KLINIK, GENETIK UND ETHIK - ruhr-uni-bochum.de · 1 KLINIK, GENETIK UND ETHIK DER AUTOSOMAL...
Transcript of KLINIK, GENETIK UND ETHIK - ruhr-uni-bochum.de · 1 KLINIK, GENETIK UND ETHIK DER AUTOSOMAL...
1
KLINIK, GENETIK UND ETHIK
DER AUTOSOMAL DOMINANT POLYZYSTISCHEN NIERENERKRANKUNG
Rita Kielstein
Schicksale in einer Familie
Frau H. ist Trägerin der autosomal dominant vererbbaren polyzystischen
Nierenerkrankung (ADPKD). Ich lernte sie vor einigen Jahren kennen, als sie in die
Nephrologische Klinik kam. Seit ihrem 52. Lebensjahr ist sie niereninsuffizient und
dialysepflichtig. Zu diesem Zeitpunkt ließen sich ihre vier Söhne mit der Ultraschall-sonografie
untersuchen. Dabei wurde festgestellt, daß sie alle Merkmalsträger sind, das heißt, daß sie früher
oder später dialysepflichtig werden können. Nach Kenntnis ihrer eigenen Diagnose kritisieren
die Kinder das Verhalten der Eltern in aggressiver Weise. Sie werfen ihnen vor, daß es bei
Kenntnis dieser Erbkrankheit - der Großvater mütterlicherseits war an dieser Nierenkrankheit
verstorben - verantwortungslos gewesen sei, 'Kinder mit diesem Risiko in die Welt zu setzen'.
Drei Söhne sind bis zum heutigen Zeitpunkt noch beschwerdefrei und ohne Symptome. Als bei
dem ältesten Sohn erste Symptome der Krankheit auftraten, beging er einen Suizid. Ein anderer
Sohn verzichtet auf Ehe und eigene Kinder, da er 'diese Krankheit nicht vererben möchte'. Nach
Kenntnis der Diagnose ordnet ein anderer Sohn seine berufliche Karriere der zu erwartenden
Dialysepflicht unter; er ist ebenfalls nicht verheiratet. Der vierte Sohn löst seine Verlobung, weil
er 'seiner Frau nicht die Bürde mit einem dialysepflichtigem Mann auferlegen möchte'.
Außerdem verkauft er sein im Bau befindliches Haus, da er die 'verbleibenden gesunden
Lebensjahre nicht mit schwerer Arbeit vergeuden möchte'. Diese Familiengeschichte beschreibt
individuell unterschiedliche Reaktionen von präsymptomatischen Merkmalsträgern auf die
Information über ihre Diagnose. Die klinische Erfahrung zeigt, daß andere Risikoträger zunächst
nicht an die Zukunft denken und eher dahin tendieren, das Leben zu genießen und nicht auf Ehe
und eigene Kinder verzichten wollen; das kann dann später im Krankheitsstadium nicht selten zu
schweren psychischen Reaktionen aller Beteiligten führen.
1. KLINIK
2
1.1. Pathologische Anatomie der ADPKD
Die typischen Veränderungen bestehen immer an beiden Nieren. Da die Progression der
Veränderungen manchmal asymmetrisch sein kann, könnte dabei der Eindruck entstehen, daß
diese Krankheit auch einseitig vorkommt [GARDNER 1989]. Zum Zeitpunkt der Geburt liegen
nur Mikrozysten vor, die dann im Laufe des Lebens unterschiedlich an Größe zunehmen.
VISSER [1992] berichtete kürzlich über ein neugeborenes Kind, bei dem durch polyzystische
Veränderungen vom Erwachsenentyp das Abdomen monströs aufgetrieben war. Diese
Veränderungen findet man eigentlich erst im Endstadium der Krankheit: hier sind die Nieren oft
extrem deformiert und erreichen nicht selten die Größe eines "3-Pfund-Brotes" und wiegen bis
zu 8 Kilogramm. Die unzähligen Zysten von unterschiedlicher Größe geben der Oberfläche ein
unregelmäßiges Aussehen. Die Farbe der Flüssigkeit in den Zysten variiert von farblos über
hellgelb bis orange oder ist bei bakteriellen Infektionen getrübt. Durch Einblutungen in die
Zysten wird der Zysteninhalt braun-schwarz verfärbt. Der Zysteninhalt scheint unter Druck zu
stehen und enthält einen bisher nicht näher charakterisierbaren Faktor, der die transepitheliale
Flüssigkeitssekretion verstärkt und damit zu einer Ansammlung von Flüssigkeit im Zystenlumen
führt [GRANTHAM 1987, KOIDE 1993]). In den ADPKD-Nieren wurde die Natrium- Kalium-
ATP-ase an atypischer Stelle der Membran nachgewiesen. Damit könnte die
Flüssigkeitsansammlung in den dilatierten Tubuli erklärt werden [BARD 1992]. DU [1991]
berichtet über einen epidermalen Wachstumsfaktor, der bei der Zystenentstehung und dem
Zystenwachstum eine Rolle zu spielen scheint. Histologische Untersuchungen zeigen, daß die
Zysten entlang der gesamten Länge des Nephrons auftreten, die HENLE-Schleife und die
cortico-medullären Tubuli sind bevorzugte Orte. Viele Zysten kommunizieren mit den Glomeruli
und Tubuli. Trotz der degenerativen Veränderungen enthalten die polyzystischen Nieren viele
Nephrone, die eine normale Struktur zu haben scheinen [GARDNER 1989]. Verschiedene
Arbeitsgruppen versuchen im Tiermodell mit Substanzen wie Taxol, Methotrexat oder
Glukokortikoiden das Wachstum der Zysten zu verzögern bzw. zu verhindern. Bis zur effektiven
und schadensfreien Anwendung am Patienten ist es sicher noch ein weiter Weg [WOOLF 1994].
Es ist nicht bekannt, ob alle Zysten, die sich im Laufe des Lebens entwickeln, schon in
mikroskopisch kleiner Form zum Zeitpunkt der Geburt vorhanden waren. Klinisch besteht eher
der Eindruck, daß sowohl die Anzahl der Zysten, als auch die Größe im Laufe des Lebens
zunimmt [HIGGINS 1952]. Obwohl die Zysten in den Nieren die wichtigste Manifestation des
3
genetischen Defektes darstellen, können parallel dazu auch andere strukturelle Abnormitäten
bestehen. Leberzysten findet man bei etwa 50% der ADPKD-Patienten [MILUTINOVIC 1980,
LERNER 1992], aber auch Zysten in Pankreas, Ovar [SEGASOTHY 1993] oder Hoden sind
beschrieben worden [POTTER 1972]. Sie gehen aber selten mit funktionellen Störungen dieser
Organe einher. Aneurysmatische Erweiterungen an allen Gefäßen, insbesondere an den basalen
Hirngefäßen, wurden bei 10-40% der Merkmalsträger festgestellt [DAALGARD 1957,
TORRES 1990, LEVEY 1990, CHAUVEAU 1992]. Sie treten mit zunehmendem Alter häufiger
auf [CHAPMAN 1992]. Veränderungen an der Aorten- und Mitralklappe des Herzens sollen bei
Patienten mit einer ADPKD ebenfalls häufiger vorkommen [HOSSACK 1988, VARNERO
1992, TIMIO 1992]. GABOW [1990] berichtet außerdem noch über eine auffällige Häufung von
Colondivertikeln und Nierenzellkarzinomen bei ADPKD-Patienten, die andere Autoren als
Zufallsbefund interpretieren [KLINGEL 1994].
