KARDINALSSIEGEL UND ANDERE ABBILDUNGEN VON ...Werner Maleczek KARDINALSSIEGEL UND ANDERE ABBILDUNGEN...

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Werner Maleczek KARDINALSSIEGEL UND ANDERE ABBILDUNGEN VON KARDINÄLEN WÄHREND DES 13. JAHRHUNDERTS Die Allgegenwärtigkeit von Filmen, Bildern, Symbolen, Zeichen, die unser Leben seit mehreren Jahrzehnten prägt, führte den iconic turn fast zwangsläufig auch in der Geschichtswissenschaft herbei. Die Problema- tik des Visuellen in der abendländischen Kultur bewirkte nicht nur eine Fülle von Abhandlungen, in denen theoretisch über die Bedeutung des Bildes nachgedacht und beispielhaft die bildliche Darstellung als Quelle für die historische Erkenntnis fruchtbar gemacht wurde, sondern die Grenzen der wissenschaftlichen Fächer wurden aufgeweicht und die Kunstgeschichte und die breite Palette der Historischen Hilfswissen- schaften verloren ihre Monopole in traditionellen Forschungsfeldern 1 . Der Deutsche Historikertag von 2006 in Konstanz hatte zum Thema «GeschichtsBilder» und lud nicht nur zur Diskussion über «Bilder» im 229 1. Beispielsweise: A. E. Imhof, Im Bildersaal der Geschichte, oder: Ein Historiker schaut Bilder an, München 1991; Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, hg. v. B. Tolkemitt – R. Wohl- feil, Berlin 1991 («Zeitschrift für Historische Forschung», Beiheft 12); R. Wohlfeil, Methodische Überlegungen zur Historischen Bildkunde, in «Zeitschrift für Historische Forschung», 21 (1994), S. 289-313; G. Signori, Wörter, Sachen und Bilder. Oder: Die Mehrdeutigkeit des scheinbar Eindeutigen, in Mundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter, Festgabe für Klaus Schreiner, hg. v. A. Löther – U. Meier – N. Schnitzler – G. Schwerhoff – A. Signori, München 1996, S. 11-33; B. Roeck, Visual Turn? Kulturgeschichte und die Bilder, in «Geschichte und Gesellschaft», 29 (2003), S. 294-315; id., Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit, Göttingen 2004; Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, hg. v. H. Burda – Ch. Maar, Köln 2004; M. Warnke, Bild- wirklichkeiten, Göttingen 2005 («Essener kulturwissenschaftliche Vorträge», 8); Das Bild als Auto- rität. Die normierende Kraft des Bildes, hg. v. F. Büttner – G. Wimböck, Münster 2005 («Plurali- sierung & Autorität», 4); Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, hg. v. K. Sachs-Hom- bach, Köln 2005; Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, hg. v. id., Frankfurt/M. 2005; «Sichtbarkeit der Geschichte». Beiträge zu einer Historiografie der Bilder, hg. v. M. Bruhn – K. Borg- mann, Berlin 2005; Bilder. Ein (neues) Leitmedium?, hg. v. Th. Hoffmann – G. Rippl, Göttingen 2006; Visual History. Ein Studienbuch, hg. v. G. Paul, Göttingen 2006; H. Th. Gräf, Historische Bildkunde. Eine Hilfswissenschaft zwischen Kunstgeschichte und Bildwissenschaft?, in «Archiv für Diplomatik», 54 (2008), S. 379-98. «Millennio Medievale» ?? (2012)

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  • Werner Maleczek

    KARDINALSSIEGEL UND ANDERE ABBILDUNGENVON KARDINÄLEN WÄHREND DES 13. JAHRHUNDERTS

    Die Allgegenwärtigkeit von Filmen, Bildern, Symbolen, Zeichen, dieunser Leben seit mehreren Jahrzehnten prägt, führte den iconic turn fastzwangsläufig auch in der Geschichtswissenschaft herbei. Die Problema-tik des Visuellen in der abendländischen Kultur bewirkte nicht nur eineFülle von Abhandlungen, in denen theoretisch über die Bedeutung desBildes nachgedacht und beispielhaft die bildliche Darstellung als Quellefür die historische Erkenntnis fruchtbar gemacht wurde, sondern dieGrenzen der wissenschaftlichen Fächer wurden aufgeweicht und dieKunstgeschichte und die breite Palette der Historischen Hilfswissen-schaften verloren ihre Monopole in traditionellen Forschungsfeldern1.Der Deutsche Historikertag von 2006 in Konstanz hatte zum Thema«GeschichtsBilder» und lud nicht nur zur Diskussion über «Bilder» im

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    1. Beispielsweise: A. E. Imhof, Im Bildersaal der Geschichte, oder: Ein Historiker schaut Bilder an,München 1991; Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, hg. v. B. Tolkemitt – R. Wohl-feil, Berlin 1991 («Zeitschrift für Historische Forschung», Beiheft 12); R. Wohlfeil, MethodischeÜberlegungen zur Historischen Bildkunde, in «Zeitschrift für Historische Forschung», 21 (1994), S.289-313; G. Signori, Wörter, Sachen und Bilder. Oder: Die Mehrdeutigkeit des scheinbar Eindeutigen, inMundus in imagine. Bildersprache und Lebenswelten im Mittelalter, Festgabe für Klaus Schreiner, hg.v. A. Löther – U. Meier – N. Schnitzler – G. Schwerhoff – A. Signori, München 1996, S. 11-33;B. Roeck, Visual Turn? Kulturgeschichte und die Bilder, in «Geschichte und Gesellschaft», 29(2003), S. 294-315; id., Das historische Auge. Kunstwerke als Zeugen ihrer Zeit, Göttingen 2004;Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, hg. v. H. Burda – Ch. Maar, Köln 2004; M. Warnke, Bild-wirklichkeiten, Göttingen 2005 («Essener kulturwissenschaftliche Vorträge», 8); Das Bild als Auto-rität. Die normierende Kraft des Bildes, hg. v. F. Büttner – G. Wimböck, Münster 2005 («Plurali-sierung & Autorität», 4); Bildwissenschaft zwischen Reflexion und Anwendung, hg. v. K. Sachs-Hom-bach, Köln 2005; Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden, hg. v. id., Frankfurt/M. 2005;«Sichtbarkeit der Geschichte». Beiträge zu einer Historiografie der Bilder, hg. v. M. Bruhn – K. Borg-mann, Berlin 2005; Bilder. Ein (neues) Leitmedium?, hg. v. Th. Hoffmann – G. Rippl, Göttingen2006; Visual History. Ein Studienbuch, hg. v. G. Paul, Göttingen 2006; H. Th. Gräf, HistorischeBildkunde. Eine Hilfswissenschaft zwischen Kunstgeschichte und Bildwissenschaft?, in «Archiv fürDiplomatik», 54 (2008), S. 379-98.

    «Millennio Medievale» ?? (2012)

  • Sinn von «Vorstellungen» der Geschichte, sondern über «Bilder» alsMedium und Gegenstand der Erkenntnis in Abgrenzung von Wort undSprache ein2. Bei den Kunsthistorikern war die «Ikonographie», dasVerstehen und die Deutung der Bildinhalte, immer schon ein Teil ihrerWissenschaft3, und die «Ikonologie», nach Erwin Panofsky (1892-1968)der Versuch, das Kunstwerk als Symbol von weltanschaulichen Vorstel-lungen zu interpretieren, ist ebenfalls seit langer Zeit im Methodenka-non fest verankert4. Wenn im Folgenden hier bildliche Darstellungenvon Kardinälen während des 13. Jahrhunderts präsentiert werden, sogeschieht dies mit der Absicht, sie als Quelle neben die Schriftzeugnissezu stellen und – ihrem Charakter entsprechend – mit ihnen zu zeigen,wie die Kardinäle auf ihre Zeitgenossen wirken wollten und tatsächlichwirkten. Die Bildzeugnisse, die hier in vier Gruppen eingeteilt werdensollen – 1. Siegel der Kardinäle; 2. Kardinäle als Stifter; 3. Grabdenk-mäler der Kardinäle; 4. Kardinäle als Entourage des Papstes – verfolgtenwohl nur eine Absicht. Sie sollten die Kardinäle als mächtige Kirchen-fürsten signalisieren, sie sofort als solche erkennbar werden lassen unddie Allgegenwart der römischen Kirche symbolisieren. Deshalb werdenim Folgenden auch kunsthistorische Kategorien in den Hintergrundgeschoben und die bildlichen Darstellungen als Mittel der non-verbalenKommunikation begriffen. Sie sind «Bedeutungsträger», sie legen demBetrachter einen symbolischen Gehalt dar, sie verkünden verschlüsseltdie Botschaft von der Gegenwart der römischen Kirche, letztlich machensie den Papst als Auftraggeber der Kardinäle in allen Teilen der Chri-stianitas bekannt.

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    2. GeschichtsBilder: 46. Deutscher Historikertag vom 19.-22. September in Konstanz.Berichtsband, hg. v. C. Wischermann – A. Müller – R. Schlögl – J. Leipold, Konstanz 2007. –Eine epochenübergreifende Sektion war der figurativen Repräsentation von Wohltätigkeit inEuropa seit dem Hochmittelalter gewidmet, deren Vorträge nun gesammelt vorliegen: Repräsen-tation der Wohltätigkeit. Der Akt des Gebens und Nehmens im Bild, in «Archiv für Kulturgeschichte»,89,2 (2007), S. 253-366.

    3. Beispielsweise: R. van Straten, Einführung in die Ikonographie, Berlin 20043; F. Büttner – A.Gottdang, Einführung in die Ikonographie. Wege zur Deutung von Bildinhalten, München 2006.

    4. E. Panofsky, Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, hg. v. H. Oberer – E. Verheyen,Berlin 19925; id., Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 19792; id., Studien zur Ikonologie.Humanistische Themen in der Kunst der Renaissance, Köln 1980. – Zu seiner Person vgl. K. Michels,Panofsky, Erwin, in Neue Deutsche Biographie, Berlin 2001, Bd. 20, S. 36-8.

  • 1. SIEGEL

    Dies gilt in besonderem Maße bei den Siegeln der Kardinäle, denn diemeisten von ihnen hängen an Legatenurkunden. An dieser Stelle istgleich auf das heuristische Problem hinzuweisen, denn deren systemati-sche Sammlung geschah bisher für die Zeit von vor 1198 durch die aus-gezeichnete Dissertation von Stefan Weiß5, für die Zeit danach nur zumTeil. Einerseits verzeichnen Monographien, die einzelnen Kardinälengewidmet sind – beispielsweise Guala, KP von S. Martino († 1227), oderKonrad von Urach, KB von Porto († 1227)6 –, deren auf Legationen aus-gestellte Urkunden, andererseits erfassen die Regesta Imperii bei den insReich bis 1273 gesandten Legaten auch deren Urkunden7. Deshalbkennt man beispielsweise die Siegel des Petrus Capocci, KD von S. Gior-gio in Velabro (Legation der Jahre 1247/48, 1254/55), des Hugo von St-Cher, KP von S. Sabina (Legation der Jahre 1251/54), oder des Guido,KP von S. Lorenzo in Lucina (Legation der Jahre 1265/67 im Reich, inSkandinavien, Böhmen und Polen) von zahlreichen Originalen8. Vomletztgenannten Legaten sind mehr als 80 Originale erhalten, von denenüber 70 Siegel mehr oder weniger vollständig die Jahrhunderte überdau-ert haben9. Hingegen kennt man kaum Siegel von Kardinälen, die nie

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    5. St. Weiß, Die Urkunden der päpstlichen Legaten von Leo IX. bis Coelestin III., 1049-1198,Köln-Wien 1995 («Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zuJ. F. Böhmer, Regesta Imperii», 13). Geringfügige Ergänzungen von id., Legatenurkunde undPapsturkunde, in Hundert Jahre Papsturkundenforschung. Bilanz – Methoden – Perspektiven, Akteneines Kolloquiums zum hundertjährigen Bestehen der Regesta Pontificum Romanorum vom 9.-11. Oktober 1996 in Göttingen, hg. v. R. Hiestand, Göttingen 2003 («Abhandlungen der Aka-demie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse», 3,261), S. 335-50; I.Fleisch, Rom und die Iberische Halbinsel. Das Personal der päpstlichen Legationen und Gesandtschaften im12. Jahrhundert, in Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugs-punkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., hg. v. J. Johrendt – H. Müller, Berlin2008 («Neue Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-histo-rische Klasse», N.F. 2), S. 135-90. – Näher zum Thema: W. Maleczek, Die Siegel der Kardinäle.Von den Anfängen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts, in «Mitteilungen des Instituts für öster-reichische Geschichtsforschung», 112 (2004), S. 177-203.

    6. N. Vincent, The Letters and Charters of Cardinal Guala Bicchieri, Papal Legate in England1216-1218, Woodbridge 1996 («The Canterbury and York Society», 83); F. Neininger, Konradvon Urach (+ 1227). Zähringer, Zisterzienser, Kardinallegat, Paderborn 1994 («Quellen und For-schungen aus dem Gebiet der Geschichte», N.F. 17), bes. S. 287-586.

    7. Die Regesten des Kaiserreiches unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., 1198-1272, hg. v. J. F.Böhmer – J. v. Ficker – E. Winkelmann, Innsbruck 1881-1901 («Regesta Imperii», 5), S. 1515-79 Nr. 9971-10624. Ergänzungen auf S. 2148-52 Nr. 14988-15037.

