Kirchenreform und Bischofsgehorsam

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Herbert Kohlmaier, Obmann der Laieninitiative Dezember 2010 Kirchenreform und Bischofsgehorsam – ein unauflösbarer Widerspruch? Nach der Lehre der Kirche üben die Bischofe als Nachfolger der Apostel einen selbständigen Hirten- dienst aus. Die Laieninitiative hat sich daher am Beginn ihres Einsatzes um das Gespräch mit den Lei- tern der Diözesen bemüht, um diesen ihre maßvollen und theologisch begründbaren Vorschläge zur Behebung des Seesorgenotstands zu unterbreiten (Aufhebung des Pflichtzölibats, Weihe zunächst von Diakoninnen und Beauftragung von bewährten Laien mit sakramentalen Diensten). Wir hatten die Hoffnung, dass angesichts der dramatischen Krise Verantwortungsträger in der Kirche für die Einlei- tung dringend nötiger Reformschritte gewonnen werden könnten. Nur drei der Bischöfe waren bereit, uns zu empfangen. Bei zwei bisher in angenehmer Atmosphäre stattgefundenen Gesprächen wurde uns Verständnis gezeigt, aber auf die alleinige Zuständigkeit der „Weltkirche“ hingewiesen. Andere reagierten ablehnend oder ausweichend. So sandte uns Manfred Scheuer aus Innsbruck herzlich dankend Segenwünsche mit dem Hinweise auf seine hier nicht vorlie- gende Zuständigkeit sowie darauf, dass derartige Anliegen auf diözesaner Ebene zur Sprache kämen. Der selbe Bischof erklärte allerdings jüngst gegenüber den „Theologischen Kursen“, dass die Wahr- heitsfindung in der Kirche dialogisch geschehen müsse, anders sei Wahrheit heute nicht rezeptions- und konsensfähig. Auch er lässt damit erkennen, was sich immer deutlicher nicht nur in Österreich zeigt: Es wird Bereitschaft zum Gespräch über die brennenden Probleme bekundet, aber ein Aufgrei- fen der großen und verbreiteten Sorgen des Kirchenvolks und seiner Vertreter ist nicht beabsichtigt. Offenbar will man auf diese Weise dem gleichzeitig von oben – dem Papst – und unten ausgeübten Druck Rechnung tragen. Erscheint doch unmöglich, sich dem Drängen auf Änderungen zu verschlie- ßen, aber es können daraus angesichts der vatikanischen Unbeweglichkeit keine Konsequenzen gezo- gen werden. Das nur scheinbare Eingehen auf die Wünsche nach überfälligen Verbesserungen ist so- hin als Beruhigungs- oder Hinhaltetaktik zu verstehen. Auch an Zeitgewinn mag da gedacht sein, je- denfalls aber ein Niederhalten der Unruhe, ohne wirklich etwas unternehmen zu müssen. Mut, der rasch schwindet Der Salzburger Erzbischof Kothgasser betonte im Gespräch mit der ebenso energisch wie besonnen agierenden „Taxhamer Pfarrgemeinderatsinitiative“ die gemeinsame Sorge um die Sicherung der Eucharistie für das christliche Leben. Im März wagte er sich sogar mit einem „Überdenken des Zöli- bats“ vor. Aber als man nun öffentlich drängte, folgte sogleich eine unglaubliche Zurechtweisung: Mit „Ecclesia semper reformanda“ sei sicher nicht eine Reformation gemeint! Die Einheit mit und in der Kirche sei Zeichen „wahrer und echter Erneuerungsbestrebung“. Ultimative Forderun- gen würden dagegen „einem Geist der Spaltung entspringen“. Als der Missbrauchsskandal in Graz allgemeine wütende Empörung auslöste, entstand die Idee einer Diözesansynode, was geradezu Begeisterung auslöste. Vom Ordinariat wurde eilig ein „strukturierte Gesprächsprozess“ angekündigt, der „hoffentlich in einen Reformprozess münden werde“. Die Freude darüber war verfrüht, übrig blieb ein auf Jahre angelegtes Ver- fahren des „aufmerksamen Hinhörens“, damit sich die Kirche als lebensnah erweise. Das Zurückweichen nach Augenblicken des Muts demonstriert auch Kardinal Schönborn. Er setzt auf den Prozess „Apostelgeschichte 2010“, wo es darum geht, die Kirche so wie sie ist den Menschen wieder nahe zu bringen, allerdings auch, neue Seelsorgestrukturen zu schaffen. Seine diesbezüglichen Ankündigungen bei der Wiener Diözesanversammlung lösten große Hoffnung aus, doch bald darauf sah sich der Bischof veranlasst, ein „Missverständnis zu-

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Nach der empörenden Zurechtweisung einer Salzburger Gemeinderatsinitiative hat Dr. Kohlmaier einige grundsätzliche Überlegungen angestellt zur Frage: Was können wir von unseren Bischöfen erwarten?

