffen?

Nein, er war tatsächlich nur nervös.

Ist Schachspielen eigentlich Ihr Haupt-beruf, oder gehen Sie auch einer ge-wöhnlichen Arbeit nach? Wie schaut´s in der Freizeit aus?

Ich bin ausgebildete Fremdsprachen-Korrespondentin, habe den Beruf aber nie ausgeübt. Ansonsten jogge ich in meiner Freizeit. Aber ich singe auch gern.

Kann man Sie auch live in einer Band erleben?

Ich glaube, ich singe ganz gut. Aber nein - ich singe nur für mich privat.

Wie sehen Ihre beruflichen Ziele für die Zeit nach dem Schach aus?

Irgendwann werde ich Mama, danach sehen wir weiter. Zurzeit sorgt mein Mann für uns und ich trage mit Schach meinen Teil bei.

Ist Ihnen die Freude am Schach von Ihrem Vater in die Wiege gelegt wor-den? Wie kann man sich ihre Jugend bei ihm vorstellen?

Klar hat mich mein Vater seit der Kind-heit beeinflusst. Seit meinem achten oder neunten Lebensjahr spiele ich aber auch mit meinen Freunden Schach. Noch 25 Jahre später ist das so. Einige von denen sind heute auf Top-Positionen in der Weltrangliste. Diese Konstanz ist schon etwas Besonderes.

Es gibt Sportler, die bei Top-Leistungen eher Talent als ihre Trainingsleistung anführen. Wie ist das bei Ihnen? Ken-nen Sie Stolz?

Ich glaube schon. Wenn ich verliere, bin

Seite 10 Oktober 2017

Page 13: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

ich ja auch gekränkt. Wenn es allerdings um den Stolz auf meine Leistungen geht, werde ich definitiv stolz sein, wenn ich in die Top 10 der Weltrangliste komme.

Wie verarbeiten Sie Niederlagen, und wie gehen Sie mit Krisen um - falls Sie sowas kennen?

Ganz schlecht. So etwas hängt mir lange nach. Ich versuche es dann mit Sport oder Shoppen. Frustshoppen. Das hilft immer. Aber so eine Niederlage kann mir schon mal zwei bis drei Wochen die Lau-ne vermiesen. Andererseits ist der Ehr-geiz auch wichtig, um gewinnen zu kön-nen.

Ihr Ehemann ist ebenfalls Großmeister. Wie werden bei Ihnen zu Hause Kon-flikte bewältigt? Spielen Sie das bei einer Blitzpartie aus?

Nein, wir spielen zu Hause nicht (lacht).

Wie ging es Ihnen beim jetzigen Tur-nier? Sie waren ja sehr erfolgreich: Vier Remis und alle anderen Spiele gewonnen.

Nun, ein Spiel war schon fast verloren. Das konnte ich dann zum Glück drehen. Aber insgesamt war das Niveau nicht zu hoch.

War das Turnier trotzdem interessant für Sie?

Oh ja, ich wusste ja eigentlich erst vor 14 Tagen, zu was für einem Simultantur-nier ich da eigentlich fahre. Bis dahin war mir gar nicht bewusst gewesen, dass JVA ja bedeutet: Du spielst in ei-nem Gefängnis. Um so interessanter war es nun auch für mich zu sehen wie es hier ist und gegen wen ich da eigentlich spiele.

Vielen Dank für Ihren Besuch und Ihre Zeit für das Gespräch.

Seite 11 Oktober 2017

Nummer 7

Weiß zieht und setzt im 2. Zug matt. Nummer 8

Weiß zieht und setzt im 3. Zug matt.

Lösungen aus September 2017 Leider waren die Diagramme Nr. 5 und 6 fehlerhaft. Deshalb diesmal keine Lösungen.

Page 14: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Anlässlich der Simultanveranstaltung durften wir neben Frau Pähtz auch ihren Ehemann Dr. Iart Luca Shytaj begrüßen. Dr. Shytaj wuchs in Rom als Sohn eines Albaners und einer Italienerin auf und entdeckte schon früh seine Liebe zum Schach. Als Student erteilte er Unter-richt, nahm an Turnie-ren teil und war eine Zeitlang Mitglied der italienischen Schach-Olympiamannschaft . Heute ist er Großmeis-ter und kann eine ELO von knapp 2600 vorwei-sen. Da verblüfft es ein wenig, welch gewöhnli-ches Leben im Haushalt Shytaj-Pähtz herrschen soll (vgl. Interview S. 9). Herr Shytaj studierte Bio-Science in den USA und promovierte über die Entwicklung, An-wendung und Zukunft sogenannter AIDS-Medikamente. Heute ist er als wissenschaftli-cher Mitarbeiter an der Universität Heidelberg tätig. Er betreut ein Pro-jekt, in dessen Rahmen mit dem HI-Virus infizierten Patienten Medikamente verabreicht werden, wel-che die körpereigenen Abwehrkräfte stärken und gleichzeitig ihre Immun-funktion aktivieren. Diese Methode wur-de der individuellen Krebstherapie ent-lehnt und soll nun auch HIV-positiven Menschen eine Lebenslänge wie Nicht-infizierten ermöglichen. Der Virus ver-bliebe zwar in der Blutbahn, würde je-doch gehindert, auszubrechen, indem er „verkapselt“ und in seinem Wachstum