    8. Für den drittgenannten Kardinal vgl. W. Maleczek, Die Urkunden des päpstlichen LegatenGuido, Kardinalpriester von S. Lorenzo in Lucina, aus den Jahren 1265 bis 1267 (Legation nach Skan-dinavien und Deutschland), in «Archiv für Diplomatik», 56 (2010), S. 65-150.

    9. Besonders gut erhaltene Exemplare im zitierten Aufsatz in den im Anhang angeführtenRegesten die Nr. 9, 16, 18, 26, 32, 33, 67, 76, 98, 125, 137.

  • das Legatenamt übertragen bekamen. So sucht man vergeblich das Siegeldes berühmten Franziskanergenerals Bonaventura, KB von Albano1273/7410, oder des Petrus Hispanus, des berühmten Arztes und Natur-wissenschaftlers aus Portugal, der sich seit den frühen Sechzigerjahrenfast ständig an der Kurie in Viterbo aufhielt, Anfang Juni 1273 zum KBvon Tusculum kreiert wurde und drei Jahre später Papst Johannes XXI.werden sollte (September 1276 bis Mai 1277)11. Man kann aber mithoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sie ein Siegel führten.

    Dass das Material über ganz Europa verstreut ist, braucht jenen nichterläutert zu werden, die sich mit der mittelalterlichen Papst- und Kuri-algeschichte befassen. Bisher festgestellte Unikate kamen beispielsweiseaus den Archives départementales du Rhône in Lyon (Petrus von Taren-taise, KB von Ostia 1273, Papst Innocenz V. Januar bis Juni 1276 –Abb. 1)12, aus dem Kathedralarchiv von León (Aegidius Hispanus, KDvon SS. Cosma e Damiano 1216-1255 – Abb. 2)13, aus dem ArchivioAldobrandini in Frascati (Gregor de Galgano, KD von S. Teodoro 1206-1216 – Abb. 3)14, aus dem Archiv der Westminster Abbey (Stefano

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    10. Vgl. E. Longpré, Bonaventure (Saint), in Dictionnaire d’histoire et de géographie ecclésiastiques,Paris 1937, Bd. 9, col. 741-88 (bes. S. 783-6); R. Manselli, Bonaventura, in Dizionario biograficodegli Italiani, Roma 1969, Bd. 11, S. 612-30 (bes. S. 617-9); B. Roberg, Das Zweite Konzil vonLyon [1274], Paderborn 1990, S.155f. – Die noch im Original im Vatikanischen Archiv erhalte-nen acht Urkunden, mit denen die Konzilsväter von 1274 ihre Zustimmung zur Konklaveord-nung Ubi periculum erteilten, trugen ursprünglich insgesamt knapp 200 Siegel, von denen nochetwa 130 zu identifizieren sind. Die Kardinäle unterfertigten kein entsprechendes Dokument.Außerdem lag Bonaventura zum Zeitpunkt der Ausstellung der Urkunden (13. und 14. Juli1274) im Sterben († in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1274). Vgl. B. Roberg, Der konzilia-re Wortlaut des Konklave-Dekrets «Ubi periculum» von 1274, in «Annuarium Historiae Concili-orum», 2 (1970), S. 231-62 (bes. S. 246-62). Die erhaltenen Siegel sind beschrieben bei P. Sella,Inventari dell’Archivio segreto vaticano. I sigilli dell’Archivio vaticano, Roma 1937, Bd. 1, S. 25-61; L.Carolus-Barré, Les pères du IIe Concile de Lyon (1274), in 1274. Année charnière. Mutations et conti-nuités, éd. par M. Mollat, Paris 1977, S. 377-421 (bes. S. 393).

    11. Vgl. J. F. Meirinhos, Giovanni XXI, in Enciclopedia dei Papi, Roma 2000, Bd. 2, S. 427-37 (bes. S. 429).

    12. Aus dem Jahr 1274, mit Gegensiegel, Arch. dép. du Rhône, 03 H 012. – Vgl. zu diesemersten Papst aus dem Dominikanerorden, der knapp vor der Kardinalskreation im Mai 1273 imJuli 1272 auch zum Erzbischof von Lyon erhoben worden war, M. H. Laurent, Le bienheureuxInnocent V (Pierre de Tarentaise) et son temps, Città del Vaticano 1947 («Studi e Testi», 129); P.Vian, Innocenzo V, beato, in Enciclopedia dei Papi, Roma 2000, Bd. 2, S. 423-5.

    13. León, Archivo Histórico del Cabildo de la Santa Iglesia Catedral, doc. 1967, ed. Coleccióndocumental del archivo de la catedral de León, Bd. 6: 1188-1230, ed. J. M. Fernández Catón, León1991 («Colección Fuentes y estudios de historia leonesa», 46), S. 494 no. 1967. – Zu diesem spa-nischen Kardinal vgl. noch immer E. Kartusch, Das Kardinalskollegium in der Zeit von 1181 bis1227, Diss. masch. Wien 1947, S. 67-73.

    14. Archivio Aldobrandini, Documenti Storici, Abbadie, Tomo 3 no. 19, von 1209, ed. A.Pratesi, Carte latine di abbazie calabresi provenienti dell’Archivio Aldobrandini, Città del Vaticano1958 («Studi e Testi», 197), S. 195-8 n° 79. – Zu diesem Kardinal, der von 1216 bis 1224 KP

  • Conti, KD von S. Adriano 1216, KP v. S. Maria in Trastevere 1228-1254 – Abb. 4)15 oder aus dem Archiv des Klarissenklosters in Brixen(Südtirol) (Rainald von Jenne, KD von S. Eustachio 1227, KB von Ostia1231-1254, der spätere Papst Alexander IV. 1254-1261 – Abb. 5)16.Ganz vereinzelt haben sich auch noch Typare erhalten. Gleich zweiExemplare beziehen sich auf Rainer von Viterbo, KD von S. Maria inCosmedin 1216-1244, von denen eines in der Collezione Pasqui imMuseo di Palazzo Venezia in Rom (Abb. 6), das andere in der CollezioneStrozzi im Museo Nazionale del Bargello in Florenz (Abb. 7) aufbewahrtwird17. Ein auch kunsthandwerklich herausragender Siegelstempelgehörte einst Napoleone Orsini, KD von S. Adriano 1288-1342, derheute in der Collezione Corvisieri – ebenfalls im Palazzo Venezia in Rom– liegt (Abb. 8)18.

    Die meisten Kardinalssiegel kennt man wohl von Legatenurkunden,aber auch innerhalb der Kurie verwendeten es einzelne Kardinäle, etwa

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    von S. Anastasia war, vgl. W. Maleczek, Papst und Kardinalskolleg von 1191 bis 1216. Die Kardinäleunter Coelestin III. und Innocenz III., Wien 1984 («Publikationen des Historischen Instituts beimÖsterreichischen Kulturinstitut in Rom», 1,6), S. 151-3.

    15. Westminster Abbey Muniments no. 1840.16. 1252 Juni 6, Perugia – Rainald erleichtert als Protektor der Minoriten die strenge Regel

    und überträgt die Visitation dem Provinzial der österreichischen Minoritenprovinz, ed. M. Stra-ganz, Beiträge zur Geschichte Tirols, in Programm des k.k. Obergymnasiums der Franciscaner zu Hall,Hall 1894, S. 30-2; Regest bei K. Wolfsgruber, Das Brixner Klarissenkloster im 13. Jahrhundert, in«Der Schlern», 59 (1985), S. 459-68 (S. 461 Nr. 12). – Aus seiner vielfältigen Tätigkeit an derKurie oder von der Legation in Oberitalien 1236/37 ist bisher kein Siegel bekanntgeworden, vgl.A. Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia e «Familiae» cardinalizie dal 1227 al 1254, Padova1972 («Italia Sacra», 18), Bd. 1, S. 41-60, bes. S. 50f.

    17. Museo di Palazzo Venezia, Coll. Pasqui 1, das andere in Florenz, Museo del Bargello,Sigilli Inv. 1, vgl. A. Muzzi – B. Tomasello – A. Tori, Sigilli nel Museo nazionale del Bargello,Firenze 1988, Bd. 1, S. 10 Nr. 4, Abb. S. 11.

    18. La collezione sfragistica, a cura di S. Balbi de Caro, Bd. 1: C. Benocci, La collezione Corvisieriromana, Roma 1998 («Bollettino di numismatica. Monografia», 7,1), S. 18f. – Zu diesem Kardi-nal vgl. noch immer C. A. Willemsen, Kardinal Napoleon Orsini (1263-1342), Berlin 1927(«Historische Studien», 127). Zur Familiengeschichte vgl. S. Carocci, Baroni di Roma. Domina-zioni signorili e lignaggi aristocratici nel Duecento e nel primo Trecento, Roma 1993 («Nuovi studi sto-rici», 23), S. 388-403, bes. S. 398f. Zur älteren Familiengeschichte M. Thumser, Rom und derrömische Adel in der späten Stauferzeit, Tübingen 1995 («Bibliothek des Deutschen HistorischenInstituts in Rom», 81), S. 140-57. Zusätze aus den ersten Jahren des Kardinalates: A. Kiesewet-ter, Die Anfänge der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), Husum 1999 («HistorischeStudien», 451), S. 267, S. 268 (u.ö., vgl. Register). Über seine Position in Avignon vgl. G. Ta-bacco, Papa Giovanni XXII e il cardinale Napoleone Orsini di fronte alla cristianità europea, in Cristia-nità ed Europa. Miscellanea di studi in onore di Luigi Prosdocimi, a cura di C. Alzati, Roma 1994, S.155-73. – Eine zusammenfassende Charakteristik bei B. Guillemain, La cour pontificale d’Avignon(1309-1376). Étude d’une société, Paris 1962 («Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et deRome», 201), S. 241-4. Zur Familiengeschichte vgl. F. Allegrezza, Organizzazione del potere e dina-miche familiari. Gli Orsini dal Duecento agli inizi del Quattrocento, Roma 1998 («Nuovi studi sto-rici», 44).

  • innerhalb der kurialen Gerichtsbarkeit bei Urteilen, die dann nicht mehrvom Papst bestätigt wurden (Abb. 9)19, oder bei der Transsumierungvon vorausgegangenen Urkunden20, bei Empfehlungen (Abb. 10)21 undanderen Indulgenzen22 oder bei an der Kurie abgeschlossenen Kreditge-schäften (Abb. 11)23. Auch als Vorsteher einer Behörde an der Kurie,etwa als Pönitentiar, konnte ein Kardinal eine Urkunde ausstellen undmit seinem Siegel als Beglaubigungsmittel versehen (Abb. 12)24. Ablässe

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    19. Zum Beispiel Pelagius, KD von S. Lucia in Septasolio 1206/07, KP von S. Cecilia 1211,KB von Albano 1213-1230, mit seiner Urkunde als delegierter Richter im Konflikt zwischendem Bischof von Spoleto und der Abtei S. Croce di Sassovivo, 1210 Juli 22, bei seiner Titelkir-che S. Cecilia in Rom ausgestellt, Le carte dell’abbazia di S. Croce di Sassovivo, a cura di A. BartoliLangeli, Firenze 1975, Bd. 4, S. 187-9 Nr. 123. – Zu diesem Kardinal vgl. Maleczek, Papst undKardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 166-70, mit Ergänzungen von id., Zwischen lokaler Verankerungund universalem Horizont. Das Kardinalskollegium unter Innocenz III., in Innocenzo III. Urbs et Orbis.Atti del Congresso internazionale (Roma, 9-15 settembre 1998), a cura di A. Sommerlechner,Roma 2003 («Nuovi studi storici», 55 = «Miscellanea della Società romana di storia patria», 44),Bd. 1, S. 154-6.

    20. Im Jahr 1288 vidimierten in Rieti Johannes, KB von Tusculum, Matthäus von Acqua-sparta, KP von S. Lorenzo in Damaso, und Petrus Colonna, KD von S. Eustachio, eine UrkundeHonorius’ IV. Orig. in Bologna, Archiv des Dominikanerkonventes S. Domenico, ed. G. G.Meersseman, Dossier de l’ordre de la pénitence au XIIIe siècle, Fribourg 1961 («Spicilegium Fribur-gense», 7), S. 74f. Nr. 49.

    21. Gottfried von Alatri, KD von S. Giorgio in Velabro (1261-1287), empfiehlt die BrüderAndreas und Johann vom Orden des heiligen Jakob allen Kirchenvorstehern bei ihren Sammlun-gen zum Besten des Heiligen Landes, 1273 Januar 18, Orvieto, ungedruckt, Wien, Haus-, Hof-und Staatsarchiv, Allgem. Urkundenreihe 1273 I 18. – Zu diesem Kardinal vgl. A. Fischer, Kar-dinäle im Konklave. Die lange Sedisvakanz der Jahre 1268 bis 1271, Tübingen 2008 («Bibliothek desDeutschen Historischen Instituts in Rom», 118), S. 126-32.

    22. Gentilis von Montefiore OFM, KP von S. Martino (1300-1312), dispensiert den Ordens-kandidaten für Zwettl Rapoto de Walchiwerch (wohl Falkenberg) von der Irregularität der Geburtvon einem Verheirateten und einer Ledigen und befähigt ihn zu allen Weihen nach Ablegung derProfess, 1301 Mai 31, Anagni, ungedruckt, Zwettl, Stiftsarchiv. – Zu diesem Kardinal vgl. L.Gaffuri, Gentile da Montefiore (Gentilis de Monteflore), in Dizionario biografico degli Italiani, Roma1999, Bd. 53, S. 167-70. Vielleicht agierte er damals schon als penitentiarius maior, als welcher er1302 bezeugt ist. Vgl. Les Registres de Boniface VIII., ed. R. Fawtier, Paris 1939, t. 4 Nr. 4117.

