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ZEITSCHRIFT DER STADT- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK BERN 2˙2004 LIBERNENSIS KATHARINA STEINER Von der Zweischichtigkeit zur «funktionalen Einschichtigkeit» CHRISTOPHE v. WERDT «Rossica Europeana» – eine Bibliothek über Russland und dessen Wahrnehmung in Europa BERNHARD DENGG Zum gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich ELKE MENTZEL Restaurierung und Konservierung von Grafik, Schriftgut und Fotografie STADT- UND UNIVERSITÄTSBIBLIOTHEK BERN

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Inhalt

Aktuell4 Katharina Steiner: Von der Zweischichtigkeit

zur «funktionalen Einschichtigkeit»

Interview8 Edwin Heim/Christine Felber:

Der Bucheinband ist weder Kleid noch Verpackung, er ist,was das Druckwerk zum Buch macht

Projekte12 Christian Lüthi: Die StUB im Urteil ihrer Benutzerinnen und Benutzer

Sammlungen14 Christophe v. Werdt: «Rossica Europeana» – eine Bibliothek

über Russland und dessen Wahrnehmung in Europa

Partner18 Bernhard Dengg: Zum gegenwärtigen Stand

der wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich

Bücher und andere Medien21 Buch am Mittag-Thema vom 8. Juni 2004

Harald Wäber: Was Leiste in Bern geleistet haben22 Hartmut Abendschein: Kopfreisen an ortlose Plätze:

Franz Dodels never ending Haiku

Weiterbildung24 Elke Mentzel: Restaurierung und Konservierung von Grafik,

Schriftgut und Fotografie

Eine StUB-Abteilung stellt sich vor26 Werner Schärer: Reinigungsprofi, Handwerker, Postbeamter,

Erzieher und Polizist

28 Ausstellungen und Veranstaltungen der StUB

30 Personelles

34 Ansprechpartner der StUB/Impressum

LIBERNENSIS 2˙2004

Titelbild: Landschaftsbild vonder Halbinsel Krim (Peter Simon Pallas,Bemerkungen auf einer Reise in diesüdlichen Statthalterschaften des russi-schen Reichs, 1799), vgl. den Beitragvon Christophe v. Werdt, S. 14ff.

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4 LIBERNENSIS 2.2004

Aktuell

Ein Blick auf die Reformbestrebungen im universitären Bibliothekswesen

in Deutschland

Von der Zweischichtigkeit zur «funktionalen Einschichtigkeit»

Katharina Steiner ist Leiterin der Basisbibliothek Unitobler

Reformbedarf in universitärenBibliothekssystemen

Das dezentrale, mehrschichtige Bibliothekssystem der Uni-versität Bern steht vor grossen Herausforderungen: Die finan-ziellen und räumlichen Ressourcen werden knapper, währenddie Kosten für die Literaturversorgung steigen. Zudem förderndie neuen technischen Möglichkeiten ein anderes Informa-tionsverhalten der Nutzer, was zusätzliche Investitionen nötigmacht. Die bestehenden Strukturen mit der Stadt- und Uni-versitätsbibliothek Bern auf der einen und den vielen grösse-ren und kleineren Fachbereichs- und Institutsbibliotheken aufder anderen Seite erschweren einen effizienten Einsatz dervorhandenen Mittel.

Bern steht mit diesen Problemen nicht allein da: Seit denSechzigerjahren des letzten Jahrhunderts gibt es vor allem inDeutschland immer wieder Versuche, die bestehende Zwei-schichtigkeit an den älteren Universitäten zu effizienteren Sys-temen umzuformen. Während neu gegründete Hochschulenzum vornherein auf Einschichtigkeit bei der Literaturversor-gung setzten, sollte bei den bereits bestehenden Bibliotheks-systemen die «funktionale Einschichtigkeit» Abhilfe schaffen.

Einschichtigkeit – Zweischichtigkeit:eine BegriffsklärungZweischichtige Bibliothekssysteme Als Folge der Spezialisierung von Lehre und Forschung im19. und frühen 20. Jahrhundert entstehen an den Universi-täten Institute und Seminare. Die Hochschulen werden – nichtzuletzt in räumlicher Hinsicht – immer komplexer. Neben derZentralbibliothek bildet sich eine mehr oder weniger grosse

Anzahl von dezentralen Instituts- oder Seminarbibliotheken inunterschiedlicher Grösse. Die Personalstellen dieser neuenBibliotheken sind im Stellenplan des entsprechenden Institutsangesiedelt, die Erwerbungsmittel werden aus dem Etat desInstituts gespeist.

Die Vorteile eines solchen zweischichtichtigen Systemsliegen auf der Hand: Es bietet den Universitätsangehörigenunmittelbaren und uneingeschränkten Zugriff auf die benötig-te Forschungsliteratur.

Zunehmend gewichtiger sind allerdings die Nachteilezweischichtiger Bibliothekssysteme, von denen im Folgendennur eine Auswahl aufgelistet werden kann1:

– Grosser finanzieller und personeller Aufwand für den Be-trieb der zahlreichen Bibliotheken

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– Platzknappheit – Uneinheitliches Dienstleistungsangebot – Mangelhafte Kontinuität beim Bestandesaufbau

Einschichtige BibliothekssystemeBei den deutschen Bibliotheksneugründungen der Sechzi-gerjahre versuchte man diesen Nachteilen mit dem Prinzipeiner strengen Einschichtigkeit zu begegnen (z. B. Bochum,Regensburg, Konstanz). Einschichtige Bibliothekssystemezeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass Personal- undSachmittel aller Bibliotheken zentral durcheine gemeinsame Bibliotheksleitung ver-waltet werden2. Möglich ist ein solches Sy-stem auch an Universitäten ohne einheitli-che Campussituation, wo die räumlicheZersplitterung der Universität mehrere Bi-bliotheksstandorte unumgänglich macht.Auch die Organisation der Medienbearbei-tung ist nicht ausschlaggebend. Diese kann sehr wohl auchbei einschichtigen Systemen dezentral stattfinden.

Die «funktionale Einschichtigkeit» –der Ausweg aus dem Dilemma?Bei den neuen deutschen Universitäten und ihren Bibliothe-ken wurde also eine Lösung gefunden, während die älterenHochschulen weiterhin am traditionellen zweischichtigenSystem festhielten.

Die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) reagierte1970 auf diese problematische Situation mit einer Studie, wel-che eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Universitätsbi-bliothek und Institutsbibliotheken empfahl. EntsprechendeWeisungen wurden in die Hochschulgesetze der westdeut-schen Universitäten aufgenommen, jedoch vorläufig kaumberücksichtigt. Axel Halle3 stellt fest, dass «die Institutsbiblio-theken ihr Eigenleben sehr lange und erfolgreich pflegenkonnten . . . Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich das

System der Zweischichtigkeit ungebrochen entwickeln konnte,solange dessen Fortleben finanzierbar war».

Erst die zunehmende Mittelknappheit verstärkte anDeutschlands Universitätsbibliotheken die Bereitschaft zurengeren Zusammenarbeit. Gefördert wurde diese Haltungauch durch die neuen technischen Möglichkeiten der Infor-mationsvermittlung, die eine gemeinsame Nutzung elektroni-scher Ressourcen zulässt. Ausserdem sind die Bibliothekenin Verbünden zusammengeschlossen, wodurch ein engesMiteinander unabdingbar geworden ist.

Die tiefgreifenden Umstrukturierungen, die viele univer-sitäre Bibliothekssysteme in den letzten Jahren erfasst haben,sind allerdings nicht zuletzt durch geänderte gesetzliche Vor-schriften möglich geworden. Verwiesen sei hier auf die neuenUniversitätsgesetze der beiden Bundesländer Baden-Würt-temberg4 und Hessen5 aus dem Jahre 2000, welche unter an-derem die Reformen an den Universitäten Freiburg und Hei-delberg respektive Marburg und Giessen einleiteten6.

Das Gesetz des Bundeslandes Baden-Württemberg lis-tet die Universitätsbibliothek als Einrichtung der Universitätauf und betont deren zentrale Rolle im universitären Biblio-thekssystem. Der Leiter der Universitätsbibliothek ist gleich-zeitig der Leiter des Gesamtsystems, er übt die Fach- und

Dienstaufsicht über das Personal in allen Einrichtungen aus,die bibliothekarische Aufgaben wahrzunehmen haben. DieUniversitätsbibliothek koordiniert die Erwerbung, Erschlies-sung und Bereitstellung der Bestände.

Beim Bundesland Hessen stossen wir bereits auf Geset-zesebene auf den Begriff der «funktionalen Einschichtigkeit»:Paragraph 56 «Informationsmanagement» legt fest, dass dieVersorgung mit Literatur und anderen Medien nach denGrundsätzen der funktionalen Einschichtigkeit zu erfolgenhat. Das Gesetz legt auch fest, was unter dieser funktionalenEinschichtigkeit zu verstehen ist:

– Zusammenführung des Bibliothekspersonals– Beschaffung, Erschliessung und Verfügbarmachung der

für Forschung, Lehre und Studium angeforderten Litera-tur und anderer Informationsträger und -quellen nacheinheitlichen Grundsätzen

– zentrale Bewirtschaftung der dem Bibliothekswesen zu-gewiesenen Mittel.

UniversitätsbibliothekMarburg (S. 4).

UniversitätsbibliothekHeidelberg.

Die tiefgreifenden Umstrukturierungen, die viele

universitäre Bibliothekssysteme in den letzten Jahren

erfasst haben, sind nicht zuletzt durch geänderte

gesetzliche Vorschriften möglich geworden.

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Inzwischen ist das Prinzip der «funktionalen Einschich-tigkeit» in Deutschland weit verbreitet. Von Zweischichtigkeitdarf «gegenüber Unterhaltsträgern . . . längst nicht mehr ge-sprochen werden»7.

Allerdings gibt es die «funktionale Einschichtigkeit»nicht, mag sie auch in einzelnen Bundesländern sogar auf Ge-setzesebene verankert sein: Je nach den Bedingungen undvor allem der Geschichte der einzelnen Universitätsorte las-sen sich zahlreiche Ausprägungen feststellen. Gemeinsam istden verschiedenen Konzepten lediglich die zentrale Rolle derUniversitätsbibliothek, die «die Aktivitäten der Institutsbiblio-theken mehr oder weniger koordiniert»8. Eine wichtige Vor-aussetzung für die Umsetzung der «funktionalen Einschich-tigkeit» ist die Zusammenfassung der vielen kleinen Instituts-bibliotheken zu grösseren Einheiten, wie z. B. zu Fachbe-reichsbibliotheken, wozu sich schon viele Universitäten ha-ben entschliessen können. Der umfassende Einsatz integrier-

ter Bibliothekssysteme, der nicht zuletzt auch eine bessereErwerbskoordination ermöglicht, ist inzwischen in Deutsch-land weit fortgeschritten, und auch andere Formen der Ko-operation wie der Abschluss von Konsortialverträgen odergemeinsame Schulungen gehören zum Bibliotheksalltag.Schwieriger ist die Umsetzung der Vorgabe, dass sämtlichesBibliothekspersonal unter zentraler Aufsicht stehen und alledem Bibliothekswesen zugewiesenen Mittel zentral bewirt-schaftet sein sollen.

Wie die Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen imEinzelnen aussehen kann, soll an den drei Beispielen Mar-burg, Giessen und Heidelberg kurz gezeigt werden.

Bibliothekssystem Giessen9

Die Geschichte des Giessener Bibliothekssystems gleichtder Geschichte vieler älterer Hochschulbibliotheken Deutsch-lands: Im Laufe des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahr-hunderts bildete sich ein zweischichtiges Bibliothekssystemheraus, das stark zersplittert war und die Literaturversorgungerschwerte. Seit den Neunzigerjahren des 20. Jahrhundertsarbeitet die Universität gezielt auf eine Straffung der Struktu-ren ihres Bibliothekssystems hin. Das Hessische Hochschul-gesetz aus dem Jahre 2000 machte eine tiefgreifende Reor-ganisation notwendig. Nach den Vorgaben des Gesetzes

wurde eine Bibliotheksordnung ausgearbeitet. Ein wichtigerSchritt war die Zusammenfassung der dezentralen Instituts-bibliotheken zu Fachbereichsbibliotheken, die nun mit derUniversitätsbibliothek und ihren Filialen das Bibliothekssys-tem der Universität Giessen bilden. Mit dieser Neuordnungwurde erreicht, dass alle Bibliotheken von bibliothekarischausgebildetem Fachpersonal betreut werden. Eine optimierteVerwaltung des Literaturbudgets, ein erweitertes Dienstleis-tungsangebot und ein deutlich verbesserter Literaturnach-weis sind die Auswirkungen.

Bibliothekssystem Marburg10

Noch früher als in Giessen bildete sich in Marburg das zwei-schichtige System heraus – bereits 1856 waren neben derUniversitätsbibliothek zwölf Institutsbibliotheken vorhanden.Heute bilden die Universitätsbibliothek und 93 dezentrale Bi-bliotheken das «kooperativ zweischichtige Bibliothekssys-

tem»11 der Universität Marburg.Anders als an vielen anderen

Hochschulstandorten gelang es je-doch in Marburg, durch einen umfas-senden Zentralkatalog den Nachweisfür die Bestände der Universität zugewährleisten – ein Umstand, derüber die eigentliche Funktion hinaus

integrierenden Charakter hatte. Die Marburger Bibliothekenzeigten sich überhaupt recht kooperationsbereit – so gab esschon vor dem Universitätsgesetz 2000 einen ständigen Aus-schuss für das universitäre Bibliothekswesen, und das ge-samte Diplom-Personal wurde bereits 1975 dem Direktor derUniversitätsbibliothek unterstellt.

In den folgenden Jahren wurde die Kooperation zwi-schen Universitätsbibliothek und Institutsbibliotheken auf frei-williger Basis als «Reorganisation von unten» weitergeführt.So wurden mehrere Chemiebibliotheken zusammengelegtund zu einer Teilbibliothek (Filiale) der Universitätsbibliothekentwickelt. Weitere, vor allem naturwissenschaftliche Teilbi-bliotheken entstanden.

Die Zusammenarbeit ist in einer Vereinbarung zwischendem jeweiligen Fachbereich und der Universitätsbibliothekgeregelt: Es gibt nur noch einen Erwerbungsetat für das Fach,der aber aus unterschiedlichen Quellen gespeist wird. DieAufstellung der Literatur erfolgt nach inhaltlichen, nicht nachfinanziellen Kriterien. Das gesamte für die Verwaltung der Bi-bliothek zuständige Personal (also nicht nur wie gesetzlichvorgesehen das Diplom-Personal) wird dem Fachreferentenals Leiter der Teilbibliothek unterstellt. Die Buchbearbeitungerfolgt weiterhin dezentral – auf eine völlig in der Universitäts-bibliothek zentralisierte Verwaltung wird somit verzichtet.

Eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung der

«funktionalen Einschichtigkeit» ist die Zusammenfassung

der vielen kleinen Institutsbibliotheken zu grösseren

Einheiten, wie Fachbereichsbibliotheken.

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Bibliothekssystem Heidelberg12

Das Universitätsgesetz für Baden-Württemberg aus demJahre 2000 begünstigte die Umstrukturierung des stark zer-splitterten zweischichtigen Bibliothekssystems an der Uni-versität Heidelberg. Auf der Basis dieses Gesetzes wurde eineVerwaltungsordnung13 erlassen, welche die «funktionale Ein-schichtigkeit» vorschreibt. Die Universitätsbibliothek fungiertals Kompetenz- und Steuerungszentrum und bildet zusam-men mit den dezentralen, benutzernahen Fachbereichsbiblio-theken ein «voll integriertes System» (§1).

