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1 Abiturprüfung 2015 KATHOLISCHE RELIGIONSLEHRE Arbeitszeit: 210 Minuten Der Prüfling hat e i n e der vier vorgelegten Aufgaben zu bearbeiten. Als Hilfsmittel ist die Bibel zugelassen. Am Ende jeder Teilaufgabe steht die maximal erreichbare Anzahl von Bewertungseinheiten (BE).

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Abiturprüfung 2015

KATHOLISCHE RELIGIONSLEHRE

Arbeitszeit: 210 Minuten

Der Prüfling hat e i n e der vier vorgelegten Aufgaben zu bearbeiten. Als Hilfsmittel ist die Bibel zugelassen. Am Ende jeder Teilaufgabe steht die maximal erreichbare Anzahl von Bewertungseinheiten (BE).

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Der Mensch in seiner Verantwortung vor Gott

1 „Adam, wo bist du?“ - „Kain, wo ist dein Bruder?“ (M 1, S. 3, Z. 9 und 21)

1.1 Arbeiten Sie unter Verwendung von Textbelegen die von Papst Franzis-kus im Text M 1 angesprochenen Aspekte des biblisch-christlichen Men-schenbildes heraus! [15 BE]

1.2 Skizzieren Sie ein nichtchristliches Menschenbild und vergleichen Sie es mit dem christlichen Menschenbild im Hinblick auf den Stellenwert von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen! [20 BE]

1.3 Weisen Sie nach, dass das christliche Verständnis vom Menschen im bib-lischen Gottesbild begründet ist! [15 BE]

2 „Aber Gott fragt einen jeden von uns ...“ (M 1, S. 4, Z. 31 f.)

Stellen Sie eine apokalyptische Vorstellung dar und belegen Sie den Un-terschied zur prophetischen Rede von Amos in M 2! [20 BE]

3 „Ich bin es nicht, ich habe nichts damit zu tun …“ (M 1, S. 4, Z. 30 f.)

Sie haben das P-Seminar zum Thema „Weltfairantwortung und ICH?“ mit dem Leitfach Katholische Religionslehre gewählt. Für die Jahrgangsstufe 12 Ihres Gymnasiums haben Sie einen Studientag mit drei Workshops zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember durchgeführt.

Entwerfen Sie für die Rubrik „Religionsunterricht aktuell“ Ihrer Kirchenzeitung einen aussagekräftigen Artikel über dieses Projekt. Legen Sie Ihrem Text drei Materialien aus M 2 bis M 6 zugrunde! [30 BE]

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[Summe: 100 BE]

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M 1 Am 08.07.2013 besuchte Papst Franziskus die Flüchtlingsinsel Lampedusa. In den vergangenen 30 Jahren sind bei der Überquerung des Meeres von Afrika Richtung Europa nach Schätzungen bis zum Zeitpunkt dieses Besuchs mindes-tens 20.000 Menschen ertrunken oder verdurstet. In seiner Predigt beklagte der Papst eine „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ (für Prüfungszwecke bearbei-tet).

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Immigranten auf dem Meer umgekommen, auf den Booten, die statt eines We-ges der Hoffnung ein Weg des Todes wurden. So die Überschriften der Zei-tungen. Als ich vor einigen Wochen diese Nachricht hörte, die sich leider sehr oft wie-derholte, drangen die Gedanken immer wieder wie ein Leid bringender Stich ins Herz. Und da habe ich gespürt, dass ich heute hierher kommen musste, um zu beten, um eine Geste der Nähe zu setzen, aber auch um unsere Gewissen wachzurütteln, damit sich das Vorgefallene nicht wiederhole. „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9), lautet die erste Frage, die Gott an den Men-schen nach dem Sündenfall richtet. Adam ist ein Mensch ohne Orientierung, der seinen Platz in der Schöpfung verloren hat, weil er glaubt, mächtig zu wer-den, alles beherrschen zu können, Gott zu sein. Und die Harmonie geht zu Bruch, der Mensch geht fehl, und dies wiederholt sich auch in der Beziehung zum anderen, der nicht mehr der zu liebende Bruder ist, sondern bloß der ande-re, der mein Leben, mein Wohlbefinden stört. Viele von uns, ich schließe auch mich ein, sind ohne Orientierung, wir achten nicht mehr auf die Welt, in der wir leben, wir wahren und hüten nicht, was Gott für alle geschaffen hat, und wir sind nicht einmal mehr in der Lage, ei-nander zu hüten. Und wenn diese Orientierungslosigkeit Weltdimensionen an-nimmt, kommt es zu Tragödien wie jener, die wir erfahren haben. Und Gott stellt die zweite Frage: „Kain, wo ist dein Bruder?“ Sein Blut schreit bis zu mir, sagt Gott. Das ist keine Frage, die an andere gerichtet ist, es ist eine Frage, die an mich, an dich, an jeden von uns gerichtet ist. Diese Brüder und Schwestern von uns suchten, schwierigen Situationen zu entkommen, um ein wenig Sicherheit und Frieden zu finden; sie suchten einen besseren Ort für sich und ihre Familien, doch sie fanden den Tod. Die dies suchen, wie oft finden sie kein Verständnis, finden sie keine Aufnahme und Solidarität! Und ihre Stim-