gehindert würde. Dagegen bleiben spe-ziell auf den Virus ausgerichtete Medika-mente wie in den immer populärer wer-denden individuellen Krebstherapien sinnlos, weil sie mit zu vielen Nebenwir-kungen behaftet sind. Die Entwicklung der auf das Immunsys-

tem zielenden Wirkstof-fe ist allerdings bis da-to nur dank Tierversu-chen zu gewährleisten, die wiederum in Deutschland streng reglementiert sind. In-wiefern die Wirksam-keit der zu entwickeln-den Medikamente auch elektronisch simuliert werden kann, steht noch in den Sternen. Das Problem der For-schung indes, von der Informationstechnolo-gie abzuhängen, ist heute schon virulent. Kann Künstliche Intelli-genz uns aus diesem Dilemma befreien? Als Bindeglied seiner be-ruflichen und privaten Interessen erzählte uns Herr Shytaj von seinen

eher fragwürdigen Erfahrungen im Be-reich sogenannter Chatbots. Das sind „unmenschliche“ Dialogsysteme, die der Volltext-Suchmaschine näher verwandt sind als Künstlicher Intelligenz. Die meisten sind als solche „Unmenschen“ erkennbar. Fraglich bleibt, wie lange noch, und ob dafür eine Mindest-ELO vonnöten sein wird? Demgegenüber gibt es im Bereich der Klassifizierung durch-aus Ergebnisse, die zuversichtlich stim-men. Puuh! (dk)

Seite 12 Oktober 2017

Dr. Iart Luca Shytaj

Page 15: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

am Brett vor einer Schachpartie.

Hat er doch die ganze Nacht

übungshalber durchgemacht.

Meisterspiele nachvollzogen,

dass sich gar die Balken bogen.

Fachzeitschriften mussten her -

Morgensonnes Strahlen trafen

den Schachmensch, der unausgeschlafen.

Und so soll er mit schmalen Augen

für seinen Club als Spieler taugen?!

Wenn dann die Schachuhr leise tickt

ist er eh gleich eingenickt.

Sein Gegner wird das schnell erkennen,

und lässt ihn derweil weiterpennen.

Und plötzlich ist der Schachmensch wach.

Hastig zieht er hin und her,

verstärkt das Chaos umso mehr.

Und da - weil er so lang geduselt -

die Schachgemeinde um ihn wuselt,

um sich das Drama anzusehn -

er wird bald heillos untergeh´n.

Geht mal einer so bankrott,

dann kommt zum Schaden auch der Spott.

Was soll´s, so hat man halt verloren.

Das Rot vergeht schon aus den Ohren!

Obwohl´s - wie hier in diesem Falle -

mal schiefgeht, gilt das nicht für alle.

Im – übertrag´nen Sinn - sind heute

Schachleut ausgeschlaf´ne Leute.

*Hommage an Eugen Roth (geboren und

gestorben zu München am 24. Januar 1895

und am 28. April 1976) (sr)

Seite 13 Oktober 2017

Page 16: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Seite 14 Oktober 2017

C hess960, Tandem- oder Räuber-schach sind Schachvarianten, die

sich vom normalen Schach in der Spiel-weise oder Aufstellung unterscheiden. Die Versionen sind schier unendlich und es gibt unzählige Unterarten verschie-denster Namen. Eine Schachvariante entstand hinter den Mauern der JVA Straubing: das soge-nannte Aggro-Schach (Der Erfinder und Namensgeber möchte anonym bleiben). Der Name leitet sich von einer aggressi-ven Spielweise ab, weniger vom allge-meinen Geisteszustand der Spieler. Die-se Version weicht, bis auf ein paar Klei-nigkeiten, nicht allzu sehr vom gewohn-ten Schachspiel ab. Die Aufstellung der Figuren wie auch ihre Bewegungen blei-ben gleich. Von Anfang an werden die für den eige-nen Plan nötigen Figuren möglichst schnell auf die Felder gebracht. Eine weise Figurenentwicklung nach allen Regeln der Kunst bleibt so meist im Pla-nungsstadium stecken. Ziel ist es, sofort anzugreifen und den Gegner in ständi-ger Unruhe zu halten. Darunter wird die Sicherheit des eigenen Königs leiden, aber es geht schließlich darum, den geg-nerischen König wie beim Paintball zu erstürmen. Zwei entscheidende Kriterien grenzen das Aggro- gegenüber dem Blitzschach ab. Es gibt erstens keine Zeitvorgabe: Trödelt ein Spieler über Gebühr, muss er mit der Missachtung seiner Schachge-meinde rechnen. Es geht also um Ehre, nicht um Elo. Zweitens wurde das Sprechverbot in ein Sprechgebot gewan-delt, sodass die jeweiligen Züge mit lo-ckeren Sprüchen kommentiert werden. Als einzige Einschränkung gilt, dass dieses Trash-Talking keinen Straftatbe-stand erfüllen darf. Um die Spieltaktung

