kkkkkkkkkk - ksz.de · kkkkkkkkkk kkkkkkkkkk kkkkkkkkkk VON SEBASTIAN SASSE Ist die So ziale Mark...

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Holger Zaborowski. Foto: M. Cameran KOLUMNE Ethik des Transfers, Transfer der Ethik VON HOLGER ZABOROWSKI Gerade in der Tradition, die sich auf Hum- boldt beruft, ist die Einheit von Forschung und Lehre immer stark betont worden. An Universitäten erforschen Wissenschaftle- rinnen und Wissenschaftler die Wirklich- keit und vermitteln ihr neues Wissen einer jüngeren Generation von Studierenden. Forschend wird gelehrt und lehrend ge- forscht. Seit einiger Zeit stellt sich den Hochschulen und Universitäten eine dritte Aufgabe. Man spricht von einer „third mission“, die im Transfer, in der Anwen- dung von Wissen und seiner Übertragung in die Welt der Praxis liege. Man mag kri- tisch dagegen einwenden, dass dies nicht so neu sei, wie es klingt. Gewiss, es gibt den Gelehrten, der in einem vermeintlich weltfernen Elfenbeinturm Fragen nach- geht, die sich der praktischen Relevanz zu entziehen scheinen. Es muss auch diesen Gelehrtentypus geben – nicht nur, weil die Wissenschaft zunächst einmal der Wahr- heit und nicht der Praxis zu dienen hat, sondern auch, weil man nie sagen kann, welche Bedeutung bestimmte Forschungen mittel- oder langfristig für die Praxis haben. Aber es hat immer schon Wissen- schaftler gegeben, deren Forschung in einem engen Verhältnis zum wirtschaft- lichen, gesellschaftlichen oder auch kirch- lichen Leben stand. Praxisbezug ist für die Wissenschaft nichts Neues. Was neu ist, ist die Emphase, mit der von den Wissen- schaften Transfer gefordert wird – manch- mal sogar so, als hänge die Existenzbe- rechtigung von Hochschulen und Univer- sitäten von ihrem Praxistransfer ab. Im Vordergrund stehe dabei zumeist der Transfer in die Wirtschaft. An vielen Hochschulstandorten gibt es eigene Pro- gramme, die den Dialog zwischen Wissen- schaft und Wirtschaft fördern. Darin lie- gen große Chancen – nicht nur für die be- teiligten wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen, sondern auch für die Regionen. Studierende können schon früh Kontakt mit der Arbeitswelt aufnehmen – und umgekehrt Arbeitgeber mögliche zu- künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennen lernen. Drittmittel erlauben uni- versitäre Schwerpunkte, die es allein mit staatlicher Finanzierung gar nicht gäbe. Firmen können Ideen umsetzen und neue Produkte entwickeln. Viele der Regionen, in denen der Kontakt zwischen Wissen- schaft und Wirtschaft besonders intensiv ist, gehören zu dem „Boom“-Regionen mit besonders attraktiven Lebensverhältnissen. Gerade aus der Wirtschaft heraus hört man vermehrt auch den Ruf nach ethi- scher Orientierung. Man verfügt über hoch spezialisierte Experten, verspürt aber De- fizite angesichts der ethischen Bewertung dessen, was man unternehmen kann. Tra- ditionelle Konzepte wie jene des „ehrba- ren Kaufmanns“ stoßen angesichts gegen- wärtiger Herausforderungen, Chancen und Risiken an Grenzen. Sie erweisen sich nicht einfach als falsch, aber als ergän- zungsbedürftig. Sie müssen in die Wirk- lichkeit des 21. Jahrhunderts übersetzt werden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: der rasante Fortschritt in der Tech- nik im Allgemeinen, die Globalisierung und insbesondere die Digitalisierung haben die Welt radikal verändert. Worin liegt heute die „Ehrbarkeit“ des Kauf- manns? In welchen Bereichen sind Inno- vationen und Investitionen dringend ge- boten – vielleicht sogar aus moralischer Sicht? In welchen Tätigkeitsfeldern sollten eher Vorsicht und Skepsis walten? Welche Verantwortung hat der Wissenschaftler, wenn er mit dem Transfer neuer Erkennt- nisse befasst ist oder vielleicht selbst als Gründer tätig wird? Benötigt wird daher eine Ethik des Trans- fers – und zugleich ein Transfer der Ethik, also eine Übertragung der ethischen Re- flexion in die Welt der Praxis. Denn Transfer ohne ethisches Fundament kann gefährlich werden. Gerade in den techni- schen und naturwissenschaftlichen Fä- chern sollte daher vom ersten Semester an ein „Studium morale“ eine wichtige Rolle spielen – und zwar nicht allein im Sinne einer auf Einzelfälle bezogenen „ange- wandten Ethik“, sondern als grundlegende Reflexion auf die Freiheit, die Verantwor- tung und die Würde des Menschen, auf das individuelle Glück und das Gemein- wohl und auch auf jene Grenzen, in deren Anerkennung sich wahre Humanität zeigt. Der Autor ist Professor für Geschich- te der Philosophie und philosophi- sche Ethik an der Philosophisch-Theo- logischen Hochschule Vallendar und seit 2017 Rektor der Hochschule. Die Kolumne erscheint in Koopera- tion mit der Katholischen Sozialwis- senschaftlichen Zentralstelle in Mön- chengladbach.

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einer auf Einzelfälle bezogenen „ange-

Der Autor ist Professor für Geschich-te der Philosophie und philosophi-sche Ethik an der Philosophisch-Theo-logischen Hochschule Vallendar undseit 2017 Rektor der Hochschule.

