Kinderzuschlag: Schwieriger Weg zu einer fragwürdigen Sozialleistung

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Bremer ErwerbslosenVerband Merkblatt: Kinderzuschlagsberechnung (Stand 10/2008)

Bremer ErwerbslosenVerband Sparkasse Bremen – Kt.-Nr. 1049 0084 – BLZ 290 501 01

Kinderzuschlag: Schwieriger Weg zu einer fragwürdigen Sozialleistung

Gesetzesänderung zum 01.10.2008 Zum 01.10.2008 ist die Reform des Kinderzuschlags in Kraft getreten. Das dies eine durchaus zweischneidige Sozialleistung ist, wurde in unserem Flugblatt „Betrifft: Kinderzuschlagsreform zum 01.10.2008“ bereits ausgeführt. In jedem Fall kann diese Gesetzesänderung Auswirkungen haben für Familien die sich bereits im Bezug von ALG II befinden und von der BAgIS ergänzende Leistungen beziehen. Sie wurden bereits teilweise aufgefordert -oder dies könnte zukünftig erfolgen- Kinderzuschlag zu beantragen. Daneben kann es Familien geben, die nicht aufgefordert wurden, aber eigentlich einen Anspruch auf Kinderzuschlag hätten. Zudem kann es Familien geben, die bisher schon einen Anspruch auf ergänzendes ALG II gehabt hätten, diesen aber nicht wahrgenommen haben. Sie waren bisher möglicherweise nicht kinderzuschlagsberechtigt, könnten dies aber jetzt aufgrund der Gesetzesänderung sein. Außerdem ist zu beachten, dass spätestens zum 01.01.2009 die Erhöhung des Wohngeldes in Kraft tritt. Durch die damit verbundene Anhebung der zu berücksichtigenden Mieten und eines neu zu berücksichtigenden Heizkostenanteils, kann sich für weitere Familien ein Zugang zum Kinderzuschlag eröffnen.

Auch wenn die Nachhaltigkeit der Wirkung des Kinderzuschlags sehr kritisch zu beurteilen ist, kann der Bezug von Kinderzuschlag zu einer finanziellen Besserstellung führen und für einige Familien neue Freiräume und Entlastungen schaffen. Es ist deshalb in jedem Fall ratsam die Möglichkeit des Kinderzuschlagbezuges zu prüfen und zu erwägen.

Da der Bezug von Kinderzuschlag an sehr komplizierte Zugangsvoraussetzungen geknüpft ist, soll dieses Merkblatt helfen, die einzelnen Prüfungsschritte zu erklären und zu verdeutlichen, wie sich die Höhe des Kinderzuschlages errechnet. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, dass zumindest zwei verschiedene Gesetze –SGB II und Bundeskindergeldgesetz- mit teilweise unterschiedlichen Beurteilungsmaßstäben für gleiche bzw. entsprechende Sachverhalte, berücksichtigt werden müssen. Bei bestimmten Familienkonstellationen kann zudem die Hinzuziehung weiterer Gesetze notwendig werden (z.B. BAföG oder SGB III).

Zum besseren Verständnis sollen deshalb zunächst die erforderlichen Prüfungsschritte aufgezeigt werden.

Danach soll auf einige wichtige Punkte hingewiesen werden, die im Zusammenhang mit dem Kinderzuschlag unbedingt beachtet und bedacht werden sollten.

Anhand von 2 Beispielen soll die Möglichkeit eröffnet werden, einen eigenen Kinderzuschlagsanspruch prüfen zu können.

Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich beim Bremer Erwerbslosenverband beraten lassen.

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In 8 Prüfungsschritten zum Kinderzuschlag Schritt 1: Feststellung, dass Sie mit unverheirateten Kindern unter 25 Jahre in einem Haushalt leben und für diese Kinder Kindergeld erhalten.

Wenn dies der Fall ist, könnten Sie für diese Kinder einen Anspruch auf Kinderzuschlag haben. Schritt 2: Feststellung, dass Sie und Ihre Familien „hilfebedürftig“ im Sinne des SGB II sind.