zu erhöhen, klopfen manche im Stile ei-nes Kriegstrommlers mit den Fingern auf den Tisch. Das Denken soll damit auf eine vegetative Ebene gedrückt werden. Intuition gewinnt. Wenn keine Gelegen-heit zum Angriff besteht und sich alle Figuren auf nur einen Punkt konzentrie-ren, bleibt nur offen, wer zuerst zum Ha-lali bläst. Wenn das Pulverfass endlich hochgeht, bekommen von den Ereignis-sen auf dem Brett weder Zuschauer noch Spieler richtig was mit. Legt sich dann der Staub, zählt man die Verluste: Eine einfache Rechnung. Während des Spiels sind die Parteien unerwartet fair. So wird beispielsweise die angegriffene Dame signalisiert; nicht etwa mit dem üblichen Gardez, sondern durch Imitation eines rückwärts fahren-den LKWs: Piep, piep, piep! Primitiv, aber effektiv. Ursprünglich sollte das keine Warnung sein, nur ein kleiner Hin-weis zur Güte, dass etwas nicht stimmt. Man will die Partie ja nicht geschenkt haben. Auch Berührt - Geführt wurde dem Pluralismus der Meinungen geop-fert. Ungünstige Züge können solange zurückgenommen werden, bis der nächste Zug noch nicht erfolgt ist. Wer gut genug ist, kommt auch damit klar. Wer schnell fehlt, verliert auch schnell. Der Erfinder selbst beendet eine vermas-selte Partie, indem er mit den übrigen Figuren alles rausschlägt, was ihm in den Weg kommt (Harakiri-Aggro-Variante). Andere spielen bis der König allein dasteht (Mudjahedin-Aggro). Alles in allem eine lustige Art Schach zu spielen und zu lachen. Ob sich Aggro-Schach wie andere Varianten durchset-zen wird, bleibt abzuwarten. Zumindest hier drinnen kann man lange Zeiträume in kurze Zeitabschnitte teilen und eine Menge Spaß haben. (fh)

Page 17: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

M it Gambit wird eine Eröffnung be-zeichnet, bei der ein beziehungs-

weise mehrere Bauern oder auch Offizie-re geopfert werden. Dies geschieht mit dem Ziel einer taktischen oder strategi-schen Kompensation. Während sich der Spieler, dem das Opfer als vergiftetes Geschenk angeboten wurde, an diesem trojanischen Pferd ergötzt, nutzt der Gambit-Spieler diese Ablenkung, um seine Figuren zu entwi-ckeln oder das Zentrum zu besetzen. Die dabei erstrebte schnellere Figurenent-wicklung gegenüber dem Gegner be-zeichnet man als Tempogewinn. Dieser Entwicklungsvorsprung ermög-licht unter anderem einen vorzeitigen Angriff. Der Gegner hat dann idealer-weise nicht die notwendigen Figuren für die Verteidigung parat oder hinkt einen Zug hinterher. Der Gegner muss ein Gambit indes nicht unbedingt annehmen. Vielfach wird mit einem Gegengambit geantwortet. Es gibt auch Gambits, die nicht „echt“ sind. Bekannte Eröffnungen wie Damen- oder Königsgambit tragen ihre Ausführung im Namen. Bei ihnen erhält man die zu Be-ginn geopferten Bauern wieder zurück. Geschichtliches Das Wort Gambit benutzte erstmals der spanische Priester und Schachspieler Ruy López de Segura im Jahr 1561. Der Ausdruck stammt laut seine Angaben aus dem Italienischen und ist als Fach-ausdruck dem Ringsport entlehnt: mit „dare il gambetto“ will man dem Gegner „ein Bein stellen“. Es wird weiter vermu-tet, das Wort sei aus dem arabischen ġānibī „seitlich“ abgeleitet worden. Hier-für sind zumindest keine schriftlichen Quellen bekannt. Kompensation heißt der Ausgleich für

einen Stellungsnachteil oder einen Mate-rialrückstand. Man kann im Verlauf einer Partie die mögliche Kompensation eines Material-rückstands ermitteln und so überprüfen, ob es sinnvoll ist, sie zielgerichtet zu verfolgen, um, wie gewöhnlich, die Ge-winnchancen zu erhöhen. Andererseits ist zu fragen, ob der Materialvorsprung des Gegners bereits zu groß ist, sodass keine ausreichende Kompensationsmög-lichkeit besteht. Wird eine Figur geopfert, gibt man dem Gegner einen Vorsprung vom Grundsatz natürlich bloß in der Erwartung, dass eine ausreichende Kompensation er-reicht werden kann.

