Klassiker sehen - Filme verstehen - Mythos Western · 2019. 3. 6. · Das Ende der Wild-West-Zeit...

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Mythos Western „Klassiker sehen - Filme verstehen“ ist eine Veranstaltungsreihe der Deutschen Filmakademie und der Bundeszentrale für politische Bildung, gefördert durch die Peter Ustinov Stiftung.

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  • Mythos Western

    „Klassiker sehen - F ilme vers tehen“ is t eine Veranstaltungsreihe der Deutschen Filmakademie und der Bundeszentrale für polit ische Bildung , geförder t durch die Peter Ustinov Sti f tung.

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    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT

    Inhaltsverzeichnis

    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT Zum Programm „Mythos Western“ ................................................................................03

    I. VOR DEM SCREENING Hinweise für Lehrende .....................................................................................................06

    Vorbereitungstipps für Lehrende ...................................................................................07

    Western - Historisch gesehen ........................................................................................08

    Das Western-Genre: Zentrale Elemente, Erzählungen und Figuren ..........................11

    Western in der Filmgeschichte ........................................................................................14

    Die Regisseure des Double Features .............................................................................19

    II. SCREENINGHinweise für Coaches und Lehrende ..............................................................................24

    HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS) ..............................................................................25

    UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS) ..................................................................................32

    Zum Filmgespräch .............................................................................................................39

    III. NACH DEM SCREENINGHinweise für Lehrende ......................................................................................................42

    Bezugsfilme ........................................................................................................................43

    Arbeitsblätter .....................................................................................................................48

    IV. LINKSAMMLUNG UND LITERATURHINWWEISEVorbereitungstipps für Schüler/innen ............................................................................61

    Weiterführende Literatur und Filme ...............................................................................62

    V. IMPRESSUM ......................................................................................................................63

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    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT

    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT Filme spielen eine wesentliche Rolle im Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen, sie beeinflussen massiv ihre Sicht auf die eigene Erlebniswelt.

    Zu einer umfassenden Filmbildung gehört die Beschäftigung mit der Filmgeschichte, um neuere Filme de-kodieren und das tiefere Verständnis dieser Kunstform durchdringen zu können.

    Mit der Reihe „Klassiker sehen – Filme verstehen“ will die Deutsche Filmakademie in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung die Begegnung von Jugendlichen mit Klassikern initiieren und nach-haltig fördern.

    Zum Programm „Mythos Western“

    Der Westernfilm, kurz „Western“ genannt, ist ein Filmgenre, das sich seit Beginn der Filmgeschichte stetig gewandelt hat. Der Western verkörpert den Mythos, wie US-amerikanische Kultur und Geschichte ent-standen sind, und beeinflusst damit nicht nur das eigene Selbstverständnis der Vereinigten Staaten, sondern auch die Art und Weise, wie die USA außerhalb ihrer Grenzen wahrgenommen und verstanden werden. Das Western-Genre hatte seine Blütezeit in den 1940er- und 1950er-Jahren, Dekaden in denen Tausende von Westernfilmen entstanden.

    Es gibt wohl kaum einen männlichen Hollywoodstar jener Zeit – man denke etwa an Gary Cooper, James Stewart, John Wayne, Henry Fonda oder Clint Eastwood –, der nicht zumindest in einem Western mitge-wirkt hat. Heute spielen Western in der aktuellen Filmproduktion und -rezeption keine wichtige Rolle mehr. Für Schüler/innen, die im Gegensatz zu früheren Generationen womöglich noch nie einen Western gesehen haben, ist die Beschäftigung mit der inhaltlichen, qualitativen und quantitativen Veränderung des Genres von Interesse, da sie mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen und auch mit der Veränderung der Medienrezeption zusammenfallen. Geschichte (filmhistorisch und historisch) lässt sich mit dem Wandel des Genres in seinen wichtigsten Facetten gut begreiflich machen. Diesen Wandel des Genres verdeutlicht das Double Feature anhand eines Filmbeispiels aus der Hochblüte des Westernfilms sowie anhand eines Spätwesterns

    HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS, USA 1952, R: Fred Zinnemann) ist ein Western mit genreklassischen Elementen und Erzählstrukturen, der zwar psychologisch-kritische Elemente besitzt, den Western- Mythos jedoch nicht grundlegend in Frage stellt.

    UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS, USA 1992, R: Clint Eastwood) ist ein Spätwestern, der die Legenden des Western-Mythos kritisch analysiert und ihre (historische) Fragwürdigkeit deutlich aufzeigt.

    Beide Filme zeigen beispielhaft, wie sich trotz ähnlicher Schauplätze, Motivik und Figurenkonstellationen ein Filmgenre formal sowie in Bezug auf seine inhaltliche Aussage verändert hat. Genaueres dazu findet sich in den vorbereitenden Texten (I. VOR DEM SCREENING, S. 6-23) und zu den einzelnen Filmen (II. SCREENING, S. 24-41).

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    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT

    Alterseignung ab Klasse 9, ab 14 Jahre (der zweite Film des Double Features ist ab 16 Jahren, Hinweis zur Altersfreigabe auf Seite 24)

    Fächer Deutsch − Englisch − Geschichte – Sozialkunde – Politik − Ethik − Religion − Lebenskunde − Kunst − Musik − Darstellendes Spiel

    Deutsch > Beschreibung von Szenenvergleichen > Das Kennenlernen und Verstehen von Filmdramaturgie im Vergleich zu Theater oder Literatur > Kennenlernen bzw. Vertiefen filmimmanenter Gestaltungsmittel > unterschiedliche Darstellungsformen einer inhaltlich verwandten Geschichte > Figurenanalysen und Vergleich unterschiedlicher Gestaltungs- und Darstellungsformen im klassischen Western und im Spätwestern

    > Kennenlernen und Einordnen von Filmen in die Filmgeschichte > Vergleich mit anderen themenähnlichen Filmen > Verschriftlichung von Inhalten in unterschiedlichen Text- und Bildformen (Exposé, Inhaltsangabe, Storyboard mit Textelementen)

    > Sekundärtexte lesen und deuten > Texte recherchieren und bewerten > Eigene Texte in unterschiedlicher Form (Dialogszenen, Tagebucheinträge etc.) erstellen > Vorträge erarbeiten, üben und gestalten

    Englisch > Sprach- und Hörverständnis üben und verbessern > Bedeutung des Originaltons im Vergleich zur Synchronisation erfahren > eigene Texte in unterschiedlicher Form (Dialogszenen, Tagebucheinträge etc.) erstellen > Vorträge erarbeiten, üben und gestalten > Kennenlernen und Einordnen der US-amerikanischen und deutschen Filmgeschichte

    Geschichte, Sozialkunde, Politik > Die historische „Gründerzeit des Wilden Westens“ der USA kennenlernen und historische Realität und Mystifizierung in Beziehung zueinander setzen

    > Einordnen der Filme in die Filmgeschichte und mit der historischen Entstehungszeit in Verbindung setzen können

    > Die USA zur Zeit der McCarthy-Ära und deren Auswirkungen auf Kultur und Gesellschaft kennenlernen

    Ethik, Religion, Lebenskunde > Männer- und Frauenfiguren in Westernfilmen in Bezug auf Charakterisierung, dramaturgische Funktion und Rollenbilder beschreiben und analysieren

    > Moralische Wertung (Gut-Böse-Schema) im Western kennenlernen und diskutieren

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    EINFÜHRUNG IN DAS PROJEKT

    Musik > Für den Western spezifische Formen von Filmmusik kennenlernen und ihre Wirkungsweise beschreiben > Musikalische Leitmotive als Gestaltungsmittel kennenlernen und ihre Wirkungsweise beschreibenund deuten

    Kunst, Darstellendes Spiel > Kennenlernen und Beschreiben visueller Gestaltungsmittel > Spezifische Ästhetik von Western und ihrer Motivik verstehen und in eigenen kreativen Arbeitenumsetzen

    > Bild- und Farbästhetik bzw. Licht- und Schattenführung im Schwarz-Weiß-Film im Zusammenhangmit dem Western-Genre filmgeschichtlich und ästhetisch einordnen

    > Herstellen eigener bildnerischer Arbeiten (Bilder, Skizzen, Storyboards, Collagen) > Herstellen eigener Kurzfilme (thematisch gebunden) > Kennenlernen und Beschreiben unterschiedlicher Rollendarstellungen (Männer, Frauen, guteund böse Charaktere) und Darstellungsstile (Vergleich Stummfilm/Tonfilm)

    > Einüben und präsentieren eigener thematisch verwandter Szenen

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    I. VOR DEM SCREENING

    Hinweise für Lehrende

    Western kennen viele Schüler/innen nur vom Hörensagen. Wenn sie mit diesem umfangreichen, kommerziell und filmgeschichtlich sehr erfolgreichen Genre konfrontiert werden, ist das Interesse jedoch meist schnell geweckt. Die Struktur der Westernfilme, die sich – je nach zeitlicher Verortung der einzelnen Werke – in vereinfachter oder auch vielschichtiger Form mit den Konzepten Gut und Böse und deren moralischen und gesellschaftlichen Konnotationen beschäftigt, dient dazu, junge Menschen über eigene Vorstellungen von Recht oder Unrecht zur Diskussion anzuregen.

    Durch den – auch im Westernfilm – ständig ausgefochtenen Kampf zwischen Gut und Böse legitimiert sich unter anderem das US-amerikanische Bild eines Freiheitsverständnisses, das die territoriale und ge-sellschaftsbeherrschende Dominanz in den Mittelpunkt stellt. Diese Mystifizierung der amerikanischen Geschichte von der Besiedelung des westlichen Kontinents schuf dabei ein Männerbild des sich selbst und die Gesellschaft beschützenden Helden, der sich, vom Gesetz legitimiert, moralisch verpflichtet fühlt, zur Waffe zu greifen.

    Im Zusammenhang mit ihrem kulturellen Erbe, zu dem der Western gehört, und der Legitimation durch ihre Verfassung haben die US-Amerikaner ein anderes Verständnis vom Waffenbesitz in Privathaushalten als zum Beispiel die Europäer.

    In der Zusammenschau des klassischen Westerns ZWÖLF UHR MITTAGS und des Spätwesterns ERBARMUNGSLOS werden die Schüler/innen erfahren, wie sich diese genretypischen Themen in der Filmgeschichte verändert haben. Veranschaulicht wird dies durch zahlreiche Belegfilme, vor allem Western aus der dramatischen Westernphase der 1940er-Jahre bis zu den Neo-Western dieses Jahr-tausends. Diese Filmübersicht erhalten die Jugendlichen im dritten Teil des Programms (siehe dazu III. NACH DEM SCREENING). Anhand von Arbeitsblättern zu den einzelnen Bezugsfilmen können sie allein oder in Gruppenarbeit ihr Wissen kreativ vertiefen.

    Ausgewählt wurden dafür US-amerikanische und europäische Western unterschiedlicher Machart sowie weitere Filme von Fred Zinnemann und Clint Eastwood. Eine populäre US-amerikanische Fernsehserie rundet das Programm ab.

    Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses Programms liegen beim Western als Filmgenre und seinen histori-schen Wurzeln, bei seiner genretypischen Motivik sowie der Entwicklung des Western in der Film-geschichte mit Beispielen von Regisseuren wie etwa John Ford, Howard Hawks und Sergio Leone.

    Entsprechende Informationen zu den Schwerpunkten sowie Fragen und Aufgaben finden sich in allen drei Teilen des Programms.

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Vorbereitungstipps für Lehrende

    Der erste Teil der Materialien I. VOR DEM SCREENING bietet Kompaktinformationen zum historischen und inhaltlichen Hintergrund des Western-Genres sowie zu Western aus verschiedenen Jahrzehnten der Filmgeschichte (vom Beginn der Stummfilmzeit bis zur Gegenwart). Neben diesen filmanalytischen Schwerpunkten wird hier ein Überblick über Leben und Werk der Regisseure Fred Zinnemann und Clint Eastwood gegeben.