Einzelne Punkte der Verwaltungsordnung sind bereitsumgesetzt. So ist beispielsweise das gesamte Bibliotheks-personal dem Direktor der Universitätsbibliothek unterstellt,der gleichzeitig Direktor des ganzen universitären Biblio-thekssystems ist. Auf gutem Wege ist auch der Zusammen-schluss von Instituts- zu Fachbereichsbibliotheken, der aller-dings noch weiter gehen soll (§9). Das einheitliche Erwer-bungssystem (§5), das die Koordination der Erwerbungen er-leichtern soll, wurde 2002 eingeführt. Weitere Vorgaben gilt esnoch umzusetzen. So soll etwa eine Rahmenbenutzungsord-nung (§6) für den dezentralen Bereich erarbeitet werden, wel-che die unterschiedlichen Benutzungsreglemente vereinheit-lichen soll.

Und die Schweiz?Die tiefgreifenden Strukturveränderungen, die an den obenerwähnten Universitäten und ihren Bibliothekssystemen statt-gefunden haben, finden selbstverständlichnicht ohne Widerstand von Seiten der Be-troffenen statt: Bibliothekarinnen und Bi-bliothekare müssen sich an grosse Verän-derungen in ihrem Arbeitsalltag anpassen,während Wissenschafterinnen und Wis-senschafter befürchten, ihre Selbständig-keit bei der Literaturauswahl zu verlieren.Bonte14 weist darauf hin, wie wichtig das gegenseitige Ver-trauen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit sind. Diegegenseitigen Vorbehalte zwischen Universität und Universi-tätsbibliothek gilt es abzubauen.

Trotz aller Schwierigkeiten und Widerstände sind vieledeutsche Universitäten, begünstigt durch die gesetzlichenRahmenbedingungen, auf dem Weg zur «funktionalen Ein-schichtigkeit» schon weit fortgeschritten. In der Schweiz hin-gegen dominiert noch immer die traditionelle Zweischichtig-keit. Obwohl auch hierzulande die Probleme ähnlich sind wiein Deutschland, ist vielerorts die Bereitschaft zur Kooperationzwischen zentraler Universitätsbibliothek und universitärenBibliotheken gering. Ein Blick über die Grenze dürfte deshalbauch für die Unterhaltsträger der universitären Bibliothekssys-

teme von Interesse sein. Der richtige gesetzliche Rahmenkönnte vielleicht auch hier «von oben» einige wichtige Impul-se für eine verstärkte Zusammenarbeit geben!

1 ACHIM BONTE: Zweischichtige Hochschulbibliotheks-syteme am Scheideweg. Das Beispiel Heidelberg, in: Zeitschriftfür Bibliothekswesen und Bibliographie 48 (2001) 5, S. 258ff.2 AXEL HALLE: Zentralisierung und Dezentralisierung, in:Bibliothek 26 (2002) 1, S. 413 AXEL HALLE: Strukturwandel der Universitätsbibliotheken.Von der Zweischichtigkeit zur funktionalen Einschichtigkeit,in: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 49 (2002)5 – 6, S. 2694 Universitätsgesetz Baden-Württemberg: http://www.mwk-bw.de/Online_Publikationen/Uni-Gesetz.pdf (§ 30)5 Universitätsgesetz Hessen: http://www.hmwk.hessen.de/md/content/recht/hhg_31_07_2000.pdf (§ 56)6 Während sich die beiden erwähnten Universitätsgesetzerecht ausführlich und detailliert zur Rolle der Bibliotheken äus-sern, tut dies das Berner Universitätsgesetz nur sehr globalund verweist stattdessen auf den Leistungsvertrag zwischenUniversität und Universitätsbibliothek:http://www.unibe.ch/law/unigesetz.html7 AXEL HALLE, Zeitschrift für Bibliothekswesen und Biblio-graphie 49, S. 2698 AXEL HALLE, Zeitschrift für Bibliothekswesen und Biblio-graphie 49, S. 2709 Geschichte des Bibliothekssystem der JLU Giessen:http://www.uni-giessen.de/ub/ueber/geschichte.php10 ULRICH NAUMANN: Hochschulbibliotheken im Vergleich.Kapitel IV.5: Reformbestrebungen an der Universität Mar-burg und in Hessen. http://www.ub.fu-berlin.de/~naumann/bibl-systeme/IV5-Marburg.pdf 11 Der Begriff «kooperative Zweischichtigkeit» wird in Marburggleichbedeutend mit «funktionaler Einschichtigkeit» verwendet.

12 ACHIM BONTE: Bibliotheksreform auf starkem Grund,in: Bibliotheksdienst 38 (2004) H. 6, S. 717–72513 Verwaltungsordnung für das Bibliothekssystem der Univer-sität Heidelberg. http://www.ub.uni-heidelberg.de/allg/profil/jurbasics/Verwaltungsordnung_2003.pdf14 ACHIM BONTE: Tradition ist kein Argument. Das Bibliotheks-system der Universität Heidelberg auf dem Weg zur funk-tionalen Einschichtigkeit, in: Zeitschrift für Bibliothekswesenund Bibliographie 49 (2002) 5– 6, S. 305

Obwohl auch in der Schweiz die Probleme ähnlich sind wie

in Deutschland, ist vielerorts die Bereitschaft zur

Kooperation zwischen zentraler Universitätsbibliothek und

universitären Bibliotheken gering

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Interview

Der Bucheinband ist weder Kleidnoch Verpackung, er ist,was das Druckwerk zum Buch macht

Edwin Heim, Leiter des Fachbereichs «Bucheinband und Gestaltung» im centro del bel libro ascona,im Gespräch mit Christine Felber, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit in der StUB

Die meisten Bücher werden mit industriell herge-stellten Verlagseinbänden ausgestattet. Wo liegenheute die Wirkungsfelder für Handbuchbinder?

Das Wirkungsfeld des Handbuchbinders umfasst vor allemZeitschriften, Gästebücher und Tagebücher. Es gehört aberauch der individuell gefertigte Bucheinband dazu, welchernach speziellen Vorstellungen des Kunden hinsichtlich Tech-nik, Material und Farben vom Buchbinder realisiert wird. Esgibt auch Handbuchbinder, die kleine Serien anfertigen, aberim Grossen und Ganzen sind es Unikate, die hergestellt wer-den, sei es im Bereich des Bucheinbands oder der Feinkar-tonage, worunter Mappen, Kassetten und Schuber fallen.Unter den Handbuchbindern finden sich auch Mustermachervon Industrieeinbänden.

Wersind die Auftraggeber von künstlerischen Hand-einbänden?

Es sind in erster Linie Bücherliebhaber, die eine Buchsamm-lung besitzen – von einem speziellen Gebiet, einem Autoroder Illustrator – und darauf achten, dass der Bucheinband inqualitativer Hinsicht ein adäquater Bestandteil des Buchesdarstellt. Nicht selten besitzen sie Druckwerke in losenBögen, die sie in Kassetten aufbewahren. Je nach Bedeu-tung, die das Werk für die Bibliophilen hat, gehen sie zumHandbuchbinder und lassen zu ihrem Druckwerk einen pas-senden Bucheinband herstellen, um ein Gesamtkunstwerkzu erhalten.

Das centro del bel libro ascona bietet Weiterbildungin zwei Fachbereichen an: in «Bucheinband und

Die Stadt- und Universitätsbibliothek Bern zeigt im kommen-den Winterhalbjahr eine Ausstellung von Büchern des Buch-einbandwettbewerbs «bel libro 2003» des centro del bel libroascona. An dem internationalen Wettbewerb haben sich 187Fachleute und Künstler aus 25 Ländern beteiligt. Die Zu-sammenarbeit mit dem centro del bel libro ascona bot Anlass,diese Institution näher kennen zu lernen und deren Tätigkeitvorzustellen. Berufsleute, Auszubildende und Interessierterund um das Buch finden hier ein umfangreiches Angebot anKursen und Veranstaltungen. Im Zentrum stehen die beidenFachbereiche «Bucheinband und Gestaltung» und «Buch-und Papierrestaurierung».

Das centro del bel libro ascona bildet Handbuchbinder in Spezialtechniken weiter und

veranstaltet regelmässig Wettbewerbe zur Förderung des Berufs.

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Gestaltung» und «Buch- und Papierrestaurierung».Gibt es Berührungspunkte zwischen den beidenFachbereichen oder arbeiten diese getrennt?

Es gibt viele Berührungspunkte. Wir führen Kurse durch, diefür beide Fachbereiche konzipiert sind. In diesem Sommerläuft ein Kurs über Einbandgeschichte, der zum einen eineÜbersicht über die Einbandentwicklung und die verschie-denen Techniken gibt, in dem zum andern ein Musterband ineiner ursprünglichen Herstellungsart gefertigt wird. Es ist fürbeide Fachbereiche sehr wichtig, nicht nur die heutigen, son-dern auch die früheren Einbandtechniken zu kennen.

Bei Ihrem Kursprogramm setzenSie in der Regel eine Ausbildungvoraus. Bieten Sie bewusst keineEinstiegskurse für interessierteLaien an?

Es ist richtig, dass wir primär gelernte Handbuchbinderweiterbilden. Seit über zehn Jahren bieten wir jedoch jährlichzwei bis drei Kurse für Nichtbuchbinder an, die Interesse undFreude am schönen Buch und am Handwerk haben. Dadurchkann man auch weitere Kreise für dieses Handwerk sensibili-sieren und ihnen vermitteln, wie viele Arbeitsgänge hintereinem handgefertigten Buch stecken und dass es entspre-chend mehr kostet.

Woher kommen Ihre Kursteilnehmer und in welchenBereichen sind sie tätig?

Die Kursteilnehmer kommen aus der ganzen Welt. In den letz-ten zwanzig Jahren haben weit über 1000 verschiedene Teil-

nehmer aus über dreissig Ländern unsere Kurse besucht. Diemeisten kommen jedoch aus der Nordschweiz und ausDeutschland. Die Kurssprache ist demnach Deutsch und wirdje nach Teilnehmenden durch Englisch, Französisch oder Ita-lienisch ergänzt. Die meisten Teilnehmenden sind in Sorti-mentsbuchbindereien tätig und bearbeiten dort das ganzeSpektrum: von einfachen Broschüren und Pappbänden überMappen bis hin zu Passepartouts. Zu ihren Aufgaben gehörtaber auch das anspruchsvolle Buch, welches in Pergamentoder Leder gebunden und mit einer Handvergoldung odereinem Goldschnitt verziert wird.

Gibt es beim Buchbinden besonders anspruchsvol-le Aufgaben, die spezielle Kenntnisse erfordern,oder ist ein Aspekt Ihrer Kurse auch das Pflegeneiner Liebhaberei auf hohem Niveau?

Die Leute, welche unsere Kurse besuchen, möchten sich spe-zialisieren. Sie möchten beispielsweise den verschiedenar-tigen Umgang mit Leder oder das Prägen von Titeln besserkennen lernen und ihre Fähigkeiten darin vertiefen. Sie möch-ten aber auch neue Ideen für die Gestaltung des Bucheinban-des gewinnen und Erfahrungen mit neuen Materialien sam-meln. Es muss nicht immer Papier, Leder oder Pergamentsein, es kann durchaus auch Draht, Blech, Kork oder Acryl-glas eingesetzt werden.

Es gibt viele Sammler von guten und schönen Büchern,

die das Bedürfnis haben, Literatur in einer kultivierten Art

und Weise zu geniessen.

Edwin Heim leitet seit 1984 denFachbereich Bucheinbandund Gestaltung im centro delbel libro ascona. Er ist gelern-ter Buchbinder und studierteunter anderem an der Ecolesupérieur Estienne in Paris.An zahlreichen Wettbewerbenwar er Preisträger undwurde an namhaften inter-nationalen Bucheinband-wettbewerben als Fachjuroreingesetzt.

Das centro del bel libro asconaliegt mitten in der Altstadtvon Ascona. Es wurde 1965vom Zürcher IndustriellenJosef Stemmle gegründet undwird von einem Verein getra-gen.

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Wie verhält sich das centro del bel libro ascona zuden Ausbildungsstätten, die den Buchbindern eineGrundausbildung verschaffen? Rekrutieren Sie vondort auch Ihre Kursteilnehmer?

Wir bemühen uns sehr um eine Zusammenarbeit und pflegenden Kontakt zu den Lehrbetrieben. Die Lehrlinge im letztenLehrjahr können sämtliche Kurse bei uns besuchen. Seit meh-reren Jahren bieten wir auch Wochenendkurse für Lehrlingeund Lehrmeister an. Wir beteiligen uns zudem an Berufswett-bewerben und Ausstellungen und sehenuns als Informationsstelle für Fragen tech-nischer und materieller Art.

Ist das centro del bel libro asconain der Schweiz die einzige Weiter-bildungsstätte für Buchbinder?

Im Kurssystem ja, und zur Zeit seiner Grün-dung 1965 war das centro del bel libro ascona auch weltweitder einzige Ort, an dem spezifische Weiterbildung für Buch-binder angeboten wurde. Das Kurssystem bietet den Vorteil,dass sich auch Buchbinder, die einen Betrieb führen und die-sen nicht längere Zeit verlassen können, punktuell in einemSpezialgebiet weiterbilden können.

Nach der vierjährigen Lehre können sich Buchbinderauch zum Meister weiterbilden. Dazu sind einige Jahre Praxiserforderlich. Das Ablegen der Meisterprüfung ist in derSchweiz nicht ganz einfach, weil dazu mindestens sieben bisacht Anmeldungen vorliegen sollten. Ist dies nicht der Fall,wird die Prüfung unter Umständen um ein Jahr verschoben.

Für diejenigen, die sich in der Industrie weiterbildenmöchten, bietet sich die Eidgenössische Technische Hoch-schule in Lausanne (ESIG) an. In Bern besteht an der Hoch-schule für Künste die Möglichkeit der Ausbildung zum Kon-

servator und Restaurator für Schriftgut und Grafik (vgl. denBeitrag von Elke Mentzel in diesem Heft, S. 24f.). Im Buch-binderhandwerk gibt es auf Fachhochschulebene keine ent-sprechende Möglichkeit, wie dies in Deutschland in der be-rühmten Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst undDesign in Halle, oder in Paris mit der Ecole supérieure Estien-ne der Fall ist. Die Schweiz ist einfach zu klein, wir haben nichtgenügend Leute, um eine Fachklasse zu bilden.

Im vergangenen Jahr organisierte das centro delbel libro ascona einen internationalen Wettbewerbfür den innovativen Bucheinband. Wozu dienen sol-che Wettbewerbe?

Mit unseren Wettbewerben verfolgen wir gleich mehrere Ziele:Zum einen sollen sie Buchbinderinnen und Buchbinder dazuanspornen, hinsichtlich Gestaltung, Funktion und Technikneue Wege in der Handbuchbinderei zu beschreiten, dasheisst verstärkt in die Zukunft zu schauen und vom schon«Dagewesenen» einmal Abstand zu nehmen. Zum anderensollen Wettbewerbe jüngere Berufskolleginnen und -kollegenfür gute Qualität sensibilisieren, aber auch Jugendliche moti-vieren, diesen handwerklichen wie künstlerischen Beruf zu er-lernen. Ferner orientieren wir uns gerne am internationalenEinbandschaffen, und dazu eignet sich ein Wettbewerb sehrgut. Schliesslich ist es uns auch sehr wichtig, dass der Beruf

Kleider, die Sie für das Konzert tragen, sind nicht dieselben

wie solche für den Sport, dennoch sind beide für den

Gebrauch bestimmt. Beim «schönen» Buch und seinem

Einband ist dies nicht anders.

Interview

Im Jahr 2003 organisierte dascentro del bel libro asconaden Wettbewerb «bel libro2003 – Internationaler Wettbe-werb für den innovativenBucheinband» und die dazugehörige Ausstellung. BisEnde Februar 2005 sind in derStUB 63 der insgesamt187 eingesandten künstle-rischen Handeinbändezu sehen.