Dies heißt, Sie müssten eine Anspruch auf ergänzendes Arbeitslosengeld II (ALG II) haben und von der BAgIS Leistungen beziehen können. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, können Sie keinen Anspruch auf Kinderzuschlag haben. Bei Familien, die bereits BAgIS-Leistungen erhalten ist Bedürftigkeit in jedem Fall gegeben, bei anderen Familien wäre dies festzustellen.

Wenn Sie einen Anspruch auf ALG II haben, kann weiter geprüft werden ob Sie einen Anspruch auf Kinderzuschlag haben könnten. Für diese weitere Prüfung ist auch die genaue Höhe dieses Anspruchs bedeutsam (ggf. unter Einbeziehung eines Zuschlags nach § 24 SGB II nach dem Vorbezug von ALG I). Schritt 3: Feststellung, dass Sie die Mindesteinkommensgrenze für Eltern überschreiten.

Ein möglicher Anspruch auf Kinderzuschlag ist daran geknüpft, dass die Eltern in der Familie mindestens Brutto-Einkünfte in Höhe von 900 € (Paare) bzw. 600 € (Alleinstehende) monatlich haben. Für das Erreichen der Mindesteinkommensgrenze werden mit Ausnahme von Kindergeld und Wohngeld alle Einkommen berücksichtigt. Neben dem Bruttolohn der Eltern auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus anderen (Sozial)Leistungen wie ALG I, Elterngeld, Rente oder auch Unterhaltszahlungen

Wird die Mindesteinkommensgrenze überschritten, könnte ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehen. Schritt 4: Berechnung der „Bemessungsgrenze“.

Die sog. Bemessungsgrenze ist für die weitere Prüfung ob –und wenn ja in welcher Höhe- ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, von großer Bedeutung.

Die Höhe der Bemessungsgrenze für den Kinderzuschlag setzt sich zusammen aus der Höhe der „pauschalisierten Leistungen“ der Eltern von der BAgIS (SGB II) und den „Wohnkosten“ der Eltern.

a) Pauschalisierte Leistungen Dies meint zunächst die Höhe der jeweiligen Regelleistungen.

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Für alleinstehende Elternteile liegt die Regelleistung bei 351 €, bei Paaren bei 632 € (2 X 316 €). Die Regelleistung für Kinder unter 14 Jahren liegt bei 211 €, zwischen dem 14. und 25. Lebensjahr bei 281 €.

Daneben gibt es als weitere pauschalisierte Leistungen noch sog. Mehrbedarfe in unterschiedlicher Höhe (Alleinerziehung, Schwangerschaft, kostenaufwendige Ernährung, Merkzeichen G bei erwerbsunfähigen Sozialgeldbeziehern, erwerbsfähige Behinderte mit Leistungen nach § 33 SGB IX).

Höhe der häufigsten Mehrbedarfe:

Alleinerziehung : - 1 Kind unter 7 Jahren 126 € - 2 und 3 Kinder unter 16 Jahren 126 € - oder pro Kind 42 € bis höchstens 210 €

Schwangerschaft ab 13. Woche: 60 € (Alleinstehende) bzw. 54 € (mit Partner)

Kostenaufwendige Ernährung: je nach Krankheit zwischen 25,56 € und 61,36 €.

b) Wohnkosten Die Wohnkosten der einzelnen Familienmitglieder werden beim Kinderzuschlag anders ermittelt, als beim ALG II-Bezug. Die Ermittlung der anteiligen Wohnkosten orientiert sich hier an den Werten des jeweils letzten Existenzminimumberichts der Bundesregierung. Zur Zeit gelten folgende Werte:

Alleinstehende Elternteile mit

Wohnanteil des Elternteils in %

Elternpaar mit Wohnanteile der Eltern in %

1 Kind 75,53 1 Kind 83,20 2 Kindern 60,68 2 Kindern 71,23 3 Kindern 50,71 3 Kindern 62,27 4 Kindern 43,55 4 Kindern 55,31 5 Kindern 38,17 5 Kindern 49,75

Die Summe aus Regelleistung, Mehrbedarfen und Wohnkostenanteil der Eltern, ergibt die Höhe der Bemessungsgrenze. Schritt 5: Berechnung des Gesamt-Kinderzuschlags.