    Darüber hinaus finden Sie im Vorbereitungsteil nach den einzelnen Kapiteln sowie in der IV. LINKSAMM-LUNG & LITERATURHINWEISE Links, die zur thematischen Motivation und Anregung dienen. Die Vorberei-tungstexte sowie die Linkliste (Teil I. VOR DEM SCREENING) sind zur Weitergabe an die Schüler/innen gedacht, können aber auch von den Lehrenden genutzt werden, die sich über die Kompaktinformationen hinaus mit der Thematik befassen möchten. Je nach Lerngruppe empfehlen sich alternativ folgende Heran-gehensweisen:

    a.) Sie vermitteln den Schüler/innen die Kompaktinformationen selbst in einem Vortrag, verknüpfen die Vorinformationen mit anschließendem Unterrichtsgespräch und geben den Schüler/innen die Links und Materialien (siehe dazu Vorbereitung für Schüler/innen) zur Vertiefung in Eigenbeschäftigung.

    b.) Die Schüler/innen erhalten die Informationsmaterialien sowie die Vorbereitungstipps zum eigenen Studium und stellen ihre Ergebnisse in Kurzreferaten der Gesamtgruppe vor.

    c.) Sie kombinieren beide Varianten. Die methodische Gewichtung ist dabei Ermessenssache, die je nach Lernvoraussetzungen erfolgt. Sie können bei dieser Variante auch zusätzlich Filmaus schnitte (siehe LINKLISTE oder – sofern vorhanden – eigene DVDs mit Western oder Filmen von Fred Zinnemann oder Clint Eastwood in Auszügen) einsetzen.

    Welche Variante Sie dabei bevorzugen, bleibt Ihre Wahl. Wichtig ist, dass die Schüler/innen vor dem Kinobesuch grundlegende Fakten zum Western-Genre kennenlernen, die Western zeitlich und produktions technisch einordnen können sowie Grundinformationen zu den beiden Regisseuren wie auch zu den zwei Hauptfilmen des Double Features erhalten haben.

    Begleitmaterialien als Grundlage Im thematischen Zusammenhang mit Filmgeschichte und zu den Grundbegriffen der Filmsprache, vor allem der Bildgestaltung, gibt es verschiedene Werke zur Filmanalyse (siehe LITERATURLISTE).

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Western – Historisch gesehen

    Den Stoff für den klassischen Western liefern wichtige Abschnitte der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika – von der Landnahme und Besiedelung des amerikanischen Westens (der Pionierzeit) bis zur Zivilisation und industriellen Urbanisierung des Landes.

    Ein Großteil der Western spielt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als aus ersten Siedlungen in der Wildnis Dörfer und schließlich Städte wurden. Der sogenannte „Wilde Westen“ kann geografisch grob auf die westlich des Mississippi gelegenen Gebiete eingegrenzt werden.

    Das Leben an der sogenannten frontier, dem Grenzland zwischen der Wildnis und der Zivilisation, ver-änderte sich am stärksten zwischen 1865, nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865), und 1890, als die Landnahme vorangetrieben wurde und in diesem Zusammenhang auch eine Eisenbahn-linie quer durch die Bundesstaaten von Ost nach West gebaut wurde.

    Das Ende der Wild-West-Zeit wird auf 1890 datiert, als fast alle – hauptsächlich von Angloamerikanern und europäischen Einwanderern/innen – eroberten Territorien in die Union der Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen wurden.

    Die Population der amerikanischen Ureinwohner/innen, der Indianer/innen, war durch Kriege und Krank-heiten geschrumpft und die Überlebenden wurden in Reservate abgeschoben. Nach einer Volkszählung im Jahre 1890 wurde beschlossen, dass der Kontinent endgültig besiedelt war und es damit offiziell keine frontier und keine Indianerterritorien mehr gab.

    > Studio Canal / Deutsches Filminstitut, Frankfurt

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    DIE GESCHICHTE VON DER BESIEDELUNG DES WESTENSIn den Westernfilmen werden diese verschiedenen Etappen der Eroberung und Besiedelung des „Wilden Westens“ thematisiert. Die Darstellungen gehen von der Erschließung des Landes durch Viehtreiber (RED RIVER, USA 1948, R: Howard Hawks) und Postkutschen (STAGECOACH (RINGO/HÖLLENFAHRT NACH SAN-TA FÉ), USA 1939, R: John Ford) bis zum Bau der Eisenbahnschienen in UNION PACIFIC (DIE FRAU GEHÖRT MIR!, USA 1939, R: Cecil B. DeMille) und C’ERA UNA VOLTA IL WEST (SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD, I/USA 1968, R: Sergio Leone). Bei der Besiedlung und der darauf folgenden Verteidigung der Ländereien wird ständig gekämpft, gegen Outlaws, Nachzügler/innen, Großrancher und vor allem gegen die Indianer/in-nen (siehe dazu Western in der Filmgeschichte, S. 14 ff).

    Eine filmisch recht umfassende Darstellung der Geschichte von der Besiedlung des amerikanischen Wes-tens ist die aufwendige Großproduktion HOW THE WEST WAS WON (DAS WAR DER WILDE WESTEN, USA 1962, R: John Ford, Henry Hathaway, George Marshal), die anhand der fiktiven Geschichte der Einwanderer-familie Prescott in fünf Episoden zentrale historische Begebenheiten schildert:

    „Der Fluss“ (Die 1830er-Jahre: In dieser Episode beschließt die Familie, vom Osten Nordamerikas über Wasser- und Landwege in den Westen zu ziehen, um dort ihr Glück zu machen), „Der Planwagen“ (die 1850er-Jahre: Ankunft im Westen, in der die Überlebenden zunächst aber noch in einem Planwagen leben), „Der Bürgerkrieg“ (1861-1865, eine durch den Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten bedingte historische Zäsur, die Teile der Familie nicht überleben oder erneut in andere Orte bringt), „Die Eisen-bahn“ (1860er-Jahre: der Bau der transkontinentalen Eisenbahnlinie, in der die Entfernungen des Landes relativiert werden und eine Verbindung zwischen den verstreut lebenden Familienmitgliedern möglich wird) und „Die Desperados“ (die 1880er-Jahre: Verwurzelung im Westen – die verschiedenen Generationen der Familie kommen zusammen und ziehen gemeinsam auf eine Farm in Arizona).

    Darstellung der Indianer/innenEin in diesem Zusammenhang wichtiges historisches Thema wurde vor allem in den frühen und klassi-schen Western bis 1960 meist verklärt und noch bis in die 1970er-Jahre überwiegend aus Sicht der weißen US-Bevölkerung dargestellt: die Vertreibung der amerikanischen Ureinwohner/innen und damit einhergehend der Völkermord an ihnen. So wurden die Indianer/innen in den Filmen überwiegend als Inbegriff des Bösen und von Natur aus Wilde dargestellt. Sie wurden somit zu einer ständigen Bedrohung stilisiert, die die – zumeist positiv gezeichneten – weißen Siedler/innen im Namen der Zivilisation auf ihren Weg in den Westen bekämpfen und vernichten mussten.

    Diese Zuschreibungen erfolgten im Sinne einer nachträglichen Rechtfertigung der grausamen Kriege gegen die indigene Bevölkerung, die aus ihren Gebieten vertrieben wurden oder ihr Land im Zuge von kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Weißen verloren.

    Tiefergehende Einblicke in die Geschichte und Kultur der indigenen Völker Nordamerikas geben diese Western in der Regel nicht. Nur wenige Filme stellten in den 1950er- und 1960er-Jahren indianische Helden in den Mittelpunkt und erlaubten einen anderen Blick auf die Indianer/innen. Meist waren sie dann tragische Figuren, die zwischen beiden Kulturen hin- und hergerissen sind und an dem Konflikt scheiterten.

    Erst in den späteren Western wie CHEYENNE AUTUMN (CHEYENNE, USA 1964, R: John Ford), LITTLE BIG MAN (USA 1970, R: Arthur Penn) und DANCES WITH WOLVES (DER MIT DEM WOLF TANZT, USA 1990, R: Kevin Costner) wurde die historische Falschdarstellung etwas revidiert.

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    EntmythologisierungVor allem in Westernfilmen, die nach 1960 entstanden sind, geht es zwar in der Regel auch um die Themen der Landnahme und Eroberung. Sie spielen jedoch nicht nur im Grenzgebiet der frontier, sondern auch in Mexiko, im Nord- oder Südosten der USA, in Alaska, in Kanada oder in Europa.

    Ein Beispiel hierfür ist der satirische Western VIVA MARIA! (F/I 1965, R: Louis Malle, mit Brigitte Bardot und Jeanne Moreau in den Hauptrollen), der in einem fiktiven mittelamerikanischen Land spielt oder DAS FINSTERE TAL (A/D, 2014, R: Andreas Prochaska), der in einem Alpendorf angesiedelt ist. Die Hand-lung der meisten Western ist auch hierbei zeitlich überwiegend auf den oben erwähnten historischen Zeitraum begrenzt, einige Werke neueren Datums verlegen ihre Geschichte aber auch in die Gegenwart des 20. Jahrhunderts.

    Beispiele hierfür sind WESTWORLD (USA 1973, R: Michael Crichton) und BROKEBACK MOUNTAIN (USA, CDN 2005, R: Ang Lee). Diese Werke tragen zur räumlichen und zeitlichen Entmythologisierung der Eroberungs- und Besiedlungsgeschichte des nordamerikanischen Westens bei und hinterfragen die bis in die 1960er-Jahre akzeptierte Verklärung des Wilden Westens sowie die Zuweisung von Helden- und Feindbildern.

    Bei der Rezeption von Westernfilmen muss man sich vor Augen halten, dass sie zwar einen historischen Hintergrund haben, aber eine fiktive Realität widerspiegeln, die eher einem Mythos als einer geschichtlich akkuraten Darstellung gleichkommt. Fakten, Legenden und frei erfundene Geschichten sind dabei häufig ineinander verwoben.

    Das Western-Genre beschreibt somit weniger einen festgelegten Raum oder historische Tatsachen als vielmehr eine atmosphärische Vorstellung von Menschen an der Grenze zur Wildnis

    Zum Weiterlesen und Schauen > Wilder Westen: http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.html

    > Fernsehdokumentationen über den Wilden Westen: http://www.youtube.com/watch?v=s1r8CjTJR8Q (Terra X - Faszination Erde - Der Wilde Westen)

    > http://www.youtube.com/watch?v=j6Elv1mdnCs (mehrteilige Dokumentation)

    > Amerikanischer Bürgerkrieg: http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buerger-krieg-und-sklaverei?p=all (über den amerikanischen Bürgerkrieg)

    http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.htmlhttp://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.htmlhttps://www.youtube.com/watch?v=s1r8CjTJR8Qhttps://www.youtube.com/watch?v=j6Elv1mdnCshttp://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buergerkrieg-und-sklaverei?p=allhttp://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buergerkrieg-und-sklaverei?p=all

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Das Western-Genre: Zentrale Elemente, Erzählungen und Figuren

    Heutzutage machen Western nur einen sehr kleinen Teil der Filmproduktion und -rezeption aus. Viele Jahrzehnte lang – von den 1910er- bis in die frühen 1960er-Jahre – war dieses Genre jedoch eines der zentralen Genres der US-amerikanischen Filmproduktion und damit auch des Weltfilmmarkts. In diesem Zeitraum waren mindestens ein Fünftel der gedrehten Filme Western. Kein anderes Genre nahm über einen so langen Zeitraum eine derart gewichtige filmgeschichtliche Rolle ein (vgl. Edward Buscombe: 100 Westerns (BFI Screen Guides), British Film Institute, London 2006).

    Ein Filmgenre bezeichnet eine Gruppe von Filmen, die unter einem oder mehreren spezifi-schen Aspekten Gemeinsamkeiten aufweisen. Das kann eine bestimmte Erzählform oder eine Grundstimmung in Bezug auf Handlung, Handlungszeitraum oder Handlungsort sein. Genres unterliegen trotz stabiler Grundschemata historischen Wandlungen. Innerhalb eines Films kann es auch zur Überschneidung von Filmgenres kommen. DUEL IN THE SUN (DUELL IN DER SONNE, USA 1946, R: King Vidor) ist beispielsweise zugleich ein Western und ein Liebesdrama.

    Subgenres findet man häufig vermehrt in einer Filmepoche wieder und manche Filmgenres lassen sich auch bestimmten Filmstilen zuordnen – und umgekehrt. So findet man beim Musical hauptsächlich Komödien und in den düsteren Film noirs werden Kriminalgeschichten abgehandelt und keine heiteren Familiengeschichten.

    Filmschaffende und Filmwissenschaftler/innen teilen Genres häufig unterschiedlich ein, in der Grundtendenz gibt es jedoch eine Übereinkunft. So wird der Genrebegriff nicht auf die übergeordneten Gattungen des Films verwandt.