    23. Petrus (Capocci), KD von S. Giorgio in Velabro (1244-1259), verhängt über den SalzburgerErzbischof Ulrich und den Chiemseer Bischof Heinrich die Exkommunikation und suspendiertsie von ihren Ämtern, falls sie den bei römischen Kaufleuten aufgenommenen Kredit bis zumangegebenen Termin in Venedig nicht zurückzahlen, Viterbo, 1258 Januar 23. – Zwei Exemplarein Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Allgem. Urkundenreihe 1258 I 23, ed. W. Maleczek,Erzbischof Ulrich von Salzburg (1257-1265), die päpstliche Kurie und Bankiers aus Rom, Florenz undVenedig, in Tirol – Österreich – Italien. Festschrift für Josef Riedmann, hg. v. K. Brandstätter – J. Hör-mann, Innsbruck 2005 («Schlern-Schriften», 330), S. 436f. Regest: F. Martin, Die Regesten derErzbischöfe und des Domkapitels von Salzburg, Bd. 1: 1247-1290, Salzburg 1928, S. 39 Nr. 290.

    24. Matthäus von Acquasparta OFM, KD von S. Lorenzo in Damaso (1288), KB von Porto(1291-1302), päpstlicher Großpönitentiar, entbindet Erzbischof Rudolf von Salzburg von einemEid, Rieti, 1289 Oktober 7, Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Allgem. Urkundenreihe 1289X 7, Martin, Regesten (wie Anm. 23), Nr. 1362. Zu diesem Kardinal vgl. P. Herde, Matteo d’Ac-quasparta cardinale, in Matteo d’Acquasparta francescano, filosofo, politico. Atti del XXIX Convegnostorico internazionale (Todi, 11-14 ottobre 1992), Spoleto 1993, S. 79-108, wiederabgedr. in P.

  • von einzelnen oder mehreren Kardinälen, die an der Kurie ausgestelltwurden, gibt es im 13. Jahrhundert noch nicht. Erst im frühen 15. Jahr-hundert wird dies ein weit verbreiteter Urkundentypus werden, der biszur Reformation andauert25. Urkunden, die von mehreren Kardinälenbesiegelt werden, sind seit dem 12. Jahrhundert bezeugt. Die Vorver-träge von Anagni 1176 und Chioggia 1177, die zum Frieden von Vene-dig zwischen Alexander III. und Friedrich Barbarossa führten, sahenBesiegelung durch alle damals 19 anwesenden Kardinäle vor26. An ent-scheidenden Wendepunkten der Papstgeschichte war also die symbolischePräsenz der gesamten Kurie, verkörpert durch die Mitbesiegelung derKardinäle, zur Manifestation päpstlicher Suprematie vorgesehen. Währenddes 13. Jahrhunderts ändert sich daran nichts. Unter Innocenz III. beteu-erten im Frühjahr 1203 alle in Rom anwesenden Kardinäle – es müssten19 gewesen sein – gegenüber den deutschen Fürsten ihr Einverständnismit der Entscheidung des Papstes im deutschen Thronstreit und in derFrage des umstrittenen Mainzer Erzstuhles und hängten ihr Siegel an dasSchriftstück27. Dass nicht alle Kardinäle ihr Siegel an gemeinsame Briefehängten, zeigt ein Schreiben des im Lateran versammelten Kardinalskol-legiums an den französischen König Ludwig VIII. vom 22. Apil 1224,in dem sie ihn um die Freilassung des seit der Schlacht von Bouvines(1214) gefangenen Grafen von Flandern, Ferrand von Portugal, baten.Während fünfzehn Kardinäle als Absender genannt sind, zeigt das in denPariser Archives Nationales erhaltene Original nur die drei Siegel desHugolin, KB von Ostia, Leo, KP von S. Croce, und Oktavian, KD vonSS. Sergio e Bacco. In der Corroboratio des Dokumentes begründeten die

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    Herde, Studien zur Papst- und Reichsgeschichte, zur Geschichte des Mittelmeerraumes und zum kanonischenRecht im Mittelalter, Stuttgart 2005 («Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze», 2,2), S. 585-608; F. Canaccini, Matteo d’Acquasparta tra Dante e Bonifacio VIII, Roma 2008 («Medioevo», 16);G. Barone, Matteo d’Acquasparta, in Dizionario biografico degli Italiani, Roma 2009, Bd. 72, S.204-8. – Siehe Abb. 12.

    25. A. Seibold, Sammelindulgenzen. Ablassurkunden des Spätmittelalters und der Frühneuzeit, Köln2001 («Archiv für Diplomatik», Beiheft 8), S. 115ff., S. 197ff. Der Autor erweitert das schonvon H. Delehaye, Les lettres d’indulgences collectives, in «Analecta Bollandiana», 44 (1926), S. 342-79; 45 (1927), S. 97-123, S. 323-44; 46 (1928), S. 149-57, S. 287-343, Zusammengestellte.

    26. Die Urkunden Friedrichs I., bearb. v. H. Appelt, Hannover 1985 («MGH Diplomata»,10,4), Bd. 4, S. 165 Z. 3-6, Nr. 685. – Fast gleichlautend ibid., S. 205 Z. 15-7, Nr. 687. Zumpäpstlich-kaiserlichen Friedensschluss 1176/77 vgl. ausführlich J. Laudage, Alexander III. undFriedrich Barbarossa, Köln 1997 («Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters»,16), S. 202-21.

    27. Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperii, ed. F. Kempf, Roma 1947 («Mis-cellanea Historiae Pontificiae», 12), S. 230f. Nr. 86 (S. 231): «... has litteras cum sigillis omniumqui apud sedem apostolicam presentes existimus sub universitatis nomine destinamus».

  • Kardinäle dieses Faktum. Es sei nicht üblich, dass derartige Dokumentevon allen besiegelt würden, weswegen sie sich mit den Siegeln der prioresder drei Kardinalsordines begnügten28. Während des Konzils von Lyonwurden die anwesenden Kardinäle in den umfangreichen, vor dem kuria-len Gericht ausgefochtenen Prozess zwischen den Häusern Avesnes undDampierre um die Grafschaft Flandern hineingezogen. Sie vidimiertenUrkunden Innocenz’ III., Honorius’ III. und Gregors IX., mit denen diesedie Ehe zwischen Burkhard von Avesnes und Margarethe von Flandernannulliert hatten. Zehn Kardinäle hängten ihre Siegel an das großforma-tige Pergament, das heute im Archiv von Brüssel aufbewahrt wird29.

    Besonders in Zeiten der Sedisvakanz nahmen die im Namen des Kar-dinalskollegiums ausgestellten Urkunden zu, die dann als Beglaubi-gungszeichen die Siegel der Kardinäle trugen. Einige davon sind sogar alsOriginal erhalten und ihre Aufarbeitung ist der herausragenden Disser-tation von Andreas Fischer über die lange Sedisvakanz nach Clemens’ IV.Tod zu verdanken30. Gleich drei gemeinsame Schreiben der Kardinälebeziehen sich auf die vom byzantinischen Kaiser Michael VIII. betrie-bene Union der griechischen mit der lateinischen Kirche, auch zurAbwehr der Orientpläne des Karl von Anjou. Sie liegen als Originale allein den Pariser Archives Nationales und sind jeweils mit 18 Kardinalssie-geln versehen31. Am 9. Mai 1269 adressierten die Kardinäle einen Brief

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    28. Druck von J 533 no. 6 bei Layettes du Trésor des Chartes, ed. A. Teulet, Bd. 2: 1224-1246,Paris 1866, S. 28f. Nr. 1645, darin: «… Quia vero non est de consuetudine, quod omniumnostrorum sigilla eidem imprimamur scripture… sigillis priorum nostrorum … presentem cartamfecimus communiri». – Darauf machte schon P. M. Baumgarten, Miscellanea diplomatica, in «Römi-sche Quartalsschrift», 27 (1913), S. *114, aufmerksam. – Zum politischen Hintergrund vgl. G.Doudelez, Les résultats de la bataille de Bouvines et l’exécution du traité de Melun par la Flandre, in«Revue des questions historiques», 65/1 (1937), S. 7-27; 65/2 (1937), S. 22-62 (bes. 31f.).

    29. Archives générales du royaume, Chambre des comptes de Flandre, cart. 44, p. 906;ed. Ch. Duvivier, Les influences françaises & germaniques en Belgique au XIIIe siècle. La querelle desd’Avesnes et des Dampierre jusqu’à la mort de Jean d’Avesnes (1257), Bruxelles 1894, Bd. 2, S. 120-1Nr. LXXIX. Zu dem Konflikt vgl. noch immer die ältere Darstellung von H. Brosien, Der Streitum Reichsflandern in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, Berlin 1884 («Wissenschaftliche Beilagezum Programm des Sophien-Gymnasiums», 1883/84) und Duvivier, Querelle, Bruxelles 1894, Bd.1, bes. S. 134.

    30. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 279, s. 305, s. 355.31. Drei Briefe vom 15. Mai 1270 an den päpstlichen Legaten im Kreuzzugs-Heer Ludwigs IX.

    von Frankreich, Radulf Grosparmi, KB von Albano, in denen der Auftrag zu Verhandlungen mitKonstantinopel nach einer langen Darstellung der Vorgeschichte fixiert wird. – Ebenfalls an denLegaten adressiert, enthält als Insert die Aufforderung Clemens’ IV. an den byzantinischen Kaiser,zur katholischen Kirche zurückzukehren. – An Ludwig IX. von Frankreich adressiert, in dem erals arbiter der griechisch-lateinischen Verhandlungen gelobt und um Unterstützung gebetenwird. – Archives Nationales, Signatur: J 420 Nr. 1-6. Ed. z. T. A. L. Tautu, Acta Urbani, Cle-mentis IV, Gregorii X (1261-1276), Città del Vaticano 1953 («Pontificia Commissio ad redigen-

  • an ihren Abgesandten, den Archidiakon von Tripolis, und erbaten Infor-mationen zum Konflikt mit einem Annibaldi um das bei Velletri gele-gene Kastell Lariano32. Am 28. Juli 1270 verlangten sie von den Bewoh-nern von Perugia bei Strafe der Exkommunikation die Restituierung vonGeld, das dem Kämmerer des Kardinals Ubaldini im Gebiet von Peru-gia geraubt worden war (17 Siegel, davon 12 erhalten; im Archivio diStato von Perugia)33. Die dritte Urkunde vom 9. Februar 1269 handeltvon der Zustimmung des Kardinalskollegiums zur Wahl des Eudes deRougemont zum Erzbischof von Besançon34. Als Beispiel möge dieAbbildung der Urkunde aus Perugia dienen (Abb. 13)35. An die Seitedieser eindrucksvollen, mit zahlreichen Kardinalssiegeln versehenenStücke kann man auch den Brief vom 11. Juli 1294 stellen, mit dem dieelf Kardinäle ihren Gehorsam dem neu gewählten Papst Coelestin V.,dem Einsiedler Petrus vom Monte Morrone, bekundeten und ihn anfleh-ten, die Wahl anzunehmen. Vom selben Tag stammt ein von denselbenKardinälen eigenhändig unterfertigtes Dekret, mit dem sie die mühevollerrungene Einigung sanktionierten. Beide Urkunden, heute noch im

    kardinalssiegel und andere abbildungen 237

    dum codicem iuris canonici orientalis. Fontes», III/5,1), S. 78-84; Potthast 20506; Layettes duTrésor des Chartes, ed. É. Berger, Paris 1902, Bd. 4, S. 439-44 Nr. 5691, 5692, 5695. Die dreiDokumente liegen übrigens jeweils in gesiegelten Doppelausfertigungen vor. – Zum politischenHintergrund vgl. R. Sternfeld, Ludwigs des Heiligen Kreuzzug nach Tunis 1270 und die PolitikKarls I. von Sizilien, Berlin 1896 («Historische Studien», 4), bes. S. 213f.; B. Roberg, Die Unionzwischen der griechischen und der lateinischen Kirche auf dem II. Konzil von Lyon (1274), Bonn 1964(«Bonner Historische Forschungen», 24), bes. S. 65-75; J. Longnon, Les vues de Charles d’Anjoupour la deuxième croisade de Saint Louis. Tunis ou Constantinople?, in Septième centenaire de la mort deSaint Louis. Actes des colloques de Royaumont et de Paris (21-27 mai 1970), Paris 1976, S. 183-95 (bes. S. 192f.). Vgl. auch den Katalog der Ausstellung: La France de Saint Louis. Septième cente-naire de la mort de Saint Louis. Exposition nationale (Paris, octobre 1970-janvier 1971), Paris1970/71, S. 89 Nr. 157. Die Siegel sind beschrieben bei Louis Douët d’Arcq, Inventaires et docu-ments. Collection de sceaux II, Paris 1867, S. 431-4 Nr. 6139-6156.

    32. Velletri, Biblioteca Civica, ursprünglich 19 Siegel, jetzt 13, z. T. fragmentarisch erhalten.Ed. G. Falco, Il Comune di Velletri nel Medio Evo, in «Archivio della Società Romana di StoriaPatria», 36 (1913), S. 356-476; 37 (1914), S. 485-636; 38 (1915), S. 516-50; 39 (1916), S. 467-511, wiederabgedr. von Id., Studi sulla storia del Lazio nel Medioevo, Roma 1988 («Miscellaneadella Società Romana di Storia Patria», 24,1), Bd. 1, S. 1-393 (S. 67f. Nr. II).

