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KAISERIN THEOPHANU Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends Gedenkschrift des Kölner Schnürgen-Museums zum 1000. Todesjahr der Kaiserin Herausgegeben von Anton von Euw und Peter Schreiner Band II Köln 1991

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KAISERIN THEOPHANUBegegnung des Ostens und Westens

um die Wende des ersten Jahrtausends

Gedenkschrift des Kölner Schnürgen-Museumszum 1000. Todesjahr der Kaiserin

Herausgegeben vonAnton von Euw und Peter Schreiner

Band II

Köln 1991

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Johannes Fried

Theophanu und die Slawen. Bemerkungen zur Ostpolitik der Kaiserin

Schwere Schuld und schöne Sühne beherrschenTheophanus Handeln im Osten des Reiches. Sosuggeriert Brun von Querfurt. ein sächsischer Gra-fcnsohn , königlicher Kapellan , rigoroser Asket.welterfahrener Missionar und Märtyrer in der ZeitOttos Ill. und Heinrichs l l.. den Lesern seiner..Vita s. Adalbcrti", Ihr Gemahl. Kaiser Otto IL.ein rex puer, wie derselbe Brun klagt', stirbt mitetwa 2R Jahren. Eine Reihe von Fehlern undNiederlagen habe sein Ende verdüstert: das vor-mals mächtige. unbesiegte Reich liege seitdem in..Schande" und ..Konfusion'<. Der hI. Laurentiussehe sich um sein Bisturn Mcrseburg geprellt: vonden Polen. Lutizen, Westfranken und Sarazenensei Otto deshalb zur Strafe geschlagen worden. Zuspät habe er sich besonnen, ..schämt sich. auf dieGattin gehört zu haben. und bereut. daß er kindi-schem ~Rate folgte und die Empfehlungen derErfahreneren (malerest mißachtete"1_ Theophanualso - schuld am sächsischen Desaster! Brun Hißtseinem Zorn noch nach einem Vierteljahrhundertfreien Lauf. als er die Situation an der Ostgrenzedes Reiches bedenkt. so nachhaltig verbittert ist er- und bietet uns mit seinem Jamm~r fast schon deneinzigen Hinweis. daß Ottos Gemahlin ... Mitk aise-rin" 'Und consors imperii. tatsächlich Einfluß aufdie ..Ostpolitik" des Kaisers nahm. Doch so wert-voll Bruns Schelte für uns auch ist. sie verdichteteher das Dunkel. das diese gesamte Epoche derdeutsch-slawischen Geschichte umhüllt. als daß siees aufhellte. Enttäuschung über das Kaiserpaar, jaheftige Abneigung trüben das Urteil. Was leisteteThcophanu tatsäclllich? Was plante sie im Osten?Was machten andere daraus?

Brun fügt seiner Klage allerdings eine weitereNachricht hinzu. Die Kaiserin gebe sich nämlichum die Jahreswende 989/90 in Rorn heilsamer oder- wie Brun formuliert - ..schöner Trauer" hirr' undstatte Adalbert, den Bischof von Prag, als er nachJerusalem pilgern will, mit reichen Geldmittelnaus: Er solle am hl. Grab für den unseligen Ottobeten ... auf daß sie (Thcophanu) den sündebelade-nen König vom Feuer erlöse"). Thcophanu mühtsich also. so belehrt uns der Sachse, kurz vor ihrem

Tode. das Unheil. das sie bewirkte. durch Almosenund Gebetsgedächtnis abzutragen und wieder gut-zumachen. Die Maßnahme nun. die sie zu diesemZweck ergreift. gehört abermals in den Kontextihrer ..Ostpolitik", Denn Adalbcrt hat in Pragschwerstem Druck seitens des Herzogs weichenmüssen: seine Pilgerreise gleicht einer Flucht ausBöhmen. und die Kaiserin scheint sie mit ihrerfrommen Gabe ucrudczu zu sanktionieren. Weitfort aus dem böhmisch-polnisch-ungarischen Kri-sengehier. in dem Adalbcrt zu wirken berufen ist.wünscht sie den Bischof. Schiebt sie ihn ab. oderwill sie ihn retten?

Ottos landfremde Gemahlin. die Frau in der Poli-tik - eine eklatante Versaucrin? War die anuc-spannte Lage an der Ostgrenze des ottonischenReiches um lJR()jt)() oder um I()()4. als Brunschreibt. in der Tat Thcophanus Werk. oder warsie wenigstens maßgeblich an ihm beteiligt? Einanderer sächsischer Zeitgenosse. der über die Auf-hebung seines Bistums nicht minder erbosteBischof Thietmar von Mcrscburg, berichtet etwaanderthalb Jahrzehnte nach Bn(n gleichfalls vonTheophanus Streben nach Sühne ~für Ottos ILSünden. jetzt aber. ohne die Kaiserin mit Schuld-vorwürfen zu überhäufen. Theophanu schaut da-nach (bereits als Witwe. wie sich ergibt) in nächtli-eher Vision den hI. Laurcntius. der sich ihr mitverstümmeltem rechten Arm offenbart. DieseWunde verdanke er ihrem Herrn. also Otto 11.: ihnhabe Gisether (der karrieresüchtige Bischof vonMerseburg). dessen Schuld vielen~ Heiligen miß-falle. verführt (nämlich das Bistum Morseburgaufzuheben und ihn selbst. Giselher. zum Erzbi-schof von Mageieburg zu erhöhen). Theophanu isttief erschrocken: sie bedrängt ihren Sohn. aufjeden Fall - sei es zu Lebzeiten. sei es nachGiselhers Tod - das aufgehobene Bisturn wieder-herzustellen und somit der Seele seines Vaters amJüngsten Tage zu ewiger Ruhe zu verhelfen. DerMorseburger Bischof setzt also an die Stelle derKaiserin. die nach Brun von Querfurt ihrenGemahl ..kindisch" beriet. den sächsischen BischofGisclhcr, der in maßloser Selbstsucht sich am Guteines Heiligen vergriff. Er allein ist nun neben Otto

Vgl, S. Adalbcrti Pragensis cpiscopi et rnartyris vita alteraauctllre Brumme Qucrfurtensi c. 12. cd. J. Karwasiriska. War-schau I%l). lol.22. Ich zitiere im folgendcn nur die ältere (umWOol entstandenc) Redaetio longior. die jüngerc und kürzere(um I007/IOOX) bietet für uns keine nennenswerten Varianten.

Brun "on Oucrturt , Vita s. Adalbcrti e. 10. X.llJ und c. t2.13.23.,1 Brull (wie Anm. 2).e. 10. l).

Brllll (wie Anm. 2).c. 12. D.X.Brull (wie A11m. 2). 15.

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Johanncs Fried

11. der Schuldige, während Thictrnar der Griechinnur Lob zu zollen weiß". Theophanus Person ist, sofolgt aus dem bisherigen, noch Jahrzehnte nachihrem Tod (lJlJ!) unter den Sachsen äußerst um-stl:it.ten, e~)Cn weil ihre "Ostpolitik" Wirkungenzcrugtc. die auch zu Beginn des ncucn Jahrtau-sends noch von herausragender Aktualität sind.

Mögen es auch in erster Linie Differenzen inner-halb der sächsischen Aristokratie sein, welche daszwiespältige Urteil über die Byzantincrin spiegelt:an der Aufhebung Mcrseburgs uno der damiterreichten Erhöhung Magdcburgs scheiden sichdie Geister. Die Ottonen herrschen je Hinger destoweniger unangefochten in Sachsen, dem Landihrer Herkunft und Hausuütcr, sie geraten zunch-n~end. in.Gegensatz zu einflußreiche';, Gruppen deseinheimischen Adels, der seine partikularen Zieleverfolgt. Die Bistümer sind dabei nicht ohneBede~ltung, führt. ihre. Besetzung doch regelmüßigVOI: die Notwendigkeit einer lntcrcsscnubklärungZWischen König und Adel. Doch liegen Morseburgund Magdeburg zugleich an der Grenze des Rei-ches und sollen weit nach Osten gerichtete politi-sche und kirchliche Aufgaben wahrnehmen: ihrGeschick kann keinesfalls den einheimischen Kräf-ten allein überlassen bleiben, zu unmittelbarberührt es die gesamte Ostpolitik der ottonischenKaiser und ihres Imperiums. Die Festigung derKirche dient immer auch der Stabilisicrung ~eltli-eher Herrschaft. Was also bezwecken die Verände-rungen der beiden Bistümer, und wie greift Theo-phanu. die Griechin, deren Blick schon durch ihreHerkunft weit nach dem Osten gerichtet sein muß,in die lntcrcsscnkollision von ~ächsischem AdelKirche und König ein'! Was können wir heute nocl~erkennen'! Die Oucllcnlagc zur Bcanwortung die-ser Fragen ist desolat. Wir sind angewiesen aufvorsichtige Rückschlüsse aus spürlich~en und sprö-den Angaben voller Widersprüche und vorurteils-reichen Verzerrungen. Nur so \'iel scheint festzu-stehen: Wie hoch oder gering Theophanus Einflußauf dIe Autllehung des Mersehurger Bistums auchist, als sie selbst die Regierungsge~chütk führt (seit()X4), vielleicht erst gegen Ende ihres Lehens,beginnen Zweifel sie zu plagen und erwügt sie seine

Resrauration. Doch sind es allein religiöse Skru-pel: ~ie sie bedrängen, oder leiten sie (~uch eigenepolitische Vorstellungen und Ziele?

