Kapitel 2 Zug- und Druckbeanspruchung - Ingenieur-Buch.de · 2016. 10. 12. · 2.2 Zugversuch 17...

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Kapitel 2 Zug- und Druckbeanspruchung 2.1 Zug- und Druckspannungen Zur Berechnung der Spannungen in einem prismatischen Zugstab wendet man die Schnittmethode (s. Abschnitt 1.3) an. Da die ¨ außeren Kr¨ afte F in Richtung der Stab- achse zeigen, ist ein Schnitt senkrecht zur Stabachse als geeignet anzusehen. In dieser Querschnittsfl¨ ache onnen nur Normalspannungen auftreten (Abb. 2.1), weil Schubspannungen ¨ außere Kr¨ afte senkrecht zur Stabachse erfordern. Die Gleichge- wichtsbedingung der Kr¨ afte in Stabl¨ angsrichtung ergibt mit lim ΔA0 nn i=1 σ i ΔA i = σ dA σ dA - F = 0. (2.1) Geht man von der Annahme aus, dass die Spannungen gleichm¨ aßig ¨ uber die Quer- schnittsfl¨ ache verteilt sind, dann ist σ = const. und aus Gl. (2.1) folgt σ dA = σA = F . (2.2) Damit lautet die Gleichung f¨ ur die Zugspannung σ = F A . (2.3) Abb. 2.1 Zugstab a) Schnitt b) Geschnittener Zugstab mit Normalspannungen σ in der Schnittfl¨ ache c) durch σ i beanspruchte Elementarfl¨ ache A F F F σ A ΔA i σ i a) b) c) 13 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 H. Altenbach, Holzmann/Meyer/Schumpich Technische Mechanik Festigkeitslehre, DOI 10.1007/978-3-658-14723-5_2

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Kapitel 2

Zug- und Druckbeanspruchung

2.1 Zug- und Druckspannungen

Zur Berechnung der Spannungen in einem prismatischen Zugstab wendet man die

Schnittmethode (s. Abschnitt 1.3) an. Da die außeren Krafte FFF in Richtung der Stab-

achse zeigen, ist ein Schnitt senkrecht zur Stabachse als geeignet anzusehen. In

dieser Querschnittsflache konnen nur Normalspannungen auftreten (Abb. 2.1), weil

Schubspannungen außere Krafte senkrecht zur Stabachse erfordern. Die Gleichge-

wichtsbedingung der Krafte in Stablangsrichtung ergibt mit

lim∆A→0n→∞

n∑

i=1

σi∆Ai =

σdA ⇒

σdA−F= 0 . (2.1)

Geht man von der Annahme aus, dass die Spannungen gleichmaßig uber die Quer-

schnittsflache verteilt sind, dann ist σ= const. und aus Gl. (2.1) folgt

σ

dA= σA = F . (2.2)

Damit lautet die Gleichung fur die Zugspannung

σ=F

A. (2.3)

Abb. 2.1 Zugstab

a) Schnitt

b) Geschnittener Zugstab mit

Normalspannungen σ in der

Schnittflache

c) durch σi beanspruchte

Elementarflache A

F

FF

σ

A∆Ai

σi

a)

b) c)

13© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016

H. Altenbach, Holzmann/Meyer/Schumpich Technische Mechanik Festigkeitslehre,

DOI 10.1007/978-3-658-14723-5_2

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14 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Die Annahme gleichmaßiger Spannungsverteilung ist zutreffend, wenn sich die

Querschnittsflachen entlang der Stabachse nicht oder nur wenig andern und wenn

man den Bereich in der Nahe der Krafteinleitung außer Acht lasst. Die letzte Aus-

sage folgt aus dem Prinzip von DE ST. VENANT:

An Stellen, an denen eine Krafteinleitung erfolgt, konnen ortlich un-

gleichmaßige Spannungsverteilungen auftreten, die aber in der Berechnung

vernachlassigt werden, da diese sehr schnell abklingen.

Bei plotzlichem Querschnittssprung ist die Spannungsverteilung ungleichmaßig (s.

Abschnitt 3.2.2).

Druckbeanspruchung erhalt man durch Richtungsumkehr der außeren Last F.

Aus Gl. (2.3) folgt somit die Gleichung fur die Druckspannung in einem Druck-

stab

σ= −F

A. (2.4)

Die Spannungen in Zug- und Druckstaben mussen zulassig sein. Der maximale Wert

der Spannung, der zulassig ist, folgt aus der Festigkeitsbedingung mit der zulassigen

Spannung σzul (s. Kapitel 3)

|σ|=|F|

A� σzul . (2.5)

Aus Gl. (2.5) folgt fur die Tragfahigkeit

|Fzul|�Aσzul (2.6)

und fur die Dimensionierung

Azul �|F|

σzul

. (2.7)

Die Gln. (2.5) bis (2.7) entsprechen den Grundaufgaben der Festigkeitslehre (Ab-

schnitt 1.1) und gelten auch fur Druckstabe, sofern diese gedrungen sind und die

zulassigen Spannungen fur Zug und Druck gleich sind. Fur schlanke Stabe ist ei-

ne Berechnung auf Knicken erforderlich (s. Kapitel 10). Die Vorzeichen + oder −

werden im Allgemeinen nicht angegeben, wenn eindeutig zu erkennen ist, ob es

sich um Zug- oder Druckstabe handelt. Die Berechnung der zulassigen Spannung

σzul bei Zug- und Druckbeanspruchung wird im Kapitel 3 behandelt.

Beispiel 2.1 (Zugspannung in einer Stahlstange).

Eine Stahlstange, Durchmesser d = 50mm, wird mit F = 300kN auf Zug bean-

sprucht. Man berechne die Zugspannung σ.

Losung 2.1Fur d= 50mm ist A= (π/4)d2 = 1963,5mm2 ≈ 1964mm2. Gleichung (2.3) ergibt dann die

Zugspannung

σ=F

A=

3 ·105 N

1964mm2= 152,8

N

mm2≈ 153MPa .

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2.2 Zugversuch 15

Beispiel 2.2 (Tragfahigkeit eines Zugstabes).

Wie groß ist die Tragfahigkeit eines Zugstabes (Stahl S235JR, σzul = 140N/mm2)?

Fur den Stab ist warmgewalzter gleichschenkliger rundkantiger Winkelstahl 60× 6

vorgesehen.

Losung 2.2Einer Profiltabelle in [31] entnimmt man A = 6,91cm2 fur den gegebenen Winkelstahl. Die

Tragfahigkeit wird nun aus Gl. (2.6) berechnet

Fzul =Aσzul = 691mm2 ·140N

mm2= 96,7 ·103 N.

Die Zugkraft in dem Winkelstahl darf somit rund 96.7 kN nicht uberschreiten.

Beispiel 2.3 (Dimensionierung einer Schraube).

Eine Stahlschraube mit metrischem Gewinde wird mit einer Zugkraft F = 125kN

beansprucht. Welche Schraubengroße ist zu wahlen, wenn die zulassige Spannung

σzul = 120N/mm2

betragt?

Losung 2.3Fur die Berechnung denkt man sich die Schraube durch einen zylindrischen Stab mit dem Durch-

messer des Gewindekernquerschnitts ersetzt. Aus Gl. (2.7) erhalt man

A�F

σzul=

1,25 ·105 N

120N/mm2= 1042mm2 .

Einer Gewindetabelle [31] entnimmt man das Gewinde M42 mit Kernquerschnitt A3 = 10,45cm2.

Der Spannungsnachweis erfolgt mit Gl. (2.3)

σ=F

A3=

1,25 ·105 N

1045mm2= 120

N

mm2.

Mit dem Spannungsquerschnitt AS = 11,21cm2 [31] ergibt sich die Spannung zu 111,5N/mm2.

2.2 Zugversuch

Der Zugversuch gehort zu den Grundversuchen der Werkstoffprufung. Gleichzeitig

ist die Analyse des Zugversuchs vom Standpunkt der Technischen Mechanik von

besonderem Interesse. Daher wird nachfolgend der Zugversuch aus unterschiedli-

chen Blickwinkeln analysiert. Dabei wird ein Grundbeanspruchungsfall der Festig-

keitslehre betrachtet. Daneben werden wichtige Werkstoffkennwerte eingefuhrt.

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16 2 Zug- und Druckbeanspruchung

2.2.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - HOOKE’sches Gesetz

Das Verhalten von Werkstoffproben bei Zugbeanspruchung pruft man im Zug-

versuch1. Ein genormter Zugstab (Abb. 2.2), z. B. aus Stahl mit zylindrischem

Prufquerschnitt (Durchmesser d0), wird in einer Prufmaschine bis zum Zerreißen

belastet. Dabei wird die Kraftzunahme verfolgt. An einer vorbereiteten Anfangs-

Abb. 2.2 Genormter Propor-

tionalstab fur Zugversuche

L0

d0

messlange L0 misst man die mit der Kraft F zunehmende Verlangerung∆L, d. h. die

Differenz aus aktueller Lange L und L0. Der Durchmesser nimmt um ∆d ab (Abb.

2.3), da sich ∆d aus der Differenz von aktuellem Durchmesserd und Anfangsdurch-

messer d0 ergibt. Um von den absoluten Maßen des Zugstabs unabhangige Großen

zu erhalten, bezieht man die Langenanderung ∆L auf die Anfangsmesslange L0 so-

wie die Durchmesseranderung ∆d auf den Durchmesser d0. Dabei sind die Vor-

zeichen von ∆L und ∆d von Bedeutung, da sie eine eindeutige Interpretation der

Ergebnisse zulassen.

Definition 2.1 (Technische Dehnung). Als technische Dehnung bzw. Ingenieurdeh-

nung ε wird der Quotient aus Langenanderung zu Anfangsmesslange bezeichnet

ε=∆L

L0

.

Bei Zug wird die Lange L in Folge der Beanspruchung großer als die Anfangs-

messlange L0, daher sind die Verlangerung ∆L und die Dehnung ε positiv.

Definition 2.2 (Querkontraktion). Als Querkontraktion (Querdehnung) εq wird

der Quotient aus Durchmesseranderung zu Anfangsdurchmesser bezeichnet

Abb. 2.3 Elastische Ver-

formung der zylindrischen

Messstrecke eines Zugstabes

L0

d0

∆d/

2

∆L

1 Die ermittelten Kennwerte mit der Dimension Spannung werden in der Werkstoffprufung mit

dem Buchstaben R statt σ, die mit der Dimension Dehnung mit dem Buchstaben A statt ε be-

zeichnet. Dem wird auch hier Rechnung getragen.

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2.2 Zugversuch 17

εq =∆d

d0

.

Dabei ist zu beachten, dass der Anfangsdurchmesserd0 großer als der Durchmesser

in Folge der Beanspruchung d ist, d. h. ∆d und die Querdehnung εq sind negativ.

Unabhangig von der Verjungung des Stabes ist die Zugspannung im Zugversuch

als das Verhaltnis der Zugkraft F zum Ausgangsquerschnitt A0 definiert.

Definition 2.3 (Technische Spannung). Als technische Spannung bzw. Ingenieur-

spannung bei Zugbeanspruchung wird der Quotient aus Zugspannung zu Ausgangs-

querschnitt bezeichnet

σ=F

A0

.

Ein anschauliches Bild uber das Verhalten einer Probe unter Zugbeanspruchung

erhalt man, wenn man die Spannung σ uber die Dehnung ε auftragt. Man gelangt

so zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm fur die technischen Spannungen und Deh-

nungen. Abbildung 2.4 zeigt ein fur zahen Baustahl typisches Diagramm. Man er-

kennt daraus, dass bei kleiner Dehnung zunachst bis zum Punkt P die Dehnung

proportional zur Spannung zunimmt. Bei Entlastung geht die Dehnung ebenfalls

proportional zuruck. In Abschnitt 1.4 wurde dieses Verhalten als elastisch bezeich-

σ=F

A0

ε=∆L

L0

σE

σP R

e

Rm

σZ

A (A5 oder A10)

Ag

b)

c)

a)

Z

B

EP

Ae

0

Abb. 2.4: Verhalten einer Probe bei Zugbeanspruchung (Erklarung der Symbole in Abschnitt 2.2.3)

a) Spannungs-Dehnungs-Diagramm eines Baustahls

b) gleichmaßige Verjungung der Messstrecke bis zum Erreichen der Hochstlast

c) Einschnurung nach Uberschreitung der Hochstlast

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18 2 Zug- und Druckbeanspruchung

net, es wurde erstmalig von HOOKE (1678)2 untersucht. Der Anstieg der so genann-

ten HOOKE’schen Geraden 0P ist fur jeden Werkstoff eine spezifische Große. Die

Proportionalitat zwischen Spannung und Dehnung lasst sich durch die Gleichung

σ= Eε . (2.8)

ausdrucken. Der Proportionalitatsfaktor E wird Elastizitatsmodul genannt und ist

das Maß fur den Anstieg der Geraden 0P. Er ist konstant, wenn die Prufbedingun-

gen konstant sind. Gleichung (2.8) wird als HOOKE’sches Gesetz bezeichnet. Es

dient als Grundlage zur Ermittlung der Spannungen in Bauteilen bei elastischen

Formanderungen.