    Zu den Hauptgattungen gehören u.a. Spielfilm, Dokumentarfilm, Experimentalfilm, Nach-richtenfilm, Werbefilm und Propagandafilm. Besondere technische Merkmale (wie Stumm-film, Schwarz-Weiß-Film oder 3D-Film), werden gleichfalls nicht den Genrebezeichnungen zugeordnet. Auch die Länge von Filmen (beispielsweise der Kurzfilm) oder die Zielgruppe (beispielsweise Kinder oder Jugendliche) decken sich nicht in allen Übersichten mit dem engeren Begriff des Genres.

    (Vgl.: Martin Ganguly: Filmanalyse, Stuttgart/Leipzig 2011, S. 12)

    Der Western ist ein Genre der Bewegung – galoppierende Pferde, Verfolgungsjagden, Prügeleien und Schießereien sind dabei wichtige Elemente. Die Geschichten, die in Westernfilmen erzählt werden, weisen jeweils ähnliche Muster auf, die im Lauf der Filmgeschichte zunehmend vielschichtiger und auch kritischer durchdacht wurden. In der umfangreichen Sekundärliteratur gibt es unterschiedliche Darstellungen, welche Erzählungen im Mittelpunkt des Genres stehen.

    Die Filmwissenschaftler Bernd Kiefer und Norbert Grob sehen neun zentrale Erzählstrukturen: „Entdeckung neuer Grenzen“, „Krieg gegen die Indianer“, „Prozess der Zivilisierung“, Strafverfolgung und Rache“, „Zweite Beruhigung der Städte (town tamer stories)“, „Aufbruch in die Wildnis“, „Indianer-abenteuer“, „Verfall einer Gründerdynastie“ und „Legendenbildung“ (Vgl.: Norbert Grob/Bernd Kiefer (Hrsg.): Filmgenres – Western, Reclam, Stuttgart 2003, S. 22ff.).

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Man kann den Western auch in Subgenres einteilen, die entweder den erzählerischen Inhalt (Indianer-filme, Kavallerie-Western oder Musikalischer Western), das Herstellungsland (Italo-Western, DEFA-Wes-tern), die literarische Vorlage (Karl-May-Western) oder die filmgeschichtliche Einordnung (Neo-Western) in den Mittelpunkt stellen.

    Helden, Anti-Helden – Männer und Frauen im WesternNeben dem historischen und inhaltlichen Bezug sind die Figuren im Western von zentraler Bedeutung. Sie sind meist in Gut oder Böse klassifiziert. In frühen Western bis ungefähr 1950 war die Einteilung ganz klar abgegrenzt und bereits am Äußeren erkennbar: Häufig tragen positiv besetzte Charaktere helle Hüte, ein wichtiges Accessoire im Wilden Westen, und Kleidung, wohingegen die bösen Charaktere in dunklen Farben auftreten oder, wie die Indianer/innen, eine dunklere Hautfarbe haben.

    Mit der zunehmenden Psychologisierung des Westerns, vor allem in den Western nach 1960 verschwimmen diese Grenzen: Die Helden/innen sind meist nicht mehr reine Lichtgestalten, sondern haben auch ihre dunklen Seiten.

    Zu den positiv besetzten Figuren zählt der „Westerner“, ein ungebundener Mann mit festen Prinzipien, der sich für das Gute, für die Unterdrückten und Wehrlosen einsetzt, und nach getaner Arbeit wieder seine eigenen Wege geht. Meist löst er als Protagonist Konflikte, ohne dabei viel Worte zu verlieren, und erledigt seine Aufgabe bis zum Schluss – häufig einer letzten Schießerei, dem Showdown, im Western shootout genannt. Er verkörpert damit auch das amerikanische Ideal von Individualismus. Und er ist ein Held, der in letzter Konsequenz auch Waffengewalt einsetzt und diese legitimiert, um „den Guten“ zum Sieg zu verhelfen. Der Westerner bewegt sich innerhalb der frontier.

    Die Zerrissenheit zwischen der Gemeinschaft in der Zivilisation und der Einsamkeit in der Wildnis macht ihn zum tragischen Helden, der in frühen Western heroisiert und in späteren Western zunehmend ge-brochen dargestellt wird. Diese Helden kommen als Jäger, Trapper, Scouts, Kavalleristen oder als Sheriffs und Marshals in den Westernfilmen vor. Sie müssen sich gegen die „wilden“ Indianer/innen, die das Gegenteil von Fortschritt und Zivilisation verkörpern, oder gegen Viehbarone, die die kleineren Farmer/innen und Siedler/innen verdrängen wollen, wehren.

    Die „Bösen“ sind neben den Indianern/innen meist gewissenlose Kopfgeldjäger, Goldgräber, Banditen oder Großrancher, die nur an ihrem persönlichen Profit interessiert sind und die aus diesem negativen Individualismus im Gegensatz zum positiven Individualismus die Gemeinschaft nicht bewahren und schützen, sondern schädigen und zerstören wollen.

    Gelegentlich stehen auch an historische Figuren angelehnte Helden wie der Ordnungshüter Wyatt Earp (so in MY DARLING CLEMENTINE (FAUSTRECHT DER PRÄRIE, USA 1946, R: John Ford), oder in TOMBSTONE, (USA 1993, R: George Pan Cosmatos), legendäre Schurken wie der Bandit Jesse James (so in THE RETURN OF FRANK JAMES (RACHE FÜR JESSE JAMES, USA 1940, R: Fritz Lang) oder in THE ASSASINATION OF JESSE JAMES BY THE COWAR ROBERT FORD (DIE ERMORDUNG DES JESSE JAMES DURCH DEN FEIGLING ROBERT FORD, USA 2007, R: Andrew Dominik) oder auch Anführer der Indianer/innen wie Conchise und Geronimo (so in BROKEN ARROW (DER GEBROCHENE PFEIL, USA 1950, R: Delmer Daves), einem der ersten Western mit einem differenzierteren Indianerbild) im Mittelpunkt.

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Frauen sind mit wenigen Ausnahmen – etwa in JOHNNY GUITAR (WENN FRAUEN HASSEN, USA 1954, R: Nicholas Ray), in dem das Schlussduell zwischen zwei Protagonistinnen ausgetragen wird – nur Neben-figuren im Western, die es im Regelfall zu schützen gilt. Sie sind häufig das Objekt des Begehrens in der guten, reinen Variante als Schwester, Siedlerfrau, unschuldiges junges Mädchen und Kumpel.

    Oder sie treten als Saloon-Dame, Prostituierte oder als mysteriöse, kultivierte Frau aus dem amerikani-schen Osten auf, die dann durchaus auch zwiespältige oder negative Attribute aufweist.

    Die Landschaft als ProtagonistNeben der Handlung und den Figuren steht die Landschaft im Vordergrund des Genres. Optisch wurde der Western durch die idealisierte Landschaftsmalerei des späten 19. Jahrhunderts inspiriert. Weite, un-berührte Landschaften (viele Western, vor allem die Filme von John Ford, wurden im Grand Canyon, im Monument Valley gedreht) werden oft in extrem weiten Kameraeinstellungen, in sogenannten Panorama- Einstellungen, gezeigt.

    So wird die grenzenlose und unberührte Weite vorteilhaft ins Bild gerückt, um einen mystischen Ort von Abenteuer, Sehnsucht und Unwägbarkeit zu schaffen, in dem der Mensch geradezu verloren scheint. In späteren Western, vor allem im Italo-Western der 1960er, ersetzen oft extreme Naheinstellungen von den Gesichtern der Protagonisten/innen die Landschaftsbilder, um die Charaktere, die „Seelenlandschaft“ der Figuren, stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

    Verankerung des MythosAll diese Elemente prägen das Bild von der (US-amerikanischen) Geschichte und seinen Menschen und haben dadurch einen Mythos kreiert, der im kollektiven und kulturellen Bewusstsein weltweit verankert ist. Durch die Mythologisierung wird Geschichte, im Sinne der Sieger/innen, in diesem Fall der weißen Siedler/innen, gedeutet und verklärt. Gewalt (gegen die Ureinwohner/innen) wird dadurch legitimiert und als rechtmäßig umgedeutet, da nur dadurch eine erstarkte, große Nation – die heutige USA – entstehen konnte.

    Zum Weiterlesen>> http://www.wilder-westen-web.de (Westernfiguren mit historischem Hintergrund)

    >> http://de.movieusa.info/Drehorte-Suedwesten-USA/Drehorte-in-Utah/Drehorte-im-Monument-Valley/drehorte-im-monument-valley.html (Westerndrehorte)

    http://www.wilder-westen-web.de/http://de.movieusa.info/Drehorte-Suedwesten-USA/Drehorte-in-Utah/Drehorte-im-Monument-Valley/drehorte-im-monument-valley.htmlhttp://de.movieusa.info/Drehorte-Suedwesten-USA/Drehorte-in-Utah/Drehorte-im-Monument-Valley/drehorte-im-monument-valley.html

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Western in der Filmgeschichte

    Wie viele Westernfilme insgesamt seit der frühen Stummfilmzeit entstanden sind, lässt sich nur annä-hernd schätzen. Der britische Filmwissenschaftler Edward Buscombe zählte in dem bereits erwähnten Buch „100 Westerns“ bis zum Jahr 2006 mindestens 7.000 Filme dieses Genres.

    Seit 1903, als mit dem 12-minütigen Kurzfilm THE GREAT TRAIN ROBBERY (DER GROSSE EISEN-BAHN- ÜBERFALL, USA 1903, R: Edwin S. Porter) der erste Film mit Western-Thematik entstand, hat sich das Genre in seiner Erzählform, der Darstellung der Charaktere und der Motivgestaltung sichtbar verändert. Diese Veränderungen spiegeln den sozialen und politischen Wandel sowie die Werteverschiebung in Bezug auf gesellschaftliche Norm- und Moralvorstellungen wider.

    In der Fachliteratur gibt es unterschiedliche Aufteilungen und Bezeichnungen der verschiedenen Western-Epochen. Als übersichtlich erweist sich eine Gliederung in fünf bis sechs Phasen (vgl. dazu auch Norbert Grob/Bernd Kiefer (Hrsg.): Filmgenres – Western, Reclam, Stuttgart 2003, S. 31 ff. sowie Georg Seeßlen: Filmwissen: Western, Schüren Verlag, Marburg 2011).

    Die verschiedenen Epochen lassen sich zeitlich nicht vollständig voneinander abgrenzen. So gibt es zwischen 1960 und 1980 sowohl konventionelle Western, in denen das Heldenbild und das Gut-Böse- Schema relativ einfach gehalten wurde, wie auch kritische Western, die die Charaktere und ihre Handlun-gen prüfend hinterfragen – in jedem der Jahrzehnte kann man jedoch einen Schwerpunkt als vor-herrschend klassifizieren.

    Der naive WesternDie ersten Western, die in der Stummfilmzeit entstanden und bald vielfach als Fortsetzungsserien ins Kino kamen, sind stark schematisch konstruiert: Im Mittelpunkt der Handlung stehen standardisierte Verfolgungsjagden zu Pferde, Prügeleien, Schießereien sowie ein Held und sein Gegenspieler, die um die Gunst einer Frau kämpften. Hauptfiguren sind zum Beispiel Broncho Billy (so in BRONCHO BILLY AND THE BABY (USA 1908, R: Gilbert M. „Broncho Billy“ Anderson)) oder Tom Mix (so in THE TROUBLE SHOO-TER (USA 1924, R: Jack Conway)), die unter dem eigenen Namen oder unter einem Figurennamen in Hun-derten Filmen ähnlichen Inhalts und Machart auftraten. Zu Beginn der Filmgeschichte war das „bewegte“ Bild an sich schon ein Ereignis, für das der bewegungsstarke Western eine besonders geeignete Folie darstellte.

    Der epische WesternDiese Western, die überwiegend von der Mitte der 1920er- bis Ende der 1930er-Jahre entstanden, hero-isieren die Entwicklung der US-amerikanischen Zivilisation. Deutlich wird dies vor allem auch in der Darstellung der Gemeinschaft. Dem Einzelnen und seinem Schicksal wird weniger Bedeutung beigemessen, ihm steht das Kollektiv gegenüber, das – positiv konnotiert – mit vereinter Kraft aus der Wildnis ein zivili-siertes Land (die zukünftigen USA) erschafft. Die Handlungsträger sind, abgesehen von den Schurken, heldenhafte Menschen, die sich für die Allgemeinheit einsetzen und eigene Wünsche zurückstellen.

