Kapitel 10 Traumatische Erkrankungen 10 des kindlichen Gehirns · hypodens. In der MRT hängt die...

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10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns Traumatische Verletzungen des Gehirns können in je- dem Lebensalter auftreten. Während das Gehirn des äl- teren Kindes auf traumatische Schädigungen ähnlich dem des Erwachsenen reagiert, gibt es gerade bei Neu- geborenen, vor allem im Rahmen geburtstraumati- scher Veränderungen, eigene Schädigungsmuster. Das Problem des nichtakzidentellen Traumas, also der Kin- desmisshandlung, wird in einem eigenen Abschnitt er- örtert. 10.1 Intrakranielle geburtstraumatische Veränderungen Hypoxisch-ischämische perinatale Schädigungen des kindlichen Gehirns wurden bereits ausführlich im Kap. 7, „Hypoxisch-ischämische Läsionen im Kindesal- ter“, diskutiert. Im Folgenden sollen die mechanisch- traumatischen Schädigungen des Gehirns besprochen werden, die während der Geburt auftreten können. Nicht selten kommt es perinatal zu kleineren subdura- len Hämatomen (SDH), die allerdings klinisch nicht ins Gewicht fallen und lediglich als Zufallsbefund im Rah- men einer aus anderen Gründen durchgeführten Un- tersuchung bemerkt werden. Ist das SDH allerdings größer, kann es durch die raumfordernde Wirkung zu Schädigungen des Parenchyms, zu Liquorzirkulations- störungen und sogar zur Einklemmung kommen, sodass eine rasche Diagnostik unabdingbar ist. Als pri- märe Diagnostik wird aufgrund der raschen Verfüg- barkeit in der Regel der Ultraschall eingesetzt. Als se- kundäre Modalitäten kommen aber auch CT und MRT zum Einsatz, insbesondere wenn die Diagnose in der Sonographie unklar bleibt. Es gibt verschiedene Mechanismen, durch die peri- natal ein SDH entstehen kann: durch einen Einriss der Falx cerebri, durch einen Einriss des Tentoriums, durch einen Riss der Brückenvenen sowie durch eine okzipitale Diastase des Knochens. Ein Einriss der Falx cerebri führt zu einem supratento- riellen SDH. Meist reißt die Falx relativ nahe am Tento- rium ein. Die Blutung hat ihren Ursprung dann in der Regel im Sinus sagittalis superior. Das resultierende supratentorielle SDH liegt infolgedessen oft dorsal in- terhemisphärisch. Ein Einriss der Brückenvenen führt ebenfalls zu einem supratentoriellen SDH. Dies liegt jedoch über einer Hemisphäre und weist die für ein SDH typische „Halbmondform“ mit einer konvex-konkaven Konfigu- ration auf. Im Gegensatz zum SDH bei älteren Kindern, ist das SDH beim Neugeborenen meist einseitig. Zusätz- lich werden oft subarachnoidale Blutanteile beobachtet. Ein Einriss des Tentoriums kann zu einer Lazeration der Vena Galeni, des Sinus rectus oder des Sinus trans- versus führen, was eine sehr ausgedehnte, akut lebens- bedrohliche infratentorielle Blutung zur Folge hat. Kommt es jedoch lediglich zur Ruptur kleinerer infra- tentorieller Venen, so entsteht meist nur ein kleineres, infratentorielles SDH. Solche kleineren, infratentoriel- len SDH sind wahrscheinlich häufiger als früher ange- nommen und bisweilen klinisch nicht relevant. Bei einer okzipitalen Diastase weichen die Hinter- hauptschuppen der Kalotte während der Geburt aus- einander. Hierdurch kann es zu einem Einriss der ve- nösen Blutleiter und dadurch zu einem infratentoriel- len SDH kommen. Das so entstandene Hämatom liegt dem Tentorium meist direkt von unten an. Tabelle 10.1 fasst die verschiedenen Entstehungsme- chanismen von SDH im Rahmen geburtstraumatischer Veränderungen zusammen. Mechanisch-geburtstraumatische Schädigungen können zu SDH führen. Ist die Ursache ein Einriss des Tentoriums oder eine okzipitale Diastase, so kommt es zu einem infratentoriellen SDH. Ist die Ursache hingegen ein Einriss der Falx oder der Brückenvenen, kommt es zu einem supratentoriel- len SDH. Merke In der CT stellt sich ein frisches SDH deutlich hyper- dens dar. Im weiteren Verlauf wird es dann zunehmend hypodens. In der MRT hängt die Signalintensität – wie bei an- deren Hämatomen auch – vom Alter des Befundes ab. Kapitel 10

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10Traumatische Erkrankungendes kindlichen Gehirns

Traumatische Verletzungen des Gehirns können in je-dem Lebensalter auftreten. Während das Gehirn des äl-teren Kindes auf traumatische Schädigungen ähnlichdem des Erwachsenen reagiert, gibt es gerade bei Neu-geborenen, vor allem im Rahmen geburtstraumati-scher Veränderungen, eigene Schädigungsmuster. DasProblem des nichtakzidentellen Traumas, also der Kin-desmisshandlung, wird in einem eigenen Abschnitt er-örtert.

10.1Intrakranielle geburtstraumatischeVeränderungen

Hypoxisch-ischämische perinatale Schädigungen deskindlichen Gehirns wurden bereits ausführlich imKap. 7, „Hypoxisch-ischämische Läsionen im Kindesal-ter“, diskutiert. Im Folgenden sollen die mechanisch-traumatischen Schädigungen des Gehirns besprochenwerden, die während der Geburt auftreten können.Nicht selten kommt es perinatal zu kleineren subdura-len Hämatomen (SDH), die allerdings klinisch nicht insGewicht fallen und lediglich als Zufallsbefund im Rah-men einer aus anderen Gründen durchgeführten Un-tersuchung bemerkt werden. Ist das SDH allerdingsgrößer, kann es durch die raumfordernde Wirkung zuSchädigungen des Parenchyms, zu Liquorzirkulations-störungen und sogar zur Einklemmung kommen,sodass eine rasche Diagnostik unabdingbar ist. Als pri-märe Diagnostik wird aufgrund der raschen Verfüg-barkeit in der Regel der Ultraschall eingesetzt. Als se-kundäre Modalitäten kommen aber auch CT und MRTzum Einsatz, insbesondere wenn die Diagnose in derSonographie unklar bleibt.

Es gibt verschiedene Mechanismen, durch die peri-natal ein SDH entstehen kann:

) durch einen Einriss der Falx cerebri,) durch einen Einriss des Tentoriums,) durch einen Riss der Brückenvenen sowie) durch eine okzipitale Diastase des Knochens.

Ein Einriss der Falx cerebri führt zu einem supratento-riellen SDH. Meist reißt die Falx relativ nahe am Tento-

rium ein. Die Blutung hat ihren Ursprung dann in derRegel im Sinus sagittalis superior. Das resultierendesupratentorielle SDH liegt infolgedessen oft dorsal in-terhemisphärisch.

Ein Einriss der Brückenvenen führt ebenfalls zueinem supratentoriellen SDH. Dies liegt jedoch übereiner Hemisphäre und weist die für ein SDH typische„Halbmondform“ mit einer konvex-konkaven Konfigu-ration auf. Im Gegensatz zum SDH bei älteren Kindern,ist das SDH beim Neugeborenen meist einseitig. Zusätz-lich werden oft subarachnoidale Blutanteile beobachtet.

Ein Einriss des Tentoriums kann zu einer Lazerationder Vena Galeni, des Sinus rectus oder des Sinus trans-versus führen, was eine sehr ausgedehnte, akut lebens-bedrohliche infratentorielle Blutung zur Folge hat.Kommt es jedoch lediglich zur Ruptur kleinerer infra-tentorieller Venen, so entsteht meist nur ein kleineres,infratentorielles SDH. Solche kleineren, infratentoriel-len SDH sind wahrscheinlich häufiger als früher ange-nommen und bisweilen klinisch nicht relevant.

Bei einer okzipitalen Diastase weichen die Hinter-hauptschuppen der Kalotte während der Geburt aus-einander. Hierdurch kann es zu einem Einriss der ve-nösen Blutleiter und dadurch zu einem infratentoriel-len SDH kommen. Das so entstandene Hämatom liegtdem Tentorium meist direkt von unten an.

Tabelle 10.1 fasst die verschiedenen Entstehungsme-chanismen von SDH im Rahmen geburtstraumatischerVeränderungen zusammen.

Mechanisch-geburtstraumatische Schädigungenkönnen zu SDH führen. Ist die Ursache ein Einrissdes Tentoriums oder eine okzipitale Diastase, sokommt es zu einem infratentoriellen SDH. Ist dieUrsache hingegen ein Einriss der Falx oder derBrückenvenen, kommt es zu einem supratentoriel-len SDH.

Merke

In der CT stellt sich ein frisches SDH deutlich hyper-dens dar. Im weiteren Verlauf wird es dann zunehmendhypodens.

In der MRT hängt die Signalintensität – wie bei an-deren Hämatomen auch – vom Alter des Befundes ab.

Kapitel 10

Tabelle 10.1. Entstehungsmuster von SDH im Rahmen einesmechanischen Geburtstraumas

Entstehungs-mechanismus

Veränderungen in der MRT oder CT

Einriss der Falxcerebri

Supratentorielle Lage des SDHIn der Regel dreieckige Konfigurationim Bereich des dorsalen Interhemis-phärenspalts

Einriss derBrückenvenen

Supratentorielle Lage des SDHIn der Regel einseitigKonvex-konkave Konfiguration überder Hemisphäre

Einriss desTentoriums

Infratentorielle Lage des SDHBei Beteiligung der Vena Galeni gro-ßes HämatomCave: Hydrozephalus und Begleitver-letzungen der HWS

Diastase der Hin-terhauptsknochen

Infratentorielle Lage des SDHMeist direkt unterhalb des Tentoriumsdorsal gelegen

Bei akuten SDH, bei denen die MRT innerhalb der ers-ten Sunden bis wenigen Tage erfolgt ist, zeigt sich in derT2-Gewichtung eine Hypointensität, in der T1-Gewich-tung eine Isointensität gegenüber dem Hirnparenchym.Diese Signalintensität ist durch die Gegenwart von ex-trazellulärem Deoxyhämoglobin verursacht. Im weite-ren Verlauf wird dieses Desoxyhämoglobin in Methä-moglobin umgewandelt. Hierdurch entsteht eine deut-

a b

Abb. 10.1 a, b. Zustand nach SDH in der Neugeborenenperiode. Axiale a T2- und b T1-gewichtete Aufnahmen zeigen in dieserKontrolluntersuchung lediglich ein schmales liquorisointenses Residuum über der frontalen rechten Hemisphäre (Pfeile)

Tabelle 10.2. Stadien einer intrakraniellen Blutung in der MRT

Stadium Erythrozyten-abbauprodukte

Signalintensität inder MRT im Ver-gleich zum Hirn-parenchym

Hyperakut(wenige Stunden)

Erythrozyten undFibrin, noch keinErythozytenabbau

T1 isointensT2 hyperintens

Akut (6–72 h) Deoxy- undOxyhämoglobin

T1 isointensT2 hypointens, vorallem im Zentrumder Läsion

Subakut(4 Tage bis etwa4 Wochen)

Methämoglobin T1 hyperintensT2 hyperintens

Chronisch Hämosiderin undFerritin

T1 hypointens, vorallem im Randbe-reich beginnendT2 hypointens, vorallem im Randbe-reich beginnend

liche Hyperintensität in den T1-gewichteten Aufnah-men. Auch in den T2-gewichteten Sequenzen stellt sichdie Blutung nun hyperintens gegenüber dem Hirnpa-renchym dar. Diese Umwandlung in Methämoglobinfindet zuerst in der Peripherie des Hämatoms statt. Erstetwas später wird auch das Zentrum der Blutung zuMethämoglobin isointens (Tabelle 10.2). Im Gegensatz

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zum Parenchymhämatom wird die subdurale Blutungrelativ rasch, meist innerhalb von 3 Wochen, vollstän-dig resorbiert, ohne dass Hämosiderin und Ferritin zu-rückbleiben. Ist die Blutung komplett resorbiert, wirddie subdurale Flüssigkeitsansammlung isointens zu Li-quor.

Abbildung 10.1 a,b zeigt eine Kontrolluntersuchungbei einem einen Monat alten Jungen mit einem Zustandnach SDH in der Neugeborenenperiode. Die Blutung istbereits nahezu vollständig resorbiert, es lässt sich le-diglich ein sehr schmales Residuum über dem fronta-len Anteil der rechten Hemisphäre abgrenzen.

Die Form eines SDH über der Großhirnhemisphäreist in der Regel konvex-konkav, also halbmondförmig.Ein interhemisphärisches und auch ein infratentoriel-les SDH kann hingegen dreieckig oder auch annäherndbikonvex konfiguriert sein.

Tabelle 10.2 gibt einen Überblick über die Signalver-änderungen in den verschiedenen Blutungsstadien.

Die Entwicklung der MR-Signalintensität einersubduralen Blutung und auch einer Parenchym-blutung folgt einem festen Schema. Im subakutenMethämoglobinstadium findet sich eine Hyperin-tensität sowohl in der T1- als auch in der T2-Wich-tung.

Merke

10.2Extrakranielle geburtstraumatischeVeränderungen

Im Rahmen einer vaginalen Geburt treten nicht seltenVeränderungen außerhalb der Kalotte auf, insbesonde-re wenn es sich um eine Geburt mit Zange oder Saug-glocke handelt.

10.2.1Caput succedaneum

Recht häufig wird ein so genanntes Caput succeda-neum beobachtet. Ein Caput succedaneum ist eine öde-matöse und blutige Imbibierung der Kopfhaut nacheiner vaginalen Entbindung. Diese Schwellung wirdnicht durch die Schädelnähte begrenzt und ist ober-flächlich gelegen. Sie ist ohne klinische Bedeutung undbildet sich innerhalb weniger Tage spontan wieder zu-rück. Eine radiologische Abklärung eines solchen Be-fundes ist nicht nötig. Wird es in aus anderen Gründendurchgeführten Untersuchungen festgestellt, so ist esals reiner Nebenbefund zu werten.

Abb. 10.2. Kleines subgaleales Hämatom bei einem 2 Tage altenNeugeborenen. Die CT in Knochentechnik zeigt ein schmalessubgaleales Hämatom und eine Kalottenfraktur (Pfeile)

10.2.2Subgaleales Hämatom

Eine weitere perinatale Veränderung ist das subgalealeHämatom. Hierbei ist die Blutung unterhalb der Galeagelegen. Sie ist ebenfalls nicht durch die Schädelnähte be-grenzt. Eine subgaleale Blutung kann innerhalb der ers-ten Lebenstage an Größe weiter zunehmen. Selten ein-mal muss aufgrund des Blutverlustes therapiert werden.In den meisten Fällen bildet sich auch das subgaleale Hä-matom spontan und komplikationslos wieder zurück.Abbildung 10.2 zeigt eine CT eines subgalealen Häma-toms bei einem 2 Tage alten Neugeborenen. Zusätzlich istes zu einer kleinen Impressionsfraktur gekommen.

10.2.3Zephalhämatom

Ein Zephalhämatom ist eine subperiostal gelegene Blu-tung. Hier ist die Ausdehnung der Blutung durch dieSchädelnähte begrenzt. Zephalhämatome sind beson-ders häufig nach Zangengeburten. Auch sie nehmennach der Geburt noch an Größe zu. Zephalhämatomebilden sich meist spontan wieder zurück, die Rückbil-dung kann allerdings bis zu mehreren Monaten dau-ern. In der MRT oder CT stellen sie sich als halbmond-förmige Raumforderungen im Bereich der äußeren Ka-lotte dar. In der MRT sind sie – je nach Untersuchungs-zeitpunkt – meist Methämoglobin-isointens, also hy-perintens in der T1- und in der T2-Gewichtung.

Tabelle 10.3 fasst die verschiedenen extrakraniellengeburtstraumatischen Veränderungen im Schädelbe-reich zusammen.

10.2 Extrakranielle geburtstraumatische Veränderungen 225

Tabelle 10.3. Arten des extrakraniellen mechanischen Geburts-traumas

Bezeichung Veränderungen klinisch, bzw. in derMRT oder CT

Caputsuccedaneum

Ödematös-hämorrhagische Imbibierungder KopfhautMRT oder CT nicht indiziertOberflächliche Lage, spontane Rückbil-dung innerhalb von Tagen

SubgalealesHämatom

Flächige Blutung unterhalb der GaleaSelten Intervention aufgrund eines Blut-verlusts nötigIn der Regel spontane Rückbildung in-nerhalb von 2– 3 Wochen

Zephalhämatom Subperiostale BlutungBegrenzung durch die Schädelnähte,Konfiguration meist halbmondförmigIn der Regel spontane Rückbildung in-nerhalb von Monaten; kann auch verkal-ken und persistieren

Im Rahmen extrakranieller geburtstraumatischerVeränderungen können ein Caput succedaneum,eine subgaleale Blutung oder ein Zephalhämatomauftreten. Die Veränderungen bilden sich in denmeisten Fällen komplikationslos und spontan wie-der zurück.