Tempogewinn Tempo ist ein Maß für den Faktor Zeit im Schachspiel. In der Eröffnungsphase ist es wichtig, die Figuren schnell zu entwi-ckeln und je nach Plan und Überlegung gut zu platzieren. Wie oben erwähnt, kann durch ein Gam-bit Tempo gewonnen werden. So auch wenn der Gegner zurückhaltend spielt und vorzeitig Züge zur Absicherung mancher Felder unternimmt (zum Bei-spiel aus Sicht von Weiß a3, h3, um die Felder b4, g4 zu blockieren), bevor diese notwendig wären. Die aktivere Seite kann so an Tempo gewinnen. Andersherum führt es zu einem Tem-poverlust, wenn eine Figur mehrfach hintereinander gezogen werden muss, um seine Position zu verbessern. Durch aktives Spiel kann der Gegner aber auch in diese Situation gezwungen werden. Das gewonnene Tempo kann dann so-wohl für einen Königsangriff oder Raum-gewinn als auch für einen positionellen oder materiellen Vorteil genutzt werden. (fh)

Seite 15 Oktober 2017

Page 18: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Alexandra Kostenjuk, geboren am 23. April 1984, ist eine russische Schach-spielerin.

Das Schachspielen erlernte sie im Alter von fünf Jahren von ihrem Vater. Sie machte sehr schnell Fortschritte und feierte bei Jugendturnieren ihre ersten Erfolge.

1994 gewann sie den Europameistertitel bei den Frauen unter 10 Jahren und ei-nen Monat später belegte sie den zwei-ten Platz bei der WM in der gleichen Altersklasse.

Frau Kostenjuk wurde im Jahr 2000 In-ternationaler Meister (IM) und 2004 er-hielt sie Ihren Großmeistertitel (GM).

Neben unzähligen Erfolgen gewann Sie die Frauenweltmeisterschaft im Jahr 2008. Zwei weitere Weltmeistertitel er-rang sie in den Jahren 2006 und 2008 bei Chess960.

Des Weiteren ist Frau Kostenjuk Schach-buchautorin, -trainerin und Fotomodel.

Der deutscher Schachspieler Arik Braun wurde am 8. Februar 1988 in Aresing geboren.

Er wurde im Oktober 2006 Jugendwelt-meister in der Klasse U18, ein Jahr spä-ter Deutscher Meister.

Herr Braun erlernte das Schachspielen mit fünf Jahren. Er errang in verschiede-nen Altersklassen den Deutschen Ju-gendmeistertitel.

Im Jahr 2008 war er Mitglied der Junio-ren-Nationalmannschaft bei der Scha-cholympiade. Dort erzielte er am zweiten Brett 4,5 Punkte aus 10 Partien.

Den Großmeistertitel verdiente er sich im November 2008. Die GM-Normen er-füllte er in der deutschen Bundesliga, bei der Jugendweltmeisterschaft 2006 so-wie bei der Jugendweltmeisterschaft 2008.

Nebenbei betreibt Herr Braun Schachbo-xen - im Gegensatz zu Aggro-Schach (vgl. Seite 14) - mit Vollkontakt.

Seite 16 Oktober 2017

sr fh

Page 19: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Dr. Heribert P. (München): Ich verfolge Ihr Machwerk nun seit einiger Zeit, wer-de das Gefühl aber nicht los, dass Sie Ihre Leser mit Fake–News an der Nase herumführen. Insbesondere diese als Ratgeber getarnte Kolumne, die weit weniger witzig ist als Sie es sich selbst wünschen, hat mit realen Fragen doch nichts zu tun. Die wirklichen Wünsche Ihrer Leser sind Ihnen ersichtlich egal. Meine Aufmerksamkeit ist für sowas einfach zu schade, sodass ich mein Abonnement der Kleinen Schachpost kündige! Mit der mir noch verbliebenen Hochachtung, Dr. Heribert P. Dr. Häcki-Team: Sehr geehrter Herr Dr. P., obwohl wir es sehr bedauern, Sie als Abonnenten verloren zu haben, danken wir für Ihre offenen Bedenken. Wir neh-men diese sehr ernst, da wir uns mit Fake-News eigentlich nicht so ausken-nen und wir Fakesimilien als grundsätz-lich böse unter allen Umständen vermei-den wollen. Doppelt schwer wiegen Ihre Worte, da sie aus dem berufenen Mund eines ausgewiesenen Spezialisten stam-men. Wie Sie es sich allerdings erklären, dass gleich Ihre erste Kritik bei uns an prominenter Stelle erscheint, würde uns schon interessieren. Zumal von unseren bis heute zahlreichen Leserbriefen zu den Qualitätskolumnen der Herren Kin-dermann (Schach) und Unterstöger (Streiflicht) in Ihrem Blatt nicht einer veröffentlicht wurde. Mit kollegialen Grüßen nach Steinhausen, Dr. Häcki. Oswald K. (Deutschland): Liebes Dr. Häcki-Team, in der Schachtheorie bin ich quasi zu Hause und auch sonst fehlt es mir nicht an Selbstvertrauen. Trotzdem verliere ich viel zu oft. Ich kann nicht andauernd Verschwörungen beschwö-

