Kampfschwimmer_0203

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 R E P O R T A G E R E P O R T A G E A l l e F  o t  o  s  : N  o r b e r t P r  o b  s t  u 35 34 u [Kampfschwimmer] [Kampfschwimmer] Zu Wasser , zu Lande und in der Luft Lerne leiden ohne zu klagen – das Motto der deutschen Kampfschwimmer . Ihre harte Ausbildung befähigt diese Elite zu Einsätzen in drei Elementen: als Taucher, Fall- schirmspring er und Kommandosold aten. Lerne leiden ohne zu klagen – das Motto der deutschen Kampfschwimm er. Ihre harte Ausbildung befähigt diese Elite zu Einsätzen in drei Elementen: als Taucher, Fall- schirmspringer und Kommandosoldaten.

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[Kampfschwimmer][Kampfschwimmer]

Zu Wasser, zu Lande und in der LuftLerne leiden ohne zu klagen – das Motto der deutschen

Kampfschwimmer. Ihre harte Ausbildung befähigt diese

Elite zu Einsätzen in drei Elementen: als Taucher, Fall-

schirmspringer und Kommandosoldaten.

Lerne leiden ohne zu klagen – das Motto der deutschen

Kampfschwimmer. Ihre harte Ausbildung befähigt diese

Elite zu Einsätzen in drei Elementen: als Taucher, Fall-

schirmspringer und Kommandosoldaten.

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Standards abrücken. Aus gutem Grund, meintFregattenkapitän Annighöfer: »Der LebensraumWasser fordert mentale und psychische Stärke.Und die Grundlagen dafür muss die Ausbildunglegen.«

Der lange Marsch · Erste Station für Möch-tegern-Kampfschwimmer ist eine Freiwilligen-annahmestelle der Marine – sofern sie nochnicht Angehörige der Bundeswehr sind. Solda-ten bewerben sich bei ihrer jeweiligen Dienst-stelle. 27 Jahre dürfen die Aspiranten maximal

auf dem Buckel haben, und sofensichtlich ungeeignet sind,beim nächsten Hindernis: Bemedizinischen Institut der Maden sie auf Herz und Nieren dunige Möchtegern-Rambos wernach psychologischen Gesprätour geschickt, doch die Mehrber übersteht dieses Hindernisdet. Wobei die Kampfschwim-

p Die ersten Sonnenfäden des Morgens webeneinen Schleier um die Baumwipfel. Der Flussdarunter liegt noch im tiefen Dunkel. Die Fin-sternis schützt die vier Kampfschwimmer, diemit voller Ausrüstung in der Schlei liegen. Inder Stille der zu Ende gehenden Nacht wartensie auf den Hubschrauber, der sie nach einermehrtägigen Durchschlage-Übung abholensoll. In der Nähe dümpelt ein Schlauchboot mitOberleutnant zur See Jens Höner, der die Auf-nahme seines Trupps durch den Helikopter derHeeresflieger beaufsichtigt. Nur das gelegent-liche, kurze Aufleuchten seiner Taschenlampeverrät die Anwesenheit des Offiziers.

Pünklich, ein paar Minuten vor sechs Uhrfliegt die ersehnte Bell UH 1-D mit ihrem cha-rakteristischen, tiefen Geknatter heran.Schluss mit Stille: In dem von den Rotoren auf-gewühlten, zerzausten Wasser greifen die

Kampfschwimmer zum Seil, das die Besatzungvon der etwa zehn Meter hoch fliegenden Bellherab lässt. Einer nach dem anderen wirdhochgezogen. Als alle vier an Bord sind, drehtder Hubschrauber ab in Richtung Eckernförde,auf die Heimatkaserne der Kampfschwimmer-Kompanie. Etwa zehn Minuten hat das Aufwin-schen des Trupps gedauert. »Zu lang«, mur-melt Höner und lässt die Außenbord-Motorenseines Bootes aufbrummen. Seine Soldaten,die sich in direkter Luftlinie bewegen, werdenin einer knappen Viertelstunde in der heimi-schen Kaserne sein. Höner selbst stehen fastdrei Stunden Rückfahrt bevor: aus der Schleihinaus in die Ostsee, parallel zum Ufer süd-

wärts und hinein in die Eckernförder Bucht biszum Kransfelder Hafen mit der dahinter liegen-den Kaserne.