Zahlenwerte fur E-Moduln konnen z. B. [11; 31] entnommen werden, fur aus-

gewahlte Werkstoffe sind diese in Tabelle 2.1 angegeben. Durch Versuche hat man

auch festgestellt, dass im Bereich der HOOKE’schen Geraden das Verhaltnis der

Dehnung ε zur Querkontraktion εq konstant ist (POISSON’sches3 Gesetz)

ε∣

∣εq

=m .

Die POISSON’sche Konstante4 m ist ebenfalls eine werkstoffabhangige Zahl und

liegt fur Metalle im Allgemeinen zwischen 3 und 4. Haufiger wird jedoch das

Verhaltnis von Querkontraktion zu Langsdehnung angegeben

Tabelle 2.1: Elastizitatsmodul (in N/mm2), Querkontraktionszahl (dimensionslos) und Warmeaus-

dehnungskoeffizient (in 10−6K−1) fur ausgewahlte Werkstoffe

Werkstoff Elastizitatsmodul Querkontraktionszahl Warmeausdehnungskoeffizient

Stahl 1,9 . . .2,14 ·105 0,28 . . .0,33 12. . .15

Eisen, rein 2,12 ·105 0,27 12

Grauguss 0,63 . . .1,3 ·105 0,25 9

Aluminium 0,69 . . .0,72 ·105 0,31 . . .0,34 20. . .24

Blei 0,16 . . .0,2 ·105 0,45 28. . .29,3

Kupfer 1,24 ·105 0,33 16

Wolfram 3,55 ·105 0,35 4,5

Glas 0,4 . . .0,9 ·105 0,2 . . .0,29 2,5 . . .10

Polystyren 4 ·103 0,32 30

Epoxidharz 3,5 ·103 0,36 60. . .70

2 ROBERT HOOKE (∗ 18. Juli (jul.)/ 28. Juli 1635 (greg.) in Freshwater, Isle of Wight; † 3. Marz

1702 (jul.)/ 14. Marz 1703 (greg.) in London), Universalgelehrter (hauptsachlich auf den Gebie-

ten Physik, Mathematik und Biologie), Elastizitatsgesetz (als Anagramm”ceiiinosssttuu“, d. h. ut

tensio sic uis bzw. wie die Dehnung, so die Kraft), Kurator und Sekretar der Royal Society3 SIMEON DENIS POISSON (∗ 21. Juni 1781 in Pithiviers, Departement Loiret; † 25. April 1840

in Paris), Physiker und Mathematiker, Professor an der Ecole Polytechnique, Poisson-Verteilung,

adiabatische Zustandsanderung, Poisson-Zahl4 Korrekterweise musste hier der Begriff Parameter stehen, da alle Werkstoffkennwerte nicht kon-

stant sind, sondern z. B. von der Temperatur abhangen.

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2.2 Zugversuch 19

ν= −εq

ε. (2.9)

Dabei wird der Reziprokwert von m, die POISSONzahl oder die Querkontraktions-

zahl ν = 1/m, verwendet. Sie betragt im Durchschnitt fur Metalle im geschmiede-

ten oder gewalzten Zustand 0,25 . . .0,35. Beispiele konnen Tabelle 2.1 entnommen

werden.

Bei weiterer Steigerung der Kraft uberP hinaus (Abb. 2.4) weicht die Spannungs-

Dehnungs-Kurve von der Geraden ab. Die Dehnungen nehmen bei gleicher Kraft-

steigerung starker zu als im elastischen Bereich. Nach Uberschreiten eines Hochst-

wertes der Kraft FB = Fm reißt der Stab bei FZ auseinander (s. Abschnitt 2.2.3).

Da der Zugstab nach Uberschreiten des Hochstwertes FB eine signifikante Ein-

schnurung erfahrt, ist die Angabe der Spannung bezogen auf den Ausgangsquer-

schnitt nicht mehr zulassig. Bei Angabe der wahren Spannungen, die auf den aktu-

ellen Querschnitt bezogen werden, wurde das Spannungs-Dehnungs-Diagramm im

letzten Teil ansteigen. Weitere Ausfuhrungen zum Spannungs-Dehnungs-Diagramm

des Zugversuches kann man z. B. [11; 31] entnehmen.

2.2.2 Elastisches Verhalten - Formanderungsarbeit

Das elastische Verhalten eines Werkstoffs ist von grundlegender Bedeutung fur die

Festigkeitslehre, da die uberwiegende Anzahl von Problemen der Praxis unter der

Voraussetzung linear-elastischen Verhaltens gelost wird. Aus dem HOOKE’schen

Gesetz konnen eine Reihe von Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Gl. (2.8)

sagt z. B. aus, dass in einem Bauteil unter Zugbelastung bei bekanntem E-Modul

aus einer unter Kraft F gemessenen Dehnung ε die Spannung σ berechnet werden

kann. Ist F nicht bekannt, was haufig vorkommt, kann die Kraft bestimmt werden

F= σA = EεA .

Lost man Gl. (2.8) nach E auf, dann folgt

E=σ

ε. (2.10)

Mit Hilfe dieser Gleichung kann an einem Probestab aus der Kraft F und der gemes-

senen Dehnung ε der E-Modul eines Werkstoffs ermittelt werden.

Lost man schließlich Gl. (2.8) nach ε auf, dann ist

ε=σ

E. (2.11)

Hieraus kann man die Dehnung in einem Zugstab bei gegebener Kraft F und be-

kanntem Elastizitatsmodul vorausberechnen. Fur eine bestimmte Lange l des Stabes

folgt aus Gl. (2.11) mit ε= ∆l/l und σ= F/A die Verlangerung

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20 2 Zug- und Druckbeanspruchung

∆l=Fl

EA. (2.12)

Mit dieser Gleichung kann man die zu erwartende Verlangerung eines Zugstabes

von gegebener Lange ermitteln. Das Produkt EA wird auch als Dehnsteifigkeit be-

zeichnet.

Beispiel 2.4 (Zugkraft und Verlangerung in einer Stange).

Eine Stange (d = 10mm, l = 1000mm) wird mit der Spannung σ = 105 N/mm2

beansprucht. Wie groß sind die Zugkraft F und die Verlangerung∆l, wenn die Stan-

ge aus Stahl bzw. aus der Legierung AlMgSi gefertigt ist?

Losung 2.4Gleichung (2.3) ergibt

F=σA= 105N

mm2·78,5mm2 ≈ 8250N = 8,25kN.

Fur Stahl mit E= 2,1 ·105 N/mm2

wird nach Gl. (2.12)

∆l=Fl

EA=

8250N ·1000mm

2,1 ·105 (N/mm2) ·78,5mm2

= 0,5mm.

Mit E= 0,7 ·105 N/mm2

fur AlMgSi wird die Verlangerung ∆l= 1,5mm, also dreimal so groß

wie die der Stahlstange bei gleicher Zugkraft F.

Die Eigenschaft eines Korpers, nach Entlasten seine ursprungliche Form wieder an-

zunehmen, nutzt man bei elastischen Federn aus. Auch ein Zugstab kann als Feder

mit sehr kleinem Federweg angesehen werden (rheologisches Analogiemodell). Das

Verhaltnis Federkraft F zum Federweg, hier Verlangerung ∆l, nennt man Federkon-

stante5 c

c=F

∆l. (2.13)

Aus Gl. (2.12) erhalt man dann fur den Zugstab

c= EA

l. (2.14)

Die Federkonstante des Zugstabes ist also dem Elastizitatsmodul und dem Verhalt-

nis Querschnitt zur Lange proportional. Praktische Anwendung finden Zugstabfe-

dern z. B. als Dehnschrauben und Zuganker.

Wird eine Zugfeder belastet, ist die dazu aufgewendete Arbeit der außeren Krafte

in ihr als Formanderungsarbeit gespeichert. Nimmt die Verlangerung ∆l proportio-

nal mit der Kraft F zu, ist die Arbeit (s. [20], Abschnitt 2.2.1 Arbeit einer Kraft)

W =1

2F∆l . (2.15)

Mit F= σA und ∆l= εl erhalt man aus Gl. (2.15)

5 Diese Große ist wie die Werkstoffkennwerte gleichfalls nicht konstant.

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2.2 Zugversuch 21

W =1

2σεAl . (2.16)

Ersetzt man noch die Dehnung ε aus Gl. (2.11) und Al= V , ergibt sich

W =σ2

2EV . (2.17)

In Gl. (2.17) ist V das wirksame Federvolumen. Fur die Formanderungsarbeit eines

elastisch verformten Korpers kann man die allgemeine Beziehung

W = ηF∆WV (2.18)

angeben. In dieser Gleichung bedeuten ηF die Raumzahl (Ausnutzungsgrad) und

∆W =σ2

2E(2.19)

die spezifische (auf die Volumeneinheit bezogene) Formanderungsarbeit. Die Ar-

beit der außeren Krafte ist gleich der Formanderungsarbeit; durch Vergleich der

Gl. (2.17) mit Gl. (2.18) erkennt man, dass fur einen Zugstab mit gleichmaßiger

Spannungsverteilung ηF = 1 ist. Das Volumen des Zugstabes wird zu 100% ausge-

nutzt. In Federn mit ungleichmaßiger Spannungsverteilung ist ηF < 1, das Volumen

wird somit unvollstandig ausgenutzt.

Beispiel 2.5 (Formanderungsarbeit und Federkonstante einer Zugstange).

Fur die Zugstange mit gleichmaßiger Spannungsverteilung (ηF = 1) aus Beispiel

2.4 berechne man die spezifische und die gesamte Formanderungsarbeit sowie die

Federkonstante.

Losung 2.5Nach Gl. (2.19) ist

∆W =σ2

2E=

(1,05 ·102 N/mm2)2

2 ·2,1 ·105 N/mm2

= 0,026Nmm

mm3

[

=Arbeit

Volumen

]

.

Mit V =Al= 78,5mm2 · 1000mm = 7,85 · 104 mm3 ergibt sich nach Gl. (2.18) die insgesamt

aufgespeicherte Formanderungsarbeit

W = ηF∆WV = 1 ·0,026Nmm

mm3·7,85 ·104 mm3 = 2041Nmm ≈ 2,041Nm.

Das gleiche Ergebnis erhalt man auch aus Gl. (2.15)

W =1

2F∆l= 0,5 ·8250N ·0,5mm = 2062,5Nmm ≈ 2,062Nm.

Diese Zahlenergebnisse gelten fur den Stahlstab, fur den legierten Aluminiumstab sind die Betrage

wegen der dreifachen Verlangerung dreimal so groß. Die Federkonstante fur den Stahlstab ist nach

Gl. (2.13)

c=F

∆l=

8250N

0,5mm= 16500

N

mm.

Fur den Aluminiumstab ergibt sich c= 5500N/mm.

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22 2 Zug- und Druckbeanspruchung

2.2.3 Werkstoffkennwerte

Das Spannungs-Dehnungs-Diagramm fur zahen Baustahl (Abb. 2.4) weist eine Rei-

he von typischen Merkmalen auf. Oberhalb vom Punkt P weicht die Kurve von der

HOOKE’schen Geraden ab. Dies bedeutet zunehmende plastische (bleibende) Ver-

formung, d. h. nach Entlasten auf σ = 0 geht die Kurve parallel zur HOOKE’schen

Geraden um den Betrag εe zuruck, die Messstrecke hat eine bleibende Dehnung

erfahren (Abb. 2.5). Dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Abb. 2.4) werden ei-

ne Reihe wichtiger Werkstoffkennwerte entnommen, die im Folgenden kurz zusam-

mengestellt und erlautert werden sollen6.

Die Spannungen in den Punkten P und E (Abb. 2.4) heißen

Spannung an der Proportionalitatsgrenze σP =FPA0

,

Spannung an der Elastizitatsgrenze σE =FEA0

.

Bis zur Spannung σP sind Spannung σ und Dehnung ε einander proportional. Die

bis zur Spannung σE nach Entlasten auftretenden geringen bleibenden Formande-

rungen sind messtechnisch schwer erfassbar. Deshalb wird als technische Spannung

an der Elastizitatsgrenze die Dehngrenze bei nichtproportionaler Dehnung Rp ver-

wendet. Beispielsweise ist Rp0,01 (0,01%-Dehngrenze) als diejenige Spannung defi-

niert, die nach Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,01% hervorruft (Abb. 2.5).