1.2. Klinisches Erscheinungsbild der ADPKD
Die klinischen Erscheinungen sind sehr variabel und manifestieren sich außerdem in
einem sehr unterschiedlichem Lebensalter, meist jenseits des 30. Lebensjahres [MILUTINOVIC
1991]. SEDMAN [1987] analysierte, daß 74% der Merkmalsträger bereits im Kindesalter Kopf-
oder Bauchschmerzen, eine Haematurie, eine Proteinurie oder einen erhöhten Blutdruck haben.
Häufig suchen sie erst im Erwachsenenalter einen Arzt auf. Nach PRETORIUS [1987] haben
38% der Eltern selbst keine Kenntnis von ihrer Krankheit. In meiner Sprechstunde wurde ein
Ehepaar vorstellig, da bei der 8-jährigen Tochter „Zystennieren“ diagnostiziert wurden. Erst bei
der Familienuntersuchung wurde festgestellt, daß der Vater, dessen Bruder und die Mutter beider
diese Krankheit haben, bisher jedoch keine Symptome beobachten konnten. Es wurden in
einzelnen Familien Merkmalsträger gefunden, die erst jenseits des 70. Lebensjahres erstmalig
Beschwerden durch die Veränderungen der Nieren hatten [GATTONE 1991, MILUTINOVIC
1991]. Bei 52% der Merkmalsträger soll im Alter von 72 Jahren noch keine Nierenersatztherapie
erforderlich sein [GABOW 1990]. Das wurde häufiger in Familien ohne die PKD-1 Mutation
beobachtet [PARFREY 1990]. Am häufigsten klagen die Patienten über uncharakteristische
abdominelle Beschwerden. Die Größenzunahme der Nieren, die daraus folgende
Kapselspannung oder der Druck der vergrößerten Nieren auf angrenzende Organe verursachen
4
meist ein chronisches, unbestimmtes Druck- und Völlegefühl. Treten dabei auch Übelkeit,
Erbrechen oder Diarrhoe auf, ist der Verdacht auf eine Erkrankung im Magen-Darm-Trakt
naheliegend. Nicht selten wurde vor der Aera bildgebender Verfahren erst bei einer Laparatomie
wegen zusätzlich vorhandenen Gallensteine oder Magengeschwüre die richtige Diagnose
gestellt. Über eine rezidivierende Haematurie, oft im Zusammenhang mit intensiver sportlicher
Betätigung, großer körperlicher Anstrengung oder Kompression des Abdomens, klagen etwa
50% der Patienten. Einblutungen in die Zysten, Nierensteinkoliken oder schwere
Harnwegsinfektionen sind die Ursache für akute Bauchbeschwerden. Intermittierend auftretende
Kopfschmerzen können sowohl Folge des erhöhten Blutdrucks, als auch der in 5-10 %
vorhandenen intrazerebralen Aneurysmen [RIVIERA 1991, TORRES 1990] sein. Sie sind oft
Anlaß für einen Analgetikaabusus dieser Patientin, der als eigenständiges Krankheitsbild
ebenfalls zur Niereninsuffizienz führen kann. Klagen Patienten aus ADPKD-Familien über
häufige Kopfschmerzen, empfehlen WIEBERS [1992] und TORRES [1990] ein nichtinvasives
Screening mit der MRI- Angiografie. Untersuchungen mit der zerebralen Angiografie werden
wegen der Komplikationen bei ADPKD Patienten auch von CHAPMAN [1992] abgelehnt.
Im fortgeschrittenen Krankheisstadium fallen bei der körperlichen Untersuchung
ausladende Flanken auf. Im Abdomen tastet man bei 50-94% der Patienten sehr deutlich die
vergrößerten Nieren mit einer grobhöckrigen Oberfläche. Eine vergrößerte Leber mit
unregelmäßiger Oberfläche findet man bei 30% der Kranken. Häufiger als bei anderen
Menschen sollen bei ADPKD-Patienten abdominelle Hernien auftreten [GABOW 1990]. Die
Hypertonie ist ein sehr frühzeitiges Symptom [MACNICOL 1986, LOCATELLI 1992]; sie wird
bei einem Drittel der ADPKD- Patienten mit normaler Nierenfunktion gefunden [BOBRIE
1992]. Mit Zunahme des Funktionsverlustes der Nieren steigen sowohl der systolische als auch
der diastolische Blutdruck kontinuierlich an, sodaß man im fortgeschrittenen Stadium der
Erkrankung bei 75 % der Patienten einen Hypertonus feststellen kann [GABOW 1985, ICKLER
1987, FLORIJN 1992]. Es wurde keine Beziehung gefunden zwischen Hypertonus und dem
Alter des Patienten oder der Größe der Zysten [GEBERTH 1990]. Die Ursache der Hypertonie
bei der ADPKD ist noch nicht geklärt. Das Renin-Angiotensin System könnte durch die
strukturellen Veränderungen in den Nieren aktiviert werden. Es ist denkbar, daß die Gefäße in
Umgebung der Zysten und die relative renale Ischämie oder eine veränderte Salzausscheidung
infolge tubulärer Abnormität den Mechanismus unterhalten [CHAPMAN 1992]. Bei
5
immunhistochemischen Untersuchungen des Renins wurden in den ADPKD-Nieren
juxtaglomerulär und vaskulär mehr Renin-Granula gefunden, als in normalen Nieren [GRAHAM
1988]. Diese Ergebnisse würden die Theorie einer renininduzierten Hypertonie unterstützen. D'
ANGELO [1975] berichtet über eine schlechtere Salzexkretion bei diesen Patienten. NASH
[1977] erreichte bei seinen Patienten normotone Blutdruckwerte bei einer Salzzufuhr von 10
mEq pro Tag. Die Abnormitäten beim Natriumtransport an den Erythrozyten entsprechen denen
bei der essentiellen Hypertonie und könnten deshalb zur Entwicklung des erhöhten Blutdrucks
beitragen [BOERO 1992].
1.3. Diagnostik der ADPKD
Mit den unterschiedlichen Formen der Nierenersatztherapie ist ein langfristiges
Überleben von Patienten mit einer chronischen Niereninsuffizienz möglich. Dadurch tritt jetzt
zunehmend ein Patientenklientel in Erscheinung, bei dem bekannt ist, daß Eltern oder Großeltern
wegen dieser Krankheit behandelt werden oder daran verstarben. Bei etwa 60% der Patienten
findet man in der Familienanamnese Hinweise auf das Vorliegen dieser Krankheit [IGLESIAS
1983]. Bei diesen Risikopatienten sollte man eine Ultraschallsonografie durchführen. Sie ist in
der Lage, Zysten mit einem Durchnesser von 2-5 mm zu lokalisieren. Es werden weder
Kontrastmittel noch Röntgenstrahlen benötigt, sodaß diese Screeningmethode auch bei Kindern
und Schwangeren anzuwenden ist [BEAR 1984]. Sonografisch können 83 Prozent der klinisch
asymptomatischen Patienten im Alter von unter 30 Jahren erkannt werden [FRICK 1992]. Mit
der Computertomografie gelingt es Zysten mit einer Größe von unter 0,5 mm zu erfassen und die
Differenzierung zwischen wässrigem und blutigem Zysteninhalt vorzunehmen. Sie ist, aufgrund
der Notwendigkeit ein Kontrastmittel zu applizieren und wegen der Strahlenbelastung, nur in
ausgewählten Fällen indiziert. Die Kernspinresonanztomographie (NMR = nuclear magnetic
resonance) soll keine diagnostischen Vorteile bieten, verursacht aber höhere Kosten [LEUNG
1984] und ist außerdem nur in größeren Einrichtungen vorhanden. Nur durch diese modernen
bildgebenden diagnostischen Verfahren ist es heute möglich, die ADPKD bereits vor dem
Auftreten klinischer Symptome zu diagnostizieren. Es gibt bei dieser Krankheit vor Beginn der
Niereninsuffizienz keine typischen Laborbefunde weder im Blut noch im Urin, die auf die
Erkrankung hinweisen. Eine neue Qualität der Diagnostik ist mit der Anwendung von DNA-
6
Markern erreicht [REEDERS 1986, BREUNING 1990], die aber vorwiegend in der praenatalen
Diagnostik von Bedeutung sind [WRIGHT 1993].
