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Karl-Heinz SteffensNemanja Radulovic

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Edward Elgar

„Introduction and Allegro for Strings“ op. 47

Nicco lò Paganin i

Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6

1. Allegro maestoso2. Adagio espressivo

3. Rondo: Allegro spirituoso – Un poco più presto

Edward Elgar

Symphonie Nr. 1 As-Dur op. 55

1. Andante: Nobilmente e semplice – Allegro2. Allegro molto

3. Adagio4. Lento – Allegro

Karl-Heinz Steffens, DirigentNemanja Radulovic, Violine

Dienstag, 3. Februar 2015, 19:15 Uhr 4. Öf fentliche Generalprobe

Mit twoch, 4. Februar 2015, 20 Uhr 4. Abonnementkonzer t a

Samstag, 7. Februar 2015, 19 Uhr5. Abonnementkonzer t d

Sonntag, 8. Februar 2015, 19 Uhr5. Abonnementkonzer t f

Eine Aufzeichnung der Konzer tserie durch den Bayerischen Rundfunk wird am Donnerstag, dem 19. Februar 2015, ab 20.03 Uhr auf BR-Klassik gesendet.

Spielzeit 2014/2015117. Spielzeit seit der Gründung 1893

Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)Paul Müller, Intendant

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2 Edward Elgar: Komponisten-Portrait

Neues aus dem „Land ohne Musik“

Die Uraufführung der „Enigma Variations“ am 19. Juni 1899 wird in der englischen Musik-geschichtsschreibung wie eine „Stunde Null“ oder ein Tag der Wiedergeburt gefeiert. Seit über 200 Jahren, seit Purcells Tod, hatte Eng-land keinen wirklich bedeutenden Komponisten von europäischem Rang hervorgebracht. Erst Edward Elgar (1857–1934) vermochte den Bann zu brechen, der auf dem „Land ohne Musik“ zu lasten schien. Sein Leben und sein Werk ver-binden sich im Bewusstsein der Landsleute untrennbar mit der „English Musical Renais-sance“. „Als ich die ‚Enigma-Variationen‘ hör-te“, erinnerte sich George Bernard Shaw, „sprang ich auf und rief: ,Whew !‘ Ich wusste, dass wir es endlich geschafft hatten.“ England war mit diesem Genie streich der Orchestermusik in die Geschichte der Kompositionskunst zurück-gekehrt.

Am 3. Dezember 1908 spielte das Hallé Orches-tra unter seinem Chefdirigenten Hans Richter in Manchester die Uraufführung der 1. Symphonie Elgars – auch dies eine historische Premiere. „Eine englische Symphonie existierte bis dahin überhaupt nicht, jedenfalls keine von Format, die den Vergleich mit den Symphonien Beet-hovens oder Brahms’ auch nur im Entferntesten gerechtfertigt hätte und in Konzerten neben anerkannten Meisterwerken nicht sofort in Be-

deutungslosigkeit versunken wäre“, schreibt der berühmte Musikkritiker Sir Neville Cardus, Zeuge dieser bahnbrechenden Uraufführung. „Es erscheint mir hoffnungslos, heute noch et-was von dem Stolz vermitteln zu wollen, mit dem sich die jungen englischen Studenten in jener fernen Epoche für Elgar begeisterten.“ Hans Richter, der Weggefährte Wagners und Brahms’, studierte Elgars 1. Symphonie As-Dur op. 55 auch in London ein, und bei dieser Gele-genheit sprach er zu den Musikern des London Symphony Orchestra die denkwürdigen Worte: „Gentlemen, lassen Sie uns nun die größte Sym-phonie unserer Zeit proben, geschrieben vom größten lebenden Komponisten – und zwar nicht nur dieses Landes.“

Späte Anerkennung eines Außen-seiters

Diese mit höchster Autorität vorgetragene Anerkennung bedeutete für den mittlerweile 51-jährigen Edward Elgar eine späte Genug-tuung. Als katholischer Kleinbürgersohn und Autodidakt aus der englischen Provinz hatte er jahrelang gegen Widerstände ankämpfen müssen: gegen religiöse Vorurteile der anglikanischen Mehrheit, gegen den spätviktorianischen Standes-dünkel, gegen den snobistischen Hochmut des musikalischen Establishments in der Metropole London. Das Gefühl der Außenseiterschaft hat Elgar nie überwinden können, eine misanthro-

Musikalische Tagträume einer fernen Epoche

Wolfgang Stähr

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Edward Elgar in Uniform und mit dem britischen Verdienstorden „Order of Merit“ (1911)

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4 Edward Elgar: Komponisten-Portrait

pische Neigung trübte sein Selbstbewusstsein bis zuletzt, insbesondere aber ein argwöhni-sches und irrationales Misstrauen gegenüber der britischen Öffentlichkeit: „Sie wollen mich nicht und haben mich nie gewollt.“ Das sagte ein Komponist, der die Ehrendoktorwürde der Universitäten Cambridge, Oxford, Durham, Leeds und Birmingham erhalten, für den die Stadt Lon-don ein ausschließlich seinem Schaffen gewid-metes Festival ausgerichtet hatte und der von König Edward VII. in den Adelsstand erhoben worden war. Und mehr noch: ein Komponist, der mit einem seiner Werke eine geradezu überwäl-tigende Popularität errungen hatte. Die Rede ist natürlich von dem „Pomp and Circumstance“-Marsch Nr. 1, dessen melodisch unvergessliches Trio mit den (nachträglich gedichteten) Worten „Land of Hope and Glory“ in Großbritannien zu einer zweiten Nationalhymne avancierte. Elgar muss diesen Erfolg vorausgeahnt haben, als er das Trio-Thema im Mai 1901 zu Papier brachte: „Mir ist eine Melodie eingefallen, die wird sie alle umwerfen“, verriet er einer Freundin. „Eine Melodie wie diese findet man nur einmal im Leben.“

Auf keines seiner Werke aber blickte Elgar mit solchem Stolz wie auf das Oratorium „The Dream of Gerontius“ (1900), nicht zuletzt weil ihm die-se Komposition das überschwängliche Lob eines Richard Strauss eingetragen hatte. „Es hat mich für jahrelange Mühen entschädigt“, bekannte Elgar, „zu hören, wie er mich ‚Meister‘ nannte.“ Tatsächlich zeigt sich im „Gerontius“ – der Ver-tonung eines visionären Gedichts des Kardinals John Henry Newman, das den Weg der Seele nach dem Tod umkreist – Elgars Meisterschaft am reinsten ausgeprägt: der feierliche, weihe-

volle, melancholisch-sehnsüchtige Ton, die voll-endet schöne und ergreifende Gesangsmelodik, die kenntnisreiche, subtile, unerhört phantasie-volle Instrumentationskunst, der natürliche Sinn für Monumentalität und Emphase, das tiefste Verständnis für die Geheimnisse der menschli-chen Seele. Und in allem eine überaus persön-liche Aussage- und Ausdruckskraft. Die Größe dieses Werks hat Elgar mit seinen Oratorien „The Apostles“ (1903) und „The Kingdom“ (1906) auch später nicht mehr übertroffen.

Kulturpessimismus und Nostalgie

Elgars Schaffen ist reich an autobiographischen Bezügen: Der langsame Satz seiner 2. Sympho-nie Es-Dur op. 63 etwa ist eine Trauermusik auf den Tod des mit Elgar eng befreundeten Musik-enthusiasten und Mäzens Alfred E. Rodewald. Aber auch landschaftliche, historische und vor allem literarische Eindrücke inspirierten den englischen Komponisten. „Er erzählte mir ein-mal“, berichtete Vyvyan Holland, der Sohn Os-car Wildes, „er habe musikalische Tagträume, in derselben Weise wie andere Menschen Tag-träume von Heldentum und Abenteuer hätten, und er könne nahezu jeden Gedanken, der ihm durch den Kopf gehe, in Musik ausdrücken.“ Es waren pessimistische Gedanken, die ihm durch den Kopf gingen, als Elgar 1918 die Kompositi-on seines elegischen Cellokonzerts e-Moll op. 85 begann. Er fühlte sich fremd in einer Zeit, die er als laut, vulgär und materialistisch emp-fand: Alles „Reine“, „Gute“ und „Liebliche“ schien ihm unwiederbringlich verloren.

Das Cellokonzert, ein Werk der nostalgischen Wehmut und des Abschieds, blieb Elgars letz-

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5Edward Elgar: Komponisten-Portrait

tes großes Opus. Nach dem Tod seiner Frau Ali-ce am 7. April 1920 schuf er nur noch wenige und kaum noch neue Werke. Erst gegen Ende seines Lebens, 1932, wagte er sich wieder an eine wirkliche Herausforderung. Elgar begann – im Auftrag der BBC und auf Anregung George Bernard Shaws – die Komposition einer 3. Sym-phonie. Aber es war ihm nicht mehr gegeben, dieses letzte Werk zu vollenden. Das umfang-reiche Skizzenmaterial, das Elgar hinterließ, hat der englische Komponist Anthony Payne mit hingebungsvoller Sorgfalt durchgesehen, geord-

net und auf dieser Basis eine Rekonstruktion und Vervollständigung versucht. In dieser Fas-sung ist Elgars „Dritte“ am 15. Februar 1998 in London uraufgeführt worden – das seither meistdiskutierte Streitthema unter den Elga-rianern in aller Welt. „Wenn ich die 3. Sympho-nie nicht vollenden kann“, hatte Elgar kurz vor seinem Tod gesagt, „wird es ein anderer tun – oder eine bessere schreiben – in 50 oder 500 Jahren. Aus meiner jetzigen Perspektive, am Rande der Ewigkeit, erscheint dies nur wie ein kurzer Moment.“

Edward Elgar um 1913

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6 Edward Elgar: „Introduction and Allegro“

Edward Elgar(1857–1934)

„Introduction and Allegro for Strings“ op. 47

Lebensdaten des KomponistenGeboren am 2. Juni 1857 in Broadheath, Worces-tershire (West Midlands, England); gestorben am 23. Februar 1934 in Worcester.

EntstehungEdward Elgar komponierte sein Streicherstück „Introduction and Allegro“ in den ersten Wo-chen des Jahres 1905 für den Streichkörper des im Vorjahr gegründeten London Symphony Or-chestra und unterteilte die Besetzung in Streich-quartett und Streichorchester – nach dem Vor-bild der in England traditionell äußerst beliebten Concerti grossi oder „Grand Concertos“ mit ihrem Wechselspiel zwischen Tutti und Concer-tino.