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men dringen bis zu Gott! „Wo ist dein Bruder?“ Auch heute taucht diese Frage nachdrücklich auf: Wer ist der Verantwortliche für das Blut dieser Brüder und Schwestern? Niemand! Wir alle antworten so: Ich bin es nicht, ich habe nichts damit zu tun, es werden andere sein, sicher nicht ich. Aber Gott fragt einen jeden von uns: „Wo ist dein Bruder, dessen Blut zu mir schreit?“ Niemand in der Welt fühlt sich heute dafür verantwortlich; wir haben den Sinn für brüder-liche Verantwortung verloren; wir sind in die heuchlerische Haltung des Pries-ters und des Leviten geraten, von der Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter sprach: Wir sehen den halbtoten Bruder am Straßenrand, vielleicht denken wir „Der Arme!“ und gehen auf unserem Weg weiter; es ist nicht unse-re Aufgabe; und damit beruhigen wir uns selbst und fühlen uns in Ordnung. In dieser Welt der Globalisierung sind wir in die Globalisierung der Gleichgül-tigkeit geraten. Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt, es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es geht uns nichts an!

Quelle: http://w2.vatican.va/content/francesco/de/homilies/2013/documents/papa-

francesco_20130708_omelia-lampedusa.html (16.12.2014) M 2 Amos 5,7 und Amos 5,10-14 (siehe Einheitsübersetzung der Bibel) M 3 Matthäus 25,31-46 (siehe Einheitsübersetzung der Bibel)

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M 4 Ausgewählte Zahlen und Fakten zum aktuellen Stand der Menschenrechtssituation in 159 Ländern der Welt aus dem „Amnesty International Report 2013“:

- 2012 wurden in 112 Staaten Menschen misshandelt und gefoltert. - In 101 Ländern wurde das Recht auf freie Meinungsäußerung

unterdrückt. - In 80 Ländern fanden unfaire Gerichtsverfahren statt. - 57 Staaten hielten gewaltlose politische Gefangene in Haft. - In 21 Staaten wurden Todesurteile vollstreckt. Bis Ende 2012 hatten über

ein Drittel aller Staaten die Todesstrafe per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft.

- In 36 Staaten fanden rechtswidrige Zwangsräumungen statt. - In 31 Staaten fielen Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer. - Anfang 2012 waren weltweit 12 Millionen Menschen staatenlos. - Im Jahr 2012 waren weltweit 15 Millionen Menschen auf der Flucht.

Quelle: https://www.amnesty.de/2013/5/22/amnesty-report-2013-zahlen-und-fakten?destin

(16.12.2014) M 5

Quelle: Spinas Civil Voices GmbH, Zürich

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M 6 Kinderarbeit

Definition: Nach Artikel 32 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen versteht man unter Kinderarbeit alle von Heranwachsenden ausgeübten Tätigkeiten, die Gefahren mit sich bringen, die die Erziehung des Kindes behindern oder die Ge-sundheit des Kindes oder seine körperliche, geistige, seelische, sittliche oder so-ziale Entwicklung schädigen könnten. Fakten und Zahlen:

168 Millionen Kinder weltweit müssen arbeiten, davon 85 Millionen in ge-fährlicher Arbeit.

Seit 2000 ist Kinderarbeit um ein Drittel zurückgegangen, der Rückgang be-schleunigte sich in den letzten Jahren. Zwischen 2008 und 2012 reduzierte sich die weltweite Zahl der Kinderarbeiter von 215 auf 168 Millionen.

Die Anzahl der Kinder, die gefährliche Arbeit verrichten müssen, fiel von 115 auf 85 Millionen.