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dass sich Männer mehr zur Technik, zur Computerwelt hinge-zogen fühlen. Möglicherweise spielt auch der höhere Ver-dienst in der Industrie eine Rolle. Früher haben viele Frauenein Handwerk nicht ergriffen, obwohl dem nichts entgegen-stand. Heute werden Frauen sogar Kaminfegerinnen. EinBuchbinder muss heute aus ökonomischen Gründen auchmehrere Standbeine haben, das Spektrum an Arbeiten istdamit viel grösser geworden.

Kontakt:[email protected], Telefon 091 791 72 [email protected], Telefon 031 320 32 56

Weitere Informationen:centro del bel libro ascona, Via Collegio, 6612 AsconaTelefon 091 791 72 34, Telefax 091 791 72 54www.cbl-ascona.ch

Ausstellung:bel libro – internationaler Wettbewerb für den innovativenBucheinband des centro del bel libro asconaKonzept: centro del bel libro ascona Gestaltung: Bernet & Schönenberger, ZürichOrt der Ausstellung: Stadt- und Universitätsbibliothek Bern,Ausstellungsraum, Münstergasse 61–63, 3011 BernDauer der Ausstellung: 5. November 2004 bis 26. Februar 2005 Vernissage: Donnerstag, 4. November 2004, 18.00 Uhrin der StUB (auf Voranmeldung)Öffnungszeiten: Mo bis Fr, 8 bis 20 Uhr; Sa, 8 bis 12 UhrBegleitveranstaltungen: Die Ausstellung begleiten verschiedeneVeranstaltungen: Vorträge, Führungen, Praktische KurseBegleitheft: Zur Ausstellung erschien ein Katalog Kontakt: Christine Felber, Stadt- und Universitätsbibliothek Bern,Münstergasse 61, 3000 Bern 8, Telefon 031 320 32 56,Telefax 031 320 32 99, E-mail [email protected] auch unter www.stub.unibe.ch

in der Öffentlichkeit bekannter wird, dass die vielen Möglich-keiten, welche die Handbuchbinderei bietet, ausgeschöpftwerden. Jedermann weiss, was eine Tapete ist, aber nochlange nicht alle Menschen wissen, was ein gestalteter Buch-einband ist.

Die künstlerischen Ideen und der Einsatz originel-ler Materialien der für den Wettbewerb geschaf-fenen Einbände sind faszinierend. Vom Buch alsGebrauchsgegenstand scheinen diese Objekte je-doch weit entfernt. Sind das eher Sammlungs- oderGebrauchsgegenstände?

Selbstverständlich sind diese Bücher Gebrauchsgegenstän-de. Sie sind vergleichbar mit Objekten der angewandtenKunst, die selbst bei ausgefallenem Design zum Gebrauchbestimmt sind. Ich sehe das ein wenig so: Kleider, die Sie fürdas Konzert tragen, sind nicht dieselben wie solche für denSport, dennoch tragen Sie beide in den für sie bestimmtenMomenten. Beim «schönen» Buch ist dies nicht anders. Sielesen es nicht, wenn Sie in Hektik sind, sondern wenn Sie Zeit und Musse haben und sich am ganzen Werk erfreuenkönnen: am Inhalt, an den Illustrationen, der Schrift und demEinband. Und so gibt es viele Sammler von guten und schö-nen Büchern, die das Bedürfnis haben, Literatur in einer kulti-vierten Art und Weise zu geniessen.

Sie leiten nun seit zwanzig Jahren den FachbereichBucheinband und Gestaltung im centro del bel libroascona. Was hat sich in dieser Zeit in der Hand-buchbinderei verändert?

Heute erlernen viel mehr Frauen den Beruf als Männer. Zumeiner Zeit waren es neun Männer und eine Frau, jetzt ist esgenau umgekehrt. Dies lässt sich vielleicht damit erklären,

Einbände von links nachrechts von Roland Stump,Deutschland, PhilipSmith, Grossbritannien,Ritsuko Oohira, Japan, undRodolfo Knisel, Italien.

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Die StUB fragte gemeinsam mit der Fachhochschule Genf nach der Zufriedenheit

mit ihren Bibliotheksdienstleistungen.

Die StUB im Urteilihrer Benutzerinnen und Benutzer

Christian Lüthi ist Direktionsadjunkt der StUB

Wie beurteilt die Kundschaft das Angebot und den Serviceunserer Bibliothek? Diese Frage stellt sich einem Dienstleis-tungsbetrieb täglich. Um nicht nur punktuelle Antworten ein-zelner Kunden zu erhalten, hat die StUB seit den Achtziger-jahren in regelmässigen Abständen ihre Benutzerinnen undBenutzer befragt. Die jüngste Umfragefand im Juni 2004 statt. Die StUB führtediese Erhebung gemeinsam mit der Fach-hochschule Genf durch. 336 Personen füll-ten im Haupthaus an der Münstergasse, inder Basisbibliothek Unitobler, im Hauptge-bäude der Universität und elektronisch im Internet den Frage-bogen aus. Die Fragebogen wurden an diesen Orten verteilt,um vor allem Studierende als Hauptzielgruppe unserer Biblio-theken zu erfassen. So sind auch drei Viertel der Antworten-den Studierende, die zweitgrösste Gruppe bilden berufstätigePersonen. Die grosse Mehrheit der Befragten lernten dieStUB während des Studiums oder der Schulzeit kennen.

Die Benutzerinnen und Benutzer konnten sämtlicheDienstleistungen der StUB und ihrer Filialen (BasisbibliothekUnitobler, Schweizerische Osteuropabibliothek) und Koope-rationsbibliotheken (Fachbereichsbibliothek Bühlplatz, Juris-tische Bibliothek der Universität Bern) bewerten. Zu jedemThemenkomplex wurde die Nutzungshäufigkeit und die Zu-friedenheit erhoben.

Erkenntnisse zur Nutzung des AngebotesDie Kundschaft nutzt die Dienstleistungen sehr unterschied-lich: Es gibt Personen, die mehrmals pro Woche in eine der Bibliotheken kommen; sie nehmen besonders die Lesesäle,

das Angebot an Tageszeitungen sowie die Ausleihe in An-spruch. Die meisten Benutzerinnen und Benutzer erscheineneinmal oder mehrmals pro Monat in der StUB oder einer derassoziierten Bibliotheken. Die Ausleihe und die Arbeitsplätzewurden als wichtigste Dienstleistungen bezeichnet. Dabei

zeigt sich, dass die meisten ausschliesslich entweder dasHaupthaus oder eine der StUB-Bibliotheken in der Länggassenutzen. Die Nutzungsmuster an diesen beiden geografischenStandorten unterscheiden sich bloss in einem Punkt: Die PC-Arbeitsplätze in der Länggasse sind etwas besser genutzt alsan der Münstergasse.

Die Frage, wozu die StUB und ihre Bibliotheken vorwie-gend genutzt werden, ergibt ein klares Bild. Rund drei Viertelnehmen die Dienstleistungen für ihr Studium in Anspruch,30% für Beruf und Weiterbildung sowie 13% für ihre Freizeit(mehrfaches Ankreuzen war dabei erlaubt).

Die StUB wollte ausserdem im Detail wissen, wie inten-siv der Medienbestand genutzt wird. 95% der Benutzerinnenund Benutzer leihen demnach Bücher aus, je 85% konsul-tieren Nachschlagewerke und Zeitschriften, 68% recherchie-ren in Datenbanken und je 55% nutzen Online-Zeitschriftensowie die Fachinformationen im Internet. Bloss ein Drittelnimmt Musik-CDs nach Hause. Besonders die Nutzungs-zahlen der gedruckten Medien sind erfreulich hoch. Studien

Projekte

Aus der Befragung tritt als wichtiger Wunsch der Benutzer-

schaft für die Zukunft, den Buchbestand als Schwerpunkt

zu pflegen – dies entgegen Trends in den USA.

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an Universitäten der USA haben gezeigt, dass dort die Nach-frage nach gedruckten Medien in den letzten Jahren massivgesunken ist. Dieser Trend ist bei uns überhaupt nicht sicht-bar, das Buch behauptet sich weiterhin als Primärmedium.Aus der Befragung tritt denn auch als wichtigster Wunsch der Benutzerschaft für die Zukunft, denBuchbestand als Schwerpunkt zu pflegen.Parallel dazu hat sich das elektronischeMedienangebot als zusätzliche Informa-tionsquelle etabliert. Die Nutzungsinten-sität der elektronischen Bibliothek sollte inden nächsten Jahren gesteigert werden. Dazu braucht es ins-besondere Schulungen an der Universität, welche die StUBfür alle Fachbereiche anbietet.

In vielen Bereichen hat die Befragung Beobachtungenaus dem bibliothekarischen Arbeitsalltag bestätigt. So be-stellen die meisten Leute ihre Bücher von zu Hause oder vomArbeitsplatz aus und nicht in der StUB. Namentlich die ver-sierten Benutzerinnen und Benutzer kommen eher nicht zuuns, um in den Katalogen zu recherchieren.

Viel Lob und zufriedene Kundinnen und KundenDie Befragten konnten sich dazu äussern, wie wichtig ihnendie einzelnen Angebote sind und wie zufrieden sie damit sind.In den meisten Fällen sind rund 90 % der Antwortenden «zu-frieden» bis «sehr zufrieden» mit dem Medienangebot undden Dienstleistungen. Dieser Befund ist sehr erfreulich undbestätigt sowohl die Bibliotheksleitung als auch die Biblio-theksmitarbeitenden in ihrer täglichen Arbeit. In wenigenPunkten sind 15–25 % der Kundschaft nicht befriedigt. Hiermöchten wir genauer hinschauen und die Ursachen dieserKritik erfassen, um mögliche Schwachstellen unserer Arbeitzu beheben. So ist rund ein Viertel der Befragten nicht glück-lich mit dem Lesesaal U im ersten Untergeschoss und mit denÖffnungszeiten. Mehrere Antwortende bezeichneten den Le-sesaal U als «Bunker», da er zum Arbeiten kein Tageslicht bie-tet. Über die Hälfte der Befragten wünscht sich in Zukunft er-

weiterte Öffnungszeiten. Zudem ist jede sechste Person nichtzufrieden mit der Übersichtlichkeit und den Suchmöglichkei-ten unserer Website. Diese Schwächen sind uns bekannt undwir bemühen uns, Verbesserungen in die Wege zu leiten.

AusblickDie Ergebnisse zeigen, dass die Arbeit der StUB sehr ge-schätzt wird. Mehrere Personen sprachen der StUB ein gros-ses Lob aus, wie beispielsweise dieses: «Insgesamt eine vor-bildliche Bibliothek mit äusserst freundlichem Personal». Diesspornt dazu an, weiterhin gute Arbeit zu leisten. Ein wichtigesZiel solcher Befragungen ist wie erwähnt, Anstösse zu erhal-ten, um den Service gezielt zu verbessern. Unsere Stärken,wie das Buch- und E-Medienangebot sowie Auskünfte undBeratungen, werden wir weiter pflegen. Gleichzeitig versuchtdie StUB, die Öffnungszeiten und die Räume zu optimieren.Dies kann jedoch nur gelingen, wenn der Kanton und die Uni-versität keine weiteren drastischen Sparmassnahmen ergrei-fen und wenn bis 2010 ein Erweiterungsbau für das Haupt-haus realisiert werden kann. Im Interesse eines hoch stehen-den Berner Bildungsstandortes möchte die StUB die Qualitätihrer Dienstleistungen laufend verbessern und einem grossenBenutzerkreis zur Verfügung stellen.

Kontakt: [email protected], Tel. 031 320 32 87

«Insgesamt eine vorbildliche Bibliothek mit äusserst

freundlichem Personal»: Ein solches Lob spornt dazu an,

weiterhin gute Arbeit zu leisten.

Die Studierenden schätzen die langen Öffnungs-zeiten und nutzen die Lesesäleder StUB intensiv. Im Bild der Lesesaal A.

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Die Stadt- und Universitätsbibliothek Bern (StUB) zählt ver-schiedene herausragende Sammlungen zu ihren Beständen.Zu nennen wäre hier etwa die Bongarsiana (Jacques Bongars,1554–1612), deren Handschriften und Codices der Burger-bibliothek Bern und die Druckschriften der StUB anvertrautsind. Auch die Kartensammlung von Johann Friedrich vonRyhiner (1732–1803) ist ein solches Juwel, das in den Maga-zinen an der Münstergasse lagert. Der Schweizerischen Ost-europabibliothek bietet sich nun die seltene Gelegenheit, einemoderne Berner Sammlung zu übernehmen, die von inter-nationaler kulturhistorischer und wissenschaftlicher Bedeu-tung ist.

Eine Sammlung entstehtDr. Peter Sager, Gründer des Schweizerischen Ost-Institutesund der Schweizerischen Osteuropabibliothek (SOB), lang-jähriger Nationalrat und Mitglied des Europarates, hat im letz-ten halben Jahrhundert eine private Samm-lung aufgebaut, die sich mit der Wahrneh-mung Russlands in Europa hauptsächlichvom 16. bis zum 19. Jahrhundert beschäf-tigt. Von ihrem Fokus her ergänzt sie damitwertvoll die Schweizerische Osteuropabi-bliothek, die Fragen der Gegenwart undder Zeitgeschichte (20. Jahrhundert) deseuropäischen Ostens gewidmet ist. Sager hat über Jahrzehn-te hinweg zielgerichtet und mit einem immer wieder überra-schenden bibliophilen und wissenschaftlichen Spürsinn seineSammlung ergänzt. So ist die Bibliothek «Rossica Europe-ana» entstanden. Es handelt sich dabei um eine weltweit her-

ausragende Kollektion europäischer Druckschriften und Kar-ten, Grafiken und Autografen über das vormoderne Russ-land.

Russland und EuropaRussland, genauer die Russländische Föderation, ist nichtnur der flächenmässig grösste Staat der Erde, sondern miteiner Bevölkerungszahl von 145 Millionen Menschen auchder bedeutendste Nachbar der Europäischen Union. Die Be-ziehungen zwischen Russland und (dem westlichen) Europaund die Positionierung Russlands in Europa sind von nicht zuunterschätzender Bedeutung für die Zukunft des Kontinents.Dieses Verhältnis unterlag dabei immer auch Schwankungen.

Zwischen der orthodoxen Kiewer Rus, der mittel-alterlichen Herrschaftsbildung auf dem Gebiet der heutigenStaaten Russland, Ukraine und Weissrussland, und dem la-teinischen Europa bestanden bis ins 13. Jahrhundert inten-

sive Kontakte. Mit der Expansion des mongolischen Welt-reiches in den osteuropäischen Raum brachen diese Kontak-te dann nach der Mitte des 13. Jahrhunderts teilweise ab.

Das junge Moskauer Fürstentum – vom lateinischen Eu-ropa lange nicht wahrgenommen – stieg im 14. und 15. Jahr-

Sammlungen

Eine einzigartige Sammlung europäischer Druckschriften und Karten über Russland

vom 16. bis zum 19. Jahrhundert soll für die Schweiz bewahrt werden.

«Rossica Europeana» – eine Bibliothek über Russland und dessen Wahrnehmung in Europa

Christophe v. Werdt ist Leiter der Schweizerischen Osteuropabibliothek

Von ihrem Fokus her ergänzt die «Rossica Europeana»

wertvoll die Schweizerische Osteuropabibliothek,

die Fragen der Gegenwart und der Zeitgeschichte des

europäischen Ostens gewidmet ist.

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hundert zu einer bedeutenden osteuropäischen Macht auf.Erst im Zuge dieser Entwicklung geriet Russland um das Jahr1500 wieder ins Blickfeld Europas. Vor die-sem Hintergrund zählte man das Zaren-reich wie das eben erst erkundete Amerika,wie Afrika oder den Fernen Osten noch im16. Jahrhundert zur Kategorie der «neuentdeckten exotischen Länder». Späte-stens seit dem 18. Jahrhundert hat Russland dann die Ge-schicke Europas als kontinentale Grossmacht entscheidendmitgeprägt – im 20. Jahrhundert in Gestalt der Sowjetunion.Es ist seither aus Europa nicht mehr wegzudenken.