Widmung„To his friend Professor S[amuel]. S[imons]. Sanford, Yale University, U.S.A.“ Samuel Simons Sanford (1849–1910) war ein amerikanischer Pianist und Universitätslehrer, der sich zusam-men mit den aus Deutschland stammenden Dirigenten Walter Damrosch und Theodor Thomas engagiert für Aufführungen der Werke Elgars in den USA einsetzte. 1905 wurde dem Kompo-nisten auf Sanfords Initiative der Ehrendoktor der renommierten Yale University verliehen. Im selben Jahr widmete Elgar seinem US-Förderer zum Dank für diese hohe Ehre sein Streicher-stück „Introduction and Allegro“.

UraufführungAm 8. März 1905 in London in der Londoner Queen’s Hall (London Symphony Orchestra un-ter Leitung von Edward Elgar).

„Old Handel“ und die Küste von Wales

Wolfgang Stähr

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Der erste Eindruck

Edward Elgar war überzeugt: „Nichts Besseres ist je für Streicher geschrieben worden.“ Doch muss man sich dieses apodiktische Selbstlob als einen Akt der Gegenwehr erklären – als Trotzreaktion eines gekränkten Künstlers. Des Meisters Werk, „Introduction and Allegro“ op. 47 für Streichquartett und Streichorchester, war bei der Londoner Uraufführung am 8. März 1905, als Elgar einen Abend lang nichts als Elgar dirigierte, noch wohlwollend bis über-schwänglich kommentiert worden. Aber schon bei der zweiten Wiedergabe, am selben Ort, sank die Temperatur in den Bereich kühler Igno-ranz. Daran änderten auch die beherzten Erzie-hungsmaßnahmen nichts, mit denen ein res-pektgebietender Maestro wie Hans Richter dem Werk zu seinem Recht verhelfen wollte. In Manchester, im Dezember 1905, musizierte er es mit seinem Hallé Orchestra gleich zweimal hintereinander. Der Musikkritiker Ernest New-man berichtete: „Der Applaus hielt sich in Gren-zen und galt vornehmlich dem Orchester. Wie auch immer, Dr. Richter nahm den Beifall zum Anlass, die ganze Sache prompt noch einmal zu spielen, von Anfang bis Ende. Und zum allge-meinen Erstaunen: Kaum einer hatte auf diese Wiederholung gehofft.“

Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Heute wird Elgars „Introduction and Allegro“ längst zum Besten gezählt, was je für Streicher (im Ensemble) komponiert worden ist. Für Elgar freilich kam der Erfolg Jahrzehnte zu spät. Der Grund für diesen verschleppten Nachruhm war zunächst rein praktischer Natur: Den englischen

Orchestermusikern fehlte es anfangs noch an technischer Sicherheit und schlichtweg an Pro-benzeit, um das ebenso dankbare wie diffizile Stück zu meistern. Bezeichnenderweise wähl-te Hans Richter für die Erstaufführung in Man-chester ein durchweg gemächliches Tempo – sicher ist sicher –, während Elgars Interpreta-tion beweglich und geschmeidig die starren Taktgrenzen überspielte. Und so empfingen die zeitgenössischen Hörer nur einen schwachen, falschen oder gar keinen Eindruck der Partitur, die ihnen mehr bemüht als gekonnt vorgeführt wurde. Was immer in den letzten hundert Jah-ren schlechter geworden sein mag – die Spiel-kultur der Orchester gewiss nicht !

Brillantes Streicher-Scherzo ?

Am Anfang stand eine verwegene Idee. Elgars Freund, Förderer und Verlagslektor, der im Rheinland geborene August Jaeger, hatte dem Komponisten 1904 ein Bravourstück für das frisch gegründete London Symphony Orches tra nahegelegt, um nicht zu sagen schmackhaft gemacht: „Warum nicht ein brillantes, flottes Streicher-Scherzo oder irgendetwas nur für diese fabelhaften Streicher ? So ein Stück, das Beifallsstürme in Orkanstärke auslöst, ganz wie Bach es geschrieben hätte. Du könntest auch eine moderne Fuge für Streicher schreiben oder für Streicher mit Orgel ! Das würde weggehen wie warme Semmeln.“ Es sei dahingestellt, ob der musikhistorische Hinweis auf Bach, der das Publikum zum Toben gebracht habe, wirklich ernst gemeint war. Elgars kreativer Appetit je-denfalls wurde von diesen leicht überdrehten Zeilen alsbald geweckt. „E. versucht sich an

Edward Elgar: „Introduction and Allegro“

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dem Stück für Streichorchester“, vermerkte sei-ne Frau Alice noch vorsichtig am 22. Januar 1905 in ihrem Tagebuch. Der Meister selbst klang da schon weitaus entschlossener, als er nur vier Tage später dem Freund Jaeger ankün-digte: „Ich mache diese Streicher-Geschichte pünktlich für das Symphoniekonzert fertig. Intro: & Allegro – ohne Durchführung, aber dafür mit der Hölle von einer Fuge. G-Dur und derselbe Höllenspaß in g-Moll mit allen Scherzen nebst Kontrapunkt.“

Das sind nicht gerade die Einlassungen, die sich ein deutscher Leser von einem seriösen Kompo-nisten erwartet. Doch wenngleich „that string thing“, wie Elgar das Werk salopp bezeichnete, zwar ziemlich brillant ausfiel und virtuos – ein schwereloses Scherzo wollte dem Elegiker Elgar nicht gelingen. Humoristisch erscheint das Stück allenfalls im ursprünglichen Wortsinne rasch wechselnder Stimmungen und widerstreitender Temperamente. Der keineswegs unernste, aber spielerische Zug dieser Komposition, an der Elgar erklärtermaßen sein Vergnügen hatte (zumindest bis zur Uraufführung), zeigt sich ohne hin nicht an der Oberfläche, sondern sub-tiler, indirekt, sozusagen um die Ecke gedacht: im intelligenten und bisweilen ironischen Um-gang mit der Musikgeschichte. Dabei führt die Spur nicht unbedingt zu Johann Sebastian Bach, trotz der zweiteiligen Form und ihrer entfernten Verwandtschaft mit dem Modell von Präludium und Fuge. Ebenso vage und eher atmosphärisch bleibt der Anklang an die barocke französische Ouvertüre, Inbegriff des „genre pathétique“, das Elgar mit dem majestätischen, vollgriffigen Eröffnungsgestus heraufbeschwört, um es je-doch sogleich in leichter, luftiger Figuration

aufzulösen. Über diese Takte schrieb er im Autograph ein Zitat aus Shakespeares Drama „Cymbeline“, die Worte: „Smiling with a sigh“, die man im Deutschen wohl am besten mit dem fast sprichwörtlichen „Lächeln unter Tränen“ wiedergäbe.

Concerto grosso mit Meerblick

Als Elgar nach seinem Geheimnis befragt wur-de, nach seinem untrüglichen Gespür für Klang und Eigenart der Streichinstrumente, gab er knapp und klar zur Antwort: „Study old Handel.“ Das Studium des englischen Nationalkomponis-ten George Frideric Handel – gemeint ist natür-lich Georg Friedrich Händel aus Halle, ab 1727 britischer Staatsbürger – konnte er nur emp-fehlen. Dessen „Grand Concertos“ boten ohne-hin den interessantesten Anknüpfungspunkt, denn mit seinem geteilten Ensemble aus Streich-quartett und Streichorchester steht Elgars „In-troduction and Allegro“ unverkennbar in der Tradition Händels und mittelbar in der Nach-folge des ursprünglich italienischen Concerto grosso, das ganz aus dem dynamischen Kon-trast, dem Wettstreit und Wechselspiel zwischen dem Concertino, dem „kleinen Konzert“ der So-listen, und dem namensgebenden „großen Kon-zert“ des Orchesters lebte. Als die Italiener sich längst von dieser Konzertform losgelöst hatten und auf dem Festland unaufhaltsam der Sieges-zug der Symphonie voranschritt, pflegten die Briten noch immer eine mit der Zeit recht ana-chronistische Vorliebe für das Concerto grosso. Gerade die in allen englischen Städten höchst umtriebigen „amateur orchestral societies“ schätzten diese Kunstübung ungemein, und zwar aus aufführungspraktischen Gründen:

Edward Elgar: „Introduction and Allegro“

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Edward Elgar mit Tochter Carice (1900)

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10 Edward Elgar: „Introduction and Allegro“

Geladene Berufsmusiker konnten die virtuosen Solopartien übernehmen, derweil sich die „gen-tlemen amateurs“ im Tutti bewährten.

Von einem solchen Niveaugefälle kann bei Elgars „Introduction and Allegro“ freilich keine Rede sein, und hätten sich die Zeitgenossen seine Partitur in falscher Erwartung und aus Gewohnheit als gefällige Hausmusik auf die Pulte gelegt, wäre der Irrtum spätestens mit der ersten Probe offenbar geworden. Selbst die hauptamtlichen Streicher der professionellen Orchester kamen ja anfangs arg ins Schwitzen bei diesem Werk ! Elgar hatte die barocken und bürgerlichen Traditionen in seiner Musik weni-ger „aufgehoben“ als vielmehr „gebrochen“, oh-ne deshalb schon ein frühes Beispiel des musi-kalischen Neoklassizismus zu kreieren. Stärker als die „höllisch“ gewitzte und hintersinnige Fuge, die sich am Ende selbst aus den Angeln hebt und buchstäblich aus den Fugen gerät, be-stimmt ein anderer Ton den Charakter dieser Komposition: „the Welsh tune“, zuerst in der Introduktion von der Soloviola intoniert, eine walisische Melodie oder, besser gesagt, die Essenz walisischer Volkslieder, wie sie Elgar Jahre zuvor bei einem Urlaub an der Cardigan Bay gehört hatte, „zwischen dem blauen Meer und dem blauen Himmel“. Und wieder kreist al-les um die Vergangenheit, doch mitnichten im neoklassizistischen Sinne einer Stilkopie oder Als-ob-Ästhetik. Eine romantische Sehnsucht nach „uralter Zeit“ und versunkenen Paradiesen spricht aus dieser Weise, „the Welsh tune“. Für Elgar kam sie einem Bekenntnis nahe oder zu-mindest doch einem Geständnis, einer fortwäh-

renden Trauer oder Traurigkeit, die er in wun-derbare Kantilenen zu bannen wusste: Schö-neres ist selten für Streicher geschrieben wor-den.

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Niccolò Paganini(1782–1840)

Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 D-Dur op. 6

1. Allegro maestoso2. Adagio espressivo3. Rondo: Allegro spirituoso – Un poco più presto

Lebensdaten des KomponistenGeboren am 27. Oktober 1782 in Genua; gestor-ben am 27. Mai 1840 im damals zum Königreich Sardinien gehörenden Nizza.