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    MYTHOS WESTERN

    Was auch immer an Geld, Zeit oder Arbeitskraft sie einsetzen – der Aufwand dient dem glückhaften und heroischen Ziel der Landgewinnung. Die schmerzlichen oder negativen Seiten dieses Unterfangens werden in den Filmen meist nicht gezeigt. Diese Darstellung entspricht jedoch keineswegs der historischen Realität, denn die Landnahme hatte immer etwas mit Verdrängung (der Ureinwohner/innen), Gewalt (gegen sich und andere) und anderen unangenehmen Aspekten (Krankheit, Seuchen, Hunger, Tod) zu tun.

    Der epische Western entdeckte zudem auch die Bedeutung der Landschaft. Statt im Studio drehte man nun vermehrt im Freien. In den Bildkompositionen wird das erstmals durch Panoramaeinstellungen oder große Totalen sichtbar, die die Weite der Landschaft einfangen. Innerhalb des weiten Horizonts wird damit neben den Auseinandersetzungen zwischen den Figuren – Gut gegen Böse – auch die Konfrontation des Menschen mit der Wildnis – zum Beispiel die Verlegung von Eisenbahnschienen in einer unendlich wirken-den Ebene – sichtbar.

    Bekannte Vertreter dieser Western-Epoche sind THE IRON HORSE (DAS EISERNE PFERD, USA 1924, R: John Ford), oder THE PLAINSMAN (DER HELD DER PRÄRIE, USA 1936, R: Cecil B. DeMille).

    Der dramatische WesternVon Ende der 1930er- bis Anfang der 1950er-Jahre verdichteten sich die Handlungsstränge auf einen ein-zelnen, dramatischen Konflikt statt auf epische Erzählungen. Durch die psychologisch angelegten Dar-stellungen der Hauptfiguren wurden die Geschichten tiefgründiger und spannungsreicher. In dieser Phase entstanden Klassiker wie STAGECOACH (RINGO/HÖLLENFAHRT NACH SANTA FÉ, USA 1939, R: John Ford) und RED RIVER (USA 1948, R: Howard Hawks).

    Bei RINGO/ HÖLLENFAHRT NACH SANTA FÉ zeigen sich die wahren Eigenschaften der Figuren im Verlauf einer Postkutschenfahrt – der Revolverheld, der Spieler und die Prostituierte erweisen sich im Gegensatz zu den Geschäftsmännern und Bürgerfrauen als ehrbar. In der Auseinandersetzung mit den Indianern/innen halten die Figuren wiederum, trotz ihrer Verschiedenartigkeit, zusammen.

    Insgesamt weicht das vom bisher gültigen Gut-Böse-/Ehrbar-Unehrbar-Schema ab und verleiht den Figuren damit mehr Tiefe. In RED RIVER wird ein Generationenkonflikt unter Cowboys thematisiert, der in seiner psychologischen Darstellung von Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und den damit verbun-denen Abhängigkeiten in dieser Form neu war und im Erzählkern zeitlos wirkt.

    Der kritische WesternDie in der Zeit von 1950 bis in die frühen 1960er-Jahre entstandenen Westernfilme werden auch als „adult western“ bezeichnet. „Erwachsene“ Themen, die sich mit Politik, Liebe und Moral beschäftigen, werden hier in Form des Western-Genres genauer betrachtet, um das Publikum zum Nachdenken über gesellschaftliche Normen und Werte anzuregen und damit den Mythos von Gut und Böse zumindest an-satzweise zu hinterfragen.

    Diese häufig düster anmutende Phase, in der die Helden auch Selbstzweifel haben dürfen, gilt neben der optimistischeren dramatischen Phase als die Epoche des klassischen Westerns. John Ford und Howard Hawks gehörten in dieser Zeit zu den wichtigsten Regisseuren. In den Westernfilmen beider Regisseure übernahm John Wayne häufig Hauptrollen, die seinen Ruhm als bekanntester Western-Darsteller festigten.

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Neben HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS, USA 1952, R: Fred Zinnemann) entstanden zum Beispiel THE SEARCHERS (DER SCHWARZE FALKE, USA 1956, R: John Ford) oder RIO BRAVO (USA 1959, R: Howard Hawks).

    In DER SCHWARZE FALKE sucht John Wayne als Kriegsveteran und Indianerhasser seine von Indianern verschleppte Nichte über mehrere Jahre, um am Ende zu erkennen, dass es weder für sie noch für ihn eine echte Heimat mehr geben kann, da Zeit und Lebensgeschichte bei beiden zu tiefe Spuren hinterlassen haben.

    RIO BRAVO gilt als Gegenentwurf zu ZWÖLF UHR MITTAGS. Anders als der zweifelnde und von allen ver-lassene Westerner in Zinnemanns Film (s. Ausführungen zu ZWÖLF UHR MITTAGS ab S. 25) zeigt Hawks eine Gruppe von Männern, die unter der Leitung von Sheriff Chance ( John Wayne) verhindern will, dass ein Bandit aus dem Gefängnis befreit wird. Trotz einer scheinbar aussichtslosen Situation verfolgen der Sheriff und seine vier Helfer unbeirrbar ihr Ziel.

    Gelegentliche ironische Brechungen in den Charakteren und ihrer Geschichte deuten jedoch auf die Fragilität dieses selbstgeschaffenen Bilds von männlicher Solidarität hin.

    Der SpätwesternWestern, die zwischen den 1960ern bis Ende der 1990er-Jahre erschienen sind (einige Filmwissenschaftler/ innen ordnen auch heutige Western dieser Phase zu), werden als Spätwestern bezeichnet. Dieser Begriff verweist jedoch nicht nur auf den Erscheinungszeitraum der Filme, sondern auch auf die Filmerzählung. Denn die Handlung dieser Filme findet oft in einer Zeit statt, in der es in Nordamerika keine frontier mehr gab und die Helden/innen gealtert und abgeklärt wirken. In diesen Filmen werden nun zunehmend Legenden hinterfragt wie etwa in John Fords Spätwerk THE MAN WHO SHOT LIBERTY VALANCE (DER MANN, DER LIBERTY VALANCE ERSCHOSS, USA 1962), in dem ein gefeierter Held seinen heroischen Ruf der Tat eines Anderen verdankt.

    Oder es werden die Mythen des Wilden Westens ganz zerstört, so in Arthur Penns Antiwestern LITTLE BIG MAN (USA 1970), der den Kampf gegen die amerikanischen Ureinwohner/innen bewusst als Völker-mord erzählt.

    In einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Veränderungen in den USA mit Rassenunruhen, Vietnam-krieg und den daraus entstehenden Bürgerrechtsbewegungen wurden diese Entwicklungen nun auch indirekt im Westernfilm reflektiert. Das Interesse an der Heroisierung der US-Geschichte nahm stark ab und der Western verlor drastisch an Popularität. In den 1970ern und 1980ern gab es zudem auch neue filmtechnische Möglichkeiten, die Genres wie Katastrophen- oder Science-Fiction-Filmen vor allem beim jüngeren Publikum populär machten.

    Selten gelang es damals das große Publikum erneut für dieses Genre zu begeistern. Erst der annähernd vierstündige Film DANCES WITH WOLVES (DER MIT DEM WOLF TANZT, USA 1990, R: Kevin Costner) bildet dabei eine der wenigen erfolgreichen Ausnahmen.

    Italo-WesternNahezu gleichzeitig in den 1960er- und 1970er-Jahren entstand in Europa, vornehmlich in Italien, der soge-nannte Italo-Western (auch als Spagetti-Western bekannt), der sich von den klassischen US-amerikanischen Western deutlich unterscheidet. Die Helden sind meist unmoralisch und korrupt. Protagonisten wie die Titelfigur in DJANGO (I/E 1966, R: Sergio Corbucci) interessieren sich nur für ihre persönlichen Belange.

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    MYTHOS WESTERN

    !Viele dieser Westernfilme sind zynisch in ihrem Humor und explizit in ihren Gewaltdarstellungen, was sie mit diesen Verfremdungen und Überhöhungen im Vergleich zum Spätwestern fast schon wie Parodien wirken lassen. Unterstrichen wird diese spezielle Westernform von extremen Kamera winkeln und Groß-aufnahmen sowie der opernhaft eingesetzten Musikuntermalung.

    Der bekannteste Regisseur des Italo-Westerns war Sergio Leone. Er lieferte 1964 mit PER UN PUGNO DI DOLLARI (FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR, I/E/BRD) den ersten Film dieser Art. Dabei handelte es sich um eine Neuverfilmung von YÔJINBÔ (YOJIMBO –DER LEIBWÄCHTER, J 1961, R: Akira Kurosawa), einem historischen Film, der zur Zeit der Samurais spielt.

    Ausweitung des Genres: Der Neo-WesternDer Neo-Western ist ein Western-Subgenre, das vermehrt seit den 2000er-Jahren entsteht und insofern auch als eigene Westernphase klassifiziert werden kann. Es handelt sich dabei um Filme, die zwar die Erzählformen, die grundlegenden Charaktere und Themen des traditionellen Western verwenden, aber nach 1900, als Eisenbahn und Autos die Pferde als Fortbewegungsmittel bereits verdrängt haben, oder in der Gegenwart spielen.

    Im Mittelpunkt steht dabei der Konflikt zwischen der Unbekümmertheit der Wild-West-Philosophie und den Zwängen des modernen Lebens. Dabei verändert sich der Blick der Figuren auf ihr eigenes Leben. In BROKEBACK MOUNTAIN (USA/CAN 2005, R: Ang Lee) zerbrechen zwei Cowboys daran, dass ihre homo-sexuelle Liebe nicht in ihr erlerntes konventionelles Gesellschaftsbild passt. In WINTER’S BONE (USA 2010, R: Debra Granik) macht sich eine 17-Jährige, gespielt von Jennifer Lawrence, auf die Suche nach ihrem vermissten Vater. Die dargestellte Gesellschaft und Umgebung ähnelt auf den ersten Blick einer vergangenen Zeit, doch dann erweist sich der Film als in der Gegenwart spielendes, brutales Unter-schichtensozialdrama, das die Freiheits- und Naturidylle des Westerns schonungslos demaskiert.

    In der Fernsehserie SONS OF ANARCHY – SEASON 1 (USA 2008-2014, FX-Network, sieben Staffeln) wird die frontier in eine kalifornische Kleinstadt verlegt. Die Outlaws, die sich gegen die moderne, urbane Ge-sellschaft zur Wehr setzen, „reiten“ inzwischen jedoch auf Motorrädern und nicht mehr auf Pferden.

    Diesem modernen, vom Western geprägten Blick auf die Gesellschaft stehen sogenannte revisionistische Western entgegen, die sich an kritischen Western und Spätwestern orientieren. Sie setzen dabei auf einen möglichst authentischen Blick auf die Wild-West-Zeit.

    In MEEK’S CUTOFF (USA 2010, R: Kelly Reichardt) wird fast schon dokumentarisch der beschwerliche Weg von Pionieren/innen gezeigt, die sich 1845 über den Oregon Trail Richtung Westen aufmachen. Manche Filme dieses Subgenres sind auch Neuverfilmungen klassischer Western, die häufig schneller geschnitten werden und Schmutz, Staub und blutige Auseinandersetzung expliziter und realistischer zeigen als in der Erstverfilmung.

    Dazu gehört etwa TRUE GRIT (USA 2010, R: Ethan & Joel Coen), der ein Remake des gleichnamigen Film von Henry Hathaway aus dem Jahre 1969 ist, oder auch 3:10 TO YUMA (TODESZUG NACH YUMA, USA 2007, R: James Mangold), eine Neuverfilmung des Klassikers 3:10 TO YUMA (ZÄHL BIS DREI UND BETE, USA 1957, R: Delmer Daves).

    Das Western-Genre wurde in den letzten Jahrzehnten häufig totgesagt. Dennoch entstehen weiterhin Westernfilme, die ihr Publikum finden. Das liegt vielleicht an der Dynamik des Genres, das trotz bekannter Muster und Figurenkonstellationen immer wieder neue Varianten hervorbringt und auch sicher auf unabsehbare Zeit hervorbringen wird.