    33. Perugia, Archivio di Stato, Archivio storico del Comune di Perugia, Fondo diplomatico,pergamene 45, ursprünglich 17 Siegel, von denen 12 noch erhalten sind, zwei davon liegen losebei. – Regest bei F. Bonaini u. a., Regesto e documenti di storia perugina, ad illustrazione delle prece-denti cronache dall’anno 1223 all’anno 1540, in «Archivio storico italiano», 16 (1851), S. 477-630(S. 488).

    34. Besançon, Archives départementales du Doubs, G supplément 28. Vgl. H. Hours, FastiEcclesiae Gallicanae, Bd. 4: Diocèse de Besançon, Turnhout 1999, S. 55f.; ursprünglich 18 Siegel, diebis auf geringfügige Reste alle verloren sind.

    35. Gemeinsame Urkunde der Kardinäle, 1270 Juli 28, Perugia, Archivio di Stato, Archiviostorico del Comune di Perugia, Fondo diplomatico, pergamene 45.

  • Vatikanischen Archiv aufbewahrt, tragen die Siegel aller elf Kardinäle36.Aber mehrere Kardinäle stellten gemeinsam auch viel weniger bedeu-tungsschwere Urkunden aus. Als Beispiel sei das Vidimus einer UrkundeGregors IX. für Clairvaux aus dem Jahr 1238 herangezogen, an dem dreiKardinäle beteiligt waren: Jakob von Pecorara, KB von Preneste (1231-1244), Thomas de Ebulo, KP von S. Sabina (1216-1239), Rainer vonViterbo, KD von S. M. in Cosmedin (1216-1244) – Abb. 1437.

    Die Zahl der erhaltenen Siegel nimmt übrigens während des 13. Jahr-hunderts zu. Von den zwischen 1198 und 1303 kreierten 131 Kar-dinälen kennt man etwa 80 Siegel, wobei die unter Innocenz IV. ernann-ten Kardinäle die meisten bekannten Siegel liefern. Unter Innocenz III.ist das Verhältnis noch 30:14, unter Innocenz IV. hingegen 15:11.

    Wenn Kardinäle promoviert wurden, d.h. vom Kardinaldiakon zumKardinalpriester und dann zum Kardinalbischof aufstiegen, ließen sie sichzumeist sehr schnell ein neues Siegel anfertigen. Als Beispiel wähle ichBenedetto Caetani, den späteren Papst Bonifaz VIII., 1281 zum KD vonS. Nicola in Carcere Tulliano kreiert, promovierte ihn Nikolaus IV. 1291zum KP von S. Martino, als welcher er bald ein neues Siegel hatte (Abb.15 und Abb. 16)38. Einige Bemerkungen über die Form der Siegel undihre Ikonographie sind angebracht, wobei die Erkenntnisse von JulianGardner, die er in einem fundamentalen, kunsthistorisch ausgerichtetenAufsatz aus dem Jahr 1975 formulierte, kaum zu modifizieren sind39.

    238 werner maleczek

    36. A. Mercati, Il decreto e la lettera dei Cardinali per l’elezione di Celestino V, in «Bollettinodell’Istituto storico italiano per il medioevo», 48 (1932), S. 1-17 (mit Abb. des Decretum);Archivio Segreto Vaticano, a cura di T. Natalini – S. Pagano u. a., Firenze 1991, S. 109 (Abb. desgesiegelten Briefes). Vgl. V. Pace, I sigilli gotici sui documenti per l’elezione di Celestino V, in Roma1300-1875. La città degli anni snti, a cura di M. Fagiolo – M. L. Madonna, Milano 1985, S. 78;P. Herde, Cölestin V. (1294) (Peter vom Morrone). Der Engelpapst, Stuttgart 1981 («Päpste und Pap-sttum», 16), S. 71f. – Aus derselben Vakanz stammt ein weiterer Brief der Kardinäle an dieKommune von Orvieto vom 12. April 1294, Perugia, in welchem sie Angriffe gegen den Besitzder römischen Kirche im Val di Lago und auf Acquapendente verboten. Das Original liegt imVatikanischen Archiv, Instr. Misc. 261, die Siegel sind jedoch abgerissen und verloren, ed. A.Theiner, Codex diplomaticus dominii temporalis S. Sedis, Rom 1861, Bd. 1, S. 321f Nr. 492, und P.Herde, Das Kardinalskollegium und der Feldzug von Orvieto im Val del Lago (1294), in Römische Kurie.Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, Rom 1979 («Mis-cellanea Historia Pontificiae», 45), Bd. 1, S. 372f. Nr. 14, wiederabgedr. in P. Herde, Studien zurPapst- und Reichsgeschichte, zur Geschichte des Mittelmeerraumes und zum kanonischen Recht im Mittelal-ter, Stuttgart 2005 («Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze», 2,2), S. 707f. Nr. 14.

    37. Troyes, Archives départementales de l’Aube, 3 H 52. – Zu diesen Kardinälen vgl. Malec-zek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 184-9, S. 201-3; Paravicini Bagliani, Cardinali diCuria (wie Anm. 16), S. 114-28.

    38. Aus L. Douët d’Arcq, Inventaires et documents … Collection de sceaux, Paris 1863-1868, Bd.3, Nr. 6158, und Sella, Sigilli (wie Anm. 10), Nr. 100.

    39. J. Gardner, Some Cardinal Seals of the Thirteenth Century, in «Journal of the Warburg and

  • Seitdem neu aufgetauchte Siegel verschieben den Befund nur geringfü-gig. Generell wurde die spitz-ovale Form beibehalten, die sich seit etwader Mitte des 12. Jahrhunderts verbreitet und seit dem letzten Dritteldes 12. Jahrhunderts völlig durchgesetzt hatte. Ein Siegel ohneUmschrift, die regelmäßig den Namen des Inhabers und seinen Titelenthält, kommt nicht vor. Nur ein einziger Kardinal nennt auch seinenFamiliennamen: Es ist der schon öfters zitierte Petrus Capocci, KD von S.Giorgio in Velabro (1244-1259)40, und gegen Ende des Jahrhundertsweist einer der Colonna-Kardinäle, Jacopo Colonna, KD von S. M. inVialata (1278-1318), auf seine Familie hin, indem er auf den Architravder gotischen Architektur des Siegelbildes den Ps. 74 zitiert (Abb. 17):«Ego confirmavi columnas ei»41. Sein Bruder Pietro Colonna, KD von S.Eustachio (1288-1326), stand nicht zurück, indem er auf einer nichtmehr ganz leserlichen Inschrift auf dem Siegel ebenfalls das Wort«Columnaque» anbringen ließ (Abb. 18)42. Familienwappen, die ab dem14. Jahrhundert eine große Konjunktur erleben werden, gibt es im 13.Jahrhundert auf Kardinalssiegeln noch keine43.

    Die Siegelikonographie konvergiert nicht zu einem einheitlichenTypus, sondern trifft tendenziell eine Unterscheidung zwischen Kardi-nalbischöfen einerseits und Kardinalpriestern und Kardinaldiakonen

    kardinalssiegel und andere abbildungen 239

    Courtaulds Institute», 38 (1975), S. 72-96. – Geringfügige Ergänzung in Ders., Innocent III andHis Influence on Roman Art of the Thirteenth Century, in Innocenzo III. Urbs et Orbis (wie Anm. 19),Bd. 2, S. 1245-60 (S. 1252-7, mit Abb. 6-12); weiters id., Curial Narratives. The Seals of CardinalDeacons 1280-1305, in Good Impressions. Image and Authority in Medieval Seals, ed. by N. Adams –J. Cherry – J. Robinson, London 2008 («British Museum Research Publication», 168), S. 85-90.

    40. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 5737. – Siehe Abb. 11. 41. Sella, Sigilli (wie Anm. 10), S. 27 Nr. 104.42. Ibid., Nr. 104; Gardner, Seals of Cardinal Deacons (wie Anm. 39), S. 87. Über die beiden

    Colonna-Kardinäle vgl. noch immer L. Mohler, Die Kardinäle Jakob und Peter Colonna. Ein Beitragzur Geschichte des Zeitalters Bonifaz’ VIII., Paderborn 1914 («Quellen und Forschungen aus demGebiete der Geschichte», 17); D. Waley, Colonna, Giacomo, in Dizionario biografico degli Italiani,Roma 1982, Bd. 27, S. 311-4, und D. Waley, Colonna, Pietro, ibid., S. 399-402; G. Barone, Nic-colò IV e i Colonna, in Niccolò IV, un pontificato tra Oriente ed Occidente. Atti del Convegno interna-zionale di studi in occasione del VII centenario del pontificato di Niccolò IV (Ascoli Piceno, 14-17 dicembre 1989), a cura di E. Menestò, Spoleto 1991, S. 73-89; J. Coste, Un memoriale del car-dinale Pietro Colonna nel 1305, in «Archivio della Società Romana di Storia Patria», 112 (1989),S. 183-94; A. Rehberg, Kirche und Macht im römischen Trecento. Die Colonna und ihre Klientel auf demkurialen Pfründenmarkt (1278-1378), Tübingen 1999 («Bibliothek des Deutschen HistorischenInstituts in Rom», 88), bes. S. 42-69; M. Conetti, Les pouvoirs du collège des cardinaux dans les pam-phlets de Jacopo et Pietro Colonna contre Boniface VIII, in «Revue de droit canonique», 53 (2003), S.337-60; P.-Y. Le Pogam, La lutte entre Boniface VIII et les Colonna par les armes symboliques, in«Rivista di storia della Chiesa in Italia», 61 (2007), S. 47-66.

    43. Vgl. J. de Font-Réaulx, Les Cardinaux d’Avignon, leurs armoiries et leurs sceaux, in «Annuairede la Société des Amis du Palais des Papes et des Monuments d’Avignon», 48 (1971), S. 15-27;49 (1972), S.17-52; 50 (1973), S. 21-46; 51/52 (1974/75), S. 31-43.

  • andererseits. Die ersteren lehnen sich an die Ikonographie der Bischöfean, indem sie die Figur des stehenden oder auf einem Thron sitzendenBischofs, mit Mitra und Bischofsstab, wiedergeben. Als Beispiele wähleich den bekannten Hugolin, KB von Ostia (1206-1227) und späterenPapst Gregor IX., der sich auf einem Thron sitzend darstellen ließ, dieRechte zum Segensgestus erhoben, die bischöflichen Attribute wie Mitraund Stab mit abgebildet (Abb. 19)44. Der nächste ist Jacob von Pecorara,KB von Preneste (1231-1244), aufrecht stehend45, und aus dem letztenViertel des 13. Jahrhunderts Gerardo Bianchi, KB der Sabina (1281-1302), bei dem die Kunstfertigkeit des Metallschneiders, besonders beider Ausführung der Umschrift, gut zu greifen ist46. Vereinzelt kann mansogar dieses Siegel eines Kardinalbischofs mit einem früheren oder späte-ren vergleichen, wenn sein Inhaber residierender Bischof gewesen waroder es später wurde. Guido de Paré, KB von Preneste seit 1200, wurde1204 Erzbischof von Reims. Die Siegelbilder sind ganz ähnlich (Abb. 20und Abb. 21)47. Nicht selten wählen auch Kardinäle aus den niedrigerenOrdines in der ersten Jahrhunderthälfte diesen Typus des aufrecht ste-henden oder sitzenden Prälaten mit seinen Attributen, wobei sie aber aufden Bischofsstab verzichten und allein die Mitra als Zeichen der Würdeanführen. Das erste Beispiel bezieht sich auf Guala Bicchieri aus Vercelli,KP von S. Martino (1211-1227), von dem einige Siegel aus der Zeit

    240 werner maleczek

    44. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6129. Zu dieser prominenten Figur desKardinalskollegiums vgl. Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 126-33; mitErgänzungen von id., Zwischen lokaler Verankerung (wie Anm. 19), S. 141-6.

    45. Siehe oben Anm. 34.46. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6159. – Zu diesem Kardinal vgl. P. Silanos,

    Gerardo Bianchi da Parma († 1302). La biografia di un cardinale-legato duecentesco, Roma 2010(«Italia sacra», 84); P. Herde, Ein Formelbuch Gerhards von Parma mit Urkunden des «Auditor Litter-arum Contradictarum» aus dem Jahr 1277, in «Archiv für Diplomatik», 13 (1967), S. 225-312,wiederabgedr. in id., Diplomatik, Kanonistik, Paläographie, Stuttgart 2008 («Gesammelte Abhand-lungen und Aufsätze», 3), S. 297-387; id., Die Legation des Kardinalbischofs Gerhard von Sabinawährend des Krieges der Sizilischen Vesper und die Synode von Melfi (28. März 1284), in «Rivista distoria della Chiesa in Italia», 21 (1967), S. 1-53, wiederabgedr. in id., Studien zur Papst- undReichsgeschichte, zur Geschichte des Mittelmeerraumes und zum kanonischen Recht im Mittelalter, Stuttgart2005 («Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze», 2,2), S. 469-525; G. Kiesewetter, Die Regent-schaft des Kardinallegaten Gerhard von Parma und Roberts II. von Artois im Königreich Neapel 1285 bis1289, in Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter Herde zum 65. Geburtstag, hg. v.K. Borchardt – E. Bünz, Stuttgart 1998, Bd. 1, S. 477-522.