1.4. Prognose und Therapie
Da es derzeit keine kausale Therapie für diese Krankheit gibt, benötigen
asymptomatische Patienten ohne Hypertonie und ohne Funktionsverlust der Nieren keine
Behandlung. Die ADPKD ist eine langsam fortschreitende Erkrankung, die selten vor dem 40.
Lebensjahr zum dialyspflichtigen chronischen Nierenversagen führt. Der Beginn einer
Nierenersatztherapie wird nach SATWANT SINGH [1991] durchschnittlich im Alter von 47,3
plus/ minus 15,2 Jahren erforderlich. Obwohl es typische familiäre Verlaufsformen gibt, werden
auch intrafamiliär sehr individuelle Krankheitsverläufe beobachtet. So findet man Unterschiede
bei der Art der ersten Symptome, dem Lebensalter, in dem sich Symptome und
Niereninsuffizienz manifestieren sowie in der Nierengröße, der Größe der Zysten und dem
Auftreten von Syntropien. Welche Faktoren das Fortschreiten der Krankheit und die
Entwicklung einer Niereninsuffizienz beeinflussen, ist derzeit nicht bekannt. Ob hereditäre oder
Umweltfaktoren die Progression begünstigen, untersuchen derzeit einige Arbeitsgruppen in
Europa [CONTE 1991]. Obwohl nicht alle Autoren einen negativen Einfluß der Hypertonie auf
das Fortschreiten der Niereninsuffizienz annehmen, plädieren doch viele dafür, den Hypertonus
frühzeitig zu behandeln. GONZALO [1991] konnte mit einer antihypertensiven Therapie und
einer strikten eiweißarmen Diät die Progression der Niereninsuffizienz verzögern. Unter der
Therapie mit ACE-Hemmern kommt es zum Abfall des renalen Gefäßwiderstandes ohne
Veränderung der glomerulären Filtrationsrate. Damit könnte dieser Stoffklasse eine besondere
Bedeutung bei der Behandlung der Hypertonie zukommen [WATSON 1992, ZEIER 1994]. Der
Beweis, daß eine Proteinrestriktion einen günstigen Einfluß auf den Krankheitsverlauf hat, steht
noch aus. OLDRIZZI [1985] berichtet über derartige Erfolge bei einer kleinen Anzahl von
Patienten. Es ist weiterhin nicht bewiesen, ob rezidivierende Infekte des Nierenparenchyms die
Progression beschleunigen. Das Vermeiden rekurrierender Infekte und eine effektive
antibiotische Therapie bei Harnwegsinfekten scheinen jedoch einen günstigen Einfluß auf die
Prognose zu haben.
Mit einer Entlastungspunktion der Zysten kann man andauernde Schmerzen beseitigen
[HIGASHIHARA 1992]. Dieses Verfahren wurde in den 5oiger Jahren häufig durchgeführt, in
7
der Hoffnung, die Nierenfunktion langfristig zu erhalten, wurde aber wegen fehlender Erfolge
wieder verlassen. GARCIA [1990] berichtet über eine kurzfristige Besserung der glomerulären
Filtrationsrate nach Entlastungspunktion, die sich jedoch durch Auffüllen der Zysten wieder
verschlechtert. Eine Verzögerung der Progression ist mit einer chirurgischen Zystenentfernung
nicht zu erreichen [ELZINGA 1992]. Wenn der Prozeß des Nierenversagens einsetzt, sollte eine
symptomatische Therapie erfolgen. Das betrifft die optimale Korrektur des Blutdrucks, die
Kompensation des Salz- und Wasserverlustes und diätetische Maßnahmen. Das Auftreten einer
persistierenden oder rekurrierenden Haematurie kann eine Nephrektomie erforderlich machen.
Auch rezidivierende therapieresistente Infektionen und septische Zustände, die von den Nieren
ausgehen, sind eine Indikation zur Nephrektomie; ebenso Kompressionserscheinungen, die den
Ureter, das Nierenbecken oder die V. cava inferior [LEIMENSTOLL 1991] betreffen. Häufiger
erfolgt eine uni- oder bilaterale Nephrektomie im Rahmen der Sanierung zur
Nierentransplantation bei bereits dialysepflichtigen Patienten. Die Auffassungen zu diesem
Vorgehen sind sehr unterschiedlich. Eigene Erfahrungen stimmen mit den Autoren überein
[GRANTHAM 1984], die zur Vermeidung rekurrierender Infekte mit der Gefahr einer Sepsis,
der Entwicklung eines renalen Hypertonus und wegen der möglichen Entstehung von Neoplasien
im Anschluß an eine Nierentransplantation, eine bilaterale Nephrektomie favorisieren. Der
Eingriff ist für Patienten weniger belastend und erfordert nur eine Narkose bei einem einzeitigen,
transabdominellen Vorgehen [MÜLLER 1981, MÜLLER 1984].
Neben der medizinisch-technischen Behandlung ist die medizinisch-ethische Betreuung
des dialysepflichtigen Patienten sehr wichtig. Compliance und Coping werden dadurch
verbessert, denn der terminal niereninsuffiziente Patient muß ein verantwortlichen Partner sein,
sonst ist ein längerfristiges Überleben mit der Haemodialyse bzw. Peritonealdialyse und auch mit
einer Nierentransplantation nicht möglich. [KIELSTEIN 1991]. Die veränderte Lebensqualität
unter den Bedingungen einer Dialysetherapie, wird vor allem bestimmt durch den
Behandlungsrhythmus von 3 Mal/Woche je 4-5 Stunden. Die Restriktion der täglichen
Flüssigkeitszufuhr auf 300-500 ml/Tag bei Olig- oder Anurie wird von allen Patienten als
äußerst belastend empfunden. Der Verzehr von Gemüse und Obst sowie anderen kaliumreichen
Nahrungsmitteln ist, wegen der Gefahr von Herzrhythmusstörungen infolge Hyperkaliämie,
erheblich einzuschränken. Eiweißreiche Nahrung enthält viel Phosphat, das langfristig durch die
urämische Kalzium-Phosphat Imbalance, die Störungen des Knochenstoffwechsels verstärkt.
