KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE¨ 50 Cl(1)-C(1) 1...

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KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINS ¨ AURE 50 Cl(1)-C(1) 1.871(17) Cl(2)-C(6a) 1.811(29) O(3)-C(3) 1.250(18) O(4)-C(7) 1.249(19) C(1)-C(2) 1.532(20) C(5)-C(6a) 1.402(36) C(2)-C(3) 1.523(25) C(5)-C(6b) 1.739(37) C(2)-C(4) 1.542(30) C(5)-C(7) 1.436(33) C(2)-C(1)-Cl(1) 107.2(11) C(4)-C(2)-C(1) 108.1(11) C(2)-C(3)-O(3) 124.4 (16) C(4)-C(2)-C(3) 106.8(16) O(3)-C(3)-O(3’) 117.7(11) C(1)-C(2)-C(3) 110.8(11) C(5)-C(6a)-Cl(2) 115.7(23) C(6a)-C(5)-C(6b) 108.8(29) C(5)-C(7)-O(4) 118.3(12) C(6a)-C(5)-C(7) 111.7(17) O(4)-C(7)-O(4’) 123.3(17) C(6a)-C(5)-C(8) 126.4(18) C(6b)-C(5)-C(7) 109.4(12) C(6b)-C(5)-C(8) 91.5(14) C(7)-C(5)-C(8) 107.6(14) Tab. 3.13: Bindungsl¨ angen in [ ˚ A] und -winkel in [ ] aus der Verfeinerung der modulierten Struktur der Phase III der β -Chlorpivalins¨ aure. U 11 U 22 U 33 U 23 U 13 U 12 Cl(1) 0.023604 0.076740 0.022467 -0.003704 0.000194 0.001035 O(3) 0.044532 0.133907 0.023137 0.023080 -0.014148 0.007569 C(1) 0.026063 0.072789 0.024899 0.001452 -0.004210 0.003400 C(2) 0.011307 0.089536 0.015828 0.000000 0.000026 0.000000 C(3) 0.013214 0.096357 0.011303 0.000000 -0.002018 0.000000 C(4) 0.017408 0.136645 0.026834 0.000000 0.003970 0.000000 Cl(2) 0.018636 0.082355 0.018443 0.001601 0.002180 -0.000391 O(4) 0.043090 0.115601 0.028149 -0.008638 -0.017672 0.021231 C(5) 0.011884 0.148574 0.017013 0.000000 -0.000605 0.000000 C(6a) 0.021127 0.108589 0.015279 0.007783 0.001860 0.009703 C(6b) 0.037318 0.083940 0.027238 -0.023198 -0.007864 -0.004377 C(7) 0.008539 0.141746 0.013844 0.000000 -0.003227 0.000000 C(8) 0.020660 0.292800 0.022824 0.000000 0.006679 0.000000 Tab. 3.14: Anisotrope Temperaturfaktoren (x10 3 ˚ A 2 ) der verfeinerten modulierten Struktur der Phase III der β -Chlorpivalins¨ aure.

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KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 50

Cl(1)-C(1) 1.871(17) Cl(2)-C(6a) 1.811(29)

O(3)-C(3) 1.250(18) O(4)-C(7) 1.249(19)

C(1)-C(2) 1.532(20) C(5)-C(6a) 1.402(36)

C(2)-C(3) 1.523(25) C(5)-C(6b) 1.739(37)

C(2)-C(4) 1.542(30) C(5)-C(7) 1.436(33)

C(2)-C(1)-Cl(1) 107.2(11) C(4)-C(2)-C(1) 108.1(11)

C(2)-C(3)-O(3) 124.4 (16) C(4)-C(2)-C(3) 106.8(16)

O(3)-C(3)-O(3’) 117.7(11) C(1)-C(2)-C(3) 110.8(11)

C(5)-C(6a)-Cl(2) 115.7(23) C(6a)-C(5)-C(6b) 108.8(29)

C(5)-C(7)-O(4) 118.3(12) C(6a)-C(5)-C(7) 111.7(17)

O(4)-C(7)-O(4’) 123.3(17) C(6a)-C(5)-C(8) 126.4(18)

C(6b)-C(5)-C(7) 109.4(12) C(6b)-C(5)-C(8) 91.5(14)

C(7)-C(5)-C(8) 107.6(14)

Tab. 3.13: Bindungslangen in [A] und -winkel in [◦] aus der Verfeinerung der modulierten

Struktur der Phase III der β-Chlorpivalinsaure.

U11 U22 U33 U23 U13 U12

Cl(1) 0.023604 0.076740 0.022467 -0.003704 0.000194 0.001035

O(3) 0.044532 0.133907 0.023137 0.023080 -0.014148 0.007569

C(1) 0.026063 0.072789 0.024899 0.001452 -0.004210 0.003400

C(2) 0.011307 0.089536 0.015828 0.000000 0.000026 0.000000

C(3) 0.013214 0.096357 0.011303 0.000000 -0.002018 0.000000

C(4) 0.017408 0.136645 0.026834 0.000000 0.003970 0.000000

Cl(2) 0.018636 0.082355 0.018443 0.001601 0.002180 -0.000391

O(4) 0.043090 0.115601 0.028149 -0.008638 -0.017672 0.021231

C(5) 0.011884 0.148574 0.017013 0.000000 -0.000605 0.000000

C(6a) 0.021127 0.108589 0.015279 0.007783 0.001860 0.009703

C(6b) 0.037318 0.083940 0.027238 -0.023198 -0.007864 -0.004377

C(7) 0.008539 0.141746 0.013844 0.000000 -0.003227 0.000000

C(8) 0.020660 0.292800 0.022824 0.000000 0.006679 0.000000

Tab. 3.14: Anisotrope Temperaturfaktoren (x 103 A2) der verfeinerten modulierten Struktur

der Phase III der β-Chlorpivalinsaure.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 51

Abstande im Bereich von 3.5-4.0 A vergroßert und dadurch der dreidimensionale Aufbau im

Kristall gefestigt wird. In Tab. 3.15 sind die Chlorabstande aufgelistet. In Abb. 3.22 ist an-

schaulich die Modulation der Atome Cl(1), Cl(2), C(6a) und C(6b) gezeigt. Man erkennt

deutlich den Sprung von einer Besetzung zur anderen, die bei den Atomen Cl(1), C(6a) und

C(6b) am großten ist. Bei Cl(1) ist die Sprungweite gering, da nur eine alternative Position

fur das Atom in der Basisstruktur gefunden werden konnte. In Abb. 3.23 sind die Sauerstoff-

positionen gezeigt. So bilden O(3)/O(3’) und O(4)/O(4’) jeweils eine Carboxyleinheit, die in

einer anderen Elementarzelle durch O(3)#s-2/O(3’)#s-2 und O(4)#s-2/O(4’)#s-2 gebildet

wird. #s-2 bezeichnet die Translation entlang der Modulation. Im Vergleich zu den Fourier-

Maps aus den gemessenen Daten zeigen Abb. 3.24 und Abb. 3.25 die Simulation des zuvor

beschriebenen Modells mit einer maximalen Auflosung von sinθ/λ=0.7 und maximalem In-

dex von m=±1. Der Vergleich zeigt, daß die verfeinerte Struktur in guter Ubereinstimmung

mit den simulierten Modell ist.

In Abb. 3.26 ist ein Ausschnitt aus dem realen dreidimensionalen Aufbau der Struktur

gezeigt. Die Modulation ist am deutlichsten an der Position des Cl(1)-Atoms zu erkennen. So

erkennt man in diesem Ausschnitt, daß - von vorne nach hinten gesehen - erst ein Molekul mit

Position Cl(1), anschließend 4 Molekule mit Position Cl(1)#s-2 und dann erneut 3 Molekule

mit Position Cl(1) aufgereiht sind. Fur das Chloratom findet man die Abfolge 4,3,3. Der

Ausschnitt aus dem realen Aufbau ist willkurlich und die Wiederholung dieser Stapelfolge

nicht anschließend gegeben.

Zur Beschreibung der dreidimensionalen Struktur dient am Besten ein Modell der Stape-

lung. Es sind 4 verschiedene Dimere in der Struktur moglich, die sich aus den Molekulpaaren

AC, AD, BC und BD zusammensetzen (siehe Newman-Projektion in Abb. 3.16). Die Anord-

nung dieser Dimeren ist entlang der a-Achse im gewissen Sinne zufallig, d.h. es existiert eine

Stapelfolge, die ungleich der Translationssymmetrie der Elementarzelle ist. Gleiches gilt fur

die Stapelung in c-Richtung: Die Stapelung dieser Reihen von Dimeren ist ebenso zufallig.