EntstehungWann genau und unter welchen Umständen das Konzert entstand, ist nach wie vor ungeklärt. Während sich in der älteren Literatur die Jahre 1811 bzw. 1817/18 als Kompositionszeitraum finden, geht man heute von einer Entstehung um 1816 aus. Paganini war zu jener Zeit als ge-feierter Virtuose fast ununterbrochen auf Rei-sen, hauptsächlich im Norden Italiens, und be-nötigte immer wieder neue Stücke für seine Tourneen.

FassungenDas Violinkonzert erschien erst elf Jahre nach Paganinis Tod im Druck, und zwar in Paris und Mainz (Schott-Verlag) gleichzeitig. Statt der originalen Version in Es-Dur mit transponieren-der Geigenstimme setzte sich schon bald die D-Dur-Fassung durch.

UraufführungAuch über die Uraufführung ist nichts bekannt. Dass der Komponist selbst den Solopart spielte, darf aber als sicher gelten. Aus Sorge vor Ko-pisten und Nachahmern gab Paganini die Noten seiner Paradestücke prinzipiell nie aus der Hand.

„Der Unterwelt entstiegen“ ?

Marcus Imbsweiler

Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur

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Niccolò Paganini gilt bis heute als Inkarnation eines Virtuosentums, das keine natürlichen Grenzen zu kennen scheint. Sein Beiname „Teu-felsgeiger“ kommt nicht von ungefähr, verweist er doch einerseits auf eine an Hexerei gemah-nende Spieltechnik, andererseits auf deren gekonnte Inszenierung. Wenn Paganini auftrat, erfüllte er auch optisch alle Anforderungen des Dämonischen. Einen „Mephisto“ an der Geige nannte ihn der Kritiker Ludwig Rellstab, und Heinrich Heine beschrieb ihn als „dunkle Ge-stalt, die der Unterwelt entstiegen zu sein schien“. Wer aber steckte wirklich hinter der Maske dieses Dunkelmanns ?

„Größter Violinspieler der Welt“

Beim nüchternen Blick ins Buch seines Lebens fällt zunächst auf, dass Paganinis Weg zum „Superstar“, zum unübertroffenen Geiger der Musikgeschichte so geradlinig nicht war. Auch wenn viele Details seiner musikalischen Aus-bildung noch im Dunkeln liegen, scheint sie doch deutlich weniger fundiert gewesen zu sein als die eines Mozart oder Liszt. Zwei seiner Geigenlehrer sind namentlich bekannt, das meiste allerdings soll sich Paganini autodidak-tisch angeeignet haben. Nur kurz genoss er Kompositionsunterricht bei dem angesehenen Fernando Paër. Gastspiele als reisender Virtuo-se, der Kontakt mit dem Publikum: All dies blieb über Jahre hinweg auf das nördliche Italien be-schränkt, vor allem auf Parma, Lucca und seine Heimatstadt Genua. In Lucca hatte er zudem bis 1809 eine Anstellung als Orchesterleiter inne. Mit 30 Jahren war Paganini eine Berühmtheit – aber nur im eigenen Land.

Gleichwohl drang sein Ruf unaufhaltsam über die Alpen. 1813, nach einem Konzert in der Mai-länder Scala, berichtete der Korrespondent der Leipziger „Musikalischen Zeitung“ seinen Le-sern, Paganini sei „ohne Zweifel in gewisser Hinsicht der erste und größte Violinspieler der Welt“ und seine Virtuosität schlichtweg „un-begreiflich“. Der Rezensent benannte auch die speziellen Qualitäten von Paganinis Kunst: sei-ne delikaten Sprünge und Doppelgriffe, das mehrstimmige Spiel, die Nachahmung anderer Instrumente, die vollkommene Intonation sowie das Spiel auf nur einer Seite, wahlweise durch Pizzicato ergänzt.

Der Superstar als kranker Mann

Die folgenden Jahre waren durch intensive Kon-zerttätigkeit gekennzeichnet. Aber auch jetzt scheute Paganini den Weg ins nördliche Euro-pa, um sich dafür zwischen Turin und Palermo von seinen Landsleuten feiern zu lassen. Erst 1828, im Alter von 45 Jahren also, entschloss er sich zu einer Reise nach Wien. Mit ihr be-gann die eigentliche Paganini-Hysterie, der Me-dienrummel um seine Person, der die anschlie-ßenden fünf Tournee-Jahre prägen sollte: in Deutschland und Polen, in Frankreich, Belgien und England. Nun erst war der Geiger zum in-ternationalen Ereignis geworden.

An jedem Ort eilten Paganini wilde Gerüchte über seinen Lebenswandel und seine zahllosen Affären voraus, die zum Teil einen wahren Kern besaßen, zum weitaus größeren Teil aber er-funden waren. So hatte er angeblich eine Ge-liebte erstochen und dafür vier Jahre im Ge-

Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur

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Niccolò Paganini 1828, im Jahr seiner ersten Auslandsreise (Anonymus, nach einer Lithographie von Josef Kriehuber)

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fängnis gesessen, wo er aus Not das Spiel auf seiner letzten verbliebenen Violinsaite perfek-tioniert habe. Dass das Publikum vor seinem Äußeren erschauerte, hatte allerdings einen profanen Grund: Paganini war ein von vielen Krankheiten gezeichneter Mann. Seine Verdau-ungsbeschwerden und sein Husten waren be-reits chronisch, er litt an den Symptomen einer Syphiliserkrankung sowie an den Folgen der Behandlung mit Quecksilber, hatte Probleme mit Prostata und Blase und eine empfindliche Haut. Über Jahre nahm er große Mengen Ab-führmittel zu sich. Häufige Zahnfleischentzün-dungen führten zum völligen Verlust seiner Zäh-ne. Gegen Ende seines Lebens konnte er nicht mehr sprechen, sondern musste sich – wie Hec-tor Berlioz berichtete – über handgeschriebene Zettel verständlich machen. Todesursache war letztlich eine fortschreitende Tuberkulose-erkrankung.

Inszenierungen für das Publikum

Paganinis „dämonisches“ Aussehen, seine fahl-häutige Magerkeit und das eingefallene Gesicht mit der spitzen Nase, resultierte also aus seiner Krankheitsgeschichte. Verstärkt wurde es durch seine tiefschwarze Kleidung und das lange Haar. Lassen wir noch einmal Heinrich Heine zu Wort kommen, der Paganini 1830 in Hamburg erlebte: „Der schwarze Frack und die schwarze Weste von einem entsetzlichen Zuschnitt, wie er viel-leicht am Hofe Proserpinens von der höllischen Etikette vorgeschrieben ist […] Ist das ein Le-bender, der im Verscheiden begriffen ist ? Oder ist es ein Toter, der aus dem Grabe gestiegen, ein Vampir mit der Violine, der uns, wo nicht

das Blut aus dem Herzen, doch auf jeden Fall das Geld aus den Taschen saugt ?“

Über solchen Äußerlichkeiten darf man nicht vergessen, dass Paganini bei den meisten sei-ner Musikerkollegen große Achtung genoss. Rossini, Schubert, Liszt, Berlioz, Schumann und viele andere waren von seiner Virtuosität nach-haltig fasziniert, auch wenn es unter rein äs-thetischen Gesichtspunkten etliches zu kritisie-ren galt. „Seine linke Hand“, schrieb Louis Spohr, selbst ein exzellenter Geiger, „die immer reine Intonation und seine G-Saite sind bewunde-rungswürdig. In seinen Kompositionen und sei-nem Vortrag ist aber eine so sonderbare Mi-schung von höchst Genialem und Kindischem und Geschmacklosem, weshalb man sich ab-wechselnd angezogen und abgestoßen fühlt.“ Dessen war sich Paganini offenbar bewusst. Im Gespräch mit Spohr gab er zu, „für das gro-ße Publikum“ zu spielen und zu komponieren – den Kennern müsse er sich „auf eine andere Art“ zeigen.

Virtuosität als ästhetisches Konzept

Beides, Kennerschaft und sicheres Gespür für Effekte nämlich, kann das 1. Violinkonzert für sich in Anspruch nehmen. In der Wahl der The-men und der Gesamtanlage bewies Paginini hier ein deutlich glücklicheres Händchen als in den späteren Konzerten mit ihrem kräftigen Bravour-Anstrich. Lebt der erste Satz von seinem stän-digen Wechsel zwischen gesanglichen Passa-gen und virtuosem Furor, ist der zweite eine melodiös-dramatische Szene, fast eine Opern-

Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur

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cavatine, bevor das Schlussrondo wieder ein Panorama geistvoller Artistik bietet.

Auf musikalischer Ebene macht das Werk zwei-erlei deutlich: Paganinis Nähe zur italienischen Belcanto-Oper sowie seine Begabung, eingän-gige Melodien zu erfinden. Dass die Demon-stration geigerischer Virtuosität ein Hauptzweck der Komposition ist, braucht nicht eigens betont zu werden. Nur dient sie in diesem Fall nicht dazu, den vorhandenen Melodienreichtum durch brillanten Dekor zu trivialisieren. Vielmehr ist sie integraler Bestandteil eines ästhetischen Kontrasts: So, wie der Solist unablässig in neue halsbrecherische Figurationen auszubrechen droht, fällt er doch immer wieder zurück in eine konzentrierte, fast demütige Haltung vor dem schlichten Liedthema.

Hexenkünste und Belcanto

Gelungene Beispiele kennt dieses Konzert zu-hauf: etwa die Passage nach dem zweiten Tutti im Allegro maestoso, wenn die Solovioline mehrfach zwischen innigem Gesang und har-schen Triolenterzen wechselt. Oder der Mittel-teil des Finales, in dem die G-Dur-Kantilene zwei-mal erklingt: einmal sonor auf der G-Saite ge-spielt und dann silbrig in höchster Lage, als Flageolett-Melodie. Im zweiten Satz steht Vir-tuosität komplett im Dienst der Ausdrucksviel-falt, und hier gelingen Paganini auch packende, harmonisch intensive Momente, die erahnen lassen, was für ein exzellenter Opernkomponist aus ihm hätte werden können – wäre er kein so herausragender Geiger gewesen.

Aber bevor man sich in derartigen Spekulatio-nen verliert, sei auf die Errungenschaften hin-gewiesen, die das moderne Geigenspiel dem Italiener verdankt. Hier sind es die atemberau-benden Terz-, Sext- und schließlich Dezimen-gänge im ersten Satz, der blitzschnelle Wechsel zwischen tiefster und höchster Lage, das Zup-fen mit der linken Hand, der Einsatz des Spring-bogens und vor allem die zweistimmigen Flage-oletts im letzten Satz, die als Erfindung Paga-ninis gelten und die das zeitgenössische Publi-kum schier zur Raserei brachten.