8
Veränderungen an den Gelenken und Knochen verursachen starke Schmerzen. Auch im sozialen
und psychischem Bereich kommt es zu gravierenden Veränderungen. Männer müssen meist
ihren Beruf aufgeben oder aber auf eine erreichte berufliche Position verzichten. Sie verarbeiten
diese Veränderung mit erheblichen Störungen des Selbstwertgefühls und entwickeln inadäquate
Verhaltensweisen, die häufiger der Grund für eine soziale Isolation der gesamten Familie sind.
Frauen können ihre Rolle in der Familie nicht erfüllen und fühlen sich durch die vielfältigen
körperlichen Veränderungen infolge der Urämie zunehmend unattraktiver. Sie reagieren mit
seelischen Verstimmungen, die Störungen in der Partnerschaft und in der Intimsphäre, zuweilen
sogar Ehescheidungen, zur Folge haben. Insbesondere junge Menschen leiden unter den
plötzlich gestörten Lebensplänen. Die Zukunft mit einem Beruf ihrer Wahl und einer eigenen
Familie läßt sich nur realisieren, wenn eine Nierentransplantation erfolgreich ist.
Die Überlebensraten der ADPKD-Patienten in der chronischen Dialysebehandlung sind
identisch mit denen anderer Krankheiten der Niere, außer mit denen des Diabetes mellitus
[SATWANT 1990, KRAMER 1982, HELLERSTEDT 1984]. Nach 5 Jahren Dialysetherapie
sind noch 85% der Patienten am Leben [CHESTER 1978, GARCIA 1985]. Patienten mit einer
ADPKD versterben sehr häufig an Infektionen (30%). Über schwere hepatische Infektionen bei
Leberzysten berichtete GRÜNFELD [1985]. Abszeßbildungen im Abdomen bei
Darmdivertikeln beobachtete SCHEFF [1980]. Letale septische Zustände nach
Nierentransplantation, ausgehend von den eigenen Nieren, werden in der Literatur häufiger
beschrieben. Weitere Todesursachen bei diesen Patienten sind kardiovaskuläre Komplikationen
(18%), intrazerebrale und subarachnoidale Blutung (14%) sowie Bronchopneumonie (4%)
[HIDA 1984]. Bei 58% der Patienten fand GARDNER [1989] keine genau definierbare
Todesursache.
2. GENETIK
2.1. Genetische Information
AVERY, MAC LEOD und MC CARTY identifizierten 1944 die DNA als Träger der
genetischen Information [BLUM 1993]. Heute machen es molekularbiologische Methoden
möglich, Gene zu isolieren, ihre Struktur und Funktion zu charakterisieren, sie in vitro zu
9
multiplizieren und sie in nahezu unbegrenzten Mengen zu exprimieren. Damit ergeben sich für
fast alle Bereiche der klinischen Medizin Anwendungsmöglichkeiten, die für Diagnose, Therapie
und Praevention von Erkrankungen von Bedeutung sind. Die Basis aller gentechnologischen
Manipulationen ist die DNA, die aus den zwei Purinbasen Adenin und Guanidin und den zwei
Pyrimidinbasen Thymin und Cytosin bestehen. Beide sind untereinander durch Zuckerreste zu
einer Polynukleotidkette verbunden. Durch komplementäre Basenpaarung von zwei
Polynukleotidketten zwischen Adenin und Thymin bzw. Cytosin und Guanin entsteht die
bekannte Doppelhelixstruktur der DNA. Das menschliche Genom besteht aus rund 3x109
Basenpaaren. Sie sind im Zellkern als Chromosomen strukturiert. Jede Körperzelle des
Menschen enthält 46 Chromosomen: 22 Chromosomen plus 1 Geschlechtschromosom X von der
Mutter und 22 Chromosomen plus 1 Geschlechtschromosom Y vom Vater. Die DNA ist der
Träger der genetischen Information [WATSON 1953].
Durch molekulare Hybridisierungsanalysen oder Polymerasekettenreaktion ist die
Gentechnologie heute bereits in der Lage, für folgende genetisch bedingten Erkrankungen den
Nachweis zu bringen [BLUM 1993]: (1) Haemoglobinopathien (Sichelzellanämie, ß-
Thalassämie); 2) Enzymopathien (im Kohlehydratstoffwechsel: z.B. Galaktosämie, im
Aminosäurestoffwechsel: z.B. Phenylketonurie, im Lipidstoffwechsel: z.B. M.Gaucher, Tay
Sachs, im Mucopolysaccharidstoffwechsel: z.B. Hunter-Syndrom, Hurler-Syndrom); (3) andere
metabolische Erkrankungen (alpha-Trypsinmangel, Lesch-Nyhan Syndrom, Xeroderma
pigmentosum, Duchenne Muskelatrophie, Zystische Fibrose; (4) onkologische und andere
Erkrankungen (Retinoblastom, Leukämie, Lymphome, Chorea Huntington, Alzheimer,
Haemophilie A und B, Neurofibromatose, Friedreichsche Ataxie, ADPKD).
Experimentelle Gentransfer Studien an Krallenfrosch, Taufliege und Maus sind in den
letzten Jahren erfolgreich gewesen. Bevor jedoch eine Keimbahn Gentherapie am Menschen
möglich ist, müssen noch viele Probleme auf internationaler Ebene gelöst werden, insbesondere
und vor allem auch ethische Probleme [BAYERTZ 1994, KIELSTEIN 1994].
Beispiele für eine klinische Anwendungen der somatischen Gentherapie sind: -
Einschleusen des Haemoglobingens in Knochenmarkzellen bei Thalassämie, - Einschleusen von
Faktor VII oder Faktor IX Gen bei Haemophilie A oder B, - Einschleusen von
Tumornekrosefaktoren bei diversen Tumorerkrankungen, - Blockade eines überaktiven oder
pathologischen Gens durch Antisense-Oligonukleotide bei viralen oder onkologischen
10
Erkrankungen [ANDERSON 1992, CALABRETTA 1991, MILLER 1992]. Damit eröffnen sich
neue Perspektiven für die Behandlung von Erb-, Infektions- und Tumorerkrankungen. Für die
ADPKD hat die Molekularbiologie noch keine entsprechenden Therapiemethoden; Studien an
transgenen Mäusen, deren Organveränderungen und Symptome sind identisch mit denen der
ADPKD-Patienten, lassen auf Einblicke in die Pathogenese der ADPKD beim Menschen hoffen
[TRUDEL 1991], die eine Therapie erst möglich machen.
2.2. Epidemiologie und Pathogenese der ADPKD
Das Vorkommen der ADPKD wird von Genetikern mit einer Häufigkeit von 1:200 bis
1:1000 angegeben. Einige Autoren beziffern die Inzidenzrate mit 1:1250 pro Lebendgeburt oder
mit 1:500-800 pro Autopsie [GARDNER 1989]. Schätzungen gehen von ca. 5 Millionen
betroffener Patienten in der ganzen Welt aus, allein in den USA sind es nach Schätzungen
500.000 Personen. Weltweit ist bei 2% (Japan) bis 9% (USA, Europa) aller dialysepflichtigen
Patienten die ADPKD die Ursache des chronischen Nierenversagens, regional kann der Anteil
bis zu 20% betragen [DAVIES 1991, SATWANT SINGH 1991].