Die Kolumne erscheint in Koopera-tion mit der Katholischen Sozialwis-senschaftlichen Zentralstelle in Mön-chengladbach.

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Marktüberblick

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Gelehrtentypus geben – nicht nur, weil dieWissenschaft zunächst einmal der Wahr-heit und nicht der Praxis zu dienen hat,sondern auch, weil man nie sagen kann,welche Bedeutung bestimmte Forschungenmittel- oder langfristig für die Praxishaben. Aber es hat immer schon Wissen-schaftler gegeben, deren Forschung ineinem engen Verhältnis zum wirtschaft-lichen, gesellschaftlichen oder auch kirch-lichen Leben stand. Praxisbezug ist für dieWissenschaft nichts Neues. Was neu ist, istdie Emphase, mit der von den Wissen-schaften Transfer gefordert wird – manch-mal sogar so, als hänge die Existenzbe-rechtigung von Hochschulen und Univer-sitäten von ihrem Praxistransfer ab.

KOLUMNE

Ethik des TransfTransfer der EthV O N H O L G E R Z A B O R O W S K I

Gerade in der Tradition, die sich auf Hum-boldt beruft, ist die Einheit von Forschungund Lehre immer stark betont worden. AnUniversitäten erforschen Wissenschaftle-rinnen und Wissenschaftler die Wirklich-keit und vermitteln ihr neues Wissen einerjüngeren Generation von Studierenden.Forschend wird gelehrt und lehrend ge-forscht. Seit einiger Zeit stellt sich denHochschulen und Universitäten eine dritteAufgabe. Man spricht von einer „thirdmission“, die im Transfer, in der Anwen-dung von Wissen und seiner Übertragungin die Welt der Praxis liege. Man mag kri-tisch dagegen einwenden, dass dies nichtso neu sei, wie es klingt. Gewiss, es gibtden Gelehrten, der in einem vermeintlichweltfernen Elfenbeinturm Fragen nach-geht, die sich der praktischen Relevanz zu

ie Tagespost ñ29. November 2018

ers,ikKontakt mit der Arbeitswelt aufnehmen –und umgekehrt Arbeitgeber mögliche zu-künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterkennen lernen. Drittmittel erlauben uni-versitäre Schwerpunkte, die es allein mitstaatlicher Finanzierung gar nicht gäbe.Firmen können Ideen umsetzen und neueProdukte entwickeln. Viele der Regionen,in denen der Kontakt zwischen Wissen-schaft und Wirtschaft besonders intensivist, gehören zu dem „Boom“-Regionen mitbesonders attraktiven Lebensverhältnissen.Gerade aus der Wirtschaft heraus hörtman vermehrt auch den Ruf nach ethi-scher Orientierung. Man verfügt über hochspezialisierte Experten, verspürt aber De-fizite angesichts der ethischen Bewertungdessen, was man unternehmen kann. Tra-ditionelle Konzepte wie jene des „ehrba-ren Kaufmanns“ stoßen angesichts gegen-wärtiger Herausforderungen, Chancen undRisiken an Grenzen. Sie erweisen sichnicht einfach als falsch, aber als ergän-zungsbedürftig. Sie müssen in die Wirk-lichkeit des 21. Jahrhunderts übersetztwerden. Die Gründe dafür liegen auf derHand: der rasante Fortschritt in der Tech-nik im Allgemeinen, die Globalisierungund insbesondere die Digitalisierunghaben die Welt radikal verändert. Worinliegt heute die „Ehrbarkeit“ des Kauf-manns? In welchen Bereichen sind Inno-vationen und Investitionen dringend ge-boten – vielleicht sogar aus moralischerSicht? In welchen Tätigkeitsfeldern sollteneher Vorsicht und Skepsis walten? WelcheVerantwortung hat der Wissenschaftler,wenn er mit dem Transfer neuer Erkennt-nisse befasst ist oder vielleicht selbst alsGründer tätig wird?Benötigt wird daher eine Ethik des Trans-fers – und zugleich ein Transfer der Ethik,also eine Übertragung der ethischen Re-flexion in die Welt der Praxis. DennTransfer ohne ethisches Fundament kanngefährlich werden. Gerade in den techni-schen und naturwissenschaftlichen Fä-chern sollte daher vom ersten Semester anein „Studium morale“ eine wichtige Rollespielen – und zwar nicht allein im Sinne

wandten Ethik“, sondern als grundlegendeReflexion auf die Freiheit, die Verantwor-tung und die Würde des Menschen, aufdas individuelle Glück und das Gemein-wohl und auch auf jene Grenzen, in derenAnerkennung sich wahre Humanität zeigt.

Holger Zaborowski. Foto: M. Cameran

Im Vordergrund stehe dabei zumeist derTransfer in die Wirtschaft. An vielenHochschulstandorten gibt es eigene Pro-gramme, die den Dialog zwischen Wissen-schaft und Wirtschaft fördern. Darin lie-gen große Chancen – nicht nur für die be-teiligten wissenschaftlichen Einrichtungenund Unternehmen, sondern auch für dieRegionen. Studierende können schon früh

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Ist die Soziale Marktwirtschaft mause-tot? Bei den traditionellen Buß- und Bett-tagsgesprächen des Institutes für Gesell-schaftswissenschaften ging es dieses Malums Eingemachte: Ein Jubiläumsjahr liegthinter, 1948 setzte Ludwig Erhard mit derWährungsreform