Quelle: http://www.ilo.org/berlin/presseinformationen/WCMS_246591/lang--de/index.htm

(16.12.2014) Beispiel:

Für die Produktion von Handys braucht man spezielle Mineralien, wie zum Bei-spiel Coltan. Coltan wird im Ostkongo oft von Kindern aus ungesicherten Minen geholt. Das Geld aus dem Verkauf finanziert einen Krieg, der schon 15 Jahre dauert und bis heute fünf Millionen Menschen getötet hat. Quelle: http://www.planet-schule.de/sf/php/02_sen01.php?reihe=1137 (16.12.2014)

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II

Dem Menschen dienen

1 „Wozu braucht es eine Kirche?“ (Henning Scherf, M 1, S. 8, Z. 1)

Fassen Sie die Antworten auf die im Text M 1 vom Autor aufgeworfene Frage zusammen! [10 BE]

2 „Ich wünsche mir von der Kirche, dass sie sich an diesen Entscheidungs-nöten ständig beteiligt und dabei nicht nach Opportunität fragt.“ (M 1, S. 8, Z. 6-8)

2.1 Stellen Sie unterschiedliche Quellen dar, nach denen Christen ethische Entscheidungen treffen, und erklären Sie in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Gewissens! [15 BE]

2.2 Überprüfen Sie an einem aktuellen gesellschaftlichen Problem Möglich-keiten und Grenzen der katholischen Soziallehre, zu dessen Lösung beizu-tragen! [20 BE]

3 „Die Kirche könnte das Gedächtnis unserer Gesellschaft sein.“ (M 1, S. 8, Z. 15 f.)

3.1 Weisen Sie unter Bezugnahme auf M 1 (S. 8) und M 2 (S. 9) nach, wie das Kloster „Heilig Blut“ in Dachau die wichtige Aufgabe erfüllt, „Ge-dächtnis unserer Gesellschaft“ (M 1, S. 8, Z. 15) zu sein! [15 BE]

3.2 Interpretieren Sie die religiöse Symbolik des Grundrisses der Klosteranla-ge (M 3, S. 10f.) und zeigen Sie auf, wie dadurch für die Ordensschwes-tern eine vertiefte Gottesbeziehung möglich ist! [20 BE]

4 „Der Schlüssel dazu sind die Menschen.“ (Henning Scherf, M 1, S. 9, Z. 36)

Geben Sie wesentliche Aspekte des christlich-biblischen Menschenbildes wieder und begründen Sie auf dieser Grundlage die Notwendigkeit, „die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft nicht vor die Hunde gehen“ (M 1, S. 9, Z. 34 f.) zu lassen! [20 BE]

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[Summe: 100 BE]

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M 1 Henning Scherf war von 1995 bis 2005 Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Der folgende Text ist entnommen aus: Henning Scherf, Wozu es eine Kirche braucht, in: Christ in der Gegenwart 18 (2012), S. 189 (für Prüfungszwecke bearbeitet).

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Wenn ich heute frage: Wozu braucht es eine Kirche?, dann stelle ich mich in meiner Politikerrolle auf die Seite der Gesellschaft und sehe drei Aspekte.

Der erste: Die Kirche soll das Gewissen der Gesellschaft sein. Gewissen meint nicht Gesetzesloyalität, sondern eine zusätzliche Legitimation für verpflichten-des öffentliches Handeln. Öffentliches Handeln bindet sich an Entscheidungen, die sehr sensibel sind und bei denen jeder einzeln für sich gewichtet. Ich wün-sche mir von der Kirche, dass sie sich an diesen Entscheidungsnöten ständig beteiligt und dabei nicht nach Opportunität fragt: „Sind wir auf der richtigen Seite, sind wir genehm oder nicht genehm?“ Wir haben heute gefährlich viel Opportunismus. Wir brauchen Menschen, die unabhängig von Nutzen, Zwe-cken und Vorteilsabsichten nach dem Rechten fragen. Es braucht in dieser Ge-sellschaft ganz viele Einzelne - aber eben auch eine Institution, die das Gewis-sen mobilisiert und ethische Maßstäbe anzeigt, wenn wir auf dem falschen Weg sind. Der zweite Aspekt: Die Kirche könnte das Gedächtnis unserer Gesellschaft sein. Johann Baptist Metz hat ausgehend von diesem Gedanken eine Theologie der memoria passionis (Erinnerung an das Leid) entwickelt: des Lebendig- und Präsenthaltens von Millionen und Milliarden namenlos Leidender, auch das Gedenken der Toten. Dass die nicht aus unserem Gedächtnis verschwinden und dass wir schrittweise lernen, aus deren ungerechtem Tod vielleicht doch die richtigen Schlüsse zu ziehen, ist wichtig: damit diese unzähligen Menschen – etwas pathetisch gesagt – nicht umsonst gestorben sind. Wenn Kirche dafür Orte schaffen könnte, würde sie eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfül-len. Das wären Orte, an denen an das Leiden der Menschen erinnert und das Aushalten von Leiden ins Bewusstsein der Menschen geholt und repräsentiert wird. Damit nicht das Gras des Verschweigens und Vergessens über diese Lei-densgeschichte wächst. Wenn wir vergessen, was war, werden wir nämlich auch nicht sehen, wenn solche Leidensgeschichten unter uns und neben uns passieren, hier und jetzt. Der dritte Aspekt, der mir bei Kirche wichtig ist: Diakonie. Unsere säkularisier-te Sozialpolitik, übernommen von kirchlicher Sozialpolitik, mit riesigen Bud-