Mehrere pathogenetische Mechanismen sind für die Entstehung der ADPKD diskutiert
worden, keiner davon ist jedoch in der Lage, eine Erklärung für alle Aspekte dieser Krankheit zu
geben. Zunächst glaubte man, die Krankheit sei das Ergebnis einer embryonal nicht erfolgten
Vereinigung der einzelnen Nierenabschnitte, die sich dann sackartig erweitern. Mikroskopische
Untersuchungen belegten aber, daß eine Kontinuität von Tubulus und Zysten besteht [BAERT
1978]. Die ADPKD als eine Form der Neoplasie war schon einmal eine Hypothese, die derzeit
wieder diskutiert wird. Die Vermutung, daß Mikropolypen eine Obstruktion im tubulären Lumen
hervorrufen und durch einen erhöhten Druck im antegraden Tubulusabschnitt die Bildung von
Zysten begünstigt wird, ist widerlegt [EVAN 1979]. Obwohl das veränderte Zellwachstum einen
kritischen Aspekt bei der Bildung von Zysten darstellt, erklärt es nicht die extrarenalen
nichtzystischen Manifestationen. Nimmt man eine genetische Ursache an, dann bleibt zu klären,
warum nur einige Abschnitte einiger Nephronen Zysten bilden, andere dagegen nicht.
GARDNER [1987] konnte durch eine Exposition mit Endotoxinen oder Bakterien experimentell
die Erzeugung von Nierenzysten beeinflussen.
Es wurde bis vor kurzem vermutet, daß die ADPKD die Folge eines genetischen
Defektes ist. REEDERS wies 1985 [REEDERS 1985, 1987] nach, daß das als PKD-1
11
bezeichnete Gen auf dem kurzen Arm des Chromosom 16 in unmittelbarer Nähe der alpha-
Haemoglobin Region lokalisiert ist. Das Gen befindet sich auf einem 700 kb langen Abschnitt,
der ungefähr 24 Gene enthält [GERMINO 1992]. KIMBERLING [1988] fand ein 'non-linkage'
zum Chromosom 16 Marker in verschiedenen Generationen großer ADPKD-Familien. Das
sprach für die Existenz eines zweiten PKD-Gens [SARIS 1990]. Diese Beobachtung wies darauf
hin, daß möglicherweise mehrere unterschiedliche genetische Defekte für das gleiche klinische
Erscheinungsbild [RAVINE 1992, GARDNER 1992] verantwortlich sein können. Neun Jahre
nach der Identifizierung der PKD-1 Region auf dem kurzen Arm des Chromosom 16, wurde
1994 das Gen der Chromosom 16 assoziierten Form der ADPKD als Resultat einer europaweiten
Zusammenarbeit entdeckt [The European Polycystic Kidney disease Consortium 1994]. Die
Identifizierung des sog. PBP (Polycystic breakpoint) Gens gelang durch die Analyse einer
portugiesischen Familie, die außer der ADPKD auch eine Tuberöse Sklerose hatte. Mehr als
75% der DNA des PBP-Gens kommen weiter proximal nochmals in 3 Genen angeordnet auf
Chromosom 16 vor, die ebenfalls transkribiert werden. Das Phaenomen einer solchen
Duplikation von DNA ist bisher ohne Beispiel [BREUNING 1994]. Die Identifizierung des
PKD-1 Gens erlaubt bisher noch keine neuen Erkenntnisse zur Funktion dieses Gens und damit
zur Pathophysiologie der Zystennieren. Es konnten bisher vier PKD-1 assoziierte Mutationen
beschrieben werden. Das volle Spektrum aller PKD-1 Mutationen wird z.Zt. intensiv untersucht.
Derzeit geht man davon aus, daß die Mehrzahl der Erkrankungen durch ein mutiertes Gen am
PKD-1 Locus des kurzen Arm von Chromosom 16 verursacht wird [PARFREY 1990, SARIS
1990]. Es gibt aber auch Familien bei denen die Kopplung mit PKD-1 ausgeschlossen werden
konnte. Bei diesen Patienten tritt eine Niereninsuffizienz wahrscheinlich erst in einem hohen
Lebensalter auf. Unabhängig voneinander fanden Forschergruppen in den USA und in den
Niederlanden einen zweiten Locus auf dem langen Arm von Chromosom 4. An der
Identifizierung des PKD-2 Gens wird intensiv gearbeitet.
Jeder Merkmalsträger hat das PKD Gen auf einem Paar der autosomalen Chromosomen.
Da Frequenz und Penetranz (autosomal dominant) bei männlichen und weiblichen Nachkommen
identisch ist, [DAALGARD 1957], hat jedes Kind statistisch eine 50% Chance, diese Krankheit
zu erben. Die spontane Mutationsrate soll unter 10% liegen [GABOW 1990]. Es ist bis jetzt bei
drei Erbkrankheiten bekannt (Myotonische Dystrophie, Fragiles X-Syndrom, neuronale und
neurogene Muskelatrophie), daß sie von dem Mendelschen-Erbgang (- unveränderte Weitergabe
12
von normalen und abnormalen Genen an die folgende Generation-) abweichen. Aufgrund der
sehr unterschiedlichen intrafamiliären klinischen Verläufe bei der ADPKD könnte auch hier
daran gedacht werden.
Einige Immunologen glauben, eine enge Korrelation zwischen dem HLA-Antikörper
BW 22 und dem Auftreten der ADPKD gefunden zu haben [GUIDA 1992]. Über eine
Korrelation eines Markers auf dem Chromosom 2 und der ADPKD in dänischen Familien
berichtet NORBY [1990]. Derzeit laufen interdisziplinäre Forschungen im Rahmen eines EG-
Projektes unter der Leitung von BREUNING/ Leiden und WATSON/ Edinbourgh [BREUNING
1990], die eine Charakterisierung der Faktoren anstreben, die bei dieser Krankheit zum
terminalen Nierenversagen führen.
3. ETHIK
3.1. Prävention
Mit molekularbiologischen Methoden ist es heute möglich, jugendliche ADPKD-
Risikopatienten vor dem Auftreten klinischer Symptome zu identifizieren, Rückschlüsse auf den
möglichen Krankheitsverlauf zu ziehen und im gewissen Umfang eine Praevention
durchzuführen. Das betrifft insbesondere die frühzeitige Behandlung des Hypertonus
[GRÜNFELD 1990], der das Fortschreiten der Niereninsuffizienz beschleunigen kann. Das
Unterlassen von schwerer körperlicher Arbeit und der Verzicht auf bestimmte Sportarten, z.B.
Reiten, Joggen, Boxen, Fußball, Geräteturnen, verhindert das Auftreten von Blutungen, die
manchmal eine Nephrektomie erforderlich machen und die Progession der Niereninsuffizienz
beschleunigen können. Durch Vermeiden von Unterkühlung sowohl am Arbeitsplatz, als auch in
der Freizeit, kann die Anzahl der Harnwegsinfekte reduziert und vielleicht der Verlust
funktionstüchtiger Nephrone verhindert werden. Bei dieser Art der Praevention ist jedoch die
Compliance der Risikoperson in der Diagnostik und in der Therapie eine unabdingbare
Voraussetzung.