    47. Erzbischöfliches Siegel: G. Demay, Inventaire des sceaux de l’Artois et de la Picardie, Paris1877, Nr. 1108; Kardinalssiegel von seiner Legation ins Reich 1203: Urkundenbuch des HochstiftsHalberstadt und seiner Bischöfe, Bd. 1: Bis 1236, ed. G. Schmidt, Berlin 1883 («Publikationen ausden königlich-preußischen Staatsarchiven», 17), S. 378f. Nr. 424 (ND Osnabrück 1965); Origi-nal in Dresden, Hauptstaatsarchiv, Ältere Urkunden Nr. 134. Vgl. P. Demouy, Genèse d’unecathédrale. Les archevêques de Reims et leur Église aux XIe et XIIe siècles, Langres 2006, S. 635-7.

  • seiner Legation nach England erhalten blieben (Abb. 22) und der uns alsMäzen noch später begegnen wird48. Romanus, KD von S. Angelo(1216-1231, dann KB von Porto bis 1243), ließ sich mit einem Buchdarstellen (Abb. 23), wechselte aber wenig später zu einem Siegeltyp, beidem der Patron der Diakonie, eben der Erzengel, die Hauptfigur – ohneden Inhaber der Kirche – abgab (Abb. 24)49. Der Dominikaner Hugovon St-Cher, KP von S. Sabina (1244-1263), ist der zeitlich letzte Ver-treter dieses Typus’ mit Mitra, in seinem Fall auch mit Buch, welchesdurch seine hohe Gelehrsamkeit und schriftstellerische Tätigkeitgerechtfertigt ist (Abb. 25)50.

    Etwa ab dem letzten Viertel des Jahrhunderts gleichen sich die Kardi-nalbischöfe ihren Kollegen aus den niedrigeren Ordines an und überneh-men deren kunstvolle Siegelbilder. Die Struktur der Kardinalssiegel istdann bei allen Ordines ähnlich. Ein zweistöckiges, kunstvolles gotischesMaßwerk, das die Fläche in mehrere Nischen unterteilt, zeigt den Kar-dinal zusammen mit einem oder mehreren Heiligen, manchmal auch mitChristus und der Muttergottes. Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts istdiese Form im Kommen. Ein frühes Beispiel ist jenes des OttavianoUbaldini, KD von S. Maria in Vialata (1244-1272). In der oberen Hälftethront die Muttergottes mit dem Jesusknaben unter einem gotischenBaldachin, in der unteren Hälfte kniet der Kardinal, deutlich mit einerMitra geschmückt (Abb. 26)51. Diese Gliederung des Siegelbildes wirdab dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zum Standardtypus mitzahlreichen Varianten, wobei aber der verehrende Kardinal selten fehlt.Seine Darstellung sollte eben eine suggestive Wirkung auf den Empfän-

    kardinalssiegel und andere abbildungen 241

    48. Vincent, Letters and Charters (wie Anm. 6), S. 97 Nr. 135 mit Abb. S. XC; Original inDurham, University Library, Archives and Special Collections, D. & C. Durham ms. 1.3. Spec. 9.

    49. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 37), Nr. 6130, 6132. – Zu diesem Kardinal, derdurch seine Legationen nach Frankreich während der Regentschaft der Königin Blanche auchpolitische Bedeutung erlangte, vgl. Maleczek, Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 189-95; mit Ergänzungen von id., Zwischen lokaler Verankerung (wie Anm. 19), S. 161f.; R. Kay, TheCouncil of Bourges, 1225. A documentary history, Aldershot 2002.

    50. Von den zahlreichen erhaltenen Siegeln aus den Jahren seiner Legationsreise ins Reichwähle ich jenes aus dem Wiener Deutschordens-Zentralarchiv, Urk. 1251 VII 30, ed. Urkunden-buch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien, Bd. 3: 1212 bis 1260, ed. L. Eltester – A. Goerz,Koblenz 1874, S. 825 Nr. 1115; vgl. Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien. Regesten,nach dem Ms. von Marian Tumler hg. v. U. Arnold, Marburg 2006 («Quellen und Studien zurGeschichte des Deutschen Ordens», 60,1), Bd. 1, S. 125 Nr. 373. Zu diesem prominenten Kar-dinal und Theologen aus dem Predigerorden vgl. zuletzt Hugues de Saint-Cher († 1263), Biblisteet théologien, éd. par L.-J. Bataillon – G. Dahan – P. M. Gy, Turnhout 2005 («Bibliothèqued’histoire culturelle du moyen âge», 1).

    51. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6151. – Zu diesem Kardinal vgl. Fischer,Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 73-90.

  • ger der Urkunde entfalten. Dazu zwei Beispiele von Kardinalbischöfen:Giovanni Boccamazza, KB von Tusculum (1285-1309), hat im oberenStockwerk die Muttergottes mit dem Jesuskind; darunter sind zweiNischen oder Fensteröffnungen zu sehen, in denen der Kardinalbischofauf der einen Seite steht, wohingegen ein Heiliger, vielleicht der Hl.Petrus, die andere Seite einnimmt. Die Randleiste mit der Umschriftwird durch Evangelistensymbole durchbrochen (Abb. 27)52. LatinoMalabranca, KB von Ostia (1278-1294), kniet gar vor einem heiligenPapst, der an der Tiara erkenntlich ist, darüber steht eine Heilige mitMärtyrerpalme und neben ihr noch ein heiliger Papst (Abb. 28)53. Beiden Siegeln der Kardinalpriester und der Kardinaldiakone beobachtetman einen ganz ähnlichen Aufbau der Vorderseite. Drei Beispiele mögendies illustrieren. Ein frühes, künstlerisch hervorragendes Exemplar istjenes des Giordano Pironti, KD von SS. Cosma e Damiano (1262-1269),der die beiden Titelheiligen seiner Kirche und die Muttergottes auf demThron verehrt (Abb. 29)54. Jean Lemoine, KP von SS. Marcellino e Pietro(1294-1313), der große Kanonist und Legat nach Frankreich im Kon-flikt zwischen Bonifaz VIII. und Philipp IV., verehrt ebenfalls die beidenTitelheiligen seiner Kirche (Abb. 30)55.

    Dieses Siegelbild ist wohl die Weiterentwicklung eines Typus, derschon im 12. Jahrhundert gewählt wurde. Der oder die Heilige der

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    52. Von den nicht wenigen Siegeln auf Urkunden, die er während seiner Legation ins Reich1286/87 ausstellte, ist eines der am besten erhaltenen in Wolfenbüttel, Niedersächsisches Lan-desarchiv, 25 Urk. 361, ed. Urkundenbuch des Klosters Walkenried, Bd. 1: Von den Anfängen bis 1300,ed. J. Dolle, Hannover 2002 («Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesge-schichte», 38), S. 518f. Nr. 608. – Zu diesem mit Honorius IV. verwandten Kardinal aus einerrömischen Adelsfamilie vgl. W. Maleczek, Die Urkunden des päpstlichen Legaten Johannes Boccamaz-za, Kardinalbischofs von Tusculum, aus den Jahren 1286 und 1287 (Legation ins Reich in der SpätzeitKönig Rudolfs von Habsburg), in «Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsfor-schung» (im Druck).

    53. Die Strichzeichnung bei L. Blancard, L’iconographie des sceaux et bulles conservés dans la partieantérieure à 1790 des Archives départementales des Bouches-du-Rhône, Paris 1860, S. 287 Nr. 12, istdeutlicher als das Photo aus München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, DominikanerklosterRegensburg, Urk. 115. – Zu diesem Kardinal vgl. M. Vendittelli, Malabranca, Latino, in Dizio-nario biografico degli Italiani, Roma 2006, Bd. 67, S. 699-703.

    54. Carcassonne, Archives départementales de l’Aude, H 318/1, vom Mai 1261. – Zu diesemKardinal vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 185-91.

    55. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6121. – Zu diesem Kardinal vgl. wegen derschweren Erreichbarkeit der PhD von R. M. Johannessen, Cardinal Jean Lemoine. Curial politicsand papal power, Los Angeles 1990, auch L. Hödl, Die beiden Kommentare des Johannes Monachus zurBulle «Unam sanctam» Papst Bonifaz’ VIII (vom 18. Nov. 1302), in «Recherches de théologie etphilosophie médiévales», 71 (2004), S. 172-200; id., Der Kommentar des Kardinals JohannesMonachus zur Dekretale Super cathedram des Papstes Bonifatius VIII. (18. Februar 1300), in «RevueMabillon», N.S. 16 (2005), S. 133-78.

  • Titelkirche sind zusammen mit dem Kardinal in Gebetshaltung zusehen, wobei der letztere ein kleines Figürchen darstellt, das freilich dieTendenz hat, im Laufe des Jahrhunderts immer größer zu werden. DerKardinal tritt dabei in einen unmittelbaren Kontakt mit dem Heiligen.Dazu wieder einige zeitlich gestaffelte Beispiele: Petrus Capuanus, derunter Coelestin III. als Legat nach Bayern, Böhmen und Polen reiste undunter Innocenz III. beim Vierten Kreuzzug eine wenig rühmliche Rollespielte (KD von S. Maria in Vialata [1193], KP von S. Marcello [1200-1214]), kniet vor der Muttergottes auf dem Thron (Abb. 31)56. Robertde Corson, der berühmte Pariser Lehrer und Legat in Frankreich, demdie Universität Paris eine ihrer ältesten Urkunden verdankt, KP von S.Stefano in Celiomonte (1212-1219), ist quasi bei der Steinigung des Erz-märtyrers anwesend (Abb. 32)57. Simon de Brion, KP von S. Cecilia(1261-1281), der in der Umgebung des französischen Königs Karrieregemacht hatte und sich wiederholt für Jahre in seiner Heimat aufhielt,bevor er 1281 zum Papst (Martin IV.) gewählt wurde, macht der Heili-gen seiner Titelkirche die Reverenz58. Er überließ offensichtlich seinemNachfolger Jean Cholet, KP von S. Cecilia (1281-1292), der einen Groß-teil seines Kardinalats in Frankreich verbrachte, das Muster des Sie-gels59. Diese Kontinuität in der Darstellung ist auch schon früher aufzu-zeigen, wie beispielsweise bei dem englischen Zisterzienser Johannes vonToledo, KP von S. Lorenzo in Lucina (1244-1261), und bei dessen Nach-folger in der Titelkirche, dem französischen Zisterzienser Guido, KP vonS. Lorenzo in Lucina (1262-1272), der uns als Legat ins Reich schon

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    56. An zwei Urkunden in Klosterneuburg, Stiftsarchiv, (vor 1197 März), ed. W. Maleczek,Petrus Capuanus, Kardinal, Legat am Vierten Kreuzzug, Theologe (+ 1214), Wien 1988 («Publikatio-nen des Österreichischen Historischen Instituts in Rom», 1,8), S. 284f. Nr. 3 und 4 (ital. leichterweiterte Übersetzung: Amalfi 1997, S. 289f. Nr. 3 und 4).

    57. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6125. – Zu diesem Kardinal vgl. Maleczek,Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 175-9; mit Ergänzungen von id., Zwischen lokaler Ver-ankerung (wie Anm. 19), S. 157f. – Ausführlich auch J. W. Baldwin, Masters, Princes and Mer-chants. The Social Views of Peter the Chanter and His Circle, Princeton 1970, Bd. 1, S. 19-25; Bd. 2,S. 9-15.

    58. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 37), Nr. 6154. – Zu diesem Kardinal vgl. Fischer,Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 142-56.

    59. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6157. – Zu diesem Kardinal vgl. É. Hitier,Cholet, Jean, in Dictionnaire de biographie française, Paris 1959, Bd. 8, S. 1234f.; A. Paravicini Ba-gliani, I testamenti dei cardinali del Duecento, Roma 1980 («Miscellanea della Società Romana diStoria Patria», 25), S. 50-5, S. 260-7; E. Lalou, Cholet, Jean, in Lexikon des Mittelalters, München1983, Bd. 2, Sp. 1873f.; A. Stones, Les manuscrits du cardinal Jean Cholet et l’enluminure beauvai-sienne vers la fin du XIIIe siècle, in L’Art gothique dans l’Oise et ses environs. Actes du Colloque orga-nisé à Beauvais par le GEMOB (10-11 octobre 1998), éd. par Ph. Bonnet-Laborderie, Beauvais2001, S. 239-68.

  • begegnet ist (Abb. 34 und Abb. 35)60. In der ersten Hälfte des 13. Jahr-hunderts trifft man bei den Kardinalpriestern und Kardinaldiakonennoch auf einen anderen Typus: Der oder die Titelheilige ist alleine abge-bildet und der Siegelinhaber ist nur durch die Umschrift repräsentiert.Als Beispiel wähle ich Kardinaldiakone von S. Giorgio in Velabro, dieden Siegelschneidern Gelegenheit boten, ihre Kunstfertigkeit unterBeweis zu stellen. Der erste ist der schon herangezogene Petrus Capocci(1244-1259)61, der zweite Gottfried von Alatri (1261/87)62. Der Hin-weis auf die Titelkirche kann manchmal auch in Form eines Symbolserfolgen, wie bei Leo Brancaleone, KP von S. Croce in Gerusalemme(1202-1224), bei dem das Siegel nur ein Kreuz mit einem Doppelbalkenzeigt (Abb. 33)63. Manchmal ist der Bezug zur Titelkirche erst beimzweiten Hinsehen ersichtlich, wie bei Annibaldo Annibaldi, KP von SS.XII Apostoli (1262-1272), der die Pfingstszene mit der Ausgießung desHl. Geistes über die Apostel darstellen ließ (Abb. 36)64.