Die Griechin an der Spitze des Reiches besitzteinen weiten gcographischcn Horizont. Sie kommtaus . ~onstanti~opel, hat mit Otto 11. das ganze~atel?lsche .Relch du.rchzogen, kennt Sachsen (woIhr VIel Besitz zugewiesen wurde)? und den Nieder-rhein (wo sie sterben wird), Rom (wo sie die Eheschloß) und Süditalien : ihr Heiratsgut ist ohnehinüber das Reich verstreut. Gerade i~ Istrien , einerGre.nzreg~on im. S~dosten des Reiches, liegenumfangreiche Teüc Ihrer Besitzungen. Die Hafen-stadt Peseara an der mittelitalienischen Adriaküstewi~d nachträglich. noch in T.heophanus Dotalgutaufgenommen; offenbar soll Ihr über Istricn nichtnur der Landweg, sondern über Peseara auch derS.eewe~ in die ~eimat offenstehen. Die Byzantine-nn weiß zwel.fellos auch den Weg über Prag,Krakau und Kicw nach Konstantinopel zu würdi-gen; Otto II. dürfte ohnehin mit den Kiewer Für-sten Gesandte ausgetauscht haben". Auch derPapst Johannes XV. bemüht sich in der fraglichenZ~lt (lJ88Jl)()) darum, die Rus' der lateinischen~Irchc zu gewinnen". Es steht zu vermuten, daß cl'Sich dabei auf die ausdrückliche Zustimmung derKaiserin stützt, die im Winter 989/l)() in Rom ~cilt.Theophanu wäre keine byzantinische Prinzessinwären ihr .. nicht die Prinzipien griechische;"A~ß~npohtlk" vertraut; sie wird sie auch alsla!ell1l~che Kaiserin beachten. Mit wachem SinnWird ~Ie Veränderungen jenseits der Grenzen des()t!()Jllseh~n Reiches im Auge behalten und mitDiplomatic und den ihr seihst gegebenen Mittelnzu lenken versuchen. Die über ein Jahrhundertzur~ckliegenden byza~tinischen Anstrengungen,durch Entsendung Kynlls und Methods die westli-che Sclavinia der grie~hischen Ohödienz zu gewin-ne.n, w~rden kau~l Ihrcr Erinncrung entglittensell1. Wir ha~en Vielmehr damit zu rechnen, daßThe(~phanu SIch an ihncn oder gcnauer: an dem,was uber Method zu Ende des 10. Jahrhundertsbekannt ist, oricntiert'".

Unter den Westslawen formieren sich in der zwei-ten Hülfte des 10. Jahrhunderts jene Nationen, die

" ThiL'lmari ~kr'L'hllr)!"nsis Epi,,,opi Chroniwn IV. Ill. cd.R. IIolt/mann. ~ICill SIHi i". S. '). Berlin 1'J3:'. I·e.

Vgl. ()()().II. ~I: 711: 171: ~O~.'. Vgl. J. F Hiihm~r. Regesla Imperii 11. S;lchsisch~ Zeit.hlntlL' Abt. Pap'lregeslL'n '111-1O~-l. hearb. V(ln 11. ZimmL'f"-mann Nr. 55.' (lU 'J77) (im f,)I)!endL'n BZ mit i"r.).'I Vgl. BZ (,1l7 (lU (:nde 'iSS) und ('S:' (lU ')')11).'" Sowohl Pilgrims \on Passau Rech~ITh~n über die anl!ebli-ch~ t\ktropolitan'tellung sein~r Kirch~ mußte auf t\kthoZI und,he Opposilion der ba~eri'chen Bi,chiik I!el!en ihn S10lkn Ili'auch Adalb"ns l(ln Pra)! Inler""" an ein:r Christiani'ie~un~Hohmens lor dem hI. \Veil/cl (so nach der in ihrL'f" ':chtheilannkannlcn \\'"n/cl"ila (·hrisliansl. - \'gl. dalu W. \\'alkn-bach. R. lIollllllann. Ikulschlam" (ie,chicht'quellen im Mil-

Iclaller. Die Zeit der Sachsen unu Salier. Drilter Teil, Neuaus-gabL': b~sorg.t \'on F.-.I. Schmale. ()armstadt I 'J71, ::! Is*-~~~*.-If .. "Iek. Die Wellzcls- ulld Llldmila-Lcgelld~n des 10. undIL .I.ahrh~l~der~s. N~uL'f"C':'orschungscrgcbnisse, in: Zs. f. Ost-tOlschung _.t, I J75. 79-14s. Das 'ntL'f"~sse tür Wenzcl am IIof~O~.":s 11. ist .mit .(,iumpolds \'on Mantua Vila d~s I !eiligcn gutbt:nugt (MCd' SS 4, ~n.:ll tt.): ~s dürfte durch Adalh~rt von('rag anliil\lich sciner Investitur dmdl dell Kaiser in Vcrona 9s:l\~nlllttcli SCIIl (vgl. HZ 914a): Theophanu war damals cknsoa!lw~send (vgl. HZ 9 (0), Ili~ auch ~hcn damals Kontakte desKaisers nach Mantua nachweishar sind (vgl. HZ '11-l). - Chri-stians Vita Clhertc zuletzt: .I. LudvikovskY. Zivot a ulllucen(s~'ateho V;iclawa a jeho baby svale Ludmily. Vita cl passio s.'v~l1ceslal et s. Ludl11"~ ave ellIS. ('rag 1'17:-:.

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his heute hestehen. Tschechen und Polen machenden Anfang: die Elbslawen hilden seit der heidni-schen Reaktion von <)83 nur einen lockeren Kult-bund, der die Entwicklung hemmt, während weiterim Süden die Spannungen zwischen Byzanz unddem lateinischen Imperium die Entstehung neuerVölker einstweilen verhindern. Dazwischen, imalten Pannonien. etablieren sich seit dem frühen10. Jahrhundert die Ungarn. Der gesamte Prozeßgeht mit großrüumigen Herrschaftsbildungen undMachtverschiebungen einher, den freilich keine"nationalen" Triebkräfte beherrschen, vielmehreinige wenige herausragende Adelsfamilien. derenErfolgen die werdenden Völker ihre künftigeGröße verdanken: bei den Ungarn die Arpadcn ,bei den Tschechen die Prcmvsliden mit dem Zen-trum in Prau, bei den Pole"n Piasten mit ihremHerrschaftsn"iittelpunkt um Posen und Gnesen undzwischen alle drei schiebt sieh mit ihrer HauptburgLibicc, an der Straße von Prag nach Krakau gele-gen. die Familie der Slavnikiden, deren herausra-gender Repräsentant neben Slavnik seIhst kurz vorder Jahrtausendwende sein jüngerer Sohn Adal-bert , der schon erwähnte Bischof von Prag, ist. Diedrei slawischen Familien sind miteinander ver-wandt oder \'erschwägert und kämpfen fortgesetztgegeneinander. Es geht um die Vormacht in derwestlichen Sclavinia. Auch die sächsischen undhayerischen Dynasten und Kirchen greifen wieder-holt in diese Auseinandersetzungen ein, der Erzbi-schof von Mainz verfolgt gleichfalls eigene Interes-sen (das Bistum Prag gehört zu seiner Kirchenpro-vinz). und vor allem suchen die liudolfingischcnKönige und Kaiser. den tiefgreifenden Wandel imöstlichen Vorfeld ihres Reiches zu kontrollierenund ihre Vorherrschaft zu stabilisieren. Bistums-und Klostergründungen. die Gewinnung von Tri-butär- und Vasallenfürsten dienen ihnen dabeinehen offenem Krieg und wechselnden Bündnis-sen als Mittel. Otto II. setzt hier nur fort, wasbereits Vater und Großvater begonnen hatten.Sowohl der tschechische als auch der polnischeHerzog sind dem Reich zu Tributzahlungen ver-pflichtet, beide erscheinen - ein Zeichen derUnterordnung - an seinem Hof. Otto selbst schrei-tet abwechsel~d bald zugunsten des einen, bald desanderen ein. Der jugendliche Kaiser vollendet dienoch von seinem Vorgänger geplante Gründungdes Praaer Bistums (<)76). Sollte damals, was nichtsicher ;u erweisen ist, tatsächlich eine Gesandt-schaft nach Kicw abgegangen sein", dann stündedas tschechische Bistum in einer weiten, gesamtsla-wischen Missionsperspektive der Ottonen. Derjüngere Otto folgte auch hier zweifellos den Spurenseines großen Vaters, der den Bischof Adalbcrt ,kurz danach erster Erzbischof von Magdeburg,

über Böhmen zur Mission in die Rus' entsandte.Zugleich aber muß Thcophanus Aufmerksamkeitgeweckt sein. Denn in Kicw kreuzen sich damalsdie römischen und die byzantinischen Missions-pläne. Otto 11. unterstützt ferner den Bischof inPolen, Unger (seit <)X2oder <)X4), indem er (oderwahrscheinlich erst nach seinem Tode Thcophunu )ihn zum Aht des eben (<)7<))gegründeten und mitreichem Besitz im Slawengebiet ausgestattetenKlosters in Mcmlcbcn einsetzt. fördert die aufMähren gerichteten Missionspläne des Bischofsvon Passau und stärkt den Erzbischof von Magdc-burg, indem er zu seinen Gunsren das für dieanstehenden Aufgahen der Slawenmission t rotznachhaltiger Unterstützung!' viel zu schwache Bis-tum Morseburg auflöst (<)XI). Den Slnvnik idcnAdalbert, einen Zögling der Magdcburgcr Dom-schule, investiert er mit dem Bistum Prag (9X:1).Theophanu wird es nach Ottos unzeitigem Todgrundsätzlich nicht anders halten. auch wennbezeichnende Akzentverschiebungen zu rcgistrie-ren sind.