Merke

10.3Traumatische Veränderungen nach derGeburtsperiode

Nach der direkten perinatalen Phase stellen sich trau-matische Veränderungen des Gehirns bei Kindern ähn-lich dar wie bei Erwachsenen. Man sollte allerdings imHinterkopf behalten, dass gerade bei Säuglingen be-stimmte Unfallmechanismen selten bis gar nicht vor-kommen. Hier muss auch an eine Kindesmisshandlungals Ursache des Traumas gedacht werden. Allerdingskönnen natürlich auch in dieser Altersgruppe Unfälle,wie beispielsweise ein Sturz vom Wickeltisch, auftre-ten, sodass selbstverständlich nicht jede Schädel-Hirn-Verletzung eines Säuglings oder Kleinkindes von vorn-herein als Kindesmisshandlung gewertet werden darf.

Zudem sollte beachtet werden, dass auch schwereTraumen bei Kindern nicht notwendigerweise zu einerBewusstlosigkeit führen. Eine fehlende Bewusstlosig-keit nach einem Unfall schließt also eine Schädel-Hirn-Verletzung nicht aus, was bei der Indikationsstellungzur weiteren Diagnostik berücksichtigt werden sollte.

Man unterscheidet klassischerweise 4 Arten der int-rakraniellen Blutung:

) die epidurale Blutung,) die subdurale Blutung,

) die subarachnoidale Blutung (SAB) und) die Parenchymblutung.

Eine Parenchymblutung kann sich zum einen als zere-brale Kontusionsblutung manifestieren. Zum anderenkönnen aber auch Scherverletzungen im Sinne einerdiffusen Axonalschädigung (DAI) oder subkortikalerVerletzungsmuster auftreten. Zudem sind intraventri-kuläre Blutungen oder Einblutungen in den Plexuschoroideus möglich. Tabelle 10.4 fasst die verschiede-nen extraparenchymatösen, Tabelle 10.5 die intrapa-renchymatösen Blutungsarten zusammen.

Tabelle 10.4. Formen der traumatischen intrakraniell-extra-axialen Blutung

Art desHämatoms

Veränderungen in der MRT oder CT

SAB Im CT Hyperdensität, in der FLAIRHyperintensität im SubarachnoidalraumOft begleitend bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit anderen Blutungen

SDH Nach der Perinatalperiode meist durchEinriss der Brückenvenen verursachtKonvex-konkave Halbmondform, nichtdurch Schädelnähte begrenztOft bilateral

Epidural-hämatom

Meist durch Einriss der A. meningea mediaBikonvexe Form, Begrenzung durchSchädelnähteBei kleinen Kindern selten

Intraventriku-läre Blutungen

Blutanteile im VentrikelsystemBlut-Liquor-Spiegel vor allem in denSeitenventrikelnEventuell Auffüllen des gesamten Ventri-kelsystems mit Blut

Blutungen inden Plexuschoroideus

Volumenzunahme und Dichteerhöhungdes Plexus choroideus

Tabelle 10.5. Formen der traumatischen intraparenchymatö-sen Hirnblutungen

Art desHämatoms

Veränderungen in der MRT oder CT

Kontusions-blutung

Oft als Coup- und Contrecoup-LäsionenangeordnetInitial häufig nur petechiale Blutungenund Ödem abgrenzbarIn den ersten 24–48 h oft Größenzunahme

Diffuse Axonal-verletzungen(„diffuse axonalinjury“/DAI)

Multiple kleine ScherverletzungenSignalauslöschungen in T2*-gewichtetenGRE-SequenzenVor allem an der Mark-Rinden-Grenze, imBalken, im Mittelhirn und im oberen Pons

SubkortikaleVerletzungen(„subcorticalinjury“/SCI)

Scherverletzungen mit Petechien oderÖdemenVor allem im Hirnstamm, in den Basal-ganglien, in den Thalami und periventri-kulär um den 3. Ventrikel

226 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

10.3.1Epidurale Hämatome

Epidurale Hämatome breiten sich zwischen der Duraund der Tabula interna der Kalotte aus. Da die Anhef-tung zwischen diesen Strukturen recht fest ist, kommtes meist zunächst zu einer langsamen Ausbreitung. Istjedoch eine kritische Größe erreicht, so kann es, geradebei arteriellen Blutungen, zu einer raschen Größenzu-nahme kommen.

Epidurale Hämatome treten häufiger bei älterenKinder und Jugendlichen auf, bei Kleinkindern undSäuglingen sind sie recht selten. Bei älteren Kinder undJugendlichen liegt – wie bei Erwachsenen – meist einEinriss der A. meningea media zugrunde. Bei Säuglin-gen und Kleinkindern ist hingegen häufiger ein Rissder duralen Venen die Ursache; die Prognose ist dannbesser.

Klassischerweise kommt es nach einem Trauma, daszu einem epiduralen Hämatom führt, zu einer kurzfris-tigen Bewusstlosigkeit, der aber ein Intervall folgt, indem der Patient wach und klar ist. Im weiteren Verlaufkann es dann rasch zu einem Koma und zu Zeichen derEinklemmung kommen, sodass die Diagnose frühzei-tig gestellt werden sollte. Gerade bei Kindern kann dieinitiale Phase der Bewusstlosigkeit durchaus fehlen.Nichtsdestotrotz muss bei einem entsprechenden Trau-ma immer auch an ein epidurales Hämatom gedachtund eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden.

Bei einem epiduralen Hämatom kann nach einerinitialen, kurzen Bewusstlosigkeit eine Phase auf-treten, in der der Patient wach und orientiert ist.Im weiteren Verlauf kann es jedoch rasch zu Komaund Einklemmung kommen, sodass immer Vor-sicht geboten ist. Bei Kindern sind auch atypischeklinische Verläufe – gerade auch mit fehlender ini-tialer Bewusstlosigkeit – möglich.

Merke

Epidurale Hämatome liegen in der Regel an der Auf-prallseite des Traumas, also an der „Coup-Seite“. Siehaben in der CT und in der MRT eine typische bikonve-xe, ovaläre Konfiguration. Im Gegensatz zu SDH über-schreiten sie die Schädelnähte nicht. Allerdings könnensie sich gelegentlich über die Falx oder über das Tento-rium hinweg ausdehnen.

In der Akutphase stellen sich epidurale Hämatomein der CT hyperdens dar. Um kleine epidurale Hämato-me nicht zu übersehen, sollten nach Möglichkeit amBildschirm die Fenstereinstellungen etwas variiert wer-den. Dies kann helfen, das hyperdense epidurale Hä-matom von der angrenzenden, sehr dichten Kalotte zudifferenzieren. Gelegentlich können auch multiplanareReformatierungen, beispielsweise in einer koronarenSchichtführung, hilfreich sein. Die Signalintensität in

Abb. 10.3. Epiduralhämatom. Die CT zeigt die typische bikon-vexe Form des Epiduralhämatoms (Pfeile); zusätzlich kommensubarachnoidale Blutanteile zur Darstellung

der MRT verhält sich analog zu dem in Tabelle 10.2. zu-sammengefassten Schema.

Im Bereich des epiduralen Hämatoms findet sichhäufig zugleich eine Fraktur der Schädelkalotte. Aller-dings treten gerade bei Kindern nicht selten epiduraleHämatome auch ohne das Vorhandensein einer Schä-delfraktur auf.

Bei jedem epiduralen Hämatom sollte immer auchauf Begleitverletzungen geachtet werden, geradeauch auf mögliche „Contrecoup-Herde“ auf der demAnprallort gegenüberliegenden Seite.

Abbildung 10.3 zeigt ein rechtsseitiges Epiduralhä-matom bei einem 17-jährigen Jungen nach einem Ver-kehrsunfall. Es kommt die typische bikonvexe Konfigu-ration zur Darstellung.

Epidurale Hämatome haben eine bikonvexe Konfi-guration. Ihnen liegt meist ein Einriss der A. me-ningea media zugrunde, gelegentlich kommen je-doch auch venöse Blutungen vor. Epidurale Häma-tome liegen meist am Anprallort des Traumas(„Coup-Seite“). Kalottenfrakturen sind häufig,aber nicht zwingend vorhanden.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 227

10.3.2Subdurale Hämatome

Eine subdurale Blutung breitet sich zwischen der In-nenseite der Dura und der Arachnoidea aus. Außernach Geburtstraumen (s. oben) – treten SDH in denmeisten Fällen über den Großhirnhemisphären auf. Ih-nen liegt in der Regel eine Ruptur der Brückenvenenzugrunde, sie sind also normalerweise venöse Blutun-gen. Subduralblutungen treten vor allem bei Säuglin-gen und Kleinkindern auf. Bei älteren Kindern sind sieeher selten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass dasnoch nicht myelinisierte Gehirn weicher ist und somitbei einem Trauma eine vermehrte Zugbelastung auf dieBrückenvenen ausgeübt wird. Im Gegensatz zum Er-wachsenen und zur Situation nach einem Geburtstrau-ma sind SDH bei Kindern häufiger bilateral. Bei Kin-dern mit SDH sollte immer auch die Möglichkeit einesnichtakzidentellen Traumas, also einer Kindesmiss-handlung in Betracht gezogen werden, insbesonderewenn kein adäquates Trauma vorliegt oder wenn akuteund ältere Anteile vorliegen.

In der CT und MRT stellt sich die typische konvex-konkave, also halbmondförmige, Konfiguration derSDH dar. SDH werden nicht durch Schädelnähte be-grenzt. Im Gegensatz zu epiduralen Hämatomen brei-ten sie sich nicht über Falx und Tentorium hinweg aus,sie können sich aber entlang dieser Strukturen ausdeh-nen.

Wie bei epiduralen Hämatomen auch, kann es hilf-reich sein, bei der Befundung am Bildschirm die Fens-tereinstellung zu variieren. Gerade weite Fensterein-stellungen können helfen, das Hämatom von der dich-ten Kalotte abzugrenzen.

Die Dichte und Signalintensität von epiduralen Hä-matomen variiert mit dem Stadium der Blutung (vgl.Tabelle 10.2). In der akuten Phase stellt sich das SDH inder CT hyperdens dar, im subakuten Stadium wird eszunehmend isodens und im chronischen Stadiumschließlich hypodens im Vergleich zum Hirnparen-chym. Bei Kindern liegt die Dichte eines SDH durch Re-sorptionsvorgänge meist schon nach etwa 3 Wochenunter der des Hirnparenchyms. Man spricht dann voneinem chronischen SDH. Nach Kontrastmittelgabe fin-det sich jedoch ein Enhancement im Bereich der be-grenzenden Membranen des SDH, was bei der Diagno-sestellung chronischer SDH hilfreich sein kann.

Abbildung 10.4 zeigt ein bilaterales SDH mit einer ty-pischen konvex-konkaven Form. Abbildung 10.5 stelltein subakutes SDH dar. Die Dichte des Hämatomsgleicht der des Hirnparenchyms. Die MRT in Abb. 10.6zeigt ein ausgedehntes akutes SDH bei einem 4 Wochenalten, misshandelten Mädchen. Die Mittellinienstruktu-ren sind nach rechts verlagert, der rechte Seitenventrikelist im Zuge einer Foramen-Monroi-Blockade erweitert.Zudem liegen Einblutungen in das Rindenband vor.

Abb. 10.4. Bilaterale SDH. Die CT zeigt die typische konvex-konkave Form der Hämatome (Pfeile)

Abb. 10.5. Subakutes SDH. Die Dichte des SDH (Pfeile) gleichtder des Hirnparenchyms

SDH liegen bei postnatalen Traumen meist überden Großhirnhemisphären. Sie haben eine typi-sche konvex-konkave Konfiguration. Ihnen liegtoft eine Ruptur der Brückenvenen zugrunde.

Merke

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Abb. 10.6. Akutes SDH bei einem misshandelten Säugling. Dieaxiale T2-gewichtete Sequenz zeigt ein ausgeprägtes linksseiti-ges SDH (Pfeile) mit Mittellinienverlagerung nach rechts undeiner Foramen-Monroi-Blockade rechts. Zudem liegen Einblu-tungen in das Rindenband vor

10.3.3Traumatische Subarachnoidalblutungen

Eine Subarachnoidalblutung (SAB) breitet sich in denSubarachnoidalräumen zwischen Arachnoidea und Piamater und in den basalen Zisternen aus. Eine traumati-sche SAB kann folgende Ausbreitungsmuster haben:

) diffus im Subrarachnoidalraum bzw. in den basalenZisternen,) fokal, angrenzend an eine Kontusionsblutung oder

ein SDH,) Blutauflagerungen auf dem Tentorium.

Meist geht eine traumatische SAB mit weiteren Verlet-zungen, wie sub- oder epiduralen Blutungen und Kon-tusionsblutungen einher. Im Verlauf kann es zu einemHydrozephalus kommen. Dieser kann akut im Rahmendes Traumas auftreten, was allerdings verhältnismäßigselten ist. Zudem kann es aber auch zu einem chroni-schen Hydrozephalus kommen, der mit einer zeitlichenVerzögerung auftritt und der durch eine Verklebungder arachnoidalen Granulationen und eine konsekutiveBehinderung der Liquorresorption zustande kommt.Zudem können, wie bei einer nichttraumatischen SAB,im Verlauf Vasospasmen auftreten.

Eine traumatische SAB manifestiert sich radiolo-gisch wie eine SAB nach Ruptur eines Aneurysmas, wo-bei allerdings das Verteilungsmuster meist unter-schiedlich ist. In der CT findet sich hyperdenses Sub-

Abb. 10.7. Traumatische SAB. Die CT zeigt hyperdenses Sub-strat in den subarachnoidalen Liquorräumen links

strat in den subarachnoidalen Liquorräumen bzw. inden basalen Zisternen. Gelegentlich kann hyperdensesMaterial in der Cisterna interpeduncularis der einzigeHinweis auf eine traumatische SAB sein.

In der MRT kann eine FLAIR-Sequenz für die Diag-nosestellung hilfreich sein – die SAB stellt sich, im Ge-gensatz zum dunklen Liquor, hyperintens dar. Vor-sicht ist allerdings in Regionen mit einem raschen Li-quorfluss geboten. Auch hier kann es einmal zu einemhohen Signal in der FLAIR-Sequenz kommen, ohnedass diesem eine Blutung zugrunde läge. Ist es zu Va-sospasmen gekommen, so können diffusions- undperfusionsgewichtete Sequenzen zudem helfen, dasAusmaß der ischämischen Veränderungen zu beurtei-len.

Eine traumatische SAB ist oft eine Begleiterschei-nung bei schweren Hirntraumen. Isoliert kommt sieeher selten vor. Es sollte daher immer auch auf das Vor-liegen sub- und/oder epiduraler Hämatome und aufParenchymkontusionen geachtet werden.

Abbildung 10.7 zeigt eine traumatische Subarach-noidalblutung in der CT bei einem 10-jährigen Mäd-chen nach einem Fahrradsturz. Es zeigt sich hyperden-ses Material im Bereich der subarachnoidalen Liquor-räume.

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 229

Traumatische SAB können sich diffus, fokal odernur als Blutauflagerungen auf dem Tentorium ma-nifestieren. Im Verlauf kann es zu Vasospasmenund zu einem akuten oder chronischen Hydroze-phalus kommen. Meist liegen weitere Schädel-Hirn-Verletzungen vor.

Merke

10.3.4Kontusionsblutungen

Zerebrale Kontusionsblutungen entstehen bevorzugtin Regionen, in denen sich Hirnparenchym in enger to-pographischer Beziehung zu knöchernen Ausziehun-gen oder duralen Umschlagsfalten befindet. Besondershäufig sind der Temporallappen und die frontobasalenAnteile des Frontallappens betroffen. Aber auch die pa-rasagittalen Regionen sind relativ oft beteiligt. Zudemkönnen Kontusionsblutungen auch im Bereich einerSchädelfraktur entstehen, insbesondere wenn eine Im-pression vorliegt.

Kontusionsblutungen sind häufig nach dem „Coup-und-Contrecoup-Prinzip“ angeordnet. Die Verletzungam Ort des primären Aufpralls bezeichnet man dabeials Coup-Läsion, die Verletzung des gegenüberliegen-

a b

Abb. 10.8 a, b. Intrazerebrale Kontusionsblutungen bei einem 14-jährigen Jungen. Die CT zeigt frontotemporale Coup- und Con-trecoup-Kontusionen sowie weiter kranial bifrontale Parenchymblutungen

den Hirnparenchyms als Contrecoup-Läsion. Letztereentsteht durch den Anprall des Hirnparenchyms an dieSchädeldecke. Liegt eine Kontusionsblutung vor, solltealso immer auch auf das gegenüberliegende Hirnarealgeachtet werden. Auf der Coup-Seite kann sich eineSchädelfraktur, insbesondere eine Schädelfraktur mitImpression, finden.

In der CT kommen akute Kontusionsblutungen, wiealle akuten bis subakuten intrakraniellen Blutungen,hyperdens zur Darstellung. In den ersten Stunden sindallerdings oft lediglich schlecht abgrenzbare Hypoden-sitäten und fokale Schwellungen mit einzelnen, kleine-ren Petechien zu sehen. Nach 24–48 Stunden lassensich häufig neue Läsionen abgrenzen. Zudem nimmtdie raumfordernde Wirkung oft zu und es entstehenzunehmende perifokale Ödemzonen. Aus den ur-sprünglich petechialen Blutungen können größere Hä-matome entstehen. Im weiteren Verlauf kommt esschließlich zu einer Resorption mit Defektzonen undGliosen.

In der MRT verläuft die Signalintensität der Blutungnach den bekannten Stadien (vgl. Tabelle 10.2). FLAIR-Sequenzen können hilfreich sein, um das Ausmaß desKortexödems abzugrenzen und zudem eine möglichetraumatische SAB abzugrenzen. Ist die Blutung voll-ständig abgebaut, bleiben liquorisointense Defektzo-

230 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a b

Abb. 10.9 a, b. Defektzonen nach Kontusionsblutungen. Die axialen T2-gewichteten Sequenzen zeigen rechts temporal und linksparietal Defektzonen im Sinne von abgelaufenen Coup- und Contrecoup-Kontusionen (Pfeile)

nen und Glianarben zurück. Oft lassen sich noch resi-duale Blutabbauprodukte wie Hämosiderin oder Ferri-tin nachweisen, insbesondere in T2*-gewichteten GRE-Sequenzen.