Der Kinderzuschlag beträgt pro Kind 140 €. Haben das oder die Kinder eigenes Einkommen, wird zunächst der jeweilige Kinderzuschlag in Höhe von 140 € um dieses Einkommen gemindert. Kindergeld und Wohngeld der Kinder werden nicht mindernd berücksichtigt, ansonsten wird das Einkommen hier nach den Maßstäben der BAgIS angerechnet (z.B. Erwerbseinkommen und BAföG nur anteilig, Unterhaltszahlungen, Unterhaltsvorschuss oder Halbwaisenrente voll).

Liegt das anzurechnende Einkommen über 140 €, kann es für dieses Kind keinen Kinderzuschlag geben.

Nachdem so die Einzel-Kinderzuschläge ermittelt wurden, werden diese zusammengerechnet und ergeben den Gesamt-Kinderzuschlag.

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Schritt 6: Berechnung der Höchsteinkommensgrenze

Die Höchsteinkommensgrenze setzt sich zusammen aus der „Bemessungsgrenze“ (Schritt 4) und dem „Gesamt-Kinderzuschlag“ (Schritt 5).

Liegt das anrechenbare Elterneinkommen nach den Regeln der §§ 11, 30 SGB II, das heißt unter Berücksichtigung der Frei- und Absetzbeträge im SGB II, über dieser Höchsteinkommensgrenze, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Elterneinkommen ist an dieser Stelle also nicht das „Mindesteinkommen“ aus Schritt 3, sondern das nach den Maßstäben der BAgIS zu berücksichtigende Elterneinkommen aus Schritt 2. Das Einkommen des Elternteils oder der Eltern, das die BAgIS als anrechenbares Elterneinkommen berücksichtigen würde, darf zusammengerechnet nicht über der Höchsteinkommensgrenze liegen.

Wenn dieses Elterneinkommen die Höchstgrenze nicht überschreitet, kann es eventuell einen Anspruch auf Kinderzuschlag geben. Schritt 7: Minderung des Gesamt-Kinderzuschlags

Wenn das zu berücksichtigende Elterneinkommen aus Schritt 2 zu hoch ist, kann dies zu einer Minderung des Gesamt-Kinderzuschlags (Schritt 5) aufgrund zu hohen Elterneinkommens führen.

Eine solche Minderung erfolgt nicht, wenn das Elterneinkommen in dem Bereich zwischen „Mindesteinkommensgrenze“ (Schritt 3) und „Bemessungsgrenze“ (Schritt 4) liegt.

Liegt das Einkommen über der „Bemessungsgrenze“ und unter der „Höchstgrenze“ (Schritt 6), wird der Gesamt-Kinderzuschlag um überschreitendes Erwerbseinkommen um anteilig 5 € von 10 € Überschreitung gemindert, bei anderem Einkommen (z.B. ALG I, Rente, oder Unterhalt) wird die Überschreitung ganz angerechnet.

Nach dieser Minderung ist die Höhe des Kinderzuschlages errechnet, den die Familienkasse gewähren müsste. Schritt 8: Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit vermieden wird

Hilfebedürftigkeit wird vermieden, wenn Ihr Kinderzuschlag und Wohngeld über dem Anspruch liegen, den Sie gegenüber der BAgIS hätten oder haben (Schritt 2).

Wenn Sie von der BAgIS monatlich mehr Gelder erhalten als von der Familienkasse in Form von Kinderzuschlag, ist Bedürftigkeit zunächst nicht vermieden.

Wenn Sie allerdings einen Anspruch auf Wohngeld haben, kann unter Umständen durch dieses Wohngeld Hilfebedürftigkeit vermieden werden. Wohngeld und Kinderzuschlag müssen dann zusammen über dem Anspruch gegenüber der BAgIS liegen.

Bei der Frage, ob Hilfebedürftigkeit vermieden wird, gibt es noch 2 Besonderheiten, die unbedingt beachtet werden müssen.

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a) Wahlrecht bei Zuschlag nach § 24 SGB II

Wenn Sie bei der BAgIS einen Anspruch auf einen befristeten Zuschlag nach dem Bezug von ALG I hätten (§ 24 SGB II), haben Sie unter Umständen ein Wahlrecht zwischen dem Kinderzuschlag und dem Bezug von ALG II.