ren, deshalb bitte ich um einen kurzen psychologi-schen Rat. Da ich selbst in einer JVA-Mannschaft spiele, bitte ich auch um absolute Anonymität. Dr. Häcki-Team: Lieber Oswald, es ist schön, wenn man ein gesundes Ego hat. Kann es aber sein, dass Du Dich über-schätzt? Die Quellen der Niederlage sind zahlreich und solange wir uns selber nicht richtig einschätzen, müssen wir sie im Spiel selbst suchen. Andererseits ist eine Schachspielerseele zwar ein weites Feld, doch am leichtesten greifbar, weil in Dir drin. So gilt es zuerst, Dich selbst kennenzulernen. Grundsätzlich gibt es den aggressiven und den passiven Typ. Der Aggressive bestimmt, wie es läuft. Er muss sich in-des davor hüten, dass die Partie kippt. Wenn ein Angriff verpufft, kann eine psychologische Barriere entstehen, die erst überwunden werden will. Der Passi-ve dagegen kann Körner sparen, die ein Übermaß an Kreativität kosten würde. Er wird aber die Entwicklung seines Geg-ners gut lesen und antizipieren müssen, um nicht überrollt zu werden. An einer sattelfesten Verteidigung führt den Pas-siven also nichts vorbei. Selten gelingt es, dem Gegner den eige-nen Willen dermaßen aufzuzwingen, dass er sich in sein Schicksal fügt. Seine Stellung zu verstehen ist unerlässlich, um ihm einen Schritt voraus zu sein. Du musst Dich also richtig in eine Partie versenken, um sie zu durchdringen. Den Gegner zu durchschauen ist indes kein Selbstzweck, sondern das Mittel, um Deine Quote zu verbessern. Oft ist das analytisch erst im Nachhinein möglich, der Nutzen zukünftig, aber real.

Seite 17 Oktober 2017

Page 20: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Evansgambit

Von der Italienischen Partie kommend, beschäftigen wir uns heute mit dem Evansgambit, das im Jahr 1824 vom englischen Kapitän Evans erfunden wur-de.

Nach den Grundzügen

1.e4 e5 2. Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5

bietet Weiß ein interessantes Bauernop-fer an, um mit Tempogewinn mit den Zügen c2-c3 und d2-d4 das Zentrum zu besetzen und einen Königsangriff einzu-leiten.

4.b4

Schwarz kann das Gambit annehmen und ablehnen. Zunächst wollen wir uns mit dem angenommenen Evansgambit befassen.

4...Lxb4 5.c3 Lc5

Nicht das Beste! Als stärker gilt 5...La5, was bessere Verteidigungsmöglichkei-ten bieten soll.

6.d4

Die Rochade ermöglicht hier nicht die sofortige Umsetzung des Tempoge-winns, da Schwarz 6...d6! 7.d4 Lb6 be-quem Ausgleich erreicht.

6...exd4 7.0-0

Mit 7.cxd4 Lb4+ 8.Ld2 oder Kf1 hat Weiß ebenfalls einen starken Angriff.

7...d6

Auf 7...dxc3 bleibt Weiß mit 8.Lxf7+ Kxf7 9.Dd5+ nebst Dxc5 und Dxc3 auch im Vorteil. Andere Züge wie 8. Sxc3 und 8.Db3 verdienen gleichwohl Beachtung.

8.cxd4 Lb6

Hiermit ist die normale Stellung des an-genommenen Evansgambits erreicht.

Nach der Zugfolge

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3

kann Schwarz den bereits erwähnten Zug wählen, der bessere Verteidigungs-möglichkeiten bietet.

5...La5 6.d4! exd4 7.0-0 Lb6!

Die stärkste Fortsetzung für Schwarz.

8.cxd4 d6

In dieser „Normalstellung“ kann Weiß wie folgt fortsetzen: Das Zentrum festle-gen mit 9.d5 (I) oder etwas flexibler blei-ben mit 9.Sc3 (II).

I.

9.d5 Sa5! 10.Lb2 Se7 11.Ld3 0-0 12.Sc3 Sg6

Mit diesem Zug soll der Vorstoß e4-e5 unterbunden werden.

13.Se2 c5 14.Dd2 f6

Schwarz hat mit einem Mehrbauern noch eine genügend befestigte Stellung erreicht. 9. d4-d5 ist also nicht gut ge-nug, um sich reelle Angriffschancen her-auszuarbeiten.

II.

9. Sc3 Sa5

Auch 9...Lg4 10.Lb5! a6 11.La4 Kf8 ist für

Seite 18 September 2017

Page 21: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Schwarz spielbar.