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Zum Weiterlesen und Schauen>> http://www.cinema.de/kino/news-und-specials/news/western-filme-die-besten-western-filme-al-ler-zeiten,4635409,ApplicationArticle.html (verschiedene bekannte Western im Überblick)

    >> http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/film/endlich-im-sonnenuntergang-ankommen-1.662690 (überdie Neuverfilmung eines Westernklassikers)

    >> http://www.spiegel.de/thema/western/dossierarchiv-2.html (verschiedene Artikel zum Western)

    >> Wilder Westen: http://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.html

    >> Amerikanischer Bürgerkrieg: http://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buerger-krieg-und-sklaverei?p=all

    Video>> http://www.youtube.com/watch?v=Bc7wWOmEGGY (der erste Western der Filmgeschichte: THEGREAT TRAIN ROBBERY (DER ERSTE EISENBAHNRAUB, USA 1903, R: Edwin S. Porter)

    >> http://www.youtube.com/watch?v=LaCDxpAT-Fs (Kurzdokumentation über Western in der Film-geschichte)

    >> http://www.youtube.com/watch?v=pUcgI9jwhlA (Der Regisseur Martin Scorsese stellt das Western-Genre vor)

    Fernsehdokumentationen über den Wilden Westen>> http://www.youtube.com/watch?v=s1r8CjTJR8Q (Terra X – Faszination Erde: Der Wilde Westen)

    >> http://www.youtube.com/watch?v=j6Elv1mdnCs (mehrteilige Dokumentation)

    http://www.cinema.de/kino/news-und-specials/news/western-filme-die-besten-western-filme-aller-zeiten,4635409,ApplicationArticle.htmlhttp://www.cinema.de/kino/news-und-specials/news/western-filme-die-besten-western-filme-aller-zeiten,4635409,ApplicationArticle.htmlhttp://www.nzz.ch/endlich-im-sonnenuntergang-ankommen-1.662690http://www.spiegel.de/thema/western/dossierarchiv-2.htmlhttp://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.htmlhttp://www.focus.de/wissen/mensch/geschichte/mythos-wilder-westen-was-ist-dran-an-goldrausch-und-revolverhelden_id_3524285.htmlhttp://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buergerkrieg-und-sklaverei?p=allhttp://www.bpb.de/internationales/amerika/usa/10595/buergerkrieg-und-sklaverei?p=allhttps://www.youtube.com/watch?v=Bc7wWOmEGGYhttps://www.youtube.com/watch?v=LaCDxpAT-Fshttps://www.youtube.com/watch?v=pUcgI9jwhlAhttps://www.youtube.com/watch?v=s1r8CjTJR8Qhttps://www.youtube.com/watch?v=j6Elv1mdnCs

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Die Regisseure des Double Features

    > Deutsches Filminstitut, Frankfurt

    Fred Zinnemann geboren am 29.4.1907 als Alfred Zinnemann in Rzeszów, damals Österreich-Ungarn, gestorben am 14.3.1997 in London, Großbritannien

    Fred Zinnemann zählt zu den bekanntesten Filmregisseuren des 20. Jahrhunderts, der in Europa und Hollywood gearbeitet hat. Elfmal war er für den Oscar® nominiert und erhielt fünf der begehrten Aus-zeichnungen. Zinnemann gilt als besonders einfühlsamer Regisseur, der unter anderem Schauspieler/ innen wie Montgomery Clift, Marlon Brando, Grace Kelly, Rod Steiger oder Meryl Streep entscheidend zu ihrer Bekanntheit verholfen hat.

    Neunzehn Schauspieler/innen erhielten unter seiner Regie einen Oscar® für ihre Darstellungen, darunter Gary Cooper für seine Rolle als Marshal Will Kane in ZWÖLF UHR MITTAGS. Sein Werk von 22 Spielfilmen in etwas über vierzig Jahren ist besonders vielfältig: Er hat unter anderem Thriller, Film noirs, Historienfilme, Musicals, Melodramen, Kriegsfilme und Western gedreht, die bei Kritik und Publikum beliebt waren. In seinen Filmen legte der gelernte Kameramann besonderen Wert auf stimmige und künstlerisch durch-dachte Bildkompositionen.

    Fred Zinnemann wird am 29. April 1907 als Sohn einer jüdischen Arztfamilie im polnischen Teil der dama-ligen österreichisch-ungarischen Monarchie geboren und wächst in Wien auf. Einer seiner Klassen-kameraden und engsten Freunde ist der später ebenfalls berühmte Regisseur Billy Wilder.

    Nach einem abgebrochenen Jura-Studium macht er eine Kameraausbildung in Paris und wird 1928 Kamera-assistent in Berlin, u.a. bei MENSCHEN AM SONNTAG (D 1929/30, R: Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer).

    Ende 1929 emigriert er nach Hollywood, 1936 wird er US-amerikanischer Staatsbürger. Zinnemann arbeitet 1937 zunächst als Regisseur für Metro-Goldwyn-Mayer (MGM), einem der damals weltweit größten Studios, und realisiert zunächst vor allem semidokumentarische Kurzfilme, von denen THAT MOTHERS MIGHT LIVE (USA 1938) 1939 mit einem Oscar® prämiert wird.

    Ab den 1940ern dreht er dann als freier Regisseur Spielfilme für verschiedene US-amerikanische Studios. Seine erste Großproduktion ist mit THE SEVENTH CROSS (DAS SIEBTE KREUZ, USA 1944) die Verfilmung von Anna Seghers gleichnamigen Roman.

    „ I will always think of myself as a Hollywood director, not only because I grew up in the American film industry, but also because I believe in making films that will please a mass audience, and not just in making films that express my own personality or ideas. I have always tried to offer an audience something positive in a film and to entertain them as well.“

    (Zitat von Fred Zinnemann, Quelle: http://www.imdb.com/name/nm0003593/bio?ref_=nm_ov_bio_sm)

    http://www.imdb.com/name/nm0003593/bio?ref_=nm_ov_bio_smhttp://www.imdb.com/name/nm0003593/bio?ref_=nm_ov_bio_sm

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Dem Studiosystem muss er sich nicht in dem Maße, wie ein Großteil der damaligen Regisseur/innen unterordnen, da er viele seiner Filme selbst produziert.

    In der Vielfältigkeit seiner Arbeiten fällt auf, dass er häufig Geschichten über Nonkonformist/innen und Außenseiter/innen erzählt, die in eine Konfliktsituation geraten. Zinnemann stellt dabei häufig die Wahlmöglichkeit des Einzelnen als moralische Frage.

    Er hat viele Filmklassiker geschaffen: Zu seinen bekanntesten Filmen gehört neben ZWÖLF UHR MITTAGS, der ihm internationalen Ruhm bescherte, das Kriegsdrama FROM HERE TO ETERNITY (VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT, USA 1953) mit einer legendären Liebesszene, in der sich Burt Lancaster und Deborah Kerr in der Meeresbrandung leidenschaftlich umarmen.

    Filmografie als Regisseur (Auswahl) > THE SEVENTH CROSS (DAS SIEBTE KREUZ, USA 1944)

    > THE SEARCH (DIE GEZEICHNETEN, USA 1948)

    > THE MEN (DIE MÄNNER, USA 1950)

    > TERESA (DIE GESCHICHTE EINER BRAUT, USA 1951)

    > HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS, USA 1952)

    > FROM HERE TO ETERNITY (VERDAMMT IN ALLE EWIGKEIT, USA 1953)

    > OKLAHOMA!

    > A HATFUL OF RAIN (GIFTIGER SCHNEE, USA 1957)

    > THE NUN’S STORY (GESCHICHTE EINER NONNE, USA 1959)

    > THE SUNDOWNERS (DER ENDLOSE HORIZONT, GB/AUS, 1960)

    > A MAN FOR ALL SEASONS (EIN MANN ZU JEDER JAHRESZEIT, GB 1966)

    > THE DAY OF THE JAKAL (DER SCHAKAL, GB/F 1973)

    > JULIA (USA 1977)

    Zum Weiterlesen und Schauen>> http://www.zeit.de/1997/13/zinne.txt.19970321.xml

    >> http://sensesofcinema.com/2004/great-directors/zinnemann/

    >> http://www.exilarchiv.de/DE/index.php?option=com_content&view=article&id=1288%3Azinnemann-fred&catid=24&lang=es

    >> http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleF4M4U-1.149100

    Zahlreiche Filmausschnitte aus Filmen Fred Zinnemanns finden sich bei YouTube>> http://www.youtube.com/results?search_query=fred%20zinnemann&sm=1

    http://www.zeit.de/1997/13/zinne.txt.19970321.xmlhttp://sensesofcinema.com/2004/great-directors/zinnemann/http://www.exilarchiv.de/DE/index.php?option=com_content&view=article&id=1288%3Azinnemann-fred&catid=24&lang=eshttp://www.exilarchiv.de/DE/index.php?option=com_content&view=article&id=1288%3Azinnemann-fred&catid=24&lang=eshttp://www.nzz.ch/articleF4M4U-1.149100https://www.youtube.com/results?search_query=fred%20zinnemann&sm=1

  • > Deutsches Filminstitut, Frankfurt

    Clint Eastwoodgeboren am 31.5.1930 in San Francisco, Kalifornien

    „ Most people who’ll remember me, if at all, will remember me as an action guy, which is OK. There’s nothing wrong with that. But there will be a certain group which will remember me for the other films, the ones where I took a few chances. At least, I like to think so.“

    (Quelle: http://m.imdb.com/name/nm0000142/quotes)

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    MYTHOS WESTERN

    Mit einer erfolgreichen Karriere als Filmschauspieler, Regisseur, Produzent, Komponist und – kurzfristig auch – als Lokalpolitiker ist Clint Eastwood mit seinem umfangreichen Werk, das er in knapp sechzig Jahren geschaffen hat, einer der angesehensten Vertreter des US-amerikanischen Filmgeschäfts.

    Mit einigen seiner unverwechselbar angelegten Rollen in Western oder Cop-Filmen – jede Rolle hat eine besondere, meist stark reduzierte Mimik – hat er als Schauspieler für viele Zuschauer/innen den Status eines Kultstars, als Regisseur und Autorenfilmer wird er für seinen geradlinigen und handwerklich ausgereiften Inszenierungsstil geschätzt.

    Clint Eastwood, am 31. Mai 1930 in San Francisco geboren, zieht in seiner Kindheit und Jugend während der wirtschaftlich schwierigen Depressionszeit mit seinen arbeitslosen Eltern durch Kalifornien und wechselt häufig die Schule, bis sich die Familie in Oakland niederlässt.

    Nach der Schule verdingt er sich als Gelegenheitsarbeiter und wird Anfang der 1950er zum Militärdienst eingezogen. Danach beginnt er ein College-Studium, das er jedoch abbricht. Nach Testaufnahmen Mitte der 1950er-Jahre beim Universal Filmstudio ist er zunächst in einigen kleinen Rollen zu sehen, um dann 1959 in der Rolle des Cowboys Rowdy Yates in der erfolgreichen TV-Serie RAWHIDE (COWBOYS/TAUSEND MEILEN STAUB, USA 1959-1965, CBS, acht Staffeln) als Darsteller bekannt zu werden.

    Der Durchbruch als Kinoschauspieler gelingt ihm mit dem Italo-Western PER UN PUGNO DI DOLLARI (FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR, I/E/BRD 1964, R: Sergio Leone), in dem er den Typus des wortkargen und namenlosen Zynikers erschafft. Nach zahlreichen Western in Italien und den USA kann er sich mit der Titelrolle des Polizeiinspektors Harry Callahan in DIRTY HARRY (USA 1971, R: Don Siegel) auch in den USA als Darsteller etablieren.

    Mit dem Krimi PLAY MISTY FOR ME (SADISCTICO, USA 1971) beginnt Eastwoods Regie-Karriere.

    Zunächst inszeniert er hauptsächlich Western und Actionfilme, in denen er häufig selbst als Schauspieler mitwirkt. Seit den 1980ern betätigt er sich dann auch als Regisseur und Produzent von anspruchsvollen Filmdramen mit komplexen Figurenzeichnungen. Er wird mit vielen Auszeichnungen, darunter vier Oscars® bedacht.

    http://m.imdb.com/name/nm0000142/quotes

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    MYTHOS WESTERN

    Zu seinen bekanntesten Filmen gehören neben dem Spätwestern ERBARMUNGSLOS (USA 1992) das Box-Drama MILLION DOLLAR BABY (USA 2004) und die Anti-Kriegsfilme FLAGS OF OUR FATHERS (USA 2006) und LETTERS FROM TWO IWO JIMA (USA 2006), die eine wichtige Episode des Zweiten Weltkriegs aus US-amerikanischer sowie aus japanischer Perspektive betrachten.