Der Auftrag · Das gerade beendete Durch-schlagemanöver ist nur ein Teil des umfangrei-chen Übungsspektrums – denn Kampfschwim-mer sind keine reine Tauchertruppe, sondernAllrounder in drei Elementen. Ihr Auftrag ent-hält zum einen offensive Elemente wie Sabota-geakte im Feindgebiet – beispielsweise Unter-wasserangriffe gegen feindliche Schiffe, gegen

Hafenanlagen, Brücken und Schleusen, außer-dem amphibische Operationen und Landangrif-fe in Küstennähe. Zum anderen gehören defen-sive Aufgaben dazu wie der Schutz eigenerAnlagen und Schiffe, Rettungs- oder Bergungs-einsätze. Und, als ob das alles noch nicht ge-nug wäre für die kleine Truppe, sind die Kampf-schwimmer auch für die Aufklärung zuständig– beispielsweise für das Erkunden von Strän-den, Hinterland und Küstenanlagen vor einerLandungsoperation.

Dazu kommen Aufgaben wie die Embargo-kontrolle: So überprüften Kampfschwimmerwährend des Jugoslawien-Konflikts verdächtigeSchiffe – was nicht immer auf die Gegenliebe

der Besatzungen stieß. »Man muss da schonresolut auftreten…«, orakelt Höner. »Boarding«heißen diese Enter-Aktionen, die in der Regelvom Hubschrauber aus geschehen, im Fachjar-gon.

Nicht der einzige »scharfe« Einsatz der jün-geren Vergangenheit: Schon bei der ersten Outof Area-Aktion der Bundeswehr in Somalia wa-ren Kampfschwimmer mit von der Partie. Wäh-rend des Golfkriegs schützten Kampfschwim-mer Schiffe der Bundesmarine im Persischen

Golf. Weiter ging es mit der Kampfmittelbesei-tigung im Kosovo. Was die Zukunft bringt, stehtin den Sternen. Gerne reden die Kampfschwim-mer über ihre Einsätze nicht – zumindest nichtmit Außenstehenden. Fregattenkapitän Ste-phan Annighöfer, Kommandeur der Waffentau-chergruppe (WaTaGrp), wählt daher lieber einereichlich vage und diplomatische Formulierung:»Im Rahmen ihres erweiterten Aufgabenspek-trums sind Kampfschwimmer in der Lage, welt-weit an Einsätzen teilzunehmen und sie zuunterstützen.«

Die Auslese · Gewährleistet wird diese Ein-satzbereitschaft durch eine extrem harte Aus-bildung, die gleichzeitig der gnadenlosen Aus-

lese dient – 15 Monate nahezu pausenloserQuälerei dauert es, bis sich ein Kampfschwim-mer-Schüler den begehrten »Fisch« an dieBrust heften darf (siehe Kasten »Wer ist Kampf-schwimmer?«). Die Mehrzahl der Bewerberscheitert an der Schinderei, nur die körperlichfittesten, mental belastbarsten Anwärter kom-men durch diese Tretmühle: Seit Gründung derBundeswehr haben erst 269 »Knechte« dieAusbildung erfolgreich abgeschlossen. DerenPortraits hängen allesamt im Gebäude derKampfschwimmer-Kompanie – sie passen pro-blemlos an eine Querwand im Treppenhaus.Auch in Zukunft wollen die Kampfschwimmerunter keinen Umständen von den geforderten

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Das Dräger LAR-V Die Kampfschwimmer verwen-den bei ihren U nterwasser-Mis-sionen normalerweise eingeschlossenes Sauerstoff-Kreislaufgerät – das Drä-ger LAR-V, das zwar innaher Zukunft abgelöst wer-

den soll, dessen Nachfolgeraber noch nicht fest-steht. Die Vorteile desSystems: Es ist geräusch-los, erzeugt keine Blasen undermöglicht UW-Aufenthaltebis zu etwa drei Stunden. Au-ßerdem ist es kompakt undleicht (11 Kilogramm mit gefüllter1,5-Liter-Flasche und Atemkalk). Einteil ist die geringe Maximaltiefe weg

 von Sauerstoff unter Druck – aber dieschwimmer-Taucheinsätze bringt es sich meist an Einrichtungen in KüsteUnd damit in relativ flachen Gefilden

Camouflage: Die schwarze Farbe im G esichtdient dem Verwischen der Konturen, beson-ders bei Nacht. Sie hält auch im Wasser 

Zielsicher: Kampfschwimmer bei einer Orien-tierungsübung. Lange Distanzen richtungsge-nau zurückzulegen, wird ständig gedrillt

Freifaller: ein Kampfschwimmer bei einem ma-nuellen Sprung über der Eckernförder Bucht.