Eine Besonderheit gilt es noch zu erwähnen, die ebenfalls den Aspekt des Darstellerischen berührt. Solo- und Tuttistimmen des Konzerts waren ursprünglich in unterschiedlichen Ton-arten notiert, die des Solisten in D-, die des Orchesters in Es-Dur. Paganini pflegte seine Geige einen Halbton höher zu stimmen, so dass sein Part ebenfalls in Es klang. Durch die etwas hellere Intonation hob sich sein Instrument bes-ser vom Orchester ab, zudem ließen sich in der Geigentonart D-Dur spektakulärere Effekte re-alisieren. Die heute übliche D-Dur-Fassung stellt also streng genommen eine Bearbeitung dar.

Niccolò Paganini: 1. Violinkonzert D-Dur

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Edward Elgar(1857–1934)

Symphonie Nr. 1 As-Dur op. 55

1. Andante: Nobilmente e semplice – Allegro2. Allegro molto3. Adagio4. Lento – Allegro

Lebensdaten des KomponistenGeboren am 2. Juni 1857 in Broadheath, Wor-cestershire (West Midlands, England); gestorben am 23. Februar 1934 in Worcester.

EntstehungDer erste Einfall zum zyklischen „Motto“-Thema der As-Dur-Symphonie ist Edward Elgar nach eigener Aussage im Januar 1907 in Rom durch den Kopf gegangen, und zwar beim Anblick der Via Appia Antica. Doch nicht vor Juni 1907 be-gann er mit der mehr oder weniger planmäßigen Komposition, in die er allerdings auch eine äl-tere Skizze von 1904 einbezog. Nach gut einem Jahr, am 25. September 1908, konnte Elgar die Partitur vollenden – und erlitt vor Erschöpfung einen Nervenzusammenbruch.

Widmung„Hans Richter, Mus. Doc. True artist and true friend.“ Der österreichisch-ungarische Dirigent Hans Richter (1843–1916) erwarb sich größte Verdienste um die Pflege der Werke von Wag-ner, Bruckner, Brahms, Dvorák und Elgar, von denen er zahlreiche zur Uraufführung brachte.

UraufführungAm 3. Dezember 1908 in Manchester / England in der Free Trade Hall (Hallé Orchestra Man-chester unter Leitung von Hans Richter); Elgars Erstlingswerk auf dem Gebiet der Symphonie wurde in Großbritannien von Anfang an als eines der wenigen epochalen Ereignisse der englischen Musikgeschichte gefeiert.

Angst und Apotheose

Wolfgang Stähr

Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur

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Endlich: eine englische Symphonie !

Wer einen flüchtigen Blick in das Werkverzeich-nis Edward Elgars wirft, müsste zu dem Ein-druck gelangen, die Symphonie habe in seinem Schaffen kaum eine Rolle gespielt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie hat ihn verfolgt, er hat sie gesucht, die Herausforderung der „gro-ßen Symphonie“. Über Jahrzehnte finden sich Spuren symphonischer Projekte, Ideen, Skizzen, Anfänge, programmatische Titel, Bemerkungen und Andeutungen in Briefen und Tagebüchern. Vollendet allerdings hat Elgar nur zwei Sympho-nien. Oder drei, wenn man ein ungewöhnliches Studienexperiment aus dem Jahr 1878 mitzählt: „Ich habe einmal eine Partitur mit denselben In-strumenten und derselben Anzahl von Takten eingerichtet wie in Mozarts g-Moll-Symphonie“, verriet Elgar, „und in diesem Rahmen schrieb ich eine Symphonie, indem ich so genau wie möglich den Konturen seiner Themen und sei-nen Modulationen folgte. Ich tat dies aus eige-nem Antrieb, als ich nach Licht im Dunkeln suchte, aber jetzt, im Rückblick nach 30 Jahren, wüsste ich keine Übung, von der ich mehr pro-fitiert hätte.“ 1898 kreisten seine Gedanken um eine „heroische Symphonie“ über das Leben des General Gordon, des britischen Gouverneurs der ägyptischen Provinz Sudan, der 1885 im Kampf gegen die Aufständischen gefallen war. Aber verwirklicht hat Elgar diesen Plan nie.

Zehn Jahre später sah die Welt ganz anders aus, als Elgar – seit 1904 Sir Edward – mit seiner Ersten Symphonie in As-Dur op. 55 ungeahnte Triumphe feiern durfte. Nach der Uraufführung durch das Hallé Orchestra am 3. Dezember 1908 erklärte der „Manchester Guardian“ im Über-

schwang des historischen Augenblicks: „Dass es sich um das erhabenste Werk handelt, das je ein englischer Komponist für Instrumente er-dacht hat, daran gibt es keinen Zweifel.“ Dieser Glaubenssatz spricht zwar nicht gerade für ein tieferes musikgeschichtliches Gedächtnis – als hätten William Byrd, John Dowland, Matthew Locke und Henry Purcell nie existiert –, aber er bezeugt und bewahrt die spannungsgeladene Atmosphäre einer epochalen Premiere, die fast schon hysterische Hochstimmung, mit der das englische Publikum seinen symphonischen Lands-mann bejubelte. Der Aspekt der nationalen Ge-nugtuung sollte nicht unterschätzt werden – endlich konnte man der erdrückenden Übermacht der deutschen, französischen oder russischen Musik ein eigenes Meisterwerk entgegenset-zen: ein englisches Werk eines englischen Meis-ters. Eine englische Symphonie ! „Nach dem außergewöhnlich schönen und ergreifend aus-drucksstarken langsamen Satz wurde der Kom-ponist auf das Podium gerufen, um sich vielmals zu verbeugen vor einer Menschenmenge, die nahezu außer sich war in ihrer Begeisterung“, berichtete der „Daily Telegraph“. „Diese Szene wiederholte sich am Schluss, und niemand ap-plaudierte herzlicher als die Musiker des Or-chesters, die sich wie ein Mann erhoben und Elgar hochleben ließen, dass die Wände erbeb-ten.“

Aus großer Zeit

Vier Tage später griff der Ausnahmezustand auf die Hauptstadt über. Hans Richter, der Dirigent der Uraufführung und Widmungsträger der Sym-phonie, stellte Elgars „Erste“ mit dem London Symphony Orchestra in der Queen’s Hall vor, in

Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur

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einem zum Bersten gefüllten Saal und vor einer bis zur Raserei entzückten Hörerschaft, die den Komponisten schon nach dem ersten Satz auf die Bühne drängte, abermals nach dem „Ada-gio“, und die zuletzt mit Beifallsgebrüll sonder-gleichen und „standing ovations“ ihrer über-kochenden Euphorie Luft verschaffte. Viele Leu-te kletterten sogar auf die Sitze, in einem klas-sischen britischen Konzert ! Und bald fing auch das Festland Feuer: mit annähernd hundert Aufführungen binnen weniger Monate, in Wien, Berlin, Leipzig, Sankt Petersburg, schließlich sogar in Sydney und den Vereinigten Staaten. Selbst Arthur Nikisch ging mit dem Stück auf Tournee. „Die Symphonie legt eine steile Karri-ere hin“, freute sich Elgar, „und ich erhalte ber-geweise Briefe von bekannten und unbekannten Absendern, die mir mitteilen, wie sehr meine Musik sie erhebe: Ich wünschte, dass sie auch mich erheben würde – ich habe gerade die Mie-te bezahlt, die Grundsteuer, die Einkommen-steuer und was sonst noch alles fällig war.“ Aber so viel Erfolg ruft zwangsläufig auch die Opposition auf den Plan. Die Rolle des Spiel-verderbers übernahm der in jeder Hinsicht, in-tellektuell wie finanziell, unabhängige Dirigent Sir Thomas Beecham, der zwar ebenfalls Elgars As-Dur-Symphonie auf die Programme seiner Konzerte setzte, aber freilich in rabiat gekürzter Werkgestalt. Seine Abneigung gegen diese Mu-sik mochte er nicht verhehlen: Elgars Komposi-tion erinnerte ihn an die neugotische Bahnhofs-architektur der „St. Pancras Station“ in London.

Ein maliziöser Vergleich, der auf den Vorwurf rückwärtsgewandter Größe und imperialer At-titüde hinausläuft und sich damit auf die Au-ßenseite, sozusagen die Schauseite dieser

Symphonie einschießt – und auf die zeitgenös-sische Fassadenkultur, die ja keineswegs bloß in Großbritannien den offiziellen Geschmack beherrschte. Aber dieser selbstherrlichen Äs-thetik ist Elgars Partitur allenfalls auf den letz-ten Seiten verschrieben, im großen Finale, in der alles übertrumpfenden Apotheose, bei der man tatsächlich jeden Moment damit rechnet, dass gleich die Glocken von Westminster Ab-bey läuten und die Kanonen im Hyde Park ge-zündet werden. Dergleichen Assoziationen drängen sich auf bei einer Symphonie „aus gro-ßer Zeit“, der „Edwardian Era“, der Goldenen Ära König Edwards VII., als dessen Exponent Elgar gemeinhin und etwas oberflächlich be-trachtet wird. Doch sollte spätestens der zwei-te Satz der As-Dur-Symphonie die Zweifel näh-ren an vorschnellen Rückschlüssen, denn der protzige Marsch, den Elgar hier in Gang setzt, zeigt einen Hang zum Übertriebenen, zu Gro-teske und Grimasse, zur Selbstparodie, und gerät ohnehin alsbald ins Schlingern, als wäre „St. Pancras“ den Neubauplänen der Dekon-struktivisten anheimgefallen.