Zuvor lassen nur einige wenige Ereignisse Thco-phanus Beteiligung an der Ostpolitik erahnen.Bereits deren erstes, eben die Gründune des Klo-sters Mcmlcbcn an der Unstrut (<)7<)),aie für unsvon mancherlei Unklarheiten verdunkelt ist.gleicht einem Paukenschlag. Es verweist auf Span-nungen und Gegensätze zu schon bestehendenKirchen und innerhalb der Kaiserfamilie. Die Fun-dation wird mit überraschend reichem Besitz aus-gestattet, den Otto teilweise eigens zu diesemZweck vom Abt von Hcrsfcld eintauschte' '. Auchdas neue Kloster liegt in der Mainzer Diözese undsoll, wie sich zeigen wird. in der Slawenmission ZlIEnde des 10. Jahrhunderts weit über die Reichs-grenzen hinaus eine wichtige Rolle spielen. Es wirdan einer für das Königshaus hervorragenden Stelleerrichtet: am Sterbeort nämlich sowohl l lcinrichsI. als auch Ottos d. Gr .. wo die anwesenden Gro-ßcn zudem gleich nach des Vaters Tod dem schongesalbten alto 11. durch Handschlag ahermalshuldigten, wo er also seine eigenständige l lcrr-schuft antrat: und es dient der ottonischen /11('1110-

ria. Die dreischiffige und doppelehörige Abteikir-ehe - sie besitzt im Osten wie im Westen je einenChor - wird deshalb im Osten mit einer' Kryptaausgestattet: die Funktion bestimmt. was eigensfestgehalten zu werden verdient, den Bauplan.Doch merkwürdigerweise wird in Meinlebenneben dem Stifterpaar allein Ottos I., nicht indes-sen seines Vater liturgisch gedacht '•. Zudem wirdauch im Westen eine Krypta begonnen. aber nichtzu Ende geführt. War sie als Grablege für Otto 11.und Theophanu geplant'?"

11 Vul. oben 362 mit Anm. R.I~ Vid. Thietmar (wie Anm. 6). Chronieon IlU. lIX.6ff.11 DD O.Il. llll unu Ill-l-IlJ6.1I Die Urkunden Oltos 11. für Memlchen erwähnen rcgelmä-

ßig ouo I.. nie Heinrich I.I' Vg!. dazu E. Schuberl. Magdeburg slall Memkhcn·l. in:Bau- und Bildkullst im Spiq~c1 internationaler hlJschlln~.Feslschrift für ELlgar Lehmann. Berlin Il)Sl). Yi--lll.

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Birut die Klosterkirche auch, soweit wir wissen,allein die Eingeweide des ersten sächsischen Kai-scrs" so überrascht die .Ausschaltung" HeinrichsI. dennoch. Der Umstand spricht entschiedendafür, daß in Mcmlcbcn niemals ein Totengeden-ken für den ersten König aus liudolfingischemHaus eingerichtet worden war, daß dort also auchkeine ält~re Memorialkirche (als welche sich dieottonische Basilica ihrer Krypten wegen ausweist)erwartet werden darf!': andernfalls hätte HeinrichsEnkel ihn einer damnatio memoriac unterworfen,was undenkbar ist. So wird man wohl auch, willman für Mcmlcbcn keine funktionslose Großkir-che postulieren und auch nicht spekulieren, entge-gen der bisherigen Ansicht die crgrabcne , abernicht gcnau zu datierende ottonische Kirchenan-lage mit ihren auffallend überdimensioniertenA~lsmaßen und eben gerade ihrer auf die Memo-rialfunktion verweisenden Krypta wegen erst fürdie Zeit Ottos 11. und Theophanus und nicht wiebisher schon für die Frühzeit Ottos I. (bald nachlJ42) in Anspruch nehmen dürfen IS. Wie dem abersei, Otto der Große errichtete in oder bei derbisherigen Königspfalz Mcmlebcn eben geradekeine Mcmoriulstätte zuuunstcn seines Vaters!'),und sein Sohn ändert daran nichts. Die Mönche inMernlcbcn haben neben dem Gründerpaar inprograrnmatischcr Weise allein Ottos I. Totenge-dächtnis zu feiern. Wir suchen nach Gründen.

Wiederholt verwendet sich Theophanu für dasjunge Kloster", dessen Gründung freilich nachThietrnar von Merseburg entgegen dem Urkun-denbcfund ihre Schwiegermutter, die KaiserinAdelheid betreibt, nicht deren Schwiegertochter.In der Tat, der Witwe Ottos d. Gr. obläge in ersterLinie das Totengedenken für ihren verstorbenenGemahl. Adelheid aber interveniert in keiner dererhaltenen Urkunden ihres Sohnes zugunsten desKlosters; sie wird überhaupt vor Theophanus Todin keiner der einschlägigen Diplorne erwähnt, erstdanach beeilt sie sich, das Kloster zu fördern?'. ObThietrnar sich täuscht? Ob erst Theophanu Adel-heid und dann Adelheid Theophanu aus Mernle-ben "verdrängt"? Besitzt dieses Kloster für Theo-phanu also einen besonderen Stellenwert, denAdclheid zuletzt für sich requiriert? Auch derMainzer Erzbischof Willigis hält sich in Mcmlebenauffallend zurück", so als sei er mit dem was dortgeschieht, nicht einverstanden, oder als wolle derKaiser ihn aus Memleben möglichst weit entfernthalten. Seine episkopale Gewalt über das Klosterbeschränkt sich auf die kanonischen Rechte>.Memlcbens Förderung ist bis 991 offenbar alleinSache Ottos 11. und seiner Gemahlin. Vom erstennamentlich genannten Abt, Boio , ist wenig be-kannt; er empfängt im Jahre lJ81 jene merkwürdigeUrkunde des Papstes Benedikt VII., welche Mern-leben nicht nur den Besitz und die Freiheit der

lh Thictrnur (wie Anm. Il). C'hron. 11. ·D.92.111T. sagt. daß siedort in der Maricnk irchc bei!!eset/t wurden.]7 In Mcmlcbcn, im Umkre'is der Königspfalz. gab es selbst-verständlich auch I'm der Gründung des Klosters Kirchen; siesind zweifelsfrei bczcuut , \!!1. Schubort (wie Anrn. IX). Doch istihrejeweilige Identifikatio~l mit der der Gottesmutter gcwcih-ten Kloxtcrkirchc alks andere als gewiß. Lediglich jene Marlen-kin:he. die: Thietmar If. ·B als Ikgrübnisort der EingeweideOllos I. nennt ('ITI). darf als Rechh\m~:inl!.:rin der KIO'>tcrkir-chc helrachlCt werden. Damil ist freilicll ni~ht erwiesen. daß essich jeweils UI11 de:nsclbL'n Bau gdlandelt hat. Dies ist vielmehrnach DJ) 0.11 1'14-1% (vgl. unlcn Anl11. IX) höchst fraglich. dader jüngere Otto ausdrücklich (iründung und Bau dcs Maricn-klosters für sich in Anspruch nimmt. Nach Willukinll von('orvcY (Ill. 75). an dcn Thiclmars L'f\\ühnler Bericht deutlicheAnkl;i'nl!e lei!!t. ist kdidich zu erkennen. daß die Kirche. in der0110 d. (: Ir. u~mittelhar \or seinem '!llde der Nocturn. Matutinund Vesper heiwohnlC. zum I\kmkhener PfalLhereich gehörte.Wer die Stunden!!ebete zelehrierte. ob - \\ ie IU vermuten - derIlofkkrus Oller e'in ansonsten unbekannter Stifts- oller Kloster-konvent. ist nicht IU erkennen." DiL' Datierungsfrage ist ktztlich ungekbrt. da der Gra-bungsbefund bislang keine cindeutigen Anhaltspunkte er-brachk. die schriftlichen Quelkn aber eher auf den sp~itcrenZeitpunkt (lJ7'J) verweisen. ZUIll frühen Ansatz bald nach 942vg!. I'm alklll E. Schubert. Zur Datierung der ottonischenKirchc zu Memlcben. in: Sicdlung. Burg und Stadt. Festschriftflir Paul Grimm. Berlin 1%9. :i14-5~4. - Vg!. jetlt auch dcnBeitrag in diesem Band: Ci. Leopold. F. Schubert. Die ottoni-sche Kirche in Memkben. (jeschichte und Gestalt. - Dazu ohe:nAnm. l:i (in dem dort zitierten Aufsatz. 37. h:i1t Schubert selbstdie Datierung des ollonische:n Baues zu 9·e für ..nicht zweikls-frei abgesichert'") und unten 365 mit Anm. D. - In DD 0.111'J4-1'H1 erkUrt 0110 ausdrlicklich. daß er gemeinsam mit seinn(iemahlin den Ort (IoCUIll) I\kmkben (d. h. hier soviel wie dasgesamte: Kloster) ..zu Ehren der hI. Gottesmuth:r und Jungfrau