'Präventiv', d.h. eine Verhinderung des Auftretens dieser Krankheit in der folgenden
Generation, kann man nur indirekt mit der DNA-Diagnostik wirksam werden. Optimal erscheint
die Praeimplantationsdiagnose und die Nichtimplantation bei Nachweis des genetischen
13
Defektes. Das Verfahren eines selektiven Abortes nach Diagnostik in der Frühschwangerschaft,
entweder mit einer Ultraschalluntersuchung oder mit der genetischen Untersuchung von
kindlichen Zellen aus Fruchtwassers (Amniozentese), Nabelschnurblut oder dem kindlichen Teil
der Placenta (Chorionzottenbiopsie), ist problematisch [SIMPSON 1992, ZERRES 1988]. Bei
den genannten Methoden zur Gewinnung kindlicher Zellen, kann es zu Infektionen,
Verletzungen und bleibenden Schädigungen des Kindes kommen. Die Abortrate nach einem
solchen Eingriff beträgt etwa ein Prozent. Diese Untersuchungen sind außerdem erst in der 10.-
16. Schwangerschaftswoche möglich; das Ergebnis liegt dann erst ca. 3 Wochen später vor. In
Anbetracht der Risiken und des relativ großen Aufwandes wird die praenatale
Chromosomendiagnostik selten durchgeführt. Gynäkologen und Genetiker wissen, daß viele
Frauen, auch im Falle von schwereren genetischen Defekten als dem der ADPKD, insbesondere
zu diesem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft, ethische Probleme mit einem
Schwangerschaftsabbruch haben. Ein neuer Test, der von der texanischen Firma Aprogenex
angeboten werden soll, ist einfacher und risikoärmer für Mutter und Kind, als die herkömmliche
Fruchtwasseruntersuchung bzw. Chorionzottenbiopsie. Das angekündigte Verfahren kann ab der
5. Schwangerschaftswoche angewendet werden. Hierfür werden der Schwangeren 20 ml aus
einer Vene am Arm entnommen; innerhalb von 24 Stunden liegt das Ergebnis vor. Ein ähnliches
Verfahren, von HOLZGREVE [1994] in Münster entwickelt, befindet sich z.Zt. in der klinischen
Erprobung. Das könnte die Bereitschaft der Schwangeren zur praenatalen Diagnostik verändern.
Aber auch mit dieser frühzeitigen risikoarmen, nichtinvasiven diagnostischen Methode ist, bei
Nachweis der Gen-Mutation, nur durch einen Schwangerschaftsabbruch mit den genannten
psychischen Problemen, die Geburt eines kranken Kindes zu verhindern.
Die Präimplantationsdiagnostik, als eine Möglichkeit zur Realisierung einer
verantwortlichen Elternschaft, könnte gegenüber dem Schwangerschaftsabbruch eine höhere
ethische Akzeptanz bei den Betroffenen finden. Doch das Embryonenschutzgesetz (BRD,
Embryonenschutzgesetz [ESchG] 1990, Paragraph 2,1; 2,2; 8,1) verbietet einen solchen Eingriff.
Andererseits ist der späte selektive Abort aus kindlicher Indikation bis zum Ende des ersten
Trimenon rechtlich erlaubt. Eine solche Regelung ist weder medizinisch noch ethisch
überzeugend [KIELSTEIN, SASS 1992]. Die Präimplantationsdiagnose könnte nicht nur für das
Recht auf Selbstbestimmung, sondern auch für die Neudefinition einer verantwortlichen
Elternschaft in Risikofamilien eine medizinisch und ethisch akzeptable Antwort sein. Kürzlich
14
wurde zum ersten Mal über eine Präimplantationsdiagnostik mit nachfolgender erfolgreicher
Implantation und Geburt eines gesunden Kindes in den USA bei der Zystischen Fibrose berichtet
[SIMPSON 1992]. In diesem Fall wurden für die DNA-Analyse 10-30 Zellen vom
Trophoektoderm der Blastula eines 5-6 Tage alten Embryo entnommen. In diesem frühen
Entwicklungsstadium ist die Gefahr für eine bleibende Schädigung gering [HANDYSIDE 1992].
Die sich abzeichnende Möglichkeit der risikolosen Früherkennung von Chromosomenanomalien
wirft allerdings bereits Probleme auf: So verweigern amerikanische Versicherungsunternehmen
die Übernahme der Behandlungskosten, wenn Eltern wissentlich behinderte Kinder zur Welt
bringen. Nach dem Willen der chinesischen Regierung soll Behinderten, Schizophrenen und
Geschlechtskranken die Fortpflanzung per Gesetz sogar verboten werden.
3.2. Trägerethik und Coping
Anlageträger einer Erbkrankheit haben in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der
Diagnosestellung sehr einschneidende Probleme zu verarbeiten [HODGKINSON 1990,
GABOW 1991]. Eigene klinische Erfahrungen von mehr als 25 Jahren zeigen, daß der Umgang
von Patienten und präsymptomatischen Trägern mit der Erbkrankheit sehr unterschiedlich sein
kann: Schuldgefühle, Verdrängung, Verzicht auf Ehe und eigene Kinder, sowie Aggressionen
und Ablehnung der Eltern auf Seiten der Kinder sind nur einige Beispiele dafür. STEPHAN und
ZERRES [1988] analysierten die Einstellungen betroffener Familien zu den Problemen, die sich
aus Diagnose, Prognose und Vererbung der ADPKD ergeben. Sie erfaßten Risikopersonen, die
bis zum Zeitpunkt der Befragung keine Kenntnis über die Krankheit hatten. Es hielten 67% aller
Befragten eine möglichst frühe Diagnose für sinnvoll, eine praenatale Diagnostik würden sie
jedoch nicht in jedem Fall durchführen lassen. Bei den Befürwortern der Frühdiagnose wurden
die Familienplanung (92,5%) und die medizinisch-therapeutischen Möglichkeiten (92,5%) als
Hauptargumente angeführt. Die psychische Belastung durch Ungewißheit hatte mit 61% einen
hohen Stellenwert. Die Argumente gegen eine Frühdiagnose waren vor allem die derzeit
fehlenden Heilungsmöglichkeiten (97%), Zukunftsängste (63,6%), Versicherungsnachteile
(57,6%) und die Belastung von Partnerschaft und Familie (42,4%). Bei der konkreten Befragung
zur verantwortungsvollen Zukunfts- und Familienplanung gaben 64% der Verheirateten an, daß
sie auf eigene Kinder verzichtet hätten, wenn ihnen die Diagnose bekannt gewesen wäre.
Dagegen hätten nur 12,1% der Gegner einer Frühdiagnose auf eigene Kinder verzichtet.
15
Ähnliche Ergebnisse erhielt MARTIN [1991] bei einer Befragung von ADPKD-Patienten
anhand der 'Ten Carative Factors of Human Caring Theory' von L. Watson. Dabei fiel auf, daß in
diesen Familien sehr selten über die Krankheit, deren Verlauf, deren Auswirkungen und die
Ängste gesprochen wird. Eltern scheuen sich, ihren Kindern das Schicksal der Krankheit zu
offenbaren, weil sie Ablehnung und Aggressionen befürchten.