Der Beginn großerer bleibender Verformungen wird bei Baustahl durch ein ausge-

pragtes Fließen bei einer im Mittel konstanten Kraft gekennzeichnet. Die Spannung

wahrend des Fließens heißt Fließgrenze oder

Abb. 2.5 Spannungs-

Dehnungs-Diagramm zur

Erlauterung der bleibenden

Dehnung εp nach Uberschrei-

ten der Proportionalitatsgren-

ze im Zugversuch

ε

σ

εp εe

6 Abweichend von den in der Technischen Mechanik ublichen Bezeichnungsweisen werden hier

die Bezeichnungen der Werkstoffprufung verwendet.

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2.2 Zugversuch 23

Streckgrenze Re =FEA0

.

Nach beendigtem Fließen ist eine weitere Verformung nur bei weiterer Kraftstei-

gerung moglich bis zum Punkt B. Den Maximalwert der Zugkraft FB = Fm, bezogen

auf den Ausgangsquerschnitt A0 definiert man als

Zugfestigkeit Rm =Fm

A0

.

Die Zugfestigkeit ist, wie die anderen Kennwerte auch, eine von den Abmessun-

gen in weiten Grenzen unabhangige vergleichbare Werkstoffgroße, die u.a. vielfach

als Qualitatsbezeichnung verwendet wird. Nach Uberschreiten der Spannung σP

verjungt sich der Zugstab gleichmaßig (Abb. 2.4 b) bis zum Punkt B in Abb. 2.4 a.

Dann aber schnurt er sich ortlich mit erheblicher Dehnung an dieser Stelle ein (Abb.

2.4 c), die Zugkraft F fallt ab, und der Stab reißt dort bei Erreichen des Punktes Z

auseinander. Der Wert σZ = FZ/A0 hat keine praktische Bedeutung. Als Kennwer-

te fur ein mogliches plastisches Verformungsverhalten eines Zugstabes werden die

Bruchdehnung und die Brucheinschnurung definiert.

Definition 2.4 (Bruchdehnung). Die Bruchdehnung ist

A5 (oder A10) =Lu −L0

L0

·100%

je nachdem, ob die Messlange L0 = 5d0 (kurzer) oder L0 = 10d0 (langer Propor-

tionalstab) betragt. Dabei wird die Großenlange Lu der ursprunglichen Messstrecke

nach dem Bruch ausgemessen.

Definition 2.5 (Brucheinschnurung). Die Brucheinschnurung ist

Z=A0 −Au

A0

100%.

Dabei wird der Querschnitt Au aus dem kleinsten Durchmesser der Bruchflache

berechnet.

Die gesamte Dehnung beim Bruch A7 setzt sich aus der Gleichmaßdehnung Ag

und der Einschnurdehnung Ae, vermindert um die elastische Dehnung in Folge der

Spannung σZ zusammen (Abb. 2.4)

A =Ag +Ae −σZ

E.

7 An dieser Stelle wird das in der Werkstoffprufung ubliche Formelzeichen A fur die Dehnung

verwendet. Dieses ist nicht zu verwechseln mit der Bezeichnung fur den Querschnitt.

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24 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Die Gleichmaßdehnung ist der bei gleichmaßiger Verjungung auftretende Anteil

der Bruchdehnung, die Einschnurdehnung der Anteil wahrend der ortlichen Ein-

schnurung. Um bei Uberlastung eines Zugstabes genugend Verformungsreserve zu

bekommen, wird Ag > Ae angestrebt. Man kann das durch Warmebehandlung, z.

B. bei Stahl, erreichen.

Nur kohlenstoffarme niedriglegierte gegluhte Stahle weisen das in Abb. 2.4 ge-

zeigte Spannungs-Dehnungs-Diagramm auf. Vergutete und gehartete Stahle, Guss-

eisen, Leicht- und Buntmetalle zeigen davon abweichendes Verhalten im Zugver-

such und dementsprechend andere Kurven im Diagramm. In Abb. 2.6 sind die

Diagramme fur einige metallische Werkstoffe aufgezeichnet. Das ausgepragte Flie-

ßen mit konstanter Spannung fehlt bei allen. Geharteter Stahl und Gusseisen GG

versagen sogar ohne eine messbare bleibende Formanderung (Trennbruch). Fur

Werkstoffe ohne ausgepragtes Fließen wird eine Ersatzstreckgrenze, die 0,2%-

Dehngrenze Rp0,2 definiert. Darunter versteht man diejenige Spannung, bei der nach

Entlasten eine bleibende Dehnung εp = 0,2% gemessen wird.

Der geradlinige Verlauf des Spannungs-Dehnungs-Diagramms kann ganz fehlen,

wie z. B. bei manchen Gusswerkstoffen und bei Kunststoffen (Abb. 2.7). Als Maß

fur den Elastizitatsmodul wird entweder der Anfangsanstieg oder der der Ableitung

entsprechende Anstieg dσ/dε der Kurve angegeben.

Je nach dem Verhalten im Zugversuch lassen sich zwei verschiedene Werkstoff-

gruppen unterscheiden.

Definition 2.6 (Duktiler Werkstoff). Diejenigen Werkstoffe, deren Versagen durch

großere bleibende Formanderungen vor dem Zerreißen eingeleitet wird, nennt man

duktil.

In diese Gruppe fallen fast alle gewalzten, geschmiedeten oder ahnlich behandelten

Metalle und viele Kunststoffe.

Definition 2.7 (Sproder Werkstoff). Werkstoffe, deren Versagen ohne bleibende

Formanderung durch Trennen erfolgt, nennt man sprode.

Hierzu gehoren gehartete und hartvergutete Stahle (Federn) und gegossene Metal-

legierungen (z. B. GG).

Abb. 2.6 Spannungs-

Dehnungs-Diagramme

verschiedener Werkstoffe

1 geharteter Stahl

2 verguteter Stahl

3 Gusseisen GG

4 Aluminiumlegierung

AlCuMg

5 reines Kupfer ε

σ 1

2

4

5

3

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2.2 Zugversuch 25

Abb. 2.7 Gekrummter

Verlauf des Spannungs-

Dehnungs-Diagramms (z. B.

Gusseisen oder Kunststoffe)

ε

σ

≈ arctanE

Die Werkstoffkennwerte werden durch die Behandlung der Werkstoffe beein-

flusst, eine große Rolle spielt aber auch die Pruftemperatur. Viele Bauteile wer-

den im Betrieb hohen Temperaturen ausgesetzt, so dass die Kenntnis des Tempera-

tureinflusses wichtig ist. Allgemein kann man feststellen, dass Festigkeit und Harte

mit fallender Temperatur, allerdings bei zunehmender Versprodung, steigen und

mit wachsender Temperatur abnehmen. Der Elastizitatsmodul von Metallen nimmt

mit steigender Temperatur ab [31]. Deshalb sind bei hoheren Temperaturen uber

150 . . .250℃ die elastischen Formanderungen großer als bei Raumtemperatur.

Die bei Baustahlen beobachtete ausgepragte Streckgrenze im Zugversuch ver-

schwindet mit zunehmender Temperatur. Metalle zeigen bei hoheren Temperatu-

ren eine bei normaler Temperatur nur bei Kunststoffen beobachtetes Veralten, das

man als Kriechen (bleibende Formanderung bei konstanter Spannung) bezeichnet.

Stahle z. B. beginnen bei 400 . . .450℃ zu kriechen. Fur die Verwendung von Stahl

bei Temperaturen uber 450℃ (0,3 - 0,5 der Schmelztemperatur in Kelvin) mussen

deswegen neue Kennwerte definiert werden, die diesem Materialverhalten gerecht

werden:

Zeitdehngrenze Rp1/105,

Zeitbruchgrenze Rm/105 .

Man versteht darunter diejenigen (konstanten) Spannungen, die nach 105 Stunden

Belastungszeit 1% bleibende (Kriech-)Dehnung aufweisen oder noch zum Bruch

fuhren. Aus praktischen Grunden werden diese Kennwerte meist in Kurzzeitversu-

chen (z. B. 103 Stunden) ermittelt und auf langere Zeiten extrapoliert.

Nahere Einzelheiten entnimmt man den entsprechenden Normblattern und Nach-

schlagewerken, z. B. [31]. Bei der Berechnung von zulassigen Spannungen zieht

man zusatzlich das Verhalten bei moglichem Versagen neben der Art der Bean-

spruchung zur Beurteilung heran. In der Praxis zeigt sich, dass die zugige (sta-

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26 2 Zug- und Druckbeanspruchung

tische) Beanspruchung hierfur nicht ausreicht, sondern dass das dynamische Ver-

halten (Ermudung des Werkstoffs) eine besondere Rolle spielt (s. Kapitel 3). Un-

terschiedliche Modelle des Werkstoffkriechens und strukturmechanische Analysen

konnen beispielsweise [54] entnommen werden.

2.3 Druckversuch

2.3.1 Spannungs-Dehnungs-Diagramm - HOOKE’sches Gesetz

Druckversuche dienen zur Prufung des Werkstoffverhaltens unter Druckbeanspru-

chung und werden vor allem in der Baustoffprufung (Steine, Beton usw.) durch-

gefuhrt. Aber auch fur Metalle und Kunststoffe gewinnt man aus ihnen wertvolle

Erkenntnisse. Im Allgemeinen werden zylindrische Proben (h0 = 1. . .2d0) zwi-

schen ebenen starren Druckplatten zugig bis zum Versagen beansprucht und die

Kraftzunahme sowie die Hohenabnahme ∆h (stets negativ) der Hohe h0 verfolgt.

Aus beiden ergeben sich mit der Druckspannung σ = −F/A0 und der Stauchung

ε = ∆h/h0 Spannungs-Dehnungs-Diagramme, von denen in Abb. 2.8 zwei typi-

sche Beispiele wiedergegeben sind. Bei Stahl (Abb. 2.8 a) ist wieder der geradlinige

Anstieg bis zum Punkt P zu erkennen. Der Anstieg der HOOKE’schen Geraden ist

im Zug- und Druckbereich gleich, damit auch der Elastizitatsmodul. Sinngemaß tritt

an Stelle der Verlangerung bei Zug eine Verkurzung, an Stelle der Querkontraktion

eine Querdehnung. Man definiert sinngemaß wie bei Zugbeanspruchung (Abb. 2.9)

εε

σσ

Re

σdP

σdF

Rm

P

Rm

σdB

B

E

a) b)

Abb. 2.8: Spannungs-Dehnungs-Diagramme bei Zug und Druckbeanspruchung

a) Stahl

b) Grauguss GG

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2.3 Druckversuch 27

Abb. 2.9 Verformung eines

zylindrischen Druckkorpers

h0

d0

∆h

∆d

2

Stauchung ε=∆h

h0

,

Querdehnung εq =∆d

d0

.

Im Bereich der HOOKE’schen Geraden gilt zwischen Stauchung und Querdeh-

nung das POISSON’sche Gesetz (Gl. 2.9). Mit entsprechender Vorzeichenumkeh-

rung konnen die Gln. (2.10) bis (2.12) und (2.13) bis (2.19) bei Druckbeanspru-

chungen angewendet werden, in ihnen ist lediglich ∆l durch ∆h und l durch h0 zu

ersetzen.

2.3.2 Werkstoffkennwerte

Entsprechend den Kennwerten bei Zugbeanspruchung werden definiert8

Spannung an der Proportionalitatsgrenze σdP =FPA0

,

Spannung an der Quetschgrenze σdF =FS

A0

.

8 Die kleinen Buchstabenindizes an den Formelzeichen σ und τ dienen zur Kennzeichnung der Art

der Kraftwirkung, z. B. σd Druckspannung, σb Biegespannung, große Buchstaben dagegen dienen

zur Kennzeichnung der Werkstoffkennwerte, z. B. σzdD Zug-Druck-Dauerfestigkeit, τtF Torsions-

fließgrenze. Kleine Indizes brauchen nur da gesetzt zu werden, wo aus dem Zusammenhang nicht

ohne Weiteres klar ist, um welche Spannungsart es sich handelt.

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28 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.10 Stauchung von

Druckproben

a) Stahl oder Aluminium

b) Grauguss GG

a) b)

Bei Werkstoffen mit nicht ausgepragtem Fließverhalten wird statt der Stauchgrenze

die 0,2-Dehngrenze bestimmt

Druckfestigkeit σdB =FdB

A0

.