Maria ... begonnen und errichtet" habe (Otto schenkt: adqucndam locum Mimclevo dictum honore sanctue dei gcnitricisscmperquc virginis Mariae cum monachis sub monastica insti-tutionc regula degcntibus a nobis nostruque contectali Theo-1'11II/lu spcciuli dcvocione 1'/ SUfIIP/1I inceptum et constructum) .Von dieser Aussage abzugehen sehe ich einstweilen keinendurchschlagenden Grund. Die noch crhaltene spätromanischcKlosterkirche - auch sie mit ülterer ('I) Krypta - ist nicht auf denFundamenten ihrer ottonischen Vorgängerkirche errichtet,vielmehr nordöstlich von ihr. Es stcllt sich die Frage, warum dieottonischc Kirche aufgegeben wurde. und ob sie je vollendetwar.I" Die beiden Mathildenviten lassen allein Qucdlinburg als Ortder Memoria-Pflege für Hcinrich I. erkcnnen, nicht Mcmlcbcn,das sie als Sterbeort des Königs durchaus kenncn: Vita ant. c. 7.MUH SS 10. 577. - Vita post. c. X MGH SS 4. 2XXf. - DiejUngere Vita sagt ausdrücklich, daß Heinrichs Lcichnam imclIhiCI//um aufgebahrt war und nicht in der Kirche (MUH SS 4.2XX.42).,11 Vg!. DDO.II. 19I. IlJ4-1'JO. Icdiglich in DO.II.22X interve-niert Theophanu nicht.e! Ob Thietmar (wie Anm. 6), Chron.lIl.I. %.21 ff. lediglichdie beiden Kaiserinnen vcrwechselt. auch wcnn er eindeutigAdclheid mcint? Erst DO.1I1.75 (ausgestellt 'J'J( Okt. 4, alsoauffallend bald nach Theophanus Tod, Juni 15) zeigt die LiltereKaiserin als Fürderin des Klosters in Memlcbcn. OffenbardrLingt sie in eine zuvor von Theophanu ,.gehaltene" Stellung,und ein Retkx dieser Situation dürfte sich in Thictmars Angabeverbergen. In DO.1I1.75 erscheint Adclhcid. was anzumerkenvcrlohnt, nicht als Gründcrin des Klosters." Keine der Urkunden Oltos 11. für Memleben erwLihntWilligis von Mainz (es sei dl.:nn als Erzkapcllan). Erst derTlusch. den DO.111.106 ('JlJ2) beurkundet. geschieht offenbarauf Veranlassung auch des Mainzer Erzbischofs - zum Nachteildes Klosters.cl Vg!. die in Anm. 25 zitiertc Papsturkunde.

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Ostpolitik

Ahtswahl bestätigt. sondern die neue Gründungzugleich mit den renommiertesten Klöstern derC;/Il{/Ili(/. mit Fulda und Reichcnau, den .,römi-sehen" Klöstern im deutschen regnum, gleichstellt,deren eines (Fulda) damals zugleich einen eigen-tümlichen Primat beansprucht>', Otto 11. impc-triert selbst in Rom das verheißungsvolle Privilege:'.Abermals offenhart sich das hohe Interesse, weI-ches das Kaiserpaar seiner jungen Stiftung entge-gcnhringt. Otto und Theophanu knüpfen an Mem-leben offenbar große Erwartungen. die zweifellosauf demseIhen Terrain liegen, das im Blick auf diebeiden älteren Klöster im 10. Jahrhundert lebhafterinnert wird: die Mission einer heidnischenUmwelt. In der Tat. Boios Nachfolger wird einMann. der mit Uriger, dem Bischof von Posen (seit982 oder 984). identisch sein dürfte>. Die Kloster-gründung in Memlebcn wird also spätestens jetztirucndwic, unter Umgehung von MagdeburgerAnsprüchen und. ohne daß erzbischöfliche Main-zer Ambitionen zu greifen wären. in den Aufbauder christlichen Kirche in Polen einbezogen.

Bereits der Gründungszweck läßt also das Klosterin doppelter Weise i~ Konkurrenz zu Magdcburgtreten. Denn dort. wo sich Ottos I.Grab befindet.ist auch - und zwar unter Adelhcids Obhut - seinGedächtnis zu pflegen. Thcophanu indessen betei-ligt sich hier, soweit zu erkennen, kaum daran. ~mso stärker fällt ihre Förderung Mcmlebcns 1I1S

Gewicht. Nicht minder aufmerksam widmet mansich in Macdeburu der Mission aller SlawenländerJenseits de~ Elhe.~ Auch auf diesem Felde beginntdas neugegründete Kloster mit der Metropolitan-kirehe z'ü konkurrieren. Schließlich kann es Mcm-lebens gewaltige Klosterkirche allein schon durchihre Größe mit der Bischofskirche aufnehmen".Die Magdehurger müssen die Gründung Mernlc-bens ge~adezu '3ls Herausforderung und Warnungverstehen; sie handeln. kaum daß sich nach Theo-phanus Tod die Gelegenheit ergibt, entsprechend.Unger muß vorzeitig auf die Abtswürde verzichten(99IN2), und keine vierzig Jahre nach seiner Grün-dung. im Jahre 1015, auf dem Höhepunkt derAuseinandersetzungen zwischen Kaiser Heinrich11. und Boleslaw Chrohry von Polen, als der Kaiserdie Ansprüche der Metropole an der EIbe auf dasBistum Posen zu unterstützen geneigt ist, wird dasbislang selbständige Kloster auf den Status einerPropstei herahged;ückt und der Reichtsabtei Hers-feld inkorporierteS; nichts verrät deutlicher als diese

kurze Blüte und ihr frühes Welken, für wie Histigund geradezu gefährlich man an der Elhe di~Konkurrenz der Abtei an der Unstrut hält. wie sehrdiese also in ihrer Frühphase auch auf die Fürspra-che der Thcophanu und ihres Sohnes angewiesenist.Eigenartiges Zwielicht fällt vom Ende Mcrnlcbcusaus auch ~auf den Abtswechsel des Jahres 991/92;sein Zusammenhang mit dem gleichzeitigen Wech-sel der Kaiserinnen in der Regentschaft für OUoIll. liegt auf der Hand. U,;ger. der erst zweiJahrzehnte später (1012) in Magdcburgcr Gewahr-sam stirbt. findet damals in Rcginold einen Nach-folgere". der. kaum daß er seine Würde übernimmt.in einen bezeichnenden Tausch einwilligen muß.auf den niemand geringeres als Willigis von Mainzund Gisether von Magdeburg drängen". WeilUriger sich offenbar widersetzte. mußte er wei-chen. Warum - das verraten die Objekte. lllll die esgeht. Rcginold hat nämlich auf die beiden an derEIbe gelegenen Burgwards Elsnig und DOIll-mitzsch, die Otto 11. der Abtei wahrscheinlichschon 979 übertragen hatte". zu verzichten undstatt ihrer Königsgut in den Burgwarden Bicdcritzund Möckcrn zu akzeptieren. Der au fgegeheneBesitz aber war bislang der östliche VorpostenMcrnlebcns ; er grenzt an die Gebiete der Lausirzerund Milzcncr, mithin an eine Region. in der sichsächsischer und polnischer Einfluß überlagert. InOttos und Theophanus Konzept bildeten sie offen-bar die Brücke von Mcmlebcn nach Polen. Dieeingetauschten Burgwurde indessen befinden sichin jenem Land zwischen EIbe und llavcl. welchesder große Lutizcnaufstand von 91ß aufs höchstegefährdete; ihre Nutzung ist lllll 992 weitgehend,wenn nicht ganz illusorisch. Der Tausch geschiehtalso eher zum Nachteil des Klosters als zu seinemWohle, er dient schon gar nicht dell lntcrcsscneines Abtes. der zugleich Bischof in Polen ist,vielmehr jenen Krüft~n, welche die engen Bezie-hungen Memlebens nach Polen zu unterhindentrachten. Sie nötigten auch Unger zur Resignationin Memlehen. Die Mönche müssen sich neu orien-tieren. anstatt nach Polcn in das Lutizengehietschauen, statt an Mission zu denken. sich lllll dieNeuordnung ihres Besitzes kümlllern. Das Main-zer Kloster wird damit zugleich in den Dienst derMagdeburger Kirche gestellt.Das alles wirft nicht zuletzt helles Licht auf Theo-phanus Bedeutung für Memlehen: denn ist esvielleicht nicht ihr Gemahl (9~2), so sorgt auf jeden

,I Vgl. Regesta Pontificum Romanorum. Germania PontificiaIV. I'rovincia Moguntinensis. Pars IV. auctore H. Jakobs. 371.Nr. :'iO ('!()'!). - Text: Zimmermann (wie Anm. 25), 3'!H. Nr.I'!')." I'apsturkunden XlJ6-1O-l6. bearb. von H. Zimmermann,Erster Band: X')6-'!'!6, Wien'I'!XX. 521 f. Nr. 265 ('!HI). - DieGleichstellung auch mit Coney nennt DH.11.25 (1002), dochven\ ischt da~ bestehende Unt~erschiede unter den drei Klö-stern. - Die Impetrierung durch Otto 11. erwähnt auch Thietmar(wie Anm. A). Chron. 111.1. %.25.

,', DO.III. 7':. = BZ lO.N (')l) 1).,7 Zu Memlcben "gI. Ci. Streich. Burg und Kirche \\;i!nend dl'sdeutschen Mittelalters. Untersuchungen IlIr Sakraltnpographievon Pfalzen. Burgen lind Ikrrl·n,it/l·Il. Siglllaringell Il)H~.," DH.11.331. - Vgl. Thictmar (wie Anlll. h). ("hroll. VIUI.~36,21 ff. ','I Vgl. DO.III.Hl6 (Or.).\(1 n"Ö.111.106 (Or.) = HZ 1071. - Da/ll DO.III. 10.1 (OL) ~BZ 106,).11 ()O.II.I')~.