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gets – den größten unseres Bruttosozialprodukts – ist in Bürokratie erstarrt. Wir haben einen bürokratischen Sozialstaat. Hier liegt ein Strukturproblem. Das müssen wir lösen, wenn die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft nicht vor die Hunde gehen soll. Der Schlüssel dazu sind Menschen. Menschen, die sich nicht bloß auf Gesetze beziehen, die nicht erst als Teil einer Bürokratie aktiv werden und die sich in ihrer Motivation nicht auf Politik und Sozialgerichte stützen, sondern die Nähe schenken, die als Mensch gegenwärtig sind, die Teilnahme als Person leben. M 2 Der Karmel1 „Heilig Blut“ in Dachau bei München

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Unmittelbar an das ehemalige Konzentrationslager Dachau2 – die heutige Ge-denkstätte – schließt sich der Karmel „Heilig Blut“ an. Diese räumliche Nähe wurde bewusst gewählt, ging es doch darum, an diesem Ort schrecklichen Un-heils eine Stätte des Gebets, ein Zeichen der Hoffnung zu errichten. Der Karmel hat eine jahrhundertelange Tradition der Stille, die bis ins frühe Mönchtum reicht, das das immerwährende Gebet zu verwirklichen suchte. Mit Gott kann der Mensch in einem freundschaftlichen Umgang Zwiesprache halten, bei ihm verweilen oder sich in seine Gegenwart versenken. Das Leben als Karmelitinnen an diesem Ort ist geprägt von der Atmosphäre der Zurückgezogenheit in Stille und Achtsamkeit für die Gegenwart Gottes und zugleich für die Offenheit für das konkrete Unheil gestern und heute. Die Fenster der Klosterzellen sind auf das ehemalige Konzentrationslager ge-richtet. Der Blick darauf soll ebenso wie die Begegnungen mit Menschen, die davon betroffen waren oder sind, die Bedeutsamkeit dieses Ortes wachhalten. So ist diese einstige Stätte des Grauens zu einem Lern-Ort für Frieden und Ver-söhnung und auch zu einer Wallfahrtsstätte geworden, zu der viele Menschen aus der ganzen Welt pilgern.

Quelle: http://www.gedenkstaettenseelsorge.de/kloster/kloster.php (22.12.2014)

                                                            1 Karmel: ein auf Gebet ausgerichtetes Frauenkloster 2 Zwischen 1933 und 1945 waren im Konzentrationslager Dachau und in zahlreichen Außenlagern

über 200.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert. 41.500 wurden ermordet. Am 29. April 1945 be-freiten amerikanische Truppen die Überlebenden. Die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations-lagers wurde im Jahr 1965 auf Initiative und nach den Plänen überlebender Häftlinge mit Unterstüt-zung des Bayerischen Staates errichtet. 

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M 3 Architektonisches Konzept der Klosteranlage Karmel „Heilig Blut“ in Dachau (siehe nächste Seite) Der Karmel „Heilig Blut“ in Dachau an der Nordseite der KZ-Gedenkstätte zählt zu den jüngsten Klöstern in der Bundesrepublik. Mit dem Bau 1964 waren erhebliche technische Schwierigkeiten verbunden. Der Grund, der für die Anla-ge vorgesehen war, erwies sich als wenig tragfähig. Ursprünglich bestand näm-lich an dieser Stelle eine Kiesgrube, in der Häftlinge Zwangsarbeit leisteten, be-vor sie aufgeschüttet wurde.