 Vor den Beinen trägt er eine UW-Haftmine    F   o   t   o   s  :   l   i .   S   e   i   t   e   o .   N   o   r   b   e   r   t   P   r   o   b   s   t  ·   u .   U   d   o    K

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   e   N   o   r   b   e   r   t   P   r   o   b   s   t

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Hallenphase unvermindert weiter. In der drittenWoche, der sogenannten »Hasswoche«, wirdden Kandidaten gezielt Schlaf entzogen –nächtliche Trainingseinheiten im Bad undNachtläufe sorgen dafür, dass die KS-Schülerwährend des unverändert harten Tagesdienstesmit bleierner Müdigkeit kämpfen. Wie währendihrer gesamten Ausbildung sind die Bewerberjederzeit ablösbar – ein einfaches »Ich kannnicht mehr« und die Quälerei hat ein Ende.

mer die Vorab-Tests gern ausbauen würden, umnoch mehr Spreu von Eckernförde fern zu hal-ten. »Beim KSK (Kommando Spezialkräfte,Anm. der Redaktion) geht das eine ganze Wo-che, knallharte Intelligenztests inklusive. Da-von würden wir gern einiges übernehmen«,sagt Oberleutnant zur See Höner.

Doch bisher folgt die erste wirkliche Auslesein Eckernförde selbst. Dabei muten die erstenTests durchaus human an: 5000 Meter lau fenin maximal 25 Minuten stehen auf dem Pro-gramm, dazu 1000 Meter Schwimmen in dergleichen Zeit, 45 Sekunden Apnoe-Zeittauchenund 25 Meter Streckentauchen mit einer Wen-de. Doch auch wenn es moderat anmutet – gut50 Prozent der Bewerber treten nach dieserProbe auf’s Exempel den Rückweg an.

Danach geht es nochmal zu den Medizinernnach Kiel, die ihre »Patienten« auf die Taucher-, 

Kampfschwimmer- und U-Boot-Verwendungs-fähigkeit prüfen – eine Hürde, die nur wenigeder Anwärter reißen. Erst dann geht es ans Ein-gemachte: Seit Oktober 2002 lautet die näch-ste Station »Schwimmtaucherlehrgang fürWaffentaucher« an der Technischen Marine-schule in Neustadt. Gemeinsam mit späterenMinentauchern werden die angehenden Kampf-schwimmer hier sechs Wochen lang im Tauchenmit Pressluft gedrillt, wobei auch Unterwasser-Arbeiten auf dem Programm stehen. Dem fol-gen drei Wochen Kraftbootführerschein und derUnteroffiziers-Lehrgang in Plön – bevor dieAusbilder in Eckernförde endgültig daran ge-hen, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Die Halle · Die nächsten fünf Wochen laufenunter dem Stichwort »Kampfschwimmer-Vor-ausbildung«. In der Schwimmhalle der Eckern-förder Kaserne ziehen die Ausbilder, allesamtselbst langjährige Kampfschwimmer und auchdurch Auslandsaufenthalte und -einsätze mitallen Wassern gewaschen, alle Register ihresBerufsstandes. Täglich geht es nun in dieSchwimmhalle – zuweilen mehrmals, zuweilenauch nachts. Die Schinderei beginnt jedes Malmit Apnoe-Übungen. In aller Stille gleiten dieBewerber ins Wasser. Eine fast schon gespen-stische Stille liegt über der Halle – lautes Plat-schen, Gebrüll, überflüssiges Gerede sind inder Halle verpönt und werden mit unzähligen