10.Lg5 f6

10...Se7 ist wegen 11.Sd5 f6 12.Lxf6 gxf6 13.Sxf6+ Kf8 14.Sg5 Sxc4 15.Dh5 Sg6 16.Dh6+ Ke7 17.Dg7 führt zu matt; oder 11.Lxf7+ Kf7 12.Sd5 Sc6 (besser ist 12...Te8 13.Lxe7 Txe7 14.Sg5+ Kg8 15.Dh5 h6 16.Dg6 hxg5 17.Sf6+ Kf8 18.Sh7+mit Dauer-Schach!). 13.Lxe7 Sxe7 14.Sg5+ Kg6 15.Sf4+! Kf6 16.e5+ dxe5 17.dxe5+Kxg5 18.Dh5+ Kxf4 19.g3+ Ke4 20.Tfe1+ Kd4 21.Tac1 mit leichtem Gewinn.

11.Lf4 Sxc4 12.Da4+ Dd7

Weiß steht überlegen. 9.Sc3 hat sich für Weiß als sehr stark erwiesen. Findet Schwarz nicht die richtige Verteidigung, so kann sich im Nu ein unwiderstehli-cher Königsangriff entwickeln.

Zwischendurch ein paar Ratschläge:

Wenn der Gegner gezogen hat

1. Sind direkte Drohungen entstanden?

2. Welchen Absichten folgt er?

3. Hat er sich eine Blöße gegeben?

4. Was hat sich auf dem Brett verändert?

Kostprobe

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4

5.c3 La5 6.d4 exd4 7.0–0 Lb6 8.cxd4 d6

9.Sc3 Ld7 10.e5 dxe5 11.Te1 Sge7

12.Sg5 Le6 Was sonst? Die Rochade

scheitert an 13. Dh5!

13.Lxe6 fxe6 14.Sxe6 Dd6 15.Sxg7+ Kf8

16.Dg4 Lxd4 17.Se4 Db4? (siehe Dia-gramm)

Zu riskant. Angesichts der guten weißen Position sollte man solide bleiben, etwa

17...Dg6.

18.Se6+ Ke8 19.Sf6+ Kf7 20.Sg5+ Kf8

Noch das Beste! Andere Züge wie

20...Kg6 21.Dh5+ Kf5 22.g4+ Kxf6 23.Df7 matt oder 20...Kxf6 21.De6+ Kg7 22.Df7+ Kh6 23.Se4+ nebst matt oder 20...Kg7 21.Sh5+ Kf8 22.Df3+ Ke8 23.Sf6+ Kd8

24. Sf7+ Kc8 25.Dh3+ Kb8 26.Sd7+ füh-ren ebenfalls sehr schnell zur Niederla-ge.

21.La3! Dxa3 Auf 21...Dc4 entscheidet 22.Tc1 Dd3 23.De6 Dg6 24.Txc6.

22.De6 Sd8 23.Df7+ Sxf7 24.Se6# 1–0

¢ ¢ ¢

Adolars erster Sieg!

Adolar hat eine Partie gewonnen. Diese Nachricht schlug wie eine Bombe in un-sere Redaktion ein. Also nichts wie los und ein Interview mit ihm. Hier die Bandaufnahme. Reporter: Herzlichsten, allerherzlichsten Glückwünsch, lieber Adolar! Das ist großartig, fabelhaft. Eine Sensation!!! Adolar: Oh danke sehr, danke verbind-lichst. Aber mein Bester, inwiesofern bitte, eine Sensation? Davon kann doch

Seite 19 Oktober 2017

Page 22: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

bei meiner Klasse niemals nie nicht die Rede sein. Reporter: Ich meinte nur so. Ihre Erfolge waren in letzter Zeit etwas spärlich. Adolar: Hahahahahahaha. Alles nur hö-here Büsochi Bsügolo... Reporter: Psychologie. Adolar: Richtig. Also alles nur höhere Bülosogie. Die tut auch alles immer zu-erst in Sicherheit hineinwiegen, und dann hört man plötzlich etwas krachen, und dann rennens durcheinander wie die Hühner. Jetzt bin ich das scharfe Schwert, das durch die bekannte zerlas-sene Butter hindurchgeht, wie, wie, na, Sie wissen schon. Reporter: Sie glauben also, daß Sie noch Boden gutmachen können? Adolar: Was heißt hier „Nochboden-gutmachenkönnen“? Nur keine unange-nehme Bescheidenheit. Jetzt wird nur noch einer Erster, und das ist Adolar! Reporter: Fein, fein; aber wie war das mit Ihrer Gewinnpartie? Unsere Leser erwarten brennend einen ausführlichen Bericht. Adolar: Ja, mein Wertester, zu einem solchen Sieg gehört natürlich eine ganze Menge. Erstens eine technisch untermi-nierte Kombinierungsgabe, und dann ein unheimlich langes Gedächtnis. Stellen Sie sich vor, wenn Ihnen das möglich ist, daß ich 24 Stunden vor Beginn der Partie in einem Schachbuch etwas lese. Ich merke mir die ersten 5 Züge von Weiß und die ersten 4 Züge von Schwarz, das sind zusammen 9 Züge, multipliziert mit 24 Stunden, das sind nach Adam Riese 216 Züge pro Stunde oder 216 Stunden für einen Zug. Da staunens, was! Aber ich werde Ihnen das am Schachbrett demolieren: Mein Gegner fängt gleich ganz scharf an: 1.d4