Russlandkenntnisse und -bilderDie Sammlung «Rossica Europeana» dokumentiert die Ent-wicklung des westeuropäischen Wissensstandes über Russ-land. Sie bietet der historischen, ethnologischen und geogra-fisch-landeskundlichen Forschung allgemein wertvolles Quel-

lenmaterial über Russland und die angrenzenden Regionen.Wegen der sonstigen Quellenarmut sind wir gerade für die Er-

forschung des neuzeitlichen Russland und seiner Völker aufdie westlichen zeitgenössischen Schriften angewiesen.

Die wechselvollen Beziehungen zwischen Russland undEuropa haben sich ausserdem historisch in verschiedenenFormen der gegenseitigen Wahrnehmung und Abgrenzungniedergeschlagen. Sie sind geprägt von Vorurteilen und Ste-reotypen. Diese beweisen bis in die Gegenwart eine erstaun-liche Zählebigkeit und Aktualität.

Ein Beispiel mag dies belegen. Sigismund von Herber-stein, der als habsburgischer Diplomat anfangs des 16. Jahr-

Die Beziehungen zwischen Russland und Europa und die

Positionierung Russlands in Europa sind von nicht zu unter-

schätzender Bedeutung für die Zukunft des Kontinents.

Ein tatarischer und nogaischerMusikant (Peter Simon Pallas,Bemerkungen auf einer Reise indie südlichen Statthalterschaftendes russischen Reichs, 1799).

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hunderts mehrmals Moskau bereiste und danach eineneinflussreichen Bericht verfasste, machte mit Blick auf diepolitische Verfassung die Feststellung: «Es ist ain zweyfel, obain solch volckh ein solch schwaere Herrschafft habenmuess, oder ob die grausame Herrschafft ain solch unge-schickht volckh macht.» Manche westlichen Analysen deraktuellen politischen Verhältnisse in der RussländischenFöderation kreisen nach wie vor im Kern um diese (vermeint-liche) Gretchenfrage. Anhand dieser und ähnlicher Irritationenüber das fremdartige Russland dokumentiert die «RossicaEuropeana» die Russlandbilder, die sich im lateinischen Euro-pa Russlandbilder herauskristallisierten.

Die Sammlung birgt zudem eine Fülle an Informationendarüber, wie Europa seit dem späten Mittelalter seine Identitätals gesonderter Kulturkreis auszubilden begann. Dies ge-schah wesentlich durch die Abgrenzungvom «anderen». Europa definierte sich ge-radezu über die Differenz zu den «neu ent-deckten» Gebieten. Russland spielte indiesem Wechselspiel von europäischerIdentitätsbildung und Wahrnehmung desFremden eine besonders wichtige Rolle.Denn in seinem Fall wurde Europa miteinem «fremden» christlichen Land konfrontiert, das es nichtkolonisieren und das es sich nicht kulturell angleichen konnte.

Eine herausragende und vielfältige BibliothekDie «Rossica Europeana» ist von herausragender Bedeutung.Sie umfasst zur Hauptsache etwa 3000 Bände und mehrereHundert Karten. Abgesehen von einzelnen Lücken vereinigtsie den gesamten Kanon des nur schwer zugänglichen west-lichen, gedruckten Schrifttums und Kartenmaterials überRussland vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.

Es erstaunt bei jedem Nachschlagen von neuem, welcheRaritäten der Sammler zusammengetragen hat. Praktisch

sämtliche einflussreichen und meinungsbildenden euro-päischen Druckschriften über Russland sind vertreten. Dieseprivate Sammlung kann sich deshalb messen mit solch tradi-tionsreichen Standorten wie Wien, wo die Habsburgerkaiserim Dienste ihrer Aussenpolitik seit Jahrhunderten Informatio-nen über Russland beschaffen liessen.

Die «Rossica Europeana» enthält beispielsweise bezie-hungs- und diplomatiegeschichtliche Meilensteine in seltenenOriginalausgaben, etwa die erste umfangreiche und verläss-liche Beschreibung des Russischen Reiches des bereitserwähnten habsburgischen Diplomaten Sigismund von Her-berstein (Mitte des 16. Jahrhunderts). In der Sammlung befin-det sich sogar eines von vermutlich insgesamt nur zwei voll-ständigen Exemplaren der deutschen, von Herberstein selbstbesorgten Erstausgabe seines Berichts (Wien, 1557).

Bezüglich der Reiseberichte weist die Sammlung zudemweit über Russland hinaus, unter anderem in die asiatischenNachbargebiete. So enthält sie beispielsweise wertvolleKompilationen von Expeditionsberichten, etwa jene von Ri-chard Hakluyt (1598–1600), Samuel Purchas (1625) und vonGiovanni Battista Ramusio (1583).

Eine andere Gattung bilden die Beschreibungen desMoskauer Staates durch Zeitgenossen. Hier sind etwa dieWerke von Johannes Fabri (1526) und Adam Olearius (1647)zu erwähnen. Meilensteine der osteuropäisch-russischenHistoriografie und geografischen Landeskunde begegnenuns beispielsweise mit Marcin Kromer (1555) oder mit Maciej

Es erstaunt bei jedem Nachschlagen von neuem, welche

Raritäten der Sammler zusammengetragen hat. Praktisch

sämtliche einflussreichen und meinungsbildenden

europäischen Druckschriften über Russland sind vertreten.

Handschriftlicher BriefPeters des Grossen.

Ostjakischer Hermelin-Fänger(Description de toutes lesnations de l’Empire Russe, 1776).

Russische Ski- und Schlitten-fahrer (Sigismund v. Heberstein,Rerum Mosciviticarum Com-mentarii, 1556).

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17 LIBERNENSIS 2.2004

z Miechowa (1517), der das ptolemäische Weltbild bezüglichseiner Grenzziehung zwischen Asien und Europa in Fragestellte.

Für die Meinungsbildung im lateinischen Europa spiel-ten seit dem 16. Jahrhundert ausserdem Flugschriften underste Erzeugnisse der frühneuzeitlichen «Sensationspresse»(«Wunderbare, erschreckliche, unerhörte Geschichten») einegrosse Rolle. Auch dieser Werktyp ist in der Sammlungprominent vertreten.

Zur «Rossica Europeana» gehört zudem eine Vielzahlgeografisch-volkskundlicher Traktate über Russland und diebenachbarten Gebiete, ebenso wie eigentliche Expeditions-berichte, die von westlichen Gelehrten im Auftrag der Zarenerstellt wurden. Diese Materialien sind aufgrund der meistreichlich vorhandenen handkolorierten Illustrationen nicht nurvon Bedeutung für die Wissenschaft,sondern auch von grossem ästheti-schem Wert.

Mit mehreren Hundert, in der Re-gel kolorierten und illustrierten Karten-blättern repräsentiert die Sammlungzudem den Stand des geografischen Wissens über Russlandund die angrenzenden Regionen. Die «Rossica Europeana»wird abgerundet durch eine kleinere Auswahl an Grafiken,Gemälden, Autografen und anderen Gegenständen. Unteranderem befindet sich darunter auch ein handschriftlicherBrief Peters des Grossen.

Insgesamt stellt die Bibliothek also in verschiedenerHinsicht einen nahezu unerschöpflichen Fundus für die For-schung zu Russland und die Nachbarregionen dar.

Zukunft der «Rossica Europeana»Die «Rossica Europeana» soll nun dauerhaft in fachgerechteObhut übergehen und damit für die Nachwelt erhalten wer-den. Der Sammler hat sie deshalb der Schweizerischen Ost-

europabibliothek als Leihgabe überantwortet und ihr eineOption zum Ankauf der Sammlung eingeräumt. Denn die SOBkann als ausgewiesene wissenschaftliche Spezialbibliothekzum europäischen Osten die weitere Betreuung der Samm-lung gewährleisten.

Die Chance, die «Rossica Europeana» in die Osteuropa-bibliothek zu integrieren, ist nicht zuletzt deshalb interessant,weil das Angebot ganz wesentlich unter dem Schätzwert derSammlung liegt. Die Zerstreuung der Bibliothek soll möglichstverhindert werden. Denn es ist in unserer Zeit kaum mehrwahrscheinlich, dass eine Sammlung von vergleichbaremGehalt neu aufgebaut werden könnte.

Die Schweizerische Osteuropabibliothek ist so bestrebt,durch die Beschaffung von Drittmitteln die Bewahrung der«Rossica Europeana» in der Schweiz sicherzustellen und die

Bibliothek zu kaufen. Sie wird in diesem Anliegen von einemnamhaft besetzten Patronatskomitee unterstützt. Erste positi-ve Reaktionen stimmen zuversichtlich, dass dieses Vorhabengelingen könnte – doch bleibt bis Ende 2005 noch einiges zutun.

Kontakt: [email protected], Tel. 031 631 41 78

Die Sammlung birgt eine Fülle an Informationen darüber,

wie Europa seit dem späten Mittelalter seine Identität als ge-

sonderter Kulturkreis auszubilden begann.

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18 LIBERNENSIS 2.2004

Der wissenschaftliche Sektor befindet sich in Österreich zur Zeit

in einer Umbruchsphase. Davon sind auch die Bibliotheken betroffen.

Zum gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich

Bernhard Dengg ist Leiter der Juristischen Bibliothek der Universität Bern

Am 18. Juli 2004 wurde von der interimistischen Leiterin desBibliotheks- und Archivwesens der Universität Wien an dieVereinigung der Österreichischen Bibliothekare ein Rundmailverschickt, in dem sie mitteilt, dass die Einrichtung eines interuniversitären Universitätslehrganges Master of Science(MSc) Library and Information Studies vom Senat der Uni-versität Wien genehmigt wurde. Dieser zweisemestrige Lehr-gang steht für die einheitliche Ausbildung für das gesamteuniversitäre Bibliothekspersonal in Österreich und entsprichtsomit den Bestimmungen des seit dem Jahr 2002 in Kraft getretenen neuen Universitätsgesetzes. Darin werden die

Universitäten verpflichtet, für ihr bibliothekarisches Personaleinen einheitlichen Ausbildungsmodus zu ermöglichen. InWien beginnt der Lehrgang in Kooperation mit der Österrei-chischen Nationalbibliothek im Herbst 2004, die Bibliothekender Universitäten Graz, Salzburg, Innsbruck und Klagenfurtwerden sich diesem Programm später anschliessen.

Damit ist eine neue Richtung in der Bibliothekaren-Aus-bildung in Österreich eingeschlagen, die einerseits im Sinneder berufsbegleitenden Weiterbildung an dem seit über 70Jahren bestehenden System anknüpft, andererseits jedochdie Ausbildung im österreichischen Bibliotheks-, Informa-

tions- und Dokumentationswesen (BID) auf die Stufe einesUniversitätslehrgangs hebt und mit einem international gülti-gen Abschluss versieht.

Dies ist ein weiterer Schritt in einer nun mehr als einJahrzehnt dauernden Phase der Veränderungen und Refor-men, welche die wissenschaftlichen Bibliotheken in Öster-reich durchlaufen. Man kann sogar überspitzt behaupten,dass sich – sieht man von den politischen Katastrophen im20. Jahrhundert ab – im österreichischen Bibliothekssystembeinahe über 200 Jahre eine ganz dem Klischee des Bib-liothekswesens entsprechende Geruhsamkeit entwickeln

konnte, an der alle grösseren Refor-men keine allzu grossen Spurenhinterliessen. Seit den Bildungsrefor-men unter der Regentschaft vonMaria Theresia (1717–1780) hat diestaatliche Obrigkeit das Bibliotheks-wesen eng mit dem österreichischenBeamtentum verknüpft und ihm zu-

gleich im riesigen Apparat der Bürokratie ein gewisses Eigen-leben garantiert.

Dem wurde mit der Umsetzung des Universitätsgeset-zes von 1993 und jenem für Kunstuniversitäten vom Jahr 1998ein Ende gesetzt, indem sich die Universitätsbibliotheken aus der Obhut der bundesstaatlichen Hoheit direkt in die Universitäten eingebunden sahen und fortan in allen Berei-chen der Universitätsleitung unterstellt wurden. Dies war imGrunde nur eine logische Folge des Universitätsgesetzes von1975, das bereits eine engere Anbindung an die Universitätenvorgesehen hatte. Da das Gesetz von 1993 den Universitäten

Partner

Seit den Bildungsreformen unter der Regentschaft von

Maria Theresia hat die staatliche Obrigkeit das Bibliotheks-

wesen eng mit dem österreichischen Beamtentum

verknüpft und ihm ein gewisses Eigenleben garantiert.

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aber eine bestimmte Teil-Unabhängigkeit vom Bundes-ministerium zusprach, wurde das Selbstverständnis der Universitätsbibliotheken als quasi-eigenständige Einrichtun-gen in ihren Fundamenten zerstört. Schmerzhaft musste zurKenntnis genommen werden, dass nun der direkte Kontaktzum Arbeitgeber und Financier Bund durch die Ebene «Uni-versität» unterbrochen wurde. Als sich die neuen Regelungen

schliesslich nach der Umsetzung 1999 vor allem in den Berei-chen des Finanz- und Personalwesens bemerkbar machten,hatte dies Irritationen und hin und wieder offene Kritik zurFolge. Die europäischen Rahmenbedingungen, aber auchein innenpolitischer Ehrgeiz zur Schaffung neuer qualitativerStandards im Wissenschaftsbereich liessen jedoch eine neueForm der Beschaulichkeit für die Universitätsbibliothekennicht mehr zu.

Kaum hatte man sich mit der neuen Situation abgefun-den, setzte das Universitätsgesetz 2002, diesmal bereits imgemeinsamen Boot mit den Universitäten, eine neue ein-schneidende Zäsur.

So integrierten zum Beispiel einige Universitäten ihreArchive in die Bibliotheken, und diese wiederum werden nachaussen verstärkt als reine «Dienstleistungs- oder Service-einrichtung» präsentiert. Zwar sind die Aufgabenbereiche derBibliotheken in den neuen Organisationsstrukturen der Uni-

versitäten klar umrissen und zum Teil auch mit Leistungs-vereinbarungen festgelegt (z. B. Universität Graz), doch befürchtet man aufgrund der gänzlichen Abhängigkeit vonder Universitätsleitung, gerade als Dienstleistungseinrichtungvon den Einsparungsmassnahmen, zu denen sich nun dieautonomen Universitäten gezwungen sehen, besonders be-troffen zu sein. So werden zur Zeit im Diskussionsforum der

Vereinigung Österreichischer Biblio-thekarinnen und Bibliothekare (VÖB)die neuen Kollektivvertragsverhand-lungen für das Allgemeine Univer-sitätspersonal heftig diskutiert, alsFolge derer man die Einstufung derBibliothekarinnen und Bibliothekare inniedrigere Lohngruppen befürchtet.

Diese Besorgnis ist insofern nicht unbegründet, da dies be-reits in einer internen Leistungsbewertung der Wirtschaftsuni-versität Wien geschehen ist. Die weitere Entwicklung derUniversitätsbibliotheken im Rahmen des Universitätsgeset-zes 2003 bleibt somit ungewiss. Skepsis herrscht unter denverantwortlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekaren gera-de aufgrund der Ansicht, in den Verhandlungen die schwä-chere Position zu besitzen. Doch wird in der neuen Situationauch die Chance gesehen, sich der eigenen Aufgaben undLeistungen bewusst zu werden und diese auch entsprechendzu präsentieren.