Wenn ALG II und Zuschlag nach § 24 SGB II höher sind als Ihr Anspruch auf Kinderzuschlag, können Sie mit Wirkung für die Zukunft erklären, dass Sie Ihren Anspruch auf Kinderzuschlag nicht geltend machen wollen. Auch wenn Bedürftigkeit (Höhe des ALG II-Anspruchs ohne Zuschlag nach § 24 SGB II) durch den Kinderzuschlag vermieden wird, müssen Sie nicht freiwillig auf den teilweise recht hohen Zuschlag nach § 24 SGB II verzichten.

Sie können nicht zwangsweise auf den Kinderzuschlag verwiesen werden, wenn dieser niedriger ist, als Ihr ALG II mit dem Zuschlag nach § 24 SGB II. Sollte die BAgIS dies von Ihnen verlangen, können Sie sich dagegen wehren und Widerspruch einlegen.

b) Freiwilliger Verzicht auf Mehrbedarf(e)

Wenn bei Ihnen trotz Kinderzuschlag und Wohngeld immer noch Hilfebedürftigkeit besteht, ist zu prüfen, ob in Ihrem Gesamtbedarf der pauschalisierten Leistungen aus Schritt 4 a, ein oder mehrere Mehrbedarfe enthalten sind.

Wenn durch Ihren freiwilligen Verzicht auf Berücksichtigung eines oder mehrerer Mehrbedarfe Bedürftigkeit vermieden wird, können Sie auf eigentlich zustehende Mehrbedarfe verzichten.

Wenn Sie z.B. als Alleinerziehende unbedingt der Abhängigkeit von der BAgIS entfliehen wollen, können Sie auf Ihren Alleinerziehenden Mehrbedarf verzichten, wenn Sie dadurch nicht mehr bedürftig sind. Sie können dann den (geringeren) Kinderzuschlag beanspruchen. Ein solcher freiwilliger Verzicht auf zustehende Sozialleistungen ist schriftlich zu erklären und kann jederzeit mit Wirkung für den Folgemonat widerrufen werden. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, haben Sie Anspruch auf Kinderzuschlag. Dieser wird im Regelfall für 6 Monate bewilligt. Durch die jetzige Gesetzesänderung kann er nun unbefristet bezogen werden. Wichtige Punkte, die beim Kinderzuschlag problemati sch oder bedeutsam sein könnten

� Wenn nicht verheiratete Paare von der BAgIS aufgefordert werden Kinderzuschlag zu beantragen, verliert möglicherweise ein Elternteil den Krankenversicherungsschutz, der vorher durch die BAgIS sichergestellt war. Durch die nun erforderliche freiwillige Krankenversicherung, sind Sie finanziell unter Umständen schlechter gestellt als vorher, beim Bezug von ALG II. In diesem Fall ist es zu empfehlen gegen die Aufforderung Widerspruch einzulegen und sich ggf. beraten zu lassen. Ein Widerspruch ist auch in anderen Fällen ratsam, wenn Sie das Gefühl haben durch den Kinderzuschlag schlechter gestellt zu sein, als beim Bezug von BAgIS-Leistungen. Laut den entsprechenden Durchführungsanweisungen der Agentur für Arbeit handelt es sich bei einer solchen Aufforderung um einen Verwaltungsakt. Ein Widerspruch dagegen soll aufschiebende Wirkung haben.

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� Erfolgt eine Aufforderung zur Kinderzuschlagsbeantragung gerade dann, wenn Sie an einer von der BAgIS bezahlten Maßnahme teilnehmen (die Sie gerne beenden möchten), kann die weitere Übernahme der Maßnahmekosten durch die BAgIS strittig sein. Es wäre dann sinnvoll, die schriftliche Zusicherung zur Übernahme der Restmaßnahmekosten als Zuschuss von der BAgIS zu verlangen.

� Bei Paaren, bei denen nur ein Partner Erwerbseinkommen hat, fehlen dem

anderen Elternteil beim Bezug von Kinderzuschlag die Rentenversicherungs-beiträge, die beim ALG II-Bezug vorher von der BAgIS übernommen worden waren. Dies kann sich vorrangig für Frauen, die immer noch häufiger als Männer mit der Kindererziehung beschäftigt sind und seltener einer Erwerbsarbeit nachgehen, negativ in Hinblick auf die spätere Rentenhöhe auswirken.