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Herbert Kohlmaier, Obmann der Laieninitiative Dezember 2010

Kirchenreform und Bischofsgehorsam –

ein unauflösbarer Widerspruch? Nach der Lehre der Kirche üben die Bischofe als Nachfolger der Apostel einen selbständigen Hirten-dienst aus. Die Laieninitiative hat sich daher am Beginn ihres Einsatzes um das Gespräch mit den Lei-tern der Diözesen bemüht, um diesen ihre maßvollen und theologisch begründbaren Vorschläge zur Behebung des Seesorgenotstands zu unterbreiten (Aufhebung des Pflichtzölibats, Weihe zunächst von Diakoninnen und Beauftragung von bewährten Laien mit sakramentalen Diensten). Wir hatten die Hoffnung, dass angesichts der dramatischen Krise Verantwortungsträger in der Kirche für die Einlei-tung dringend nötiger Reformschritte gewonnen werden könnten. Nur drei der Bischöfe waren bereit, uns zu empfangen. Bei zwei bisher in angenehmer Atmosphäre stattgefundenen Gesprächen wurde uns Verständnis gezeigt, aber auf die alleinige Zuständigkeit der „Weltkirche“ hingewiesen. Andere reagierten ablehnend oder ausweichend. So sandte uns Manfred Scheuer aus Innsbruck herzlich dankend Segenwünsche mit dem Hinweise auf seine hier nicht vorlie-gende Zuständigkeit sowie darauf, dass derartige Anliegen auf diözesaner Ebene zur Sprache kämen. Der selbe Bischof erklärte allerdings jüngst gegenüber den „Theologischen Kursen“, dass die Wahr-heitsfindung in der Kirche dialogisch geschehen müsse, anders sei Wahrheit heute nicht rezeptions- und konsensfähig. Auch er lässt damit erkennen, was sich immer deutlicher nicht nur in Österreich zeigt: Es wird Bereitschaft zum Gespräch über die brennenden Probleme bekundet, aber ein Aufgrei-fen der großen und verbreiteten Sorgen des Kirchenvolks und seiner Vertreter ist nicht beabsichtigt. Offenbar will man auf diese Weise dem gleichzeitig von oben – dem Papst – und unten ausgeübten Druck Rechnung tragen. Erscheint doch unmöglich, sich dem Drängen auf Änderungen zu verschlie-ßen, aber es können daraus angesichts der vatikanischen Unbeweglichkeit keine Konsequenzen gezo-gen werden. Das nur scheinbare Eingehen auf die Wünsche nach überfälligen Verbesserungen ist so-hin als Beruhigungs- oder Hinhaltetaktik zu verstehen. Auch an Zeitgewinn mag da gedacht sein, je-denfalls aber ein Niederhalten der Unruhe, ohne wirklich etwas unternehmen zu müssen.

Mut, der rasch schwindet Der Salzburger Erzbischof Kothgasser betonte im Gespräch mit der ebenso energisch wie besonnen agierenden „Taxhamer Pfarrgemeinderatsinitiative“ die gemeinsame Sorge um die Sicherung der Eucharistie für das christliche Leben. Im März wagte er sich sogar mit einem „Überdenken des Zöli-bats“ vor. Aber als man nun öffentlich drängte, folgte sogleich eine unglaubliche Zurechtweisung: Mit „Ecclesia semper reformanda“ sei sicher nicht eine Reformation gemeint! Die Einheit mit und in der Kirche sei Zeichen „wahrer und echter Erneuerungsbestrebung“. Ultimative Forderun-gen würden dagegen „einem Geist der Spaltung entspringen“. Als der Missbrauchsskandal in Graz allgemeine wütende Empörung auslöste, entstand die Idee einer Diözesansynode, was geradezu Begeisterung auslöste. Vom Ordinariat wurde eilig ein „strukturierte Gesprächsprozess“ angekündigt, der „hoffentlich in einen Reformprozess münden werde“. Die Freude darüber war verfrüht, übrig blieb ein auf Jahre angelegtes Ver-fahren des „aufmerksamen Hinhörens“, damit sich die Kirche als lebensnah erweise. Das Zurückweichen nach Augenblicken des Muts demonstriert auch Kardinal Schönborn. Er setzt auf den Prozess „Apostelgeschichte 2010“, wo es darum geht, die Kirche so wie sie ist den Menschen wieder nahe zu bringen, allerdings auch, neue Seelsorgestrukturen zu schaffen. Seine diesbezüglichen Ankündigungen bei der Wiener Diözesanversammlung lösten große Hoffnung aus, doch bald darauf sah sich der Bischof veranlasst, ein „Missverständnis zu-