Ein eigener Weg wurde mit der Österreichischen Natio-nalbibliothek eingeschlagen. Ebenfalls aus der staatlichenVerwaltung ausgegliedert, agiert sie seit Jahrbeginn 2002erfolgreich als eine vollrechtsfähige Einrichtung mit allenChancen und Risiken, die damit verbunden sind. Eine Bib-liothek als Wirtschaftsunternehmen? Kritiker hatten schnell

Die europäischen Rahmenbedingungen, aber auch ein

innenpolitischer Ehrgeiz zur Schaffung neuer qualitativer

Standards im Wissenschaftsbereich liessen eine Beschau-

lichkeit für die Universitätsbibliotheken nicht mehr zu.

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ein Szenario des Ausverkaufs nationalen Kulturgutes an dieWand gezeichnet. Doch entspringt dieses Denken wohl einerzu simplen Vorstellung, was das Wirtschaften mit öffentlichenGeldern, aber auch das Wirtschaften mit eigenen Ressourcenbetrifft. Das Beispiel Österreichische Nationalbibliothek zeigt

allen anderen wissenschaftlichen Bibliotheken, dass nicht zu-künftig, sondern bereits gegenwärtig über die rein fachlichenQualifikationen, die eine Bibliothekarin oder ein Bibliothekarbisher aufweisen musste, hinaus zu denken ist. Zukünftige Bi-bliothekarinnen und Bibliothekare werden sich nicht wie bis-her in einem sicheren öffentlichen Dienstrechtsverhältnis be-finden, sondern als privatrechtliche Angestellte arbeiten. DieFührungskräfte werden sich nur behaupten können, wenn siezugleich im wirtschaftlichen Denken und in der Führung vonPersonal, aber auch in der Öffentlichkeitsarbeit geschult sind.Immer stärker wird von Seiten der Universität und der öffent-lichen Hand die tatsächliche bibliothekarische Arbeit hinter-fragt und nach neuen Leistungskriterien bemessen. Somitsind auch die Bibliotheken, wollen sie ihren Stellenwert beibe-halten, gezwungen, viele ihrer Aufgabenbereiche selbst zuhinterfragen.

In vielen Bereichen hat man in Österreich schon auf dieneuen Anforderungen reagiert. Die Einsicht, dass in der ge-genwärtigen Situation keine Bibliothek einen Sonderweg wirdeinschlagen können, führt zu einer engeren Zusammenar-beit, zum Austausch von Informationen und zu gemeinsamen

Vorgehensweisen. Gerade die Ver-einigung Österreichischer Bibliothe-karinnen und Bibliothekare fördertdie Diskussionsforen und Arbeitsge-meinschaften. Diese Geschlossenheitder wissenschaftlichen bibliothekari-schen Einrichtungen liegt im Interessealler und stimmt somit auch optimis-

tisch, was die Zukunft des österreichischen Bibliothekswe-sens betrifft.

Der Zugriff auf geringere finanzielle Mittel muss nicht zu-gleich eine Qualitätsminderung der Arbeit bedeuten, ebensowenig einen Abbau des Mitarbeiterstabes. In welche Richtungdas wissenschaftliche Bibliothekswesen in Österreich jedochgehen wird, ist vorerst noch nicht abzusehen. In die Beschau-lichkeit eines ruhigen Bibliothekarsdaseins wird sie mit Si-cherheit nicht mehr führen.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 631 87 91

Links:Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)http://voeb.uibk.ac.at/Österreichische Nationalbibliothekhttp://www.onb.ac.at/Österreichische Bibliotheken, Dokumentationsstellen und verwandte Einrichtungenhttp://www.uibk.ac.at/c108/obib.html

Die Einsicht, dass in der gegenwärtigen Situation keine

Bibliothek einen Sonderweg wird einschlagen

können, führt zum Austausch von Informationen und

zu gemeinsamen Vorgehensweisen.

Partner

Seite 19: NiederösterreichischeLandesbibliothek, Sankt Pölten,Aussenansicht von Westenund Katalograum.

Prunksaal der österreichischenNationalbibliothek, Wien.

ReSoWi Graz.

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21 LIBERNENSIS 2.2004

Bücher und andere MedienBuch am Mittag – Thema vom 8. Juni 2004

Was Leiste in Berngeleistet haben

J. Harald Wäber ist Direktor der Burgerbibliothek Bern

Wer heute in Bern von Leisten spricht, meint die bestehendenQuartier- und Gassenleiste. Der Begriff des Leists, welcherder Rechtsgeschichte entstammt und offenbar nur in Bernvorkommt, ist jedoch bedeutend älter und seit drei Jahrhun-derten fassbar.

In Mode gekommen sind Leiste im geselligen 18. Jahr-hundert als Ausdruck der Aufklärungsbewegung und der bür-gerlichen Öffentlichkeit, die sich damals zu formieren begann.Sie waren Vereinigungen von meist jungen Männern, in derenMittelpunkt der Freundschaftskult der Zeit und die Gesellig-keit standen. Sie sind vornehmlich in der Stadt Bern bezeugt,und ihre Mitglieder rekrutierten sich aus der burgerlichenMittel- und Oberschicht.

In einer ersten Phase, die bis in die Mitte des 18. Jahr-hunderts reichte, waren die Leiste noch ziemlich offen undwenig organisiert. Vor dem Hintergrund der vollendeten Aris-tokratisierung des politischen Systems zeigten sich in einerzweiten Phase Abschliessungstendenzen, und man findetnach der Mitte des 18. Jahrhunderts die Ober- und die Mittel-schicht kaum mehr im selben Leist. Die Abschliessung nachaussen machte Kontrollen über die Mitglieder und den Leist-betrieb nötig, weshalb die Leiste von da an eine geordneteVereinsstruktur aufweisen.

Die Jahre der helvetischen Revolution eröffneten diedritte Phase der Geschichte der bernischen Leiste. Bis überdie Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus ist eine partielle Politi-sierung zu beobachten. Mehr als ein Leist wird sogar zumTräger politischer Gruppen, in einer Epoche, in der die Par-teien in unserem Land noch keine endgültige und dauerhafteOrganisationsform hatten. So bildete der 1816 gegründete

Burgerleist, der ausschliesslich der nichtpatrizischen Burger-schaft zugänglich war, 1830 den Kristallisationspunkt deshauptstädtischen Liberalismus, in dem auf eine Staatsumwäl-zung hingearbeitet wurde. Der 1832 gegründete Bernerleistwiederum wurde zum organisatorischen Zentrum der altge-sinnten, regierungsfeindlichen Opposition, und es gelang ihmin der Regeneration, auf städtischer Ebene die Vorherrschaftdes Patriziats zu festigen.

Die vierte und letzte Phase der Leistgeschichte, die bisheute andauert, nimmt ihren Anfang 1863/65, als der Lorrai-ne- und der Länggassleist gegründet wurden. Damit war ineiner Zeit, in der sich die Stadt rasch ausdehnte, eine neueLeistgattung geboren: die Quartier- und Gassenleiste. Dieseboten ihren Mitgliedern zwar auch gesellige und freund-schaftliche Beziehungen, ihr eigentliches Ziel waren jedochöffentliche Anliegen. So befassten sie sich anfangs mit sozia-len und baulichen Problemen ihres Stadtteils, behandeltenaber auch politische Fragen und betrieben in Abstimmungenund Wahlen manchmal sogar Meinungsbildung. In den letztenJahrzehnten kämpfen die gegenwärtig 35 Quartier- und Gas-senleiste vor allem für die Wohnlichkeit und andere verbesse-rungswürdige Bedürfnisse ihrer Quartiere und Gassen.

Gleichzeitig mit dem Aufkommen der Quartier- undGassenleiste erlebten auch die traditionellen freundschaft-lichen Leiste einen Aufschwung, wobei diese sich bis heuteausschliesslich im ehemaligen Patriziat finden. Gegen Endedes 19. Jahrhunderts versuchte diese durch starke ökonomi-sche, politische und soziale Umwälzungen in ihrem Einflussbedrohte Schicht, in Leisten dem eigenen Nachwuchs imKreis von Gleichgesinnten und Gleichgestellten Identität undSolidarität einzuimpfen. Noch heute ist es ein Ziel der Leiste,in diesem sozialen Milieu ein Gruppengefühl zu fördern.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 320 33 33

Die Berner Leiste haben eine 300 Jahre

alte Tradition.

Der 1918 abgebrochene Sommerleist an der Laupenstrasse 5.

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«langsam laut lesen langsam laut lesen langsam laut lesen langsam laut lesen», sodie Lektüreanweisung, besser: der Vorschlag des Berner Lyrikers Franz Dodel aufseiner Homepage1, und auf dem Beipackzettel wird diese Empfehlung wiederholt,sich so dem Text, der endlosen, monströsen Schlange zu nähern, die es nun auchseit einiger Zeit im Buchhandel gedruckt zu kaufen gibt.

Die drei Bände mit dem Titel «Nicht bei Trost – a never ending Haiku» sind auseinem Projekt entstanden, das nun schon seit mehr als zweieinhalb Jahren verfolgtwird und noch lange nicht, so hofft man, sein Ende findet.

Ein Haiku, genauer gesagt ein Ketten-Haiku, jene japanische, kleine Form desDreizeilers mit der strengen Versilbung (Fünf – Sieben – Fünf, in diesem Falle: Fünf– Sieben – Fünf – Sieben – Fünf – Sieben –...) über Hunderte von Seiten. Es stecktin der Produktion viel Arbeit, stellt aber auch für den Leser eine Herausforderung dar,im Falle des Vortrags für den Zuhörer.

Letztere wurde angenommen, damals auf der Buchvernissage in der BaslerPapiermühle, Anfang Mai während der BuchBasel, und dort wurde die Qualität desTextes klar. Die unterschiedlichen Ansätze der Schauspieler-Sprecher und damit desjeweils eigenen Zugangs, was das laut Lesen betrifft, teilweise das Scheitern an derForm, wenn sie dem Inhalt widerstrebte, die Eckigkeit und Sperrigkeit, so mochtemancher gedacht haben, dann aber auch wieder eine brillante Umsetzung jener ser-monhaften Meditation über Bildergruppen, Anspielungen zur Literatur, Geistesge-schichte und Theologie, über Plätze, an denen Literatur stattfindet.

Das plotlose Mäandern durch Zeit und Raum, eine Reise ins Unbestimmte also,folgt dennoch einigen Gesetzen. So wurde von Dodel nach jeder 500. Zeile eineProust-Referenz (Recherche) eingebaut, eine Markierung gesetzt, um doch nochdie Möglichkeit für ein kleines Koordinatensystem, einen Bezugspunkt, eine kleineVerlässlichkeit in diesem Strom, und damit Sicherheit zu installieren.

Gelungen auch die in den Büchern als Pendant auf den gerade stattfindendenHaupttext gegenübergestellten Anmerkungen, Verweise und Illustrationen, die in derPrint-Version von Rudolf Steiner nachgezeichnet wurden. Dieser im Lexikonstilgestaltete Ergänzungsteil hilft den Textfluss zu strukturieren.

( . . . )Engel Dämonendie sich rastlos bemühenum uns im Durchzugdes hochgestemmten Himmelsdie wollen uns stets[4800] mitnehmen irgendwohinich verweigere grundsätzlich jeden Transportdenn ich gehe beimEinschlagen einer Richtungimmer verlorenlass uns stehen und bleibeninmitten der Flut:nichts und welch eine Weite!ich halte dich festauch mit offenen Armenspäter schwimmen wirhinaus und spielen wie Gottmit dem Leviathanerst Ungeheures nämlichkann uns beruhigenzwingt uns den Tanz nach innenzu falten wo wirdie ausfallenden Schritteden engen Räumenanpassen müssen so dassdie Nähe uns zwingtfast nichts mehr zu sehen dennerst aus der Fernewerden die Dinge wiederlangsam und grössertauchen auf wie der Rückeneines Flusspferdesaus dem Schlamm wie das Urtierdas Gott ausführlichbeschreibt es streift seinen Schwanzzederngleich aus Eisensind die Gebeine aus Erzim Lotosgebüschlegt es sich nieder verstecktim Sumpf und im Schilfbleibt es sicher wenn ihm derJordan ins Maul dringt«Ja kann man dem Behemot»so fragt Gott Ijob«seine Nase durchbohren?»aber was genauhat diese Frage zu tunmit Ijobs Unglück?«Verstand geht» sagte einer«dem Blödesten auf»aber die Umstände sindnicht immer günstig ( . . . )

Innensäulen: Ausschnitt Zeilen 4787 bis 4847

Franz Dodels never ending Haiku

Kopfreisen an ortlose Plätze

Hartmut Abendschein ist Fachreferent für Germanistik

Bücher und andere Medien

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Eine weitere Regelmässigkeit: die Selbstbezüglichkeit, das wiederholte Zu-rücktreten von dem Text und das Nachdenken über Bedingungen des Schreibens,vor allem solch eines Textes.

Dabei taucht auch immer wieder das Thema der Leiblichkeit auf, unter ande-rem auch des Sitzens. Gemeint sind nun nicht belanglose Körperhaltungen zum Bei-spiel der Entspannung, sondern Haltungen, die zu einer offenen Wachheit führen,wie sie in fernöstlichen, aber auch christlichen spirituellen Traditionen (Wüsten-väter2) praktiziert werden. Vor diesem Hintergrund verstehen sich aus dem Kontextlosgelöste, fast schon aphoristische Elemente («Hiersein ist reisen genug» circaZeile 900) wie von selbst.

Dodel geht es um die Bewegung jenseits der Körperbewegung. Es geht umGeistesbewegung. Verknüpfende Psychoaktivität auf der Grundlage alter bis jünge-rer Texte. Ein halluzinatives Gesamtwerk also, ein performativer Text mit Appellcha-rakter, ein Leserappell zur aktiven Mitgestaltung grosser Assoziationsbögen.

Beim Sitzen, beim vielleicht literarischen Herumlungern auf einer Lesung bei-spielsweise (aber auch bei der Lektüre), wäre es nicht störend, so Dodel, würde dereine oder die andere irgendwann einmal aussteigen, den Text verlassen und wiederan einer anderen Stelle hinzustossen. Die Versetzung in einen abschweifend träu-menden Zustand wird von ihm durchaus positiv und die Möglichkeit, wieder anirgendeiner anderen Stelle einzusetzen, als Chance gesehen.

Auch hier passt das Konzept des auf Endlosigkeit angelegten Textes sehr gut,und will man ihn als Kommentar auf die Textgeschichte im weitesten Sinne verste-hen, dann ergäbe sich aus diesem Ansatz ein dekonstruktivistisches Verfahren parexcellence.

In «Nicht bei Trost» wird, auch durch die nun als Werk erschienene Print-Aus-gabe der ersten 6000 Zeilen, die Projekthaftigkeit des Schreibansatzes klar, derdamit unweigerlich, würde man es dabei belassen, auf ein Ende zielte und mit seinerEinmaligkeit abschlösse. So wünscht man sich aber eine unendliche Dauer desWeiterschreibens, des Weiterhörens- und -lesens, denn ebenso konsequenterweisemüsste am Ende dieser Anordnung das Ende der Literatur stehen, des Kommentars,des Lebens an sich. Es muss also theoretisch fortgesetzt werden, mit der Zwangs-anlage zum Lebenswerk.