Liegestützen »belohnt«.50 Meter Streckentauchen ohne Flossenund zwei Minuten Zeittauchen sollten jetztschon drin sein. Später wird das alles nochverfeinert: Beim Unterwasser-Marsch von rund50 Metern beispielsweise, bei dem der Bewer-ber mit reichlich Blei um die Hüfte »zu Fuß«unterwegs ist. Oder bei Psycho-Übungen mitdem Torpedorohr – einer engen Stahlröhre,die langsam vollläuft und die die Bewerbererst dann verlassen dürfen, wenn sich keineLuft mehr darin befindet – ähnlich wie Zeittau-chen, nur Platzangst fördernder und ohne dieMöglichkeit des selbständigen Abbruchs. Fallsetwas passiert, ist immer ein Sanitäter in der

Halle und ein Taucherarzt in Rufbereitschaft.Ein weiterer Psycho-Test: Beim Gefesselt-Streckentauchen mit Kampfanzug stellt sichgarantiert heraus, wer sich an das ElementWasser gewöhnt hat. Harte Methoden, abererwiesenermaßen wirkungsvoll. »Beim Strek-kentauchen sind hier viele längst über demdeutschen Rekord, und auch die 125 Meterohne Flossen des österreichischen Apnoe-Stars Herbert Nitsch sind hier schon langegeschafft worden«, sagt Höner.

Dem Apnoe-Drill folgen Übungen mit demGerät, dem geschlossenen Sauerstoff-Rebrea-ther LAR-V (siehe Kasten). Begonnen wird miteinem Sprung vom Fünf-Meter-Brett – mit derAusrüstung unter dem Arm. Anlegen dann unterWasser, aber in der Schwebe bitte schön. Wasdann folgt, sind zahllose Übungen mit dem Ge-rät, An- und Ablegen, »Unterwasserballett« mitRollen und Saltos und immer wieder Apnoe-Einlagen. Bei einer der Übungen legen die Schü-ler die Atemgeräte im Kreis ab. Dann tauchensie in Apnoe von Gerät zu Gerät, wobei derAusbilder ein LAR-V nach dem anderen ein-sammelt – solange, bis nur noch einesda ist, was die Lungen der Bewerber

abermals an ihre Grenzen bringt.Doch auch damit nimmt die Schinde-rei der Hallenbad-Übungseinheiten nochkein Ende. Den erschöpften KS-Schülerndroht eine scheinbar endlose Abfolgevon Bahnen, im Kampfanzug geschwom-men oder in Apnoe getaucht. Unterbro-chen immer wieder vom Kommando »Rausaus dem Wasser!« des Ausbilders, womit ereine Einlage aus Liegestützen, Wechselsprün-gen oder Rumpfbeugen ankündigt. Keuchen,Hustenanfälle, aufgerissene Augen sind dabeinicht die einzigen Anzeichen der Erschöpfung.

Das »normale« Programm aus Geländeläufenund »Eisen biegen« im Kraftraum geht in der

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Wer ist Kampfschwimmer?»Es gibt immer wieder Menschen, innerhalb der Bun-deswehr und außerhalb, die sich mit fremdem Lorbeer

schmücken wollen und behaupten, dasssie Kampfschwimmer waren oder

sind«, beklagt Oberleutnant zurSee Jens Höner. Dabei ist die Defi-nition eines echten Kampfschwim-

mers einfach und leicht nachzu-prüfen: Mit diesem Titel schmük-ken darf sich nur, wer die 15-mo-natige Ausbildung (siehe Haupt-text) komplett abgeschlossen und

 von Ausbildungsleiter und Kompa-niechef Kampfschwimmerabzeichen

und Kampfschwimmerschein über-reicht bekommen hat. Der Schein enthält

die nur einmal vergebene taktische Nummer desfrisch gebackenen Kampfschwimmers – eine dreistelli-ge Zahl, die er immer im Gedächtnis behalten wird.Wer auf Nachfrage nicht in der Lage ist, diese Nummeranzugeben oder eine mehrstellige Zahl nennt, der istkein Kampfschwimmer und war auch keiner.

Sicherer Hafen? Zum Aufgabenspektrum der Kampfschwimmer gehören Unterwasser-An-griffe in feindlichen Hafenanlagen

 Amphibisch: Das Tauchen ist oft nur die »Ver-bringungsmethode«, um den eigentlichen Auf-trag an Land durchführen zu können

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Dass zwei Drittel von ihnen entkräftet aufge-ben, ist keine Seltenheit. Dass überhaupt kei-ner diesen Ausbildungsabschnitt durchgestan-den hat, ist auch schon vorgekommen.