Ebenfalls mit dem Programm JANA konnten die gemessenen Pulverdiffraktogramme bei

T=9, 155K und 220K analysiert werden. Der fur diese Analyse notwendige Teil des Pro-

grammpakets ist noch im Entwicklungsstadium, daher ist die Profilanpassung nicht gut.

Diese reichte nicht aus, um eine stabile Verfeinerung der modulierten Struktur zu erhalten.

Die Verfeinerung der Gitterkonstanten und des q-Vektors sind aber ohne Probleme mog-

lich. Die Temperaturfaktoren wurden nur isotrop verfeinert. Der omsin-Parameter fiel aber

auch hier bei unterschiedlichen Startwerten auf den gleichen Wert zuruck. Die Analyse der

Cl(1)-Cl(1) 1 3.50(1) Cl(1)-Cl(2) 2 3.22(1)

Cl(1)-Cl(2) 3 3.46(2)

Tab. 3.15: Intermolekulare Chlorabstande in [A] in der modulierten Struktur der Phase III

der β-Chlorpivalinsaure. Symmetrieoperatoren 1: -x, -y, -z#s-1, 2: x, y, -1+z#t0,0,-1, 3: x,

1/2-y, -1+z#s-2t0,0,-1.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 52

x3=0.114,x1=0.058

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.925,x1=0.379

−0.10 0.10 0.30 0.50 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.850,x1=0.604

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.800,x1=0.689

0.10 0.30 0.50 0.70 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

Abb. 3.22: Fourier-Map entlang b und der Modulationsrichtung. Die grunen Striche bein-

halten den Aufenthaltsort des Atoms, rot des entsprechenden durch die Symmetrie #s-2

generierten Atoms. Von links nach rechts: oben Cl(1), Cl(2) unten: C(6a), C(6b).

x3=0.418,x1=0.065

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.4

0.8

1.2

x4

x3=0.606,x1=0.378

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.4

0.8

1.2

x4

Abb. 3.23: Fourier-Map entlang b und der Modulationsrichtung. Rechts: Die gelben und

grunen Striche bilden jeweils eine Carbonylgruppe (O(3)/O(3’)) und rot und blau (O(3)#s-

2/O(3’)#s-2). Links: Die gelben und grunen Striche bilden jeweils eine Carbonylgruppe

(O(4)/O(4’)) und rot und blau (O(4)#s-2/O(4’)#s-2).

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 53

x3=0.114,x1=0.058

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.925,x1=0.379

−0.10 0.10 0.30 0.50 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.850,x1=0.604

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

x3=0.800,x1=0.689

0.10 0.30 0.50 0.70 x20.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

x4

Abb. 3.24: Simulierte Fourier-Map entlang b und der Modulationsrichtung. Die grunen Stri-

che beinhalten den Aufenthaltsort des Atoms, rot des entsprechenden durch die Symmetrie

#s-2 generierten Atoms. Von links nach rechts: oben Cl(1), Cl(2) unten: C(6a), C(6b).

x3=0.418,x1=0.065

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.4

0.8

1.2

x4

x3=0.606,x1=0.378

−0.20 0.00 0.20 0.40 x20.0

0.4

0.8

1.2

x4

Abb. 3.25: Simulierte Fourier-Map entlang b und der Modulationsrichtung. Rechts: Die gel-

ben und grunen Striche bilden jeweils eine Carbonylgruppe (O(3)/O(3’)) und rot und blau

(O(3)#s-2/O(3’)#s-2). Links: Die gelben und grunen Striche bilden jeweils eine Carbonyl-

gruppe (O(4)/O(4’)) und rot und blau (O(4)#s-2/O(4’)#s-2).

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 54

Abb. 3.26: Ausschnitt aus der realen Struktur zur Illustration der Modulation. Der Blick

erfolgt entlang a.

Bindunglangen und -winkel zeigte aber zum Teil viel zu große Werte. Sie werden aus diesem

Grund nicht aufgelistet. In Abb. 3.27 ist das gemessene und berechnete Pulverdiffraktogramm

sowie deren Differenzplot bei T=9K gezeigt. Der Differenzplot zeigt teilweise noch große Ab-

weichungen, aber die Lage der Haupt- und Satellitenreflexe ist ubereinstimmend. Tab. 3.16

listet die verfeinerten q-Vektoren der Pulvermessung auf. Diese stimmen gut mit den Einkri-

stallmessungen uberein und zeigen, daß sich der Modulationsvektor bis etwa T=200K nicht

mehr signifikant mit der Temperatur andert.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 55

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

4069 COUNTS(o) 3525 COUNTS(c)

0.0

0.1

0.2

0.0

6.0 8.0 10.0 12.0 14.0 16.0 18.0 20.0

Inte

nsitä

t [a.

u.]

2Θ [°]

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.0

20.0 22.0 24.0 26.0 28.0 30.0 32.0 34.0 36.0 38.0 40.0

Inte

nsitä

t [a.

u.]

2Θ [°]

Abb. 3.27: Gemessenes und berechnetes Pulverspektrum, sowie der Differenzplot der Phase

III bei T=9K der β-Chlorpivalinsaure. Die grunen Marker zeigen die Position der Satelli-

tenreflexe an.

T [K]

9 -0.141(1) 0.0 0.403(1)

155 -0.141(1) 0.0 0.401(1)

220 -0.142(1) 0.0 0.403(1)

Tab. 3.16: Temperaturabhangiger Propagationsvektor q der modulierten Phase III der β-

Chlorpivalinsaure. Der q-Vektor wurde aus der Profilanpassung der jeweiligen Synchrotron-

messung erhalten.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 56

3.2.5 IR-Spektroskopie

Die IR-Messungen wurden an einem FT-IR Gerat Perkin-Elmer 1750 durchgefuhrt. Es wur-

de der mittlere Infrarotbereich von 4000 cm−1 bis 400 cm−1 untersucht. Jedes Spektrum be-

steht aus 20 Einzelscans mit einer Auflosung von 2 cm−1. Die jeweilige Temperatur wurde

durch eine Kuhlzelle der Firma Graseby-Specac mit Flussigstickstoff als Kuhlmedium er-

reicht und gegen geheizt. Die Temperatur wurde uber einen Eurothermregler eingestellt. Der

abgeschatzte Fehler in der Temperatur liegt bei etwa 2K, da das Thermoelement an den

Halterungen fur die KBr Fenster angebracht ist und nicht direkt an der Probe aufliegt. Die

Spektren zeigen im relevanten Fingerprintbereich keine deutlichen Anderungen der Schwin-

gungsbanden zwischen 77K und Zimmertemperatur (siehe Abb. 3.28). Zusatzlich ist das

1800 1600 1400 1200 1000

5

10

15

20

25

30

Tra

nsm

issi

on [

%]

Wellenzahl ν [cm-1]

1000 900 800 700 600 500 400

5

10

15

20

25

30

Tra

nsm

issi

on

[%

]

Wellenzahl ν [cm-1]

Abb. 3.28: IR-Spektrum der β-Chlorpivalinsaure bei verschiedenen Temperaturen. : flussi-

ge Phase, : Raumtemperatur, : 273K, 223K, : 153K, : 77K. Die Spektren sind

in der Reihenfolge steigender Temperatur aufgenommen.

Spektrum der Flussigkeit gezeigt. Es kann nicht mit Sicherheit festgelegt werden, ob wah-

rend der Aufnahme des IR-Spektrums die plastische Phase des Systems vorlag, obwohl mit

großer Sorgfalt die Spektren in dem relevanten Bereich untersucht wurden. Es ist bekannt,

daß sich die Spektren der plastischen Phasen nicht von denen der flussigen unterscheiden.

Der Unterschied in der flussigen Phase zu den festen Phasen besteht hauptsachlich in einer

Verbreiterung der Banden. Dies wird durch die großere Rotationsfreiheit hervorgerufen.

Im Spektrum der niedrigsten Temperatur (77K, gelbe Linie) ist bei ca. 670 cm−1 eine

deutliche Bande zu erkennen, die bei hoheren Temperaturen drastisch an Intensitat verliert,

und in Phase II nicht mehr zu erkennen ist. Dies weist auf eine zusatzliche Torsionsschwin-

gung hin, die bei hoheren Temperaturen nicht mehr auftritt. Ebenso erkennt man bei ge-

nauerer Analyse bei den schwachen Banden oftmals Intensitatsverschiebungen, die darauf

hinweisen, daß Gerustschwingungen der tert.-Butylgruppe in Phase III zunehmen.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 57

3.2.6 35Cl NQR-Spektroskopie

Eine frisch sublimierte Probe wurde in eine Glasampulle mit 5mm Durchmesser und 1.5 cm

Lange gefullt und vorsichtig zugeschmolzen, damit sich kein Schmelzkuchen bilden konnte.