    In GRAN TORINO (USA 2008) trat Eastwood laut eigenen Angaben zum letzten Mal als Schauspieler in einem eigenen Film auf.

    Er inszeniert und produziert aber auch weiterhin erfolgreiche Kinofilme, zuletzt etwa die Filmbiografie J. EDGAR (USA 2011) über das private und berufliche Leben des langjährigen FBI-Direktors Edgar J. Hoovermit Leonardo DiCaprio in der Titelrolle sowie die Musikbiografie JERSEY BOYS (USA 2014) nach demgleichnamigen Musical.

    Filmografie als Darsteller (Auswahl) > PER UN PUGNO DI DOLLARI (FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR, I/E/BRD 1964, R: Sergio Leone)

    > PER QUALCHE DOLLARO IN PIÙ (FÜR EIN PAAR DOLLAR MEHR, I/E/BRD 1965, R: Sergio Leone)

    > IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (ZWEI GLORREICHE HALUNKEN, I/E/BRD 1966, R: Sergio Leone)

    > PAINT YOUR WAGON (WESTWÄRTS ZIEHT DER WIND, USA 1969, R: Joshua Logan)

    > DIRTY HARRY (USA 1971, R: Don Siegel)

    > MAGNUM FORCE (DIRTY HARRY II – CALAHAN, USA 1973, R: Ted Post)

    > THUNDERBOLT AND LIGHFOOT (DIE LETZTEN BEISSEN DIE HUNDE, USA 1974, R: Michael Cimino)

    > THE OUTLAW JOSY WALES (DER TEXANER, USA 1976, R: Clint Eastwood)

    > THE ENFORCER (DIRTY HARRY III – DER UNERBITTLICHE, USA 1976, R: James Fargo)

    > SUDDEN IMPACT (DIRTY HARRY IV – DIRTY HARRY KOMMT ZURÜCK, USA 1983, R: Clint Eastwood)

    > WHITE HUNTER BLACK HEART (WEIßER JÄGER, SCHWARZES HERZ, USA 1990, R: Clint Eastwood)

    > UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS, USA 1992, R: Clint Eastwood)

    > IN THE LINE OF FIRE (IN THE LINE OF FIRE – DIE ZWEITE CHANCE, USA 1993, R: Wolfgang Petersen)

    > THE BRIDGES OF MADISON COUNTY (DIE BRÜCKEN AM FLUSS, USA 1995, R: Clint Eastwood)

    > SPACE COWBOYS (USA 2000, R: Clint Eastwood)

    > MILLION DOLLAR BABY (USA 2004, R: Clint Eastwood)

    > GRAN TORINO (USA 2008, R: Clint Eastwood)

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    I. VOR DEM SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Filmografie als Regisseur (Auswahl) > PLAY MISTY FOR ME (SADISTICO, USA 1971)

    > THE OUTLAW JOSY WALES (DER TEXANER, USA 1976, R: Clint Eastwood)

    > SUDDEN IMPACT (DIRTY HARRY IV – DIRTY HARRY KOMMT ZURÜCK, USA 1983, R: Clint Eastwood)

    > BIRD (USA 1988)

    > WHITE HUNTER BLACK HEART (WEIßER JÄGER, SCHWARZES HERZ, USA 1990, R: Clint Eastwood)

    > UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS, USA 1992, R: Clint Eastwood)

    > THE BRIDGES OF MADISON COUNTY (DIE BRÜCKEN AM FLUSS, USA 1995, R: Clint Eastwood)

    > MIDNIGHT IN THE GARDEN OF GOOD AND EVIL (MITTERNACHT IM GARTEN VON GUT UND BÖSE,USA 1997)

    > SPACE COWBOYS (USA 2000, R: Clint Eastwood)

    > MYSTIC RIVER (USA 2003)

    > MILLION DOLLAR BABY (USA 2004, R: Clint Eastwood)

    > FLAGS OF OUR FATHERS (USA 2006)

    > LETTERS FROM TWO IWO JIMA (USA 2006)

    > GRAN TORINO (USA 2008, R: Clint Eastwood)

    > J.EDGAR (USA 2011)

    > JERSEY BOYS (USA 2014)

    Zum Weiterlesen und Schauen>> http://www.film-zeit.de/Person/6066/Clint-Eastwood/Biographie/

    >> http://www.clinteastwood.net

    >> http://www.getidan.de/kolumne/georg_seesslen/289/clint-eastwood-%E2%80%93-vom-cowboy-zum-kunstler

    >> http://www.esquire.com/features/clint-eastwood-profile-1012(Esquire-Interview mit Clint Eastwood)

    Zahlreiche Filmausschnitte aus Filmen von und mit Clint Eastwood finden sich bei YouTube>> Beispiel: http://www.youtube.com/watch?v=BUKV9TKBEwo(fünf besonders prägnante Szenen mit Clint Eastwood)

    http://www.film-zeit.de/Person/6066/Clint-Eastwood/Biographie/http://www.clinteastwood.net/http://www.esquire.com/entertainment/movies/interviews/a15877/clint-eastwood-profile-1012/https://www.youtube.com/watch?v=BUKV9TKBEwohttp://www.getidan.de/kolumne/georg_seesslen/289/clint-eastwood-%E2%80%93-vom-cowboy-zum-kunstlerhttp://www.getidan.de/kolumne/georg_seesslen/289/clint-eastwood-%E2%80%93-vom-cowboy-zum-kunstler

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    II. SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    II. SCREENING

    Hinweise für Coaches und Lehrende

    Das Screening der beiden Filme, zuerst HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS, USA 1952, R: Fred Zinne-mann), dann UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS, USA 1992, R: Clint Eastwood), ist der zentrale Moment des Programms.

    Die Sichtung wird von einem Coach moderiert. Sollte die Vorführung von einem/r Lehrenden geleitet werden, übernimmt diese/r die Rolle des Coachs und sollte sich entsprechend in die Filme einarbeiten.

    Es wird eine Einführung mit einem Vorgespräch geben, bei dem das Vorwissen der Schüler/innen zusammen-geführt wird. Die Einführung zu den Filmen selbst (jeweils 10-15 Minuten) beinhaltet auch Beobachtungs-aufgaben.

    Die weiterführenden Informationen zu den Filmen, die der/die Lehrende im Vorfeld erhalten, sollen möglichst nur teilweise vorgestellt werden, da die originäre Begegnung der Jugendlichen mit den Filmen im Vordergrund steht.

    Nach den Filmsichtungen gibt es jeweils ein ausführliches Nachgespräch (45-60 Minuten), das den Schüler/innen einen Bezug zu den Filmen und auch zu ihrer eigenen Sicht auf Themen, Zeit und Filme ermöglicht.

    ERBARMUNGSLOS (FSK 16) enthält einige Gewaltszenen, die in ihrer Form und Intensität ungefähr mit Gewaltszenen in dem James-Bond-Film SKYFALL ( JAMES BOND 007 – SKYFALL, GB/USA 2012, R: Sam Mendes) oder dem Fantasyfilm THE HOBBIT: THE DESOLATION OF SMAUG (DER HOBBIT – SMAUGS EINÖDE, USA/NZ 2013, R: Peter Jackson) zu vergleichen sind. Diese beiden Filme haben im Gegensatz zu ERBARMUNGSLOS die FSK-Freigabe 12 erhalten, da Filme heute oft anders bewertet werden als vor über zwanzig Jahren. Dennoch sollte in diesem Zusammenhang folgendes beachtet werden:

    „ Noch wichtiger für die Filmrezeption (…) sind persönliche Medien- und Alltagserfahrungen – auch im Zusam-menhang mit Gewalt. Die Wirkung eines Films und die subjektive Wahrnehmung der Gewaltdarstellung lassen sich daher nur annäherungsweise bestimmen. Folglich dürfen Schüler/innen nicht gezwungen werden, den Film zu sehen oder Aufgaben zu bearbeiten, die sich explizit auf die Gewaltszenen beziehen. Sie müssen auf solche Szenen vorab hingewiesen und dabei in ihrem natürlichen Selbstschutzinstinkt bestärkt werden, für kurze Mo-mente die Augen und Ohren zu schließen. Und sie sollten auch das Recht haben, den Kinosaal für wenige Minu-ten verlassen zu dürfen.“

    (Zitat: Holger Twele: Die Darstellung von Gewalt in 12 Years a Slave, kinofenster.de, 8.1.2014 : kinofenster.de/film-des-monats/aktueller-film-des-monats/die-darstellung-von-gewalt-in-12-years-a-slave/).

    ERBARMUNGSLOS sollte deswegen unbedingt inhaltlich und formal gut vor- und nachbereitet werden.

    http://www.kinofenster.de/film-des-monats/aktueller-film-des-monats/die-darstellung-von-gewalt-in-12-years-a-slave/

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    MYTHOS WESTERN

    Produktionsland: USA

    Regie: Fred Zinnemann

    Laufzeit: 85 Minuten

    Format: s/w, Standardformat (1:1:33)

    Altersfreigabe: FSK: 12

    1952

    Darsteller/innen > Will Kane: Gary Cooper > Amy Kane: Grace Kelly > Helen Ramírez: Katy Jurado > Deputy Harvey Pell: Lloyd Bridges

    > Bürgermeister Henderson: Thomas Mitchell > Friedensrichter Mettrick: Otto Kruger > Frank Miller: Ian McDonald

    HIGH NOON (ZWÖLF UHR MITTAGS)

    Inhalt Es ist kurz nach halb elf an einem Sommersonntag in den 1880er-Jahren. In der kleinen Westernstadt Hadleyville hat der verdienstvolle Marshal Will Kane (in der deutschen Synchronisation ist er Sheriff, was inhaltlich falsch ist, da ein Town-Marshal im 19. Jahrhundert nur für eine Stadt, ein Sheriff aber für einen ganzen Bezirk zuständig war) soeben die junge Quäkerin Amy geheiratet. Obwohl sein Nachfolger erst am Folgetag seinen Dienst antreten wird, gibt der frisch Vermählte seiner Frau zuliebe sein Amt auf, denn er will mit ihr woanders ein neues Leben beginnen.

    Doch dann erhält Kane ein Telegramm, das die Ankunft des Mörders Frank Miller, den Kane fünf Jahre zu-vor ins Gefängnis gebracht hat, mit dem Mittagszug ankündigt. Miller will sich an Kane rächen.

    Der Ex-Marshal wird von den verängstigen Bürgern/innen zur Abreise gedrängt, entschließt sich aber ge-gen den Willen seiner Frau zum Bleiben. Er will den Konflikt austragen und die Stadt nicht den Banditen überlassen. Während drei Mitglieder der Miller-Band am Bahnhof auf ihren Anführer warten, sucht Kane in Hadleyville vergeblich nach tatkräftiger Unterstützung und muss sich schließlich allein der drohenden Gefahr stellen.

    > Studio Canal / Deutsches Filminstitut, Frankfurt

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    MYTHOS WESTERN

    Die Mittagszeit rückt näher. Amy macht ihre Drohung wahr und verlässt die Stadt und damit auch ihren Mann. Gemeinsam mit der Saloon-Betreiberin Helen Ramirez, einst die Geliebte von Marshal Kane und des Banditen Miller, besteigt sie den Zug, mit dem Miller in Hadleyville ankommt. Dieser macht sich mit seinen Kumpanen auf die Suche nach Kane. Als der erste Schuss fällt, springt Amy aus dem Zug und eilt zurück in die Stadt, um ihren Mann zu unterstützen.

    Bei einem Showdown auf der menschenleeren Hauptstraße erschießt Kane mit Hilfe seiner Frau, die ent-gegen ihrer religiösen Prinzipien zu Waffe greift, die Angreifer. Als die Stadtbewohner/innen Kane feiern wollen, wirft er ihnen seinen Marshal-Stern vor die Füße und verlässt mit Amy ein zweites Mal die Stadt.