Seine Musik brodelte und wallte

Natürlich, Elgars Symphonie beansprucht Grö-ße: in der Besetzung des Orchesters, in der zeitlichen Ausdehnung von fast einer Stunde Spieldauer, in der extremen, das menschliche Ohr im Leisen wie im Lautstarken strapazieren-den Dynamik und vor allem – mit dem langen Atem episch weiträumiger Entwicklungen. An-dererseits umschließt der prunkvolle Rahmen der Symphonie ein wahres Wimmelbild an mu-sikalischen Details, eine zuweilen fast undurch-dringliche Fülle an flirrenden, flüchtigen, ver-

Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur

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schlungenen, verwirrenden Linien, Stimmen und Figuren. Aber dieser grundlegende musikalische Widerspruch zwischen dem majestätischen Gro-ßen und Ganzen und dem schwirrenden, schwan-kenden Innenleben der Musik entsprach genau dem Willen des Komponisten. Und auch seinem „Wesen“, so scheint es, zumindest bei der Schil-derung des Dirigenten Elgar, also des Kompo-nisten als öffentlicher Figur. „Er hielt sich auf-recht, hatte ein beinah militärisches Gehabe und unterschied sich überhaupt stark von dem landläufigen Bild eines Musikgenies“, erzählte

der Geiger William Henry Reed. „Durch die Be-wegungen seiner feingliedrigen, wohlgeformten Hände konnte er alles aus den Orchestermit-gliedern herausholen, was er sich nur wünsch-te, aber auch durch seinen Blick, der die ganze Skala des Empfindens widerspiegelte, durch den Ausdruck seines Gesichts, das sich wun-derbar aufhellte, wenn ihm die ersehnte Ant-wort entgegenklang und seine Musik so bro-delte und wallte, wie es ihm innerlich vor-schwebte.“

Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur

Edward Elgar leitet die erste Einspielung seiner Werke (1914)

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Ein anderer Zeitgenosse, der legendäre briti-sche Musikkritiker Ernest Newman, lernte Elgar als einen „außergewöhnlich nervösen, in sich gespaltenen und insgeheim unglücklichen Men-schen“ kennen, der in Furcht gelebt habe vor den dunklen Seiten und Unwägbarkeiten des nationalen Renommees: „Während er zweifel-los befriedigt war über seinen Ruhm, hatte er tief im Innersten seines Herzens Angst vor der Zukunft.“ Nun muss deshalb Elgars erste Sym-phonie nicht glattweg zu einem Selbstportrait oder Psychogramm des Komponisten umgedeu-tet werden, auch wenn die Unruhe und Nervo-sität der Musik unverkennbar ihren Schöpfer verrät, allem „militärischen Gehabe“ zum Trotz. Die Symphonie eines „English Gentleman“, der hinter der Noblesse seines formvollendeten Auftretens das Chaos seiner Seele verbarg, das Brodeln und Wallen einer ungeklärten, „gespal-tenen“ Existenz ? Elgars erste Symphonie als tönende Autobiographie eines „unglücklichen Menschen“ ?

„Fahr wohl, Pracht, Pomp und Rüstung“

Mindestens so plausibel wie solche „Mutma-ßungen über Edward“ erscheint es, den inneren Widerspruch der Musik als Zeitdiagnose zu ver-stehen: als das Gleichnis einer Epoche im Para-dox. Der behaupteten Größe, dem zur Schau getragenen Selbstbewusstsein stünde demnach die fiebrige Geschäftigkeit, der ziellose Aktio-nismus einer Gesellschaft im Auf-, Um- oder Zusammenbruch gegenüber. Die „große Sym-phonie“ bewahrt zwar noch die Form, den An-schein der verbürgten Ordnung, um sich zugleich

doch in tausend Einzelereignisse aufzulösen, die Auge und Ohr des Betrachters kaum noch zu unterscheiden, geschweige denn zu ent-schlüsseln vermögen. Nichts bleibt, wie es ist; nichts versteht sich mehr von selbst. Ein „ner-vöser“ Komponist und Außenseiter wie Edward Elgar erkannte dieses Dilemma der Moderne gewiss eher (und ängstlicher !) als die unbeirr-baren Repräsentanten des British Empire, der europäischen „Welt von Gestern“, die von der zeitlosen Überlegenheit ihrer gottgegebenen Herrschaft überzeugt waren. Die wehrhafte, burgähnliche und festungsartige Architektur der Jahrhundertwende schloss jeden Wandel aus. Elgars erste Symphonie schloss jeden Wechsel ein, bis alles brodelte und wallte und ewige Größe sich als Trug erwies. „O, now, for ever Farewell the tranquil mind“, klagt Othello in Shakespeares Tragödie. „Fahr wohl, des Her-zens Ruh’ ! … Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs !“ An diese Worte hatte El-gar sich erinnert, als er Militärmärsche für Or-chester geschrieben und einen passenden – zwiespältigen – Titel gesucht hatte: „Farewell pride, pomp, and circumstance of glorious war !“

Denn Heldentum war nur noch eine Illusion. El-gars As-Dur-Symphonie beginnt nachgerade wie eine „Anti-Eroica“. Zwei Schläge des Orchesters eröffnen hier wie dort den ersten Satz, noch vor dem eigentlichen Thema, aber anders als in Beethovens Dritter sind es nur Tiefschläge, nicht schneidend und stark wie ein Signal zur Attacke, sondern dumpf und mürbe: ein Anfang wie ein Abbruch. Dann hebt, „nobilmente e semplice“, das zyklische Hauptthema des ers-ten Satzes und der gesamten Symphonie an,

Edward Elgar: 1. Symphonie As-Dur

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eine Art feierlicher, wenn nicht gar sakraler Marsch über dem „walking bass“ der Celli und Kontrabässe, eine zeremonielle Musik wie bei einer Prozession oder dem Einzug der Priester, obendrein mit unüberhörbaren Anklängen an das „Abendmahlsmotiv“ aus Richard Wagners „Parsifal“. Edward Elgar war gläubiger Katho-lik, aber auch Pilger gen Bayreuth, wenngleich seine skeptische Natur alle hochfliegenden Be-kenntnisse auf ein menschliches Maß reduzier-te. Der Marsch, das „Motto“ der As-Dur-Sym-phonie, kehrt wieder und wieder, er mischt sich ein, er schleicht sich buchstäblich von hinten heran, wenn er (gegen Ende des ersten und am Anfang des letzten Satzes) zuerst von den hin-tersten Pulten der Streicher intoniert wird: „Last desk only“, schreibt Elgar in die Partitur. Sofern ihm bei dieser ungewöhnlichen Anweisung nicht bloß am klanglichen Effekt gelegen war, könn-te man über eine christlich inspirierte Symbolik nachsinnen: „Die Letzten werden die Ersten sein.“ Nicht zu vergessen, dass Elgar selbst seine langwierige Laufbahn als Orchestergei-ger in der Provinz begonnen und erklärtermaßen unter der sozialen Missachtung gelitten hatte, die dem Musikerstand traditionell in England begegnete. Noch Colin Davis wusste, wie sehr die Musik in Großbritannien „mit dem Ruch ge-sellschaftlicher und intellektueller Minderwer-tigkeit behaftet“ war. Elgar jedenfalls fühlte sich wie gebrandmarkt, wenn er sich mit dem Geigenkasten auf offener Straße durch die feind-selige Menge bewegen musste. „Last desk on-ly“: daraus spricht der Stolz und Trotz des De-klassierten.

Die Weisheit des Letzten

Was aber soll es bedeuten, dass zu guter Letzt, am Ende der Symphonie, das „Motto“ wie ein Sieger gefeiert wird, mit Pracht, Pomp und Rüs-tung ? Dramaturgisch ähnelt diese Schlusspoin-te der Fünften Symphonie Tschaikowskys, in der sich das finstere, fatale Leitmotiv des An-fangs schließlich in lauter Jubel, Glanz und Glo-ria verwandelt: „per aspera ad astra“. Doch während Tschaikowsky das Thema seiner Sym-phonie eindeutig mit der Macht des Schicksals identifizierte, ließ Edward Elgar den tieferen Sinn, den gedanklichen Grund seines „Mottos“ im Dunkeln. „Die Symphonie ohne ein Programm ist die höchste Errungenschaft der Kunst“, hat-te Elgar gesagt – und gelehrt: in einer Vorlesung an der Universität von Birmingham. Und über seine „Erste“ schrieb er es noch einmal: „Sie hat kein Programm außer einer reichen Lebens-erfahrung und einer großen Barmherzigkeit (Lie-be) und einer gewaltigen Hoffnung auf die Zu-kunft.“ Aber dieses Programm ist tatsächlich „kein Programm“ – oder allenfalls ein Passepar-tout, das mehr oder minder auf jede Symphonie zuträfe. Eine Hoffnung auf die Zukunft ? Die ers-te Idee zu seinem „Motto“-Thema war Elgar auf einer Romreise in den Sinn gekommen, an der Via Appia Antica: im Angesicht der Vergangen-heit. „Farewell pride, pomp, and circumstance of glorious war !“ Elgars Leben glich einem lan-gen Lebewohl. Er stand mit dem Rücken zum neuen Jahrhundert. Elgar wäre der Letzte ge-wesen, der sich als Erster verstanden hätte, und war doch der Erste, der die Würde und Weisheit des Letzten verteidigte.

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22 Die Künstler

Karl-Heinz SteffensDirigent

Der 1961 in Trier geborene Dirigent Karl-Heinz Steffens studierte Klarinette in Stuttgart und war bis 2007 Soloklarinettist der Berliner Phil-harmoniker. Nachdem er seine Tätigkeit dort be-endet hatte, leitete er von 2008 bis 2013 als Ge-neralmusikdirektor die Staatskapelle Halle sowie als künstlerischer Direktor das dortige Opern-haus. Seit 2009 ist er Chefdirigent der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz.

Karl-Heinz Steffens dirigierte renommierte Or-chester: die Berliner Philharmoniker, das Baye-rische Staatsorchester München, die Bamberger Symphoniker, die Sächsische Staatskapelle

Dresden, die Rundfunkorchester in Köln, Frank-furt, Leipzig, Stuttgart und Hamburg. Er war Gast des Orchestre Philharmonique de Radio France, des Amsterdam Philharmonic Orchestra, der Or-chester in Helsinki, Kopenhagen, Birmingham, des Hallé Orchestra, des NHK Symphony Orches-tra Tokyo, der beiden Orchester in Zürich und der Wiener Symphoniker.

Mit „Fidelio“ gab Karl-Heinz Steffens 2008 sein Debüt an der Staatsoper Unter den Linden, was unmittelbar zu Wiedereinladungen führte. So leitete er dort bereits „Tosca“, „La Traviata“ und „Die verkaufte Braut“. Im Januar 2012 gab Karl-Heinz Steffens mit „Don Giovanni“ sein gefeier-tes Debüt an der Mailänder Scala und dirigierte diese Produktion im Herbst des Jahres auch am Bolschoi-Theater in Moskau. Im Mai 2013 über-nahm er für den erkrankten Daniel Barenboim die Premiere der Neuproduktion von Wagners „Götterdämmerung“ und kehrte im Juli 2014 mit „Cosí fan tutte“ erneut an das bedeutende Mai-länder Opernhaus zurück.

Internationales Aufsehen erregte die von Karl-Heinz Steffens mit Hansgünther Heyme reali-sierte Neuinszenierung des „Ring des Nibelun-gen“ in Halle und Ludwigshafen. Während die Sängerbesetzung übergreifend für beide Spiel-stätten ausgewählt wurde, blieben beide Or-chester in ihrer jeweiligen Spielstätte. 2013 mündete das Großprojekt in einer Gesamtauf-führung des Rings beider Orchester in beiden Städten.

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2323Die Künstler

Nemanja RadulovicVioline

Geboren 1985 in Serbien, studierte Nemanja Radulovic an der Fakultät für darstellende Küns-te in Belgrad bei Dejan Mihailovic und an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken bei Joshua Epstein. Im Alter von 14 Jahren wurde er am renommierten Pariser Konservatorium in die Klasse von Patrice Fontanarosa aufgenom-men. Außerdem nahm er an Meisterklassen von Yehudi Menuhin, Joshua Epstein, Dejan Mihailo-vic und Salvatore Accardo teil.