FRANZ DODEL: Nicht bei Trost – a never ending Haiku, Biel/Bienne, Haus am Gern, 2004

1 http://www.franzdodel.ch/haiku/2 FRANZ DODEL: Das Sitzen der Wüstenväter. Eine Untersuchung anhand der Apophthegmata Patrum, Freiburg (Schweiz), Universitäts-Verlag, 1997

Kontakt: [email protected], Telefon 031 320 33 08

[4806–4809] Ilja Repin: Was für eine Weite,1903, Staatliches russisches Museum, St. Petersburg

Tango

[4844] Der Offizier zum Reisenden bei der Beschreibung der Exekutionsmaschine. Franz Kafka: In der Strafkolonie

[4826–4840] Ijob 40,15– 24 (In Anlehnung an die Übersetzung Martin Bubers)

[4810–4812] Leviátan und Behemot, die Urtiere des Anfangs

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Weiterbildung

Restaurierung und Konservierung von Grafik, Schriftgut und Fotografie

Elke Mentzel ist Professorin für Schriftgut an der Hochschule für Künste Bern

Das Berufsbild von Konservatoren-RestauratorenIn Bibliotheken und Archiven sind Konservatoren-Restaura-toren diejenigen, die für die stummen Bücher das Wort ergrei-fen. Sie achten darauf, dass die Bücher in sauberen Maga-zinen, auf geeigneten Regalen und unter guten klimatischenBedingungen gelagert werden sowie mit schadstofffreien Ma-

terialien ausgestattet sind. Sie sorgen aber auch dafür, dassdie Bücher im Lesesaal sorgsam behandelt und schonendtransportiert werden. Ist ein Buch beschädigt, stoppen siedurch geeignete Restaurierungsmassnahmen den weiterenZerfall. Sie erfassen und dokumentieren zudem die ihnen an-vertrauten Objekte in ihrer historischen, technischen undkünstlerischen Bedeutung. Ihre Aufgabe besteht demnach inder präventiven (konservierenden) wie der kurativen (restau-rierenden) Erhaltung von Kunst- und Kulturgütern. Daher dieDoppelbezeichnung Konservatoren-Restauratoren.

Konservatoren-Restauratoren von Grafik, Schriftgut undFotografie arbeiten eng mit Bibliothekaren, Archivaren, Kunst-historikern und Naturwissenschaftern zusammen. Gemein-sam erarbeiten sie Konzepte, um die bestmögliche Konser-vierung oder Restaurierung eines Bestandes zu erreichen.Gerade bei Konservierungsmassnahmen ist dieser interdis-

ziplinäre Austausch sehr wichtig, da mit gut durchdachten Lösungen Ressourcen gespart und überdies auch zukunfts-weisend gearbeitet werden kann.

Da die Konservatoren-Restauratoren nahe am Objektarbeiten, sind Materialkenntnisse sehr wichtig. Sie sind wederKünstler noch Handwerker, die neue Objekte schöpfen oder

reparieren. Ihr Anliegen ist vielmehrdie integrale Erhaltung von kulturel-lem Erbe: Ist beispielsweise ein Buch-deckel defekt, wird er nicht einfach er-setzt, sondern er wird stabilisiert undin seiner Form und Funktion erhalten.Um dies zu erreichen, müssen voreinem Eingriff am Objekt alle mög-

lichen Massnahmen und Aspekte der Konservierung in Be-tracht gezogen und die Behandlung auf ein wirksames Mini-mum beschränkt werden.

Der Studiengang Konservierung-Restaurierung in BernAn der Hochschule der Künste Bern werden Konservatoren-Restauratoren in vier Vertiefungsrichtungen ausgebildet:– Architektur und Raumausstattung– Gemälde, Skulptur– Moderne Materialien und Medien– Grafik, Schriftgut und Fotografie

Zum Studium bewerben können sich Berufsmaturanden undMaturanden mit mindestens einjähriger Berufserfahrung,möglichst mit einem Praktikum im Bereich der Restaurierung,oder mit entsprechenden Qualifikationen. Wichtige Fähig-

Die Hochschule der Künste Bern bildet Restauratoren in verschiedenen Richtungen

aus. In Bibliotheken und Archiven erfüllen diese unverzichtbare Aufgaben.

Die Konservatoren-Restauratoren achten in Bibliotheken

darauf, dass die Bücher in sauberen Magazinen,

auf geeigneten Regalen und unter guten klimatischen

Bedingungen gelagert werden.

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25 LIBERNENSIS 2.2004

keiten der Bewerber, die in einer Eignungsprüfung abgeklärt

werden, sind manuelles Geschick, Geduld, gute Beobach-

tungsgabe, Interesse an geistes- und naturwissenschaft-

lichen Zusammenhängen sowie ein besonderes Interesse an

Kunst und Kultur.

Das Grundstudium mit integriertem Praktikum dauert

drei Jahre. Ab dem Wintersemester 2004/05 entspricht es

einer Bachelorausbildung. In diesen drei Jahren werden die

Studierenden aller Vertiefungsrichtungen in den Fächern

Naturwissenschaft, Kunstgeschichte, Materialkunde und

Herstellungstechnik von Kunst- und Kulturgütern unterrichtet.

Da die Konservierung von Kunst- und Kulturgütern eines der

wichtigsten Arbeitsfelder von Konservato-

ren-Restauratoren ist, bildet dieser Bereich

einen Schwerpunkt der neuen Bachelor-

ausbildung. Neben der Theorie wird viel

Wert auf die Praxis gelegt. Die Studieren-

den arbeiten zu 40 bis 50 % in den Ateliers

der Hochschule oder an externen Restaurierungsprojekten.

Auf die Bachelorausbildung folgt das zweijährige Ma-

sterstudium, das mit einer Master-Thesis abgeschlossen

wird. In diesen zwei Jahren findet die Spezialisierung in einer

der Vertiefungsrichtungen statt. Die Studierenden lernen in

praktischen Projektarbeiten die Untersuchung und Beurtei-

lung einzelner Objekte und Sammlungen sowie die Planung,

Koordination und Durchführung von Konservierungs- und

Restaurierungsarbeiten.

Zurzeit ist der Fachbereich Konservierung und Restau-

rierung in der Äusseren Enge beheimatet, wobei die Adresse

in Bezug auf den herrschenden Platzmangel bezeichnend ist.

Der Fachbereich freut sich, 2006 das neugestaltete Gebäude

der alten Tuchfabrik an der Fellerstrasse 11 beziehen zu

können.

Vertiefungsrichtung Grafik, Schriftgut und Fotografie

In der Vertiefungsrichtung Grafik, Schriftgut und Fotografie

stehen den Studierenden vier Atelierräume zur Verfügung, in

denen sie Objekte untersuchen und restaurieren können.

Deren Vielfalt reicht von Büchern, Akten, Plänen und Perga-

menten über Grafiken und Fotografien bis hin zu Siegeln und

Tapeten. Da es sich dabei meistens um Originale handelt,

werden die Studierenden von den Dozenten eng betreut. Die

Objekte erhält die Fachhochschule von privater Seite und von

Institutionen. Auch die StUB ist immer gerne zu einer Zu-

sammenarbeit bereit. Sie bietet Studierenden im Rahmen von

Projekten die Möglichkeit, das theoretisch erworbene Wissen

in der Praxis anzuwenden.

Im Museumsbereich ist es das Museum Franz Gertsch in

Burgdorf, in welchem die Studierenden den Arbeitsalltag mit

Leihverkehr, Ausstellungsauf- und -abbau und Klimaüber-

wachung kennen lernen können. So gibt es dem Prinzip der

Fachhochschule entsprechend einen ständigen Austausch

zwischen Theorie und Praxis.

Vertiefende Module im Masterstudium werden in der

Pergament-, Leder- und Papierrestaurierung, der Herstel-

lungstechnik und Restaurierung von Büchern, der Restaurie-

rung und Konservierung von Fotografie und in der Erkennung

von Druckfälschungen geboten. Die Konservierung wird im

Modul Preservation Management unterrichtet. Hier werden

Themen wie Notfallpläne, Planung und Koordination von Pro-

jekten, wie zum Beispiel der Massenentsäuerung, Kopier- und

Erhaltungsstrategien für neue Medien, aber auch Aufbe-

wahrungssysteme behandelt. An diesen Modulen können auf

Anfrage auch Externe teilnehmen.

Zwischen der StUB und dem Studiengang besteht eine

langjährige, gute Zusammenarbeit. Die StUB bietet jährlich

einen Vorpraktikumplatz an, und bereits zwei Absolventen

konnten in der StUB einen Arbeitsplatz finden.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 308 04 06

Weitere Informationen unter: www.hkb.bfh.ch

Die Vielfalt der zu behandelnden Objekte reicht von

Büchern, Akten, Plänen und Pergamenten über Grafiken

und Fotografien bis hin zu Siegeln und Tapeten.

Atelierraum für die Vertiefungs-

richtung Grafik, Schriftgut

und Fotografie an der Hoch-

schule für Künste Bern, in dem

mit Lösungsmitteln oder

an grossformatigen Objekten

gearbeitet wird.

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Eine StUB-Abteilung stellt sich vor

Reinigungsprofi, Handwerker,Postbeamter, Erzieher und Polizist

Werner Schärer ist Chef-Hauswart der StUB

Die Abteilung Hausdienst der Stadt- und Universitätsbiblio-thek Bern umfasst ein Team von zwölf Mitarbeitenden.Gegenüber anderen Betrieben, in denen oft nur ein Hauswartund ein Reinigungsteam beschäftigt sind, erfordert der Haus-dienst in einer Bibliothek mit langen Öffnungszeiten – dazu

in einem historischen Gebäude – eine besondere Organi-sation mit mehr Personal. So arbeiten acht Mitarbeitende imBereich Gebäudeunterhalt und Haustechnik und vier imBüchermagazin.

Das Aufgabengebiet der Hauswarte, die im Schichtbe-trieb mit wöchentlichem Wechsel arbeiten, ist sehr vielseitigund verlangt von ihnen zuweilen ganz besondere Rollen ab.So wirken sie als Reinigungsprofis, Handwerker, Postbeamte,nicht selten aber auch als Erzieher und Polizisten. Viel Zeitwird in Reinigungsarbeiten investiert, da insbesondere dieLesesäle, der Medienraum, die Cafeteria und die Toilettenan-lagen ein hohes Mass an Sauberkeit verlangen. Vier Teilzeit-angestellte übernehmen vorwiegend abends und am Sams-tag die Büroreinigung.

Im schützenswerten Gebäude gibt es allerlei Reparatur-und Servicearbeiten auszuführen. Aus diesem Grund hat dieStUB ausschliesslich Hauswarte mit einer handwerklichenBerufsausbildung eingestellt. Priorität kommt der regelmässi-gen Wartung der Haustechnik zu. Einige der Anlagen sind für

die Aufrechterhaltung des täglichen Betriebs von grosser Be-deutung. Neuzeitliche Heizungs-, Klima- und Alarmanlagensorgen für einen pflegeleichten Betrieb, während die 35-jähri-gen Notstrom- und Lüftungsanlagen besondere Aufmerk-samkeit erfordern. Seit einigen Jahren hält uns die alters-

schwache Druckluftanlage ständigauf Trab. Besonders die Teleskopzy-linder, die zum Verschieben der ton-nenschweren Bücherrollgestelle be-nötigt werden, müssen sorgfältig re-pariert und gepflegt werden. 1986 hat

die Herstellerfirma die Produktion der pneumatischen Lager-technik eingestellt. Somit sind seit einigen Jahren die Origi-nalteile nicht mehr erhältlich.

Zu den Aufgaben der Hauswarte gehört auch dasVerpacken von Büchern für den Tausch- und Leihversand. DiePaket- und Briefpost wird im StUB-internen Postbüro fran-

Der Hausdienst der StUB ist ein wichtiger Partner für Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter sowie für Benutzerinnen und Benutzer.

Das Aufgabengebiet der Hauswarte ist sehr vielseitig

und verlangt von ihnen zuweilen ganz besondere Rollen ab,

so auch des Erziehers und Polizisten.

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kiert und viermal täglich zur Postannahmestelle gebracht.2003 haben ungefähr 4250 Buchpakete die Bibliothek verlas-sen, wovon 480 Pakete den Weg ins Ausland fanden. Circa79 000 Franken wurden für das Frankieren der Post ausgege-ben, davon entfallen circa 50 000 Franken auf die Briefpost.

Zusammen mit dem Personal am Ausleihschalter zählendie Hauswarte zu denjenigen Bibliotheksangestellten, die amhäufigsten mit Benutzerinnen und Benutzern in Kontakt

treten. Die vielen Begegnungen dürfen fast ausnahmslos alspositiv bezeichnet werden. Leider gibt es immer wieder Be-nutzer, die in ihrer Jugendzeit punkto Anstand und Sorgfaltwenig gelernt haben. So treten die Hauswarte gelegentlich alsunbeliebte Erzieher in Erscheinung. Abfälle und Zigaretten-stummel gehören in die Sammelbehälter, mit fremdem Mobi-liar und Einrichtungen wird sorgfältig umgegangen, ja selbstdas anständige Benutzen der Toilette muss gelernt sein. Nüt-zen Ermahnungen nichts, so werden Hauswarte zu Polizisten,die negativ auffallende Personen wegweisen oder Hausver-bote durchsetzen müssen.

Zum Hausdienst-Team gehören auch die vier Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter im Magazindienst. Sie sind zuständigfür das Holen und Bereitstellen der Bücher für die Heimauslei-he, die Filialen und die Fernleihe, ferner für das Zurückstellender Bücher an die verschiedenen Standorte.

Erfreulicherweise haben in den letzten Jahren die Auslei-hen ständig zugenommen, das Personal führt dies jedoch andie Grenzen der Belastbarkeit. Einsätze über Mittag sowie

Aushilfskräfte tragen dazu bei, den Arbeitsdruck in erträg-lichem Rahmen zu halten.

80 % ihrer Arbeit verrichten die Magaziner im Neonlichtder fünf Untergeschosse. Im Zehn-Minuten-Takt tauchen siemit Büchern beladen im Tageslicht auf. Oft wird ihre Anwe-senheit erst am Bücherbahnhof in der Ausleihe wahrgenom-men. Stützt man sich auf die Ausleihzahlen vom vergangenenJahr und wählt ein durchschnittliches Buchgewicht von 800

Gramm, so wandern jährlich etwa 169Tonnen Bücher durch die Hände derMagaziner. Mit dem Zuwachs derNeuanschaffungen dürfte die Mengenoch um einiges grösser sein. Läufe-risch liegt das Magazin-Team ohnehin

an der Spitze, werden doch pro Jahr auf der Bücherjagd meh-rere hundert Kilometer zurückgelegt. Selbständigkeit, Flexibi-lität und Belastbarkeit zeichnen das Hausdienst-Team aus.Ihre Arbeit dient gleichermassen dem Bibliothekspersonal wiedem Bibliotheksbenutzer, aber auch der Werterhaltung desGebäudes und deren Einrichtungen.

Kontakt: [email protected], Telefon 031 320 32 08

Läuferisch liegt das Magazin-Team an der Spitze,

werden doch pro Jahr auf der Bücherjagd mehrere hundert

Kilometer zurückgelegt.

Werner Schärer beim Repariereneines Teleskopzylinders.

Ernst Sommer verpackt Bücher für den Postversand.

Ruth Rohrbach holt bestellte Bücher aus dem Magazin.

Das Hausdienst TeamAzbije Arifi, RaumpflegeAndrea Fischer, BüchermagazinFatma Karakurum, RaumpflegeAhmet Karakurum, RaumpflegeRuth Rohrbach, BüchermagazinHans-Ulrich Schäfer, BüchermagazinWerner Schärer, Chef HauswartErnst Sommer, HauswartPeter Stettler, HauswartUrsula Stirnimann, RaumpflegeWerner Thüler, BüchermagazinPeter Zesiger, Hauswart

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Sa, 20., 9.30 Marmorierkurs zur Ausstellung BRIGITTE HEIZ SCHRÖDER: Marmorieren nach historischen Mustern

Mi, 24., 9.00 SeniorenkursBücher und andere Medien finden

Mi, 24., 18.30 Führung zur AusstellungULRIKE BÜRGER: Vom mittelalterlichenHolzdeckelband zur zeitgenössischen Broschur – Einbandgeschichte anhand derBestände der StUB

Sa, 27., 9.30 Marmorierkurs zur Ausstellung BRIGITTE HEIZ SCHRÖDER: Marmorieren nach historischen Mustern

DezemberSa, 4., 8.30 Buchbindekurs zur Ausstellungoder LINUS HOLLENSTEIN: Sa, 11., 8.30 Ein Buch in einem Tag

Di, 14., 12.30 Buch am MittagCHRISTINE FELBER: Der moderne Verlagseinband – ein buchgeschichtlicherAspekt der industriellen Revolution

JanuarDi, 11., 12.30 Buch am Mittag

ROBERT BARTH: Bibliotheken im Roman:Stereotypisches und Überraschendes über Bibliotheken, Bibliothekarinnen und Bibliothekare

Di, 18., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des BundesCHRISTOPH SCHMIDT (angefragt): Grund-fragen der Entwicklung Russlands aushistorischer Sicht

Mi, 19., 18.30 Vortrag zur AusstellungHUBERT HERKOMMER: Das heilige Buch und seine Einbände

Mi, 26., 18.30 Führung zur AusstellungULRIKE BÜRGER: Vom mittelalterlichenHolzdeckelband zur zeitgenössischen Broschur – Einbandgeschichte anhand derBestände der StUB

Vorträge, Schulungen, KurseOktoberDi, 12., 12.30 Buch am Mittag

INA BOESCH: Margarethe Hardegger –die Berner Sozialistin und ihre politischenBühnen

Mi, 27., 18.30 VortragFRITZ SENN: Warum eigentlich Joyce?