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(1) Fortsetzung der ehemaligen Lagerstraße, die in Süd-Nord-Ausrichtung verlief (2) Zellen der Schwestern, parallel zu den ehemaligen Baracken des Konzentrationsla-

gers ausgerichtet (Ost-West-Richtung) (3) Kreuzgang (4) Kirche mit Tabernakel im Zentrum (5) Kirchenvorhof mit Pforte und Eingang zum Priesterhaus, angrenzend an die ehe-

malige Lagermauer, die in Ost-West-Richtung verlief

Quellen: http://kirchenundkapellen.de/kirchen/dah-karmel.php (22.12.2014) http://www.carlsplatz.de/site_elements/karte/kompass_03.gif (22.12.2014) (für Prüfungszwecke bearbeitet)

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III

Atheismus und christlicher Glaube

1 „Wer hat die bessere Antwort auf die großen Fragen des Lebens?“ (S. 13, Z. 1)

1.1 Arbeiten Sie aus dem Text „die großen Fragen des Lebens“ heraus und geben Sie die Antworten wieder, die nach Gerhard Lohfink ein Atheist und ein Christ jeweils haben! [15 BE]

1.2 Entfalten Sie eine atheistische Position und stellen Sie eine mögliche christliche Kritik dar! [15 BE]

2 „Atheisten müssten also den Mut haben zu sagen: Ja, wir leben in einer im Grunde sinnlosen, grotesken und absurden Welt, an deren Absurdität auch unsere kleinen privaten Wunscherfüllungen nichts ändern können.“ (Z. 23-26)

2.1 Skizzieren Sie ein nichtreligiös begründetes Menschenbild! Überprüfen

Sie unter Einbeziehung des Zitats, ob sich durch dieses Bild vom Men-schen die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten lässt!

[15 BE]

2.2 Belegen Sie auf der Grundlage von Botschaft und Handeln Jesu, dass der Christ „die Geschichte mit anderen Augen ansehen“ (Z. 26 f.) kann!

[20 BE]

3 „… derjenige, der an den Gott Jesu Christi glaubt…“ (Z. 1 f.)

Stellen Sie Glaube, Hoffnung und Liebe (vgl. 1 Kor 13,13) als Leitmotive für ein christlich orientiertes Leben dar und zeigen Sie die Bedeutung die-ser Tugenden an einer vorbildhaften Persönlichkeit auf! [15 BE]

4 „Der Christ hat eine Antwort.“ (S. 14, Z. 47)

Nehmen Sie dazu Stellung, inwieweit die Ausführungen von Gerhard Lohfink als moderner „Gottesbeweis“ verstanden werden können! [20 BE]

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[Summe: 100 BE]

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Der folgende Text ist entnommen aus: Gerhard Lohfink, Der neue Atheismus. Eine kritische Auseinandersetzung, Stuttgart 2013, S. 139-142 (für Prüfungs-zwecke bearbeitet).

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Wer hat die bessere Antwort auf die großen Fragen des Lebens – derjenige, der an den Gott Jesu Christi glaubt, oder derjenige, der sich dem Glauben an Gott verweigert? Wer nicht nur Agnostiker ist, sondern bewusster Atheist, muss davon ausge-hen, dass nach dem Tod das reine Nichts kommt. Diese Vorstellung mag ihn nicht weiter erschrecken. Denn nicht das Nichts ist für ihn schlimm, sondern das Sterben, der Übergang ins reine Nichts. Immerhin sollte sich jeder Atheist fragen: Warum eigentlich die unendliche Sehnsucht des Menschen, warum sein ständiges Über-sich-selbst-Hinausgreifen, warum sein nie endendes Weiterfragen, warum all die kleinen und großen Hoffnungen, warum die Lust, die nichts anderes als tiefe Ewigkeit will – wenn am Ende eben doch das Nichts alles verschlingt? Hinzu kommt das Unaufgelöste der Geschichte! Menschen, die in den Schmutz getreten wurden und die keiner jemals aufgerichtet hat. Männer und Frauen, die umgebracht wurden, und deren Mörder niemand gerichtet hat. Kinder, die vergewaltigt wurden, und deren Vergewaltiger sich ins Fäustchen lachten. Unrecht, das niemals geklärt wurde. Falls diese Sieger- und Verlierergeschichten niemals umgeschrieben werden, falls dieses maßlose Leid, dieses Ineinander von Schuld und Unschuld in Ewigkeit ungeklärt bleiben sollte, kann die Welt nur als absurd und bis in ihre letzte Tiefe als widersinnig angesehen werden. Selbst die Hoffnung auf eine Optimierung der Weltgeschichte kann das Elend der in der Vergangenheit Ent-rechteten niemals beseitigen. Atheisten müssten also den Mut haben zu sagen: Ja, wir leben in einer im Grunde sinnlosen, grotesken und absurden Welt, an deren Absurdität auch unsere kleinen privaten Wunscherfüllungen nichts än-dern können. Der Christ muss sich das nicht sagen. Er kann die Geschichte mit anderen Augen ansehen. Er muss sich nicht für den Unsinn und zugleich für ein halbverzweifeltes, heroisches „Dennoch“ entscheiden. Er kann auch den Menschen mit anderen Augen ansehen. Wie der Atheist be-trachtet auch der Christ den Menschen sehr nüchtern: Entstanden aus dem Staub von Sternen, hochentwickelt aus dicht behaarten Säugetieren, die – in den Zeiträumen der Evolution gemessen – erst vor kurzem von den Bäumen herabgestiegen sind. Immer noch ist er halb Tier, immer noch in der Gefahr, alles ihm Fremde zu hassen und hinzumetzeln. Und doch, von eben diesem (Fortsetzung nächste Seite) 