Obwohl mit mehreren Kuhlraten und bis zu 48 h tempern in Flussigstickstoff die Probe un-

terschiedlich behandelt wurde, konnte kein Signal im abgescannten Bereich (25 - 45MHz) ge-

funden werden. Dies kann auf Unreinheiten der Probe zuruckzufuhren sein, wobei ein Einfluß

durch die Praparation ausgeschlossen ist. Es ist eher anzunehmen, daß durch die Modula-

tion der Phase III keine Kristallfeldaufspaltung mit einer nachweisbaren Intensitat auftritt.

Um jedes Chloratom der Molekulpaare A,B und C,D sind leicht verschiedene Umgebungen

vorhanden, die zu einer unterschiedlichen Kristallfeldaufspaltung fuhren.

3.2.7 1H NMR-Spektroskopie

1HNMR Messungen an der β-Chlorpivalinsaure wurden an der physikalischen Fakultat der

Universitat Leipzig bei 100MHz an einem Bruker FT MSL-100 durchgefuhrt. Es wurde ein1H NMR Probenkopf mit Stickstoffkuhlung verwendet. Die Probe wurde in eine Glasampulle

mit 5mm Durchmesser und einer Lange von 15mm eingeschlossen und auf einen 1H NMR

Tieftemperaturprobenkopf eingespannt. Die Kuhlung erfolgt uber einen Kryostaten mit Flus-

sigstickstoff als Kuhlmedium und der π/2-Puls wurde genau extrahiert. Die T1-Messungen

wurden wie in Kapitel 2.7.7 auf Seite 25 beschrieben mit der Standard-Inversion Recove-

ry Methode [T - 180 ◦ - τ - 90 ◦ - FID] mit typischerweise 12 Wiederholungen von τ und einer

Verzogerungszeit von T≥T1 durchgefuhrt. Da sich die Spin-Gitter-Relaxationszeit mit der

Temperatur stark andert, wurde auch dementsprechend das Meßprogramm angepaßt. Fur al-

le Temperaturen konnte ein exponentieller Verlauf innerhalb der Fehler gefunden werden und

aus dem exponentiellen Verlauf uber den Marquardt-Levenberg-Algorithmus T1 extrahiert

werden.

Linienbreite und 2.Moment

Die Extraktion der Linienbreite wird aus dem Meßzyklus der T1-Inversion-Recovery-Methode

mit der langsten Haltezeit (τ12) durchgefuhrt. Dadurch ist gewahrleistet, daß sich das System

im Gleichgewicht mit seiner Umgebung befindet (Breitband Methode). Aus dem gemessenen

Spektrum wurde das Signal einer Gauß-Kurve angepaßt und die Linienbreite ermittelt. Das

2.Moment wurde ebenfalls aus diesem Spektrum nach Gleichung 2.28 ermittelt. Bei der

Auswertung mußte streng auf die Signalbreite geachtet werden, wie in Abb. 3.29 angedeutet.

Nimmt man das gesamte Spektrum, so erhalt man, wie in Kapitel 2.7.2 auf Seite 16 erlautert,

immer den gleichen Wert fur das 2.Moment.

In Abb. 3.30 sind die Linienbreite und das 2.Moment in Abhangigkeit von der Temperatur

gezeigt. Sowohl das 2.Moment als auch die Linienbreite zeigen den gleichen Gang mit der

Temperatur. Es ist ein deutlicher Abfall zwischen 123K und 160K erkennbar, der zweite

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 58

Sprung reprasentiert den Phasenubergang III→ II.

-6 -4 -2 0 2 4 6

0

50

100

150

200

Inte

nsi

tät

[a.u

.]

b (H-H0) [10-4 T]

Abb. 3.29: Illustration des Abbruchkriteri-

ums zur Auswertung des 2. Moments.

4 5 6 7 8

4

6

8

10

12200 143 125167250

T [K]

1/T [1000/K]

Lin

ienb

reite

∆B

[10

-4 T

]

5

10

15

20

25

30

35

40

2.Mom

ent M2 [10

-8 T2]

Abb. 3.30: Linienbreite ∆B und 2.Moment

M2 der β-Chlorpivalinsaure in Abhangigkeit

von der Temperatur.

Der Wert fur das 2.Moment bei T=123K mit etwa 35·10−8T2 zeigt einen relativ großen

Wert im Vergleich zu dem Plateau zwischen 160K und 240K mit etwa 18·10−8T2, der noch-

mals am Phasenubergang III→ II deutlich abnimmt (M300K2 = 5·10−8T2). Dies laßt darauf

schließen, daß zwei dynamische Prozesse, ausgehend von 123K, mit steigender Temperatur

auftreten. Eine Zuordnung der Dynamik kann aus der theoretischen Berechnung des 2.Mo-

ments gefunden werden (siehe Kapitel 3.2.7 auf Seite 59).

Vergleicht man die Linienform der beiden Extremtemperaturen (T=300K und T=123K,

siehe Abb. 3.31), so sind deutliche Unterschiede festzustellen. Mit steigender Temperatur wird

die Linienbreite schmaler und gleichzeitig andert sich die Linienform. Auffallig im Vergleich

mit Abb. 2.7 ist die Struktur des Peaks, die sich bei 123K abzeichnet und bereits bei der

nachsten gemessenen Temperatur (T=130K) nicht mehr vorhanden ist (siehe Abb. 3.32).

Die Linienform bei T=123K deutet auf eine starre Dreispinanordnung hin, die bereits

in Kapitel 2.7.1 auf Seite 14 diskutiert wurde. Leider war es meßtechnisch nicht moglich, bei

noch tieferen Temperaturen zu messen. Ein weiterer Unterschied in der Linienform ist beim

Phasenubergang III→ II zu erkennen. Zum einen wird die Linienbreite wesentlich schmaler,

zum anderen konnen zusatzliche, sehr schmale Peaks auf dem NMR Signal erkannt wer-

den. Diese nehmen mit steigender Temperatur an Intensitat zu. Sie werden einem flussigen

Anteil in Phase II zugeschrieben. Die Bilder aus den temperaturabhangigen Mikroskopmes-

sungen haben gezeigt, daß bei Raumtemperatur deutliche Anteile von flussigen Domanen

im Kristallit zu finden sind. Im NMR Experiment konnen sogar CH3 und CH2Cl- und die

Carboxylprotonen ab etwa 285K unterschieden werden. Die Abschatzung des flussigen An-

teils wird uber die Integration des CH3 Peaks durchgefuhrt. Bei 290K sind etwa 7% und bei

310K etwa 12% flussiger Anteil in der Probe vorhanden. Aus den optischen Betrachtungen

ist ein Vorschmelzen schon bei 294K unter dem Mikroskop zu erkennen. Daher ist eine Zu-

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 59

-2 -1 0 1 2

0

50

100

150

200

250

300

Inte

nsitä

t [a.

u.]

b (H-H0) [10-4 T]

Abb. 3.31: Vergleich der Absorptionslinien

im 1H NMR Spektrum der beiden Extrem-

temperaturen der β-Chlorpivalinsaure. :

T= 123K, : T= 300K.

-2 -1 0 1 2

0

50

100

150

200

250

Inte

nsitä

t [a.

u.]

b (H-H0) [10-4 T]

Abb. 3.32: Vergleich der Absorptionslinien

im 1H NMR Spektrum der β-Chlorpivalin-

saure. : T= 123K, : T= 130K.

ordnung zur ODIC Phase I ausgeschlossen. Ebenfalls mußte der ODIC Reflex der Phase I

im Pulverdiffraktogramm zu erkennen sein. Dies konnte nicht beobachtet werden.

Theoretische Berechnung des 2.Moments

Zur Berechnung des 2.Moments wurden nur intramolekulare Wechselwirkungen angenom-

men. Testrechnungen haben gezeigt, daß ein intermolekularer Anteil bis zu einem Radius

von 5 A nur ca. 0.2 · 10−8T2 fur eine starre Struktur ausmachen. Die H-H- und die H-Cl-

Abstande wurden aus den jeweiligen Einkristallstrukturdaten entnommen. Da die H-Atome

meist geometrisch positioniert wurden und die C-H Bindungslange entsprechend der gemes-

senen Temperatur angefittet wurde, liegt hier kein realer Zustand vor. Fur die Raumtempe-

raturstruktur wurde das 2.Moment unter Berucksichtigung der dimeren Einheit berechnet.