3.3. Ethische Kasuistik
Anhand einer Kasuistik sollen die Probleme dargestellt werden, mit denen Träger
schwerer Erbkrankheiten konfrontiert sind: Im Rahmen einer Familienuntersuchung wurde die
17-jährige Brigitte als Merkmalsträger einer ADPKD identifiziert und über die Möglichkeit einer
pränatalen Diagnostik informiert. Vier Jahre später wird sie schwanger und beschließt nach einer
sonografischer Sicherung der Diagnose ADPKD, in der 12. Schwangerschaftswoche die
Gravidität durch eine Interruptio zu beenden. Sie möchte ihrem Kind das Schicksal der
Verwandten mütterlicherseits ersparen. Bei der Großmutter wurde nach langjährigen,
uncharakteristischen Bauchbeschwerden im Alter von vierzig Jahren ein Gallensteinleiden
festgestellt. Bei der Operation fand man dann neben den Gallensteinen unzählige Zysten in
Leber, Pankreas und beiden Nieren. Die Beschwerden bestanden nach der Operation weiterhin,
sodaß die zystisch veränderten Organe im Rahmen der ADPKD wahrscheinlich die eigentliche
Ursache der Beschwerden waren. Im Alter von 49 Jahren wird sie dialysepflichtig und muß
wegen schmerzhafter und lebensbedrohlicher, rezidivierender Infektionen der Zystennieren
häufig stationär behandelt werden; später werden beide Nieren operativ entfernt. Nach 7 Jahren
chronisch intermittierender Dialysebehandlung mit zahlreichen Komplikationen (Virus Hepatitis,
Thrombose des arteriovenösen Shunts, Pericarditis, Herzrhythmusstörungen) verstirbt sie an
einer septischen Leberkomplikation. Die Mutter der jungen Frau litt bereits mit 30 Jahren unter
Nierenkoliken. Sie wird im Alter von 37 Jahren dialysepflichtig und kann sich mit dem dadurch
entstandenem Verlust der Lebensqualität nicht abfinden. Die psychischen Veränderungen tragen
dazu bei, daß der Ehemann sich scheiden läßt; sie unternimmt einen Suizidversuch. Ein Bruder
der Mutter wurde wegen rezidivierender Haematurien, Gichtanfällen und einer Hypertonie
mehrere Jahre symptomatisch behandelt, ehe man die Ursache feststellte. Bis zu diesem
Zeitpunkt versah er in seinem Beruf als Dachdecker schwere körperliche Arbeit. Er ist 46 Jahre
16
alt, Dialysepatient und invalidisiert. Bei der Familienanamnese stellt sich heraus, daß der
Großvater der jungen Frau im Alter von 41 Jahren an einer Hirnblutung verstorben war,
vermutlich die Folge einer Aneurysmaruptur, eine Syntropie der ADPKD. Aufgrund dieser
Krankheitsverläufe, entschließt sich die junge Frau zu dem Schwangerschgaftsabbruch. Sie
erscheint jedoch nicht zu dem fest vereinbarten Termin in der Gynäkologie. Monate später wird
bekannt, daß bei ihrem Sohn postnatal die Diagnose der ADPKD bestätigt worden war. Die
Gründe, die diese junge Frau zum Austragen der Schwangerschaft bewegten, sind sicherlich
vielschichtig. Ein Gespräch darüber konnte aber mit ihr nicht geführt werden, da sie den Kontakt
zu uns abbrach.
3.4. Klinisch-ethische Güterabwägungen
Etwa 2% aller Neugeborenen kommen mit einer schwerwiegenden genetisch
(mit)bedingten Störung zur Welt, die eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität
verursacht. Molekulargenetiker haben in den vergangenen Jahren ca. 200 Gene mit
Krankheitswert im Erbgut des Menschen identifiziert. Mit zunehmendem Fortschreiten des 1986
von James Watson initiierten Genomprojektes können bedeutende neue Erkenntnisse erwartet
werden, die eine Revolution in der biomedizinischen Diagnostik und auf längere Sicht
hoffentlich auch in der Therapie veranlassen werden. Die neue Situation in der Arzt-Patient
Beziehung und die neuen ethischen Pflichten und Rechte, die damit auf den Träger von
Erbkrankheiten zukommen, lassen sich anhand der ADPKD schon skizzieren. Der Arzt wird
zum Partner des präsymptomatischen Trägers; er behandelt nicht eine akute Krankheit, sondern
berät den Patienten bei der Prävention, sofern es eine gibt, und in bezug auf die individuellen
Konsequenzen für Lebensstil und Coping und informiert auch über die mögliche Weitergabe der
genetischen Information an die Nachkommen. Der Patient ist nicht mehr der passive Empfänger
von ärztlichen Ratschlägen und erprobten Heilverfahren, sondern ist ein verantwortlicher und
selbstbestimmender Partner. Er entscheidet nach umfassender Information über die Krankheit, ob
er die bisher bekannten Maßnahmen zur Praevention von Komplikationen für sich akzeptiert und
ob das Schicksal seiner Kinder durch die Krankheit beeinflußt werden soll. Auch der Lebens-
oder Ehepartner muß in den Kreis der neuen Güterabwägungen einbezogen werden.
Wenn ein Elternteil als Merkmalsträger identifiziert wurde, sind in in der
Kommunikation mit der potentiellen Mutter oder der Schwangeren, wie schon in jedem anderen
17
Beratungsgespräch mit dem Träger, drei Schritte deutlich voneinander zu unterscheiden: (1)
Sammlung detaillierter medizinischer und ethischer Daten und lebensweltlicher Informationen;
(2) Erarbeitung von Szenarien mit unterschiedlichen ethischen und medizinischen Risiken,
Vorteilen und Nachteilen und schließlich (3) die Identifikation des Subjekts mit der
Entscheidung sowie die Festlegung und Erhärtung der Entscheidung [KIELSTEIN, SASS 1992].
(1) Sammlung von medizinischen und ethischen Informationen.
Die Veränderungen in den Nieren oder anderen Organen bestehen bereits vor der Geburt
und machen nur selten vor dem 30.bis 40. Lebensjahr Beschwerden. In dieser asymptomatischen
Phase können jedoch die Patienten für sich durch Änderungen des Lebensstils im gewissen Sinne
präventiv sein. Die frühzeitige Korrektur eines erhöhten Blutdrucks verzögert wahrscheinlich das
Fortschreiten der Niereninsuffienz. Häufig weisen die Gefäße im Gehirn Aneurysmen auf, die
bei erhöhtem Blutdruck eher rupturieren können und einen plötzlichen Tod zur Folge haben.
Wann und ob es zum Nierenversagen und zur Dialysepflicht kommt, ist nicht vorauszusagen.
Mit Beginn der Dialysebehandlung beeinträchtigen Einschränkungen in nahezu allen
Lebensbereichen die Lebensqualität erheblich; auch mit einer erfolgreichen
Nierentransplantation kann sie nicht wieder umfassend hergestellt werden.
Für die folgende Generation ist 'Prävention' nur durch präimplantative oder pränatale
molekulargenetische Diagnostik und gegebenenfalls nachfolgende Nichtimplantation bzw.
Schwangerschaftsabbruch möglich. Zu den ethisch wichtigen Informationen für die
Entscheidung zum eigenen Kind gehören Hoffnungen und Ängste, Schwerpunkte der
Verantwortung und des Risikobegriffs, die eigene Definition von 'verantwortlicher Elternschaft',
die Einstellung des Partners und der Familie, die Hoffnungen auf die Leistungen und den
Fortschritt der Medizin, auch die auf eine mögliche künftige kausale Therapie der Krankheit.
(2) Erarbeitung von Szenarien mit jeweils unterschiedlichen ethischen und
medizinischen Risiken, Vor- und Nachteilen:
In dem vorgestellten Fall ist die junge Frau über die Symptome, den Verlauf, die
Prognose und den Verlust von Lebensqualität durch das Erleben der Krankheit bei Großmutter
und Mutter umfassend informiert; sie kennt also bereits sehr unterschiedliche Szenarien aus
eigenem Erleben. Aus dieser Kenntnis will sie nach Bekanntwerden der Krankheit bei dem
Ungeborenen, aus Verantwortung für das Kind, die Schwangerschaft vorzeitig abbrechen.