Sind die radiologischen Untersuchungen anfangsnegativ, so muss eine Wiederholungsuntersuchungnach 24 –48 Stunden in Erwägung gezogen werden.

Abbildung 10.8 a,b zeigt frontotemporale Coup- undContrecoup-Kontusionen bei einem 14-jährigen Jun-gen nach einem Verkehrsunfall. Weiter kranial sindauch bifrontale Parenchymblutungen zu erkennen. DieMRT in Abb. 10.9 a,b zeigt Defektzonen temporalrechts und parietal links bei einem 11-jährigen Jungenmit einem Zustand nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Die Defektzonen entsprechen abgelaufe-nen Coup- und Contrecoup Kontusionen.

Zerebrale Kontusionsblutungen sind oft als „Co-up-und-Contrecoup-Läsionen“ angeordnet. Sienehmen in den ersten 24–48 Stunden nach demTrauma zu, anfangs sind oft nur petechiale Blutun-gen und Ödemzonen abzugrenzen. Sind die radio-logischen Untersuchungen anfangs negativ, musseine Wiederholungsuntersuchung nach 24 –48Stunden in Erwägung gezogen werden.

Merke

10.3.5Scherverletzungen

Im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas kann es zumultiplen kleinen Scherverletzungen der Axone kom-men, was auch als diffuse axonale Schädigung („diffu-se axonal injury“/DAI) bezeichnet wird. Hierbei tretenkleine und kleinste Verletzungen auf, wobei etwa2/3 im Bereich der Mark-Rinden-Grenze und etwa einFünftel im Bereich des Balkens gelegen sind. Auch eineLage im Bereich des Hirnstamms ist möglich, vor al-lem im Bereich des dorsolateralen Mittelhirns und desoberen Anteils des Pons. Seltener einmal könnenScherverletzungen auch im Thalamus, im Nucleuscaudatus, im Tegmentum und im Bereich der Capsulainterna und externa auftreten. Man nimmt an, dasssich etwa 80% der Scherverletzungen in der Schnitt-bilddiagnostik nicht darstellen, da sie mikroskopischklein sind – es wird also immer nur die Spitze des Eis-bergs gesehen.

Der Schweregrad einer DAI wird nach Adams undGennarelli eingeteilt in:

) Stadium 1: Es ist die Mark-Rinden-Grenze im Be-reich der Frontal- und Temporallappen betroffen.) Stadium 2: Es sind auch der Balken und die tiefere

weiße Substanz betroffen.) Stadium 3: Es finden sich auch Läsionen im oberen

Anteil des Pons und im dorsolateralen Mittelhirn.

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 231

Je höher der Schweregrad ist, desto ausgeprägter wardas Trauma und desto tiefer liegen die betroffenenStrukturen. Zudem korreliert die Prognose des Kindesmit der Zahl der Läsionen. Klinisch sind die betroffe-nen Kinder in den meisten Fällen direkt nach demTrauma bewusstlos. Bei einer schweren DAI sind dieKinder meist komatös, leichtere Fälle können aberauch ohne Koma einhergehen. Bei einer schweren dif-fusen Axonalschädigung kann es zu einem apallischenSyndrom kommen. Ursächlich sind in den allermeistenFällen Verkehrsunfälle.

In der CT stellen sich diese Verletzungen initialmeist nicht dar. Gelegentlich lassen sich kleinereÖdemzonen oder punktförmige, petechiale Blutungenabgrenzen. Diese können sich allerdings im Verlaufauch zu größeren Blutungen entwickeln. Zudem lassensich in späteren Untersuchungen oft vorher nicht dar-gestellte Läsionen feststellen.

Die MRT ist deutlich sensitiver für kleine Scherver-letzungen. Besonders in T2*-gewichteten GRE-Sequen-zen stellen sich Scherverletzungen als multiple fokale Si-gnalauslöschungen dar. In der FLAIR-Sequenz hingegenfinden sich meist multiple kleine fokale Signalsteigerun-gen. Die diffusionsgewichteten Sequenzen demonstrie-ren oft kleine fokale Diffusionsrestriktionen. T1-ge-wichtete Sequenzen sind hingegen häufig unauffällig, eskönnen sich aber auch kleine Hyperintensitäten im Sinevon Methämoglobinablagerungen darstellen.

Die Veränderungen lassen sich vor allem in den T2*-

a c

Abb. 10.10 a–c. Scherverletzungen bei einem 12-jährigen Mädchen. Entlang der Mark-Rinden-Grenze kommen multiple Signalinten-sitätssteigerungen in der FLAIR- (c) und Signalauslöschungen in der axialen T2-gewichteten Sequenz (a, b) zur Darstellung (Pfeile)

gewichteten Sequenzen oft noch Jahre nach dem Trau-ma darstellen, was bisweilen auch gutachterliche Rele-vanz hat.

Abbildung 10.10 a–c zeigt Scherverletzungen beieinem 12-jährigen Mädchen nach einem Autounfall.

b

232 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a b

Abb. 10.11 a, b. DAI bei einem 11-jährigen Jungen. Die axiale T2*-gewichtete GRE-Sequenz zeigt multiple Signalauslöschungenan der Mark-Rinden-Grenze und im Bereich des Balkens (Pfeile)

Die initiale CT war unauffällig gewesen. In der MRT zei-gen sich entlang der Mark-Rinden-Grenze multiple Sig-nalintensitätssteigerungen in der FLAIR-Sequenz undSignalauslöschungen in der T2-gewichteten Sequenz.

Abb. 10.11 a,b zeigt multiple abgelaufene Scherverlet-zungen bei einem 11-jährigen Jungen nach einem Ver-kehrsunfall, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jah-re zurücklag. Es lassen sich multiple Signalauslöschun-gen in der T2*-gewichteten GRE-Sequenz im Bereich desBalkens und der Mark-Rinden-Grenze nachweisen.

Als DAI bezeichnet man eine diffuse axonale Schädi-gung, die sich als multiple kleine Scherverletzungenmanifestiert. Diese finden sich bevorzugt im Bereichder Mark-Rinden-Grenze, im Balken, im dorsolate-ralen Mittelhirn und im oberen Anteil des Pons.

Merke

10.3.6Subkortikale Verletzungsmuster

Subkortikale Verletzungsmuster („subcortical injury“/SCI) führen zu petechialen Einblutungen des Hirn-stamms, der Basalganglien, der Thalami und der umden 3. Ventrikel herum gelegenen Regionen. Am häu-figsten werden sie im Bereich des Putamens und desThalamus beobachtet. Im Verlauf kann es zu ausge-dehnteren Einblutungen kommen.

Insgesamt sind diese subkortikalen Verletzungs-muster als Grenzbefund zum Stadium 3 der DAI zu

werten. Die genaue Abgrenzung ist teilweise umstrit-ten. Ätiologisch sind auch hier vor allem Scherkräfteanzunehmen.

Die betroffenen Kinder sind in der Regel schwerstverletzt und weisen bei Aufnahme einen niedrigenWert auf der Glasgow Coma Scale (GCS) auf. Oft liegenweitere schwere Schädel-Hirn-Verletzungen vor. DiePrognose ist insgesamt schlecht. Viele Patienten ster-ben, zudem sind bleibende Behinderungen häufig.

Die CT ist häufig unauffällig, gelegentlich lassen sichkleine petechiale Einblutungen abgrenzen. Magnetreso-nanztomographisch ist die FLAIR-Sequenz meist diesensitivste Methode. Hier stellen sich die betroffenen Re-gionen hyperintens dar. In den T2*-gewichteten GRE-Se-quenzen zeigen sich Signalauslöschungen, in den diffu-sionsgewichteten Sequenzen oft Diffusionsrestriktionen.

Abbildung 10.12 a,b zeigt eine „subcortical injury“der Thalami bei einem Jungen mit einem Zustand nacheinem schweren Verkehrsunfall. In den T2*-gewichte-ten GRE-Sequenzen kommen Signalauslöschungen inbeiden Thalami zur Darstellung.

Bei subkortikalen Verletzungsmustern (SCI) lie-gen ödematöse Veränderungen und/oder pete-chiale Einblutungen des Hirnstamms, der Basal-ganglien, der Thalami und periventrikuläre Ein-blutungen um den 3. Ventrikel vor, die Folge vonSchertraumen sind.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 233

a b

Abb. 10.12 a, b. SCI bei einem Jungen nach einem Verkehrsunfall. Die axiale T2*-gewichtete GRE-Sequenz zeigt Signalauslö-schungen in beiden Thalami (Pfeile)

10.3.7Intraventrikuläre Blutungen

Bei intraventrikulären Blutungen kommt es zu trauma-tisch bedingten Blutansammlungen innerhalb des Ven-trikelsystems. Das Blut kann das Ventrikelsystem teilwei-se oder vollständig ausfüllen. Im Verlauf kann es zu ei-nem frühen oder auch zu einem verzögerten Hydrozepha-lus kommen. Ein sehr ungünstiges prognostisches Zei-chen ist es, wenn der 4. Ventrikel mit Blut tamponiert ist.

Es kann aber auch zu reinen Einblutungen in denPlexus choroideus kommen, ohne freie intraventriku-läre Blutanteile. Sekundär kann es aber auch hierschließlich zu intraventrikulären Blutungen kommen.

In der CT zeigt sich bei intraventrikulären Blutun-gen ein hyperdenses Substrat im Ventrikelsystem. Häu-fig liegen Blut-Liquor-Spiegel vor. Bei ausgeprägtenFällen kann das Ventrikelsystem auch mehr oder min-der vollständig mit Blut ausgegossen sein. Bei reinenEinblutungen in den Plexus choroideus wirkt der Ple-xus choroideus aufgetrieben und vermehrt hyperdens.

In der MRT empfiehlt sich vor allem die Anfertigungvon FLAIR-Sequenzen, die intraventrikuläre Blutun-gen mit hoher Sensitivität darstellen.

Im Rahmen eines Traumas kann es zu intraventri-kulären Blutungen, aber auch zu reinen Einblutun-gen in den Plexus choroideus kommen.

Merke

10.3.8Traumatisch bedingtes Hirnödem

Bei einem durch ein Trauma induzierten Hirnödemkann es zu 2 Arten des Ödems kommen:

1. zu einem vasogenen Ödem,2. zu einem zytotoxischen Ödem.

Ein vasogenes Ödem ist ein extrazelluläres Ödem, dasdurch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke bewirktwird. Hierdurch nimmt der extrazelluläre Anteil anWasser zu. In der Regel ist vorwiegend die weiße Sub-stanz bzw. das Myelin betroffen. Ein zytotoxischesÖdem hingegen ist ein intrazelluläres Ödem. Es ent-steht durch eine Zellschwellung, wodurch der intrazel-luläre Wassergehalt zunimmt. Meist ist hierbei vorwie-gend die graue Substanz betroffen. Beide Formen desÖdems können posttraumatisch gleichzeitig vorhan-den sein, wobei ein vasogenes Ödem vor allem in denersten Stunden, ein zytotoxisches Ödem hingegenmeist etwas später auftritt.

Bei Säuglingen und Kleinkindern muss bei einemtraumatischen Hirnödem immer auch an eine Kindes-misshandlung gedacht werden. Bei älteren Kindern undTeenagern sind Verkehrsunfälle bzw. Fahrradunfälle einerelativ häufige Ursache. Insgesamt sind posttraumati-sche Ödeme bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

Klinisch weisen die betroffenen Kinder meist eineBewusstseinsstörung variablen Ausmaßes auf, die voneiner Somnolenz bis zum tiefen Koma reichen kann.

234 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

In der CT zeigt sich bei einem traumatisch bedingtenHirnödem eine Schwellung des Hirnparenchyms mitverstrichenen Sulci. Das Hirnparenchym erscheint dich-tegemindert, die Mark-Rinden-Differenzierung ist he-rabgesetzt. Die Perfusion der supratentoriellen Struktu-ren ist im Vergleich zur Perfusion der infratentoriellenStrukturen herabgesetzt, sodass es zu einer relativ hy-perdenseren Darstellung des Kleinhirns kommt („whitecerebellar sign“). Zudem sollte in der CT immer auchauf intrakranielle Blutungen geachtet werden.

In der MRT stellen sich die Ödemzonen in der T2-Gewichtung und in der FLAIR-Sequenz hyperintens, inder T1-Gewichtung hingegen hypointens dar. Beson-ders hilfreich ist die Anfertigung diffusionsgewichteterSequenzen. Bei einem vasogenen Ödem kommt es zueinem Anstieg des extrazellulären Wassergehaltes. DerADC steigt also. Bei einem zytotoxischen Ödem kommtes hingegen zu einer Zellschwellung, also zu einem An-stieg des intrazellulären Wassergehaltes. Infolgedessensinkt der ACD-Wert. Im „diffusion tensor imaging“(DTI) stellt sich bereits früh eine Anisotropie ein.

Die ödematösen Veränderungen halten meist etwa2 Wochen an. Im weiteren Verlauf kommt es dann imRahmen der Zellschädigung zu einer Atrophie.

Bei einem traumatisch bedingten Ödem kann es zueinem vasogenen und zu einem zytotoxischenÖdem kommen. Bei einem vasogenen Ödem steigtder extrazelluläre Wassergehalt, der ADC steigt.Bei einem zytotoxischen Ödem steigt der intrazel-luläre Wassergehalt, der ADC sinkt.

Merke

10.3.9Traumatisch bedingte Ischämien

Ein Schädel-Hirn-Trauma kann zu ausgeprägten hä-modynamischen Veränderungen führen, in deren Fol-ge es zu zerebralen Ischämien kommen kann. Kindersind dabei häufiger betroffen als Erwachsene, Jungenetwas häufiger als Mädchen. Meist ist das zugrunde lie-gende Schädel-Hirn-Trauma schwer, der GCS-Wert istin der Regel bei Aufnahme relativ niedrig.

Traumatisch bedingte Ischämien entstehen sekun-där als Reaktion auf das Schädel-Hirn-Trauma. Sie sindbei schweren Schädel-Hirn-Traumen relativ häufig.Hierbei können zahlreiche Ursachen zugrunde liegen(Tabelle 10.6). Zum einen kann das Gefäß direkt durcheine raumfordernde Blutung komprimiert werden.Zum anderen kann es im Rahmen einer Einklemmungzu einem Abdrücken eines Gefäßes kommen. Tabel-le 10.7 fasst die verschiedenen Formen der Gefäßkom-pressionen zusammen. Die A. cerebri posterior ist da-bei am häufigsten betroffen.

Zudem kommen auch andere Ursachen einer post-traumatischen zerebralen Ischämie infrage. Hierzu

Tabelle 10.6. Ursachen für posttraumatische Ischämien

) Kompression eines Gefäßes im Rahmen einer Einklem-mung

) Direkte Kompression eines Gefäßes durch eine raumfor-dernde Blutung

) Vasospasmen bei traumatischer SAB) Systemische Minderperfusion) Gefäßverletzung) Gefäßdissektion) Embolische Ereignisse

Tabelle 10.7. Gefäßterritorien zerebraler Ischämien im Rah-men von Einklemmungssyndromen

Gefäßterritorium Ursache

A. cerebri posterior Kompression gegen das Tentoriumbei einer medialen Einklemmungdes Temporallappens

A. cerebri anterior Kompression einer oder beiderArterien bei einer subfalzinenEinklemmung des Gyrus cinguli

A. cerebri media Bei hochgradigem Hirnödem oderbei einer generellen Einklemmung

Aa. lenticulostriataeund thalamoperforantes

Dehnung und Kompression bei aus-geprägt raumfordernden Effekten

A. cerebelli superior Kompression gegen das Tentoriumbei deszendierender oder aszen-dierender transtentorieller Ein-klemmung

A. cerebelli inferiorposterior

Kompression bei einer Einklem-mung der Kleinhirntonsillen

zählen eine systemische Minderperfusion, Gefäßver-letzungen oder -dissektionen, embolische Ereignisseoder Vasospasmen bei einer traumatischen SAB.

Die CT zeigt bei Aufnahme häufig noch keine Zei-chen einer zerebralen Ischämie. Es lassen sich meist le-diglich allgemeine Zeichen eines Schädel-Hirn-Trau-mas abgrenzen, wie subarachnoidale, subdurale oderepidurale Blutungen, eine generalisierte Hirnschwel-lung, Kontusionsblutungen oder Scherverletzungen.

In der MRT sind – wie bei nichttraumatischen zere-bralen Ischämien auch – diffusionsgewichtete Sequen-zen besonders hilfreich. Hier zeigt sich bei einer akutenIschämie ein zytotoxisches Ödem mit eine Diffusions-restriktion, also einem erhöhten Signal in den diffu-sionsgewichteten Sequenzen, und einer korrespondie-renden Verminderung des ADC.