ich ganz schlicht 1...Sf6 2.Sd2 e5 3.dxe5 Sg4 4.h3 Se3 5.fxe3 Soweit habe ich mir alles genau ge-merkt. Aber wie geht es weiter? Sie mei-nen natürlich Dh4+; hahahahahaha. Aber das hat keinen Sinn, hahahahaha, denn Weiß zieht g2-g3, deckt das Schach ab und greift die schwarze Dame an. Sehen Sie, so!!! Hahahahahahaha! Aber was machte ich? Ich zog tatsäch-lich Dh4+, denn ein Meister meines Gra-des läßt sich nicht so leicht ins Bocks-horn jagen. Denn wenn er g2-g3 spielt, schlage ich einfach den Bauern und sage Matt! Aber was glauben Sie, was mein Gegner auf meinen Damenzug nach h4 gemacht hat? Er gab auf, der Schuft, einfach auf. So eine Gemeinheit! Diese Leute gönnen einem einfach gar nichts. Ich hätte ihm so gerne und ganz langsam und deutlich gezeigt, wie man eine solche Stellung elegant gewinnt. Reporter: Aber auch ohne das, kann man Sie zu Ihrer blendenden Spielfüh-rung nur beglückwünschen. Nun zum Schluß nur noch eine ganz bescheidene kleine Frage. Steht der 5. Zug von Schwarz nicht mehr in dem Schachbuch? Adolar: (erbost) Diese Frage hätte nicht mehr zu kommen brauchen müssen. Na-türlich steht er drinnen. Aber man kann sich doch nicht alles merken. Wogibts-dennsowasnochüberhaupt. Und grimmig kehrte Adolar

unserem Repor-ter den Rücken und stapfte da-

von. (Max Holzmann sen., 1964)

Seite 20 Oktober 2017

Page 23: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

I.

Schwarz am Zug gab die Partie auf. Da-bei stand er ganz klar auf Sieg. Was hät-te er ziehen müssen?

II.

Weiß schlägt mit dem nächsten Zug Txf6 den schwarzen Springer, um eine Figur zu gewinnen. Wie kann Schwarz das verhindern?

III.

Weiß am Zug steht kurz vor dem Ab-grund. Schwarz droht sowohl auf g2 als auch auf h2 mit matt. Kann sich Weiß noch retten?

IV.

Weiß ist am Zug. Kann er die Partie noch gewinnen?

Seite 21 Oktober 2017

Page 24: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Der Wanderzirkus nahm mich im Winter auf. Ich war gerade sechzehn geworden und hatte mich im Heu der Elefanten ver-steckt, um nicht zu erfrieren. Freddy, ein Dompteur der sechsten Generation, fand mich bei seinem abendlichen Rundgang und schleifte meinen unterkühlten Kör-per unsanft in den Wohnwagen von Ma-dame Elster. „Den habe ich gerade bei den Elefanten erwischt“, verkündete er. „Ja, beim Erfrieren hast du ihn erwischt. Mach ihm einen Tee, bevor er hier noch stirbt, Freddy.“ Mit traurigem Blick legte sie mir eine di-cke Pferdedecke über die Schultern. Nachdem Freddy mir nach kurzem Pro-test einen Tee reichte und ich meine Fin-ger wieder spürte, bat mich Madame Elster, von mir zu erzählen. Also erzählte ich ihr von meiner Flucht aus dem Internat im letzten Sommer, von meiner Reise versteckt in Zügen und per Anhalter, und wie ich letzten Winter in einem verlassenen Haus verbrachte, das kurz darauf abgerissen wurde. „Wovon hast du gelebt, was hast du ge-gessen?“, fragte sie. „Ich musste betteln und stehlen“, gab ich zu. „Siehst du, er wollte uns beklauen!“, rief Freddy, verstummte aber schlagartig, als ihn Madame Elsters Blick traf. Sie sagte ruhig: „Ruf bitte alle im großen Zelt zusammen.“ Dann wandte sie sich wieder mir zu. Wortlos verließ Freddy den Wohnwagen. Einige Minuten lang befragte mich Ma-dame Elster nach meinen Interessen und Talenten und lächelte, als ich ihr erzähl-te, dass ich im Internat Schach gespielt hatte. Nachdem der Tee ausgetrunken war, führte sie mich in die Manege. In deren