Bei im Zugversuch duktilen Werkstoffen (z. B. Stahl) ist eine Druckfestigkeit

nicht feststellbar, die Proben werden unter starker Ausbauchung (Dehnungsbehin-

derung durch Reibung an den Druckplatten) flach gedruckt (Abb. 2.10 a). Haufig

bezeichnet man als Druckfestigkeit diejenige Spannung, bei der erstmalig Risse an

der Oberflache auftreten. Bei gewalzten und geschmiedeten Metallen sind Streck-

grenze und Stauchgrenze annahernd gleich groß, d. h. σdF ≈ Re.

Im Zugversuch sprode Werkstoffe (z. B. Grauguss GG) zeigen im Druckver-

such Versagen durch Abgleiten unter 45° zur Druckrichtung (Abb. 2.10 b), eine

Obergrenze ist im Allgemeinen nicht erkennbar. Bedingt durch die Besonderheit

des Gefugeaufbaus bei Gusseisen GG (in stahlahnlichem Grundgefuge eingelager-

te sprode Graphitlamellen niederer Festigkeit) ist die Druckfestigkeit wesentlich

großer als die Zugfestigkeit (Abb. 2.8 b)

σdB = 2.5 . . .4Rm .

2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung

2.4.1 Einfache Belastungsfalle

Einfache Belastungsfalle sind Zug- und Druckstabe in statisch bestimmten oder un-

bestimmten Konstruktionen, wobei diese als Modelle fur Ketten, Seile, Schrauben

usw. dienen. Wenn die Wirkungslinie der Krafte mit der Stabachse zusammenfallt

und die Querschnittsanderungen geringfugig sind, wird mit gleichmaßiger Span-

nungsverteilung gerechnet (Kerbwirkung s. Kapitel 3). Druckstabe sind zusatzlich

auf Knicken nachzurechnen, sofern ihre Lange im Verhaltnis zu den Querschnitts-

abmessungen groß ist.

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 29

Abb. 2.11 Kettenglied einer

Rundstahlkette

∅20

Beispiel 2.6 (Dimensionierung und Verlangerung einer Zugstange).

Eine 6m lange Zugstange aus Stahl mit Kreisquerschnitt ist durch eine Kraft

F = 360kN beansprucht. Gegeben sind σzul = 90N/mm2,E = 2,1 · 105 N/mm

2.

Zu berechnen sind der erforderliche Durchmesser d und die Verlangerung ∆l der

Stange.

Losung 2.6Fur die Dimensionierung wird die Gl. (2.7) benotigt

A�F

σzul

=3,6 ·105 N

90N/mm2= 4000mm2 .

Damit erhalt man d= 71,4mm, gewahlt wird 72mm mit der Querschnittsflache 4070mm2. Der

Spannungsnachweis lautet

σ=F

A=

3,6 ·105 N

4070mm2= 88,4

N

mm2<σzul .

Die elastische Verlangerung folgt aus Gl. (2.12)

∆l=Fl

EA=

3,6 ·105 N ·6000mm

2,1 ·105 N/mm2 ·4070mm2

= 2,52mm.

Beispiel 2.7 (Zulassige Kraft in einer Gliederkette).

Die Gliederkette eines Kranes hat den Drahtdurchmesser d = 20mm (Abb. 2.11).

Mit welcher Kraft Fzul darf die Kette beansprucht werden, wenn die zulassige Span-

nung σzul = 75N/mm2

vorgeschrieben ist und das Eigengewicht der Kette ver-

nachlassigt wird?

Losung 2.7

Der auf Zug beanspruchte Querschnitt ist A= 2πd2

4. Aus Gl. (2.6) folgt

Fzul =Aσzul =π

2·400mm2 ·75

N

mm2= 4,71 ·104 N = 47,1kN.

Beispiel 2.8 (Analyse einer Aufhangung).

Ein Gerat mit der Gewichtskraft FG = 10kN) wird im Gelenkpunkt P zweier

Stangen aufgehangt (Abb. 2.12). Werkstoff der Stange 1 ist Stahl, Durchmesser

d1 = 8mm. Man berechne:

a) die Zugspannung in der Stange 1,

b) den Durchmesser der Stange 2 aus Aluminium so, dass sie gleiche elastische

Verlangerung erfahrt, wie die Stange 1,

c) die Zugspannung in der Stange 2,

d) die Verlangerung beider Stangen und die Verschiebung des Gelenkpunktes P.

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30 2 Zug- und Druckbeanspruchung

8000

8000

αα

αα

α α

21

FG

FG

FS1 FS2

P

∆l ∆l

vP

P ′

a) b) c)

P

Abb. 2.12: Zwei Stangen mit angehangtem Gewicht FG

a) Lageplan

b) Krafteplan fur den Knoten Pc) Verschiebungsplan

Gegeben sind E1 = 2,1 · 105 N/mm2

und E2 = 0,675 · 105 N/mm2

und der Winkel

α= 30°.

Losung 2.8Aus Symmetriegrunden (gleichgroße Winkel) sind die Stangenkrafte gleich groß. Fur den gegebe-

nen Winkel gilt sinα = 0,5. Die Gleichgewichtsbedingung fur die Krafte in vertikaler Richtung

ergibt (Abb. 2.12 a)

FS = FS1 = FS2 =FG

2cosα=

104 N

2 ·0,866= 5,77 ·103 N = 5,77kN .

a) Mit A1 = 50,3mm2 erhalt man aus Gl. (2.3)

σ(1) =FS

A1

=5,77 ·103 N

50,3mm2= 114,7

N

mm2.

b) Damit beide Stangen gleiche Verlangerung erfahren sollen, gilt fur beide die Gl. (2.12)

∆l1 =∆l2 oderFSl

E1A1

=FSl

E2A2

.

Daraus erhalt man den gesuchten Querschnitt der Stange 2

A2 =A1E1/E2 = 50,3mm2 ·2,1/0,675 = 156,5mm2

und d2 = 14,1mm.

c) Fur die Zugspannung in der Stange 2 erhalt man

σ(2) =FS

A2=

5,77 ·103 N

156,5mm2= 36,9

N

mm2.

d) Mit l= 8000mm wird die Verlangerung

∆l=FSl

E1A1=

5,77 ·103 N ·8000mmmm2

2,1 ·105 N ·50,3mm2= 4,37mm.

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 31

Zur Ermittlung der Verschiebung vP des Punktes P zeichnet man den Verschiebungsplan

(Abb. 2.12 c). Man erhalt daraus

vP =∆l

cosα=

4,38mm

0,866= 5,05mm.

Zur Konstruktion des Verschiebungsplanes denkt man sich beide Stangen im Gelenkpunkt

(Knoten) P gelost. Die neue Lage des Knotens P ′ erhalt man als den Schnittpunkt zweier

Kreisbogen mit den Radien l+∆l um die Aufhangepunkte (Festpunkte). Da die Langenande-

rungen ∆l sehr viel kleiner sind als die Langen l, kann man die Kreisbogen durch Geraden

rechtwinklig zur Stabrichtung ersetzen. Es genugt dann, nur die Umgebung des Knotens mit

den stark vergroßerten Langenanderungen zu zeichnen.

Beispiel 2.9 (Druckbeanspruchung in zylindrischen Metallstucken).

Zwischen den ebenen starren Druckplatten einer Presse werden zwei eben aufein-

ander liegende zylindrische Metallstucke mit gleichem Durchmesser d = 30mm

aus zwei verschiedenen Werkstoffen (Werkstoff 1 - Magnesium mit dem E-Modul

E1 = 0,45 ·105 N/mm2, Werkstoff 2 - Kupfer mit E2 = 1,2 ·105 N/mm

2) auf Druck

beansprucht (Abb. 2.13). Bei der Druckkraft F wird an einer Messuhr die Gesamt-

verkurzung dh= 0,16mm abgelesen. Zu berechnen sind die Spannungen in beiden

Teilen, die jeweilige Verkurzung und die Druckkraft F.

Losung 2.9Da beide Teile gleiche Durchmesser haben, sind auch die Spannungen in ihnen gleich groß

σ = F/A. Fur die Verkurzung erhalten wir aus Gl. (2.12)

∆h=∆h1 +∆h2 =σ

(

h1

E1

+h2

E2

)

E1

(

h1 +E1

E2

h2

)

.

h1 und h2 sind die Hohen der beiden Teilstucke (Abb. 2.13). Durch Umformen obiger Gleichun-

gen ergibt sich

σ=E1∆h

h1 +(E1/E2)h2=

0,16mm ·0,45 ·105 N/mm2

27,5mm+(0,45/1,2) ·55mm= 149,6

N

mm2.

Mit der Querschittsflache A= 707mm2 ist die Druckkraft

F= σA= 149,6N/mm2 ·707mm2 = 10,6 ·104 N.

Fur die Verkurzungen erhalt man dann

Abb. 2.13 Druckbeanspruchung

zweier eben aufeinander

liegender zylindrischer

Metallstucke

1

2

27,5

55

∅30

F

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32 2 Zug- und Druckbeanspruchung

∆h1 =σh1

E1= 149,6

N

mm2·

27,5mm

0,45 ·105 N/mm2= 0,092mm,

∆h2 =∆h−∆h1 = 0,069mm.

Beispiel 2.10 (Aufhangung eines Messgerates).

Ein Messgerat (Gewichtskraft FG) hangt an drei Drahten, die in einer Ebene ange-

ordnet sind (Abb. 2.14 a). Die außeren Drahte 1 sind gleich (E-Modul E1, Quer-

schnitt A1), der mittlere Draht 2 hat den E-Modul E2 und den Querschnitt A2.

Gegeben sind die folgenden Werte FG = 5kN,A1 = A2 = 12,5mm2,α = 30°,

l1 = 1,5m, l2 = 1m, E1 = 2,1 · 105 N/mm2,E2 = 0,7 · 105 N/mm

2. Zu berechnen

sind die Spannungen in den Drahten und die senkrechte Verschiebung des gemein-

samen Aufhangepunktes P.

Losung 2.10Die Stangenkrafte in den Stangen 1 sind aus Symmetriegrunden gleich groß. Die Gleichgewichts-

bedingung fur die Krafte in vertikaler Richtung ergibt (Abb. 2.14 b)

2FS1cosα+FS2

= FG .

Mit Gl. (2.3) erhalt man

2σ(1)A1 cosα+σ(2)A2 = FG .

Aus dieser einzigen Gleichgewichtsbedingung kann man die beiden unbekannten Spannungen

nicht berechnen, das System ist einfach statisch unbestimmt (s. [21], Kapitel 7 - Ebene Fachwerke).

Eine weitere Gleichung gewinnt man, wenn man die Vertraglichkeitsbedingung (s. Abschnitt 1.4)

heranzieht. Diese ergibt sich hier aus der Bedingung, dass die Formanderung der Drahte zuein-

11

2l1

l 2

αα

P

FG

FS1FS1

FS2

FG

α α

αα

P

vP=

δl 2

δl1

a) b) c)

Abb. 2.14: An drei Drahten angehangtes Messgerat

a) Lageplan

b) Krafteplan fur den Knoten Pc) Verschiebungsplan

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 33

ander passen mussen, d. h., dass die Drahte auch im belasteten Zustand im Punkt P verbunden

bleiben. Die Spannungen sind durch das HOOKE’sche Gesetz mit den Dehnungen verknupft.

Aus dem Verschiebungsplan (Abb. 2.14 c) in Verbindung mit den Gln. (2.3) und (2.12) folgen

die Verlangerungen

∆l1 = (σ(1)/E1)l1 = vP cosα, ∆l2 = (σ(2)/E2)l2 = vP .

Lost man diese Gleichungen nach den Spannungen auf und setzt sie in die obige Gleichgewichts-

bedingung ein, ergibt sich

2E1A1vP cos2α

l1+

E2A2vP

l2= FG.

Daraus lasst sich unmittelbar die Verschiebung vP berechnen

vP =FG

(2E1A1 cos2α/l1)+(E2A2/l2).

Die Spannungen erhalt man aus den Gleichungen fur die Verlangerungen

σ(1) = vP cosαE1

l1, σ(2) = vP

E2

l2.

Mit den oben angegebenen Zahlenwerten wird

2E1A1 cos2α

l1+

E2A2

l2=

4,2 ·105 N/mm2 ·12,5mm2 ·0,75

1500mm+

7 ·104 N/mm2 ·12,5mm2

1000mm= 3500N/mm,

vP =5000N

3500N/mm= 1,43mm,

σ(1) = 1,43mm ·0,866 ·2,1 ·105 N/mm

2

1500mm= 173N/mm

2,

σ(2) = 1,43mm ·7 ·104 N/mm

2

1000mm= 100N/mm

2.

Eine Kontrollrechnung mit der Gleichgewichtsbedingung ergibt

2 ·173N/mm2 ·12,5mm2 ·0,866+100N/mm

2 ·12,5mm2 = 3750N+1250N = 5000N.