Im Rahmen schwerer Schädel-Hirn-Traumenkommt es nicht selten zu zerebralen Ischämien.Diese können durch eine Kompression eines Gefä-ßes, durch Einklemmung oder eine raumfordern-de Blutung, aber auch durch Dissektionen, Gefäß-lazerationen, Vasospasmen, eine Minderperfusionoder Embolien entstehen.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 235

10.3.10Einklemmungssyndrome

Von einer Einklemmung bzw. Herniation spricht man,wenn Hirnparenchym aus einem intrakraniellen Kom-partiment in ein anderes verdrängt wird, das von die-sem normalerweise durch knöcherne oder duraleStrukturen getrennt ist. Je nach Lage der Einklemmungkann es zu einer Kompression lebenswichtiger Struk-turen, wie des Atemzentrums, kommen und damit zumTod führen. Auch Gefäße können komprimiert werden,sodass es im weiteren Verlauf zu einer zerebralen Is-chämie kommt. Hiervon ist insbesondere die A. cerebriposterior betroffen. Relativ häufig tritt auch eine Kom-pression des 3. Hirnnerven auf.

Man unterscheidet in der Regel die in Tabelle 10.8aufgeführten Formen der Einklemmung bzw. Herniati-on.

Bei einer subfalzinen Einklemmung wird der Gyruscinguli unter die Falx cerebri gedrängt. Dies geschiehtin der Regel durch eine raumfordernde Blutung – oderauch einen Tumor – im Bereich eines Frontallappens.Hierdurch kann es zu einer Kompression der A. cerebrianterior kommen. Der ipsilaterale Seitenventrikel ist inder Regel komprimiert, der kontralaterale Seitenven-trikel kann durch eine Foramen-Monroi-Blockade er-weitert sein.

Tabelle 10.8. Formen der Einklemmung

SubfalzineEinklemmung

Verdrängung des Gyrus cinguli unter dieFalx cerebriCave: A. cerebri anterior

EinseitigedeszendierendetranstentorielleEinklemmung

Verdrängung des medialen Temporallap-pens nach kaudal durch den Tentoriums-schlitzCave: A. cerebri posterior, 3. Hirnnerv

Uncusherniation Frühform der einseitigen deszendieren-den transtentoriellen EinklemmungVerlagerung des Uncus und Gyrus para-hippocampalis nach medial

BilateraledeszendierendetranstentorielleEinklemmung

Zentrale Einklemmung mit Verlagerungder supratentoriellen Strukturen durchden Tentoriumsschlitz nach kaudalCave: Aa. lenticulostriatae und thalamo-perforantes

AszendierendetranstentorielleEinklemmung

Verlagerung von Kleinhirn und Hirn-stammstrukturen nach kranialRaumforderung der hinteren Schädel-grube

TonsilläreEinklemmung

Verlagerung der Kleinhirntonsillen inden Spinalkanal

TransalareHerniation

Verlagerung von Hirnparenchym überden Keilbeinflügel

Transkraniellebzw. transduraleHerniation

Verlagerung von Hirnparenchym durcheinen Defekt von Dura und Schädelkalotte

Bei einer unilateralen deszendierenden transtento-riellen Einklemmung kommt es zu einer Verdrängungdes medialen Temporallappens nach kaudal durch denTentoriumschlitz. Dies ist in der Regel Folge einesraumfordernden Effektes im Bereich eines Temporal-lappens. Uncus und Gyrus parahippocampalis werdennach medial verdrängt. Im Verlauf kommt es zu einerVerlegung der suprasellären Zisterne. Die Hirnstamm-strukturen werden gegen das kontralaterale Tentoriumgedrängt und der N. oculomotorius wird komprimiert.Auch die A. cerebri posterior kann komprimiert wer-den, was im weiteren Verlauf zu einem Posteriorinfarktführen kann. Von einer Uncuseinklemmung sprichtman, wenn eine frühe Form der unilateralen deszen-dierenden transtentoriellen Einklemmung vorliegt unddie supraselläre Zisterne einseitig durch den ipsilatera-len Uncus verlegt wird.

Bei einer bilateralen deszendierenden transtentoriel-len Einklemmung kommt es zu einer zentralen Hernia-tion, also einer bilateralen Verdrängung der Großhirn-hemisphären, der Basalganglien und des Mittelhirnsnach kaudal durch den Tentoriumschlitz. Beide Tem-porallappen sind nach mediokaudal verdrängt. Chias-ma und Hypothalamus werden über die Sella nach kau-dal verlagert. Die Aa. lenticulostriatae und thalamoper-forantes, aber auch die Aa. cerebri mediae könnenkomprimiert werden.

Bei einer aszendierenden transtentoriellen Einklem-mung werden Kleinhirn und Hirnstammstrukturendurch den Tentoriumschlitz nach kranial verdrängt. Sieentsteht durch einen raumfordernden Effekt im Be-reich der hinteren Schädelgrube. Durch eine Kompres-sion des Aquädukts kann es zu einem akuten Hydroze-phalus kommen.

Bei einer tonsillären Einklemmung kommt es zueiner Verdrängung der Kleinhirntonsillen in den Spi-nalkanal. Auch diese entsteht durch einen raumfor-dernden Effekt im Bereich der hinteren Schädelgrube.Das Foramen magnum wird verlegt. Auch der 4. Ven-trikel kann komprimiert sein, mit Ausbildung eineskonsekutiven Hydrozephalus.

Bei einer transalaren Herniation kommt es zu einerVerdrängung von Hirnparenchym über den Keilbein-flügel hinweg. Sie ist insgesamt selten und verursachtwenig Symptome.

Bei einer transduralen bzw. transkraniellen Hernia-tion kommt es zu einem Durchtreten von Hirnparen-chym durch Defekte der Dura bzw. der Schädelkalotte.Diese können bei einer klaffenden Schädelfraktur mitDuraverletzung und nach einer Trepanation auftreten,wenn zugleich ein erhöhter intrakranieller Druck vor-liegt.

236 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

Von einer Einklemmung spricht man, wenn Hirn-parenchym aus einem intrakraniellen Komparti-ment in ein anderes verdrängt wird, das von die-sem normalerweise durch knöcherne oder duraleStrukturen getrennt ist. Im Rahmen einer Ein-klemmung kann es zu einer Kompression lebens-wichtiger Strukturen, aber auch zu einem Abklem-men von Gefäßen oder Hirnnerven mit konsekuti-ven Infarkten oder Nervenschädigungen kommen.

Merke

10.3.11Kalottenfrakturen

Die Diagnose von Kalottenfrakturen ist bei Kindern –wie bei Erwachsenen – nur von eingeschränkter Bedeu-tung. Das Auftreten von Frakturen korreliert nicht mitdem Schweregrad der intrakraniellen Traumafolgen.Wird eine CT angefertigt, so ist es hilfreich, auf dem To-pogramm („Scout“) nach Frakturen zu suchen; gele-gentlich können Kalottenfrakturen in den axialen CT-Schichten übersehen werden. Nur in Ausnahmefällen,insbesondere bei Verdacht auf eine Kindesmisshand-lung, sind zur Dokumentation von Schädelfrakturenprojektionsradiographische Aufnahmen erforderlich.

Eine Besonderheit stellen so genannte „wachsendeKalottenfrakturen“ dar. Diesen liegen leptomeningealeZysten zugrunde, die durch einen Einriss der Dura imRahmen der Fraktur entstehen können. Die meningea-le Zyste stülpt sich zwischen den Frakturrändern hin-durch und verhindert so eine Frakturheilung. DerFrakturspalt wird nach und nach immer weiter.

Abbildung 10.13 zeigt eine „wachsende“ Fraktur beieinem Kleinkind. Der Frakturspalt war nach dem Trau-ma zunehmend breiter geworden, die Fraktur verheiltenicht.

Abb. 10.13. „Wachsende Fraktur“ bei einem Kleinkind. DerFrakturspalt hat in den projektionsradiographischen Aufnah-men nach dem Trauma zunehmend an Breite zugenommenund klafft nun weit (Pfeile)

„Wachsenden Kalottenfrakturen“ liegen leptome-ningeale Zysten zugrunde, die durch einen Einrissder Dura entstehen und die sich zwischen die Frak-turränder legen.

Merke

10.4Kindesmisshandlung

Kindesmisshandlungen mit zerebralen Traumafolgensind ein trauriges Kapitel der Kinderneuroradiologie.Sie werden auch als „nichtakzidentelle Traumen“, alsoals Verletzungen, denen kein Unfall zugrunde liegt, be-zeichnet. Im angelsächsischen Sprachraum haben sichauch die Bezeichnungen „battered child syndrome“und „shaken baby syndrome“ etabliert, die inzwischenauch Einzug in den deutschen Sprachgebrauch gefun-den haben.

Es ist wichtig, die diagnostischen Kriterien für eineKindesmisshandlung zu kennen, zumal es sich leidernicht um eine seltene Diagnose handelt. In den USA wur-den für das Jahr 2002 etwa 896.000 Kinder als Opfer vonMisshandlung oder Vernachlässigung angegeben, vondenen etwa 1400 Kinder gestorben sind (vgl. Barkovich,2005). Die Zahlen in Europa ähneln diesen, wobei eineweite Spanne vorliegt, je nachdem welche Bewertungs-kriterien angenommen werden. Insgesamt handelt essich also bei der Kindesmisshandlung um eine der häu-figsten „Kinderkrankheiten“! Hierbei muss von den be-handelnden Ärzten ein schwieriger Balanceakt vollzogenwerden, um zum einen die Diagnose des nichtakzidentel-len Traumas nicht zu übersehen, zum anderen aber auchdie Diagnose nicht fälschlicherweise zu stellen, die so zueiner Stigmatisierung der Eltern und evtl. einer Zerrei-ßung der Familie führen kann.

Die Kindesmisshandlung ist eine der häufigsten„Kinderkrankheiten“. Ein Balanceakt ist notwen-dig – zum einen darf die Diagnose nicht überse-hen, zum anderen nicht fälschlicherweise gestelltwerden.

Merke

Die Kopfverletzungen bestimmen in der Regel ent-scheidend die medizinische Prognose des Kindes. Siesind in den meisten Fällen die Ursache für den Tod oderfür eine bleibende Behinderung des Kindes. Am häu-figsten sind hierbei Säuglinge betroffen, das mittlereAlter liegt zwischen 2 und 5 Monaten. Jungen sind häu-figer betroffen als Mädchen. Zudem werden häufigerFrühgeborene, behinderte Kinder, Zwillingskinder undStiefkinder misshandelt.

Bei Aufnahme fällt meist eine Diskrepanz zwischendem geschilderten Trauma und der Schwere der Sym-

10.4 Kindesmisshandlung 237

ptomatik bzw. der bildmorphologisch fassbaren Verän-derungen auf. Die betroffenen Säuglinge werden oftmit einer Somnolenz, Apnoephasen und epileptischenAnfällen eingeliefert. Liegt bei Aufnahme bereits einkomatöser Zustand vor, so wird die Mortalität mit biszu 2/3 angegeben. In den allermeisten Fällen liegenNetzhautblutungen vor, sodass eine ophthalmologi-sche Untersuchung mit Spiegeln des Augenhintergrun-des wichtig und hilfreich ist.

Liegt der Verdacht auf eine Kindesmisshandlungvor, so ist es auch forensisch sehr wichtig, alle Verlet-zungen genau zu dokumentieren. Der Verdacht mussdem behandelnden Kollegen unverzüglich und un-missverständlich (!) mitgeteilt werden. Die Rolle desRadiologen bzw. Neuroradiologen/Kinderradiologenbeschränkt sich hierbei nicht auf ein reines Aufzählender nachweisbaren Verletzungen. Besteht der Verdachtauf eine Kindesmisshandlung, so sollte er von dem be-fundenden Radiologen klar geäußert und mitgeteiltwerden. Das Kind sollte zur weiteren Diagnostik unbe-dingt stationär aufgenommen werden, damit eine si-chere Umgebung geschaffen werden kann.

Bei dem Verdacht auf eine Kindesmisshandlungmüssen alle Verletzungen sorgfältig dokumentiertwerden. Der Verdacht muss unverzüglich und un-missverständlich mit dem behandelnden Kollegenbesprochen werden, damit eine sichere Umgebungfür das Kind geschaffen werden kann.

Merke

Am häufigsten treten bei einer Kindesmisshandlungmit Schädel-Hirn-Trauma SDH auf. Gerade wennSäuglinge geschüttelt werden, kommt es zu Einrissender Brückenvenen und hierdurch zu SDH. Hierbei rei-ßen häufig auch Brückenvenen der Falx cerebri ein,und es treten parafalzine SDH auf. Oft kommen mehre-re SDH zur Darstellung, die sich in verschiedenen Sta-dien befinden, also zu unterschiedlichen Zeitpunktenentstanden sind.

a b

Abb. 10.14 a, b. Schwere Schädel-Hirn-Verletzungen bei einem 9 Monate alten misshandelten Jungen. Die CT zeigt ein rechtsseiti-ges SDH mit Mittellinienverlagerung (Pfeile), parafalziale subdurale Blutanteile (Pfeilspitzen) sowie eine deutliche Verminde-rung der Differenzierbarkeit der Mark-Rinden-Strukturen vor allem rechtsseitig

Abbildung 10.14 a,b zeigt computertomographischeAufnahmen bei einem 9 Monate alten misshandeltenJungen. Es kommen ein rechtsseitiges subdurales Hä-matom und parafalziale subdurale Blutanteile zur Dar-stellung. Zusätzlich liegen auch Zeichen einer schwerenHirnschädigung vor, mit einer deutlich vermindertenDifferenzierbarkeit der Mark-Rinden-Strukturen vorallem rechtsseitig.

Abbildung 10.15 a–d zeigt eine MRT-Untersuchungbei einem 4 Monate alten misshandelten Jungen. Auchhier liegen subdurale Hämatome vor, die in diesem Fallbilateral sind. Zusätzlich findet sich eine ausgedehnteParenchymblutung.

SDH sind die häufigsten intrakraniellen Verletzun-gen bei misshandelten Kindern mit Schädel-Hirn-Traumen.

Merke

Traumatische SAB kommen in bis zur Hälfte der Fällevor. Epidurale Hämatome sind hingegen bei Kindes-misshandlungen außerordentlich selten.

Auch Scherverletzungen kommen bei misshandel-ten Kindern gehäuft vor. Ihnen wird insgesamt eine un-günstige prognostische Bedeutung zugeschrieben. Sieliegen bevorzugt im Bereich der Mark-Rinden-Grenze,im Balken und im Centrum semiovale. Im Ultraschall

238 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a

b

c

d

Abb. 10.15 a–d. Schwere Schädel-Hirn-Verletzungen bei einem4 Monate alten misshandelten Jungen. a Axiale und b sagittaleT2-gewichtete Aufnahmen sowie c, d axiale T1-gewichtete Auf-nahmen zeigen ausgedehnte bilaterale SDH (Pfeile) und einegroße Parenchymblutung (Pfeilspitzen)

können sie als kleine, schlitzförmige Einrisse mit einerechoarmen Textur auffallen, insbesondere im Bereichder Mark-Rinden-Grenze.

Zerebrale Kontusionsblutungen werden am häufigs-ten im Bereich der Frontal- und der Temporallappenbeobachtet.

Bei Kindesmisshandlungen kann, gerade wenn sie

im frühen Kindesalter geschehen, auch ein generali-siertes Hirnödem auftreten, das bis zur Einklemmungund zum Tod führen kann. Zu Hirninfarkten kann eszum einen durch Würgen des Kindes oder durch trau-matische Gefäßdissektionen kommen. Zum anderenkönnen zerebrale Infarkte aber auch durch Gefäßkom-pression, beispielsweise durch eine raumfordernde

10.4 Kindesmisshandlung 239

Blutung oder eine Einklemmung, durch Embolien, einegenerelle Minderperfusion oder durch Gefäßspasmenbei einer traumatischen SAB entstehen.

Die MRT sollte immer auch T2*-gewichtete GRE-Se-quenzen, FLAIR-Sequenzen und diffusionsgewichteteSequenzen beinhalten, um Blutabbauprodukte, Ödem-zonen und zerebrale Ischämien möglichst sensitiv dar-zustellen. Traumatische Läsionen unterschiedlichenAlters sind besonders suspekt für eine Kindesmiss-handlung.

In der CT oder MRT sollte immer auch auf die Augengeachtet werden. Gerade bei Schütteltraumen kommtes zu Netzhautblutungen, die teilweise in der Schnitt-bilddiagnostik dargestellt werden.

Werden bei einem Kind multiple komplexe oder bila-terale Kalottenfrakturen festgestellt, so sollte ebenfallsimmer an eine Kindesmisshandlung gedacht werden,gerade wenn eine Depression der Fraktur besteht undsich anamnestisch kein adäquates Trauma eruierenlässt. Eine einfache lineare Schädelfraktur hat hingegeneine niedrige Spezifität für eine Kindesmisshandlung.

Bei einem Verdacht auf eine Kindesmisshandlungsollten im Zuge der weiteren Diagnostik projektionsra-diographische Übersichtsaufnahmen angefertigt wer-den, um nach Frakturen in unterschiedlichen Hei-lungsphasen zu suchen. Hier sollte besonders auf diedorsalen Anteile der Rippen, das Sternum, die Meta-

a b

Abb. 10.16 a–d. Residualzustand bei einem schwer misshandelten Mädchen. Die axialen a T2-gewichteten und b T1-gewichteten Se-quenzen sowie c die sagittalen T2-gewichteten und d T1-gewichteten Sequenzen zeigen schwerste Defekte des Großhirnparenchyms

Tabelle 10.9. Spektrum der intrakraniellen Verletzungen beieiner Kindesmisshandlung (nichtakzidentelles Trauma)

) SDH, vor allem in verschiedenen Stadien) Scherverletzungen) Kortikale Kontusionsblutungen, vor allem frontotemporal) Generalisiertes Hirnödem) Hirninfarkte u. a. durch Würgen oder durch traumati-

sche Dissektionen) Netzhautblutungen) Bilaterale oder komplexe Frakturen mit Depression

physen, insbesondere die metaphysären Randkanten,und natürlich die Wirbelsäule geachtet werden.