Bei der Tieftemperatur wurden alle 4 Konformere berucksichtigt und von zwei Dimeren-

paaren ausgegangen. Dadurch ist gewahrleistet, daß der Einfluß der Carboxylgruppe in die

Berechnung miteinbezogen ist.

T=300K a) starres Molekul

i)∑

j>k r−6jk = 1.07 · 1060m−6 mit N=18 folgt

MH−H2 = 42.50 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 2.99 · 1058m−6 mit N=18 folgt

MH−Cl2 = 0.01 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =42.5·10−8T2

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 60

b) Methylgruppenrotation

i)∑

j>k r−6jk = 3.51 · 1059m−6 mit N=18 folgt

MH−H2 = 13.95 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 2.61 · 1058m−6 mit N=18 folgt

MH−Cl2 = 0.01 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =13.96·10−8T2

c) Methyl/Chlormethyl-Rotation

i)∑

j>k r−6jk = 2.66 · 1059m−6 mit N=18 folgt

MH−H2 = 10.59 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 6.53 · 1057m−6 mit N=18 folgt

MH−Cl2 = 0.002 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =10.59·10−8T2

T=200K a) starres Molekul

i)∑

j>k r−6jk = 1.87 · 1060m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 37.17 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 5.22 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.02 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =37.19·10−8T2

b) Methylgruppenrotation

i)∑

j>k r−6jk = 8.74 · 1059m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 17.38 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 5.22 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.02 · 10−8T 2

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 61

=⇒Mstarr2 =17.40·10−8T2

c) Methyl/Chlormethyl-Rotation

i)∑

j>k r−6jk = 4.51 · 1059m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 8.96 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 1.31 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.002 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =8.96·10−8T2

T=107K a) starres Molekul

i)∑

j>k r−6jk = 1.88 · 1060m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 37.43 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 5.22 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.02 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =37.45·10−8T2

b) Methylgruppenrotation

i)∑

j>k r−6jk = 8.83 · 1059m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 17.55 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 5.22 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.02 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =17.57·10−8T2

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 62

c) Methyl/Methylchlorid-Rotation

i)∑

j>k r−6jk = 4.57 · 1059m−6 mit N=36 folgt

MH−H2 = 9.08 · 10−8 T 2

ii)∑

f,j r−6fj = 1.31 · 1058m−6 mit N=36 folgt

MH−Cl2 = 0.002 · 10−8T 2

=⇒Mstarr2 =9.08·10−8T2

Isotrope Reorientierung Bei der Berechnung des 2.Moments fur die plastische Phase

wird nach Boden [28] die Gittersumme des fcc-Gitters bestimmt (siehe Gleichung 2.36).

Fur ein kubisch flachenzentriertes Gitter ergibt sich mit Z=4 und a0=8.84

∑j>k r

−6jk = 2.45 · 1056m−6

=⇒M2=0.4 ·10−8T2

Der Vergleich der berechneten 2.Momente zeigt, daß der Unterschied bei verschiedenen

Temperaturen relativ gering ist. Hierbei ist noch zu erwahnen, daß bei der Berechnung der

Diffusionsanteil unberucksichtigt bleibt. Der berechnete Wert nimmt demzufolge immer einen

kleineren Wert an, als das gemessene 2.Moment.

In Tab. 3.17 sind die berechneten 2.Momente mit den entsprechenden gemessenen Werten

gegenuber gestellt. Hierbei ergibt sich folgender Zusammenhang:

Bei der tiefsten gemessenen Temperatur T=123K ist der Rotationsprozeß noch nicht ab-

geschlossen. Es liegt nahe, daß bei noch tieferen Temperaturen eine vollig starre Struk-

tur erreicht wird. Zwischen 140K und dem Phasenubergang III→ II findet Methylgruppen-

Rotation statt. Am Phasenubergang kommt zusatzlich zur Methylgruppen-Rotation min-

destens ein weiterer dynamischer Prozeß hinzu. Der berechnete Wert fur eine kombinierte

starres Molekul CH3- CH3/CH2Cl- Molekul- isotrope

Rotation Rotation Reorientierung Reorientierung

berechnet 37 17 10 0.4

gemessen 35 18 5

Zuordnung Phase III Phase III Phase II Phase I

T< 140K T> 140K

Tab. 3.17: Zusammenfassung der theoretisch berechneten und gemessenen 2.Momente

(x 10−8T2) fur die β-Chlorpivalinsaure.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 63

Methyl- und Chlormethyl-Rotation ist aber viel zu groß im Vergleich zu dem gemessenen

Wert von 5·10−8T2. Es liegt nahe, daß in der Phase II das gesamte Molekul eine Rotation

ausfuhren muß, die aber nicht mit der fur plastische Phasen typischen isotropen Reorientie-

rungen gleichgesetzt werden darf. Der berechnete Wert ist wesentlich zu klein. Es ist aber

anzunehmen, daß in der plastischen Phase isotrope Reorientierung vorherrscht.

T1-Messungen

In Abb. 3.33 sind die experimentellen Ergebnisse der Inversion-Recovery Methode tempe-

raturabhangig abgebildet. Man erkennt ein fur Molekulkristalle typisches Minimum. Die

Spin-Gitter-Relaxationszeit ist ein Maß fur die Starke der Wechselwirkung zwischen Spinsy-

stem und Gitter. Auf der Hochtemperaturseite steigt T1 nahezu linear mit der Temperatur

an. Es gilt ω0τc � 1, d.h. die relaxationsbestimmende Bewegung ist zu schnell, um effektiv

zur Relaxation beizutragen. Auf der Tieftemperaturseite findet man ebenfalls einen linearen

Verlauf, der aber bei Temperaturen ab etwa 140K von der Linearitat abweicht und abflacht.

Es gilt ω0τc � 1. Hier ist die relaxationsbestimmende Bewegung viel zu langsam, um effek-

tiv zur Relaxation beizutragen. Wie in Kapitel 2.7.6 auf Seite 24 beschrieben, kann man die

T1-Kurve mathematisch beschreiben und daraus die Korrelationszeit τc0 bestimmen. Hier-

bei wird angenommen, daß sich die Relaxationszeit aus den Bewegungen der Methyl- und

Chlormethylgruppen zusammensetzt.

1

T1

=1

TCH31

+1

TCH2Cl1

(3.2)

Die experimentelle Kurve wurde mit dem Marquardt-Levenberg-Algorithmus nach Glei-

chung 3.3 angefittet.

1

T1

= ACH3

(τCH3

1 + ω2τ 2CH3

+4τCH3

1 + 4ω2τ 2CH3

)

+ ACH2Cl

(τCH2Cl

1 + ω2τ 2CH2Cl

+4τCH2Cl

1 + 4ω2τ 2CH2Cl

) (3.3)

mit Ai = 920

ni

Nγ4�2

r6iund τi = τ0 exp{ Ei

a

RT}.

ni: Anzahl der Protonen, N: Gesamtzahl der Protonen, ri: Proton-Proton Abstand innerhalb

der Gruppe.

Der Fit zeigt folgende Ergebnisse:

ECH3a =15.3(2) kJmol−1 τCH3

0 =1.88(2) · 10−12s

ECH2Cla =20.7(9) kJmol−1 τCH2Cl

0 =2.08(9) · 10−13s

Die gemessene und simulierte Kurve sowie die Einzelkurven fur den Relaxationsprozeß

der Methylgruppen und der Chlormethylgruppe sind in Abb. 3.34 gezeigt. Den Erwartungen

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 64

0.003 0.004 0.005 0.006 0.007 0.008

0.1

1

10

125143167200250333

T [K]

Rel

axat

ions

zeit

T1 [

1/s]

1/T [1/K]

Abb. 3.33: Auftragung der Spin-Gitter-Relaxationszeiten gegen die Temperatur der β-Chlor-

pivalinsaure.

entsprechend findet man eine hohere Aktivierungsenergie fur die CH2Cl-Gruppe, da diese

durch die Beteiligung des Chlor-Atoms eine wesentlich großere Masse hat. Dadurch ist auch

die Korrelationszeit τc0 großer im Vergleich zur Methylgruppe. Das Abflachen der T1-Kurve

ab etwa 140K ist mit dem Einfrieren der Methylgruppenrotation korreliert, wie es auch

die Ergebnisse der Linienbreitenanalyse und des 2.Moments zeigen. Durch den Wegfall der

Dynamik der Methylgruppe wird die Moglichkeit der Spins zu relaxieren eingeschrankt und

erhoht damit die Relaxationszeit T1.