Beispiel 2.11 (Berechnung eines Wandkranes).

Ein Wandkran ist aus zwei Winkelstahlen 80× 65× 8 (1) und aus zwei weiteren

[-Stahlen 140 (2) zusammengesetzt, in den Punkten A und B aufgehangt und in P

uber ein Drahtseil durch eine Last mit der Kraft F vertikal belastet (Abb. 2.15 a). Zu

berechnen sind:

a) die zulassige Belastung Fzul aus der Bedingung, dass die Zugspannung in der

Stange 1 σzul = 135N/mm2

nicht uberschreiten darf,

b) die Spannung in der Stange 2,

c) die Verschiebung des Knotens P,

d) die erforderliche Anzahl i der Drahte im Drahtseil

(σzul = 240N/mm2, Durchmesser der Einzeldrahte d0 = 1,5mm).

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34 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Losung 2.11Aus der Profiltabelle [31] entnimmt man die Querschnittsflache fur den

– Winkelstahl 0,5 ·A1 = 1100mm2,

– [-Stahl 0,5 ·A2 = 2040mm2.

a) Mit A1 = 2 ·1100mm2 = 2200mm2 ergibt sich die Stangenkraft in der Strebe 1

FS1 =σzulA1 = 135N/mm2 ·2200mm2 = 297 ·103 N.

Die gesuchte Kraft Fzul und die Stangenkraft FS2 erhalt man aus den Kraftegleichgewichten in

x- und y-Richtung mit α= 33,7° (Abb. 2.15 b)

−Fzul +FS1 sinα= 0, −FS2 −FS1 cosα= 0,

Fzul = FS1 sinα= 164,8 ·103 N, FS2 =−FS1 cosα=−247,1 ·103 N.

b) Mit A2 = 2 ·2040mm2 = 4080mm2 erhalt man die Druckspannung im Stab 2

σ(2) =FS2

A2

=−247,1 ·103 N

4080mm2=−60,6N/mm

2.

Der Druckstab muss noch auf Knicken nachgerechnet werden (s. Kapitel 10).

c) Fur die Verschiebung des Knotens P mussen die Verlangerung ∆l1 der Stange 1 und die

Verkurzung ∆l2 der Stange 2 aus Gl. (2.12) berechnet werden

∆l1 =σ(1)

E1

l1 =135N/mm

2

2,1 ·105 N/mm2·√

13 ·1000mm = 2,318mm,

∆l2 =σ(2)

E2l2 =

−60,6N/mm2

2,1 ·105 N/mm2·3000mm = −0,866mm.

Um die Verschiebung des Knotens P zu berechnen, muss die Verbindung beider Stabe in die-

sem Punkt gedanklich aufgehoben werden. Die Verlangerung der Stange 1 und die Verkurzung

a) b) c)

2000

3000

2

1

F

F

B

A

FS2

FS1

∆l2

α

α

α

α

∆l1

vp

P

P

P

v

u

Abb. 2.15: Wandkran mit angehangter Last Fa) Lageplan

b) Krafteplan fur den Knoten Pc) Verschiebungsplan

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 35

der Stange 2 werden angezeichnet. Die Lage des verschobenen Punkts P ergibt sich als Schnitt-

punkt der Kreisbogen um die Punkte A und B mit den Radien l1 +∆l1 bzw. l2 +∆l2 (Abb.

2.15 c). Da die Verlangerungen klein sind gegen die Lange der Stangen, konnen die Kreisbogen

durch ihre Tangenten ersetzt werden

u= |∆l2|= 0,865mm, v=∆l1

sinα+

u

tanα= 5,475mm,

und

vP =√

u2 +v2 = 5,5mm.

d) Aus Gl. (2.7) wird der Gesamtquerschnitt des Drahtseils berechnet

A�Fzul

σzul=

164,7 ·103 N

240N/mm2= 686mm2 .

Mit d0 = 1,5mm ist der Querschnitt eines einzelnen Drahtes A0 = 1,77mm2. Die Anzahl der

Drahte ergibt sich aus

i�A

A0

=686mm2

1,77mm2= 388,2 ,

d. h. 389 Drahte.

Beispiel 2.12 (Zugstab mit schwach veranderlichem Querschnitt).

Fur einen einseitig eingespannten, schlanken Zugstab mit schwach linear verander-

lichem Querschnitt, der am freien Ende mit einer Zugkraft F beansprucht wird

(Abb. 2.16), sind die Verschiebungen zu ermitteln. Gegeben sei der Elastizitatsmo-

dul E, die Stablange l sowie die Funktion fur den Querschnitt in Abhangigkeit der

Stabachsenkoordinate xA(x) =A0

(

1−x

20l

)

.

Dabei ist A0 der Querschnitt an der Einspannstelle.

Losung 2.12Fur Referenzzwecke soll zunachst die analytische Losung abgeleitet werden, die man in diesem

Fall exakt angeben kann. Mit der konstanten Langskraft F erhalt man die Normalspannung zu

σ(x) =F

A(x),

welche dann zunachst in eine Bestimmungsgleichung fur die Verschiebungen eingeht

du=σ(x)

Edx=

F

EA(x)dx .

xF

l

A0

19

20A0

Abb. 2.16: Zugstab mit schwach veranderlichem Querschnitt

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36 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Die Integration fuhrt dann auf

u(x)−u(0)=F

EA0

x∫

0

dx

1−x

20l

=−20Fl

EA0

ln(

1−x

20l

)

.

Die Verschiebung des freien Endes folgt damit zu

u(l) =−20Fl

EA0ln

(

1−l

20l

)

= 1,02586Fl

EA0≈ 1,026

Fl

EA0.

Der Zugstab mit konstantem Querschnitt fuhrt im Falle des Querschnittsmaßes A0 an der Ein-

spannstelle auf

u(l) =Fl

EA0

bzw. im Falle des Querschnittsmaßes 19A0/20 am freien Ende

u(l) =20Fl

19EA0

= 1,053Fl

EA0

.

Nimmt man das Querschnittsmaß 39A0/40 in der Mitte, folgt

u(l) =40Fl

39EA0= 1,026

Fl

EA0.

Man erkennt, dass die exakte Losung von einem oberen Wert (entsprechend dem kleineren Quer-

schnitt) und einem unteren Wert (entsprechend dem großeren Wert) eingeschrankt wird. Der dritte

Wert stimmt in den ersten vier Ziffern (1,02564 gegen 1,02587) mit der exakten Losung uberein.

Nimmt man jedoch weitere Kommastellen hinzu, erkennt man auch hier eine Abweichung. Die

Ursache hierfur ist, dass die Theorie der Zugstabe zunachst nur exakt ist fur Zugstabe konstanter

Querschnittsabmaße. Die erste Losung entspricht dem Fall veranderlichen Stabquerschnittes.

2.4.2 Flachenpressung

Unter Flachenpressung versteht man die Druckbeanspruchung an der ebenen oder

gekrummten Beruhrungsflache zweier Korper unter dem Einfluss einer Kraft. Bei

ebenen Beruhrungsflachen ist die Flachenpressung

p =Fn

A� pzul, (2.20)

wenn A die Beruhrungsflache und Fn die Normalkraft senkrecht zu dieser ist. Die

Flachenpressung wird als Druckspannung in das Innere der gepressten Korper uber-

tragen. Ist die Flachenpressung eines Korpers auf den anderen großer als die zulassi-

ge (z. B. einer Maschine auf den Boden), schaltet man einen Korper mit großerer

zulassiger Flachenpressung dazwischen (Stahlplatte, Betonfundament o.a.), um die

Beruhrungsflache zu vergroßern.

Beispiel 2.13 (Berechnung der Auflagerlange).

Ein I-Breitflanschtrager 400 ist mit seinem Ende auf einem Mauerwerk gelagert

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 37

Abb. 2.17 Lagerung eines

I-Breitflanschtragers

FnFn

l

b

(pzul = 0,7N/mm2), Stutzkraft Fn = 105kN. Wie groß ist die Auflagerlange zu

wahlen (Abb. 2.17)?

Losung 2.13Aus der Profiltabelle [31] entnimmt man die Tragerbreite b= 300mm. Mit der Beruhrungsflache

A= bl erhalt man aus Gl. (2.20) die erforderliche Stutzlange

l=Fn

pzulb=

1,05 ·105 Nmm2

0,7N ·300mm= 500mm .

Beispiel 2.14 (Berechnung einer Hohlsaule).

Eine Hohlsaule aus Gusseisen (Außendurchmesserda = 200mm, Innendurchmesser

di = 160mm) ist mit einer Druckkraft F= 150kN belastet. Die Saule steht auf einem

gemauerten Sockel (pzul = 0,8N/mm2), der seinerseits auf gewachsenem Boden

ruht (pzul = 0,25N/mm2) (Abb. 2.18). Zu berechnen sind der erforderliche Durch-

messers D des an die Saule angegossenen Flansches und die Seitenlange a des mit

quadratischem Querschnitt gemauerten Sockels.

Losung 2.14Die Beruhrungsflache zwischen Flansch und Sockel ist

AF1 =π

4(D2 −d2

i ) .

Setzt man diese in die Gl. (2.20) mit Fn = F ein und lost sie nach D auf, dann ergibt sich

Abb. 2.18 Hohlsaule aus

Grauguss mit Sockel zur

Verringerung der Flachen-

presssung

F

da

di

D

a

Sockel

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38 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.19 Vereinfachte An-

nahme der Flachenpressung

p an gekrummten Flachen

(Zapfen)

l

pp

d

D=

4F

πpzul+d2

i =

60 ·104 Nmm2

π ·0,8N+2,56 ·104 mm2 = 514,1mm.

Gewahlt wird D= 520mm. Die Querschnittsflache des Sockels ist ASockel = a2. Mit Gl. (2.20)

erhalt man

a=

F

pzul

=

15 ·104 Nmm2

0,25N=

√60 ·104 mm2 = 775mm.

Gewahlt wird a= 780mm.

Flachenpressung an gekrummten Beruhrungsflachen tritt bei der Lagerung von Zap-

fen auf, auch bei Bolzen und Nieten in Bohrungen. Unabhangig von der wirklichen

Druckverteilung wird zur Vereinfachung mit einer gleichformig uber die Projekti-

onsflache A = ld (Abb. 2.19) verteilten Pressung p gerechnet (l wirksame Lager-

oder Bohrungslange, d Zapfen- oder Bolzendurchmesser). Die Pressung zwischen

Bolzen und Bohrungswand wird auch Lochleibungsdruck genannt [40].

Beispiel 2.15 (Dimensionierung eines Wellenzapfens).

Ein mit einer Kraft F = 60kN belasteter Wellenzapfen ist in einem Gleitlager gela-

gert. Zu berechnen sind die Lange l und der Durchmesser d des Zapfens mit Ruck-

sicht auf die Flachenpressung (zulassiger Druck pzul = 18N/mm2), wenn fur das

Verhaltnis l/d= 1,2 vorgeschrieben ist.

Losung 2.15Durch Umformung der Gl. (2.20) mit Fn = F

p=F

A=

F

ld=

F

1,2d2� pzul

erhalt man

d�

F

1,2pzul

=

6 ·104 Nmm2

1,2 ·18N= 52,8mm.

Gewahlt wird d = 55mm,l = 66mm. Im Wellenzapfen ist zusatzlich die Biegebeanspruchung

nachzurechnen (s. Abschnitt 4.2).

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 39

2.4.3 Spannungen in dunnwandigen zylindrischen Ringen

2.4.3.1 Zugspannungen durch Fliehkrafte

In sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω drehenden Bauteilen (z. B. Ringe, Rader,

Trommeln und Scheiben) treten Fliehkrafte auf, die von der Drehachse fort gerich-

tet sind und den Umfang zu vergroßern trachten. Nach dem HOOKE’schen Ge-

setz haben die Langenanderungen des Umfangs Zugspannungen in Umfangsrich-

tung zur Folge. In ringformigen Bauteilen konnen diese Spannungen bei Annahme

gleichmaßiger Verteilung berechnet werden, wenn die Dicke t klein ist gegenuber

dem mittleren Radius r (Abb. 2.20 a).

Nach der Schnittmethode wird ein Stuck des Ringes herausgeschnitten und sein

Gleichgewicht betrachtet (Abb. 2.20 b). Als Tragheitskraft wirkt die im Schwer-

punkt angreifende Fliehkraft ∆F = ∆mrω2 (s. [20], Abschnitt 5.2 Drehung eines

starren Korpers um eine feste Achse). In den Schnittflachen A wirken die Krafte

σA. Das Gleichgewicht in radialer Richtung verlangt (Abb. 2.20 c)

∆mrω2 −2σAsin(∆ϕ/2) = 0 . (2.21)

∆m = ρ∆V ist die Masse des Teilstucks mit der Dichte ρ und dem Volumen

∆ V = Ar∆ϕ.