In die Ostsee · »Kampfschwimmer-Einsatz-ausbildung« nennt sich der nächste Ausbil-dungsabschnitt – drei Monate, in denen dieKS-Anwärter jeden Tag Bekanntschaft mit derOstsee machen, anfangs in den Hafenbeckendes Kransfelder Hafens, später in der Eckern-förder Bucht und noch später in der offenenOstsee. Auf dem Programm stehen der Umgangmit den Sauerstoff-Kreislaufgeräten in Theorieund Praxis, kilometerlange Orientierungs-Tauchgänge bei Tag und bei Nacht, das Suchenund Anbringen von Haftladungen an Schiffen,das Eindringen in »feindliche« Häfen, Aufklä-rungs-Aufgaben vor Landungen und vielesmehr. Bei den Tauchgängen legen die Kampf-

schwimmer mit kompletter Ausrüstung undHaftminen-Attrappe, einem schweren, rechtek-kigen Kasten, oftmals mehrere Kilometer zu-rück. Die maximale Tauchzeit des LAR-V beträgtetwa drei Stunden.

Durch die »veränderte Bedrohungsanalyse«hat sich die Natur der Ausbildung geändert,betont Höner: Das Tauchen werde immer mehrzur reinen »Verbringungs-Methode«, wie er imschönsten Militär-Deutsch ausführt – die ei-gentlichen Aufträge spielten sich dann zuneh-mend an Land ab.

Qualvoller Epilog dieses Ausbildungsab-schnitts ist das Abschluss-Seeschwimmen:Ausgesetzt am Militärhafen Olpenitz, direkt an

der Schleimündung an der offenen Ostsee ge-legen, müssen die Bewerber parallel zur Küstezurück nach Eckernförde flosseln: 30 endloseKilometer, auf dem Rücken liegend, Kreislauf-gerät und Ausrüstung auf dem Bauch. Nur eineÜbernachtung im Biwak unterbricht die Strek-ke. Die Besten schaffen es in rund 15 Stunden

reiner Schwimmzeit, andere brauchen 30. Undviele schaffen es überhaupt nicht. Doch werdiese Tortur übersteht und in der Kaserne mitunsicheren Schritten an den Strand torkelt, be-kommt ein Glas Sekt aus der Flasche mit demgoldenen Kampfschwimmer-Etikett in die Handgedrückt. Und darf sich mental auf die kom-menden Ausbildungsabschnitte vorbereiten:Den Sprenghelferlehrgang und die nächste gro-ße Hürde – die Kernausbildung, die »Kampf-schwimmertaktik«.

Endspurt · Die nächsten sechs Wochen sol-len die Männer auf kombinierte Land-Wasser-Einsätze und Kommando-Unternehmen vorbe-reiten. Sie lernen den Umgang mit dem Kajak

und mit dem Speedboot. Infanteristische Ge-fechtsausbildung, Schießen aus vielen ver-schiedenen Rohren und das Entern von Schif-fen. Ein- und Ausschleusen aus dem Torpedo-rohr eines U-Bootes. Das schnelle Absetzenund Aufnehmen mit einem Schlauchboot.Währenddessen macht der körperliche Drillniemals Pause: Orientierungsmärsche imLaufschritt, 30-Kilometer-Gewaltmärsche mitanschließendem Tauchgang, ausgefeilte Hin-dernisbahnen und manches mehr treiben dieKS-Schüler an die Grenzen ihrer Kräfte unddarüber hinaus. Mittlerweile ist nur noch einBruchteil der ursprünglichen Bewerber dabei.Doch wer auch diesen Abschnitt übersteht,

kann Kampfschwimmer-Einsätze in Eigenregieplanen, organisieren und durchführen. Werbis hierher gekommen ist, darf sich Kampf-schwimmer nennen. Und wird vom Kompanie-chef in einer simplen Zeremonie mit dem be-gehrten Abzeichen belohnt: einem Sägefischim Eichenlaub mit stilisiertem Fallschirm imHintergrund, Symbol für die triphibischen Ein-sätze der Kampfschwimmer. Bei dieser Gele-genheit bekommt er auch seinen Kampf-schwimmer-Schein mit seiner dreistelligenEinsatznummer ausgehändigt. »Diese Num-mer vergisst man nie wieder«, sagt Höner.»Wer nicht in der Lage ist, sie anzugeben, derist kein Kampfschwimmer.«