Vergleich der 1H NMR Untersuchungen mit der Literatur

Es wurden eingehende NMR Untersuchungen an der β-Chlorpivalinsaure von Aksnes et al.

im Temperaturbereich von 350 -160K durchgefuhrt [52]. Das Hauptaugenmerk ihrer Un-

tersuchungen lag dabei auf Diffusionsvorgangen in den festen und der flussigen Phase. Es

wurden T1 und T2-Messungen an 1H und 13C durchgefuhrt sowie 2H-Messungen an der d1-

deuterierten Saure. Aksnes et al. fanden ebenfalls im Temperaturbereich von der Flussigkeit

bis ca. 285K einen breiten Peak, der von sehr schmalen CH3, CH2Cl und COOH Peaks

uberlagert ist. Ihre Annahme, daß diese von Phase I herruhren, konnte hier nicht bestatigt

werden. Allerdings lagen ihnen nicht die umfangreichen thermodynamischen und strukturel-

len Untersuchungen vor. Obwohl sie von einem Phasenubergang II↔ III in ihrer Einfuhrung

ausgehen, wird dieser Aspekt nicht wieder aufgegriffen, da keine markanten Anderungen von

T1 meßbar sind. Ebenfalls fanden sie einen Wert fur das 2.Moment fur die Tieftemperatursei-

te des T1-Minimums von 11 · 10−8T2, daher nahmen sie C3 und C’3-Rotation an. Die hier

prasentierten Ergebnisse zeigen, daß nur Methylgruppenrotation in Phase III stattfindet. Es

zeigt sich, daß bei der Messung und Berechnung des 2.Moments große Sorgfalt bezuglich des

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 65

0.003 0.004 0.005 0.006 0.007 0.008 0.009

0

2

4

6

8

10111125143167250 200333

T [K]

T=265K

1/T

1 [1/

s]

1/T [1/K]

Abb. 3.34: Simulation der Spin-Gitter-Relaxationszeiten T1 nach Gleichung 3.3. Es ist der

Fit fur die CH3-Gruppen und fur die CH2Cl-Gruppe sowie die Summe beider Kurven

gezeigt, ■: gemessene Werte.

Abbruchkriteriums angewendet werden muß, um Ergebnisse mit ausreichender Prazision zu

erhalten.

3.2.8 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Ergebnisse aus den Messungen der β-Chlorpivalinsaure zeigen ein interessantes Pha-

senverhalten. Es konnten drei feste Phasen aus thermodynamischen Untersuchungen bis zu

einer Temperatur von 100K gefunden werden. Ausgehend von der Schmelze erhalt man die

plastische, hoch fehlgeordnete Phase I. Der Reorientierungsmechanismus wird ahnlich wie in

der Stammverbindung, der Pivalinsaure, stattfinden (siehe Kapitel 3.1 auf Seite 26). Es ist

jedoch anzunehmen, daß durch die Einfuhrung des schweren und voluminosen Chloratoms

weniger Rotationsmoglichkeiten gegeben sind oder/und weniger Gleichgewichtszustande als

in der Pivalinsaure vorhanden sind.

In Phase II konnte beim Aufheizen sowohl im Cp-Experiment als auch durch lichtmi-

kroskopische Aufnahmen und 1H NMR Ergebnisse eindeutig ein Vorschmelzen festgestellt

werden. Die Kombination von struktureller Aufklarung mit 1H NMR 2.Moment Messungen

liefert hier ein sehr gutes Model der dynamischen Prozesse in den Phasen II und III. Die

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 66

NMR Ergebnisse zeigen, daß in Phase II das gesamte Molekul eine Drehung ausfuhren muß,

um den geringen berechneten Wert des 2.Moments zu erklaren. Die strukturelle Fehlordnung

kann nun - ausgehend von den spektroskopischen Messungen - als eine dynamische Fehlord-

nung angesehen werden. Das Rotationsmodell ist anhand von Abb. 3.11 leicht zu erklaren.

Um von der Konformation des Molekuls A nach B zu kommen, reicht eine Rotation der

tert.-Butylgruppe von 120◦ entlang der C(3)-C(4)-Verbindungsachse aus. Gleichzeitig ver-

schiebt sich das Chloratom um etwa 1.48(1) A. Es ist ausgeschlossen, daß eine 240◦-Drehungstattfindet, da strukturell gesehen nicht genugend Platz vorhanden ist, um das Chloratom

so weit zu verschieben. Folglich findet sicherlich eine reine Methylgruppen-Rotation in Phase

II statt, die aber an die 120◦-Drehung des β-Chlorpivalinsaure Molekuls gekoppelt ist. Ob

noch zusatzlich eine 180◦-Drehung der Carboxylgruppe stattfindet, kann ausgeschlossen wer-

den. Die theoretische Berechnung einer 180◦-Drehung hat keinen vermindernden Effekt auf

das 2.Moment. Aus Einkristalluntersuchungen konnte die Carbonyl- (C=O) und Hydroxyl-

(C-O) Bindung eindeutig zugeordnet werden. Eine 180◦-Drehung der Carboxylgruppe wur-

de im Rontgenbild eine gemittelte Struktur liefern, in der nicht zwischen Carbonyl- und

Hydroxylbindungen unterschieden werden kann.

Am Phasenubergang II→ III friert die 120◦-Drehung ein, wobei vier unterschiedliche

Konformere aus den Zimmertemperaturkonformeren entstehen. Am Phasenubergang kann

aus Molekul A der Phase II direkt Molekul A der Phase III hervorgehen. Uber eine 30◦-Drehung wird Molekul C erhalten. Theoretisch kann Molekul D durch eine 150◦-Drehungerhalten werden. Molekul B wird, wie oben beschrieben, aus Molekul A der Phase II erhalten.

Gleiches gilt fur die Abbildung von Molekul B aus Phase II zu den vier Konformeren der

Phase III. Das Einfrieren ist ein kooperativer Prozeß, der die Anordnung, d.h. die Stapelung

der moglichen dimeren Einheiten (AC, AD, BC, und BD) wie in Kapitel 3.2.4 auf Seite 46

beschrieben, zulaßt.

In Phase III liegen zwei unterschiedliche dynamische Verhaltnisse vor. Die 2.Moment

Messungen zeigen, daß bis zu einer Temperatur von ca. 140K Methylgruppen-Rotation vor-

handen ist. Unterhalb dieser Temperatur wird die Rotationsgeschwindigkeit langsamer, bis

eine vollig geordnete Struktur erreicht ist.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 67

3.3 Zusammenfassung der experimentellen Ergebnisse

der β,β’-Dichlorpivalinsaure

Dieser Abschnitt dient der kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse der β,β’-Dichlorpivalin-

saure. Die Untersuchungen wurden von Strauss im Rahmen seiner Dissertation durchgefuhrt.

Siehe hierzu auch [3, 53].

Alle hier vorgestellten Ergebnisse wurden mit Proben, die durch Sublimation gereinigten

wurden, durchgefuhrt.

Die thermodynamischen Messungen wurden an einem selbstgebauten DTA-DSC-Gerat

[3] in Abhangigkeit der Kuhlrate durchgefuhrt.

In Tab. 3.18 sind die Phasenubergangstemperaturen, -enthalpien und entropien zusam-

mengefaßt. Abb. 3.35 zeigt die Phasenubergangstemperaturen in Abhangigkeit von der Heiz-

/Kuhlrate. Beim Abkuhlen aus der Schmelze erhalt man die plastische Phase I, die eine

II→m m→ I I→ II

T [K] 343.8 319.7 297.2

∆H [kJmol−1] 21.89 3.44 19.39

∆S [Jmol−1K−1] 62.90 10.77 65.79

∆S/R 7.57 1.30 7.91

Tab. 3.18: Phasenubergangstemperaturen, -enthalpien und -entropien der β,β’-Dichlor-

pivalinsaure.

relativ große Phasenbreite von 23K aufweist. Der geringe Energieinhalt des Erstarrungspro-

zesses ist typisch fur plastische Phasen. Bei 297K findet der Ubergang in Phase II statt.