Tabelle 10.9 fasst die verschiedenen neuroradiologi-schen Manifestationsformen einer Kindesmisshand-lung zusammen.

Im weiteren Verlauf kommt es dann zu einer zere-bralen Atrophie, zu Gliosezonen und zu Hygromen.

Abb. 10.16 a–d zeigt einen Residualzustand bei einemschwer misshandelten Mädchen. Das Kind war im Altervon 4 Wochen misshandelt worden, die gezeigten Auf-nahmen wurden etwa ein halbes Jahr später angefertigt.

Mehrere Schädel-Hirn-Verletzungen in unter-schiedlichen Stadien der Organisation sollten unbe-dingt an eine Kindesmisshandlung denken lassen.

Merke

240 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

c d

Abb. 10.16 c, d

Differenzialdiagnostisch ist vor allem an ein Unfalltrau-ma, also an ein akzidentelles Trauma zu denken. Hier istes besonders wichtig, genau auf die Anamnese zu ach-ten und diese mit dem Ausmaß der Verletzungen desKindes zu korrelieren. SDH sind bei Kindern mit einertraumatischen Schädel-Hirn-Verletzung deutlich selte-ner als bei Kindern mit einem nichtakzidentellen Trau-ma. Auch sind Netzhautblutungen bei Unfalltraumenaußerordentlich selten. Zudem finden sich bei Kindernmit einem Unfalltrauma in der Regel keine Vorschädi-gungen des Gehirns und auch keine Hygrome.

Sehr selten einmal können Gerinnungsstörungen,wie sie bei einer Hämophilie oder einer Leukämie auf-treten, eine Kindesmisshandlung vortäuschen. Zudemmuss differenzialdiagnostisch auch an eine Glutarazi-durie vom Typ 1 und an eine Menke-Erkrankung ge-dacht werden, die gehäuft zu spontanen SDH führenkönnen.

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Weiterführende Literatur 241

10Traumatische Erkrankungendes kindlichen Gehirns

Traumatische Verletzungen des Gehirns können in je-dem Lebensalter auftreten. Während das Gehirn des äl-teren Kindes auf traumatische Schädigungen ähnlichdem des Erwachsenen reagiert, gibt es gerade bei Neu-geborenen, vor allem im Rahmen geburtstraumati-scher Veränderungen, eigene Schädigungsmuster. DasProblem des nichtakzidentellen Traumas, also der Kin-desmisshandlung, wird in einem eigenen Abschnitt er-örtert.

10.1Intrakranielle geburtstraumatischeVeränderungen

Hypoxisch-ischämische perinatale Schädigungen deskindlichen Gehirns wurden bereits ausführlich imKap. 7, „Hypoxisch-ischämische Läsionen im Kindesal-ter“, diskutiert. Im Folgenden sollen die mechanisch-traumatischen Schädigungen des Gehirns besprochenwerden, die während der Geburt auftreten können.Nicht selten kommt es perinatal zu kleineren subdura-len Hämatomen (SDH), die allerdings klinisch nicht insGewicht fallen und lediglich als Zufallsbefund im Rah-men einer aus anderen Gründen durchgeführten Un-tersuchung bemerkt werden. Ist das SDH allerdingsgrößer, kann es durch die raumfordernde Wirkung zuSchädigungen des Parenchyms, zu Liquorzirkulations-störungen und sogar zur Einklemmung kommen,sodass eine rasche Diagnostik unabdingbar ist. Als pri-märe Diagnostik wird aufgrund der raschen Verfüg-barkeit in der Regel der Ultraschall eingesetzt. Als se-kundäre Modalitäten kommen aber auch CT und MRTzum Einsatz, insbesondere wenn die Diagnose in derSonographie unklar bleibt.

Es gibt verschiedene Mechanismen, durch die peri-natal ein SDH entstehen kann:

) durch einen Einriss der Falx cerebri,) durch einen Einriss des Tentoriums,) durch einen Riss der Brückenvenen sowie) durch eine okzipitale Diastase des Knochens.

Ein Einriss der Falx cerebri führt zu einem supratento-riellen SDH. Meist reißt die Falx relativ nahe am Tento-

rium ein. Die Blutung hat ihren Ursprung dann in derRegel im Sinus sagittalis superior. Das resultierendesupratentorielle SDH liegt infolgedessen oft dorsal in-terhemisphärisch.

Ein Einriss der Brückenvenen führt ebenfalls zueinem supratentoriellen SDH. Dies liegt jedoch übereiner Hemisphäre und weist die für ein SDH typische„Halbmondform“ mit einer konvex-konkaven Konfigu-ration auf. Im Gegensatz zum SDH bei älteren Kindern,ist das SDH beim Neugeborenen meist einseitig. Zusätz-lich werden oft subarachnoidale Blutanteile beobachtet.

Ein Einriss des Tentoriums kann zu einer Lazerationder Vena Galeni, des Sinus rectus oder des Sinus trans-versus führen, was eine sehr ausgedehnte, akut lebens-bedrohliche infratentorielle Blutung zur Folge hat.Kommt es jedoch lediglich zur Ruptur kleinerer infra-tentorieller Venen, so entsteht meist nur ein kleineres,infratentorielles SDH. Solche kleineren, infratentoriel-len SDH sind wahrscheinlich häufiger als früher ange-nommen und bisweilen klinisch nicht relevant.

Bei einer okzipitalen Diastase weichen die Hinter-hauptschuppen der Kalotte während der Geburt aus-einander. Hierdurch kann es zu einem Einriss der ve-nösen Blutleiter und dadurch zu einem infratentoriel-len SDH kommen. Das so entstandene Hämatom liegtdem Tentorium meist direkt von unten an.

Tabelle 10.1 fasst die verschiedenen Entstehungsme-chanismen von SDH im Rahmen geburtstraumatischerVeränderungen zusammen.

Mechanisch-geburtstraumatische Schädigungenkönnen zu SDH führen. Ist die Ursache ein Einrissdes Tentoriums oder eine okzipitale Diastase, sokommt es zu einem infratentoriellen SDH. Ist dieUrsache hingegen ein Einriss der Falx oder derBrückenvenen, kommt es zu einem supratentoriel-len SDH.

Merke

In der CT stellt sich ein frisches SDH deutlich hyper-dens dar. Im weiteren Verlauf wird es dann zunehmendhypodens.

In der MRT hängt die Signalintensität – wie bei an-deren Hämatomen auch – vom Alter des Befundes ab.

Kapitel 10

Tabelle 10.1. Entstehungsmuster von SDH im Rahmen einesmechanischen Geburtstraumas

Entstehungs-mechanismus

Veränderungen in der MRT oder CT

Einriss der Falxcerebri

Supratentorielle Lage des SDHIn der Regel dreieckige Konfigurationim Bereich des dorsalen Interhemis-phärenspalts

Einriss derBrückenvenen

Supratentorielle Lage des SDHIn der Regel einseitigKonvex-konkave Konfiguration überder Hemisphäre

Einriss desTentoriums

Infratentorielle Lage des SDHBei Beteiligung der Vena Galeni gro-ßes HämatomCave: Hydrozephalus und Begleitver-letzungen der HWS

Diastase der Hin-terhauptsknochen

Infratentorielle Lage des SDHMeist direkt unterhalb des Tentoriumsdorsal gelegen

Bei akuten SDH, bei denen die MRT innerhalb der ers-ten Sunden bis wenigen Tage erfolgt ist, zeigt sich in derT2-Gewichtung eine Hypointensität, in der T1-Gewich-tung eine Isointensität gegenüber dem Hirnparenchym.Diese Signalintensität ist durch die Gegenwart von ex-trazellulärem Deoxyhämoglobin verursacht. Im weite-ren Verlauf wird dieses Desoxyhämoglobin in Methä-moglobin umgewandelt. Hierdurch entsteht eine deut-

a b

Abb. 10.1 a, b. Zustand nach SDH in der Neugeborenenperiode. Axiale a T2- und b T1-gewichtete Aufnahmen zeigen in dieserKontrolluntersuchung lediglich ein schmales liquorisointenses Residuum über der frontalen rechten Hemisphäre (Pfeile)

Tabelle 10.2. Stadien einer intrakraniellen Blutung in der MRT

Stadium Erythrozyten-abbauprodukte

Signalintensität inder MRT im Ver-gleich zum Hirn-parenchym

Hyperakut(wenige Stunden)

Erythrozyten undFibrin, noch keinErythozytenabbau

T1 isointensT2 hyperintens

Akut (6–72 h) Deoxy- undOxyhämoglobin

T1 isointensT2 hypointens, vorallem im Zentrumder Läsion

Subakut(4 Tage bis etwa4 Wochen)

Methämoglobin T1 hyperintensT2 hyperintens

Chronisch Hämosiderin undFerritin

T1 hypointens, vorallem im Randbe-reich beginnendT2 hypointens, vorallem im Randbe-reich beginnend

liche Hyperintensität in den T1-gewichteten Aufnah-men. Auch in den T2-gewichteten Sequenzen stellt sichdie Blutung nun hyperintens gegenüber dem Hirnpa-renchym dar. Diese Umwandlung in Methämoglobinfindet zuerst in der Peripherie des Hämatoms statt. Erstetwas später wird auch das Zentrum der Blutung zuMethämoglobin isointens (Tabelle 10.2). Im Gegensatz

224 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

zum Parenchymhämatom wird die subdurale Blutungrelativ rasch, meist innerhalb von 3 Wochen, vollstän-dig resorbiert, ohne dass Hämosiderin und Ferritin zu-rückbleiben. Ist die Blutung komplett resorbiert, wirddie subdurale Flüssigkeitsansammlung isointens zu Li-quor.

Abbildung 10.1 a,b zeigt eine Kontrolluntersuchungbei einem einen Monat alten Jungen mit einem Zustandnach SDH in der Neugeborenenperiode. Die Blutung istbereits nahezu vollständig resorbiert, es lässt sich le-diglich ein sehr schmales Residuum über dem fronta-len Anteil der rechten Hemisphäre abgrenzen.

Die Form eines SDH über der Großhirnhemisphäreist in der Regel konvex-konkav, also halbmondförmig.Ein interhemisphärisches und auch ein infratentoriel-les SDH kann hingegen dreieckig oder auch annäherndbikonvex konfiguriert sein.

Tabelle 10.2 gibt einen Überblick über die Signalver-änderungen in den verschiedenen Blutungsstadien.

Die Entwicklung der MR-Signalintensität einersubduralen Blutung und auch einer Parenchym-blutung folgt einem festen Schema. Im subakutenMethämoglobinstadium findet sich eine Hyperin-tensität sowohl in der T1- als auch in der T2-Wich-tung.

Merke

10.2Extrakranielle geburtstraumatischeVeränderungen

Im Rahmen einer vaginalen Geburt treten nicht seltenVeränderungen außerhalb der Kalotte auf, insbesonde-re wenn es sich um eine Geburt mit Zange oder Saug-glocke handelt.

10.2.1Caput succedaneum

Recht häufig wird ein so genanntes Caput succeda-neum beobachtet. Ein Caput succedaneum ist eine öde-matöse und blutige Imbibierung der Kopfhaut nacheiner vaginalen Entbindung. Diese Schwellung wirdnicht durch die Schädelnähte begrenzt und ist ober-flächlich gelegen. Sie ist ohne klinische Bedeutung undbildet sich innerhalb weniger Tage spontan wieder zu-rück. Eine radiologische Abklärung eines solchen Be-fundes ist nicht nötig. Wird es in aus anderen Gründendurchgeführten Untersuchungen festgestellt, so ist esals reiner Nebenbefund zu werten.

Abb. 10.2. Kleines subgaleales Hämatom bei einem 2 Tage altenNeugeborenen. Die CT in Knochentechnik zeigt ein schmalessubgaleales Hämatom und eine Kalottenfraktur (Pfeile)

10.2.2Subgaleales Hämatom

Eine weitere perinatale Veränderung ist das subgalealeHämatom. Hierbei ist die Blutung unterhalb der Galeagelegen. Sie ist ebenfalls nicht durch die Schädelnähte be-grenzt. Eine subgaleale Blutung kann innerhalb der ers-ten Lebenstage an Größe weiter zunehmen. Selten ein-mal muss aufgrund des Blutverlustes therapiert werden.In den meisten Fällen bildet sich auch das subgaleale Hä-matom spontan und komplikationslos wieder zurück.Abbildung 10.2 zeigt eine CT eines subgalealen Häma-toms bei einem 2 Tage alten Neugeborenen. Zusätzlich istes zu einer kleinen Impressionsfraktur gekommen.

10.2.3Zephalhämatom

Ein Zephalhämatom ist eine subperiostal gelegene Blu-tung. Hier ist die Ausdehnung der Blutung durch dieSchädelnähte begrenzt. Zephalhämatome sind beson-ders häufig nach Zangengeburten. Auch sie nehmennach der Geburt noch an Größe zu. Zephalhämatomebilden sich meist spontan wieder zurück, die Rückbil-dung kann allerdings bis zu mehreren Monaten dau-ern. In der MRT oder CT stellen sie sich als halbmond-förmige Raumforderungen im Bereich der äußeren Ka-lotte dar. In der MRT sind sie – je nach Untersuchungs-zeitpunkt – meist Methämoglobin-isointens, also hy-perintens in der T1- und in der T2-Gewichtung.

Tabelle 10.3 fasst die verschiedenen extrakraniellengeburtstraumatischen Veränderungen im Schädelbe-reich zusammen.

10.2 Extrakranielle geburtstraumatische Veränderungen 225

Tabelle 10.3. Arten des extrakraniellen mechanischen Geburts-traumas

Bezeichung Veränderungen klinisch, bzw. in derMRT oder CT

Caputsuccedaneum

Ödematös-hämorrhagische Imbibierungder KopfhautMRT oder CT nicht indiziertOberflächliche Lage, spontane Rückbil-dung innerhalb von Tagen

SubgalealesHämatom

Flächige Blutung unterhalb der GaleaSelten Intervention aufgrund eines Blut-verlusts nötigIn der Regel spontane Rückbildung in-nerhalb von 2– 3 Wochen

Zephalhämatom Subperiostale BlutungBegrenzung durch die Schädelnähte,Konfiguration meist halbmondförmigIn der Regel spontane Rückbildung in-nerhalb von Monaten; kann auch verkal-ken und persistieren

Im Rahmen extrakranieller geburtstraumatischerVeränderungen können ein Caput succedaneum,eine subgaleale Blutung oder ein Zephalhämatomauftreten. Die Veränderungen bilden sich in denmeisten Fällen komplikationslos und spontan wie-der zurück.

Merke

10.3Traumatische Veränderungen nach derGeburtsperiode

Nach der direkten perinatalen Phase stellen sich trau-matische Veränderungen des Gehirns bei Kindern ähn-lich dar wie bei Erwachsenen. Man sollte allerdings imHinterkopf behalten, dass gerade bei Säuglingen be-stimmte Unfallmechanismen selten bis gar nicht vor-kommen. Hier muss auch an eine Kindesmisshandlungals Ursache des Traumas gedacht werden. Allerdingskönnen natürlich auch in dieser Altersgruppe Unfälle,wie beispielsweise ein Sturz vom Wickeltisch, auftre-ten, sodass selbstverständlich nicht jede Schädel-Hirn-Verletzung eines Säuglings oder Kleinkindes von vorn-herein als Kindesmisshandlung gewertet werden darf.

Zudem sollte beachtet werden, dass auch schwereTraumen bei Kindern nicht notwendigerweise zu einerBewusstlosigkeit führen. Eine fehlende Bewusstlosig-keit nach einem Unfall schließt also eine Schädel-Hirn-Verletzung nicht aus, was bei der Indikationsstellungzur weiteren Diagnostik berücksichtigt werden sollte.

Man unterscheidet klassischerweise 4 Arten der int-rakraniellen Blutung:

) die epidurale Blutung,) die subdurale Blutung,

) die subarachnoidale Blutung (SAB) und) die Parenchymblutung.

Eine Parenchymblutung kann sich zum einen als zere-brale Kontusionsblutung manifestieren. Zum anderenkönnen aber auch Scherverletzungen im Sinne einerdiffusen Axonalschädigung (DAI) oder subkortikalerVerletzungsmuster auftreten. Zudem sind intraventri-kuläre Blutungen oder Einblutungen in den Plexuschoroideus möglich. Tabelle 10.4 fasst die verschiede-nen extraparenchymatösen, Tabelle 10.5 die intrapa-renchymatösen Blutungsarten zusammen.