� Wenn Sie überlegen, ob ein Antrag auf Kinderzuschlag auch für Ihre Familien

sinnvoll sein könnte, kann es wichtig sein zu wissen, wie hoch ein Wohngeldanspruch wäre. In diesen Fällen kann es für Ihre Entscheidungsfindung hilfreich sein, sich ausrechnen zu lassen, wie hoch Ihr Wohngeldanspruch wäre. Entsprechende Anträge können Sie über die Ortsämter in Bremen stellen.

� Beim Bezug von Kinderzuschlag sind Sie nicht von den Fernsehgebühren bei

der GEZ befreit. Im Gegensatz zum ALG II-Bezug kommen auf Sie dann monatliche Kosten von momentan 17,03 Euro für Rundfunkgebühren zu.

� Die zu berücksichtigenden Einkünfte sollen beim Kinderzuschlag aus dem

Durchschnittseinkommen der letzten 6 Monate (beim Folgeantrag) bzw. der letzten 3 Monate (beim Erstantrag) gebildet werden. Führt dieses Verfahren Ihrer Meinung nach zu völlig unrealistischen Einkommenshöhen (z.B. bei in der Höhe stark wechselndem Erwerbseinkommen), sollten Sie auf ein anderes Verfahren drängen. Stellt sich später heraus, dass die Familienkasse von zu hohem oder zu niedrigem Einkommen ausgegangen ist, kann es zu Nachzahlungen aber auch Rückforderungen von Kinderzuschlag kommen.

� Unter bestimmten Voraussetzungen kann es dazu kommen, dass eine

Kinderzuschlagsbewilligung nachträglich ganz aufgehoben wird. Diese Gefahr droht besonders dann, wenn die Kindergeldbewilligung für ein Kind nachträglich aufgehoben wird. Speziell bei jungen Erwachsenen, für die Kindergeld bewilligt wird weil sie ausbildungsplatzsuchend gemeldet sind, wird die Kindergeldberechtigung von der Familienkasse nachträglich häufiger verneint. Um dieser Gefahr zu begegnen, ist es wichtig spätestens alle 3 Monate durch eine erneute Meldung die Ausbildungsplatzsuche zu bestätigen. Die Familienkasse gibt Auskunft darüber, wie die Ausbildungsplatzsuche zu beweisen und ggf. zu dokumentieren ist.

Wenn es zu einer völligen Aufhebung einer Kinderzuschlagsbewilligung ge- kommen ist, muss der Kinderzuschlag für den Aufhebungszeitraum ganz erstattet werden. In diesem Fall besteht die Möglichkeit –unmittelbar nachdem Ihnen die Kinderzuschlagsberechtigung rückwirkend aberkannt wurde- einen rückwirkend Antrag auf ALG II für den entsprechenden Zeitraum zu stellen.

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Beispiele zum besseren Verständnis Beispiel 1 : Familie mit Erwerbseinkommen und Zuschlag nach § 24 SGB II Erika und Helmut Schulte haben 3 Kinder im Alter von 7, 9 und 13 Jahre. Erika verdient brutto 1600 € (netto 1200 €), Helmut hat einen Minijob und verdient dort 165 €. Für die drei Kinder werden jeweils 154 € Kindergeld gezahlt. Weitere Einkünfte hat die Familie nicht. Sie leben in einer Eigentumswohnung und haben 350 € anerkannte Kosten für die Wohnung. Von der BAgIS erhalten Sie monatlich 211 € ALG II. Herr Schulte erhält nach dem Bezug von ALG I zusätzlich noch einen befristeten Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 320 €. Die Familie wird von der BAgIS aufgefordert einen Antrag auf Kinderzuschlag zu stellen. Zu Recht ?