NovemberMi, 3., 9.00 Seniorenkurs

Einführung in die Bibliothek

Do, 4., 18.00 Ausstellungsvernissagebel libro – internationaler Wettbewerb für den innovativen Bucheinband des centrodel bel libro ascona

Di, 9., 12.30 Buch am MittagBEAT KAPPELER: «Die Neue Schweizer Familie» wird Kinder kriegen!

Mi, 10., 9.00 SeniorenkursDie historischen Schätze der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern

Mi, 17., 9.00 SeniorenkursBücher und andere Medien finden

VeranstaltungskalenderWintersemester 2004/05

Ausstellungen und Veranstaltungen

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FebruarDi, 1., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des Bundes

NICOLAS HAYOZ: Das politische SystemRusslands unter Putin

Di, 8., 12.30 Buch am MittagSUSANNA BLIGGENSTORFER : Derlyrische Kalender im ausgehenden Mittelalter – Gedanken zum Valentinstag

Di, 15., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des BundesCHRISTIANE UHLIG: Russland auf der Suche nach einer neuen Identität

Mi, 23., 18.30 Vortrag zur AusstellungMECHTHILD LOBISCH: Kunst oder nicht?Betrachtungen zur Kulturinsel Buch

MärzDi, 1., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des Bundes

JOHN KEEP: Die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit. Leistungen und Grenzen

Di, 8., 12.30 Buch am MittagGEORG GERMANN: Holzschnitte und Kupferstiche in Architekturlehrbüchern

Di, 15., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des BundesHEIKO PLEINES: Wirtschaftswachstum in einer «gelenkten Demokratie». Strukturenund Perspektiven der russischen Wirtschaft

Fr, 18.,18.00 MuseumsnachtDie StUB macht wieder mit!

Di, 29., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des BundesCHRISTOPH ZÜRCHER: DasVielvölkerreich und seine inneren Konflikteunter Berücksichtigung Tschetscheniens

AprilDi, 12., 18.30 Vortrag SOB/Polit-Forum des Bundes

CARSTEN GOEHRKE: Alltag im Wandel?Russlands Menschen zwischen dem sowje-tischen Gestern und einem unbestimmtenMorgen

AusstellungNovember bis Februarbel libro – internationaler Wettbewerb für den innovativen Bucheinbanddes centro del bel libro asconaAuch in Zeiten des Verlagseinbandes erfüllt die Handbuch-binderei unverzichtbare Aufgaben. Neben der industriellenBuchbinderei lebt ein Handwerk fort, das überlieferte Ferti-gungsmethoden sichert und hinsichtlich seiner technischenQualitäten immer noch vorbildlich ist. Dank der Einzelanferti-gung geniesst der Handeinband eine grosse Gestaltungsfrei-heit und vermag einem besonders geschätzten Inhalt eineadäquate äussere Form zu bieten. Dazu gehören Sonderaus-gaben, Faksimileausgaben von Handschriften, Editionen vonWerken der Weltliteratur oder Widmungs- und Geschenk-exemplare.Das centro del bel libro ascona setzt sich als Weiterbildungs-stätte für die Fachbereiche Bucheinband und Gestaltung undBuch- und Papierrestaurierung für die Weiterentwicklung deskünstlerischen Handeinbandes ein. Mit Wettbewerben fördertes Innovationen und ist gleichzeitig bemüht, einer breiterenÖffentlichkeit zu vermitteln, dass eine kunstvolle Bindung dasLesevergnügen um einen weiteren ästhetischen Genuss be-reichern kann. In der Ausstellung sind 63 künstlerische Hand-einbände zu sehen, die hinsichtlich Gestaltung, Technik undFunktion neue Wege in der Handbuchbinderei beschreiten.

Ort: Stadt- und Universitätsbibliothek Bern, Münstergasse 61–63, Parterre, 3011 BernDauer: 5. November 2004 bis 26. Februar 2005

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30 LIBERNENSIS 2.2004

Personelles

Seit der Direktion von Hans A. Michel(1973 bis 1988) hat sich die Leitungs-struktur der StUB nicht grundsätzlichgeändert: Die Leitung wird vom Direktorund seinem Stellvertreter wahrgenom-men. Sie werden unterstützt von derAbteilungsleiter-Konferenz mit ihrenmonatlichen Verwaltungssitzungen undvom Stab, zu dem das Sekretariat mitdem Personalwesen, die Buchhaltungund die PR-Stelle gehören. Eine Ad-junktenstelle blieb nach 1988 währendeiniger Jahre unbesetzt und beschränk-te sich bei ihrer Reaktivierung auf diePosition einer wissenschaftlichen Direk-tionsassistenz.

Allerdings ist das Aufgabenfeldund die Zahl der Teilbetriebe in den letz-ten 15 Jahren deutlich grösser gewor-den: Eine EDV-Abteilung und die Stellefür Öffentlichkeitsarbeit kamen dazu,die Basisbibliothek Unitobler und dieSchweizerische Osteuropabibliothekstiessen zur StUB, und durch den Bi-bliotheksverbund entstand ein Kranzvon externen kooperierenden Biblio-theken, die bibliothekarisch mitbetreutwerden mussten. Alles in allem ist eineStruktur entstanden, die zu stark aufden Direktor ausgerichtet ist.

Unter Beizug eines externen Ex-perten (Dr. Andreas Wenger) konnte fürdie obersten zwei Führungsebenen eineneue Struktur gefunden werden. Herr

Wenger führte Interviews mit einer Rei-he von Kaderangehörigen und schlugzwei Varianten vor: eine Geschäftslei-tung mit fünf oder mit drei Mitgliedern.Nach erneuten Gesprächen mit Direk-tion und Mitarbeitenden konzentriertesich Herr Wenger auf die zweite Lö-

sung, die auch die Zustimmung desStiftungsrates fand.

Nach der Wahl einer Nachfolgerinmit PD Dr. Susanna Bliggenstorfer fürden scheidenden Vizedirektor AntonBuchli und der Wiederherstellung derAdjunktenstelle mit lic. phil. ChristianLüthi, vormals wissenschaftlicher Direk-tionsassistent, waren auch die Stellen-inhaber bekannt. Ohne von der Grund-struktur abzuweichen, wurde die Auf-gabenzuteilung den Voraussetzungenund Neigungen dieser Personen ange-passt.

Neu ist das Gremium einer Ge-schäftsleitung mit drei Mitgliedern unddie stärkere Verteilung der Aufgaben auf diese drei Personen. Die Abtei-lungsleiter-Konferenz (Verwaltungssit-zung) bleibt bestehen, eventuell kannder Sitzungsrhythmus (bisher monat-lich) reduziert werden. Das neue Orga-nigramm ist unter www.stub. unibe.cheinsehbar.

Robert Barth

Unsere neue Vizedirektorin stellt sich vorIn einer Familie mit kaufmännischgeprägtem Hintergrund im «Züribiet»aufgewachsen, war es für mich nichtselbstverständlich, ein Hochschulstu-dium zu ergreifen. Ich wählte denn auchden Umweg über Handelsdiplom undHandelsmatur, um mir schliesslich ander Universität Zürich, in Florenz, Parisund Samedan meinen Kindertraum zuerfüllen: einmal alle vier Landesspra-chen zu verstehen. Die wissenschaftli-che Laufbahn ergab sich dann durchden Zufall einer freien Assistenzstelle

am Lehrstuhl für französische Literaturdes Mittelalters an der Universität Zü-rich. Ich doktorierte mit einer Editionsar-beit, die mich in manche Handschriften-abteilung grosser Bibliotheken führte.

Auf dem Prorektorat für Lehre undForschung der Universität Zürich fandich anschliessend eine Aufgabe alsStabsstellenleiterin, die meine wissen-schaftlichen Interessen und organisato-risch-administrativen Fähigkeiten idealmiteinander verband. 1988 auch nochfür die Senioren-Universität und dieHochschuldidaktik zuständig, gründe-ten wir im Laufe der Jahre die Fachstel-len für Gleichstellung, Weiterbildung, E-Learning, internationale Beziehungenund ein Sprachenzentrum beider Hoch-schulen. Das Universitätsgesetz von1998 mit der damit verbundenen Hoch-schulreform, die Gründung der Päda-gogischen Hochschule oder aktuell dieStudienreform durch die Umsetzungder Bologna-Deklaration bildeten Gros-sprojekte, an welchen wir engagiert undmit viel Gewinn mitarbeiteten.

Parallel dazu befasste ich mich imRahmen einer Habilitationsschrift mitden satirischen Gedichten des (noch)unbekannten Lyrikers Eustache Des-champs (14. Jahrhundert). Mit diesemRucksack ging es dann auf die Suchenach einem neuen Aufgabenbereich,der sich mir in der StUB eröffnet, im«Labor» der Geisteswissenschaften,und der erneut idealerweise Führungs-sowie Organisationsaufgaben mit derLiebe zur Wissenschaft und zu denBüchern, diesen «amis par milliers»,verbindet.

Susanna Bliggenstorfer

Eine Geschäftsleitungfür die StUB

Die neue Geschäftsleitung der StUB: v.l.n.r. Christian Lüthi,Susanna Bliggenstorfer und Robert Barth

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am Ausgangspunkt und am Ende desArbeitslebens eines Verantwortungsträ-gers sein. Für Toni Buchli sehen sie fol-gendermassen aus (siehe unten).

Auch wenn Toni Buchli zwischen-durch kurz im Seeland auf «Abwege»kam und die Buchlis ursprünglich Safierwaren: Wurzeln und Wachstum sindbernisch: Er wuchs als Sohn eines Poli-zeibeamten in der Äusseren Enge auf.Nach einer Lehre als Maschinenzeich-ner holte er am Feusi-Gymnasium dieC-Matur nach. Nach zwei Jahren Stu-dium suchte er aber wieder die prakti-sche Arbeit und trat 1968 in die Stadtbi-bliothek Biel ein, wo er 1972 das Biblio-thekarendiplom erwarb und Adjunkt beider schon damals innovativen Bieler In-stitution wurde. Auf dieser Positionblieb ihm allerdings wenig Zeit, denn am1. November 1973 kehrte Toni Buchli in die Bundesstadt zurück: als Leiterder Formalkatalogisierung als «Kata-logchef», wie das damals hiess. SechsJahre später ernannte ihn Hans Michelzum Vizedirektor, eine Funktion, die ernun seit genau 25 Jahren innehat.

Damit war er zuständig für das «In-nere» der StUB – im wörtlichen wie imübertragenen Sinne: für das Gebäudeund dessen Anlagen und damit denHaus- und Magazindienst, die Restau-rierungsabteilung und die Buchbinde-rei. Nach dem Direktionswechsel 1988kamen vermehrt andere Leitungsaufga-ben dazu, etwa die Verantwortung fürdie Finanzen, während die Leitung derKatalogisierung der Abteilung selberübertragen wurde.

Sein Interesse an den AllgemeinenÖffentlichen Bibliotheken drückte sichaus in der Beteiligung an der Ausbil-

Nachruf für Willi Lüthi (1946–2004)Systemmanager und SupporterDirektion, Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter der Stadt- und Universitätsbiblio-thek Bern trauern um Willi Lüthi. Er ver-starb unerwartet am 21. Mai 2004 imAlter von 58 Jahren.

Willi Lüthi übte mehr als zwanzigJahre seinen Beruf als Chemielaborantaus, bevor er vor gut zwölf Jahren inden Informatikbereich wechselte. Spä-ter hatte Willi Lüthi den beachtlichenMut, mit 55 Jahren eine neue Arbeits-stelle zu suchen. Dieser Wechsel erwiessich als grosser Glücksfall für die Infor-matikabteilung der StUB, wo Willi Lüthiseit 1. April 2001 als Systemmanagerund Supporter arbeitete.

Als Supporter verstand er es vor-trefflich, seine Hilfsbereitschaft und vorallem seine feine Art im Umgang mitMenschen einzusetzen. Mochten dietechnischen Probleme noch so gravie-rend sein, Willi Lüthi strahlte stets Ruheund Liebenswürdigkeit aus, die sichsehr rasch und besänftigend auf unge-duldige Mitmenschen übertrugen. Sowar es nicht verwunderlich, dass alleKolleginnen und Kollegen Willi Lüthisehr mochten und ihm ganz selbstver-ständlich grosses Vertrauen entgegen-brachten.

Ruhe, Geduld, Ausdauer – dieseEigenschaften zeichneten Willi aus, imBeruf wie auch in seinem Hobby, demLangstreckenlauf und Marathon, wo sie bestimmt zu den grundlegendenTugenden des Läufers gehören. Wieschmerzlich es für Willi Lüthi war, we-gen seiner Krankheit den geliebtenSport in den letzten Monaten nicht mehr

wunschgemäss ausüben zu können,wusste nur er selber. Wir können eshöchstens erahnen. Mit Willi Lüthi ver-lieren wir einen feinen Menschen undäusserst kompetenten Arbeitskollegen,der in allen Beziehungen sehr schwer zuersetzen sein wird.

Den Angehörigen, insbesondereFrau Beatrice Lüthi und den beidenSöhnen, sprechen wir unser tief emp-fundenes Beileid aus.

Alfred Fasnacht

Anton BuchliVizedirektorOb jemand nur drei oder volle einund-dreissig Jahre für die StUB tätig war –sein Personaldossier auf der Direktions-abteilung enthält immer etwa die glei-chen wenigen Angaben: Bewerbungs-unterlagen, Personalblatt, Pflichtenheft,Krankmeldungen, Mitteilungen überVeränderungen im Familienstand. Nieaber spiegeln diese Akten die Ideen und Leistungen, die in der Arbeitszeiterbracht wurden. Einiges kommt indi-rekt in den Jahresberichten und in derHauszeitschrift zum Ausdruck, vieleshingegen bleibt nur in den Erinnerun-gen der Kolleginnen und Kollegen er-halten. Wie wird man also einem lang-jährigen Mitarbeiter mit wenigen Zeilengerecht? Aufschlussreich kann ein Ver-gleich der wichtigsten Betriebszahlen

Mitarbeitende verabschieden Mitarbeitende

1973 2003Ausleihen 53 000 427 000Fernleihen 2100 41 000Gesamtbudget 3 Mio. Franken 15 Mio. FrankenErwerbsbudget (ohne Einbände) 0,46 Mio. Franken 2,2 Mio. FrankenStandorte 1 4

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Personelles

dung der nebenamtlichen Bibliotheka-rinnen und im Einsitz in der kantonalenBibliothekskommission.

Legendär sind die BuchlischenHochrechungen der Salärkosten: Kaumsind jeweils drei, vier Monate verflos-sen, so kann er den entsprechendenFinanzbedarf auf wenige tausend Fran-ken genau vorhersagen.