Tabelle 10.4. Formen der traumatischen intrakraniell-extra-axialen Blutung

Art desHämatoms

Veränderungen in der MRT oder CT

SAB Im CT Hyperdensität, in der FLAIRHyperintensität im SubarachnoidalraumOft begleitend bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma mit anderen Blutungen

SDH Nach der Perinatalperiode meist durchEinriss der Brückenvenen verursachtKonvex-konkave Halbmondform, nichtdurch Schädelnähte begrenztOft bilateral

Epidural-hämatom

Meist durch Einriss der A. meningea mediaBikonvexe Form, Begrenzung durchSchädelnähteBei kleinen Kindern selten

Intraventriku-läre Blutungen

Blutanteile im VentrikelsystemBlut-Liquor-Spiegel vor allem in denSeitenventrikelnEventuell Auffüllen des gesamten Ventri-kelsystems mit Blut

Blutungen inden Plexuschoroideus

Volumenzunahme und Dichteerhöhungdes Plexus choroideus

Tabelle 10.5. Formen der traumatischen intraparenchymatö-sen Hirnblutungen

Art desHämatoms

Veränderungen in der MRT oder CT

Kontusions-blutung

Oft als Coup- und Contrecoup-LäsionenangeordnetInitial häufig nur petechiale Blutungenund Ödem abgrenzbarIn den ersten 24–48 h oft Größenzunahme

Diffuse Axonal-verletzungen(„diffuse axonalinjury“/DAI)

Multiple kleine ScherverletzungenSignalauslöschungen in T2*-gewichtetenGRE-SequenzenVor allem an der Mark-Rinden-Grenze, imBalken, im Mittelhirn und im oberen Pons

SubkortikaleVerletzungen(„subcorticalinjury“/SCI)

Scherverletzungen mit Petechien oderÖdemenVor allem im Hirnstamm, in den Basal-ganglien, in den Thalami und periventri-kulär um den 3. Ventrikel

226 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

10.3.1Epidurale Hämatome

Epidurale Hämatome breiten sich zwischen der Duraund der Tabula interna der Kalotte aus. Da die Anhef-tung zwischen diesen Strukturen recht fest ist, kommtes meist zunächst zu einer langsamen Ausbreitung. Istjedoch eine kritische Größe erreicht, so kann es, geradebei arteriellen Blutungen, zu einer raschen Größenzu-nahme kommen.

Epidurale Hämatome treten häufiger bei älterenKinder und Jugendlichen auf, bei Kleinkindern undSäuglingen sind sie recht selten. Bei älteren Kinder undJugendlichen liegt – wie bei Erwachsenen – meist einEinriss der A. meningea media zugrunde. Bei Säuglin-gen und Kleinkindern ist hingegen häufiger ein Rissder duralen Venen die Ursache; die Prognose ist dannbesser.

Klassischerweise kommt es nach einem Trauma, daszu einem epiduralen Hämatom führt, zu einer kurzfris-tigen Bewusstlosigkeit, der aber ein Intervall folgt, indem der Patient wach und klar ist. Im weiteren Verlaufkann es dann rasch zu einem Koma und zu Zeichen derEinklemmung kommen, sodass die Diagnose frühzei-tig gestellt werden sollte. Gerade bei Kindern kann dieinitiale Phase der Bewusstlosigkeit durchaus fehlen.Nichtsdestotrotz muss bei einem entsprechenden Trau-ma immer auch an ein epidurales Hämatom gedachtund eine entsprechende Diagnostik veranlasst werden.

Bei einem epiduralen Hämatom kann nach einerinitialen, kurzen Bewusstlosigkeit eine Phase auf-treten, in der der Patient wach und orientiert ist.Im weiteren Verlauf kann es jedoch rasch zu Komaund Einklemmung kommen, sodass immer Vor-sicht geboten ist. Bei Kindern sind auch atypischeklinische Verläufe – gerade auch mit fehlender ini-tialer Bewusstlosigkeit – möglich.

Merke

Epidurale Hämatome liegen in der Regel an der Auf-prallseite des Traumas, also an der „Coup-Seite“. Siehaben in der CT und in der MRT eine typische bikonve-xe, ovaläre Konfiguration. Im Gegensatz zu SDH über-schreiten sie die Schädelnähte nicht. Allerdings könnensie sich gelegentlich über die Falx oder über das Tento-rium hinweg ausdehnen.

In der Akutphase stellen sich epidurale Hämatomein der CT hyperdens dar. Um kleine epidurale Hämato-me nicht zu übersehen, sollten nach Möglichkeit amBildschirm die Fenstereinstellungen etwas variiert wer-den. Dies kann helfen, das hyperdense epidurale Hä-matom von der angrenzenden, sehr dichten Kalotte zudifferenzieren. Gelegentlich können auch multiplanareReformatierungen, beispielsweise in einer koronarenSchichtführung, hilfreich sein. Die Signalintensität in

Abb. 10.3. Epiduralhämatom. Die CT zeigt die typische bikon-vexe Form des Epiduralhämatoms (Pfeile); zusätzlich kommensubarachnoidale Blutanteile zur Darstellung

der MRT verhält sich analog zu dem in Tabelle 10.2. zu-sammengefassten Schema.

Im Bereich des epiduralen Hämatoms findet sichhäufig zugleich eine Fraktur der Schädelkalotte. Aller-dings treten gerade bei Kindern nicht selten epiduraleHämatome auch ohne das Vorhandensein einer Schä-delfraktur auf.

Bei jedem epiduralen Hämatom sollte immer auchauf Begleitverletzungen geachtet werden, geradeauch auf mögliche „Contrecoup-Herde“ auf der demAnprallort gegenüberliegenden Seite.

Abbildung 10.3 zeigt ein rechtsseitiges Epiduralhä-matom bei einem 17-jährigen Jungen nach einem Ver-kehrsunfall. Es kommt die typische bikonvexe Konfigu-ration zur Darstellung.

Epidurale Hämatome haben eine bikonvexe Konfi-guration. Ihnen liegt meist ein Einriss der A. me-ningea media zugrunde, gelegentlich kommen je-doch auch venöse Blutungen vor. Epidurale Häma-tome liegen meist am Anprallort des Traumas(„Coup-Seite“). Kalottenfrakturen sind häufig,aber nicht zwingend vorhanden.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 227

10.3.2Subdurale Hämatome

Eine subdurale Blutung breitet sich zwischen der In-nenseite der Dura und der Arachnoidea aus. Außernach Geburtstraumen (s. oben) – treten SDH in denmeisten Fällen über den Großhirnhemisphären auf. Ih-nen liegt in der Regel eine Ruptur der Brückenvenenzugrunde, sie sind also normalerweise venöse Blutun-gen. Subduralblutungen treten vor allem bei Säuglin-gen und Kleinkindern auf. Bei älteren Kindern sind sieeher selten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass dasnoch nicht myelinisierte Gehirn weicher ist und somitbei einem Trauma eine vermehrte Zugbelastung auf dieBrückenvenen ausgeübt wird. Im Gegensatz zum Er-wachsenen und zur Situation nach einem Geburtstrau-ma sind SDH bei Kindern häufiger bilateral. Bei Kin-dern mit SDH sollte immer auch die Möglichkeit einesnichtakzidentellen Traumas, also einer Kindesmiss-handlung in Betracht gezogen werden, insbesonderewenn kein adäquates Trauma vorliegt oder wenn akuteund ältere Anteile vorliegen.

In der CT und MRT stellt sich die typische konvex-konkave, also halbmondförmige, Konfiguration derSDH dar. SDH werden nicht durch Schädelnähte be-grenzt. Im Gegensatz zu epiduralen Hämatomen brei-ten sie sich nicht über Falx und Tentorium hinweg aus,sie können sich aber entlang dieser Strukturen ausdeh-nen.

Wie bei epiduralen Hämatomen auch, kann es hilf-reich sein, bei der Befundung am Bildschirm die Fens-tereinstellung zu variieren. Gerade weite Fensterein-stellungen können helfen, das Hämatom von der dich-ten Kalotte abzugrenzen.

Die Dichte und Signalintensität von epiduralen Hä-matomen variiert mit dem Stadium der Blutung (vgl.Tabelle 10.2). In der akuten Phase stellt sich das SDH inder CT hyperdens dar, im subakuten Stadium wird eszunehmend isodens und im chronischen Stadiumschließlich hypodens im Vergleich zum Hirnparen-chym. Bei Kindern liegt die Dichte eines SDH durch Re-sorptionsvorgänge meist schon nach etwa 3 Wochenunter der des Hirnparenchyms. Man spricht dann voneinem chronischen SDH. Nach Kontrastmittelgabe fin-det sich jedoch ein Enhancement im Bereich der be-grenzenden Membranen des SDH, was bei der Diagno-sestellung chronischer SDH hilfreich sein kann.

Abbildung 10.4 zeigt ein bilaterales SDH mit einer ty-pischen konvex-konkaven Form. Abbildung 10.5 stelltein subakutes SDH dar. Die Dichte des Hämatomsgleicht der des Hirnparenchyms. Die MRT in Abb. 10.6zeigt ein ausgedehntes akutes SDH bei einem 4 Wochenalten, misshandelten Mädchen. Die Mittellinienstruktu-ren sind nach rechts verlagert, der rechte Seitenventrikelist im Zuge einer Foramen-Monroi-Blockade erweitert.Zudem liegen Einblutungen in das Rindenband vor.

Abb. 10.4. Bilaterale SDH. Die CT zeigt die typische konvex-konkave Form der Hämatome (Pfeile)

Abb. 10.5. Subakutes SDH. Die Dichte des SDH (Pfeile) gleichtder des Hirnparenchyms

SDH liegen bei postnatalen Traumen meist überden Großhirnhemisphären. Sie haben eine typi-sche konvex-konkave Konfiguration. Ihnen liegtoft eine Ruptur der Brückenvenen zugrunde.

Merke

228 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

Abb. 10.6. Akutes SDH bei einem misshandelten Säugling. Dieaxiale T2-gewichtete Sequenz zeigt ein ausgeprägtes linksseiti-ges SDH (Pfeile) mit Mittellinienverlagerung nach rechts undeiner Foramen-Monroi-Blockade rechts. Zudem liegen Einblu-tungen in das Rindenband vor

10.3.3Traumatische Subarachnoidalblutungen

Eine Subarachnoidalblutung (SAB) breitet sich in denSubarachnoidalräumen zwischen Arachnoidea und Piamater und in den basalen Zisternen aus. Eine traumati-sche SAB kann folgende Ausbreitungsmuster haben:

) diffus im Subrarachnoidalraum bzw. in den basalenZisternen,) fokal, angrenzend an eine Kontusionsblutung oder

ein SDH,) Blutauflagerungen auf dem Tentorium.

Meist geht eine traumatische SAB mit weiteren Verlet-zungen, wie sub- oder epiduralen Blutungen und Kon-tusionsblutungen einher. Im Verlauf kann es zu einemHydrozephalus kommen. Dieser kann akut im Rahmendes Traumas auftreten, was allerdings verhältnismäßigselten ist. Zudem kann es aber auch zu einem chroni-schen Hydrozephalus kommen, der mit einer zeitlichenVerzögerung auftritt und der durch eine Verklebungder arachnoidalen Granulationen und eine konsekutiveBehinderung der Liquorresorption zustande kommt.Zudem können, wie bei einer nichttraumatischen SAB,im Verlauf Vasospasmen auftreten.

Eine traumatische SAB manifestiert sich radiolo-gisch wie eine SAB nach Ruptur eines Aneurysmas, wo-bei allerdings das Verteilungsmuster meist unter-schiedlich ist. In der CT findet sich hyperdenses Sub-

Abb. 10.7. Traumatische SAB. Die CT zeigt hyperdenses Sub-strat in den subarachnoidalen Liquorräumen links

strat in den subarachnoidalen Liquorräumen bzw. inden basalen Zisternen. Gelegentlich kann hyperdensesMaterial in der Cisterna interpeduncularis der einzigeHinweis auf eine traumatische SAB sein.

In der MRT kann eine FLAIR-Sequenz für die Diag-nosestellung hilfreich sein – die SAB stellt sich, im Ge-gensatz zum dunklen Liquor, hyperintens dar. Vor-sicht ist allerdings in Regionen mit einem raschen Li-quorfluss geboten. Auch hier kann es einmal zu einemhohen Signal in der FLAIR-Sequenz kommen, ohnedass diesem eine Blutung zugrunde läge. Ist es zu Va-sospasmen gekommen, so können diffusions- undperfusionsgewichtete Sequenzen zudem helfen, dasAusmaß der ischämischen Veränderungen zu beurtei-len.

Eine traumatische SAB ist oft eine Begleiterschei-nung bei schweren Hirntraumen. Isoliert kommt sieeher selten vor. Es sollte daher immer auch auf das Vor-liegen sub- und/oder epiduraler Hämatome und aufParenchymkontusionen geachtet werden.

Abbildung 10.7 zeigt eine traumatische Subarach-noidalblutung in der CT bei einem 10-jährigen Mäd-chen nach einem Fahrradsturz. Es zeigt sich hyperden-ses Material im Bereich der subarachnoidalen Liquor-räume.

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 229

Traumatische SAB können sich diffus, fokal odernur als Blutauflagerungen auf dem Tentorium ma-nifestieren. Im Verlauf kann es zu Vasospasmenund zu einem akuten oder chronischen Hydroze-phalus kommen. Meist liegen weitere Schädel-Hirn-Verletzungen vor.

Merke

10.3.4Kontusionsblutungen

Zerebrale Kontusionsblutungen entstehen bevorzugtin Regionen, in denen sich Hirnparenchym in enger to-pographischer Beziehung zu knöchernen Ausziehun-gen oder duralen Umschlagsfalten befindet. Besondershäufig sind der Temporallappen und die frontobasalenAnteile des Frontallappens betroffen. Aber auch die pa-rasagittalen Regionen sind relativ oft beteiligt. Zudemkönnen Kontusionsblutungen auch im Bereich einerSchädelfraktur entstehen, insbesondere wenn eine Im-pression vorliegt.

Kontusionsblutungen sind häufig nach dem „Coup-und-Contrecoup-Prinzip“ angeordnet. Die Verletzungam Ort des primären Aufpralls bezeichnet man dabeials Coup-Läsion, die Verletzung des gegenüberliegen-

a b

Abb. 10.8 a, b. Intrazerebrale Kontusionsblutungen bei einem 14-jährigen Jungen. Die CT zeigt frontotemporale Coup- und Con-trecoup-Kontusionen sowie weiter kranial bifrontale Parenchymblutungen

den Hirnparenchyms als Contrecoup-Läsion. Letztereentsteht durch den Anprall des Hirnparenchyms an dieSchädeldecke. Liegt eine Kontusionsblutung vor, solltealso immer auch auf das gegenüberliegende Hirnarealgeachtet werden. Auf der Coup-Seite kann sich eineSchädelfraktur, insbesondere eine Schädelfraktur mitImpression, finden.

In der CT kommen akute Kontusionsblutungen, wiealle akuten bis subakuten intrakraniellen Blutungen,hyperdens zur Darstellung. In den ersten Stunden sindallerdings oft lediglich schlecht abgrenzbare Hypoden-sitäten und fokale Schwellungen mit einzelnen, kleine-ren Petechien zu sehen. Nach 24–48 Stunden lassensich häufig neue Läsionen abgrenzen. Zudem nimmtdie raumfordernde Wirkung oft zu und es entstehenzunehmende perifokale Ödemzonen. Aus den ur-sprünglich petechialen Blutungen können größere Hä-matome entstehen. Im weiteren Verlauf kommt esschließlich zu einer Resorption mit Defektzonen undGliosen.

In der MRT verläuft die Signalintensität der Blutungnach den bekannten Stadien (vgl. Tabelle 10.2). FLAIR-Sequenzen können hilfreich sein, um das Ausmaß desKortexödems abzugrenzen und zudem eine möglichetraumatische SAB abzugrenzen. Ist die Blutung voll-ständig abgebaut, bleiben liquorisointense Defektzo-

230 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a b

Abb. 10.9 a, b. Defektzonen nach Kontusionsblutungen. Die axialen T2-gewichteten Sequenzen zeigen rechts temporal und linksparietal Defektzonen im Sinne von abgelaufenen Coup- und Contrecoup-Kontusionen (Pfeile)

nen und Glianarben zurück. Oft lassen sich noch resi-duale Blutabbauprodukte wie Hämosiderin oder Ferri-tin nachweisen, insbesondere in T2*-gewichteten GRE-Sequenzen.

Sind die radiologischen Untersuchungen anfangsnegativ, so muss eine Wiederholungsuntersuchungnach 24 –48 Stunden in Erwägung gezogen werden.

Abbildung 10.8 a,b zeigt frontotemporale Coup- undContrecoup-Kontusionen bei einem 14-jährigen Jun-gen nach einem Verkehrsunfall. Weiter kranial sindauch bifrontale Parenchymblutungen zu erkennen. DieMRT in Abb. 10.9 a,b zeigt Defektzonen temporalrechts und parietal links bei einem 11-jährigen Jungenmit einem Zustand nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Die Defektzonen entsprechen abgelaufe-nen Coup- und Contrecoup Kontusionen.

Zerebrale Kontusionsblutungen sind oft als „Co-up-und-Contrecoup-Läsionen“ angeordnet. Sienehmen in den ersten 24–48 Stunden nach demTrauma zu, anfangs sind oft nur petechiale Blutun-gen und Ödemzonen abzugrenzen. Sind die radio-logischen Untersuchungen anfangs negativ, musseine Wiederholungsuntersuchung nach 24 –48Stunden in Erwägung gezogen werden.

Merke

10.3.5Scherverletzungen

Im Rahmen eines Schädel-Hirn-Traumas kann es zumultiplen kleinen Scherverletzungen der Axone kom-men, was auch als diffuse axonale Schädigung („diffu-se axonal injury“/DAI) bezeichnet wird. Hierbei tretenkleine und kleinste Verletzungen auf, wobei etwa2/3 im Bereich der Mark-Rinden-Grenze und etwa einFünftel im Bereich des Balkens gelegen sind. Auch eineLage im Bereich des Hirnstamms ist möglich, vor al-lem im Bereich des dorsolateralen Mittelhirns und desoberen Anteils des Pons. Seltener einmal könnenScherverletzungen auch im Thalamus, im Nucleuscaudatus, im Tegmentum und im Bereich der Capsulainterna und externa auftreten. Man nimmt an, dasssich etwa 80% der Scherverletzungen in der Schnitt-bilddiagnostik nicht darstellen, da sie mikroskopischklein sind – es wird also immer nur die Spitze des Eis-bergs gesehen.