    Auf sphragistische Feinheiten wie ein Gegensiegel soll hier nur kurzhingewiesen werden. Unter der stattlichen Anzahl von Beispielen wähleich eines vom Ende des Betrachtungszeitraumes, welches Nikolaus Boc-casino, KB von Ostia (1300-1303), den späteren Papst Benedikt XI.,betrifft (Abb. 37 und Abb. 38)65. Als Abschluss dieses Abschnittes kannwohl zusammenfassend unterstrichen werden, dass die Siegelkundeschlaglichtartig einen unmittelbaren Zugang zur Vorstellungswelt der

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    60. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6135. – Zu diesem Kardinal vgl. Fischer,Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 56-72. – Von den gut erhaltenen Siegeln des Guidowähle ich jenes von der Urkunde für die böhmische Zisterzienserabtei Hohenfurt / Vyšši Brod,1267 Mai 12, (im Archiv von Hohenfurt), Codex diplomaticus regni Bohemiae V/2, S. 49f. Nr. 504.

    61. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 5737. – Siehe Abb. 11. – Zu diesem Kar-dinal vgl. Paravicini Bagliani, Cardinali di Curia (wie Anm. 16), S. 300-13; Id., Capocci, Pietro, inDizionario biografico degli Italiani, Roma 1975, Bd. 18, S. 604-8.

    62. British Library, BL 22109, Abb. auch bei Gardner, Seals of Cardinal Deacons (wie Anm.39), S. 88 Abb. 7. – Zu diesem Kardinal vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S.126-31.

    63. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6127. Zu diesem Kardinal vgl. Maleczek,Papst und Kardinalskolleg (wie Anm. 14), S. 137, S. 139; mit Ergänzungen von id., Zwischen loka-ler Verankerung (wie Anm. 19), S. 148.

    64. Douët d’Arcq, Inventaires (wie Anm. 38), Nr. 6140. Zu diesem Kardinal vgl. Fischer, Kar-dinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 179-85.

    65. Auf seiner Legationsreise nach Ungarn verlieh er am 29.5.1302, Pressburg, der Marienka-pelle in Wien einen Ablaß, Wien, Stadt- und Landesarchiv, Urkundenreihe, vgl. Quellen zurGeschichte der Stadt Wien, Bd. 2,1: Regesten aus dem Archive der Stadt Wien, ed. K. Uhlirz, Wien1904, S. 10 Nr. 37. – Vgl. I. Walter, Benedetto XI, beato, in Enciclopedia dei papi, Roma 2000, Bd.2, S. 493-500; C. Longo, Benedetto XI (1240-1304). Il frate e il papa, in «Rivista di ascetica emistica», 31 (2006), S. 29-91; Benedetto XI frate predicatore e papa, a cura di M. Benedetti, Milano2007 («Studi di storia del cristianesimo e delle chiese cristiane», 11).

  • kurialen Elite ermöglicht. Die Siegelkunde ist gerade in den letztenJahren mehr und mehr aus dem Bereich der antiquarischen und manch-mal belächelten Hilfswissenschaft herausgetreten und hat einige kultur-wissenschaftlich orientierte Abhandlungen hervorgebracht, die vonAutoren stammen, bei denen man ein sphragistisches Interesse a priorinicht erwartet hätte66.

    2. KARDINÄLE ALS STIFTER

    Die drei weiteren Abschnitte beabsichtigen keineswegs, ein vollstän-diges Repertorium der Bildzeugnisse für Kardinäle während des gesam-ten 13. Jahrhunderts vorzulegen. Einige Exempel mögen genügen, daaus ihnen die Absicht der Auftraggeber deutlich wird. Wiederum zielensie auf Memoria und auf die Vergegenwärtigung der Römischen Kirchein ihren vornehmsten Mitgliedern. Guala Bicchieri, KD von S. Maria inPorticu (1204), KP von S. Martino (1211-1227), war in seiner Vercelle-ser Heimatstadt fest verwurzelt und stiftete dort ein Regularkanoniker-stift S. Andrea, dessen Anlage auch heute noch einen dominierendenPlatz in der Stadt einnimmt. Am Seitenportal sieht man den Kardinalohne deutlich erkennbares Attribut, wie er das Kirchenmodell demTitelheiligen Andreas darbringt. Die lange Inschrift rühmt die Fröm-migkeit und Tugendhaftigkeit des Kardinals, dessen Schatz übrigensnoch fragmentarisch erhalten, jedoch über mehrere Sammlungen inEuropa und Amerika verstreut ist (Abb. 39)67. – Die Erinnerung und das

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    66. H. Keller, Ottonische Herrschersiegel. Beobachtungen und Fragen zu Gestalt und Aussage und zurFunktion im historischen Kontext, in Bild und Geschichte. Studien zur politischen Ikonographie. Festschriftfür Hansmartin Schwarzmaier, hg. v. K. Krimm – H. John, Sigmaringen 1997, S. 3-51. – DasSiegel. Gebrauch und Bedeutung, hg. v. G. Signori, Darmstadt 2007.

    67. Zur Stiftung vgl. M. Capellino, Tommaso di S. Vittore abate vercellese, Vercelli 1978(«Biblioteca della Società storica vercellese»); M. Schilling, La chiesa abbaziale di Sant’Andrea aVercelli. Tradizione lombarda e gotico francese, in Medioevo. Arte lombarda, a cura di A. C. Quintavalle,Milano 2004 («I convegni di Parma», 4), S. 189-98 (= Zusammenfassung ihrer bei Julian Gard-ner in Warwick 2001 approbierten Dissertation: The Thirteenth century abbey of Sant’Andrea in Ver-celli. The gothic architecture and its historical context. Sie behandelt allein die Architektur und gehtauf den Figurenschmuck nicht ein); G. Baucero, In viaggio con il Cardinale. Guala Bicchieri in In-ghilterra (1216-1218). Dalla corte inglese alla fondazione della basilica di S. Andrea in Vercelli, Vercelli2009. Die Inschrift publiziert: R. Pastè, L’abbazia di S. Andrea de Vercelli. Studio storico, Vercelli1907, S. 40 f. Zum Schatz des Kardinals, unter dem ein Reisekoffer hervorragt, der 2004 vomTuriner Museo civico d’arte antica erworben und in einer Sonderausstellung gewürdigt wurde,vgl. Scrinium cardinalis. Un tesoro medievale per il Museo civico d’arte antica di Torino, a cura di S.Castronovo, Torino 2004. Der Herausgeber veröffentlichte mehrere einschlägige Arbeiten: Il tesoro

  • Lob des hohen Besuches ist zweifellos die Absicht, die sich mit dem klei-nen Wandfresko im Benediktinerpriorat Sacro Speco oberhalb von Sub-iaco verbindet. Es zeigt Hugolin, KB von Ostia (1206-1227), den späte-ren Papst Gregor IX., wie er einen Altar in der Gregorkapelle weiht. Ausder Inschrift unterhalb des Bildes gehen der Dargestellte und das Datumdes Gemäldes, das zweite Pontifikatsjahr Gregors IX. (19.3.1228-18.3.1229), zweifelsfrei hervor (Abb. 40)68. – In Saint-Urbain in Troyesstiftete Anchier Pantaléon, KP von S. Prassede (1262-1282), Neffe desaus dieser Stadt stammenden Papstes Urban IV., eine Piscina, eingeschmücktes, mit einem Abfluss nach außen versehenes Wasserbeckenfür die Händewaschung während der Messliturgie und für die Reinigungdes Messkelches. Es ist rechts neben dem Hochaltar in die Wand einge-lassen und besteht aus zwei Arkaden mit feinem Maßwerk und Figuren-schmuck. Oberhalb der linken Arkade steht Papst Urban IV., oberhalbder rechten Arkade sitzt Kardinal Anchier, jeweils mit einem Kirchen-modell in den Händen69. Obwohl die beiden Köpfe wegen der Verwü-stungen durch die Französische Revolution verschwunden sind und dieÜberprüfung damit verhindert ist, kann man für diese Zeit wohl nochkaum authentische Porträts annehmen. – Ein weiteres berühmtes Stifter-bild ist jenes des Kardinals Jacopo Colonna, KD von S. Maria in Vialata(1278-1308), auf dem Apsismosaik von S. Maria Maggiore. Derberühmte Kardinal, Erzpriester von S. Maria Maggiore, erreichte denHöhepunkt seines Einflusses unter Papst Nikolaus IV. (1288-1292), demfrüheren Generalminister der Minoriten Girolamo d’Ascoli, mit dem erseit langem eng verbunden war. Nikolaus IV. arbeitete mit demColonna-Kardinal bei der architektonischen und künstlerischen Erneue-rung von S. Maria Maggiore zusammen. Der Papst ließ das Apsismosaik

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    di Guala Bicchieri cardinale di Vercelli, in Gotico in Piemonte, a cura di G. Romano, Torino 1992, S.166-239; Il cardinale Guala Bicchieri committente e collezionista, in Arte in Piemonte, Bd. 2: Il Gotico,a cura di E. Pagella – S. Baiocco – S. Castronovo, Ivrea 2003, S. 20-30.

    68. Vgl. G. Salvi, La cappella di S. Gregorio al Sacro Speco di Subiaco, in «Rivista storica benedet-tina», 22 (1953), S. 1-28; G. B. Ladner, Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters, Bd. 2:Von Innocenz II. zu Benedikt XI., Città del Vaticano 1970 («Monumenti di antichità Cristiana»,II/4,2), S. 105-11 mit Taf. XIX; A. Bianchi, Una proposta per l’inquadramento storico degli affreschidella cappella di S. Gregorio al S. Speco di Subiaco, in Federico II e l’arte del Duecento italiano. Atti dellaIII settimana di studi di storia dell’arte medievale dell’Università di Roma, a cura di A. M. Roma-nini, Galatina 1980 («Collana di saggi e testi», 6,2), S. 5-14 (mit Edition aller Inschriften); I mona-steri benedettini di Subiaco, a cura di C. Giumelli, Cinisello Balsamo 2002, S. 108, S. 113; Lo spazio delsilenzio. Storia e restauri dei monasteri benedettini di Subiaco, a cura di A. Ricci, Subiaco 2004, S. 82 f.

    69. Vgl. J. Gardner, Cardinal Ancher and the Piscina in Saint-Urbain at Troyes, in Architecturalstudies in memory of Richard Krautheimer, ed. by C. L. Striker, Mainz 1996, S. 79-82, mit einerReihe von Abb. Zum Kardinal vgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 172-9.

  • durch Jacopo Torriti anfertigen und platzierte sich dabei selbst vor denHeiligen Petrus, Paulus und Franziskus. Da es bis zu seinem Tod 1292nicht fertig war, besorgte der Colonna-Kardinal im Jahre 1296 die Fer-tigstellung, wie man aus der Inschrift am Mosaik selbst erfährt. Er trägtals Zeichen seiner Würde nur die weiße Mitra und ein festlichgeschmücktes liturgisches Gewand, eine blaue Dalmatika mit rotemMittelstück und edelsteinbesetzten Goldborten, und kniet in Gebetshal-tung vor Johannes und dem Hl. Antonius (Abb. 41)70. Das letzte hier zubesprechende Stifterbild verdankt man einem nur kurz währenden Kar-dinalat zu Ende des 13. Jahrhunderts. Es findet sich am Wandtabernakelrechts von der eingezogenen Hauptapsis von S. Clemente in Rom. ImJahr 1299 stiftete der Minorit Giacomo Caetani Tommasini, ein NeffeBonifaz’ VIII. und KP von S. Clemente (1295-1300), dieses Werk, aufdessen Tympanon er vor dem Titelheiligen der Kirche kniend mit gefal-teten Händen abgebildet ist. Von seinem Wirken als Kardinal weiß manwenig, das Datum der Stiftung ist durch eine Inschrift gesichert. DerHl. Clemens steht hinter dem Kardinal und präsentiert diesen derMadonna mit dem Kind in der Mitte des Tympanons. Der Hl. Clemenshat eine hohe, spitze Tiara auf dem Kopf und mag die Züge Bonifaz’ VIII.aufweisen (Abb. 42)71. – Ein Kuriosum, das zeitlich einige Jahre früheranzusetzen ist und gleichfalls mit Bonifaz VIII. / Benedetto Caetani zutun hat, soll diesen Abschnitt über Stifterfiguren abschließen. In denJahren 1290/91 wurde der spätere Papst zusammen mit Gerhard Bian-chi, KB der Sabina (1281-1302), zu einer Legation nach Frankreich

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    70. Zu diesem Kardinal siehe oben S. 231. Zu seiner Verbindung mit der Marienbasilika vgl.V. Saxer, Sainte-Marie-Majeure. Une basilique de Rome dans l’histoire de la ville et de son église (Ve-XIIIe siècle), Rome 2001 («Collection de l’École française de Rome», 283), S. 233-5. Zum Mosaikvgl. Ladner, Papstbildnisse (wie Anm. 68), Bd. 2, S. 241-7, bes. S. 243 (Fig. 108); J. Gardner, PopeNicholas IV and the Decoration of Santa Maria Maggiore, in «Zeitschrift für Kunstgeschichte», 26(1973), S. 1-50; jetzt auch in Id., Patrons, Painters and Saints. Studies in Medieval Italian Painting,Aldershot 1993 («Variorum Reprints. Collected Studies», 414), Nr. III; A. Tomei, Iacobus Torritipictor. Una vicenda figurativa del tardo Duecento romano, Roma 1990, S. 99-125; Id., Memoria dellaTerrasanta nel mosaico absidale di Santa Maria Maggiore a Roma, in Medioevo. Immagine e memoria, acura di A. C. Quintavalle, Milano 2009 («I convegni di Parma», 11), S. 510-8.