Prüfungsschritte: 1) Es wird für 3 Kinder Kindergeld gezahlt, für die ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehen könnte. 2) Die Berechnung der BAgIS ergibt folgendes: Der Gesamtbedarf der Familie liegt bei 1615 €. Regelleistung Eltern 2 X 316 € = 632 €

Regelleistung Kinder 3 X 211 €= + 633 € Anerkannte Mietkosten + 350 € Das zu berücksichtigendes Einkommen der Familie liegt bei 1404 €. Anrechenbares Erwerbseinkommen Mutter 890 € Anrechenbares Erwerbseinkommen Vater + 52 € Anrechenbares Kindergeld bei den Kindern 3 X 154 € + 462 €

Die Familie hat einen Anspruch auf 211 € ergänzendes ALG II (1615 € - 1404 €). Von der BAgIS bekommen sie 531 € ausgezahlt: 211 € ALG II + 320 € Zuschlag nach Vorbezug von ALG I nach § 24 SGB II. 3) Die Mindesteinkommensgrenze in Höhe von 900 € ist überschritten. 4) Bemessungsgrenze Die Bemessungsgrenze liegt bei 849,95 €.

Regelleistung der Eltern 2 X 316 € 632,00 € Wohnkostenanteil der Eltern +217,95 € (350 € X 0,6227)

5) Gesamt-Kinderzuschlag Da keines der Kinder eigenes Einkommen hat, liegt dieser bei 420 € (3 X 140 €). 6) Höchsteinkommensgrenze Die Höchsteinkommensgrenze liegt bei 1269,95 € (849,94 € + 420 €). 7) Minderung des Gesamt-Kinderzuschlags Das anrechenbare Elterneinkommen aus Schritt 2 liegt bei insgesamt 942 € (Mutter

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890 € + Vater 52 €). Die Bemessungsgrenze von 849,94 € ist überschritten, die Höchsteinkommensgrenze von 1269,94 € jedoch nicht. Es besteht deshalb ein Anspruch auf Kinderzuschlag, dieser wird jedoch um überschreitendes Elterneinkommen gemindert. Das die Bemessungsgrenze überschreitende Einkommen wird um 5 € je 10 € Überschreitung gemindert, weil es sich um Erwerbseinkommen handelt (Überschreitung: 942 € - 849,95 € = 92,06 €. Minderung: 9 X 5 € = 45 €). Der Gesamt-Kinderzuschlag wird um 45 € auf 375 € gemindert. 8) Vermeidung von Hilfebedürftigkeit Der errechnete Gesamt-Kinderzuschlag in Höhe von 375 € liegt über dem Anspruch auf ALG II in Höhe von 211 €. Zusätzlich hätte Familie Schulte einen Anspruch auf Wohngeld in Höhe von 100 €.

Trotzdem würde Familie Schulte insgesamt aber schlechter gestellt sein, als vorher beim ALG II-Bezug: Durch den Kinderzuschlag in Höhe von 375 € und das Wohngeld in Höhe von 100 €, hätten sie 475 € zur Verfügung. Damit lägen sie aber um 56 € unter den BAgIS-Zahlungen in Höhe von 531 € für ALG II (211 €) und Zuschlag nach § 24 SGB II (320 €). Da Familie Schulte durch den Bezug von Kinderschlag und Wohngeld nicht schlechter gestellt sein will, erklärt sie, dass sie den Anspruch auf Kinderzuschlag nicht geltend machen will. Ergebnis: Die Aufforderung von der BAgIS ist zu Unrecht erfolgt. Familie Schulte kann nicht gezwungen werden, Kinderzuschlag zu beantragen. Beispiel 2 : Alleinerziehende mit Erwerbseinkommen Silvia Neid ist alleinerziehend und lebt mit 1 Kind (8 Jahre) in einer Mietswohnung. Die Mietkosten für die Familie liegen bei 420 €. Für das Kind werden 154 € Kindergeld gezahlt, Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss werden für das Kind nicht gezahlt. Frau Neid verdient aus Erwerbstätigkeit 950 € netto monatlich (brutto 1350 €). Momentan bezieht Frau Neid von der BAgIS Leistungen, würde zukünftig aber lieber Kinderzuschlag erhalten. Ist dies möglich ? Prüfungschritte: 1) Für das Kind wird Kindergeld in Höhe von 154 € gezahlt. 2) Die Familie ist hilfebedürftig, die BAgIS zahlt jeden Monat 215 € ALG II. Es besteht ein Gesamtbedarf in Höhe von 1024 €. Mutter: 351 € Regelleistung + 42 € Alleinerziehenmehrbedarf +210 € Mietanteil Kind: +211 € Regelleistung +210 € Mietanteil