Der Schweregrad einer DAI wird nach Adams undGennarelli eingeteilt in:

) Stadium 1: Es ist die Mark-Rinden-Grenze im Be-reich der Frontal- und Temporallappen betroffen.) Stadium 2: Es sind auch der Balken und die tiefere

weiße Substanz betroffen.) Stadium 3: Es finden sich auch Läsionen im oberen

Anteil des Pons und im dorsolateralen Mittelhirn.

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 231

Je höher der Schweregrad ist, desto ausgeprägter wardas Trauma und desto tiefer liegen die betroffenenStrukturen. Zudem korreliert die Prognose des Kindesmit der Zahl der Läsionen. Klinisch sind die betroffe-nen Kinder in den meisten Fällen direkt nach demTrauma bewusstlos. Bei einer schweren DAI sind dieKinder meist komatös, leichtere Fälle können aberauch ohne Koma einhergehen. Bei einer schweren dif-fusen Axonalschädigung kann es zu einem apallischenSyndrom kommen. Ursächlich sind in den allermeistenFällen Verkehrsunfälle.

In der CT stellen sich diese Verletzungen initialmeist nicht dar. Gelegentlich lassen sich kleinereÖdemzonen oder punktförmige, petechiale Blutungenabgrenzen. Diese können sich allerdings im Verlaufauch zu größeren Blutungen entwickeln. Zudem lassensich in späteren Untersuchungen oft vorher nicht dar-gestellte Läsionen feststellen.

Die MRT ist deutlich sensitiver für kleine Scherver-letzungen. Besonders in T2*-gewichteten GRE-Sequen-zen stellen sich Scherverletzungen als multiple fokale Si-gnalauslöschungen dar. In der FLAIR-Sequenz hingegenfinden sich meist multiple kleine fokale Signalsteigerun-gen. Die diffusionsgewichteten Sequenzen demonstrie-ren oft kleine fokale Diffusionsrestriktionen. T1-ge-wichtete Sequenzen sind hingegen häufig unauffällig, eskönnen sich aber auch kleine Hyperintensitäten im Sinevon Methämoglobinablagerungen darstellen.

Die Veränderungen lassen sich vor allem in den T2*-

a c

Abb. 10.10 a–c. Scherverletzungen bei einem 12-jährigen Mädchen. Entlang der Mark-Rinden-Grenze kommen multiple Signalinten-sitätssteigerungen in der FLAIR- (c) und Signalauslöschungen in der axialen T2-gewichteten Sequenz (a, b) zur Darstellung (Pfeile)

gewichteten Sequenzen oft noch Jahre nach dem Trau-ma darstellen, was bisweilen auch gutachterliche Rele-vanz hat.

Abbildung 10.10 a–c zeigt Scherverletzungen beieinem 12-jährigen Mädchen nach einem Autounfall.

b

232 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a b

Abb. 10.11 a, b. DAI bei einem 11-jährigen Jungen. Die axiale T2*-gewichtete GRE-Sequenz zeigt multiple Signalauslöschungenan der Mark-Rinden-Grenze und im Bereich des Balkens (Pfeile)

Die initiale CT war unauffällig gewesen. In der MRT zei-gen sich entlang der Mark-Rinden-Grenze multiple Sig-nalintensitätssteigerungen in der FLAIR-Sequenz undSignalauslöschungen in der T2-gewichteten Sequenz.

Abb. 10.11 a,b zeigt multiple abgelaufene Scherverlet-zungen bei einem 11-jährigen Jungen nach einem Ver-kehrsunfall, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Jah-re zurücklag. Es lassen sich multiple Signalauslöschun-gen in der T2*-gewichteten GRE-Sequenz im Bereich desBalkens und der Mark-Rinden-Grenze nachweisen.

Als DAI bezeichnet man eine diffuse axonale Schädi-gung, die sich als multiple kleine Scherverletzungenmanifestiert. Diese finden sich bevorzugt im Bereichder Mark-Rinden-Grenze, im Balken, im dorsolate-ralen Mittelhirn und im oberen Anteil des Pons.

Merke

10.3.6Subkortikale Verletzungsmuster

Subkortikale Verletzungsmuster („subcortical injury“/SCI) führen zu petechialen Einblutungen des Hirn-stamms, der Basalganglien, der Thalami und der umden 3. Ventrikel herum gelegenen Regionen. Am häu-figsten werden sie im Bereich des Putamens und desThalamus beobachtet. Im Verlauf kann es zu ausge-dehnteren Einblutungen kommen.

Insgesamt sind diese subkortikalen Verletzungs-muster als Grenzbefund zum Stadium 3 der DAI zu

werten. Die genaue Abgrenzung ist teilweise umstrit-ten. Ätiologisch sind auch hier vor allem Scherkräfteanzunehmen.

Die betroffenen Kinder sind in der Regel schwerstverletzt und weisen bei Aufnahme einen niedrigenWert auf der Glasgow Coma Scale (GCS) auf. Oft liegenweitere schwere Schädel-Hirn-Verletzungen vor. DiePrognose ist insgesamt schlecht. Viele Patienten ster-ben, zudem sind bleibende Behinderungen häufig.

Die CT ist häufig unauffällig, gelegentlich lassen sichkleine petechiale Einblutungen abgrenzen. Magnetreso-nanztomographisch ist die FLAIR-Sequenz meist diesensitivste Methode. Hier stellen sich die betroffenen Re-gionen hyperintens dar. In den T2*-gewichteten GRE-Se-quenzen zeigen sich Signalauslöschungen, in den diffu-sionsgewichteten Sequenzen oft Diffusionsrestriktionen.

Abbildung 10.12 a,b zeigt eine „subcortical injury“der Thalami bei einem Jungen mit einem Zustand nacheinem schweren Verkehrsunfall. In den T2*-gewichte-ten GRE-Sequenzen kommen Signalauslöschungen inbeiden Thalami zur Darstellung.

Bei subkortikalen Verletzungsmustern (SCI) lie-gen ödematöse Veränderungen und/oder pete-chiale Einblutungen des Hirnstamms, der Basal-ganglien, der Thalami und periventrikuläre Ein-blutungen um den 3. Ventrikel vor, die Folge vonSchertraumen sind.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 233

a b

Abb. 10.12 a, b. SCI bei einem Jungen nach einem Verkehrsunfall. Die axiale T2*-gewichtete GRE-Sequenz zeigt Signalauslö-schungen in beiden Thalami (Pfeile)

10.3.7Intraventrikuläre Blutungen

Bei intraventrikulären Blutungen kommt es zu trauma-tisch bedingten Blutansammlungen innerhalb des Ven-trikelsystems. Das Blut kann das Ventrikelsystem teilwei-se oder vollständig ausfüllen. Im Verlauf kann es zu ei-nem frühen oder auch zu einem verzögerten Hydrozepha-lus kommen. Ein sehr ungünstiges prognostisches Zei-chen ist es, wenn der 4. Ventrikel mit Blut tamponiert ist.

Es kann aber auch zu reinen Einblutungen in denPlexus choroideus kommen, ohne freie intraventriku-läre Blutanteile. Sekundär kann es aber auch hierschließlich zu intraventrikulären Blutungen kommen.

In der CT zeigt sich bei intraventrikulären Blutun-gen ein hyperdenses Substrat im Ventrikelsystem. Häu-fig liegen Blut-Liquor-Spiegel vor. Bei ausgeprägtenFällen kann das Ventrikelsystem auch mehr oder min-der vollständig mit Blut ausgegossen sein. Bei reinenEinblutungen in den Plexus choroideus wirkt der Ple-xus choroideus aufgetrieben und vermehrt hyperdens.

In der MRT empfiehlt sich vor allem die Anfertigungvon FLAIR-Sequenzen, die intraventrikuläre Blutun-gen mit hoher Sensitivität darstellen.

Im Rahmen eines Traumas kann es zu intraventri-kulären Blutungen, aber auch zu reinen Einblutun-gen in den Plexus choroideus kommen.

Merke

10.3.8Traumatisch bedingtes Hirnödem

Bei einem durch ein Trauma induzierten Hirnödemkann es zu 2 Arten des Ödems kommen:

1. zu einem vasogenen Ödem,2. zu einem zytotoxischen Ödem.

Ein vasogenes Ödem ist ein extrazelluläres Ödem, dasdurch eine Störung der Blut-Hirn-Schranke bewirktwird. Hierdurch nimmt der extrazelluläre Anteil anWasser zu. In der Regel ist vorwiegend die weiße Sub-stanz bzw. das Myelin betroffen. Ein zytotoxischesÖdem hingegen ist ein intrazelluläres Ödem. Es ent-steht durch eine Zellschwellung, wodurch der intrazel-luläre Wassergehalt zunimmt. Meist ist hierbei vorwie-gend die graue Substanz betroffen. Beide Formen desÖdems können posttraumatisch gleichzeitig vorhan-den sein, wobei ein vasogenes Ödem vor allem in denersten Stunden, ein zytotoxisches Ödem hingegenmeist etwas später auftritt.

Bei Säuglingen und Kleinkindern muss bei einemtraumatischen Hirnödem immer auch an eine Kindes-misshandlung gedacht werden. Bei älteren Kindern undTeenagern sind Verkehrsunfälle bzw. Fahrradunfälle einerelativ häufige Ursache. Insgesamt sind posttraumati-sche Ödeme bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

Klinisch weisen die betroffenen Kinder meist eineBewusstseinsstörung variablen Ausmaßes auf, die voneiner Somnolenz bis zum tiefen Koma reichen kann.

234 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

In der CT zeigt sich bei einem traumatisch bedingtenHirnödem eine Schwellung des Hirnparenchyms mitverstrichenen Sulci. Das Hirnparenchym erscheint dich-tegemindert, die Mark-Rinden-Differenzierung ist he-rabgesetzt. Die Perfusion der supratentoriellen Struktu-ren ist im Vergleich zur Perfusion der infratentoriellenStrukturen herabgesetzt, sodass es zu einer relativ hy-perdenseren Darstellung des Kleinhirns kommt („whitecerebellar sign“). Zudem sollte in der CT immer auchauf intrakranielle Blutungen geachtet werden.

In der MRT stellen sich die Ödemzonen in der T2-Gewichtung und in der FLAIR-Sequenz hyperintens, inder T1-Gewichtung hingegen hypointens dar. Beson-ders hilfreich ist die Anfertigung diffusionsgewichteterSequenzen. Bei einem vasogenen Ödem kommt es zueinem Anstieg des extrazellulären Wassergehaltes. DerADC steigt also. Bei einem zytotoxischen Ödem kommtes hingegen zu einer Zellschwellung, also zu einem An-stieg des intrazellulären Wassergehaltes. Infolgedessensinkt der ACD-Wert. Im „diffusion tensor imaging“(DTI) stellt sich bereits früh eine Anisotropie ein.

Die ödematösen Veränderungen halten meist etwa2 Wochen an. Im weiteren Verlauf kommt es dann imRahmen der Zellschädigung zu einer Atrophie.

Bei einem traumatisch bedingten Ödem kann es zueinem vasogenen und zu einem zytotoxischenÖdem kommen. Bei einem vasogenen Ödem steigtder extrazelluläre Wassergehalt, der ADC steigt.Bei einem zytotoxischen Ödem steigt der intrazel-luläre Wassergehalt, der ADC sinkt.

Merke

10.3.9Traumatisch bedingte Ischämien

Ein Schädel-Hirn-Trauma kann zu ausgeprägten hä-modynamischen Veränderungen führen, in deren Fol-ge es zu zerebralen Ischämien kommen kann. Kindersind dabei häufiger betroffen als Erwachsene, Jungenetwas häufiger als Mädchen. Meist ist das zugrunde lie-gende Schädel-Hirn-Trauma schwer, der GCS-Wert istin der Regel bei Aufnahme relativ niedrig.

Traumatisch bedingte Ischämien entstehen sekun-där als Reaktion auf das Schädel-Hirn-Trauma. Sie sindbei schweren Schädel-Hirn-Traumen relativ häufig.Hierbei können zahlreiche Ursachen zugrunde liegen(Tabelle 10.6). Zum einen kann das Gefäß direkt durcheine raumfordernde Blutung komprimiert werden.Zum anderen kann es im Rahmen einer Einklemmungzu einem Abdrücken eines Gefäßes kommen. Tabel-le 10.7 fasst die verschiedenen Formen der Gefäßkom-pressionen zusammen. Die A. cerebri posterior ist da-bei am häufigsten betroffen.

Zudem kommen auch andere Ursachen einer post-traumatischen zerebralen Ischämie infrage. Hierzu

Tabelle 10.6. Ursachen für posttraumatische Ischämien

) Kompression eines Gefäßes im Rahmen einer Einklem-mung

) Direkte Kompression eines Gefäßes durch eine raumfor-dernde Blutung

) Vasospasmen bei traumatischer SAB) Systemische Minderperfusion) Gefäßverletzung) Gefäßdissektion) Embolische Ereignisse

Tabelle 10.7. Gefäßterritorien zerebraler Ischämien im Rah-men von Einklemmungssyndromen

Gefäßterritorium Ursache

A. cerebri posterior Kompression gegen das Tentoriumbei einer medialen Einklemmungdes Temporallappens

A. cerebri anterior Kompression einer oder beiderArterien bei einer subfalzinenEinklemmung des Gyrus cinguli

A. cerebri media Bei hochgradigem Hirnödem oderbei einer generellen Einklemmung

Aa. lenticulostriataeund thalamoperforantes

Dehnung und Kompression bei aus-geprägt raumfordernden Effekten

A. cerebelli superior Kompression gegen das Tentoriumbei deszendierender oder aszen-dierender transtentorieller Ein-klemmung

A. cerebelli inferiorposterior

Kompression bei einer Einklem-mung der Kleinhirntonsillen

zählen eine systemische Minderperfusion, Gefäßver-letzungen oder -dissektionen, embolische Ereignisseoder Vasospasmen bei einer traumatischen SAB.

Die CT zeigt bei Aufnahme häufig noch keine Zei-chen einer zerebralen Ischämie. Es lassen sich meist le-diglich allgemeine Zeichen eines Schädel-Hirn-Trau-mas abgrenzen, wie subarachnoidale, subdurale oderepidurale Blutungen, eine generalisierte Hirnschwel-lung, Kontusionsblutungen oder Scherverletzungen.

In der MRT sind – wie bei nichttraumatischen zere-bralen Ischämien auch – diffusionsgewichtete Sequen-zen besonders hilfreich. Hier zeigt sich bei einer akutenIschämie ein zytotoxisches Ödem mit eine Diffusions-restriktion, also einem erhöhten Signal in den diffu-sionsgewichteten Sequenzen, und einer korrespondie-renden Verminderung des ADC.

Im Rahmen schwerer Schädel-Hirn-Traumenkommt es nicht selten zu zerebralen Ischämien.Diese können durch eine Kompression eines Gefä-ßes, durch Einklemmung oder eine raumfordern-de Blutung, aber auch durch Dissektionen, Gefäß-lazerationen, Vasospasmen, eine Minderperfusionoder Embolien entstehen.

Merke

10.3 Traumatische Veränderungen nach der Geburtsperiode 235

10.3.10Einklemmungssyndrome

Von einer Einklemmung bzw. Herniation spricht man,wenn Hirnparenchym aus einem intrakraniellen Kom-partiment in ein anderes verdrängt wird, das von die-sem normalerweise durch knöcherne oder duraleStrukturen getrennt ist. Je nach Lage der Einklemmungkann es zu einer Kompression lebenswichtiger Struk-turen, wie des Atemzentrums, kommen und damit zumTod führen. Auch Gefäße können komprimiert werden,sodass es im weiteren Verlauf zu einer zerebralen Is-chämie kommt. Hiervon ist insbesondere die A. cerebriposterior betroffen. Relativ häufig tritt auch eine Kom-pression des 3. Hirnnerven auf.

Man unterscheidet in der Regel die in Tabelle 10.8aufgeführten Formen der Einklemmung bzw. Herniati-on.

Bei einer subfalzinen Einklemmung wird der Gyruscinguli unter die Falx cerebri gedrängt. Dies geschiehtin der Regel durch eine raumfordernde Blutung – oderauch einen Tumor – im Bereich eines Frontallappens.Hierdurch kann es zu einer Kompression der A. cerebrianterior kommen. Der ipsilaterale Seitenventrikel ist inder Regel komprimiert, der kontralaterale Seitenven-trikel kann durch eine Foramen-Monroi-Blockade er-weitert sein.