    71. Vgl. L. E. Boyle, An Ambry of 1299 at San Clemente, Rome, in «Mediaeval Studies», 26(1964), S. 329-50, wieder abgedr. in San Clemente Miscellany 2: Art & Archaeology, ed. by L.Dempsey, Rome 1978, S. 36-59; P. C. Claussen, Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050-1300. A-F, Stuttgart 2002 («Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie»,20), S. 344-7; A. Paravicini Bagliani, Les portraits de Boniface VIII. Une tentative de synthèse, in Leportrait. La représentation de l’individu, éd. par A. Paravicini Bagliani – J.-M. Spieser – J. Wirth,Florence 2007 («Micrologus Library», 17), S. 117-39, wiederabgedr. in A. Paravicini Bagliani, Ilpotere del papa. Corporeità, autorappresentazione, simboli, Firenze 2009 («Millennio medievale», 78),S. 115-35, bes. 132f.

  • beordert. Im Oktober 1290 hielten sich die beiden Kardinäle in Reimsauf, um einen Konflikt zwischen dem Domkapitel und dem Erzbischofum unrechtmäßig beanspruchte Güter aus der Welt zu schaffen. Von denStreitparteien wurden sie als Schiedsrichter beauftragt, als welche sie am4. Dezember 1290 von St-Cloud bei Paris aus ihren Schiedsspruch ineinem umfangreichen Notariatsinstrument verkündeten. An dessen Endeverfügten sie eine Art Strafe für den Ärgernis erregenden Streit: Vonbeiden Parteien, vom Erzbischof und vom Domkapitel, sei innerhalbeines Jahres je eine Silberstatue im Wert von mindestens 500 Pfundanzufertigen, von denen die eine, durch Inschrift «Gerardus episcopusSabinensis» gekennzeichnet, alle pontifikalen Insignien aufweisen solle,die andere hingegen, ebenfalls mit einer Inschrift «Benedictus, S. Nico-lai in Carcere Tulliano diaconus cardinalis» versehen, den Kardinaldia-kon wiedergeben solle. Diese beiden Statuen hätten bei allen feierlichenGottesdiensten während der Messe auf dem Hauptaltar zu stehen undkeine der Parteien dürfe sie jemals veräußern oder belehnen. Es ist nichtüberliefert, ob diese beiden Kardinalsstatuen tatsächlich angefertigt undaufgestellt wurden, aber sie dokumentieren jedenfalls die oberste päpstli-che Jurisdiktionsgewalt, die in den Kardinallegaten repräsentiert war. Siestellen wohl auch eine persönliche Memoria der beiden Kardinäle darund fügen sich gut in das übersteigerte Selbstbewusstsein des späterenBonifaz VIII.72.

    3. GRABMÄLER VON KARDINÄLEN

    Der dritte Abschnitt greift aus den Kardinalsgräbern des 13. Jahrhun-derts, auf denen die Verstorbenen selbst abgebildet sind, nur zweiheraus. Die anderen seien einleitend mit wenigen Bemerkungen undangelehnt an die Standardwerke von Jörg Garms und Julian Gardnerangeführt73. Dabei soll der heutige Erhaltungszustand des Grabmals

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    72. Der Text des Schiedsspruches bei P. Varin, Archives administratives de la ville de Reims, Paris1839 («Collection de documents inédits sur l’histoire de France», 1,14), Bd. 1, S. 1045-50(Zitate S. 1049). Vgl. T. Schmidt, Papst Bonifaz VIII. und die Idolatrie, in «Quellen und For-schungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken», 66 (1986), S. 75-107 (S. 84-93); Para-vicini Bagliani, Les portraits (wie vorige Anm.), S. 118-21.

    73. Die Mittelalterlichen Grabmäler in Rom und Latium vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, Bd. 1:Die Grabplatten und Tafeln, bearb. v. T. Blittersdorf – H. Jäger-Sustenan, hg. v. J. Garms – R. Juf-finger – B. Ward-Perkins, Rom-Wien 1981 («Publikationen des Historischen Instituts beimÖsterreichischen Kulturinstitut in Rom», II/5,1) und Bd. 2: Die Monumentalgräber, bearb. und

  • oder sein eventuelles Verschwinden keine Rolle spielen. Das ältesteerhaltene Hochgrab ist jenes des Ivo, KD von S. Maria in Aquiro 1136,dann KP von S. Lorenzo in Damaso (1138-1142), das sich im Dom vonTrier befindet, da er dort auf einer Legation verstarb74. Eine bildlicheDarstellung des Verstorbenen gibt es nicht. Diese wird bis zur Mitte des13. Jahrhunderts fehlen, wohingegen Inschriften der Normalfall vonKardinalsgräbern sind. Das älteste Beispiel in Rom und Latium ist jenesdes Theobald, KP von S. Croce in Gerusalemme (1179), KB von Ostia(1183-1188), in S. Paolo fuori le mura75. Erst ab den Vierzigerjahren des13. Jahrhunderts nehmen diese Grablegen mit Inschriften und Darstel-lungen zu, werden zahlreicher erst im letzten Viertel des 13. Jahrhundertsund erreichen eine gewisse Monumentalität unter den avignonesischenPäpsten. Robert von Somercote, KD von S. Eustachio (1238-1241), derwährend des ersten Konklave nach dem Tod Gregors IX. starb, liegt inS. Grisogono in Rom begraben76. Das Grab des Vicedomino Vicedominiaus Piacenza, KB von Palestrina (1273-1276), der während des Konkla-ves in Viterbo am 6. September 1276 starb – und nach einer PiacentinerTradition des 14. Jahrhunderts sogar noch zum Papst gewählt wordensein soll – und in S. Francesco in Viterbo bestattet wurde, wirft deshalbProbleme auf, weil es im 17. Jahrhundert durch ein Grabmal des Kardi-nals Gherardo Landriani († 1445) überbaut und im Zweiten Weltkriegschwer beschädigt wurde. Vom ursprünglichen Grabmal ist fragmenta-risch ein Fresko mit den Exequien (zerstört, nur Photos vorhanden)bekannt und die Liegefigur des Kardinals erhalten77.

    Ordoño Alvarez, KB von Tusculum (1276-1285), liegt in SS. QuattroCoronati. Seine Grabplatte weist neben der Inschrift auch sein Wappenin Mosaiktechnik auf78. Eindrucksvoll stellt sich das Grab des AnchierPantaléon, KP von S. Prassede (1261-1286), am ursprünglichen Ort inder Cappella del Crocifisso in der Titelkirche des Kardinals dar. Es zeigt

    kardinalssiegel und andere abbildungen 249

    hg. v. J. Garms – A. Sommerlechner – W. Telesko, Wien 1994 («Publikationen des HistorischenInstituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom», II/5,2); J. Gardner, The Tomb and theTiara. Curial Tomb Sculpture in Rome and Avignon in the Later Middle Ages, Oxford 1992.

    74. B. Zenker, Die Mitglieder des Kardinalkollegiums von 1130-1159, Diss. Würzburg 1964, S.77-9; R. Fuchs, Die Inschriften der Stadt Trier, Bd. 1: bis 1500, Mainz 2006 («Die DeutschenInschriften», 70), S. 246-9 Nr. 122.

    75. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 240f.76. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 69f. Vgl. Paravicini Bagliani, Cardinali di

    Curia (wie Anm. 16), S. 130-40.77. Ladner, Papstbildnisse (wie Anm. 68), Bd. 2, S. 194-205; Garms, Grabmäler (wie Anm.

    73), Bd. 2, S. 229-236. 78. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 271f.

  • eine Tumba mit Bahrtuch und der Liegefigur des Toten, der durch zweiInschriftentafeln oberhalb und seitlich des Sarkophags gerühmt wird.Der Neffe Urbans IV., auf den schon weiter oben wegen seiner Figur ander Piscina in Troyes kurz hingewiesen wurde, wird wohl idealisiert dar-gestellt worden sein79. Das Grab des Gottfried von Barre, KP von S.Susanna (1281-1287), ist die früheste in Rom überlieferte Ritzplatte miteiner Darstellung des Kardinals und seinem Wappen, aber das Original,das sich ebenfalls in S. Prassede in Rom befand, ist verloren, und nureine Zeichnung aus dem neuzeitlichen Windsor-Codex überliefert dasursprüngliche Aussehen80. Im rechten äußeren Seitenschiff der Lateran-kirche befindet sich seit den Restaurierungsarbeiten unter Innocenz X.(1644-1655) das Grab des Conte Casati, KP von SS. Marcellino e Pietro(1281-1287), der laut seinem Testament in der römischen Hauptkirchebegraben sein wollte. Obwohl man über den ursprünglichen Zustand desGrabmonumentes nichts Sicheres sagen kann, ist die kniende Figur desKardinals mit Kirchenmodell zwischen Christus und Johannes demTäufer originaler Bestandteil81. Ebenfalls eine Ritzplatte nach französi-schem Muster schmückt das Grab des Simon d’Armentières, KP von S.Balbina (1294-1296), der in S. Martino ai Monti nur seine Eingeweideund sein Fleisch bestatten ließ, während die Gebeine in sein Heimatklos-ter in La Charité-sur-Loire transferiert wurden. Der römische Grabsteinist ziemlich abgetreten, sodass das Gesicht, die begleitenden Engel unddie Inschrift nur schwer zu erkennen sind82. Auch auf Jean Cholet, KP vonCecilia (1281-1292), der einen Großteil seines Kardinalats in Frankreichverbrachte, ist schon hingewiesen worden. Er ließ sich in der Benedikti-nerabtei Saint-Lucien in Beauvais links neben dem Hauptaltar bestatten,aber das freistehende Grabmal mit zwei gotischen Arkaden, unter denendie Tumba mit einem ursprünglich versilberten Antlitz des Kardinalsstand, ist ebenso verloren wie die Kirche und die Abteigebäude. EineZeichnung durch Roger de Gaignières (1642-1715) gibt das Grabmal

    250 werner maleczek

    79. Ladner, Papstbildnisse (wie Anm. 68), Bd. 2, S. 129; Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd.2, S. 165-8; M. Guardo, Titulus e tumulus. Epitafi di pontefici e cardinali alla corte dei papi del XIIIsecolo, Roma 2008 («La corte dei papi», 17), S. 86-92. – Siehe oben S. 238.

    80. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 263.81. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2, S. 37-41. Peter Cornelius, Die Kirchen der Stadt

    Rom im Mittelalter 1050-1300. II: S. Giovanni in Laterano, Stuttgart 2008 («Forschungen zurKunstgeschichte und christlichen Archäologie», 21), S. 220-225. – Zu diesem Kardinal vgl. A.Paravicini Bagliani, Casati, Conte, in Dizionario biografico degli Italiani, Roma 1978, Bd. 21, S.227-9; Id., Testamenti (wie Anm. 59), S. 40f., S. 216-28.

    82. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 229f.

  • wieder83. Hugo Aycelin de Billom, der im Dominikanerorden Karrieregemacht hatte, bevor er von Honorius IV. zum KP von S. Sabina (1288)kreiert, dann zum KB von Ostia (1294-1297) promoviert wurde, ließnach testamentarischer Anweisung – «ut fratres dum viderint habeantmemoriam nostri in orationibus suis» – seine Eingeweide in seiner Titel-kirche, der dominikanischen Hauptkirche in Rom, bestatten. Diesefigürliche Ritzplatte ist nur durch den Windsor-Codex überliefert84. DieGebeine wurden in seine französische Heimat transferiert und ruhen inder heute noch erhaltenen ehemaligen Jakobinerkirche in Clermont-Fer-rand rechts neben dem Hochaltar. Das stark übermalte Grabmal zeigtnicht den Kardinal, sondern nur Statuetten einer Reihe von Heiligenund eine Assumptio animae, bei der die Seele des Verstorbenen in Formeines kleinen Figürchens auf einem Tuch zwischen Christus und Maria indie Höhe gehoben wird85. Im selben Jahr 1297 starb Simon de Beaulieu,ein französischer Zisterzienser, der seit 1281 Erzbischof von Bourges gewe-sen und von Coelestin V. 1294 zum KB von Palestrina kreiert worden war.Von seinem Grab in der Zisterzienserabtei Jouy-en-Brie (Dép. Seine-et-Marne, nordwestl. Provins) ist ebenfalls nur mehr die Zeichnung vonGaignières erhalten. Auch die Kirche selbst ist bis auf ein Stück der Chor-wand zur Gänze verschwunden86. Noch ein anderer französischer Bischof,den Coelestin V. 1294 zum KP von S. Marcello und wenig später zumKP von S. Lorenzo in Damaso ernannt hatte, steht in dieser Reihe der inder Heimat bestatteten Prälaten. Nicolas de Nonancourt war seit 1281Bischof des normannischen Évreux gewesen. Nach seinem Tod, 1297 oder1299, wurden seine Gebeine nach Frankreich transportiert, aber das Grabselbst ist wieder nur durch die Zeichnung von Gaignières überliefert87.

    kardinalssiegel und andere abbildungen 251

    83. Siehe oben S. 235. Vgl. auch C. Fons, L’abbaye de Saint-Lucien de Beauvais. Étude historique etarchéologique, in «Positions de Thèses de l’École des chartes» (1975), S. 77-84; J. Henriet, Saint-Luciende Beauvais. Mythe ou réalité, in «Bulletin monumental», 141 (1983), S. 273-94; Gardner, Tomb andTiara (wie Anm. 73), S. 91f. mit Abb. 78; A. Stones, Les manuscrits (wie Anm. 59), S. 239f.; J. Hen-riet, Saint-Lucien de Beauvais. Mythe ou réalité?, in À l’aube de l’architecture gothique, éd. par J. Henriet,Besançon 2005 («Annales littéraires de l’Université de Franche-Comté», 789), S. 75-99.