Nach dem Grenzubergang∆ϕ→ 09 erhalt man aus Gl. (2.21) die gesuchte Zug-

spannung

σ= lim∆ϕ→0

ρ∆Vrω2

2Asin(∆ϕ/2)= lim

∆ϕ→0

ρAr2ω2(∆ϕ/2)

Asin(∆ϕ/2)= ρr2ω2 . (2.22)

a) b) c)

σσ

∆F

∆F∆F

M

r

t

σA

σAσAσA

t

∆ϕ

r

∆ϕ/2

∆ϕ/2

a)

Abb. 2.20: Dunnwandiger zylindrischer Ring

a) Ring unter Fliehkraftbeanspruchung

b) Teilstuck aus dem Ring mit der außeren Kraft ∆F und den Schnittkraften σAc) Krafteplan

9 Es gilt lim∆ϕ→0

sin(∆ϕ/2)

∆ϕ/2= 1.

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40 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Die Zugspannung in einem dunnen umlaufenden Ring ist also unabhangig von der

Große der Querschnittsflache A des Ringes. Die Spannung kann somit nur durch

Verringern von Radius oder Winkelgeschwindigkeit vermindert werden, nicht aber

durch”Verstarkung“. Da rω= v die Umfangsgeschwindigkeit des Ringes ist, kann

fur Gl. (2.22) auch geschrieben werden

σ= ρv2. (2.23)

Die Spannung in einem umlaufenden Ring hangt demnach nur von der Dichte ρ

des Werkstoffs und von der Umfangsgeschwindigkeit v ab. Es ist zu beachten, dass

Gl. (2.23) streng nur fur einen dunnen frei umlaufenden Ring gilt, wie z. B. im Man-

tel einer Zentrifuge oder in einer Trommel (in gewisser Entfernung von Boden und

Deckel). Wird der Ring dagegen z. B. als Schwungrad durch Speichen mit der Nabe

verbunden, dann beeinflussen diese den Spannungszustand im Ring. Solche Proble-

me lassen sich mit Hilfe der Elastizitatstheorie losen; darauf einzugehen, ubersteigt

den Rahmen dieses Buches.

Beispiel 2.16 (Maximale Drehzahl eines Schwungrades).

Mit welcher hochstzulassigen Drehzahl darf ein Schwungrad aus GG-15 mit dem

mittleren Durchmesser D = 10m bei 5facher Sicherheit gegen Bruch rotieren (Ein-

fluss der Speichen vernachlassigt)?

Losung 2.16

Setzt man in Gl. (2.23) σzul = Rm/5 = 30N/mm2

ein und lost nach v auf, dann erhalt man mit

ρ= 7,35 ·103 kg/m3

v=

σzul

ρ=

30 ·106 N/m2

7,35 ·103 kg/m3= 63,9

m

s.

Mit v= (D/2)ω ist ω= 12,78s−1 oder n= 122min−1.

2.4.3.2 Zug- und Druckspannungen in zylindrischen Hohlkorpern

In zylindrischen Hohlkorpern unter Innen- oder Außendruck10 (z. B. in Rohrleitun-

gen großerer Lange oder in der Zylinderbuchse eines Verbrennungsmotors) treten

dann nur Spannungen in Umfangsrichtung auf, wenn keine Krafte in Langsrichtung

abgenommen werden konnen. Derartige offene Korper konnen naherungsweise als

Ring berechnet werden. Die Spannungen sind gleichmaßig uber die Wanddicke t

verteilt, wenn diese klein gegenuber dem Radius r des Behalters ist. In geschlosse-

nen Behaltern liegt ein zweiachsiger Spannungszustand vor (s. Abschnitt 9.2.1).

Abbildung 2.21 zeigt einen Ring (Breite b und Wanddicke t) mit gleichmaßig

uber der Innenseite verteiltem Innendruck pi; ein Teilstuck ist wie in Abb. 2.20 her-

vorgehoben. Mit der resultierenden Kraft F = piri∆ϕb nach außen und der Quer-

schnittsflache A= bt ergibt das Gleichgewicht der Krafte in radialer Richtung ahn-

lich wie in Abschnitt 2.4.3.1

10 Innerer oder außerer Uberdruck

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 41

Abb. 2.21 Ring mit

gleichmaßig uber den Innen-

umfang verteiltem Innendruck

pi und eingezeichnetem

Teilstuck mit angreifenden

Kraften

b

t

σtb

σtbF

∆ϕ

t

ri

ra

pi

pi ri∆ϕb−2σtb sin(∆ϕ/2) = 0 . (2.24)

Mit dem gleichen Grenzubergang wie in Abschnitt 2.4.3.1 erhalt man

σ= pi

ri

t. (2.25)

Fur den Außendruck pa lautet die Gleichung sinngemaß

σ= −para

t. (2.26)

Nach den Berechnungsvorschriften fur Druckbehalter kann ein zylindrischer Druck-

behalter als dunnwandig angesehen werden, wenn das Radienverhaltnis ra/ri � 1,2

ist. Mit ra = ri + t istra

ri

=ri + t

ri

= 1+t

ri

� 1,2 .

Damit ist die Gultigkeit der Gln. (2.25) und (2.26) abgegrenzt fur t/ri ≈ t/ra < 1/5.

Durch Innendruck wird der Umfang U des Ringes vergroßert, durch Außendruck

verkleinert. Die Langenanderung ∆U des Umfanges lasst sich bei elastischer Ver-

formung berechnen

ε=σ

E=

∆U

U=

π∆d

πd=

∆d

d.

Die Umfangsanderung ist der Durchmesseranderung proportional, diese erhalt man

zu

∆d = dσ

E. (2.27)

Beispiel 2.17 (Zugspannung und Aufweitung einer Rohrleitung).

Eine Rohrleitung aus PVC (E = 3,5 · 103 N/mm2) mit dem Innendurchmesser

250mm und der Wanddicke 5mm steht unter dem Innendruck pi = 0,2N/mm2.

Wie groß sind die Zugspannung und die Aufweitung des Außendurchmessers?

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42 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Losung 2.17Mit Gl. (2.25) ergibt sich

σ=piri

t= 0,2

N

mm2·

125mm

5mm= 5

N

mm2.

Die Vergroßerung des Außendurchmessers da erhalten wir aus Gl. (2.27)

∆da = daσ

E= 260mm ·

5N/mm2

3500N/mm2= 0,37mm.

2.4.4 Warmespannungen - Schrumpfspannungen

Bei ungleichmaßiger Erwarmung oder Abkuhlung (in Gussstucken, beim Harten

von Stahl oder beim Schweißen) treten infolge der damit verbundenen ungleichma-

ßigen elastischen und bleibenden Formanderungen Eigenspannungen, so genannte

Warmespannungen, auf. In einfachen Fallen unter definierten Verhaltnissen, insbe-

sondere in stabformigen Korpern, konnen Warmespannungen infolge behinderter

Warmedehnung naherungsweise berechnet werden. Spannungen, die durch Deh-

nungsbehinderung bei der Abkuhlung entstehen, nennt man auch Schrumpfspan-

nungen. Grundlage fur eine Berechnung ist das physikalische Gesetz der Warme-

ausdehnung. Fast alle Korper dehnen sich bei Erwarmung von T0 auf T1 um

einen bestimmten Betrag aus, der in gewissen Bereichen der Temperaturzunahme

∆T = T1 − T0 proportional ist, bei Abkuhlung ziehen sie sich wieder zusammen.

Dieses Verhalten kann naherungsweise durch das lineare Warmeausdehnungsgesetz

beschrieben werden

εT = αT ∆T . (2.28)

αT ist der lineare Warmeausdehnungskoeffizient. Fur Eisen betragt er 12 ·10−6 K−1,

fur Aluminium 24 ·10−6 K−1 zwischen 0° und 100℃ (s. auch Tabelle 2.1).

Hat ein stabformiger Korper die Lange l, dann verlangert er sich somit um

∆l= lεT = lαT ∆T . (2.29)

Wird diese Ausdehnung bei Erwarmung oder Abkuhlung behindert, dann entsteht

in dem Stab aus

εges =σ

E+αT ∆T = 0

die Spannung

σ=−EαT ∆T =−EεT , (2.30)

sofern das HOOKE’sche Gesetz gilt, also keine bleibenden Formanderungen auftre-

ten.

Beispiel 2.18 (Berechnung der Warmespannungen in einem Schienenstrang).

Ein endlos verschweißter Schienenstrang aus Stahl (E = 2 · 105 N/mm2) wurde

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 43

spannungsfrei bei der Temperatur T0 = 25℃ verlegt. Wie groß sind die Span-

nungen bei den Temperaturen

a) T1 = 50℃,

b) T2 =−15℃?

Losung 2.18

a) Mit der Temperaturdifferenz ∆T = T1 −T0 = 25K erhalt man aus der Gl. (2.30) die Druck-

spannung

σ=−EαT∆T =−2,1 ·105 N/mm2 ·12 ·10−6 K−1 ·25K =−63N/mm

2.

b) In Analogie erhalt man mit ∆T = T2 −T0 =−40K eine Zugspannung σ = 101 N/mm2

bei Abkuhlung.

Beispiel 2.19 (Analyse des Schrumpfens).

Ein Rahmen aus Stahl 1 (E= 2 ·105 N/mm2) soll auf zwei als starr angenommene

Korper 2 geschrumpft werden und diese gegeneinander pressen (Abb. 2.22). Die

Spannung in den elastischen Streben soll 200N/mm2

nicht uberschreiten. Welchen

Abstand voneinander mussen die Pressflachen des Rahmens vor dem Schrumpfen

haben und welche Temperaturerhohung ist zum Schrumpfen mindestens notig?

Losung 2.19Aus Gl. (2.30) erhalt man

εT =−σ

E=−

200N/mm2

2 ·105 N/mm2=−

1

1000.

Somit folgt aus Gl. (2.29) mit l= 250mm

∆l=−lεT =−250mm

1000=−0,25mm.

Der Abstand der Pressflachen muss demnach l ′ = 249,75mm betragen. Die notwendige Erwar-

mungstemperatur ergibt sich aus Gl. (2.28) zu

∆T =|εT |

αT=

1

1000 ·12 ·10−6K = 83K.

Beispiel 2.20 (Aufziehen eines Messingringes auf eine Stahlwelle).

Auf eine Stahlwelle (Durchmesser dW = 150mm) soll ein Ring aus Messing Ms 58

(Außendurchmesser 160mm, Ausdehnungskoeffizient 19 · 10−6 K−1, Elastizitats-

modul E = 0,9 · 105 N/mm2) warm aufgezogen werden. Die Pressung zwischen

Abb. 2.22 Schrumpfrahmen

2 1

250

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44 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Ring und Welle soll bei Raumtemperatur p = 10N/mm2

betragen. Zu berechnen

sind die Zugspannung σ im Ring, dessen Innendurchmesser di und die zum Auf-

ziehen notwendige Mindesterwarmungstemperatur. Was geschieht, wenn Ring und

Welle nach dem Schrumpfen gemeinsam unterkuhlt oder erwarmt werden, bei wel-

cher Temperatur kann sich dann die Schrumpfverbindung gerade losen?

Losung 2.20Fur die Rechnung dieses Beispiels setzt man die Welle (∅150mm) im Verglich zum Ring

(t = 5mm Dicke) als starr voraus, weil die Dehnung der Welle klein gegen die des Ringes ist.

Beim Schrumpfen ubt die Welle auf den Ring eine Pressung p aus, die die gleiche Wirkung auf

den Ring hat, wie ein gleichformig verteilter Innendruck in einem Rohr ohne Langskraft (s. Ab-

schnitt 2.4.3.2). Somit kann aus der Gl. (2.25) die Schrumpfspannung im Ring berechnet werden

(mit ri = rW)

σ= prW

t= 10

N

mm2·

75mm

5mm= 150N/mm

2.

Das notwendige Untermaß (Schrumpfmaß) des Ringes erhalt man aus Gl. (2.27)

∆dS = dWσ

E= 150mm ·

150N/mm2

0,9 ·105 N/mm2= 0,25mm.

Der Innendurchmesser des Ringes ist somit auf das Maß di = 149,75mm zu bearbeiten.

Mit Gl. (2.28) ist nun die Temperaturerhohung

∆T =εT

αT=

∆dS

dWαT=

0,25mm ·106

150mm ·19K = 88K.