Tabelle 10.8. Formen der Einklemmung

SubfalzineEinklemmung

Verdrängung des Gyrus cinguli unter dieFalx cerebriCave: A. cerebri anterior

EinseitigedeszendierendetranstentorielleEinklemmung

Verdrängung des medialen Temporallap-pens nach kaudal durch den Tentoriums-schlitzCave: A. cerebri posterior, 3. Hirnnerv

Uncusherniation Frühform der einseitigen deszendieren-den transtentoriellen EinklemmungVerlagerung des Uncus und Gyrus para-hippocampalis nach medial

BilateraledeszendierendetranstentorielleEinklemmung

Zentrale Einklemmung mit Verlagerungder supratentoriellen Strukturen durchden Tentoriumsschlitz nach kaudalCave: Aa. lenticulostriatae und thalamo-perforantes

AszendierendetranstentorielleEinklemmung

Verlagerung von Kleinhirn und Hirn-stammstrukturen nach kranialRaumforderung der hinteren Schädel-grube

TonsilläreEinklemmung

Verlagerung der Kleinhirntonsillen inden Spinalkanal

TransalareHerniation

Verlagerung von Hirnparenchym überden Keilbeinflügel

Transkraniellebzw. transduraleHerniation

Verlagerung von Hirnparenchym durcheinen Defekt von Dura und Schädelkalotte

Bei einer unilateralen deszendierenden transtento-riellen Einklemmung kommt es zu einer Verdrängungdes medialen Temporallappens nach kaudal durch denTentoriumschlitz. Dies ist in der Regel Folge einesraumfordernden Effektes im Bereich eines Temporal-lappens. Uncus und Gyrus parahippocampalis werdennach medial verdrängt. Im Verlauf kommt es zu einerVerlegung der suprasellären Zisterne. Die Hirnstamm-strukturen werden gegen das kontralaterale Tentoriumgedrängt und der N. oculomotorius wird komprimiert.Auch die A. cerebri posterior kann komprimiert wer-den, was im weiteren Verlauf zu einem Posteriorinfarktführen kann. Von einer Uncuseinklemmung sprichtman, wenn eine frühe Form der unilateralen deszen-dierenden transtentoriellen Einklemmung vorliegt unddie supraselläre Zisterne einseitig durch den ipsilatera-len Uncus verlegt wird.

Bei einer bilateralen deszendierenden transtentoriel-len Einklemmung kommt es zu einer zentralen Hernia-tion, also einer bilateralen Verdrängung der Großhirn-hemisphären, der Basalganglien und des Mittelhirnsnach kaudal durch den Tentoriumschlitz. Beide Tem-porallappen sind nach mediokaudal verdrängt. Chias-ma und Hypothalamus werden über die Sella nach kau-dal verlagert. Die Aa. lenticulostriatae und thalamoper-forantes, aber auch die Aa. cerebri mediae könnenkomprimiert werden.

Bei einer aszendierenden transtentoriellen Einklem-mung werden Kleinhirn und Hirnstammstrukturendurch den Tentoriumschlitz nach kranial verdrängt. Sieentsteht durch einen raumfordernden Effekt im Be-reich der hinteren Schädelgrube. Durch eine Kompres-sion des Aquädukts kann es zu einem akuten Hydroze-phalus kommen.

Bei einer tonsillären Einklemmung kommt es zueiner Verdrängung der Kleinhirntonsillen in den Spi-nalkanal. Auch diese entsteht durch einen raumfor-dernden Effekt im Bereich der hinteren Schädelgrube.Das Foramen magnum wird verlegt. Auch der 4. Ven-trikel kann komprimiert sein, mit Ausbildung eineskonsekutiven Hydrozephalus.

Bei einer transalaren Herniation kommt es zu einerVerdrängung von Hirnparenchym über den Keilbein-flügel hinweg. Sie ist insgesamt selten und verursachtwenig Symptome.

Bei einer transduralen bzw. transkraniellen Hernia-tion kommt es zu einem Durchtreten von Hirnparen-chym durch Defekte der Dura bzw. der Schädelkalotte.Diese können bei einer klaffenden Schädelfraktur mitDuraverletzung und nach einer Trepanation auftreten,wenn zugleich ein erhöhter intrakranieller Druck vor-liegt.

236 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

Von einer Einklemmung spricht man, wenn Hirn-parenchym aus einem intrakraniellen Komparti-ment in ein anderes verdrängt wird, das von die-sem normalerweise durch knöcherne oder duraleStrukturen getrennt ist. Im Rahmen einer Ein-klemmung kann es zu einer Kompression lebens-wichtiger Strukturen, aber auch zu einem Abklem-men von Gefäßen oder Hirnnerven mit konsekuti-ven Infarkten oder Nervenschädigungen kommen.

Merke

10.3.11Kalottenfrakturen

Die Diagnose von Kalottenfrakturen ist bei Kindern –wie bei Erwachsenen – nur von eingeschränkter Bedeu-tung. Das Auftreten von Frakturen korreliert nicht mitdem Schweregrad der intrakraniellen Traumafolgen.Wird eine CT angefertigt, so ist es hilfreich, auf dem To-pogramm („Scout“) nach Frakturen zu suchen; gele-gentlich können Kalottenfrakturen in den axialen CT-Schichten übersehen werden. Nur in Ausnahmefällen,insbesondere bei Verdacht auf eine Kindesmisshand-lung, sind zur Dokumentation von Schädelfrakturenprojektionsradiographische Aufnahmen erforderlich.

Eine Besonderheit stellen so genannte „wachsendeKalottenfrakturen“ dar. Diesen liegen leptomeningealeZysten zugrunde, die durch einen Einriss der Dura imRahmen der Fraktur entstehen können. Die meningea-le Zyste stülpt sich zwischen den Frakturrändern hin-durch und verhindert so eine Frakturheilung. DerFrakturspalt wird nach und nach immer weiter.

Abbildung 10.13 zeigt eine „wachsende“ Fraktur beieinem Kleinkind. Der Frakturspalt war nach dem Trau-ma zunehmend breiter geworden, die Fraktur verheiltenicht.

Abb. 10.13. „Wachsende Fraktur“ bei einem Kleinkind. DerFrakturspalt hat in den projektionsradiographischen Aufnah-men nach dem Trauma zunehmend an Breite zugenommenund klafft nun weit (Pfeile)

„Wachsenden Kalottenfrakturen“ liegen leptome-ningeale Zysten zugrunde, die durch einen Einrissder Dura entstehen und die sich zwischen die Frak-turränder legen.

Merke

10.4Kindesmisshandlung

Kindesmisshandlungen mit zerebralen Traumafolgensind ein trauriges Kapitel der Kinderneuroradiologie.Sie werden auch als „nichtakzidentelle Traumen“, alsoals Verletzungen, denen kein Unfall zugrunde liegt, be-zeichnet. Im angelsächsischen Sprachraum haben sichauch die Bezeichnungen „battered child syndrome“und „shaken baby syndrome“ etabliert, die inzwischenauch Einzug in den deutschen Sprachgebrauch gefun-den haben.

Es ist wichtig, die diagnostischen Kriterien für eineKindesmisshandlung zu kennen, zumal es sich leidernicht um eine seltene Diagnose handelt. In den USA wur-den für das Jahr 2002 etwa 896.000 Kinder als Opfer vonMisshandlung oder Vernachlässigung angegeben, vondenen etwa 1400 Kinder gestorben sind (vgl. Barkovich,2005). Die Zahlen in Europa ähneln diesen, wobei eineweite Spanne vorliegt, je nachdem welche Bewertungs-kriterien angenommen werden. Insgesamt handelt essich also bei der Kindesmisshandlung um eine der häu-figsten „Kinderkrankheiten“! Hierbei muss von den be-handelnden Ärzten ein schwieriger Balanceakt vollzogenwerden, um zum einen die Diagnose des nichtakzidentel-len Traumas nicht zu übersehen, zum anderen aber auchdie Diagnose nicht fälschlicherweise zu stellen, die so zueiner Stigmatisierung der Eltern und evtl. einer Zerrei-ßung der Familie führen kann.

Die Kindesmisshandlung ist eine der häufigsten„Kinderkrankheiten“. Ein Balanceakt ist notwen-dig – zum einen darf die Diagnose nicht überse-hen, zum anderen nicht fälschlicherweise gestelltwerden.

Merke

Die Kopfverletzungen bestimmen in der Regel ent-scheidend die medizinische Prognose des Kindes. Siesind in den meisten Fällen die Ursache für den Tod oderfür eine bleibende Behinderung des Kindes. Am häu-figsten sind hierbei Säuglinge betroffen, das mittlereAlter liegt zwischen 2 und 5 Monaten. Jungen sind häu-figer betroffen als Mädchen. Zudem werden häufigerFrühgeborene, behinderte Kinder, Zwillingskinder undStiefkinder misshandelt.

Bei Aufnahme fällt meist eine Diskrepanz zwischendem geschilderten Trauma und der Schwere der Sym-

10.4 Kindesmisshandlung 237

ptomatik bzw. der bildmorphologisch fassbaren Verän-derungen auf. Die betroffenen Säuglinge werden oftmit einer Somnolenz, Apnoephasen und epileptischenAnfällen eingeliefert. Liegt bei Aufnahme bereits einkomatöser Zustand vor, so wird die Mortalität mit biszu 2/3 angegeben. In den allermeisten Fällen liegenNetzhautblutungen vor, sodass eine ophthalmologi-sche Untersuchung mit Spiegeln des Augenhintergrun-des wichtig und hilfreich ist.

Liegt der Verdacht auf eine Kindesmisshandlungvor, so ist es auch forensisch sehr wichtig, alle Verlet-zungen genau zu dokumentieren. Der Verdacht mussdem behandelnden Kollegen unverzüglich und un-missverständlich (!) mitgeteilt werden. Die Rolle desRadiologen bzw. Neuroradiologen/Kinderradiologenbeschränkt sich hierbei nicht auf ein reines Aufzählender nachweisbaren Verletzungen. Besteht der Verdachtauf eine Kindesmisshandlung, so sollte er von dem be-fundenden Radiologen klar geäußert und mitgeteiltwerden. Das Kind sollte zur weiteren Diagnostik unbe-dingt stationär aufgenommen werden, damit eine si-chere Umgebung geschaffen werden kann.

Bei dem Verdacht auf eine Kindesmisshandlungmüssen alle Verletzungen sorgfältig dokumentiertwerden. Der Verdacht muss unverzüglich und un-missverständlich mit dem behandelnden Kollegenbesprochen werden, damit eine sichere Umgebungfür das Kind geschaffen werden kann.

Merke

Am häufigsten treten bei einer Kindesmisshandlungmit Schädel-Hirn-Trauma SDH auf. Gerade wennSäuglinge geschüttelt werden, kommt es zu Einrissender Brückenvenen und hierdurch zu SDH. Hierbei rei-ßen häufig auch Brückenvenen der Falx cerebri ein,und es treten parafalzine SDH auf. Oft kommen mehre-re SDH zur Darstellung, die sich in verschiedenen Sta-dien befinden, also zu unterschiedlichen Zeitpunktenentstanden sind.

a b

Abb. 10.14 a, b. Schwere Schädel-Hirn-Verletzungen bei einem 9 Monate alten misshandelten Jungen. Die CT zeigt ein rechtsseiti-ges SDH mit Mittellinienverlagerung (Pfeile), parafalziale subdurale Blutanteile (Pfeilspitzen) sowie eine deutliche Verminde-rung der Differenzierbarkeit der Mark-Rinden-Strukturen vor allem rechtsseitig

Abbildung 10.14 a,b zeigt computertomographischeAufnahmen bei einem 9 Monate alten misshandeltenJungen. Es kommen ein rechtsseitiges subdurales Hä-matom und parafalziale subdurale Blutanteile zur Dar-stellung. Zusätzlich liegen auch Zeichen einer schwerenHirnschädigung vor, mit einer deutlich vermindertenDifferenzierbarkeit der Mark-Rinden-Strukturen vorallem rechtsseitig.

Abbildung 10.15 a–d zeigt eine MRT-Untersuchungbei einem 4 Monate alten misshandelten Jungen. Auchhier liegen subdurale Hämatome vor, die in diesem Fallbilateral sind. Zusätzlich findet sich eine ausgedehnteParenchymblutung.

SDH sind die häufigsten intrakraniellen Verletzun-gen bei misshandelten Kindern mit Schädel-Hirn-Traumen.

Merke

Traumatische SAB kommen in bis zur Hälfte der Fällevor. Epidurale Hämatome sind hingegen bei Kindes-misshandlungen außerordentlich selten.

Auch Scherverletzungen kommen bei misshandel-ten Kindern gehäuft vor. Ihnen wird insgesamt eine un-günstige prognostische Bedeutung zugeschrieben. Sieliegen bevorzugt im Bereich der Mark-Rinden-Grenze,im Balken und im Centrum semiovale. Im Ultraschall

238 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

a

b

c

d

Abb. 10.15 a–d. Schwere Schädel-Hirn-Verletzungen bei einem4 Monate alten misshandelten Jungen. a Axiale und b sagittaleT2-gewichtete Aufnahmen sowie c, d axiale T1-gewichtete Auf-nahmen zeigen ausgedehnte bilaterale SDH (Pfeile) und einegroße Parenchymblutung (Pfeilspitzen)

können sie als kleine, schlitzförmige Einrisse mit einerechoarmen Textur auffallen, insbesondere im Bereichder Mark-Rinden-Grenze.

Zerebrale Kontusionsblutungen werden am häufigs-ten im Bereich der Frontal- und der Temporallappenbeobachtet.

Bei Kindesmisshandlungen kann, gerade wenn sie

im frühen Kindesalter geschehen, auch ein generali-siertes Hirnödem auftreten, das bis zur Einklemmungund zum Tod führen kann. Zu Hirninfarkten kann eszum einen durch Würgen des Kindes oder durch trau-matische Gefäßdissektionen kommen. Zum anderenkönnen zerebrale Infarkte aber auch durch Gefäßkom-pression, beispielsweise durch eine raumfordernde

10.4 Kindesmisshandlung 239

Blutung oder eine Einklemmung, durch Embolien, einegenerelle Minderperfusion oder durch Gefäßspasmenbei einer traumatischen SAB entstehen.

Die MRT sollte immer auch T2*-gewichtete GRE-Se-quenzen, FLAIR-Sequenzen und diffusionsgewichteteSequenzen beinhalten, um Blutabbauprodukte, Ödem-zonen und zerebrale Ischämien möglichst sensitiv dar-zustellen. Traumatische Läsionen unterschiedlichenAlters sind besonders suspekt für eine Kindesmiss-handlung.

In der CT oder MRT sollte immer auch auf die Augengeachtet werden. Gerade bei Schütteltraumen kommtes zu Netzhautblutungen, die teilweise in der Schnitt-bilddiagnostik dargestellt werden.

Werden bei einem Kind multiple komplexe oder bila-terale Kalottenfrakturen festgestellt, so sollte ebenfallsimmer an eine Kindesmisshandlung gedacht werden,gerade wenn eine Depression der Fraktur besteht undsich anamnestisch kein adäquates Trauma eruierenlässt. Eine einfache lineare Schädelfraktur hat hingegeneine niedrige Spezifität für eine Kindesmisshandlung.

Bei einem Verdacht auf eine Kindesmisshandlungsollten im Zuge der weiteren Diagnostik projektionsra-diographische Übersichtsaufnahmen angefertigt wer-den, um nach Frakturen in unterschiedlichen Hei-lungsphasen zu suchen. Hier sollte besonders auf diedorsalen Anteile der Rippen, das Sternum, die Meta-

a b

Abb. 10.16 a–d. Residualzustand bei einem schwer misshandelten Mädchen. Die axialen a T2-gewichteten und b T1-gewichteten Se-quenzen sowie c die sagittalen T2-gewichteten und d T1-gewichteten Sequenzen zeigen schwerste Defekte des Großhirnparenchyms

Tabelle 10.9. Spektrum der intrakraniellen Verletzungen beieiner Kindesmisshandlung (nichtakzidentelles Trauma)

) SDH, vor allem in verschiedenen Stadien) Scherverletzungen) Kortikale Kontusionsblutungen, vor allem frontotemporal) Generalisiertes Hirnödem) Hirninfarkte u. a. durch Würgen oder durch traumati-

sche Dissektionen) Netzhautblutungen) Bilaterale oder komplexe Frakturen mit Depression

physen, insbesondere die metaphysären Randkanten,und natürlich die Wirbelsäule geachtet werden.

Tabelle 10.9 fasst die verschiedenen neuroradiologi-schen Manifestationsformen einer Kindesmisshand-lung zusammen.

Im weiteren Verlauf kommt es dann zu einer zere-bralen Atrophie, zu Gliosezonen und zu Hygromen.

Abb. 10.16 a–d zeigt einen Residualzustand bei einemschwer misshandelten Mädchen. Das Kind war im Altervon 4 Wochen misshandelt worden, die gezeigten Auf-nahmen wurden etwa ein halbes Jahr später angefertigt.

Mehrere Schädel-Hirn-Verletzungen in unter-schiedlichen Stadien der Organisation sollten unbe-dingt an eine Kindesmisshandlung denken lassen.

Merke

240 10 Traumatische Erkrankungen des kindlichen Gehirns

c d

Abb. 10.16 c, d

Differenzialdiagnostisch ist vor allem an ein Unfalltrau-ma, also an ein akzidentelles Trauma zu denken. Hier istes besonders wichtig, genau auf die Anamnese zu ach-ten und diese mit dem Ausmaß der Verletzungen desKindes zu korrelieren. SDH sind bei Kindern mit einertraumatischen Schädel-Hirn-Verletzung deutlich selte-ner als bei Kindern mit einem nichtakzidentellen Trau-ma. Auch sind Netzhautblutungen bei Unfalltraumenaußerordentlich selten. Zudem finden sich bei Kindernmit einem Unfalltrauma in der Regel keine Vorschädi-gungen des Gehirns und auch keine Hygrome.

Sehr selten einmal können Gerinnungsstörungen,wie sie bei einer Hämophilie oder einer Leukämie auf-treten, eine Kindesmisshandlung vortäuschen. Zudemmuss differenzialdiagnostisch auch an eine Glutarazi-durie vom Typ 1 und an eine Menke-Erkrankung ge-dacht werden, die gehäuft zu spontanen SDH führenkönnen.

Weiterführende Literatur

Barkovich AJ (2005) Brain and spine injuries in infancy andchildhood. In: Pediatric Neuroimaging. Lippincott Williams& Wilkins, Philadelphia, pp 190– 290

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