Die Summe der Phasenubergangsentropien ∆Sm→ I +∆SI→ II ist mit 76 kJmol−1K−1 sehr

hoch und laßt auf eine geordnete Struktur der Phase II schließen. Es konnte kein weiterer

Phasenubergang bis 77K gefunden werden. Beim Aufheizen gelangt man direkt, wie bei der

β-Chlorpivalinsaure, in die Schmelze. Die Hysterese von ca. 24K zwischen Schmelz- und

Erstarrungsprozeß ist nicht unublich.

Im Rontgenpulverdiffraktogramm findet man, wie schon in der β-Chlorpivalinsaure nur

einen Reflex im Bereich vom 11≤ 2Θ≤ 54 ◦. Die Indizierung mit (111) ergibt ein fcc-Gitter

mit Z=4, a= 9.11(1) A fur T=308K. Geht man von der hochst moglichen Symmetrie aus,

so gelangt man auch bei der β,β’-Dichlorpivalinsaure zur Raumgruppe Fm3m. Das Pulver-

diffraktogramm ist in Abb. 3.36 gezeigt.

Einkristallstrukturuntersuchungen bei Zimmertemperatur zeigen eine orthorhombische

Struktur. Meßbedingungen und die Guteparameter der Verfeinerung sind in Tab. 3.19 auf-

gelistet. In Abb. 3.37 ist die asymmetrische Einheit der Phase II gezeigt. Atomkoordinaten,

Bindungslangen und -winkel sowie die anisotropen Temperaturfaktoren sind im Anhang A2

zusammengefaßt. Der intramolekulare Aufbau zeigt keine ungewohnlichen Bindungslangen.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 68

280 300 320 3400

2

4

6

Phase II Phase I Schmelze

hlr

ate

[K/m

in]

Temperatur T / K

Abb. 3.35: Phasenubergangstemperaturen der β,β’-Dichlorpivalinsaure in Abhangigkeit der

Kuhlrate.

Inte

nsitä

t [a.

u.]

Θ2 [°]

Abb. 3.36: Pulverdiffraktogramm der Phase I der β,β’-Dichlorpivalinsaure, aufgenommen

bei T=308K am STOE Stadi-P in Debye-Scherrer Geometrie mit stationaren OED; Cu

Kα1-Strahlung.

Die C-Cl-Bindungslangen betragen 1.791(2) A und 1.787(2) A, die C-C-Bindungen liegen bei

1.526(3) A (d(C(1)-C(2))= 1.542(3) A). Die Carbonyl- und Hydroxylbindungen konnten mit

1.222(2) A (C=O) und 1.290(3) A (C-O) der verfeinerten Struktur eindeutig zugeordnet wer-

den. Alle Bindungwinkel liegen im erwarteten Bereich.

Der dreidimensionale Aufbau ist in Abb. 3.38 gezeigt und uber die Bildung von Dimeren,

wie es fur Carbonsauren bekannt ist, bestimmt. Die Dimeren werden entlang der b-Achse

gebildet. Eine weitere markante, aber wesentlich schwachere Wechselwirkung wird uber den

intermolekularen Chlor-Chlor-Abstand definiert. Dieser liegt mit 3.5 A im normalen Bereich.

Durch die Ausbildung dieser Wechselwirkung wird eine Festigung der Struktur entlang der

c-Achse erreicht. In Abb. 3.38 sind sowohl die Wasserstoffbruckenbindung als auch der kurze

Chlor-Chlor-Abstand gezeigt.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 69

Cl1

C3

Cl2 C4

C2

C1 C5

O2

O1

Abb. 3.37: Asymmetrische Einheit der

Phase II der β,β’-Dichlorpivalinsaure. Es

ist die Numerierung der Atome gegeben,

wie sie auch im Text verwendet wird. Die

thermischen Ellipsoide zeigen eine Auf-

enthaltswahrscheinlichkeit von 50%.

Abb. 3.38: Dreidimensionaler Aufbau der

Phase II der β,β’-Dichlorpivalinsaure. Ge-

zeigt sind die Wasserstoffbruckenbindun-

gen (Ausbildung der dimeren Einheiten)

und der kurze Cl-Cl-Abstand von 3.50 A.

50 100 150 200 250 300 350

33.0

33.5

34.0

34.5

35.0

ν (35

Cl)

[M

Hz]

T [K]

Abb. 3.39: 35Cl NQR-Frequenzen [MHz] in Abhangigkeit der Temperatur der β,β’-Dichlor-

pivalinsaure. ■: ν1, ●: ν2.

35Cl NQR Messungen zeigen ein Duplett im Temperaturbereich von 77K bis zur Schmel-

ze, wie aus den kristallographisch inaquivalenten Chlorpositionen zu erwarten war. Die Ab-

hangigkeit der NQR-Frequenz von der Temperatur ist in Abb. 3.39 gezeigt. Beide Resonanz-

linien verschieben sich zu geringeren Frequenzen mit steigender Temperatur.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 70

STOE Stadi-4 T=297K

Kristallsystem orthorhombisch

Raumgruppe Pbca

Gitterkonstanten

a [A] 10.197(3)

b [A] 11.464(3)

c [A] 12.938(3)

Volumen [A3] 1512.3(7)

Z 8

ber. Dichte [Mgm−3] 1.502

Absorptionskoeffizient [mm−1] 0.785

F(000) 704

Kristallgroße [mm3] 0.80 x 0.42 x 0.300

θ Bereich fur Datensammlung [◦] 3.10 bis 25.00

Indizierungsbereich 0≤ h≤ 12

-13≤ k≤ 13

0≤ l≤ 15

Anzahl Reflexe 2858

davon unabhangige 1333 (Rint=0.03)

Absorptionskorrektur empirisch

Verfeinerungsmethode ’full-matrix least-squares on F2’

Daten / Restraints / Parameter 1333 / 0 / 84

GooF [I>σ(I)] 1.06

R-Faktoren [I> 2σ(I)] R1=0.0352, ωR2=0.0913

R-Faktoren (alle Daten) R1=0.0407 ωR2=0.0973

Großte Diff. zw. Berg und Tal [e A−3] 0.319 und -0.335

Tab. 3.19: Meßbedingungen und Guteparameter der Strukturverfeinerung der Phase II der

β,β’-Dichlorpivalinsaure.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 71

3.4 β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure

In der Reihe der Chlorderivate der Pivalinsaure fehlt zur Vollstandigkeit noch die β,β’,β”-

Trichlorpivalinsaure mit x= 3. Die Untersuchungen wurden von Frau Goetze im Rahmen

ihrer Diplomarbeit durchgefuhrt [54, 55].

3.4.1 Synthese

Pentaerythrit C(CH2OH)4) wurde nach einer modifizierten Anleitung von Lynch [56] zur

β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure umgesetzt. Das Edukt wurde in Pyridin gelost und auf 340K

erhitzt. Thionylchlorid (SO2Cl) wurde unter kraftigem Ruhren langsam zugegeben. Die Lo-

sung wurde fur 12 h bei 390 - 400K unter Ruckfluß erhitzt und kontinuierlich geruhrt. Nach

komplettem Umsatz wurde erst Eiswasser, anschließend Toluol hinzugefugt. Das Produkt

Pentraerythritol Trichlorhydrin (CH2Cl)3CCH2OH wird aus der organischen Phase des To-

luols mit Nitriersaure oxidiert. Nach Extraktion und Einengung konnte β,β’,β”-Trichlor-

pivalinsaure erhalten werden. Nach Umkristallisation in Hexan wurden feine weiße Nadel

erhalten.

3.4.2 Thermische Analyse

DSC-Messungen wurden an einem Setaram DSC 121 im Temperaturbereich von 400K bis

150K durchgefuhrt. Es konnte im DSC-Experiment nur der Schmelz-/Erstarrungsprozess ge-

funden werden. In Tab. 3.20 sind die Phasenubergangstemperaturen, -enthalpien und entro-

pien zusammengefasst. Der hohe Wert fur die Schmelzentropie zeigt, daß keine orientierungs-

ungeordnete Phase auftritt.

Phasenubergang T [K] ∆H [kJmol−1] ∆S [Jmol−1K−1] ∆S/R

krist.→m 383.9 20.9 54.2 6.5

m→ krist. 380.9 21.4 56.3 6.8

Tab. 3.20: Thermodynamische Daten der β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure im Temperaturbereich

von 400 - 150K.

3.4.3 Strukturanalyse

Es wurden sowohl Einkristalluntersuchungen am Nonius Enraf CAD4 als auch Rontgenpul-

verbeugungsmessungen am STOE-Stadi-P in Debye Scherrer Geometrie durchgefuhrt. Ein-

kristalle der β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure wurden durch Umkristallisation in Hexan erhalten.