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Als Einkommen der Familie werden 809 € angerechnet. Mutter: 655 € Erwerbseinkommen Kind +154 € Kindergeld

Anspruch gegenüber der BAgIS: 1024 € - 809 € = 215 € 3) Frau Neid hat die Mindesteinkommensgrenze von 600 € für Alleinstehende durch ihren Bruttoarbeitslohn überschritten. 4) Bemessungsgrenze Die Bemessungsgrenze liegt bei 710,23 €. Regelleistung der Mutter 351,00 € Mehrbedarf wegen Alleinerziehung + 42,00 € Wohnkostenanteil der Mutter +317,23 € (420 € X 0,7553) 5) Gesamt-Kinderzuschlag Das Kind hat kein minderndes Einkommen, der Gesamt-Kinderzuschlag liegt deshalb bei 140 €. 6) Höchsteinkommensgrenze Die Höchsteinkommensgrenze aus Bemessungsgrenze und Gesamt-Einkommensgrenze liegt bei 850,23 € (710,23 € + 140 €). 7) Minderung des Gesamt-Kinderzuschlags Das anrechenbare Einkommen von Frau Neid in Höhe von 655 € überschreitet nicht die Bemessungsgrenze in Höhe von 710,23 €. Der Gesamt-Kinderzuschlag wird deshalb nicht aufgrund überschreitenden Elterneinkommens gemindert und liegt bei 140 €. 8) Vermeidung von Bedürftigkeit Die Bedarfsgemeinschaft von Frau Neid erhält von der BAgIS zur Zeit 215 €. Durch den Kinderzuschlag in Höhe von 140 € wird Hilfebedürftigkeit nicht vermieden. Sie hat sich ausrechnen lassen, dass ihr 60 € Wohngeld zuständen. Auch mit dem Wohngeld und dem Kinderzuschlag wird Bedürftigkeit noch nicht vermieden, weil diese zusammen nur Leistungen in Höhe von 200 € ergeben. Es besteht eine Unterschreitung des BAgIS-Anspruchs um 15 €. Diese Unterschreitung kann dadurch vermieden werde, dass Frau Neid auf ihren Mehrbedarf in Höhe von 42 € freiwillig verzichtet (Schritt 8b). Ergebnis: Durch den freiwilligen Verzicht auf Berücksichtigung des Mehrbedarfs

wegen Alleinerziehung, kann Frau Neid zukünftig Kinderzuschlag in Höhe von 140 € beanspruchen. Zusätzlich erhält Sie Wohngeld in Höhe von 60 € monatlich.

Anmerkung zu besonderen Familienkonstellationen Besondere Fragestellungen können auftreten, wenn es sich um Familien handelt, bei denen ein Elternteil vom ALG II Bezug selber ausgeschlossen ist wegen eines BAföG oder BAB-Anspruchs, wenn ein Elternteil nicht erwerbsfähig ist im Sinne des

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SGB II oder wenn für einen Elternteil bereits Anspruch auf die Regelaltersrente besteht. In diesen Fällen können Sie als FamilienangehörigeR trotzdem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II sein und es kann grundsätzlich eine Kinderzuschlagsberechtigung bestehen. Die Prüfung selber ist aber mit einigen Besonderheiten und Abweichungen verbunden, die an dieser Stelle nicht im Einzelnen aufgeführt werden können. Anmerkung: Dieses Merkblatt wurde nach bestem Wissen erstellt, eine Garantie für die Richtigkeit

können wir aber nicht übernehmen. Bitte beachten Sie auch unser Flugblatt „Kinderzuschlagsreform zum 01.10.2008“ (auf unserer Internetseite oder in unserem Beratungsladen). Wenn Sie Fragen zum Kinderzuschlag haben, informieren wir Sie gerne. Bitte bringen Sie Bescheide, Einkommens- und Mietkostennachweise mit.

Offene Beratung ohne Terminvergabe Montag + Dienstag 9.00 – 13.00 Uhr Donnerstag 9.00 – 12.00 Uhr + 14.00 – 17.00 Uhr

BEV, Lindenstr. 1 B, 28755 Bremen Tel. 6960 808 Fax. 6960 807

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