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rechtzurücken“. Die geistliche Leitung bleibe in den Händen eines Priesters und es gäbe ja schon jetzt Möglichkeiten der Laienbeteiligung, welche gestärkt werden könnten. So ist auch zu bezweifeln, ob der Aufruf des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch, „die bohrenden Zweifel an verschiedenen Lehren der Kirche aufrichtig zu beden-ken“ wirklich befolgt wird. Der von ihm vorgeschlagene große Gesprächsprozess mit Bericht an Rom scheint die konservativen Bischöfe des Landes eher nicht zu begeistern. Eigentlich ergibt sich immer wieder das selbe Bild: Es wird Hoffnung erweckt, ein aufatmendes „End-lich“ geht durch die Reihen. Aber alles scheitert dann am sturen Nein des Vatikans. Es gibt allerdings auch immer wieder Bischöfe, die ein Überdenken der Lehre verlangen – in Belgien, der Schweiz, Südtirol, Berlin, Hamburg und Bamberg. Das Gleiche gilt für Äbte, allerdings verstärken sich solche Zeichen von Mut mit dem Erreichen des Ruhestandsalters. Wie Rom darauf reagiert zeigte sich in einer unbarmherzigen Strafaktion gegenüber dem be-liebten Burgenländischen Bischof Iby. Die Riege der Konservativen, die durch gezielte Bi-schofsernennungen systematisch gestärkt wird, sorgt dafür, dass nichts vorankommt.

Können wir mit den Bischöfen rechnen? Die Frage erhebt sich daher immer wieder und beschäftigt alle Reformbewegungen: Können wir mit den Bischöfen rechnen? Sollen wir sie weiter ansprechen, versuchen, sie zu bewegen und irgendwie für uns zu gewinnen? Die Antwort muss ernüchternd ausfallen. So sehr Be-harrlichkeit nötig ist und die Hoffnung nie aufgegeben werden darf, ist eine wirkliche Unter-stützung von hier nicht zu erwarten. Soweit es noch aufgeschlossene Bischöfe gibt, scheitern sie an den „Hardlinern“ ebenso wie an einem Papst, der stets betont, am ausschließlichen Ein-satz unverheirateter männlicher Priester sei nicht zu rütteln. Die Reformdiskussion verlagert sich daher geradezu zwangsläufig auf eine viel wesentlichere Ebene, nämlich die Aufgabe und Pflicht des bischöflichen Dienstes. Dieses Amt wurde von den Päpsten der jüngeren Kirchengeschichte systematisch abgewertet und durch eine ganz darauf ausgerichtete Personalpolitik in die Rolle von Außenstellen der römischen Zentrale gedrängt. Das auch vom Konzil bekräftigte Kollegialprinzip ist nur mehr eine Farce. Was in der Kirche geschieht, diktieren weltfremde Religionsbürokraten und ein von seinem Amt überforderter Papst. So wird die Zukunft der Kirche aufs Spiel gesetzt. Der Seelsorgenotstand wird immer ärger. Es ist einfach nicht mehr zu verstehen: Warum beu-gen sich vom – wie das Gesetz sagt – Heiligen Geist berufene Hirten dem Ungeist? Warum ist ihnen ein steriler und bedingungsloser „Gehorsam“ wichtiger als ihre Pflicht, den Niedergang der Kirche abzuwenden? Sie machen sich mitschuldig an der Zurückweisung wertvoller Beru-fungen, was der Tübinger Pastoraltheologe Ottmar Fuchs eine „strukturelle Todsünde“ nennt. Die sich aus dem allgemeinen Priestertum der Getauften ergebende Verantwortung muss uns veranlassen, diesem argen Misstand ganz energisch entgegenzutreten! Mit offenen Worten, deutlich, ohne falschen Respekt und überholtes Obrigkeitsdenken. Wir sind in dieser sehr ernsten Situation nicht Bittsteller, die sich um die Gnade des Gehörs zu bemühen haben. Würde uns dieses verweigert oder fruchtlos bleiben, sollte es keinen Grund mehr geben, auf jene zu hören, ja in Wahrheit gar keine Bischöfe des Volkes sondern kirchenpolitische Kom-missare Roms sind. Es bleibt den Reformkräften dann keine andere Wahl mehr, als eigenstän-dig und eigenverantwortlich alles selbst zu unternehmen, was unsere Kirche aus ihrer ver-hängnisvollen Umklammerung befreit und Wege in eine Zukunft lebendigen Glaubens öffnet.