    84. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 276f. – Das Zitat aus seinem Testament beiParavicini Bagliani, Testamenti (wie Anm. 59), S. 310.

    85. Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73), S. 90f.86. Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73), S. 92. – Zu diesem Kardinal vgl. F. Lajard, in

    Histoire littéraire de la France, Paris 1847, Bd. 21, S. 20-40; J. A. McNamara, Simon de Beaulieuand Clericis Laicos, in «Traditio», 25 (1969), S. 155-70; J. Marrone – C. Zuckerman, CardinalSimon de Beaulieu and Relations between Philip the Fair and Boniface VIII, in «Traditio», 31 (1975),S. 195-222; J.-L. Lemaitre, La visite des monastères limousins par Simon de Beaulieu en 1285, in«Revue bénédictine», 114 (2004), S. 158-78, und M. Haverals, Simon v. Beaulieu, Ebf. v. Bourges,in Lexikon des Mittelalters, VII (1995), Sp. 1913f.

    87. Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73), S. 92f.

  • Zu den imposantesten Kardinalsgräbern an der Wende vom 13. zum14. Jahrhundert zählt jenes des Gonzalo Garcia Gudiel in S. Maria Mag-giore. Der langjährige Erzbischof von Toledo (1280-1298) war von Boni-faz VIII. 1296 an die Kurie zitiert worden, um sich in einem Verfahrenzu verantworten, und wurde nach seiner Exkulpierung 1298 zum KBvon Albano erhoben, starb jedoch schon ein Jahr später. Der Wandbalda-chin auf Sockel, der thalamus mit den Vorhang haltenden Engeln, dasMosaik mit der Muttergottes und den heiligen Matthias und Hieronymusund die Liegefigur auf dem Sarkophag mit den Wappen des Verstorbe-nen auf der Vorderseite scheinen noch zum ursprünglichen Bestand zugehören88. In der Laterankirche ließ sich vor dem Altar der Hl. MariaMagdalena Gerardo Bianchi, dessen Siegel schon weiter oben besprochenwurde, nach seinem Tod im Jahre 1302 bestatten. Seit 1278 KP von SS.XII Apostoli, seit 1280 KB der Sabina, war er nach der SizilianischenVesper zum Hauptagenten des Papstes im Regno geworden. Dasursprüngliche Grab bestand in einer vor dem Altar liegenden, geritztenPlatte mit dem Bild des Toten, die auf Anordnung Papst Alexanders VII(1655-1667) von Borromini zu einem Grabmonument arrangiertwurde89. Im Jahre 1302 ereilte der Tod auch Petrus von Piperno, derseine Karriere Benedetto Caetani, dem späteren Papst Bonifaz VIII., ver-dankte. 1295 erhielt er von diesem die Diakonie von S. Maria Nova undwurde in der Folgezeit – nicht mit großem Erfolg – als Legat in derRomagna eingesetzt. Ebenfalls in der Laterankirche steht sein Sarkophagmit Inschrift und Wappen mit Mosaikeinlagen, der eine Liegefigur mitidealisierten Gesichtszügen trägt. Die Anordnung dürfte in der Barock-zeit verändert worden sein90. Ebenfalls im Jahre 1302 starb Matthäusvon Acquasparta, der frühere Generalminister der Minoriten, der 1288KP von S. Lorenzo in Damaso und wenig später Großpönitentiar wurde.Auch von ihm war weiter oben schon die Rede. Sein imposantes Grab-mal in S. Maria in Aracoeli gibt sehr wahrscheinlich den ursprünglichenBestand wieder. Die Nähe zum Grab des Gonzalo Gudiel in S. MariaMaggiore ist deutlich, auch wenn das dortige Mosaik durch eine Fresko-

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    88. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2, S. 83-7; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73),S. 82-4.

    89. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2, S. 52-7; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73),S. 87; Silanos, Gerardo Bianchi (wie Anm. 46), S. 341-57; Guardo, Titulus (wie Anm. 79), S. 150-66; Clausen, S. Giovanni in Laterano (wie Anm. 81), S. 237-39.

    90. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2, S. 57-9; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73),S. 82, S. 84; Clausen, S. Giovanni in Laterano (wie Anm. 81), S. 240-43.

  • malerei ersetzt wurde91. Als letztes Grabmal in dieser Reihe sei erneuteines aus St. Peter im Vatikan genannt. Nur die Inschriftentafel in einemder Säle der Grotten von St. Peter zeugt vom Grab des Matteo RossoOrsini, des Neffen Nikolaus’ III., der schon von Urban IV. 1262 zumKD von S. Maria in Portico erhoben wurde, lange Zeit nicht besondersauffiel und erst unter seinem Onkel deutlicheres Profil gewann. AlsArchipresbyter von St. Peter, als Protektor der Minoriten und Klarissen,viel mehr noch als zentrale Figur bei den Verhandlungen mit Rudolf vonHabsburg und Karl von Anjou, war er jahrelang an allen wichtigen Ent-scheidungen beteiligt, büßte diese Position jedoch unter den nachfolgen-den Päpsten ein. Er gewann sie wieder unter Coelestin V., Bonifaz VIII.und Benedikt XI. Nach einem der längsten Kardinalate des 13. Jahr-hunderts – 43 Jahre – starb er 1305 in Perugia. Das Grabmal, wohl inder Orsini-Kapelle im Mittelschiff von Alt-St. Peter, ging beim Abbruchder Kirche verloren. Über sein Aussehen weiß man nichts92. Die nurfragmentarisch erhaltene Ritzplatte mit Inschrift und Wappen des PedroRodriguez (Petrus Hispanus), KB der Sabina (1302-1310), die ebenfallsin den Grotten von St. Peter steht, gibt ein mattes Zeugnis von diesemunbedingten Parteigänger Bonifaz’ VIII., in dessen Kapelle sie sichursprünglich befand93.

    Nun zu den beiden Kardinalsgräbern des 13. Jahrhunderts, die etwasausführlicher besprochen werden sollen. Das eine ist das Grab des Gu-glielmo Fieschi, KD von S. Eustachio (1244-1256), in S. Lorenzo fuori lemura in Rom, an der inneren Westwand rechts neben dem Mittelportal.Der Nepote Innocenz’ IV., der jung zu seiner Würde kam, immer bedin-gungslos seinem Onkel zur Seite stand, ihn auf der gesamten Reise nachLyon begleitete und auch nach der Rückkehr nur bescheidene Aufgabenerfüllte, scheiterte an der ihm übertragenen Sizilienexpedition des Jahres1254. Er wurde in einem antiken Hochzeits-Sarkophag aus dem 3. Jahr-hundert, der unter einen Baldachin gestellt wurde, bestattet. Auf ihmwurden zwei Inschriften zu Ehren des Toten eingemeißelt94. Der Auf-stellungsort des Grabmals blieb immer der gleiche. An der Wand dahin-

    kardinalssiegel und andere abbildungen 253

    91. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2, S. 73-6; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73),S. 82.

    92. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 246f. – Vgl. R. Morghen, Il cardinale MatteoRosso Orsini, in «Archivio della Società Romana di Storia Patria», 46 (1923), S. 271-372; Fischer,Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 224-42.

    93. Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 1, S. 247f.94. Vgl. Guardo, Titulus (wie Anm. 79), S. 33-42.

  • ter befand sich bis zur Zerstörung durch das Bombardement im Juli1943 über dem prunkvollen Epithaph, der seine Verdienste rühmt, einFresko, das Christus auf dem Thron, umgeben von den Heiligen Hippo-lytus, Laurentius, Stefanus und Eustathius zeigt, links und rechts zuseinen Füßen den Papst Innocenz IV. und den Kardinal. Eine ältereZeichnung von 1639 durch Antonio Eclissi, die lange vor der Restaurie-rung unter Pius IX. angefertigt wurde, gibt den ursprünglichen Zustandgut wieder und hält an Kardinalsinsignien nur die Mitra und ein feierli-ches Gewand, vielleicht eine Dalmatika, fest (Abb. 43)95. – Das zweiteBeispiel führt nach Orvieto, S. Domenico, und zum berühmten Arnolfodi Cambio, der dort das Grabmal des 1282 verstorbenen Guillaume deBray, KP von S. Marco seit 1262, ausführte (Abb. 44)96. Der Künstlersignierte zum ersten Mal: «HOC OPUS FECIT ARNOLFUS». Derhochgebildete Kardinal aus kleinen Verhältnissen in der Diözese Sens,der seine Karriere als Universitätslehrer in Paris begann und als Dekandes Kathedralkapitels von Laon dem dort auch tätigen Jacques Pan-taléon, dem späteren Papst Urban IV., nahestand, folgte diesem an dieKurie, wo er bis zu seinem Tod zwei Jahrzehnte später fast ausschließlichim Gerichtswesen tätig war. Der ursprüngliche Zustand des Grabmals istwohl wegen eines Brandes und anderer Verwüstungen im 14. Jahrhun-dert, vor allem aber wegen einer missglückten Restaurierung der Kircheim Jahre 1934 nicht erhalten, aber der hier erstmals gut fassbare monu-

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    95. Ladner, Papstbildnisse (wie Anm. 68), Bd. 2, S. 112-6; St. Waetzold, Die Kopien des 17.Jahrhunderts nach Mosaiken und Wandmalereien in Rom, Wien 1964 («Römische Forschungen derBibliotheca Hertziana», 18), S. 20, s. 47; I. Herklotz, «Sepulcra» e «Monumenta» nel Medioevo.Studi sull’arte sepolcrale in Italia, Roma 1985, S. 161f.; Garms, Grabmäler (wie Anm. 73), Bd. 2,S. 60-3; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73), S. 64-8; – Zu diesem Kardinal vgl. ParaviciniBagliani, Cardinali di Curia (wie Anm. 16), S. 329-40; A. Kiesewetter, Fieschi, Guglielmo, inDizionario biografico degli Italiani, Roma 1997, Bd. 47, S. 480-2.

    96. Vgl. A. M. Romanini, Ipotesi ricostruttive per i monumenti sepolcrali di Arnolfo di Cambio.Nuovi dati sui monumenti de Braye e Annibaldi e sul sacello di Bonifacio VIII, in Skulptur und Grabmaldes Spätmittelalters in Italien. Akten des Kongresses «Scultura e Monumento Sepolcrale del TardoMedioevo a Roma e in Italia», (Rom, 4.-6. Juli 1985), hg. v. J. Garms – A. M. Romanini, Wien1990 («Publikationen des Historischen Instituts beim Österreichischen Kulturinstitut in Rom»,1,10), S. 107-28; Gardner, Tomb and Tiara (wie Anm. 73), S. 97-102; Id., «Sepulcrum … perma-gnificum et sumptuosum inter omnia sepulcra vicina». A note on Cardinal Guillaume de Bray and his tombin Orvieto by Arnolfo di Cambio, in Opere e giorni. Studi su mille anni di arte europea dedicati a MaxSeidel, a cura di K. Bergdolt – G. Bonsanti, Venezia 2001, S. 85-90; P. Réfice, La tomba de Brayee i monumenti funebri con la figura del giacente, in Arnolfo di Cambio, una rinascita nell’Umbria medie-vale, a cura di V. Garibaldi – B. Toscano, Milano 2005, S. 157-61; M. Guardo, L’iscrizionesepolcrale del monumento del cardinale Guglielmo da Bray, in Arnolfo di Cambio e la sua epoca. Costruire,scolpire, dipingere, decorare. Atti del Convegno Internazionale di Studi (Firenze-Colle di Val d’Elsa,7-10 marzo 2006), a cura di V. Franchetti Pardo, Roma 2007, S. 77-88. – Zu diesem Kardinalvgl. Fischer, Kardinäle im Konklave (wie Anm. 21), S. 199-209.

  • mentale Aufbau des Grabmals, der eine bis in die Zeit der Renaissancereichende Typologie begründen wird, macht eines schon deutlich: In derPrachtentfaltung steht das Kardinalsgrab – «one of the most resplendentof all Italian tombs at the time of its erection» – nicht hinter dem Papst-grab zurück, was einen Hinweis auf den Rang der Kardinäle seit dem 13.Jahrhundert gibt97. Nur ein Detail verdient hervorgehoben zu werden,während alles andere wie der weitere erstklassige Figurenschmuck, dieCosmaten-Dekoration, das rätselhafte Auftauchen eines angevinischenWappens und der Aufbau des Katafalks den schon seit langem anhalten-den Diskussionen der Kunsthistoriker überantwortet sein möge. Es istdas eindrucksvolle Porträt des verstorbenen Kardinals, womit wir einesder frühen Beispiele eines individuell gestalteten Gesichtes vor unshaben (Abb. 45)98.

    4. KARDINÄLE ALS ENTOURAGE DES PAPSTES

    Der letzte Abschnitt beschränkt sich – ferne von Vollständigkeit – aufnur wenige Beispiele, bei denen die Kardinäle als Entourage des Papstesabgebildet sind. Dass Herrscher in der Regel mit ihrem Beraterstab oderden angesehenen Mitgliedern des Hofes abgebildet werden, hat nicht nurseit der Antike eine ikonographische Tradition, sondern spiegelt aucheine mittelalterliche Verfassungswirklichkeit wider, die eben nicht dasautokratische Regieren, sondern das Herrschen im Konsens mit denGroße