Als Einspringer für Maxim Vengerov gab er 2006 mit Beethovens Violinkonzert sein viel beach-tetes Debüt mit dem Orchestre Philharmonique

de Radio France unter der Leitung von Myung-Whun Chung. Seither tritt er mit den führenden Orchestern Europas, Asiens und Amerikas auf, darunter das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin, das Tonhalle Orchester Zürich, das Or-chestre Philharmonique de Radio France, das London Royal Philharmonic Orchestra, das Or-chestre symphonique de Montréal und das Tokyo Symphony Orchestra.

Das Spiel Nemanja Radulovics wurde mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. beim internationalen Joseph-Joachim-Violin-wettbewerb in Hannover, beim George-Enescu-Wettbewerb in Bukarest, beim Antonio-Stra-divari-Wettbewerb in Cremona, beim Yehudi-Menuhin-Wettbewerb in Boulogne-sur-Mer und beim Wieniawski-Lipinski-Wettbewerb in Polen.

Mit seinen beiden Ensembles „The Devil‘s Trill“ und „Double Sens“ ist er Gast bei führenden Konzerthäusern und Festivals in Europa und Asien. Zahlreiche Einspielungen, in denen sich Nemanja Radulovic sowohl als Solokünstler als auch zusammen mit seinen beiden Ensembles präsentiert, wurden von der internationalen Presse gefeiert und mit Preisen ausgezeichnet. 2014 wurde er bei den Victoires de la Musique in Cannes zum Instrumentalisten des Jahres gekürt.

Nemanja Radulovic spielt eine Violine von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1843.

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24Philhar

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Auftakt

Warum ergreift uns manche Musik im Konzertsaal und andere lässt uns kalt? Warum versinken einige selig beim Zu-hören und andere kramen in der Tasche und sind unkonzentriert, was sich dann meist auch in störendem Husten zeigt? Warum klatschen sich einige am Ende die Hände heiß, während andere nach dem letzten Ton sofort zur Garderobe hetzen? Es mag mit dem Stück zu tun haben, mit der persön-lichen Stimmung an diesem Tag, aber ich habe bei vielen Auftritten, bei denen ich als Erzählerin mit Musikern auf der Bühne saß, gemerkt, wie man auch unkonzentrierte Zuhörer fesseln kann: indem man mehr über die Komponisten erzählt. Man hört anders, wenn man weiß, dass zum Beispiel Schu-bert einer der Sargträger von Beethoven war und dass er nach der Beerdigung im Gasthaus sein Glas hob auf den, der als nächster Beethoven folgen würde – und dass er selbst es war, nicht einmal zwei Jahre später, 1828; oder wenn man weiß, dass der Großvater von Felix Mendelssohn-Bartholdy jener berühmte jüdische Philosoph Moses Mendel war, der Freund Lessings, das Vorbild für Nathan den Weisen; oder wenn man darüber staunt, dass Beethoven Kellnern das Essen, das ihm nicht schmeckte, ins Gesicht warf – warum war er so schlecht gelaunt? Weil er Musiker war und taub, das Schlimmste, was passieren konnte. Oder dass Mozart nicht so arm war wie man immer sagt – er hat es halt mit vollen Händen rausgeworfen, und er war auch nicht so prächtig, wie er da in Salzburg vor der Residenz in Bronze steht – gerade mal einen Meter fünfzig war er groß, pockennarbig, glubsch-

äugig, ein Doppelkinn. Oder wussten Sie, dass Anton Bruckner einen Zähl-zwang hatte? Nicht nur bei den Tak-ten seiner unglaublich langen Sinfo-nien – er zählte auch die Pflaster-steine auf der Straße und die Perlen der Frauen, und überhaupt, Bruckner und die Frauen! Ein Leben lang hat er

versucht, eine für sich zu gewinnen, mit Briefen, Blumensträußen, Anträgen – immer jünger wurden die Angeschwärmten, immer geringer seine Chan-cen, bei einer landen zu können, denn er war ein wenig unbeholfen, vielleicht naiv. Gustav Mahler soll gesagt haben: „Halb ein Gott, halb ein Trot-tel“, und die Erotik strahlte wohl eher seine kraft-volle Musik aus als seine Gestalt …ach, wenn man das alles weiß, hört es sich manchmal an-ders, was da ertönt, denn nicht Götter haben die-se Musik geschrieben, sondern Menschen. Men-schen mit Lieben, Leiden, Ticks und Schwächen – denken Sie an Mahler, der seiner Alma das Komponieren glatt verbot, an Puccini, der seine Elvira betrog, indem er einen Studenten anmiete-te, der im Gartenhäuschen Klavier spielte, wäh-rend er zur Jagd oder zur Geliebten ging, und abends sagte Elvira: „Heute hast du aber schön gespielt, Giacomo!“ Im Konzertsaal hören wir Musik von Menschen, die sind, die waren wie wir – mit einem Unterschied: ihnen war ein wunderbares, göttliches Talent ge-geben. Lassen wir uns davon beglücken, ohne das Menschliche zu vergessen.

Komponisten

Die Kolumne von Elke Heidenreich

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Philharmonische

Blätter Philharmonische Notizen

Herzlich WillkommenSebastian Stevensson hat das Solo-Fagott- Probespiel gewonnen. Er tritt sein Probejahr im Januar bei uns an. Quirin Willert hat das Wech-selposaune-Probespiel für sich entschieden und wird seine Stelle voraussichtlich im März antreten.

Unser derzeitiger Kontrabass-Akademist Thomas Hille, der vor kurzem den Kulturförderpreis der Stadt Deggendorf erhalten hat, wird nach erfolg-reichem Probespiel Mitglied unserer Kontrabass-Gruppe. Sein Akademisten-Stipendium läuft Ende Februar aus, ab März wird er die Stelle als Tutti-Kontrabassist antreten. Wir gratulieren herzlich!

AbschiedWir verabschieden uns von Manfred Hufnagel. Er war seit 1975 Mitglied unserer 1. Geigen-Gruppe und geht nun wohlverdient in Ruhestand.

OrchesterakademieFolgende Orchesterakademie-Stipendien sind aus-geschrieben: Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Trompete und Posaune. Probespiel-Termine werden noch bekannt gegeben, Bewerbungen bitte an [email protected].

Willkommen zurückWillkommen zurück heißen wir unseren Tuba- Akademisten Michael Schwarzfischer. Er musste nach einem Fahrrad-Unfall für mehrere Monate pausieren und ist zum Glück wieder vollständig ge-nesen. Herzlicher Dank nochmals an die Freunde und Förderer der Münchner Philharmoniker, die Fahrenkamp-Schäffler-Stiftung und die Musikerin-nen und Musiker unseres Orchesters, die ihn alle bei seiner kostenintensiven Zahnbehandlung finan-ziell unterstützt haben.Seine volle Einsatz-Bereitschaft konnte er bereits auf der Asientournee diesen Oktober unter Beweis stellen.

EchoDie Verleihung des diesjährigen ECHO Klassik fand am 26.10. wieder einmal in der Philharmonie statt. Unter anderem spielten die Münchner Philharmo-niker unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin mit Anne-Sophie Mutter, Anna Netrebko und David Garrett. Einen kleinen Vorgeschmack auf die Kon-zerte zu Silvester und Neujahr lieferten sie zusam-men mit Diana Damrau, die ebenfalls mit einem ECHO ausgezeichnet wurde. Herzlichen Glückwunsch hier auch an Malte Arko-na, der Moderator unserer Jugendkonzerte, der in der Kategorie „Klassik für Kinder“ ausgezeichnet wurde.

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Philharmonische

Blätter Philharmonische Notizen

Herzlich WillkommenSebastian Stevensson hat das Solo-Fagott- Probespiel gewonnen. Er tritt sein Probejahr im Januar bei uns an. Quirin Willert hat das Wech-selposaune-Probespiel für sich entschieden und wird seine Stelle voraussichtlich im März antreten.

Unser derzeitiger Kontrabass-Akademist Thomas Hille, der vor kurzem den Kulturförderpreis der Stadt Deggendorf erhalten hat, wird nach erfolg-reichem Probespiel Mitglied unserer Kontrabass-Gruppe. Sein Akademisten-Stipendium läuft Ende Februar aus, ab März wird er die Stelle als Tutti-Kontrabassist antreten. Wir gratulieren herzlich!

AbschiedWir verabschieden uns von Manfred Hufnagel. Er war seit 1975 Mitglied unserer 1. Geigen-Gruppe und geht nun wohlverdient in Ruhestand.

OrchesterakademieFolgende Orchesterakademie-Stipendien sind aus-geschrieben: Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Trompete und Posaune. Probespiel-Termine werden noch bekannt gegeben, Bewerbungen bitte an [email protected].

Willkommen zurückWillkommen zurück heißen wir unseren Tuba- Akademisten Michael Schwarzfischer. Er musste nach einem Fahrrad-Unfall für mehrere Monate pausieren und ist zum Glück wieder vollständig ge-nesen. Herzlicher Dank nochmals an die Freunde und Förderer der Münchner Philharmoniker, die Fahrenkamp-Schäffler-Stiftung und die Musikerin-nen und Musiker unseres Orchesters, die ihn alle bei seiner kostenintensiven Zahnbehandlung finan-ziell unterstützt haben.Seine volle Einsatz-Bereitschaft konnte er bereits auf der Asientournee diesen Oktober unter Beweis stellen.

EchoDie Verleihung des diesjährigen ECHO Klassik fand am 26.10. wieder einmal in der Philharmonie statt. Unter anderem spielten die Münchner Philharmo-niker unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin mit Anne-Sophie Mutter, Anna Netrebko und David Garrett. Einen kleinen Vorgeschmack auf die Kon-zerte zu Silvester und Neujahr lieferten sie zusam-men mit Diana Damrau, die ebenfalls mit einem ECHO ausgezeichnet wurde. Herzlichen Glückwunsch hier auch an Malte Arko-na, der Moderator unserer Jugendkonzerte, der in der Kategorie „Klassik für Kinder“ ausgezeichnet wurde.