    Hintergrund / DrehbuchDer Film basiert auf einer Kurzgeschichte von John Cunningham „The Tin Star“ aus dem Jahr 1947. Der Drehbuchautor Carl Foreman begann bereits 1948 im Auftrag des Produzenten Stanley Kramer für die Produktionsgesellschaft United Artists mit den Vorarbeiten. Nachdem Kramer einen Großteil des Teams seines erfolgreichen Films THE MEN (DIE MÄNNER, USA 1951) inklusive des Regisseurs Fred Zinnemann unter Vertrag nehmen konnte, wurde der Film im Herbst 1951 innerhalb von vier Wochen gedreht.

    Das Budget belief sich auf 794.000 US-Dollar und unterlief damit die damals durchschnittlichen Spielfilm-kosten von circa 900.000 US-Dollar. ZWÖLF UHR MITTAGS spielte bereits im Erscheinungsjahr 1952 welt-weit 18 Millionen US-Dollar ein. (Vgl.: Philip Drummond: Zwölf Uhr mittags. Mythos und Geschichte eines Filmklassikers. Europa Verlag, Hamburg 2000, S. 44ff.).

    Genrebezug ZWÖLF UHR MITTAGS vereint viele Bestandteile des klassischen Western-Genres: eine einsame Klein-stadt im Westen Amerikas, staubige Straßen mit Pferden und Kutschen, den „guten“ Gesetzeshüter und die „bösen“ Banditen, das damit verbundene Rachemotiv, eine Liebesgeschichte zwischen Pflicht und Gefühl sowie die Zuspitzung der Geschichte auf ein Schlussduell, das sogenannte shootout.

    Das Rachemotiv der Banditen ist ein rein persönliches: Sie wollen Vergeltung dafür, dass ihr Anführer eingesperrt wurde. Kane tritt diesem Rachefeldzug als Vertreter des Gesetzes entgegen. Er will die Ge-meinschaft schützen, handelt also nicht aus Selbstsucht, sondern im Dienste einer höheren Moral, die ihn innerlich zu seinem Handeln verpflichtet: „I‘ve got to, that‘s the whole thing“, erklärt Will Kane seinen Entschluss.

    ZWÖLF UHR MITTAGS ist ein kritischer „adult western“, der mit starken psychologischen Mitteln arbeitet und zeigt, wie ein Einzelner sein Durchhaltevermögen und seine innere Überzeugung ohne wirkliche Un-terstützung von außen aufrechterhält. Dem normalerweise geradezu übermenschlichen Heldentum, Teil der romantischen Westernlegende, wird hier die Realität von menschlichen Ängsten und Schwächen der Allgemeinheit und auch der Hauptfigur gegenübergestellt.

    Dieses Spannungsverhältnis macht den Film neben seinen dramaturgischen und filmsprachlichen Mitteln sehenswert: Die Allegorie auf die menschliche Gesellschaft, die fehlende Zivilcourage der Bevölkerung und die Gewissenskonflikte des Einzelnen geben ZWÖLF UHR MITTAGS eine zeitlose Qualität.

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    MYTHOS WESTERN

    Filmfiguren Hauptfigur des Films ist der in die Jahre gekommene Marshal Will Kane. Er stellt eine Variante des einsa-men Westerners dar. Seine Isolation ist jedoch nicht die beständige und selbst gewählte Einsamkeit des Cowboys oder Trappers. Er wird erst durch soziale Ausgrenzung zum einsamen Helden.

    Kanes moralisches Dilemma, hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu seiner Frau, die Gewalt ab-lehnt, und seinem Pflichtgefühl als ehemaliger Marshal, spiegelt sich in seinem Gesicht und seiner Haltung wider. Schlussendlich vermag Kane den Konflikt nur mit Gewalt zu lösen und am Ende ist er der Held, der seine Überzeugungen verteidigt unddie Stadt vor den Banditen gerettet hat. Durch das Hinwerfen seines Marshal-Sterns zeigt er aber auch,dass er nicht mehr Teil dieser Gewaltspirale und einer Gesellschaft voller Mitläufer/innen sein möchte.

    Die auflauernden Banditen sind genretypisch dunkel gekleidet und zeigen wenig Mimik, dadurch wirken sie umso gefährlicher. Sie verkörpern, trotz prägnanter Physiognomien, weniger einzelne Charaktere als vielmehr das bedrohliche und von allen Seiten lauernde Böse. Den Kleinstadtbewohnern/innen ist in unterschiedlichen Abstufungen die Angst im Gesicht abzulesen.

    Der Friedensrichter verschwindet, nachdem er die amerikanische Flagge, Gesetzbuch und eine Waage als Symbol für Gerechtigkeit eingepackt hat, sogar vollständig aus der Stadt. Andere verschanzen sich in ihren Häusern, in der Kirche oder im Saloon und hinter fadenscheinigen Begründungen, mit denen sie Kane ihre Unterstützung verweigern.

    Kanes Stellvertreter, Deputy Harvey Pell hilft Kane aus gekränkter Eitelkeit heraus nicht, da dieser ihm bei seinen Karriereplänen im Weg steht. Den zahlreichen Männercharakteren im Film stehen zwei weib-liche Charaktere gegenüber, die auf den ersten Blick prototypisch wirken. Zum einen die junge und naiv- unschuldig wirkende Ehefrau Kanes, die blonde Quäkerin Amy.

    Zum anderen die temperamentvolle Mexikanerin Helen Ramírez, „the other woman“, ehemalige Geliebte Kanes und eine eigenständige Geschäftsfrau und Besitzerin des Saloons. Im Verlauf des Films freunden sich die beiden „Konkurrentinnen“ an – und es werden auch gegenläufige Charakterzüge sichtbar. So lässt die unschuldige Amy in Bezug auf ihren Mann Eifersucht und sexuelles Begehren aufblitzen und greift sogar – trotz ihrer Ablehnung von Gewalt – zur Waffe.

    Helen Ramirez, die nach außen hin Begehren und Leidenschaft verkörpert, zeigt, dass sie dieser Gefühls-wallungen müde ist und möchte nur noch fernab ihres bisherigen Lebens Ruhe und Frieden finden. Die anfängliche Rollenkonstellation der Protagonistinnen, der „reinen“ und naiven Ehefrau und der „zweifel-haften“, libidinösen Geschäftsfrau hat sich somit am Ende teilweise ins Gegenteil verkehrt.

    Besetzung Der uneingeschränkte Star des Films und damit auch „Kassenzugpferd“ war Gary Cooper als Will Kane – damals bereits 51 Jahre alt –, der zu den größten Hollywoodstars der 1930er bis 1950er gehörte. Auch wenn heute John Wayne als der Western-Darsteller schlechthin gilt, war Cooper damals, neben Gregory Peck und James Stewart, gleichfalls ein bekannter Western-Protagonist.

    > Studio Canal/Deutsches Filminstitut, Frankfurt

  • > Studio Canal/Deutsches Filminstitut, Frankfurt

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    Im Gegensatz zu Wayne rührt sein Bekanntheitsgrad aber auch von zahlreichen Filmen anderer Genres her. Seinen ersten Oscar© gewann Cooper für die Titelrolle in dem Kriegsfilm SERGEANT YORK (USA 1941, R: Howard Hawks), für die Darstellung des Will Kane erhielt er 1953 einen weiteren. Da das Budget nicht übermäßig groß war, konnte man für die anderen Rollen keine weiteren berühmten Stars verpflichten. Für die junge Grace Kelly, die spätere Fürstin Gracia Patricia von Monaco, war dies die ers-te große Rolle und Beginn einer steilen und kurzen Karriere. Sie ist vor allem in der Rolle der eleganten, kühlen Blondine in Krimis von Alfred Hitchcock dem Publikum auch heute noch ein Begriff.

    Katy Jurado war in Mexiko eine bekannte Schauspielerin, in den USA und anderen Ländern wurde sie erst in Rolle der Saloon-Besitzerin Helen Ramírez bekannt. In den folgenden Jahren spielte sie erfolgreich in weiteren US-amerikanischen Western ähnlich angelegte Rollen. In einer Nebenrolle war (als Bandit Jack Colby) Lee van Cleef zu sehen, der in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre neben Clint Eastwood und Franco Nero einer der führenden Stars des Italo-Westerns war.

    Drehorte / Bildmotive Eigentlich sollten die Dreharbeiten im amerikanischen Südwesten, in der historischen Umgebung von Mother Lode in Südkalifornien stattfinden. Da die Bäume kurz vor Drehbeginn bereits belaubt waren, was nicht zur gewünschten, kargen Westernatmosphäre gepasst hätte, wurden die Straßenszenen in den Westernkulissen der Columbia-Studios in Hollywood gedreht. Weitere Bildmotive waren die Kirche im südkalifornischen Tuolomne City und die Iverson Ranch in Los Angeles.

    Bildgestaltung (Licht, Kamera, Einstellungsgrößen, Perspektiven)Es war zur Entstehungszeit von ZWÖLF UHR MITTAGS üblich, Westernatmosphäre durch besonders harmonisch wirkende Natur- und Panoramabilder zu erzeugen. Für diesen harmonischen Eindruck verwendete man meist farbige Filter.

    Zinnemann und der Kameramann Floyd Crosby wollten aber keinen grauen Himmel mit malerischen Wolken, sondern einen heißen, ausgebrannten Hintergrund, der wie in einer fiktiven Wochenschau aus den 1880ern wirken sollte und den Fotografien Matthew Bradys aus dem amerikanischen Bürgerkrieg nachempfunden war. Deswegen wurden die Filter weggelassen wodurch das Licht flach und eintönig wirkte. Die grobkörnige Schwarz-Weiß-Fotografie unterstrich den real wirkenden Bildcharakter. Die be-wusst angelegte Kargheit wird auch durch das Weglassen von Landschaftsansichten. In vielen dramati-schen und klassischen Western gibt es in der Regel Panoramaeinstellungen, in der die Landschaft ohne sichtbare Menschen gezeigt wird. Der Zuschauer erhält so einen Eindruck davon, wie weit und „gewaltig“ die freie Natur ist.

    In ZWÖLF UHR MITTAGS gibt es dagegen keine dieser typischen Panoramaaufnahmen, was die Enge der Kleinstadt betont. Der überwiegende Teil der Aufnahmen spielt in den Straßen des kleinen Ortes und in Innenräumen. Der einzige Blick in die Ferne führt auf die Bahnschienen. Dieser vermittelt jedoch kein Ge-fühl von Freiheit und Abenteuer, sondern verweist auf die zu erwartende Bedrohung durch Frank Miller.

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    MYTHOS WESTERN

    Ebenfalls typisch für den Western ist die sogenannte „Amerikanische Einstellung“, in der die Figuren vom Oberschenkel bis zum Kopf – also vom Colt am Gürtel bis zum Cowboyhut – gezeigt werden (zu Kamera-einstellungen vgl. z.B.: Martin Ganguly: Filmanalyse, Stuttgart 2011). So kann das Kinopublikum sowohl die Gesichter als auch den Colt sehen und erkennen, wer beim Duell als Erster zieht.

    Um das Innenleben der Protagonist/innen zu verdeutlichen, gibt es viele Momente mit Naheinstellungen auf Gesichter, die sich, um die Unruhe der Wartesituation rhythmisch zu verstärken, mit Halbnahen und Halbtotalen abwechseln. Die Kamera zeigt durch genaue Beachtungen der Blickachsen und Kamera- schwenks mehrfach die Verbindung der Figuren untereinander. Als Amy Kane und Helen Ramírez in der Kutsche zum Bahnhof an Will Kane vorbeifahren, wird die Blickrichtung in Kombination mit der Kutsch- und Kamerafahrt so eingefangen, das der Blickachsenanschluss (Eyeline-Match) genau stimmt und dem Zuschauenden vermittelt wird, dass sich die Figuren intensiv anschauen.

    Kurz vor dem Schlussduell führt eine Kranfahrt über die Dächer der Hauptstraße hinweg dem Publikum bildnerisch aus der Vogelperspektive die Verlassenheit Kanes vor Augen, der sich als „lonely hero“ dem Geschehen stellen muss.