Da die Verbindung hygroskopisch ist, wurde der Kristall in eine dunnwandige Kapillare ein-

geschlossen und auf dem Diffraktometer justiert. Die Meßbedingungen und Guteparameter

der Verfeinerung sind in Tab. 3.21 zusammengefaßt.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 72

Enraf Nonius CAD 4 T=304K

Kristallsystem monoklin

Raumgruppe P 21

Gitterkonstanten

a [A] 6.961(1)

b [A] 9.979(2)

c [A] 12.059(3)

β 94.01(2) ◦

Volumen [A3] 835.6(3)

Z 4

ber. Dichte [Mgm−3] 1.633

Absorptionskoeffizient [mm−1] 1.034

F(000) 416

Kristallgroße [mm3] 0.50 x 0.08 x 0.08

θ Bereich fur Datensammlung [◦] 1.69 bis 25.95

Indizierungsbereich -8≤ h≤ 1

-12≤ k≤ 0

-14≤ l≤ 14

Anzahl Reflexe 1899

davon unabhangige 1726 (Rint=0.03)

Absorptionskorrektur empirisch

Verfeinerungsmethode ’full-matrix least-squares on F2’

Daten / Restraints / Parameter 1735 / 1 / 187

GooF [I>σ(I)] 1.02

R-Faktoren [I> 2σ(I)] R1=0.0403, ωR2=0.0862

R-Faktoren (alle Daten) R1=0.1100 ωR2=0.1073

Absoluter Strukturparameter 0.1(2)

Großte Diff. zw. Berg und Tal [e A−3] 0.322 und -0.281

Tab. 3.21: Meßbedingungen und Guteparameter der Verfeinerung der kristallinen Phase der

β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure.

Die Struktur wurde in der monoklinen Raumgruppe P 21 gelost mit Z=4, a= 6.961(1) A,

b= 9.979(2) A, c= 12.059(3) A und β=94.01(2) ◦, V=835.6(3) A3. Alle nicht Wasserstoff-

atome wurden uber Differenzfouriersynthese gefunden und nach der Methode der kleinsten

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 73

Fehlerquadrate verfeinert. Das Wasserstoffatom zwischen O(2) und O(3) wurde uber Dif-

ferenzfourieranalyse lokalisiert und verfeinert. Alle anderen Wasserstoffpositionen wurden

geometrisch generiert und nicht verfeinert. Die asymmetrische Einheit ist in Abb. 3.40 mit

der Numerierung der Atome gezeigt.

Cl4

Cl6

C10C8

C7

O3

C6

O4Cl5

C9Cl3 Cl1

C4

C3

C5

Cl2

O2

C1O1

C2

Abb. 3.40: Asymmetrische Einheit der kristallinen Phase der β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure.

Es ist die Numerierung der Atome angegeben, wie sie auch im Text verwendet wird.

Bindungslangen und -winkel sind in Tab. 3.22 aufgelistet. Atomkoordinaten und anisotro-

pe Temperaturfaktoren befinden sich im Anhang A3. Bindungslangen und -winkel der bei-

den Molekule sind im erwarteten Bereich. Die C-Cl-Bindungslangen liegen zwischen 1.765 A

und 1.795 A, die C-C-Cl Winkel im Bereich von 110.3 ◦ und 112.9 ◦. Die Bindungslangen

der C-O-Bindungen sind ein geeignetes Kriterium der Zuordnung zur Hydroxyl- und Car-

bonylgruppe. Die Wasserstoffbruckenbindung ist mit 2.671(1) A im erwarteten Bereich. Die

dreidimensionale Anordnung ist in Abb. 3.41 gezeigt. Sie zeigt die Ausbildung der Wasser-

stoffbruckenbindung als charakteristisches Element in der Struktur.

Betrachtet man den strukturellen Aufbau entlang [101] (Bilddiagonale von links unten

nach rechts oben), so kann man den Aufbau folgendermaßen beschreiben. Es sind immer

zwei Dimereinheiten direkt ubereinander gestapelt, die dritte und vierte Dimereinheit ist um

eine halbe Dimereinheit (ein Molekul) entlang [-101] verschoben.

Die intermolekularen Cl-Cl Abstande sind in Tab. 3.23 aufgefuhrt. Man kann deutlich

erkennen, daß durch die oben beschriebene dreidimenionale Anordnung die Cl-Cl-Abstande

zwischen 3.5 A und 4.0 A liegen. Dies ist ein optimaler Abstand zur Ausbildung von Wech-

selwirkungen zwischen zwei Chloratomen [5].

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 74

C(1)-O(1) 1.204(8) C(6)-O(3) 1.195(8)

C(1)-O(2) 1.279(10) C(6)-O(4) 1.316(11)

C(1)-C(2) 1.538(10) C(6)-C(7) 1.543(10)

C(2)-C(3) 1.501(13) C(7)-C(10) 1.507(11)

C(2)-C(5) 1.533(10) C(7)-C(9) 1.512(9)

C(2)-C(4) 1.534(10) C(7)-C(8) 1.550(13)

C(3)-Cl(3) 1.795(7) C(8)-Cl(6) 1.778(7)

C(4)-Cl(1) 1.765(6) C(9)-Cl(5) 1.774(7)

C(5)-Cl(2) 1.795(7) C(10)-Cl(4) 1.776(6)

O(2)-H(2O) 0.68(8) O(4)-H(4O) 0.56(10)

O(1)-C(1)-O(2) 125.4(7) O(3)-C(6)-O(4) 125.2(6)

O(1)-C(1)-C(2) 120.7(8) O(3)-C(6)-C(7) 123.7(7)

O(2)-C(1)-C(2) 113.9(7) O(4)-C(6)-C(7) 111.1(7)

C(3)-C(2)-C(5) 113.1(7) C(10)-C(7)-C(9) 107.3(7)

C(3)-C(2)-C(4) 112.0(6) C(10)-C(7)-C(6) 110.3(7)

C(5)-C(2)-C(4) 105.2(7) C(9)-C(7)-C(6) 109.4(6)

C(3)-C(2)-C(1) 108.4(8) C(10)-C(7)-C(8) 111.5(6)

C(5)-C(2)-C(1) 109.4(6) C(9)-C(7)-C(8) 112.9(7)

C(4)-C(2)-C(1) 108.6(6) C(6)-C(7)-C(8) 105.6(7)

C(2)-C(3)-Cl(3) 112.4(6) C(7)-C(8)-Cl(6) 111.4(5)

C(2)-C(4)-Cl(1) 111.6(5) C(7)-C(9)-Cl(5) 112.9(6)

C(2)-C(5)-Cl(2) 110.8(5) C(7)-C(10)-Cl(4) 113.1(5)

Tab. 3.22: Bindungslangen in [A] und -winkel in [◦] der kristallinen Phase der β,β’,β”-Trichlor-

pivalinsaure.

Cl(1)-Cl(2) 1 3.697 Cl(2)-Cl(3) 1 3.583 Cl(3)-Cl(5) 2 3.800

Cl(1)-Cl(4) 3.583 Cl(2)-Cl(5) 1 3.731 Cl(3)-Cl(6) 3.976

Cl(4)-Cl(4) 3 3.588 Cl(4)-Cl(3) 4 3.800 Cl(5)-Cl(5) 1 3.588

Cl(4)-Cl(2) 3 3.731 Cl(4)-Cl(6) 3 3.588 Cl(5)-Cl(4) 5 3.733

Cl(5)-Cl(3) 3.976 Cl(6)-Cl(5) 1 3.588 Cl(6)-Cl(4) 5 3.733

Tab. 3.23: Intermolekulare Chlor-Chlor Abstande in [A] der β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure in

einem Radius von 3.5-4.0 A. Symmetrieoperationen: 1: 1+x, y, z, 2: -x, -1/2+y, 1-z, 3: -1+x,

y, z, 4: -x, y, 1-z, 5: 1-x, 1/2+y, 1-z.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 75

Abb. 3.41: Dreidimensionale Anordnung der kristallinen Phase der β,β’,β”-Trichlorpivalin-

saure, Blick entlang [010].

Es wurde ebenfalls ein Rontgenpulverdiffraktogramm aufgenommen und mit den Ein-

kristalldaten verglichen. Das Ergebnis der Rietveldverfeinerung ist in Abb. 3.42 dargestellt.

Der Differenzplot zeigt gute Ubereinstimmmung zwischen beobachteten und berechneten

Profilen. Die verfeinerten Strukturparameter stehen im Einklang mit den Einkristallstruk-

turdaten. Die resultierenden Atomkoordinaten sind im Anhang A3 zusammengefaßt.