Werden Ring und Welle nach dem Schrumpfen gemeinsam abgekuhlt, dann hat der Ring infol-

ge seiner großeren Warmedehnzahl das Bestreben, sich starker zusammenzuziehen als die Welle,

Zugspannung und Pressung werden großer. Durch ein gemeinsames Erwarmen dagegen erreicht

man umgekehrt ein Lockern der Verbindung. Die notwendige Temperaturerhohung zum vollstandi-

gen Losen erhalt man aus der Uberlegung, dass bei dieser Temperatur der Innendurchmesser des

Ringes und der Wellendurchmesser gleich groß sein mussen (so als wenn sie jeder fur sich erwarmt

wurden). Ist ∆dR die Ausdehnung des Innendurchmessers des Ringes, ∆dW die der Welle, dann

fuhrt diese Uberlegung auf den Ansatz

∆dR −∆dW =∆dS .

Mit Gl. (2.29) ergibt sich

dW∆T(αTR −αTW) =∆dS .

Die gesuchte Temperaturerhohung erhalt man nun aus dieser Gleichung mit αTW = 12 ·10−6 K−1

zu

∆T =∆dS

dW(αTR −αTW)=

0,25mm ·106

150mm ·7K = 238K.

Passungsmaße sind in den vorstehenden Beispielen nicht berucksichtigt, unvermeidliche Herstel-

lungstoleranzen ergeben Abweichungen von den errechneten Zahlenwerten.

In der Technik kommt haufig der Fall vor, dass ein Ring in einen zweiten Ring

geschrumpft werden muss (z. B. eine Laufbuchse aus Gusseisen in einen Zylinder-

mantel aus Aluminium bei Verbrennungskraftmaschinen). Hier darf man nicht die

Voraussetzung treffen, dass einer der Ringe als starr anzusehen ist, sondern beide

sind in gleicher Großenordnung deformierbar.

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 45

1

1

2

2 p=pi = pa

pi

pa

∆d

S

2

∆d

1

2

∆d

2

2

di

d0

da

Abb. 2.23: Schrumpfung zweier Ringe ineinander

1 außerer Ring unter Innendruck pi

2 innerer Ring unter Außendruck pa

In Abb. 2.23 sind die Verhaltnisse vor und nach dem Schrumpfen dargestellt

(Index 1 fur den außeren, 2 fur den inneren Ring). Aus dem Bild kann man das

erforderliche Schrumpfmaß entnehmen, es ist

∆dS = ∆d1 +∆d2. (2.31)

Fur die Berechnung kann man nun den außeren Ring 1 als Rohr unter Innendruck,

den inneren als Rohr unter Außendruck (ohne Langskraft) ansehen, mit der gemein-

samen Pressung p als Innen- und Außendruck (Abb. 2.23). Die notwendigen Be-

rechnungsunterlagen erhalt man aus den Gln. (2.25) - (2.27) und (2.30), in die die

jeweils richtigen Bezeichnungen einzusetzen sind. Haufig sind die Zugspannungen

im außeren Ring oder ein erforderliches Schrumpfmaß vorgeschrieben, uber die an-

gegebenen Gleichungen konnen dann die anderen Großen berechnet werden (s. Auf-

gaben 2.12 und 2.13).

2.4.5 Langs der Stabachse veranderliche Spannungen

Andern sich in Zug- oder Druckstaben die Querschnitte langs der Stabachse, andern

sich die Spannungen ebenfalls. Ist die Querschnittsanderung nur gering, dann ist

die Annahme gerechtfertigt, dass die Spannungen in jedem Querschnitt gleichmaßig

verteilt sind (s. Abschnitt 2.1). Auch bei der Beanspruchung von stabformigen Bau-

teilen durch Volumenkrafte (Eigengewicht, Fliehkrafte) in Richtung der Stabachse

andern sich die Spannungen. In Abb. 2.24 ist ein Zugstab mit einem veranderlichen

Querschnittsverlauf A(x) dargestellt, der sowohl durch die außere Kraft F als auch

durch Volumenkrafte beansprucht ist. Nach der Schnittmethode ist ein Korperele-

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46 2 Zug- und Druckbeanspruchung

x= 0

x

dxdx

F σA

dK

(σ+dσ)(A+dA)

A A+dA

Abb. 2.24: Zugstab mit veranderlichem Querschnitt unter Einwirkung einer außeren Kraft F und

Volumenkraften dK mit herausgeschnittenem Teilstuck

ment, begrenzt durch die Querschnittsflachen A und A+ dA im Abstand dx von-

einander, herausgeschnitten; in der linken Flache sind die Zugspannungen σ, in

der rechten Flache haben sie sich um dσ geandert. Die am Element angreifenden

Krafte (dK Volumenkraft) sind im Gleichgewicht. Die Gleichgewichtsbedingung∑

Fix = 0 ergibt

−σA+(σ+dσ)(A+dA)+dK= 0. (2.32)

Nach dem Ausmultiplizieren und Kurzen erhalt man

σdA+dσA+dσdA+dK= 0. (2.33)

Das Glied dσdA ist von hoherer Ordnung klein gegenuber den anderen und kann

vernachlassigt werden. Berucksichtigt man noch, dass nach der Produktregel der

Differentialrechnung d(σA) = σdA+ dσA ist, dann fuhrt Gl. (2.33) auf den Aus-

druck

d(σA)+dK= 0. (2.34)

Dies ist eine Differentialgleichung, sie kann unter Beachtung der Randbedingun-

gen fur verschiedene Falle gelost werden und gilt ganz allgemein sowohl bei Zug-

als auch bei Druckbeanspruchung. Fur den Zugstab mit A = const. ohne Volumen-

krafte (dK= 0) ergibt Gl. (2.34) d(σA) = 0, d. h. σ = const. Unter Beachtung der

Randbedingung σA= F hat man wieder Gl. (2.3).

Neben der Spannung interessiert auch die Verformung des Stabes. Unter dem

Einfluss der angreifenden Krafte erfahrt das Element in Abb. 2.24 eine Verschiebung

nach rechts und eine Verlangerung. Bezeichnet man die Verschiebung der Quer-

schnittsflache A mit u und die Verlangerung mit du (Abb. 2.25), dann ist die Deh-

nung des Elements die Langenanderung du bezogen auf die ursprungliche Lange

dx

ε=du

dx. (2.35)

Mit σ= Eε ergibt sich

du= εdx=σ

Edx . (2.36)

Die gesamte Verschiebung kann durch Integration der Gl. (2.36) bestimmt werden.

Verschiebung u und Dehnung ε sind somit mit der Stabkoordinate x veranderlich.

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 47

2.4.5.1 Spannungen durch Eigengewicht

In einem einseitig aufgehangten Zugstab (Abb. 2.26) mit konstantem Querschnitt

A und der Kraft F am unteren Ende sollen Zugspannungen und Verlangerung un-

ter Berucksichtigung des Eigengewichtes (Dichte ρ, Erdbeschleunigung g) ermittelt

werden. Aus der Statik (Abb. 2.26 b) folgt zunachst

FL −dFG −(FL +dFL) = 0

mit der verteilten Eigengewichtskraft

dFEG = gdm= gρdV = gρAdx

Nach Vereinfachungen folgt

dFL −dFG =−gρAdx= dK

Abb. 2.25 Elastische Verfor-

mung und Verschiebung eines

Korperelements

A

dx

u

u+du

Abb. 2.26 Zugstab, belas-

tet durch Eigengewicht und

außere Kraft Fa) Gesamtsystem

b) Schnitt fur die Gleichge-

wichtsbetrachtung

l

x

F

a) b)

dx

FL

FL +dFL

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48 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Nach Kurzen durch A erhalt man die Spannungen

dσ=−gρdx . (2.37)

Die Integration ergibt

σ= −gρx+C .

Mit der Randbedingung fur x = l ist σ = F/A; es folgt dann die Integrationskon-

stante

C=F

A+gρl .

Fur die Zugspannung in einem beliebigen Querschnitt an der Stelle x erhalten wir

σ= gρ(l−x)+F

A. (2.38)

Die großte Spannung tritt im Aufhangquerschnitt auf (x= 0), die Festigkeitsbedin-

gung lautet somit

σmax = gρl+F

A� σzul . (2.39)

Um die Verlangerung zu berechnen zu konnen, benotigt man Gl. (2.36) und erhalt

mit Gl. (2.38)

du=1

E

[

gρ(l−x)+F

A

]

dx

sowie nach Ausfuhrung der Integration

u=1

E

[

(

lx−1

2x2

)

+F

Ax

]

+D .

Die Konstante D ist mit der Randbedingung u = 0 fur x = 0 ebenfalls Null. Somit

ergibt sich die Gesamtverlangerung des Zugstabes fur x= l

∆l= u(l) =gρl2

2E+

Fl

EA. (2.40)

Das Eigengewicht spielt bei Zugbeanspruchung in Forderseilen, bei Druckbean-

spruchung in Saulen, Mauerwerk und dgl. eine Rolle, wenn also das Gewicht eines

Bauteils in gleicher Großenordnung wie die außere Belastung liegt (s. Aufgaben

2.14 und 2.15). Wird z. B. ein Seil nur durch sein Gewicht belastet, dann ist die

außere Kraft F= 0, und als großte Zugspannung ergibt fur diesen Fall Gl. (2.39)

σmax = gρl .

Als Reisslange lR bezeichnet man diejenige Lange, bei der ein Seil unter seinem

Eigengewicht allein abreißen wurde, bei der also die Maximalspannung σmax die

Zugfestigkeit des Werkstoffs Rm erreicht

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2.4 Berechnung von Bauteilen unter Zug- und Druckbelastung 49

lR =Rm

gρ. (2.41)

Die Reisslange ist unabhangig von der Form und von der Große des Querschnitts.

2.4.5.2 Korper konstanter Zug- und Druckbeanspruchung

Bauteile, in denen in jedem Querschnitt die Spannungen gleich groß sind, be-

zeichnet man als Korper konstanter Beanspruchung. Fur Bauteile, die infolge ihrer

Beanspruchung langs der Stabachse an sich veranderliche Spannungen aufweisen

wurden, sind demnach die einzelnen Querschnitte langs der Achse derart zu gestal-

ten, dass die Forderung nach uberall konstanter Spannung erfullt ist.

Fur den Fall der Belastung durch Eigengewicht werden diese Querschnitts-

veranderung wie folgt berechnet werden. Aus der Differentialgleichung (2.34) erhalt

man mit dK = gρAdx sowie der Spannung σ= σzul

σzuldA=−gρAdx . (2.42)

Nach Trennung der Veranderlichen ergibt sich

dA

A=−

σzul

dx

und nach Ausfuhrung der Integration

lnA=−gρ

σzul

x+C .

Mit der Randbedingung A =A0 = F/σzul fur x = l folgt fur die Konstante

C= lnA0 +gρ

σzul

l .

Setzt man die Konstante oben ein, erhalt man

lnA− lnA0 = lnA

A0

=gρ

σzul

(l−x) .

Fur den Querschnittsverlauf langs der Stabachse x folgt somit die Exponentialfunk-

tion

A= A0egρ(l−x)

σzul . (2.43)

Beispiel 2.21 (Korper konstanter Druckbeanspruchung).

Der 50 m lange Betonpfeiler (Abb. 2.27) wird mit der Kraft F = 5 ·103 kN belastet

und soll als Korper konstanter Druckbeanspruchung ausgefuhrt werden. Der Quer-

schnitt ist rechteckig mit konstanter Hohe h= 5 m. Fur Beton gilt σzul = 1 N/mm2

und die Dichte ρ = 2,4 · 103 kg/m3. Man bestimme die Breite des unteren Quer-

schnitts b1.

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50 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.27 Betonpfeiler mit

Rechteckquerschnitt als

Korper konstanter Druck-

beanspruchung

h

b0

50,0

0

b1

F

Losung 2.21Der obere Querschnitt A0 hat nur die Kraft F aufzunehmen

A0 =F

σzul=

5 ·106 N

1 N/mm2= 5 ·106 mm2.

Mit h= 5000 mm ist die Breite des oberen Querschnitts b0 = 1000 mm. Die untere Querschnitts-

flache erhalt man aus Gl. (2.43) mit x= 0. Der Exponent in dieser Gleichung ist

gρl

σzul=

9.81 ms2 ·2,4 ·103 kg

m3 ·50 m

1 ·106 Nm2

= 1.117.

Somit ist die untere Querschnittsflache A1 =A0e1 =A0e1,117 = 15,3·106 mm2, die untere Breite

ist b1 = 3056 mm.