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Johunncs Fried

Fall sie selbst für die Entsendung Ungers alsBischof nach Polen (l)~4); ja - wahrscheinlich hatsie ihn überhaupt erst mit der Abtei investiert".Wir müssen ein klein wenig ausholen, da nun dasVerhältnis Memleben-Mer~eburg-Magdeburg insAuge zu fassen ist. Die reiche Dotation der Abteiim Jahre 474, also vor Aufhebung des BistumsMorseburg (l)XI), betrifft vor allem Rechte, die inden Grenzen eben dieses Bistums liegen, dessenFörderung duch den Kaiser nun schlagartig endetv.Die Schenkung von elf Burgwarden. bei Gründungdes Klosters wahrscheinlich bereits geplant, wirdunmittelbar vor Aufhebung des Bistums tatsäch-lich vollzogcn". Memleben~ konkurriert also nichtallein mit der sächsischen Metropole, sondern auchmit einem ihrer Suffragaue. Das kleine Bistumstört die Entfaltung der Abtei - es wird aufgelöst,sein Bischof auf die Magdeburger Cathcdra hin-wegbefördert. Ungers alsbaldige Bestellung zumAbt in Mcrnlcbcn läßt wiederum ahnen, warum.Thcophanus enge Beziehung zu Mernlebcn undUngcr füllt um so stärker ins Gewicht, als dieKaiserin bis auf ein einziges Mal (lJ79) - in einemPrivileg, das die freie Bischofswahl verleiht" - niezugunsten der Maudcburaer Kirche unter ihremer~ten Erzbischof Adalhe;-t (tlJRl) intcrvcnicrt. Eshat den Anschein, als überlasse sie dort das Feldallein ihrer Schwiegermutter, der KaiserinwitweAdelheld. und als sei Mcrnlcbcn ihr, Thcophanus"Ausfalltor" nach Osten. Freilich bestehen erheb-liche Unterschiede zwischen dem Kloster und demErzbistum (oder auch einem Bistum). Diesesstrebt nach Ausweitung seiner Mctropolitanrcchtcin der Slavinia, jenes kann lediglich als Missionsba-sis dienen. ohne eigene kirchliche Rechte geltendmachen zu können. "Magdehurg" und "Memlc-ben" repräsentieren, so gesehen, zugleich zweiunterschiedliche Missionskonzepte : Eingliederungder entstehenden polnischen Kirche in eine sächsi-sehe Kirchenprovinz auf der einen Seite und Selb-ständigkeit bei Unterstützung durch ein "Missions-k lostcr" auf der anderen. Thcophanu empfahlihrem Gemahl eine vom bisherigen Vorgehen völ-lig abweichende Weise der Mis~i()n, di~ an Kyrillund Method erinnert. Mönche vom Kloster aufdem Olymp. dem Vorgänger des hI. Berges Athos;sie nimmt die Rolle vorweg. welche bald nach der

Jahrtausendwende für kurze Zeit das römischeKloster ss. Alessio e Bonifacio und die Kamaldole-scr von Pereum bei Ravenna spielen werden. Eswill überhaupt scheinen, als sei das hinter .Jvlemlc-ben" aufleuchtende Missionskonzept eine Vor-stufe zu jener Politik Ottos IlL, die in der Grün-dung des Erzbistums Gnesen im Jahre 1000 gipfelt,und die in Sachsen auf ebenso starken Widerstandtrifft wie Theophanus Einwirken auf die Aufhe-bung Merseburgs und die damit in Zusammenhangstehende Förderung Memlebens.

Das Erzbistum Magdeburg hat vor lJ8l noch aufandere Weise die mangelnde Sympathie der Kaise-rin aus Byzanz zu spüren, obwohl Otto 11. gemein-sam mit dem oben erwähnten Wahlprivileg von lJ7lJder Domkirche eine liturgische Handschrift, wahr-scheinlich ein Evangeliar, stiftet, dessen goldenerEinband sein und seiner Gemahlin Bild zeigt>, deralso auch Theophanus Gebetsgedächtnis in Mag-deburg gefeiert wissen will. Auch jetzt dürfte einZusammenhang mit der etwa gleichzeitigen Grün-dung Memlebens bestehen. Die kostbare Gabeversichert die Metropolitankirche fortdauernderkaierlicher Huld - trotz der an das neue Klostergehefteten Erwartungen. Besonders nahe stehtdem Herrscher nämlich, das weiß Thietmar vonMcrscburg'". wie der Theophanu selbst, das lassendie Urkunden vor 983 erkennen>, der BischofGiselher von Merseburg. Für ihn interveniert dieGriechin ganz im Unterschied etwa zu Adalbertvon Mägdeburg auffallend häufig. Auf ihre Für-bitte vor allem führt auch Brun von QuerfurtGiselhers Erhöhung zum Erzbischof von Magde-burg und die Beseitigung seines hisherigen Bistumszurück, welche die sächsische Kirchenprovinz umdie an das mainzische Halberstadt zurückfallendenTeile der Merseburger Diözese verkleinert, unde~.st s~itdem verbessert sich auch Theophanus Ver-hältnis zu Mägdeburg - wenigstens vorübergehend(bis 983/84).1". Der Oucrfurter erkennt darin dieganze Wirkursache (efficicns causa) allen Unheils,das über Otto 11. hereinbricht"; und das die säch-sisch-slawische Grenzzone in besonderer Weiseheimsucht.

In der Tat, als Otto Ii. am 7. Dezember lJ83 in Romzu Grabe getragen wird, hinterläßt er seiner Witwe

,_. I's ist l!;1111UI1!!<:\\iL\. \\;1fl11 UI1!!<:r die Abtei Mcrnlchcnlib<:rnalllll.'ob Sdlll;l UI1191012/101.+ Oller -erst ul11<N!. - Vg!. zu LJ<)Ioben AI1I11. 2(1. l.cdiulich seine Hi-chofvwcih« um LJX21,'i'+ stehtlest (vgl. Thi<:lmar I~\i<: Anrn. Ill. C'hron. \'1.(,5 35(,Alf.) Da(;is<:llI<:r VOll Magdeburl! s<:in Consccrutor ucwcscn seinkiinnlL'. besieht eine g<:\\'iss<: \\'ahrseheinliehkert. daß UngerL'rst l1ach seilleI' Bi,chof\\\eihe mil d<:r Abt<:i investi<:rt wurde." Darauf haben ber<:its \er\\ ie'><:n: I{, !loh/mann. Die Autlle-hlll1g lind Wie<lerh<:rskllung d" Bi,tum, Mersebllrg. in: Sach-S<':11und Anhall 2. 1'12(,. 35-75. hier 461. \\i<.:der in: ders"i\ul'_~itlL' zur d<:utsch<.:n (ie,chieht<: im Mitteklberaum. hrsg,mn A, Timm. Darrmtadl 1%2. 1016-126. hier <nL und W.Schksin!!cr. Kirch<:ngc·sch. Sach"<:l1s im Ma_ L Kiiln-Ciraz1%2. (,2~

I, DD 0,11. 19'+-146.\I 00.11.207.11. Thictrnar (wie Anm. 6). Chron. IlLI, %.2101ff.\7 Thictmur (wie Anm. 6), Chron. 111.1. WU f." Sie intervcnicrt in den erhahen!.!fl Diplomen üttos 11.insgesamt sichenmal zu Giselhcrs Gunsten: DDO.II. 1NL.1611'., 11016,21M),31f)' Nur in drci Urkunden findet sich keincSpur ihrer Intervention: DOO.II. 213. 270f.'" Vgl. ihr!.! Interventionen in DOO.11.25Xf. (YXI) und 310(<)1013),nicht indesscn in DOO.II. nol. (<)1013).~I Brun (wie Anm. 2), !.!.10, 10.16.