    Zeit im Film und Montage Der kammerspielartige Film spielt – beinahe – in der Realzeit. Die Handlungszeit von etwa 100 Minuten wird in 85 Minuten dargestellt. Die unaufhaltsam voranschreitende Zeit, die bis zur Ankunft von Frank Miller immer schneller zu vergehen scheint, wird durch eine fast unmerkliche Erhöhung der Schnitt-geschwindigkeit wie auch durch viele Schnitte auf verschiedene Uhrzifferblätter in Nah- und Detailauf-nahmen sowie in Untersicht und auf die bedrohlich ins Bild laufenden Schienensträngen der Bahn suggestiv in Szene gesetzt. (vgl. z.B.: Martin Ganguly: Filmanalyse, Stuttgart 2011, S.19 f).

    Die bewusst gesetzte rhythmisierende Montage, in der sich die oben genannten Einstellungsgrößen abwechseln, trägt erheblich zum Spannungsaufbau bei. Durch diese sogenannte Parallelmontage – Handlungen oder Handlungselemente an verschiedenen Orten werden in der Abfolge A-B-A-B... parallel gezeigt, um dann in einem Handlungshöhepunkt zusammenzutreffen (vgl. z.B.: Martin Ganguly: Film- analyse, Stuttgart 2011, S. 37 ff.) – wird die Erwartungshaltung des Zuschauenden verstärkt, da dadurch der Wettlauf mit der Zeit verdeutlicht wird.

    Alle – Kinopublikum und Filmfiguren – wissen, dass um 12 Uhr, wenn der Zug mit Frank Miller eintrifft, auch die tödliche Konfrontation zwischen dem Protagonisten Kane und den Antagonisten, der Miller- Gang, unausweichlich ist.

    Für ihre genau rhythmisierte Bildmontage erhielten Elmo Williams und Harry W. Gerstad 1953 den Oscar® für den besten Schnitt.

    FilmmusikEbenfalls mit je einem Oscar® ausgezeichnet wurde die Filmmusik sowie der Titelsong aus der Feder von Dimitri Tiomkin „The Ballad of High Noon“, besser bekannt als „Do Not Forsake Me, Oh My Darlin’“ bezieht sich inhaltlich auf die Handlung des Films und wird im Film mit und ohne Gesangsstimme leit-motivisch mehrmals wiederholt, was zur Atmosphäre und auch zum Erfolg des Films nicht unwesentlich beigetragen hat, da die Melodie überaus eingängig ist.

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    MYTHOS WESTERN

    High Noon Songtext

    (Quelle: http://www.golyr.de/tex-ritter/songtext-high-noon-524011.html)

    Der Rhythmus der Musik, die zugleich sehnsuchtsvoll und angstbesetzt klingt, unterstreicht die Bedrohung durch die angekündigten Banditen sowie die verzweifelte Situation von Will Kane und den Bürger/innen der Stadt. Die Verwendung eines Songs als Leitmotiv wurde durch den Erfolg des Soundtracks von ZWÖLF UHR MITTAGS von der Musikindustrie aufgenommen und seitdem wirtschaftlich erfolgreich vermarktet. Der Originalsong wurde von dem Schauspieler und populären Country-Sänger Tex Ritter interpretiert, in den Jahrzehnten danach gab es unzählige Coverversionen in unterschiedlichen Sprachen. 2001 wurde eine CD mit 27 Variationen veröffentlicht.

    Rezeption / IntermedialitätZWÖLF UHR MITTAGS war und ist laut eigenen Aussagen der Lieblingsfilm dreier US-amerikanischer Präsidenten: Dwight D. Eisenhower, Bill Clinton und George Bush (Quelle: Fernsehdokumentation INSIDE HIGH NOON, USA 2003), die vor allem die Durchhaltekraft des Protagonisten bewundern.

    Der Film entstand in der nach dem US-Senator Joseph McCarthy benannten McCarthy-Ära (1947 bis 1956), der stark antikommunistischen Anfangsphase des Kalten Krieges. In dieser Zeitspanne wurden in den USA vor allem viele Künstler/innen auf Verbindungen zum Kommunismus hin befragt und teilweise mit Berufsverbot belegt.

    ZWÖLF UHR MITTAGS wurde und wird deswegen mit verschiedenen politischen Bezügen der damaligen Zeit in Verbindung gebracht, die jedoch unterschiedlich interpretiert werden. Drehbuchautor Foreman, in den 1930ern Mitglied der kommunistischen Partei, wurde als Verdächtiger vor das „Komitee für un-amerikanische Umtriebe“ zitiert und konnte deswegen nach ZWÖLF UHR MITTAGS in Hollywood faktisch nicht mehr arbeiten.

    Do not forsake me, oh my darlin‘ On this, our weddin‘ day Do not forsake me, oh my darlin‘ Wait, wait along The noon day train will bring Frank Miller If I‘m a man I must be brave For I must face that deadly killer Or lie a coward, a craven coward Or lie a coward in my grave Oh, to be torn ‚twixt love and duty supposin‘ I lose my fair-haired beauty Look at that big hand move along Nearin‘ high noon

    He made a vow while in state prison Vowed it would be my life or his‘n I‘m not afraid of death but oh What will I do if you leave me? Do not forsake me, oh my darlin‘ You made that promise when we wed Do not forsake me, oh my darlin‘ Although you‘re grievin‘, don‘t think of leavin‘ until I shoot Frank Miller dead Wait along, wait along Wait along, wait along

    http://www.golyr.de/tex-ritter/songtext-high-noon-524011.html

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    So sehen manche Interpreten/innen in der Filmhandlung Kane als Symbol für die Opfer dieser Ausschüsse, denen sich in einem Klima der Angst niemand entgegenzustellen wagt. Die Freiheit und das Recht auf Meinungsäußerung wird allegorisch – wie die US-Flagge des Friedensrichters – einfach zusammengerollt und weggepackt.

    Andere Interpreten/innen sehen dagegen Kane als Personifizierung den US-Senators McCarthy selbst und die Banditen als kommunistische Bedrohung der USA. Regisseur Zinnemann verweigerte sich allen politischen Deutungen und wollte sich dazu nicht äußern.

    Der republikanisch orientierte Western-Darsteller John Wayne, der selbst Kollegen/innen auf die schwarzen Listen des McCarthy-Komitees brachte, verachtete wie auch Western-Regisseur Howard Hawks diesen Film als antiamerikanisch. Ihrer Ansicht nach würden sich US- Bürger/innen nie so feige wie die Bewohner/innen von Hadleyville verhalten (vgl.: Joe Hembus: Western-Lexikon, Hanser Verlag, München/Wien, 1976, S.738).

    Unter der Regie von Howard Hawks drehte Wayne gut sechs Jahre später den als Gegenfilm zu ZWÖLF UHR MITTAGS bezeichneten Film RIO BRAVO (USA 1959), eine konservativ-reaktionäre Variante des Themas mit wenig beziehungsweise gar keinen Selbstzweifeln der Figuren. In diesem Klassiker erhält der Gesetzeshüter ( John Wayne als Sheriff Chance) bei der Bewältigung einer gefahrenvollen Aufgabe eine klare Unterstützung durch seine Mitmenschen.

    ZWÖLF UHR MITTAGS wird in vielen Filmen und Fernsehserien zitiert. So warten in der Anfangsszene des Italo-Westerns SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD ebenfalls einige Banditen auf die Ankunft eines Zuges. Der erste Satz des Films „Where is Frank?“ kann nur von Kenner/innen von ZWÖLF UHR MITTAGS verstanden und intertextuell eingeordnet werden.

    Auch in der US-amerikanischen Fernsehserie THE SOPRANOS (USA 1999-2007, HBO, sechs Staffeln) zitiert der Hauptcharakter, der Mafiaboss Tony Soprano, häufig Zinnemanns Western und seufzt immer wieder „Whatever happened to Gary Cooper?“.

    Für ihn ist Will Kane das ideale Männerrollenvorbild – willensstark und hart. So sieht er sich selbst ebenfalls als den „strong, silent type“, was im Gesamtzusammenhang mit seinem Mafiacharakter jedoch für das Publikum eher erheiternd wirkt, da er vornehmlich wenig schweigsam und auch nicht immer willensstark ist.

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    1992

    Darsteller/innen > William „Bill“ Munny: Clint Eastwood > Little Bill Daggett: Gene Hackman > Ned Logan: Morgan Freeman > English Bob: Richard Harris

    > Schofield Kid: Jaimz Woolvett > W.W. Beauchamp: Saul Rubinek > Strawberry Alice: Frances Fisher > Delilah Fitzgerald: Anna Thomson

    UNFORGIVEN (ERBARMUNGSLOS)

    Inhalt In Wyoming in den 1880er-Jahren lebt der frühere Auftragskiller William „Bill“ Munny mit seinen beiden Kindern als Schweinefarmer. Sein altes Leben hat er für die Liebe zu seiner inzwischen verstorbenen Frau Claudia aufgegeben. Die Farm wirft kaum etwas ab und so lässt sich Munny vom jungen Revolverhelden „Schofield Kid“ zu einem letzten Auftrag überreden. Er soll ihm helfen, zwei Cowboys zu erschießen, von denen einer der Prostituierten Delilah das Gesicht zerschnitten hat. Auftraggeberinnen sind die Prostitu-ierten des Bordells der Kleinstadt Big Whiskey.

    Zur Unterstützung nimmt Munny seinen alten Partner Ned Logan mit. Kaum sind die drei Männer in Big Whiskey angekommen, wird der durch eine Krankheit ohnehin geschwächte Munny vom Sheriff „Little Bill“ Daggett, der aus eigennützigen Motiven heraus die Rachemorde verhindern will, zusammengeschlagen und aus der Stadt gejagt.

    Es gelingt den Männern dennoch den Auftrag zu erfüllen. Ned Logan hat nach der Erschießung des ersten Cowboys erkannt, dass das Leben eines Revolverhelden für ihn endgültig vorbei ist.

    Produktionsland: USA

    Regie: Clint Eastwood

    Laufzeit: 131 Minuten

    Format: Farbe, Projektionsformat (2:35:1)

    Altersfreigabe: FSK: 16

    > © 1992 Warner Bros. Entertainment Inc. All rights reserved

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    II. SCREENING

    MYTHOS WESTERN

    Er verlässt Munny und „Schofield Kid“ vorzeitig, wird aber auf dem Heimweg von Sheriff Daggetts Leuten geschnappt. Da er den Aufenthaltsort seiner Partner nicht verraten will, wird Logan vom Sheriff zu Tode gefoltert und zur Abschreckung in einem Sarg öffentlich ausgestellt.

    Als Munny bei der Auszahlung der Belohnung davon erfährt, wird er wieder zu dem Trinker und Revolver-helden, der er einst war, und reitet als Rächer allein in die Kleinstadt zurück. Bei Nacht und Regen schießt er Daggett und seine Helfer nieder.

    Im Abspann erfährt man, dass er zu seinen Kindern zurückgekehrt und nach Kalifornien gegangen ist, um dort ein neues, bürgerliches Leben zu beginnen.

    Hintergrund / DrehbuchERBARMUNGSLOS basiert auf dem Skript „The William Munny Killings“, das der Drehbuchautor David Webb Peoples (bekannt als Co-Autor des Science-Fiction-Klassikers BLADE RUNNER, USA/HK/GB 1982, R: Ridley Scott) 1975 ursprünglich für den Regisseur und Produzenten Francis Ford Coppola schrieb. Eastwood kaufte das Drehbuch, wartete aber einige Jahre mit dem Drehbeginn, da er sich für die Hauptrolle noch nicht alt genug fühlte.

    Der überraschend große künstlerische und kommerzielle Erfolg, den der Produzent, Hauptdarsteller und Regisseur Kevin Costner mit DANCES WITH WOLVES (DER MIT DEM WOLF TANZT, USA 1990) hatte, brachte Eastwood dazu, den Film schließlich zu realisieren. Der Film wurde in vier Monaten im Herbst 1991 in Kanada gedreht. Das Budget belief sich auf 14.400.000 US-Dollar und spielte bis Juli 1993 welt-weit 159.157.447 US-Dollar ein. (Quelle: Patrick McGilligan: Clint – The Life and Legend. Harper Collins, London 1999, S. 476).

    Genrebezug ERBARMUNGSLOS ist ein Spätwestern, den Clint Eastwood seinen beiden Mentoren, den Regisseuren Sergio Leone (1929-1989) und Don Siegel (1912–1991) widmete. Er reduzierte darin das Spiel der Protago-nisten/innen wie Leone in seinen Italo-Western auf ihre charakteristischen Hauptmerkmale.

    Sein Protagonist William Munny ist fast ebenso wortkarg wie die von Eastwood verk