2.4.5.3 Beanspruchung durch Fliehkrafte

Rotiert ein Stab mit konstantem Querschnitt A um eine zur Zeichenebene senk-

rechte Drehachse in x = 0 (Abb. 2.28) mit der Winkelgeschwindigkeit ω, konnen

die Spannungen ebenfalls aus Gl. (2.34) berechnet werden. Mit dK = dmxω2 und

dm= ρAdx nimmt die Gleichung die Form an

Adσ= −ρAω2xdx . (2.44)

Die Flache A kurzt sich heraus, und nach Ausfuhrung der Integration erhalt man

Abb. 2.28 Rotierender Zug-

stab

ωx

l

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2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 51

σ=−1

2ρω2x2 +C .

Mit der Randbedingung σ= 0 fur x= l ist die Konstante

C=1

2ρω2l2 .

Die Zugspannung durch die Fliehkrafte ist nunmehr

σ=1

2ρω2(l2 −x2) . (2.45)

Fuhrt man noch die Umfangsgeschwindigkeit des außeren Stabendes v = ωl ein,

dann ist mit ξ= x/l

σ= 0,5ρv2(1−ξ2) . (2.46)

Naherungsweise stabformige Bauteile unter Fliehkraftbeanspruchung sind z. B.

Propeller in Verbrennungskraftmaschinen oder Schaufeln in Turbinen. Wenn die

Querschnitte langs der Stabachse nicht gleich groß sind oder die Konturen zeichne-

risch gegeben sind, ermittelt man die Spannungen durch ein Naherungsverfahren.

2.5 Aufgaben zu Kapitel 2

Aufgabe 2.1 (Beanspruchung und Querkurzung einer Zugstange). Eine Zug-

stange aus der Legierung AlMgSi, E = 0,7 · 105 N/mm2, mit Rechteckquerschnitt

(h = 100mm,b = 20mm) ist durch die Kraft F beansprucht. Uber die Lange

l = 2000mm wird dabei die Verlangerung ∆l = 4 mm gemessen. Zu berechnen

sind die Zugspannung σ, die Kraft F und die Querkurzung dh der Rechteckseite h.

Aufgabe 2.2 (Anzahl der Einzeldrahte). Wie viele Einzeldrahte mit dem Durch-

messer d0 = 2 mm aus Stahl (σzul = 210 N/mm2) muss das Drahtseil einer Kran-

winde fur die Hochstkraft Fmax = 150kN enthalten?

Aufgabe 2.3 (Spannung und Verlangerung in einer Messgerateaufhangung).

Ein Messgerat (Gewichtskraft 3800N) soll an drei in einer Ebene parallelen Stahl-

drahten (E-Modul E = 2,1 · 105 N/mm2) mit gleichem Durchmesser d = 3 mm

aufgehangt werden. Beim Einbau ist der mittlere Draht um 3 mm kurzer als die

beiden außeren mit der Lange l = 7000mm.

a) Zu berechnen sind die Spannungen in den Drahten und deren Verlangerung nach

Aufhangen des Gerates.

b) Wie groß sind die Spannungen und die Verlangerungen, wenn der mittlere Draht

um 3 mm zu lang ist?

Aufgabe 2.4 (Druckspannungen). Ein Stahlzylinder 1 und ein Graugussrohr mit

gleicher Hohe h = 50 mm werden zwischen den starren Druckplatten einer Presse

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52 2 Zug- und Druckbeanspruchung

gemeinsam um den Betrag dh= 0,03 mm elastisch zusammengedruckt (Abb. 2.29).

Wie groß sind die Druckspannungen in den beiden Teilen sowie die gesamte Press-

kraft F? Kann das Gussrohr die Kraft F allein ertragen, ohne zu versagen? (Stahl

E= 2 ·105 N/mm2, Grauguss GG-25 E= 1,2 ·105 N/mm

2).

Abb. 2.29 Stahlzylinder 1

und Graugussrohr 2, gemein-

sam zwischen Druckplatten

gedruckt

∅45

∅50

∅60

50

1

2

F

Aufgabe 2.5 (Stangenkrafte, -spannungen und -verlangerung). Zwei Stangen

aus Aluminium mit d = 15 mm und E = 0,7 · 105 N/mm2

und eine aus Stahl mit

d = 10 mm und E = 2,1 · 105 N/mm2

von gleicher Lange l = 2700 mm werden

gleichmaßig durch die Kraft F = 40 kN gezogen, so dass sie die gleiche Verlange-

rung erfahren. Zu berechnen sind die Spannungen und die Krafte in den Stangen

sowie deren Verlangerung.

Aufgabe 2.6 (Schraubendimensionierung). Der Deckel eines Dampfkessels soll

eine Offnung 480 mm× 500 mm abschließen und ist mit 16 Schrauben verschlos-

sen, Dampfdruck 1 N/mm2. Welche Gewindegroße ist fur die Schrauben zu wahlen

(σzul = 50 N/mm2)?

Aufgabe 2.7 (Bemessung eines Kranauslegers). Der auf Abb. 2.30 dargestellte

Kranausleger besteht aus der Schließe 1 und der Strebe 2, die im Punkt K gelen-

kig miteinander verbunden sind. Die Schließe 1 wird aus zwei Rundstahlstangen

mit E = 2 ·105 N/mm2

und d= 20 mm, die Strebe 2 aus zwei ungleichschenkligen

Winkelstahlen 130 × 65 × 10 mit gleichem E-Modul gebildet. In einem Belas-

tungsversuch wurde unter der Kraft F an einer Stange der Schließe 1 die Langsdeh-

nung ε= 0,06 % gemessen. Zu ermitteln sind

a) die Spannung und die Kraft in der Schließe 1,

b) die angehangte Kraft F,

c) die Kraft und die Spannung in der Strebe 2,

d) die Verschiebung vK des Knotenpunktes K.

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2.5 Aufgaben zu Kapitel 2 53

Aufgabe 2.8 (Zugspannung in Folge von Fliehkraften). Eine dunnwandige Trom-

mel aus Kupfer (d = 1000 mm,ρ = 9,14 · 103 kg/m3) rotiert um ihre Achse mit

n = 2000 min−1. Wie groß ist die Zugspannung durch die Fliehkrafte?

Aufgabe 2.9 (Hochstdrehzahl). Welche maximale Drehzahl darf eine zylindrische

Trommel aus Stahl, die um ihre Achse rotiert, erreichen (Durchmesserd = 500mm,

σzul = 320 N/mm2,ρ= 8 ·10−6 kg/mm

3)?

Aufgabe 2.10 (Aufschrumpfen). Auf einen Radkorper aus Stahlguss, Durchmes-

ser 1800 mm, soll ein Stahlreifen mit den Kennwerten E = 2,15 · 105 N/mm2,

αT = 12 ·10−6 K−1) und 1900 mm Außendurchmesser warm aufgezogen werden.

Zu berechnen sind bei starrem Radkorper der zum Schrumpfen erforderliche Innen-

durchmesser di des Reifens fur eine Zugspannung σ = 240 N/mm2, die Mindest-

erwarmungstemperatur ∆T und die Pressung p zwischen Radkorper und Reifen.

Aufgabe 2.11 (Aufschrumpfen Stahlwelle mit Kupferring). Die Schrumpfver-

bindung aus einer Stahlwelle (αT = 12 ·10−6 K−1) und einem 10mm dicken Kup-

ferring (E = 1,2 · 105 N/mm2, αT = 17 · 10−6 K−1) wird zum Losen gemeinsam

erwarmt. Bei der Temperatur T1 = 205℃ beginnt sich der Ring gerade zu lockern.

Bei der Raumtemperatur TR = 25℃ ist der Wellendurchmesser 250mm. Zu berech-

nen sind bei starrer Welle

a) der Wellendurchmesser bei 205℃,

b) der Innendurchmesser des Ringes vor dem Schrumpfen bei Raumtemperatur,

c) die Schrumpfspannung im Ring und die Pressung zwischen Ring und Welle bei

Raumtemperatur vor dem Losen.

Aufgabe 2.12 (Aufschrumpfen außerer auf inneren Ring). Ein außerer Ring

(da = 350mm, d0 = 340mm, E1 = 1,8 · 105 N/mm2) soll auf einen inneren Ring

(di = 320mm, d0 = 340mm, E2 = 1,2 ·105 N/mm2) mit der Pressung p= 5N/mm

2

warm aufgeschrumpft werden.

1. Zu berechnen sind

a) die Spannungen in beiden Ringen,

b) das notwendige Schrumpfmaß ddS,

c) die zum Aufschrumpfen notwendige Erwarmungstemperatur dT des außeren

Ringes (αT = 16 ·10−6 K−1).

Abb. 2.30 Kranausleger mit

angehangter Last F

3000

1800

2500

1

2

K

F

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54 2 Zug- und Druckbeanspruchung

Abb. 2.31 In einen Alu-

miniumring geschrumpfte

Stahlbuchse

∅38

∅40

∅48

2. Welche Fließgrenzen mussen beide Werkstoffe bei zweifacher Sicherheit gegen

Fließen mindestens aufweisen?

3. Welche Spannungen wurden sich im außeren Ring ergeben, wenn er auf eine (als

starr anzunehmende) Vollwelle (Durchmesser d0) mit gleichem Schrumpfmaß,

wie oben errechnet, aufgeschrumpft wurde?

Aufgabe 2.13 (Aufschrumpfen einer Stahlbuchse auf einen Ring). In einem Alu-

miniumring (E = 0,7 · 105 N/mm2, αT = 24 · 10−6 K−1) soll eine Stahlbuchse

(E= 2,1 ·105 N/mm2,αT = 12 ·10−6 K−1) eingeschrumpft werden (Abb. 2.31). Das

vorgeschriebene Schrumpfmaß habe den Wert ∆dS = 0,05mm. Zu berechnen sind

– die Pressung p zwischen Ring und Buchse,

– die Spannung in Ring und Buchse,

– die Mindesttemperaturdifferenz, die entweder zum Erwarmen des Ringes oder

zum Unterkuhlen der Buchse beim Aufschrumpfvorgang erforderlich ist. Welche

der beiden Maßnahmen beim Schrumpfen ist sinnvoller?

Aufgabe 2.14 (Verlangerung eines Seils durch Eigengewicht). Mit welcher Kraft

Fzul darf das Stahldrahtseil (σzul = 150N/mm2) einer Forderanlage (Seillange

l = 890m) belastet werden? Das Seil setzt sich aus 200 Einzeldrahten je 1mm

Durchmesser zusammen. Wie groß ist die Verlangerung des Seiles unter Eigenge-

wichtskraft und Kraft Fzul?

Aufgabe 2.15 (Eigengewichtsbelastung eines gemauerten Pfeilers). Ein gemau-

erter Pfeiler (σzul = 0,8N/mm2) mit der Hohe h = 10m ist durch die Druckkraft

F= 500kN beansprucht. Zu berechnen sind

a) die erforderliche Seitenlangea des quadratischen Querschnitts unter Berucksich-

tigung der Eigengewichtskraft (ρ= 2,5 ·104 N/m3),

b) der Anteil der Eigengewichtskraft in Prozenten der Kraft F,

c) der erforderliche Durchmesser d eines Sockels, der auf gewachsenem Boden

steht, wenn pzul = 0,35N/mm2

ist,

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2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2 55

d) die Abmessungen des oberen und unteren Querschnitts a0 und a1 des Pfeilers,

wenn er als Korper gleicher Druckbeanspruchung auszufuhren ist. Wieviel Pro-

zent der Kraft F macht die Eigengewichtskraft nun aus?

2.6 Formelzusammenfassung Kapitel 2

• Zugspannung

σ=F

A

σ - Zugspannung, F - Kraft in Zugrichtung, A - Querschnittsflache

• Druckspannung

σ=−F

A

σ - Druckspannung, F - Kraft in Druckrichtung

• Zulassige Spannung

|σ|=|F|

A� σzul

σzul - zulassige Spannung

• Tragfahigkeit

|Fzul|�Aσzul

Fzul - zulassige Kraft

• Dimensionierung

Azul �|F|

σzul

Azul - zulassiger Querschnitt

• Dehnung

ε=∆L

L

ε - Dehnung, ∆L - Verlangerung, L - Ausgangslange

• Querdehnung (Rundstab)

εq =∆d

d

εq - Querdehnung, ∆d - Durchmesseranderung, d - Ausgangsdurchmesser

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56 2 Zug- und Druckbeanspruchung

• Hooke’sches Gesetz

σ= Eε

E - Elastizitatsmodul

• Zugkraft

F= EAε

• Verlangerung

∆l=Fl

EA

• Warmedehnungen

εT = αT∆T .

αT - linearer Warmeausdehnungskoeffizient,∆T - Temperaturdifferenz

• Verlangerung in Folge einer Temperaturdifferenz

∆l= lεT = lαT ∆T .

• Spannung infolge Temperaturanderung

σ= −EαT ∆T = −EεT ,