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Florentine Lenz erhielt ihren ersten Geigen unterricht im Alter von vier Jahren an der Westfälischen Schule für Musik Münster bei Tor Song Tan. Elfjäh-rig wurde sie Schülerin von Martin Dehning, der sie ein Jahr später als Jungstudentin in seine Klas-se an der Münsteraner Musikhochschule aufnahm. Nach dem Abitur 2006 begann sie ihr Studium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin bei Sophia Jaffé. Weitere Impulse erhielt sie bei Meis-terkursen von Ana Chumachenco, Stephan Picard und Elisabeth Weber. Florentine Lenz ist Preisträ-gerin zahlreicher nationaler und internationaler Wettbewerbe als Solistin und Kammermusikerin. Außerdem ist sie Stipendiatin des Vereins Yehudi Menuhin Live Music Now.Nach ihrem Diplom im Jahr 2011 spielte sie zu-nächst als Akademistin im Konzerthausorchester Berlin, sowie regelmäßig als Gastmusikerin bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und dem Münchener Kammerorchester. Im Dezember 2012 wurde sie Akademistin der Münchner Phil-harmoniker und anschließend festes Mitglied des Orchesters.

Wir gratulieren...

… Florentine Lenz und Iason Keramidis,

die nach erfolgreichem Probejahr nun feste Mitglieder der 1. Geigen der Münchner Philharmoniker sind.

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Blätter

Iason Keramidis wurde 1985 in Kavala (Griechen-land) geboren. Schon sehr früh begann er seine musikalische Ausbildung, die er mit 13 Jahren bei Prof. Stelios Kafantaris fortsetzte. Ab 2003 stu-dierte er an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof. Ingolf Turban und anschließend an der Musikhoch-schule Karlsruhe bei Prof. Ulf Hoelscher, wo er mit Auszeichnung abschloss. Im gleichen Monat wurde Iason Keramidis in die Solistenklasse der Musik-hochschule Karlsruhe aufgenommen. Im Jahr 2013 schloss er sein Kammermusikstudium bei Prof. Mi-chael Uhde ab. Durch zahlreiche Konzerte in Europa, Asien und Süd- und Nordamerika ist er in den letzten Jahren zu einem international gefragten Künstler avan-ciert. Als Solist spielte er mit dem Sinfonieorches-ter Sofia, dem Staatlichen Sinfonieorchester Thes-saloniki, der Baden-Badener Philharmonie, dem Staatlichen Sinfonieorchester Athen, dem Sinfo-nieorchester Olomuc und der Deutschen Staats-philharmonie. Seit 1998 wurde er mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt: dem 1. Preis beim Panhellenischen Wettbewerb in Athen, dem 1. Preis beim ART Wettbewerb für Geige in Thes-saloniki, dem 1. Preis bei den Internationalen Mu-siktagen in Neustadt an der Weinstraße und dem 1. Preis beim Wettbewerb des Freundeskreises der HfM Karlsruhe mit dem Astris Trio.

Wir gratulieren...

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Iason Keramidis wurde 1985 in Kavala (Griechen-land) geboren. Schon sehr früh begann er seine musikalische Ausbildung, die er mit 13 Jahren bei Prof. Stelios Kafantaris fortsetzte. Ab 2003 stu-dierte er an der Musikhochschule Stuttgart bei Prof. Ingolf Turban und anschließend an der Musikhoch-schule Karlsruhe bei Prof. Ulf Hoelscher, wo er mit Auszeichnung abschloss. Im gleichen Monat wurde Iason Keramidis in die Solistenklasse der Musik-hochschule Karlsruhe aufgenommen. Im Jahr 2013 schloss er sein Kammermusikstudium bei Prof. Mi-chael Uhde ab. Durch zahlreiche Konzerte in Europa, Asien und Süd- und Nordamerika ist er in den letzten Jahren zu einem international gefragten Künstler avan-ciert. Als Solist spielte er mit dem Sinfonieorches-ter Sofia, dem Staatlichen Sinfonieorchester Thes-saloniki, der Baden-Badener Philharmonie, dem Staatlichen Sinfonieorchester Athen, dem Sinfo-nieorchester Olomuc und der Deutschen Staats-philharmonie. Seit 1998 wurde er mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt: dem 1. Preis beim Panhellenischen Wettbewerb in Athen, dem 1. Preis beim ART Wettbewerb für Geige in Thes-saloniki, dem 1. Preis bei den Internationalen Mu-siktagen in Neustadt an der Weinstraße und dem 1. Preis beim Wettbewerb des Freundeskreises der HfM Karlsruhe mit dem Astris Trio.

Wir gratulieren...

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Über die Schulter geschaut

Im Dienste der Musik – die Notenarchivare der Münchner Philharmoniker

Gefragt nach einem typi-schen Arbeitstag, fällt ihre Antwort kurz, prägnant und mit einem Schmunzeln aus: „Den gibt es nicht.“ Thomas Lang und Georg Haider ar-beiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare bei den Münchner Philhar-monikern. Vor allem sind sie dafür verantwortlich, dass die Striche – die Auf- und Abstriche der Streicher – korrekt in jede Stimme und nach den Wünschen des Dirigenten eingetragen sind. „Manche Maestri schicken uns eine sogenannte „Quinte“ – die ein-gerichteten Striche von je einer 1. und 2. Geige, Bratsche, Cello und Bass“, erklärt Georg Haider. Was sich auf den ersten Blick simpel anhört, ist bei genauerem Hinsehen wesentlich komplexer. Jeder Maestro hat unterschiedliche Erwartungen: der eine bevorzugt das Notenmaterial eines be-stimmten Verlags, weil er mit diesen Noten schon seit Jahren arbeitet. „Lorin Maazel hat dank seines fotografischen Gedächtnisses sofort erkannt, ob es „sein“ Material war“, erinnert sich Thomas Lang. „Diese Stelle war doch bisher immer oben links auf dieser Seite. Es ist ein wenig ungewohnt, wenn sie auf einmal woanders auftaucht“, so der Kommentar des Maestros. Andere Dirigenten sind dagegen sehr an den neuesten Ausgaben interessiert, die erst ganz frisch herausgekommen sind. Besonders

gerne arbeiten die beiden Archivare für den Ehren-dirigenten, Zubin Mehta. Denn pünktlicher als er ist niemand. „Von ihm kommt die Quinte mindestens drei Monate vor der ersten Pro-be. Mehr als ausreichend Zeit, damit wir die fertigen Stimmen pünktlich an die Orchestermusiker über-geben und sie die Pro-gramme vorbereiten kön-

nen. Unser Anspruch ist es, immer zwei bis drei Projekte voraus zu sein“, erläutert Georg Haider. „Treten Programmänderungen auf, hat die Aktuali-tät natürlich immer Vorrang.“

Durch ihre Hände wandern mitunter wahre Schät-ze. Gustavo Dudamel war sofort Feuer und Flamme als er hörte, dass es bei den Münchner Philharmo-nikern noch alte Noten gebe, die von Celibidache eingerichtet wurden und aus denen er dirigiert hat. „Er fragte, ob er nach einer Probe kurz bei uns vor-bei kommen dürfe, um sich Partituren genauer an-zusehen“, berichtet Thomas Lang. „Fast eine Stun-de war er da“ – eine Ausnahme, wie er gerne of-fen zugibt. „Mit offenem Mund hat er zugehört als ich ihm sagte, dass die Münchner Philharmoniker fast alle Orchesterwerke Richard Strauss’ vom Komponisten selbst geschenkt bekommen haben.“ In der Tat eine absolute Besonderheit.

Christian Beuke

Thomas Lang und Georg Haider (von links auf dem Foto) arbeiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare

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Philharmonische

Blätter Über die Schulter geschaut

In der Regel aber wird das Notenmaterial einge-kauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rech-te der Komponisten an den Werken freigeworden sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt. In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen an-dere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es? Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand be-antworten können. Ein guter Draht zu den Musik-verlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu Voraussetzung. Thomas Lang hat viele Jahre in einem großen Notenverlag gearbeitet, er kennt auch die andere Seite bestens und hat schon die eine oder andere kritische Situation still und einvernehmlich gelöst. Vorher war er als Dramaturg an verschiedenen The-atern in Deutschland tätig. Kein Wun-der, dass seine große Liebe der Oper gilt, genauer gesagt der unentdeckten Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern hat er bereits gesehen, dafür reist er durch ganz Deutschland, wann immer es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gie-ßen schon seit Jahren ausgräbt.

Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orches-ters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbst-verständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stim-men, das Übertragen kurzer Passagen in einen anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung von Stimmen auch mal früher als normalerweise üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des

Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das Patenorchester nach einer Quinte, damit die jun-gen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnen-tenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem Notensystem – „für das menschliche Auge kaum mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren, werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für das beste künstlerische Ergebnis.

Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich

hat er mit einem außergewöhnlichen Projekt von sich Reden gemacht: dem Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach dem Roman von Orson Welles. Die Musik für vier Zithern, Posaune und Schlagzeug hat er ursprünglich für ein Zitherfestival komponiert. Ge-meinsam mit dem Sprecher Norbert Gastell, mit verstellter Stimme als Synchronstimme von Homer Simp-son bekannt, ist ein Melodram ent-standen, das der Mandelbaumverlag herausgebracht hat. Deutschlandra-

dio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi, kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung. Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’ Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-ver-störende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert. Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit anderen Augen sehen.“

Stets im Dienste der Musik eben.

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Blätter Über die Schulter geschaut

In der Regel aber wird das Notenmaterial einge-kauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rech-te der Komponisten an den Werken freigeworden sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt. In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen an-dere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es? Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand be-antworten können. Ein guter Draht zu den Musik-verlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu Voraussetzung. Thomas Lang hat viele Jahre in einem großen Notenverlag gearbeitet, er kennt auch die andere Seite bestens und hat schon die eine oder andere kritische Situation still und einvernehmlich gelöst. Vorher war er als Dramaturg an verschiedenen The-atern in Deutschland tätig. Kein Wun-der, dass seine große Liebe der Oper gilt, genauer gesagt der unentdeckten Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern hat er bereits gesehen, dafür reist er durch ganz Deutschland, wann immer es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gie-ßen schon seit Jahren ausgräbt.

Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orches-ters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbst-verständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stim-men, das Übertragen kurzer Passagen in einen anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung von Stimmen auch mal früher als normalerweise üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des

Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das Patenorchester nach einer Quinte, damit die jun-gen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnen-tenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem Notensystem – „für das menschliche Auge kaum mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren, werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für das beste künstlerische Ergebnis.

Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich

hat er mit einem außergewöhnlichen Projekt von sich Reden gemacht: dem Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach dem Roman von Orson Welles. Die Musik für vier Zithern, Posaune und Schlagzeug hat er ursprünglich für ein Zitherfestival komponiert. Ge-meinsam mit dem Sprecher Norbert Gastell, mit verstellter Stimme als Synchronstimme von Homer Simp-son bekannt, ist ein Melodram ent-standen, das der Mandelbaumverlag herausgebracht hat. Deutschlandra-

dio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi, kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung. Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’ Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-ver-störende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert. Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit anderen Augen sehen.“

Stets im Dienste der Musik eben.