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Ostpolitik

einen minderjährigen Knaben. zahlreiche Gegner,eine inszcsamt verworrene Lage und eine aufshöchste ~cfährdete Ostgrenze ~Ies Reiches. DieEreignisse lehrten. wie unumgänglich notwendigdie kirchlichen Reorganisationen waren, die Ottound Theophanu mit der Aufhebung Mcrseburgsund der Gründung Memlebens einleiteten, auchwenn sie insgesamt zu spät kamen. Der Aufstandder heidnischen Lutizen (983) vernichtete - sonimmt es sich aus sächsischer Sicht aus - mit einemSchlage, was Heinrich I. und Otto I. in langenJahrzehnten aufgebaut hatten. Die Elbslawcnihrerseits setzten ~ich nicht zuletzt gegen die Unter-drückung durch die Priester aus dem Westen mitihrem ..c.fcutschen Gott" zur Wehr". Ob von Mcrn-leben aus eine mildere, eine gewinnende, nichtzwingende Missionspolitik lüitt~ getrieben werdensollen? Nirgends ist die Katastrophe deutlicher zuspüren als in der Magdeburgcr Kirchenprovinz.Die Bistümer Havelherg und Brandenhurg gingenverloren. die Metropole seIhst wurde zeitweiligbelauert und konnte nur im letzten Augenblickgerettet werden. Hier muß man nach des KaisersTod das dringcnde Bedürfnis nach einer starkenHand verspüren, welche das wankende Reich zustützen vermag. Zwar wird der kleine Otto Ill.noch vor Eintreffen der Todesnachricht am Weih-nachtstage in Aachen zum König gesalht. Dochkann er leisten, was jetzt von einem König zuverlangen ist: die Abwehr organisieren, in denKrieg ziehen und das Verlorene wieder gewinnen?In Lothrinacn. aber auch in Ostsachsen. der Hei-mat der Dvnastie. wo die Gefahr am nächsten ist,regt sich alsbald Widerstand gegen das Kinderkö-niuturn. Heinrich der Zänker, von Otto 11. abgc-setztet und nach Utrecht verbannter Herzog vonBayern und nun gemeinsam mit Otto Ill. der letztemännliche Nachkomme des liudolfingischenKönigshauses. ergreift die sieh bietende Gelegen-heit. Er bemächtigt sich des Königsknaben und eiltso rasch er kann und in der Hoffnung nach Sach-sen, an seiner Stelle zum König erhoben zu wer-den. Der Erzbischof Giselher von Magdeburg,derselbe. der Thcophanu so viel zu verdanken hat,hat sich für ihn entschieden. Der Kaiserin Enttäu-schung muß groß sein. Während sich in Lothringenbereits die Partei Ottos Ill. zu formieren beginnt,versammelt der Zänker in Magdeburg zahlreicheFürsten um sich und läßt sich zu Ostcrn (23. 3.984)in Quedlinburg huldigcn; doch wird cr - am fal-schcn Ort - nicht gesalbt. Dic Herzöge Mieszkovon Polen und Boleslaw von Böhmcn, sogar dcr

Abodritcnfürst Mistui - im Vorjahr noch einer derDrahtzieher des Aufstandes - leisten ihm dalll;t1sden Treueid.

Theophanu weilt. als er stirbt. an der Seite ihresGatten. Alsbald eilt sie zu ihrer Schwiegermutternach Pavia. um sich mit ihr zu heraten<. Auf dieWitwe des großen OUo. nicht auf die fremdeGriechin, setzt man in Sachsen gewisse Hoffnun-gen; nach Adelheld ruft man. nicht nach Thco-phanu-", Eine klare Mißtraucnscrklärung! DieByzantinerin rcsiunicrt indessen nicht. In ihrerHeimat spielen die Herrscherinnen liingst einehervorragende Rolle. Thcophanu wird gemeinsammit Adclheid über die Alpen ziehen. Die ..kaiserli-chen Damen" zögern freilich mit ihrer Abreisenach dem Norden: Erst, als der Erzbischof Willigisvon Mainz sie zu kommen dränut , brechen sie auf.Heinrich unterwirft sich nach v~rgeblichem Wider-stand schließlich in Rohr bei Meinirrgen und liefertihnen zuletzt das umstrittene Königskind aus; seineAnhängerschaft löst sich auf, Boleslaw von Böh-men hält sich auf eigene Faust schadlos. indem erauf dem Heimweg Meissen überfüllt und dessenBischof Volkold vertreibt, der zu Willigis flüchtet.In Bayern durchstreifen Magyaren währenddessenin Plünderungszügen das Land. Theophanu undAdclhcid , Mutter und Großmutter OWlS l l l., neh-men die Reichsregierung auf. Eines der erstenPrivilegien crnpfängt - Gisclhcr von Magdchurg(00.111.10); doch das einstige Vertrauen, das dieGriechin zu ihm hegte. ist verloren. Vergehenswird es beschworcrr". In Thcophunu reift allmäh-lich der Plan, das Mcrscburgcr Bistum wiederherzustellen, ein Entschluß, den auszuführen dieUmstünde verwehren - weder die Sachsen nochder einflußreiche Erzbischof Willigis von Mainzwären jetzt zu gewinnen -. den sie gleichwohlihrem Sohn als eine Art Vermächtnis hinterlassenwird+': und Otto wird in der Tat in dem Maße, indem cr sich aus dem beherrschenden Einfluß desWilligis zu emanzipieren vermag, den Kampfgegen Giselher eröffnen (1)l)6197). So jedenfallssicht es rückblickend Thietmar von Morseburg.

Zuvor gilt indessen die Hauptsorge der Kaiserin-nen dem unruhigen Westen des Reiches, doch wirddie Ostpolitik nicht völlig den einheimischen KrM-tcn überlassen, wie bereits die Geschichte Memle-bens zu erkennen ~ab. Wiederholt sammelt Theo-phanu Truppcn un~d sendet sie nach Bi)hmen odergegen die Lutizen. wiederholt (nümlieh YSS. 9S6.

11 Vom ,[i'1II0IliCIIS dells sprechcn die Heiden in Pommcrnnoeh im I~. lahrhundert: vg!. Ebo. Vita Ottonis episcopiBabenbergensis Ill. I MGH SS I~. RSlJ. 3lJ. cd. P. laffe.Bibliothe~a rerum Germanicarum S. Berlin IX6lJ. liS I f. - ZurBeurteilung uer Ereignisse von \liD vgl. W. H. Fritzc. Derslawische Aufstand vun lJX3 - eine Schicksalswende in uerGeschicht.: Mitteleuropas. in: Festschrift tkr Landesvcrcini-

gung für die Mark Brandenhurg III ihrem hllnderti;ihri~enBestehen IXX4-llJX·t_ hrsg. \on E. I knning. \V. Vogel. BerlinIlJX4. lJ-S4.4~ Vg!. Annales QUClllinburg. IU lJX4. M(;II ss 3. hh. I.lft.41 Vgl. DO.111.34 (lJX7). im Original erhalten.+! Vg!. Thietmar (wie Anm. h). (,hron. IV.IO. 14~.15 f. undZ.~Ht.

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Johanncs Fried

wn und t)l)()) kooperiert sie mit Mieszko von Polen,der t)S6 ihrem Sohn den Vasallitätscid leistet:". DieRückendeckung durch Theophanu erlaubt demPlasten damals seine offensive Politik gegen diePtcmvslidcn. die mit der Eroberung Schlesiensund Krakowicns endet (bis ca. t)t)())-li', In Über-cinstirnmunu mit der Kaiserin beginnen wahr-scheinlich die Slavnikidcn sich Mie~zk() anzunä-hern und damit ihre spätere Vernichtung durchBolcslaw von Böhmen heraufzubeschwören(t)l).'i)-I7. Adulhcrt von Prag, dessen Bischofsgewaltsich schon zuvor auch auf Schlesien links der Odererstreckte. könnte die Vermittlerrolle übcrnorn-men haben. Seine Stellurin in Böhmen ist mit dersich abzeichnenden Part~inahme seiner Familiezuuunstcn des Polen freilich unhaltbar acwordcrr",er 'begibt sich. wie schon erwähnt. z~nüchst aufeine Pilgerfahrt nach Jerusalem (Ende l)RR), die ertrotz Unterstützung durch Theophanu vorzeitigabbricht. und zieht sich schließlich nach Rornzurück (t)()()). wo er mit päpstlicher Erlaubnis" insKloster auf dem Avcntin eintritt. ohne nach denkanonischen Rechtsanschauungen der Zeit seintschechisches Bistum \\'irkli~h aufgeben zukönnen.

Der böhmische Herzog Bolcslaw 11. indessenscheint zu schwanken. Zwar findet auch er sich -wie Micszko - zu Ostern l)S6 in Oucdlinburg ein,um Otto Ill. zu huldiucn", doch bleibt er mit denLunzen verbündet un~1 sein Verhältnis zum Reichrecht gespannt: Thcophanu" - eben aus Romzurück. wo sie lllll die Jahreswende (l)Sl)/t)() mitdem aus Prag verdrängten Adalbcrt die Lage erör-tern konnte" - zögert denn auch keinen Augen-blick, als Micszko sie gegen Bolcslaw um Hilfe ruft

(lJ90), eine kleine, aber schlagkräftige Elitetruppeunter Giselher von Magdcburg, Ekkchard vonMeißen und zwei weiteren sächsischen Grafengegen den Tschechen zu senden. Diese Sachsenaber desavouieren ihre Kaiserin und leiten damiteine politische Wende ein. Denn statt zu kämpfen,schließen sie mit Boleslaweinen Freundschafts-pakt und versuchen gemeinsam mit ihm, wennauch vergebens. Mieszko zur Herausgabe seinerEroberungen zu bewegen". Boleslaw zeigt sichfortan mit den Sachsen kooperationsbereit : Theo-phanu hat es anzuerkennen. Auf Interventioneines der Wegbereiter der neuen Politik, des Erzbi-schofs Giselher, überträgt sie ein Drittel des jährli-chen Tributs aus Böhmen an die MägdeburgerKirche", Volkold von Meißen kann als VertreterAdalberts in Prag amtieren (spätestens 992) undbald - freilich erst nach Theophanus Tod - zieht einböhmisches Aufgebot erstmals gegen die Lutizen(992). Auch Willigis von Mainz muß die Wendungvon 9l)() mit vollzogen haben, wie die nach Böh-men, das der Mainzer Kirchenprovinz angehört,hineinwirkenden Maßnahmen zu erkennen geben.Es muß ihn, dem die Kaiserin im Vorjahr (lJ89) imausbrechenden Gandcrshcimer Streit ihre Unter-stützung versagte, und dessen Stolz sie damals inAnwesenheit zahlreicher Bischöfe öffentlich de-mütigtc", von Theophanu weiter entfremden. Dersächsische Adel zeigt sich freilich gespaltcn=: esgibt hier offenbar stärker zu den Piasten und eherzu den Premysliden neigende Gruppen. Auchunterbleiben alle Maßnahmen gegen Micszko ;Theophanu macht keine Anstrengungen, ihmSchlesien oder Krakau zu nehmen: im Gegenteil:die Kaiserin dürfte dem Polen zu Ostern 991, als erden Hoftag in Quedlinburg besucht, den Besitz