Inte

nsitä

t [a.

u.]

2Θ [°]

Abb. 3.42: Gemessenes und berechnetes Pulverdiffraktogramm der kristallinen Phase der

β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure. Der Differenzplot ist ebenfalls gezeigt.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 76

3.4.4 Zusammenfassung

In der Reihe der Chlorderivate der Pivalinsaure zeigt, wie zu erwarten, die Verbindung mit

x= 3, β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure, keine orientierungsungeordnete Phase. Man gelangt di-

rekt von der geordneten Phase in die Schmelze. Durch den Einbau von drei Chloratomen

und die Ausbildung der Wasserstoffbruckenbindung wird die Moglichkeit des Reorientie-

rungsprozesses gehemmt. Der dreidimensionale Aufbau der kristallinen Phase ist durch die

Ausbildung der Wasserstoffbruckenbindung und durch Chlor-Chlor-Wechselwirkungen, deren

Abstande idealerweise zwischen 3.5-4.0 A liegen sollten [5], gekennzeichnet.

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 77

3.5 Vergleichender Uberblick der Pivalinsaurederivate

In der Reihe der Chlorderivate der Pivalinsaure (CH3)3−x(CH2Cl)xCCOOH zeigt die mo-

nosubstituierte Verbindung mit x= 1, β-Chlorpivalinsaure, das interessanteste Phasenver-

halten. Wie zu erwarten, nimmt die Fahigkeit der Derivate ODIC-Phasen auszubilden mit

steigendem x ab. Ist bei der Pivalinsaure eine große plastische Phasenbreite vorhanden, so

ist diese fur die Verbindung mit x= 1 schon wesentlich reduziert. Allerdings bildet sich in

Phase II eine dynamisch fehlgeordnete Struktur aus, in der die tert.-Butylgruppe Rotationen

ausfuhrt. Die Kriterien einer ODIC Phase fur Phase II der β-Chlorpivalinsaure sind nicht

erfullt (thermodynamisch: Gleichung 1.1, strukturell: Ausbildung einer hochsymmetrischen

Struktur). Nimmt man beide Phasen als vergleichbare, dynamisch fehlgeordnete Phasen an,

so erhalt man ebenfalls eine große Phasenbreite. In der Verbindung mit x= 2 ist die ODIC

Phase nur noch beim Abkuhlprozeß zu erfassen und vom Reinheitsgrad der Probe abhangig.

Die Verbindung mit x= 3 weist dagegen keine plastische Phase mehr auf. In Abb. 3.43 sind

die Phasenubergangstemperaturen des Abkuhlprozesses fur alle Chlorderivate der Pivalin-

saure und die Pivalinsaure selbst vergleichend dargestellt.

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Tem

pera

tur

[K]

x=0 x=1 x=2 x=3

kristalline Phase

fehlgeordnete Phase

plastische Phase fcc

Abb. 3.43: Vergleichender Uberblick der Phasenubergangstemperaturen von (CH3)3−x

(CH2Cl)xCCOOH. Es ist der Sachverhalt des Abkuhlprozesses wiedergegeben.

Mit steigendem x wird die Fahigkeit, dynamisch fehlgeordnete Phasen auszubilden, re-

duziert, d.h. es muß soviel thermische Energie zugefuhrt werden, um die Molekule zur Re-

orientierung anzuregen, daß gleichzeitig die Translationssymmetrie mit aufgebrochen wird.

Alle Phasen I sind isostrukturell und bilden ein kubisch flachenzentriertes Gitter Fm3m aus.

Die Gitterkonstante steigt mit der Einfuhrung der Chloratome durch den hoheren Platz-

bedarf. Man erkennt sehr deutlich, daß durch die Einfuhrung des zweiten Chloratoms, der

Platzbedarf bei vergleichbarer Temperatur deutlich erhoht wird (∆V=65 A3� 9%). Der Re-

orientierungsmechanismus in den Pivalinsaurederivaten wird dem von Longueville und Bee

vorgeschlagenen Mechanismus fur die Pivalinsaure ahnlich sein. Auch in den plastischen Pha-

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 78

x 0 1 2

a [A] 8.87 8.84 9.11

T [K] 293 301 308

Tab. 3.24: Zusammenstellung der Gitterkonstante a der kubischen Phase I der Chlorderivate

der Pivalinsaure (CH3)3−x(CH2Cl)xCCOOH mit x= 0, 1, 2.

sen der Chlorderivate sollte die Reorientierung stark von der Bildung der Dimeren beeinflußt

sein. Die schweren und voluminosen Chloratome werden die Rotation der tert.-Butylgruppe

beeinflussen und die Reorientierung des gesamten Molekuls verlangsamen.

Der Vergleich der geordneten Chlorderivate zeigt, daß die Ausbildung der Wasserstoffbrucken-

bindung das strukturelle Hauptmerkmal ist. Ein zweiter Aspekt ist die Ausbildung von van

der Waals Wechselwirkungen, deren Bildungsmoglichkeit uber intermolekulare Chlor-Chlor-

Abstande definiert wird.

Sowohl die Trichlor- als auch die Dichlorverbindung zeigen einen sehr ahnlichen Aufbau. In

Abb. 3.44 ist der strukturelle Aufbau der β,β’-Dichlorpivalinsaure und der β,β’,β”-Trichlor-

pivalinsaure mit gleicher Ansicht gezeigt. Jeweils senkrecht zur Dimerenverbindungsachse

sind die Molekule so angeordnet, daß nach zwei Molekulen die Dimereneinheit um 1/2 (nach

unten) verschoben ist. Fur β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure ist in jeder Reihe noch eine zusatz-

liche Verschiebung entlang b (nach unten) vorhanden. Mit dieser Anordnung werden Chlor-

Chlor-Abstande im Bereich von 3.5-4.0 A erreicht, die den dreidimensionalen Verband zusatz-

lich starken. Die Chlor-Chlor-Abstande sind in Tab. 3.25 aufgelistet. Im Gegensatz dazu ist

β,β’-Dichlorpivalinsaure

Cl(1)-Cl(2) 3.794 Cl(1)-Cl(2) 1 3.496

β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure

Cl(1)-Cl(2) 2 3.697 Cl(1)-Cl(4) 3 3.583

Cl(2)-Cl(3) 4 3.583 Cl(3)-Cl(2) 3.910

Cl(2)-Cl(5) 4 3.731 Cl(3)-Cl(5) 5 3.800

Cl(3)-Cl(6) 3.976 Cl(4)-Cl(5) 4 3.711

Cl(4)-Cl(6) 6 3.733 Cl(5)-Cl(6) 3.766

Cl(5)-Cl(6) 2 3.588 Cl(6)-Cl(5) 4 3.588

Tab. 3.25: Intermolekulare Chlor-Chlor-Abstande der Verbindungen mit x= 2 und x=3,

(CH3)3−x(CH2Cl)xCCOOH. Die Fehler liegen bei 0.002 A. Symmetrieoperatoren: 1: 1/2-x,

1/2+y, z, 2: -1+x, y, z, 3: x, y, -1+z, 4: 1+x, y, z, 5: -x, -1/2+y, 1-z, 6: 1-x, -1/2+y, 1-z.

der dreidimensionale Verband der β-Chlorpivalinsaure aus Reihen von Dimeren aufgebaut.

Durch die versetzte Anordnung der Chloratome, wie in Kapitel 3.2.4 auf Seite 46 beschrie-

KAPITEL 3. CHLORDERIVATE DER PIVALINSAURE 79

Abb. 3.44: Vergleich der dreidimensionalen Struktur der Verbindung mit x= 2 (links, Blick

entlang [100]) und x=3 (rechts, Blick entlang [100]). Es ist eine vergleichbare strukturelle

Ansicht gewahlt.

ben, konnen sich fur diese geometrische Anordnung optimale Chlor-Chlor-Wechselwirkungen

ausbilden (siehe Tab. 3.15).

Zusammenfassend ist zu bemerken, daß in der Reihe der Chlorderivate der Pivalinsaure,

das Verhalten der Verbindung mit x= 1, β-Chlorpivalinsaure außergewohnlich ist.

Die Analyse der dreidimensionalen Struktur der geordneten Phasen zeigt einen sehr ahnli-

chen Aufbau der β,β’-Dichlorpivalinsaure und β,β’,β”-Trichlorpivalinsaure, die die gleichen

strukturellen Merkmale besitzen.