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Orchestergeschichte

Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger ge-gründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“ vier für München ganz neue und „gegensätzliche“ Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker stand Hermann Scherchen, zeit seines Lebens un-beirrbarer Förderer der neuen Musik und Freund vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvoll-endet gebliebener zehnten Symphonie sowie Paul Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieor-chester komponierte „Konzertmusik für Streichor-chester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir Vogels „Zwei Orchester-Etüden“, ebenfalls aus dem Jahre 1930. Schon in der Ankündigung zu dem Konzert mach-ten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die schwierige musikgeschichtliche Stellung des da-mals noch kontrovers diskutierten österreichischen Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet worden, wenn auch diese Beziehung sehr proble-matisch ist und man eher ihn als den Ausklang der Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen Konzertabend aber war enorm, wobei gerade Mah-lers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ. So wurden die „innere Konzentration“ und die „er-greifende Ausdruckskraft des breit in schmerzli-cher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso vermerkt wie die „Spannung weiter Intervalle“. Ein anderer Rezensent sah den Satz als „erschüt-ternden Ausklang einer um die letzten Dinge wis-

senden Seele“. Interessant, notabene, ist hier auch der Hinweis auf Brucknersche Gedanken-gänge. Es scheint, als ob die Logik des Zerfalls, das musikalische Bild des Todes, das Mahler hier komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen wurde. Wie nun Hermann Scherchen die Werke des gan-zen Abends „musikalisch und geistig, aber auch dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach über-einstimmender Meinung, „wieder im höchsten Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münch-ner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die Philharmoniker würdigte er deren großartigen Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell schwieriges Programm virtuos bewältigten, ha-ben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich habe bewundert, mit welch persönlichem Inter-esse Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben und ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar, daß Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es mir ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar vorm Konzert zu probieren und so in hohem Maße der Kunst dienen zu können.“

Ein außergewöhnliches Konzert mit Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz

Gabriele E. Meyer

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Orchestergeschichte

Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger ge-gründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“ vier für München ganz neue und „gegensätzliche“ Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker stand Hermann Scherchen, zeit seines Lebens un-beirrbarer Förderer der neuen Musik und Freund vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvoll-endet gebliebener zehnten Symphonie sowie Paul Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieor-chester komponierte „Konzertmusik für Streichor-chester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir Vogels „Zwei Orchester-Etüden“, ebenfalls aus dem Jahre 1930. Schon in der Ankündigung zu dem Konzert mach-ten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die schwierige musikgeschichtliche Stellung des da-mals noch kontrovers diskutierten österreichischen Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet worden, wenn auch diese Beziehung sehr proble-matisch ist und man eher ihn als den Ausklang der Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen Konzertabend aber war enorm, wobei gerade Mah-lers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ. So wurden die „innere Konzentration“ und die „er-greifende Ausdruckskraft des breit in schmerzli-cher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso vermerkt wie die „Spannung weiter Intervalle“. Ein anderer Rezensent sah den Satz als „erschüt-ternden Ausklang einer um die letzten Dinge wis-

senden Seele“. Interessant, notabene, ist hier auch der Hinweis auf Brucknersche Gedanken-gänge. Es scheint, als ob die Logik des Zerfalls, das musikalische Bild des Todes, das Mahler hier komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen wurde. Wie nun Hermann Scherchen die Werke des gan-zen Abends „musikalisch und geistig, aber auch dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach über-einstimmender Meinung, „wieder im höchsten Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münch-ner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die Philharmoniker würdigte er deren großartigen Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell schwieriges Programm virtuos bewältigten, ha-ben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich habe bewundert, mit welch persönlichem Inter-esse Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben und ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar, daß Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es mir ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar vorm Konzert zu probieren und so in hohem Maße der Kunst dienen zu können.“

Ein außergewöhnliches Konzert mit Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz

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Mit großer Freude und Begeiste-rung habe ich die jüngsten Kritiken über die Asienreise unserer Phil-harmoniker gelesen. Die Konzerte waren ein voller Erfolg und haben zum ausgezeichneten internatio-nalen Ruf einen bedeutenden Bei-trag für dieses Weltklasse-Orches-ter geleistet. Persönlich hatte ich im letzten Jahr das Vergnügen in New York bei zwei großartigen Auftritten der Münchner Philharmoniker in der wunderbaren Car-negie Hall dabei zu sein. Die einzigartige Atmo-sphäre in diesem grandiosen Saal mit seiner ein-drucksvollen Akustik trugen zu einem unvergess-lichen Erlebnis bei. Wenn Sie auch den Wunsch verspüren, Ihre Münchner Philharmoniker auf Aus-landsreisen zu begleiten und andere interessante Konzertsäle zu erleben, brauchen Sie nur Mitglied bei den „Freunden und Förderern der Münchner Philharmoniker“ zu werden. Wir haben uns unter anderem zur Aufgabe gemacht, bei ausreichendem Interesse die Reisen inklusive Rahmenprogramm zu organisieren. Der nächste Termin steht schon an – Paris am 09.03.2015!

Aber nicht nur das steht Ihnen als Mitglied offen. Auch die wertvolle Arbeit unserer Orchesteraka-demie mit aktuell 13 Stipendiaten, die durch pri-vate Spenden und die Mitgliedsbeiträge finanziert werden, stellen einen wichtigen Baustein unserer Arbeit dar. Es ist immer wieder eine große Freude

zu sehen und zu hören, wenn unsere Akademisten in der Al-lerheiligen-Hofkirche Kammer-konzerte vor ausverkauftem Hause geben. Ein besonderer Erfolg für uns bedeutet die Über-nahme bei einem anderen renom-mierten Orchester oder gar die Krönung: die Übernahme bei den Münchner Philharmonikern selbst.

In den letzten Wochen kam endlich wieder Bewe-gung in die Diskussion um Renovierung bzw. Neu-gestaltung des Gasteigs. Im Sinne der Liebhaber der klassischen Musik, allen Musikfreunden, den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und unseres Landes begrüßen wir eine sinnvolle, nachhaltige und akustisch ausgezeichnete Lösung für die zu-künftige Philharmonie, nicht nur für die Münchner Philharmoniker, sondern insbesondere auch für das Symphonieorchester des Bayerischen Rund-funks. Ein gemeinsames Ziel von Stadt und Land unter Berücksichtigung aller Interessen bedeutet eine Bündelung der Kräfte, nicht nur finanziell.

In der Hoffnung auf ein gutes Gelingen werden wir als Freunde unser Möglichstes dafür beitra-gen. An dieser Stelle erlaube ich mir auch meinen Dank an die Intendanz, das Orchester und den Orchestervorstand für die gute Zusammenarbeit auszusprechen. Herzlichen Dank!

Stefan Mayerhofer

Vorsitzender der Freunde und Förderer der Münchner Philharmoniker e. V.

Das letzte Wort hat...

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Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt.

ImpressumHerausgeberDirektion der MünchnerPhilharmonikerPaul Müller, IntendantKellerstraße 4, 81667 MünchenLektorat: Christine MöllerCorporate Design:

Graphik: dm druckmediengmbh, MünchenDruck: Color Offset GmbH,Geretsrieder Str. 10,81379 München

Textnachweise Wolfgang Stähr, Marcus Imbsweiler, Elke Heiden- reich, Monika Laxgang, Christian Beuke und Gabri- ele E. Meyer schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Lexikalische Angaben und Kurzkommentare: Stephan Kohler. Künstlerbiographien: Christine Möller. Alle Rechte bei den Autorinnen und Auto- ren; jeder Nachdruck ist sei- tens der Urheber genehmi- gungs- und kostenpflichtig.

BildnachweiseAbbildungen zu Edward Elgar: Michael Messenger, Edward Elgar – An illustraded life of Sir Edward Elgar, Buckinghamshire 2005; Jerrold Northrop Moore, Edward Elgar – Letters of a Lifetime, Oxford 1990; Ray- mond Monk (Hrsg.), Elgar Studies, Aldershot / Hants 1990. Abbildung zu Niccolò Paganini: Danilo Prefumo, Niccolò Paganini, Palermo 2006. Künstlerphotographien: Frank Vinken (Steffens/Titel), Gert Kiermeyer (Steffens/Bio), Bayram Tarakci (Radulovic), Leonie von Kleist (Heidenreich); privat (Lenz, Keramidis, Mayerhofer).

Mi. 11.02.2015, 20:00 Uni-Konzert SPEZIAL

Hector Berlioz„Le Carnaval romain“ op. 9, Konzertouvertüre

Jörg DudaKonzert für Tuba und Orchester op. 67 Nr. 1

Hector Berlioz„Symphonie fantastique“ op. 14 Pietari Inkinen, DirigentAndreas Martin Hofmeir, Tuba

So. 15.02.2015, 11:00 4. KaKo

„Trio plus“

Wolfgang Amadeus MozartQuartett für Oboe, Violine, Viola und Violoncello F-Dur KV 370 (383b)

Ernst NaumannStreichtrio D-Dur op. 12

Benjamin Britten„Phantasy Quartet“ f-Moll op. 2

Ludwig van BeethovenSteichtrio D-Dur op. 9 Nr. 2

Marie-Luise Modersohn, OboeKatharina Triendl, ViolineJano Lisboa, ViolaElke Funk-Hoever, Violoncello

Fr. 20.02.2015, 20:00 4. Abo c Sa. 21.02.2015, 19: 00 4. Abo g5 So. 22.02.2015, 11:00 5. Abo m

Ludwig van BeethovenOuvertüre zu „Leonore“ Nr. 3 C-Dur op. 72

Jean SibeliusKonzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47

Nikolaj Rimskij-Korsakow„Scheherazade“ op. 35

Rafael Payare, DirigentSergey Khachatryan, Violine

Page 35: Karl-Heinz Steffens€¦ · Dienstag, 3. Februar 2015, 19:15 Uhr Mittwoch, 4. Februar 2015, 20 Uhr Samstag, 7. Februar 2015, 19 Uhr Sonntag, 8. Februar 2015, 19 Uhr Karl-Heinz Steffens

Karten € 61 / 51,50 / 45 / 36,90 / 31,20 / 18,10 / 12,30Informationen und Karten über München TicketKlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de

Carl NielsenOuvertüre zu „Maskerade“

Pjotr Iljitsch TschaikowskyKonzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35

Igor Strawinsky„Scherzo fantastique“ op. 3

Dmitrij SchostakowitschSymphonie Nr. 1 f-Moll op. 10

Joshua Bell Violine

Paavo JärviDirigent

Sonntag, 19.04.2015, 11 UhrMontag, 20.04.2015, 20 UhrDienstag, 21.04.2015, 20 Uhr

Philharmonie im Gasteig

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117. Spielzeit seit der Gründung 1893Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)

Paul Müller, Intendant