I' Thictm.u (wie Anrn. Ill. Chron 1\'.'1. I·W.~-tlf.: ,\fiICCOlelll<'1 i/I.IIIIII rcg] dedit Cl eil/Ir munrribus alii, CI//IIe/1I1II ciprcscntavit Cl dua» rxpcduionc» ClIIII ("0 [ccit. - Vg!. BZ lJX.ic.,.. Ih: K;impk lllll S,hk,ien und Krakau mih'en vor 'NO Junistatt~elunden haben. da Bok,law Ion Biihllll:n damals zurRückeroberulH! schreilcl (I!!I. HZ IOllld und IO~OI). Doch wirdman Thictmar~ \'. I\krsehur't: 7eitanl!ahe "OI"III/wn' (\I ie Anm,('. (·hron. IV..II. 1-l·LI I ni~ht aul ~Ias .Iahr '1'10 beschriinkcndiirkn," I>a, ""kturn ert:ibt ,id, a,,, den Anl!aben der Adalberts\'i-tcn: Vita priore. ~:;'. cd. Kanlasiriska . .iX. -Brun (wie Anm, 2).e. ~ I. ~Il. Ni,ht cindeuti!! isl der Zeilpunkt. IU dem die l//IIicilil/

/wisehcn den Piasten und ,kn SI:llnikidL'n. dic Brun Cf\\;i!lIlt.tat<irhlieh l!e"hloS\en Ilird: Bruns BL'ficht l'fweckt den !'in-druck. ab s~i das er ..t 'I'!:'>gL'sehehcn. J)orh rL'ichen dic Span·nunL:en Illischcn den SlalllikidL'n und dcn Pi'crm ..lidcn. auchdas bllt Ilrun erkcnnL'n. Ileiler furilc", .,., I )ic Ad:t1berts-VitL'n la"cn nur Sdrll ic-ril!kciten bei dcrDurdr'etlunl! des Kirdrenre,hh in Bllhmerl als (inrnd fiirAdalbcrts R~,il!n:ltion in Pra!! erkennelJ: Igl. Vita prior c, 12.Cll. K:lrlla,ili,b. 171. - Brun (1lie :\nm. 21, ell. 121'. Dochhandeh eS si,h um /u allgemeine und I~pisrhe Ilcmmnisse jedcrChristiani,icrunl!. als dall sic alkin au ....chlal!l!cbcnd flir dieunhaltbarc Stcll~rnl! ,ks ,Ia\'nikidischcn Bi,rh;,!, 'L'in "iinnen,l>al\ Adalbcrts cpi·sJ..opak 'Litigkcit auls cng'te mit dem Vcr·hiiltnis 1\1 isdrcn Ptcnl\ sli,kn und SI:llnikidcn verflochtcn ist.lehrt eine knappL' Ik:mL'rkung in ,kr Vila prior c IlJ. cd.Karllasiriska . .ill. 'I If: IlIIh"IIlII\ !,.a/n·, WII'. ill 'I"Orr{/1l IIxori·

bus, prole 1'/ prcdiis hoc malum ulciscainur. - Brun (wie Anm.2). c. 16. IX. verschweigt diesen wichtigen Hinweis auf denpolitischen Kontext.1'1 Vita prior c, 16. cd, Karwasiriska. ~-t. 6 ff. - Brun vonQuerflIrt übergeht dies (vg!. c. 14 cd. Karwasiriska. 16).'" Thictmar (wie Anm. 6). Chron, 1V..9. l-to.n." Thictmar (wie Anm, 6). Chron. IV.II. 144.4 f. bCZL'ugtausdrüeklich. daß Mieszko lllll die Hilfe der Kaiserin bittet.'2 Vgl. dazu diL' S, Adalbcrti Pragensis episcopi et martyris vitaprior c. 14. cd. J. Karwasiliska. Warschall IlJ61. 20." Thidmar (wie Anm, 6). IV.12. 144-6, - In ebda. IV.D.146.291'1'. sagt Boleslaw ausdrücklich. daß er die erwähntensächsischen Fürsten unter seinc Getreuen aufgenommen (ill/it/clII .II/.I('('P; IIIl'allf) und sie zu 1l1ll;Wsfillllilillrc.l· gemacht hat." DO,111.71 (Or.: 991 Mai I),". Vgl. BZ IOI7e, Diczugrunde liegende Stclleausdersog,Vita Ikrnwards von Ilildesheim gehört sicher in das frühe 11.und nicht erst ins I~. Jahrhundert. - Willigis interveniert in denflllgclllkn Urkunden (DDO .111.66 f.) für Gamkrshcim nicht.'t, Am ¥emeinsamen siichsisch-polnischcn Feldzug gegen dieLutlZen Im SOlllmer des Jahres 991 nimmt keiner der Fürstenteil. die l)l)O dem Mieszko gegen Bolcslaw 11. von Böhmen zuHilfe geschickt wurden und sich statt dessen mit diesem vertrag-lich einten. vg!. BZ 1035 I (die hier behauptete Teilnahme des(jisclhcr \'on Magdeburg wird von keiner Quclle bestätigt).weiter BZ Im:; i. 1036. auch 1037 (= Thietmar von MerseburgIVH). 2HU If) be/eugt Gisclhers 'ICilnahme nicht. seine Datie-rung ist viillig ollen; ebenso wenig BZ 103X (= DO.1I1.7-l).

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dieser Länder durchaus hcst.itiat haben. Denn imFrühsommer desselben .Iahre~. zwar erst nachThcophunus Tod. doch von ihr noch in die Wegegeleitet. zieht Micszko gemeinsam mit einem säch-sischen Aulucbot unter Führune des mindcrjähri-gen Königs ~selbst gegen die Lutizen, sichi alsokeinerlei Anlaß zum Bruch>.Die Ncuoricnticrunu seit dem Jahre l)l)() bcschlcu-niut freilich die kir~hliche Vcrsclbständiuunu Po-k~lS. Denn der Wind aus Sachsen, der Mie~'iZkZ)undseinem Bischof Uriger damals in Mcrnlchcn insGesicht schläut , treibt das noch kleine Schiff derpolnischen K'irche nur. urn so kräftiger in denrömischen Hafen. Icdc Errichtun!.?, neuer Bistümerbedarf ohnehin der rechtlichen' Sanktionierunedurch den Papst. Magdeburgs Beispiel hatte e~eben erst gezeigt. Tatkrüftig leitet Micszko. zwei-fellos von Ungcr, dem noch immer einzigenBischof in Polen. beraten. entsprechende Schritteein. Er übertrügt -mit Ausnahme Krukowicns, wobald ein eigenes Bistum entstehen wird - wohl inder Absicht. eine papstunrninclharc Landeskirchezu errichten, sein ucsamtcs Hcrrschaftsncbict , diecivitas Schill('sgll(',~,1Il den apostolischenStuhl (uml)l)()Jl)l)2)". Es !.?,eschieht kaum im Genensatz zuTheophanus Politik. viel eher in Überei~stimmungmit ihr: ziclt es doch, sehe ich recht, in dieselbeRichtung, die auch für "Memlcben" maßgeblichwar. und die nun, zu Beginn der neunziger .Iahre,dem "Magddmrger" Konzept oder einer Variantezu weichen hat. In Magdeburg, aber auch in Mainzplant man die verstürkte Einbindung der westsla-wischen Kirchen in die ottonische Reichskirche. Soverriit es deutlich etwa das Privile!.?, Oltos Ill. fürMeißen von l)l)Y", das, da es die Erweiterung desMeißener Sprengels auf Kosten Magdeburger undPrager Rechte vorsieht. nur dem Zusammenwir-ken von Gisclher, Willigis und vielleicht sogarBolcslaw von Böhmen zu verdanken ist: so zeigenes auch die bald unvcrhüllt erhobenen Ansprücheder Magdeburger Kirche auf das Bistum Posen.

Die Erwühnung Prags und Adalberts lenkt nocheinmal zurück zu Theophanus Begegnung mit demböhmischen Bischof in Rom lllll die Jahreswendel)Xl)/l)l)(). Adalbert besitzt damals offenbar trotz derVorkommnisse in Schlesien und Böhmen dasuneingeschrünkte Vertrauen der Kaiserin. Was dasbedeutet, lehrt tier ßlick auf die Folgen deserwühnlcn Privilegs OUos Ill. für Meißen vomDezember l)l)5. Die damals neu festgelegteIl Mei-I.kller 13istumsgrenzen trenllen die böhmischeBischofskirche vom polnischen Schlesien und Kra-kowien. Sic nehmen dabei keinerlei Rücksicht aufdie Rechte des polnischen Herzogs oder auf die

jung erworbenen des apostolischen Stuhles undüberlagern alle bestehenden politischen Grenzen.Sie widersprechen damit dem auch damals gültigenkanonischen Prinzip. die kirchlichen Sprengel denpolitischen anzupassen. Offenbar unterstützt OttoIll. jetzt (()()5) nicht mehr wie wenige .Iahre I.UVLHseine Muller die polnische Expansion. Die Meiße-ner Diiizese soll sich ulcichsam zwischen die strei-tenden Parteien schiehen, kirchenrechtlich undmissionspolitisch Polen und Tschechen von einan-der trennen. So!.?,ar l.ibicc. die St.unrnburu derSla\nikiden. Wilt' an die Mei ßcncr Diözese. A her-mals - wie im Falle Mcrnlcbcns und Poscns -werden hier die Vcrbindunucn einer im Westengelegenen Kirche nach POleI; durchschnitten.