Spezialisten · Ein Kampfschwimmer lerntjedoch nie aus. Die weiter führende Ausbildungsorgt dafür, dass jeder von ihnen ein Spezialistauf einem oder mehreren Gebieten ist. Sie allemüssen auf der Luftlande- und Lufttransport-schule im oberbayerischen Altenstadt den Fall-schirmspringer- und den Einzelkämpfer-Lehr-gang hinter sich bringen. Später stehen auchFreifaller-Lehrgänge auf dem Dienstplan, undein Teil der Kompanie beherrscht selbst dasFallschirmspringen aus extremen Höhen unterVerwendung von Sauerstoff-Atemgeräten sowiedas Springen mit schweren Lasten.

Ein Auszug aus der weiteren Agenda: Scharf-schützen-Lehrgänge beim Kommando Spezial-

kräfte in Calw oder der Infanterieschule desHeeres in Hammelburg, Schießen mit auslän-dischen Waffen, Funklehrgänge und Winter-kampf. Außerdem ein Medical Course, bei demder Kampfschwimmer unter anderem das Nä-hen von Wunden lernt. Im »Angebot« auch einSurvival-Lehrgang mit einer Verhörphase, beider die psychische Belastbarkeit des Delin-quenten mit gezielten Erniedrigungen getestetwird. Und dazwischen immer wieder Übungen,Übungen, Übungen…

Ziel dieser Tretmühle ist ein Soldat, der sichim feuchten Element geborgen fühlt. »Das Was-ser gibt uns ein Gefühl von Schutz und Sicher-heit. Wenn wir nach dem Landeinsatz wieder im

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 Von Frei- und SonntagenWie viele Elite-Einheiten haben auch die deutschenKampfschwimmer eine eigene Terminologie entwickelt.Ein paar Beispiele:l  Freitagslauf: bis an die Grenzen der Belastbarkeitgehender, manchmal mehrere Stunden dauernder Ge-ländelauf vor dem Wochenende, »gewürzt« mit Einla-gen wie Baumstamm-Schleppen, Verwundeten-Trans-port, »Abstechern« ins Ostsee-Wasser und Schlamm-bädern in den Tümpeln in einem Waldgebiet nahe derKaserne. Auch »Psycholauf« genannt.l  Wort zum Sonntag: Extra-Einlagen nach kleinenoder großen »Sünden« eines Kampfschwimmer-Schü-lers – beispielsweise, wenn der Freitagslauf noch et-was ausgedehnt wird.l  In die Röhre gucken: Vorübung für das Ausschleu-sen aus dem Torpedoboot eines U-Bootes. Maximal

 vier Mann kriechen in die »Röhre« am Boden der Tau-cher-Übungshalle, die dann allmählich geflutet wird –ein Vorgang, der bis zu 20 Minuten dauern kann. DieÜbung wird mit und ohne Atemgerät durchgeführt. Da-bei sind starke Nerven gefordert, denn die Schottendes Rohres lassen sich nur von außen öffnen.

Kraftproben: Zahllose Bahnen in der Halle, da-zwischen Liegestützen und sit-ups am Becken-rand – Alltag in der Hallenphase

 Ausschleusen aus dem Torpedorohr einesU-Bootes: Wenn das Rohr voll Wasser gelaufenist, bleibt nur noch ein Ausweg – nach draußen

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Wasser sind, dann sind wir sicher«, sagt Fregat-tenkapitän Annighöfer.

Nachwuchssorgen · Die extrem hohen Anfor-derungen sind einer der Gründe dafür, dass dieKampfschwimmer-Kompanie von Nachwuchs-

sorgen geplagt wird – schließlich kommt esvor, dass kein einziger der Bewerber eines Jah-

res die kompromisslose Auslese durchsteht.Die Kampfschwimmer-Kompanie sollte eigent-lich aus drei Zügen zu je zwölf Mann bestehen.Diese Sollstärke wird nur selten erreicht, wasaber nicht nur an der Härte der Ausbildung

liegt. So beklagt mancher Kampfschwimmerdie fehlenden Perspektiven in der Bundeswehr.Nur für einen Bruchteil gibt es Berufssoldaten-Planstellen, die dauerhaft die berufliche Zu-kunft sichern würden. Auch die Finanznöte derBundeswehr bekommt die Kompanie zu spü-ren. Oberleutnant Höner: »Wir haben hier wirk-lich sehr gute, hoch motivierte Leute. Wenn wirdas Material hätten, bräuchten wir uns vor nie-mandem zu verstecken – körperlich schon garnicht. Aber leider fehlen uns noch bestimmteWaffen und Funkmittel.«