Mitte stand bereits Freddy und sprach zu einem Publikum aus Zwergen, Seiltän-zerinnen, Clowns und Akrobaten. Als er uns bemerkte, verstummte er und setzte sich zu den anderen. Madame Elster, ei-nen Arm um meine Schulter legend, stell-te mich vor und erzählte den Artisten meine Geschichte. Viele von ihnen hat-ten Schlimmeres erlebt, das sie hierher gebracht hatte, trotzdem fühlte ich ihre Anteilnahme. Dann wandte sich Mada-me Elster an einen Clown mit massigem Kopf und roten Haaren. „Flobo, du wirst dich um ihn kümmern.“ So nahm mich Flobo an diesem Abend mit in seinen Wohnwagen, schenkte mir einen Granatapfel und spielte mit mir ei-ne Partie Schach, bevor ich in einen ko-matösen Schlaf fiel. Von da an gehörte ich zur Familie und genoss die Stärke der Gemeinschaft. Bald darauf erfuhr ich, dass Flobo nicht nur der Zirkusclown war. Er beherrschte auch das Schachspiel wie kein anderer und benutzte es zum Vorteil der Familie. Wie es in jeder Stadt Männer gab, die ei-ner Schlangentänzerin gerne einen Drink ausgaben und sie in ihr Hotelzimmer ein-luden, oder Frauen, die Qualitäten eines Preisboxers mieteten, damit sie ihrem Ex einen Besuch abstatteten, so gab es auch Männer, die einen Clown nicht ernst nahmen. Sie ließen sich auf Partien gegen Flobo ein und verloren ohne Aus-nahme Bargeld, Schmuck und sogar das eine oder andere Auto. Einmal setzte ein besonders Dämlicher seine Ehefrau. Eine hübsche Brünette namens Valentina, die nach der Niederlage ihres Mannes ein Gespräch mit Madame Elster hatte und danach ebenfalls für die Familie arbeite-te. Was aus dem Mann wurde, habe ich nie erfahren. So zogen wir durchs Land, Nomaden,

Seite 22 Oktober 2017

Page 25: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Virtuosen, Gaukler und Betrüger. Flobo lehrte mir Schach und ließ mich gegen Gleichaltrige antreten, um mein Ta-schengeld aufzubessern. So lebte ich

sechs Jahre in dieser magischen Welt aus fremden Mädchen, Flobos Whiskey und dem Glauben, unbesiegbar zu sein, bis ich, getrieben von diesem Glauben und der Kampflust des heranwachsen-den Mannes, Flobo und damit auch mein Schicksal herausforderte. In einer kalten Oktobernacht erhob ich meine Armee gegen den Meister in einer unerbittlichen Partie. Niemand sprach

von einem Einsatz wie es sonst vor einer Schlacht der Fall war, aber ich spürte, dass ich um mehr spielte als jemals zu-vor.

Flobo verlor. Ob absichtlich oder nicht, konnte ich nie erfahren. Aber er wirkte erleichtert als er aufstand, die rote Perücke ablegte und den Wohnwagen verließ. Von da an übernahm ich seine Aufgaben und er-hielt jedes Jahr ein Päckchen mit einer Schachfigur aus Derry. Ihn habe ich nie wieder gesehen. (bg)

Seite 23 Oktober 2017

Page 26: Justizvollzugsanstalt (JVA) Oktober 2017 · Sizilianisch (Alapin-Variante) 1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.c3 d5 4.exd5 exd5 5.d4 Sc6 6.Lb5 Sf6 7.0 –0 cxd4 ...

Die KLEINE SCHACHPOST erscheint seit 1964. Sie lehrt das königliche Spiel, berichtet über Turniere und Partien und unterhält den Schachfreund. Seit April 2015 gibt es die Schachpost zusätzlich in einer elektronischen Variante. Produziert wird das Heft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing von Häftlingen unter der Leitung eines verantwort-lichen Lehrers der Schule/Bücherei in der JVA. Das Abonnement der Kleinen Schachpost ist gratis.

Was Sie als Leser von der Kleinen Schachpost erwarten dürfen:

Aktuelles regional: Berichte von Turnieren der Ligen, in denen Mannschaften der JVA mitspielen - mit Partien zum Nachspielen, Kommentaren zu einzelnen Zügen und taktischen Alternativen. Außerdem die Platzierungen in der Tabelle.

Aktuelles national und international: Berichte von ausgewählten Turnieren mit Par-tien zum Nachspielen, Kommentaren zu einzelnen Zügen und taktischen Alternati-ven.

Schachtheorie: Taktik und Strategie von Eröffnung bis Endspiel

Übung (die den Meister macht): Schachrätsel als Denksportaufgabe - mit Auflösung im folgenden Heft.

Entwicklungen bei der Schachgemeinschaft der JVA Straubing.

Die „Bewertungsprofile“ der einzelnen Schachpartien haben wir dem Programm „Fritz“ von Chessbase entnommen.

Gut Zug und wachsende Freude am Schachspiel wünscht Ihre

KLEINE SCHACHPOST

Impressum:

Herausgeber:

Der Leiter der JVA Straubing

Verantwortlicher Redakteur: StR i. MSD

Andreas Bauer

Redaktion: Vier JVA-Insassen

Anschrift:

Justizvollzugsanstalt Redaktion „Kleine Schachpost“

Äußere Passauer Str. 90 94315 Straubing

Herstellung:

Computersatz & PDF/Laserdruck