Sehr geschätzt habe ich auch seinesachkundigen Briefentwürfe zu komp-lizierten Belangen, die oft nur Stundennach der entsprechenden Anfrageschon fertig ausformuliert im Mailkastenlagen.

Und dann ist da natürlich das Ge-heimwissen, das jedem grösseren Be-trieb – und schon gar einer archivieren-den Bibliothek – eigen ist: Anton Buchlihatte von allen Mitarbeitern die besteKenntnis des historischen Buchbestan-des, der Sondersammlungen und ein-zelner Werke. Nur gut, dass er vieles da-von unserer Konservatorin Claudia Eng-ler weiter vermitteln konnte! Was abermit Toni Buchli endgültig aus der StUBverschwindet, ist das Wissen um jenesagenhaften Geschichten aus der «gu-ten alten Zeit», etwa von Schiesswett-bewerben im Käsekeller (nur Kleinkali-ber!), Trinkgelagen im Teestübli undnachtwandelnden Bibliotheksdirek-toren. . .

Das StUB-Team wünscht AntonBuchli ganz herzlich alles Gute im ver-dienten Ruhestand!

Robert Barth

Verena PortnerMitarbeiterin AusleiheWie viele Kunden und Kundinnen hatsie wohl bedient? Wie viele Stunden hatsie an der Theke gestanden? Wie vieleKundenbriefe mag sie verfasst haben?Und wie viele Benutzerinnen und Benut-zer kennt sie mit Namen? Die genaueZahl kennen wir nicht, mit Bestimmtheitaber können wir sagen, es sind unzäh-lige.

Unzählig sind auch die vielen positiven Stimmen, die wir zu Verena Portner vernommen haben. Davon zwi-schendurch eine kleine Auswahl.

Am 1. Mai 1976 trat Verena Port-ner, damals frisch gebackene Sorti-mentsbuchhändlerin, in die StUB ein,um die Ausbildung zur diplomiertenBibliothekarin VSB (heute BBS) zu ab-solvieren. Nach Abschluss der Ausbil-dung trat sie im November 1978 eine100 %-Stelle an der Ausleihe an, wel-che sie bis 2004 innehatte. Von 1993 bis 1999 war sie zudem Dienststellen-leiterin der Ausleihe. Mehr als ein Vier-teljahrhundert anstrengender und hekti-scher Arbeit an der Ausleihe also, einerArbeit in stetigem Hin und Her zwischenTheke, Abholfach und eigenem Arbeits-platz, unter Beantworten vieler Fragenvon allen Seiten und bei klingelnden Te-lefonen. Wir sagen: Chapeau!

«Sie war die Seele der Ausleihe.»Hans Peter Mühlethaler, Leiter Ausleihe

Die Arbeit an der Ausleihe ent-sprach ihr sehr. Verena Portner arbeite-te gerne mit Menschen, liebte die stän-dige Herausforderung und eine leben-dige Umgebung. Sie selbst war stets inBewegung, erledigte oft viele Aufgabengleichzeitig.

Auch in der Anwendung vonFremdsprachen gefiel ihr die Abwechs-lung. So parlierte sie mit den Kundinnenund Kunden in allen vier (!) Landesspra-chen. Diese sprachliche Beweglichkeitist Teil ihrer Gewandtheit im Umgangmit den Kundinnen und Kunden, derstets professionell und dabei doch ent-spannt war. Sie wurde denn auch vonKunden wie Kolleginnen gleichermas-sen sehr geschätzt.

«Es war immer eine Freude, vonVreni Portner beraten und bedient zuwerden, und am Schalter im erstenStock schien dank ihr, auch wenn es

draussen regnete und ‹strubusste›,trotzdem die Sonne.»

Ruedi Krebs, Berner Troubadour

«Sie war spontan und hilfsbereitund hatte Organisationstalent. Sie warhumorvoll und bei allem Stress immerfür ein ‹Spässli› zu haben».

Jakob Loosli, ehemaliger Leiter

Ausleihe und Magazindienst

Man erlebte sie als stets kompe-tente und engagierte Mitarbeiterin. Siewar verantwortlich für die Rechnungs-stellung bei verlorenen Medien und fürdas Bearbeiten von Problemfällen.

Und oft wusste sie eine Lösung beieiner besonders kniffligen Frage.

«Vreni Portner hatte immer Ver-ständnis und ein offenes Ohr für unsgestresste Magazinerinnen und Maga-ziner. Mit ihren umfassenden Kennt-nissen der Bibliotheksbestände halfsie bei fehlerhaften Buchbestellungenmanches Rätsel lösen und damit langeSuchaktionen vermeiden».

Ruth Rohrbach, Magazinerin

Zusätzlich war sie als Nachfolgerinvon Fredy Gröbli die langjährige Leite-rin des Faches «Bibliographie» bei denBerner Bibliothekarenkursen des jetzi-gen BBS. So nahm sie in ihrem Fachauch die Prüfungen ab. So mancheLeserin und mancher Leser kann sichwahrscheinlich noch an die eigene Prü-fung in Bibliographie erinnern.

Nach ihrer Pensionierung am31. August 2004 hat Verena Portner nunmehr Zeit für ihre Interessen. Sie reistsehr gerne, das Engadin hat es ihr be-sonders angetan. Konzert- und Thea-terbesuche sind kulturell ihre Vorlieben.Für ihre wertvolle Arbeit in der StUBdanken wir ihr und wünschen ihr vielFreude auf dem weiteren Lebensweg.

Beatrix Stuber

und Hans Peter Mühlethaler

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Bohdan GorskiBibliotheksmitarbeiter SOBSeit 1978 war Bohdan Gorski zuerstbeim Schweizerischen Ost-Institut unddann in der Osteuropabibliothek in ver-schiedenen Funktionen tätig. Dabei hater die Bibliothek mit dem ihm eigenen,herzlichen Charme mitgeprägt. Nun ister auf Ende August in den Ruhestandgetreten.

Nur die wenigsten Kolleginnenund Kollegen wissen vermutlich, wiestark die faszinierende persönliche Ge-schichte von Bohdan Gorski in die Ge-schehnisse des 20. Jahrhunderts ver-woben ist. Er entstammt einer Familieaus den ehemals stark polnisch ge-prägten Gebieten in der heutigen Ukrai-ne. Kurz vor dem Ausbruch des ZweitenWeltkriegs geboren, verlor er seinenVater im Krieg, der wie viele andere An-gehörige der polnischen Elite entwedervon den Sowjets oder den Nazis umge-bracht wurden. Seine Familie konntenach dem Krieg nicht in die Heimat zu-rückkehren, weil die Siegermächte dieGrenzen neu gezogen und die Umsied-lung Hunderttausender beschlossenhatten. Bohdan Gorski selbst wurde inder Endphase des polnischen Stali-nismus als Vierzehnjähriger (!) ins Ge-fängnis gesteckt, weil er «staatsfeindli-che» Flugblätter verteilt hatte.

Im Jahre 1960 gelang ihm die Aus-reise in die Schweiz. Er studierte in denbeiden Freiburg Politologie und promo-vierte beim späteren NobelpreisträgerFriedrich August von Hayek. Anschlies-send hatte er sechs Jahre eine Profes-sur an der Universität Lovanium in Kins-hasa im Kongo inne.

Auf seinen zahlreichen Reisendurch die ganze Welt hat er sich mit vie-len Sprachen vertraut gemacht – zurFreude der Bibliotheksbesucher, dievon ihm jeweils mit ein paar Worten ausihrer Muttersprache begrüsst wurden.Politikberatung und Wissenschaft ha-ben ihn umgetrieben – ein Blick in den

dung als Primarlehrerin konnte sie da-bei sehr gut anwenden.

Andrea war immer bereit, Verant-wortung zu übernehmen. So wurdesie im Januar 2002 die stellvertretendeDienststellenleiterin der Auskunft. Siewar die Zuverlässigkeit in Person, führteihre Projekte konsequent durch. Hu-morvoll und mit einer Prise Ironie gingsie auch kniffligen Aufgaben nicht ausdem Weg.

Rasch war Andrea Mengis-Hutterzu einer «StUBianierin» geworden, diesich in der StUB wohl zu fühlen schien.Sie dachte über Abteilungsgrenzen hin-aus und pflegte Kontakte zu den ver-schiedensten Kolleginnen und Kolle-gen. Und sie hatte Interesse am gesam-ten Betrieb der StUB.

Von Januar 2003 bis Juli 2004 warsie Mitglied der Personalkommission.Unter anderem beteiligte sie sich an derOrganisation der Betriebsausflüge. Siehalf dann augenzwinkernd mit, die un-überschaubare Masse von gegen 100Bibliothekarinnen und Bibliothekaredurch Bahnhöfe und Städtegewirr zuschleusen, auf die richtigen Schiffe oderin die richtigen Züge einzuweisen unddie wandernden Kolleginnen und Kolle-gen nicht zu verlieren: eine ziemliche

Herausforderung, die sie aber mit Leich-tigkeit anzugehen schien. 2003 führteAndrea die Belegschaft beim Betriebs-ausflug in ihre Heimat, ins Wallis.

Nun ist sie selbst dorthin zurück-gekehrt. Am 9. Juni 2004 kam ihr SohnLukas Matteo zur Welt. Nach Ablaufihres Mutterschaftsurlaubes am 31. Au-gust 2004 mussten wir sie endgültigziehen lassen. Wir verlieren eine liebeKollegin, der wir für ihre neue Aufgabeals Mutter viel Freude wünschen. Undder Familie alles Gute. Vielen Dank fürDeine wertvolle Mitarbeit in der StUB,Andrea!

Beatrix Stuber

IDS Basel/Bern beweist dies – und siewerden dies sicherlich auch weiterhintun.

Vielleicht wird ihn sein für Schwei-zer Verhältnisse abenteuerlicher Le-bensweg nun wieder nach Polen zu-rückführen, womit er neuerlich den Zeitläuften des (osteuropäischen) 20.Jahrhunderts folgen würde. Uns jeden-falls werden sein Charme, seine Analy-sen und Geschichten hoffentlich trotz(Un)Ruhestand nicht ganz abhandenkommen.

Christophe v. Werdt

Andrea Mengis-HutterMitarbeiterin Auskunft und FernleiheEs gab Zeiten, da hörte man im Büroder Fernleihe oft das melodiöse «Wallis-ertiitsch». Trat man ins Büro ein, hatteman als «Üsserschwiizer» sogleich Wal-liser-Assoziationen: angenehme Wärmeund schroffe Felsen, süsse Aprikosenund köstlicher Wein.

Die Zeiten sind jetzt vorbei. Dennnun hat auch Andrea Mengis-Hutter dieStUB verlassen. Ich selbst hörte sie janur selten in ihrem angestammten Dia-lekt sprechen, automatisch schaltetesie bei mir Oberaargauerin auf den an-deren Dialekt um, den sie seit ihrerKindheit spricht, den Aargauer.

Am 1. Juli 2001nahm Andrea Men-gis-Hutter die Arbeit in der Auskunftund in der Fernleihe auf. Diese Kombi-nation hatte es bisher nicht gegeben,und es bestand die Chance, an der Aus-gestaltung der Stelle mitzuarbeiten.Andrea nahm die Chance wahr. Mit vielEigeninitiative und Engagement bautesie selbständig ein Intranet für die Aus-kunft gebenden Mitarbeiterinnen undMitarbeiter und für die Fernleihe aus,konzipierte die Benutzungsanleitungenfür den Bibliothekskatalog neu undübernahm die Leitung von Benutzer-und Mitarbeiterschulungen. Die didakti-schen Kenntnisse aus ihrer Erstausbil-

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Ansprechpersonen– Direktor

Prof. Dr. Robert Barth– Vizedirektorin

PD Dr. Susanna Bliggenstorfer – Direktionsadjunkt

Christian Lüthi, lic. phil.– Personalwesen/Direktions-

sekretariatBeatrix Glättli-Maurer

– ÖffentlichkeitsarbeitChristine Felber, lic. phil./MAS

– RechnungsführungClaudia Schaedeli, Dipl. Kff.

– BenutzungJudith FahrländerBeatrix Stuber, lic. phil.

– EDVAlfred Fasnacht

– ErwerbungSusanne Göttker

– Alphabetische KatalogisierungSabine Wahrenberger

– SachkatalogisierungAdrian Waldmann, lic. phil.

– FachreferateJörg Müller, lic. phil.

– RestaurierungUlrike Bürger, lic. phil.

– Historische BuchbeständeDr. Claudia Engler

– Sammlung RyhinerDr. Thomas Klöti

Filialen– Basisbibliothek Unitobler (BTO)

Katharina Steiner, lic. phil.– Schweizerische Osteuropa-

bibliothek (SOB)Dr. Christophe v. Werdt

Kooperationsbibliotheken– Fachbereichsbibliothek Bühlplatz

(FBB)Jean-Daniel Enggist, lic. phil.

– Juristische Bibliothek (JBB)Bernhard Dengg, mag. iur. undmag. phil.

Stiftungsrat– Kantonsvertretung

Prof. Dr. Heinz E. Herzig, Präsident,emeritierter Professor für AlteGeschichte und Epigraphik derUniversität BernProf. Dr. Gunter Stephan, Vizerektorder Universität BernDaniela Pedinelli Stotz, Fürspreche-rin, Vorsteherin der AbteilungUniversität im Amt für Hochschulender ErziehungsdirektionRegula Rytz, Zentralsekretärin SGB,Grossrätin1 Sitz vakant

– StadtvertretungEdith Olibet, Vorsteherinder Direktion für Bildung, Umweltund IntegrationSven Baumann, Fürsprecher,Co-Generalsekretär der Direktion fürBildung, Umwelt und Integration

– BurgergemeindevertreterCarl-Ludwig von Fischer, Für-sprecherHeinz Sommer, alt Rektor des Lite-rargymnasiums Neufeld

ImpressumLIBERNENSIS, Zeitschrift der Stadt-und Universitätsbibliothek Bern 2˙2004Erscheint zweimal jährlich

– RedaktionChristine Felber, Christian Lüthi,Christophe v. Werdt, Bettina v. Greyerz

– Redaktionsadresse/AnzeigenStadt- und UniversitätsbibliothekBern, Christine FelberStelle für ÖffentlichkeitsarbeitMünstergasse 61, 3000 Bern 8Telefon 031 320 32 56Telefax 031 320 32 [email protected]

– KorrektoratJeannot Schoell

– Gestaltung und SatzBernet & Schönenberger, Zürich

– DruckGraf-Lehmann AG, BernISSN 1660-2439

BildnachweiseS. 4: Universitätsbibliothek Marburg. –S. 5: Universitätsbibliothek Heidel-berg. – S. 8, 9, 10, 11, 29: centro del bellibro ascona. – S.13: StUB, HeiniStucki, Biel. – S.16: SOB, DepositumSammlung Sager. – S.17 (links):Aus: Sigismund von Heberstein:Rerum Mosciviticarum Commentarii,1556. – S.17 (rechts): Aus: Descrip-tion de toutes les nations de l’EmpireRusse, 1776. – S. 19: Niederöster-reichische Landesbibliothek, SanktPölten. – S. 20 (links): Öster-reichische Nationalbibliothek, Wien. –S. 20 (rechts): ReSoWi, Graz. –S. 21: Burgerbibliothek Bern, Johan-nes Gfeller, Münchenbuchsee. –S. 23: Rudolf Steiner, Haus am Gern,Biel. – S. 25: Hochschule der Künste,Bern. – S. 26, 27: StUB, KasparHiltbrand. – S. 28: Carola Giedion-Welcker, Zürcher James-Joyce-Stiftung. – S. 30: StUB, AlfredFasnacht.

Stadt- und Universitätsbibliothek Bern Münstergasse 61, 3000 Bern 8Telefon 031 320 32 11Telefax 031 320 32 99 E-Mail [email protected]

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Mit freundlicher Unterstützung der