Und auch die Bundeswehr-Bürokratie bringtfür die Belange kleiner Spezialeinheiten oft-mals nicht viel Verständnis auf. »Eher bekommtdie Marine einen neuen Kreuzer als dass wirein paar neue Tauchanzüge kriegen«, beklagtein Kampfschwimmer. Zu Recht: Obwohl sichviele Kampfschwimmer-Tauchgänge in der win-terlichen Ostsee abspielen, verfügt die Kompa-nie nicht über Trockentauch-Anzüge.

Und zu guter Letzt gibt es auch bei anderenElite-Einheiten, beispielsweise bei der Polizeiund beim Bundesgrenzschutz, attraktive Lauf-bahnen für ehemalige Kampfschwimmer.

Der Leistungsstand · Dennoch: Das harteAusleseverfahren und die sich daran an-schließende, vielseitige Ausbildung sorgendafür, dass die deutschen Kampfschwimmer

weltweit zu den besten Truppen ihrer Art zä

len. Als ebenbürtig empfindet diese selbstbwusste Elite nur einige wenige vergleichbaEinheiten anderer Armeen – die französischeKampfschwimmer (das »Commando Hubertund die amerikanischen Navy-Seals gehörebeispielsweise dazu. Mit beiden Einheitepflegt die KS intensive Kontakte und regeAustausch. Die Seals lassen ihre »Master Dver« sogar von erfahrenen Kampfschwimmeaus Eckernförde ausbilden und greifen in punto Unterwassertaktik gern auf das Können dDeutschen zurück. Intensive Kontakte pfledie Kompanie auch zum KSK, zur GSG 9 unverschiedenen Spezial-Einsatzkommando(SEK) der Länderpolizeien. Auf internationalEbene zählen beispielsweise der britische Spcial Air Service (SAS) und der Special Boat Sevice (SBS) sowie zahlreiche weitere Spezialeiheiten der NATO zu den Partnern – ihre Wapen schmücken den Gemeinschaftsraum iKompaniegebäude, und sie lassen kaum eStückchen Wand frei. Dieser Raum ist das Rhe-Refugium der Kampfschwimmer. Hier trefen sie sich, um den Tagesablauf zu besprchen oder um sich bei einer Tasse Kaffee auzuwärmen – zum Beispiel dann, wenn sie grade ein Hubschrauber aus der morgendlickalten Schlei gezogen hat.

Lars Brinkma

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Kampfschwimmer auf der boot amu-StandWer sich genauer über Ausbildung, Einsätze oder gareine berufliche Karriere in der Kampfschwimmer-Kom-panie informieren möchte, hat unter anderem dreiMöglichkeiten:l Entweder er liest das Buch»Kampfschwimmer der 

Bundesmarine« – Innenan-sichten einer Elitetruppe, an-schaulich geschildert von Au-

tor Wilhelm Probst, derselbst 20 Jahre »dabei« war(Motorbuch-Verlag, Stuttgart2001, ISBN 3-613-02148-X,178 Seiten, 26 Euro).l  Oder er wendet sich an das Zentrum für Nachwuchs-

gewinnung der Marine, Ebkeriege-Kaserne, Block 1,

26389 Wilhelmshaven, Tel. (0 44 21) 79-21 3 6.

l Oder er kommt während der boot 2003 in Düsseldorf 

(18. bis 26. Januar 2003) zum Stand der Bundesmarine

(Halle 4, K 22 und K 14) oder zuu (Halle 3,D 19): Am Samstag, 18.1., von 14 bis 15.30 Uhr und

am Freitag, 24.1, von 14 bis 15.30 Uhr stehen dieKampfschwimmer für Fragen zur Verfügung. Wer will,

bekommt ein Poster – kostenfrei, versteht sich.

Gesundheits-System: Bei einem Kampfschwimmer-Einsatz ist immer ein Sanitäter dabei – deauch schwere Wunden versorgen kann

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