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Menschen weiß der Christ, dass er von Gott geliebt ist, dass der Geist sein An-gesicht schön gemacht hat, und dass jeder Sterbliche in den Augen Gottes so kostbar ist, dass Gott selbst ein Sterblicher wurde. Schließlich: Der Atheist weiß nicht, woher die Welt kommt. Er kann natürlich auf naturwissenschaftlicher Ebene immer weiter zurückfragen. Aber das ist nicht die Frage nach dem letzten Grund der Welt. Er muss entweder anneh-men, dass es die Welt schon immer gibt, dass also Materie und Energie ewig sind (aber warum eigentlich, wo doch alles in der Welt eine Ursache hat?) – oder er muss annehmen, dass der Kosmos plötzlich von selbst aus dem Nichts ins Dasein sprang. Warum es die Welt gibt und weshalb nicht lieber das reine Nichts, ist eine Fra-ge, die kein Atheist beantworten kann. Er muss, wenn er ehrlich ist, mit der Nicht-Antwort auf diese letzte aller Fragen leben. Der Christ hat eine Antwort.

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IV

Religion – Glaube – Ethik

1 „Religiös ohne Gott. Warum wir heute anders glauben“ (Titel eines Bu-ches von Norbert Scholl, Theologe)

1.1 Beschreiben Sie die dem Buchtitel zu Grunde liegende religiöse Vielge-staltigkeit unserer heutigen Gesellschaft! [10 BE]

1.2 Erörtern Sie anhand eines Definitionsversuchs von Religion, inwieweit sich damit die von Kant formulierten Grundfragen des Menschen beant-worten lassen! [20 BE]

2 „Die Absicherung unserer Lebensbedingungen und, wohl mehr noch, die durch Technik ermöglichte Bequemlichkeit verleiht dem naturwissen-schaftlich-technischen Denken eine ungeheure Überzeugungskraft, ein-fach weil die Technik so außerordentlich zuverlässig funktioniert.“ (Christian Hoppe, Naturwissenschaftler, Zitat aus einem Vortrag auf dem Katholikentag 2012)

2.1 Entfalten Sie das Verhältnis von religiösem Glauben und moderner Na-turwissenschaft! [15 BE]

2.2 Untersuchen Sie unter Einbeziehung des Zitats, inwieweit naturwissen-schaftlich-technisches Denken die Gottesvorstellungen und den Gottes-glauben junger Menschen beeinflussen kann! [20 BE]

3 „Religion ist eine wichtige Ressource, aus der auch in unserer Gesell-schaft grundlegende Wertorientierungen entspringen. Menschen mit ei-nem religiösen Hintergrund werden als politisch aktive Bürger ge-braucht.“ (Wolfgang Schäuble, Politiker, Zitat aus einer Rede an der Hochschule für jüdische Studien, Heidelberg)

3.1 Weisen Sie an biblischen Beispielen nach, dass der christliche Glaube „eine wichtige Ressource“ für grundlegende Wertorientierungen in unse-rer heutigen Gesellschaft ist! [15 BE]

3.2 Setzen Sie sich mit der Frage auseinander, ob in einer offenen Gesell-schaft Menschen „mit einem religiösen Hintergrund […] als politisch ak-tive Bürger gebraucht [werden]“! [20 BE]

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[Summe: 100 BE]