Auch in militärischer Hinsicht war Vorsorgegetroffen. Der böhmische Herzog halle eben, imSomme} desselben Jahres ()()5, Adulbcrts Familienahezu völliu ausucrottct ; neben Adalbcrt undseinem jünge;'en B;'uder Gaudentins. die rechtzei-tig ein zweites Mal nach Rorn flüchten konnten(um die Jahreswende l)()..l/l)l)5), entkam nur einälterer Bruder dem Blutbad, weil er sich bei Boles-law Chrobry aufhielt . Jetzt, im Dezember l)95,vollenden Otto Ill. und seine Ratgeber - Intcrvc-nienten werden in der Urkunde für MeiBen nichtgenannt, doch ist zweifellos in erster Linie anWilligis und Giselher zu denken-die Entmachtungder Slamikiden. indelll sic Adalberts Erbgüter vonseiner Diözese trennen, in der er fortan überkeinen Rückhalt mehr verfügt. Man wird einenZusammenhan!.?, zwischen beiden Erei!.?,nissenkaum hestreite~l können. Offenbar fürehtel~ (iisel-her und Willigis eine Konkurrenz. aus Prag. die einBündnis zwischen Piasten und Slavnikiden stützt,und fürchtet der I !erzog in Böhmen denselbenBischof. hinter dem die gesammelte Macht desaufstrebenden polnischen Fürsten steht.

Die Sorgen sind gewiß nicht grundlos. Adalbertpflegt in Rom die Kontakte zu Papst, stadtrömi-schem Adel und zu manchem hochstehendenBesucher des apostolischen Stuhles. Es ist nichtausl!eschlossen. vielmehr recht wahrscheinlich,daß~ er schon wiihrend seines ersten Exils in Romauch auf die .Traditio" der eil'i/m' Sehil/('sgl/(' anden apostolischen Stuhl einwirkte. Als er sich LJLJ2anschickt. aus Rom nach Prag zurückzukehren.investiert ihn Papst Johannes Xv. mit Stab undRing"', stellt also eine eigentümliche Papstullmit-tclharkeit des hiihmischen Bischofs her, die durch-aus zu höherfliegenden Iloffnungen oder entspre-chenden Befürchtungen Anlaß gehen kann. Adal-hert missioniert bei den Ungarn. Er intensiviert die

\J v!!l. dic vori!!c Alllllnkull!!.'-' V!!l. das Rl'!!csl ni/gl/!Ilc ;1/1/('.\: Schlesischcs Urkulldcll-buch. tns!!. VOll 11. Appell. Bd. t. .'. Nr. 2.

'" DO.tll.ISIl,'" V!!l. da/u Brull (wil' AIlIll, 2). c. t5. cd. Karwasillska.tS.7ft.

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Kontakte zu Bolcslaw Chrobry dem ncucn polni-sehen I Icrzog (lJlJ2-I024). Der Slavnik ingcr in Pragbedeutet - so gesehen - eine erhebliche Gefahr füralle jene, die andere Ziele verfolgen. Erst der"entmachtete" Adalbcrt erscheint für jedermannharmlos: aufseine Rückkehr in seine Bischofsstadtkann denn auch der zuständige Mctropolit , Erzbi-schof Willigis von Mainz , pochen (Mai 9%)1>1. WarAdalherts erste Flucht nach Rom (9gg-lJlJ2) dieFolge allein der böhmisch-polnischen Spannun-gen, so wurde die zweite (lJlJ4-lJlJ6) offenbar durcheine Koalition der Erzbischöfe von Mägdeburgund Mainz mit dem böhmischen Herzog vorberci-tct, denen Adalbcrt eine zu eigenständige Politikbetrieb. Sein erneuter Sturz (lJlJ5) scheint abgrund-tief: nicht einmal am Königshof findet er nochRückhalt. Erst sein Märtvrertod bei den Pruzzenund die Wirkung, die er ,Il~fden religiös empfängli-chen Otto Ill. macht, wird es wieder ändern.Vor diesem Hintergrund der späteren Entwicklungist Theophanus Begegnung mit Adalbert zu beur-teilen. Sie ist überschattet von den Ambitionendeutscher Mctropolitcn. Die Kaiserin sucht denkünftigen Heiligen, indem sie ihn mit der "Memo-ria"-pIkge für ~Otto 11. betraut. ähnlich wie denAbt von Mcrnlcbcn und Bischof in Polen, Ungcr,an sich und ihr Haus zu binden. So wenig sie zuvorAdalberts Resignation in Prag verhindern konnte,so wenig kann sie jetzt sogleich seine Rückkehrauf die Bischofskathedra in Böhmen bewirken.Gleichwohl wird sie Erwartungen hegen, diejenen. die sie in Ungcr setzt. nicht unähnlich seindürften. Die Byzantinerin könnte also auch jetzteine Slawenmission und Kirchenorganisation imOsten des lateinischen Reiches ins Auge fassen, diekeiner Untcrwcrfunu unter eine deutsche Metro-polio bedürfen. sob,~ld sie dem römischen Patriar-chat eingefügt sind. Mit einer analogen Lösungwürde man sich in Konstantinopel begnügen. Auchjetzt könnte das Vorbild des hI. Method, nun alsErzbischof der westlichen Sclavinia. zum Maßstabdienen. Thcophanu, die Griechin. weiß zweifellos,als sie sieh mit Adalbert in Rom bespricht, daß undwie soeben (l)g7/XI-I) von Konstantinopel aus in derKiewer Rus' das Christentum eingeführt und mitdem Aufbau einer russischen Kirche begonnenworden ist"'. und daß dabei jene purpurgeborenePrinzessin Anna eine wichtige Rolle spielte, dieursprünglich als Gemahlin Ottos 11. ins AugegefaHt war, an deren Stelle also sie selbst, Theo-phanu, jetzt im lateinischen Westen regiert. DieKaiserin künnte also auch in Unger oder Adalbertden künftigen Metropoliten eine~ eigenen westsIa-wischen Kirchenprm'inz erkennen. Ihr Sohn, Otto

111., der im Jahre 1000 Gnesen zum Erzbistumerhebt, wäre dann auch hier der Erbe seiner grie-chischen Mutter.

Theophanus Ostpolitik läßt, sehe ich recht, eineklare Linienziehung erkennen. die durchausbyzantinische Qualitäten aufweist. Die aufständi-schen und abgefallenen Lutizen will sie wieder derReichsgewalt und ihren sächsischen Repräsentan-ten unterwerfen; auch kirchlich sollen die Elbsla-wen dem Magdeburger Metropolitanvcrband ein-gegliedert bleiben. Hier folgt Theophanu derschon von Heinrich I. und Otto d. Großen vorgege-benen Konzeption. Anders verhält sie sich gegenPolen und Böhmen. Wiederholt ergreift sie Parteizugunsten der Piasten und gegen die Premyslidcn ;selbst militärische Hilfe ist sie dem polnischenHerzog zu leisten bereit. Die Kaiserin sanktioniertsomit die Bildung eines neuen großen Reichesdurch Mieszko I., auf dessen ältere Tributpflichtsie indessen nicht verzichtet, und entscheidet sichgegcn ein starkes tschechisches Herzogtum. Siegibt damit der künftigen Entwicklung die entschei-dende Richtung. Die Anbindung Böhmens ansReich wird in der Folge wachsen, während Poleneiner, wenn auch oft von innen und außen gefähr-detcn Selbständigkeit entgegengeht. In kirchcnpo-litischer Hinsicht verharrt Theophanu, anders alses die Sachsen wünschen, bei Prinzipien, die ihrenbyzantinischen Ursprung nicht zu Icugncn vcrmö-gen, und die sich dort, im Osten, bereits vielfachbewährt hatten. Neu missionierte Völker habensich danach - wie locker auch immer - allein demPatriarchcn, im Westen dem Papst, zu unterwer-fen, nicht aber irgendeinem fremden Metropolitenoder Bischof. Sie errichten vielmehr ihre eigeneKirchenorganisation. Wieder wird die Zukunftlehren, wie weitsichtig die Byzantinerin handelte,und wie stark sic sich darin von den eng, aufeigenen Vorteil und den ihrer Sippen bedachtenPrälaten und Adelsherren des deutschen Reichesunterschied. Ihre Zusammenarbeit mit Männcrnwie Unger von Mernlcbcn und Posen oder dem hI.Adalbcrt dürfte intensivcr gcwcscn sein, als es diespärlichen Quellen unmittelbar zu erkenncngeben. Bruns von Qucrfurt eingangs zitierteSchuldzuweisung an die Kaiscrin gründet in dieserKonstellation. Theophanu aber wahrt ihre Eigcn-sWndigkeit und kann es, weil sie, die Fremde, aufsich selbst, auf ihr in Byzanz empfangenes Weltbildlind Wisscn und auf ihrc abcndländischc Erfahrungverwiesen ist und nahezu allen Verwandtschafts-bindungen entrückt allein dcn Konstellationcn dcsAugenblicks gcmäß zu handeln hat.

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