Dennoch erscheint sie nicht zu dem geplanten Eingriff. Sie hat also in der Zwischenzeit andere
18
Güterabwägungen vorgenommen oder sich einfach einer Entscheidung zwischen Alternativen
dadurch entzogen, daß sie 'der Natur den Lauf' ließ.
Welche alternativen Szenarien bieten sich für sie an? (1) Sie kann die Schwangerschaft,
wie vorgesehen, durch eine Interruptio beenden, und damit dem Kind die Leiden der Krankheit
in einem späteren Lebensalter ersparen. Bei einer neuen Schwangerschaft könnte das Kind
gesund sein. (2) Die Sicherheit für ein gesundes Kind könnte ihr auch mit einer
Präimplantationsdiagnostik gegeben werden. Dieses Vorgehen ist aufwendig, vermeidet aber die
Probleme der emotionalen Bindung, die einen Schwangerschaftsabbruch nach einer praenatalen
Diagnostik belasten. (3) Sie könnte, wie es dann auch erfolgte, das Kind trotz aller Bedenken und
Probleme austragen und darauf hoffen, daß die individuelle Prognose ihres Kindes, (Eintritt der
symptomatischen Phase, die Notwendigkeit der Dialysebehandlung) günstiger ist, als die ihrer
Angehörigen. (4) Vielleicht erlebt aber das Kind aufgrund anderer tragischer Krankheitverläufe,
(z.B. wegen einer Tumorerkrankung oder eines Unglücksfalls), das beschwerliche Endstadium
dieser Erbkrankheit gar nicht. (5) Brigitte könnte durchaus nicht ohne Berechtigung auch
optimistisch auf Erfolge in der Forschung dieser Krankheit hoffen, die dem Kind durch
Anwendung bisher nicht bekannter Therapiemöglichkeiten, eine Dialysebehandlung und den
Verlust von Lebensqualität ersparen würde. (6) Für die ADPKD-Patienten entstehen im
Gegensatz zu anderen schweren erblichen Leiden erst zu einem späteren Zeitpunkt im Leben
medizinische und menschliche Probleme. Diese können nicht generell beurteilt werden, sondern
müssen für jedes individuelle Schicksal neu und immer wieder abgewogen werden.(7)
Außerdem gibt es eine lebenserhaltende Therapie, die 'Künstliche Niere' bzw. die
Nierentransplantation. Diese Fakten könnten die Eltern zu der Ansicht kommen lassen, daß das
Kind doch viele Jahre ohne Krankheitssymptome leben kann und bei Beginn des
Nierenversagens erprobte Therapiemöglichkeiten vorhanden sind, mit denen auch andere
Menschen leben. Möglicherweise hat Brigitte sich von diesem Szenarium in ihrer Entscheidung
beeinflussen lassen. (8) Mit dem Verzicht auf eigene Kinder würde sie die Weitergabe der
Krankheit an die nächste Generation verhindern. Dadurch würden ihr in der Zukunft Sorgen um
die Gesundheit, die berufliche Entwicklung und die Partnerschaft ihres Kindes erspart bleiben.
Sie hätte weder Kritik noch Aggressionen wegen ihres 'wenig verantwortungsvollen Handelns'
zu befürchten, wie die Söhne der eingangs vorgestellten Frau H. es ihrer Mutter unterstellten. (9)
Durch eine Adoption wäre der Wunsch nach Betreuung und Erziehung eines Kindes und die
19
damit verbundene Freude und Erfüllung auch zu realisieren. Andere Szenarien oder Mischungen
lassen sich denken und können im individuellen Fall ethische wie medizinische Attraktivität
haben.
(3) Wer soll entscheiden und wie?:
Es spricht alles dafür, daß die Frau als potentiell Schwangere oder als Schwangere
entscheiden soll. Sie ist es, die dem Kind das Leben gibt; sie wird diese Entscheidung
wahrscheinlich gemeinsam mit ihrem Partner treffen wollen. Aber kann sie dazu gezwungen
werden, partnerschaftlich und nicht alleinverantwortlich zu entscheiden? Soll der Arzt ihr die
Entscheidung abnehmen? Das wäre wohl von einem verantwortungsbewußten Arzt kaum zu
rechtfertigen, auch nicht von der Trägerin selbst. Auch Gesetzgeber und Richter dürfen ihr
deshalb nicht die Entscheidung abnehmen, ebenso wie sie nicht ihre Abwägung zwischen
Szenarien mit unterschiedlichen ethischen Problemkonglomeraten, etwa durch das Verbot der
Präimplantationsdiagnostik, ungebührlich einschränken dürfen.
Hat die Frau eine Pflicht zum Wissen um ihre Krankheit? Sicherlich hat sie eine Pflicht
für sich selbst die Risiken zu kennen: z.B. wie eine unbehandelte Hypertonie das Einsetzen und
Fortschreiben der Symptome beschleunigen würde. Hat sie auch eine Pflicht, sich über die
mögliche Belastung eigener Kinder zu informieren? Diese Frage ist nicht von Außenstehenden,
auch nicht vom Arzt und erst recht nicht von Gerichten oder Parlamenten, zu beantworten. Sie
gehört allein in die Gewissensentscheidung der Trägerin. In jedem Fall ist eine frühzeitige
Diagnose, sowohl für den Krankheitsverlauf des Merkmalsträgers, wichtiger aber noch für die
Kinder, eine wesentliche Voraussetzung dafür, überhaupt das eigene Recht und die Pflicht zur
Abwägung realisieren zu können. Wann und ob diagnostische Maßnahmen erfolgen, ist im
wesentlichen abhängig von der Fachkompetenz des Arztes [ROSENBERG 1992]. Eine
sachliche, dem Laien verständliche Aufklärung setzt eine gute Kenntnis von Krankheitsbild,
Krankheitsverlauf und genetischen Grundlagen voraus.
Die Verfügbarkeit von Methoden genetischer Diagnostik entläßt den potentiellen oder
realen Merkmalsträger nicht in die Unschuld des „Nichtwissenkönnens“, die vor der Möglichkeit
der genetischen Prädiktion bestand. Das Recht auf und die Pflicht zur Selbstbestimmung kann
sich sowohl in der Information über die Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchung, wie
auch in der Verweigerung der Untersuchung für sich selbst oder für die Risiken der nächsten
Generation äußern. Damit ist auch keine Flucht in ein paternalistisches Arzt- Patient Verhältnis
20
mehr möglich. Die Verantwortung kann niemand dem präsymptomatischen Träger abnehmen,
weder die Verantwortung für sich selbst noch die, für den eigenen Nachwuchs. Insbesondere bei
schwerwiegenden Entscheidungen in Grenzsituationen - in diesem Fall: kein Kind oder ein
krankes Kind - wird der Arzt keine eigene richtungweisende Wertung vornehmen dürfen. Er ist
kaum in der Lage stellvertretend alle Details für eine individuelle Entscheidungsfindung
gegeneinander abzuwägen, da seine Wertvorstellungen, Lebenserfahrungen und Lebensziele sich
von denen der Patientin wahrscheinlich sehr unterscheiden.
Die Entscheidung, ob ein Kind mit einer vorhersehbaren schweren genetischen Störung
geboren wird, kann allein nur die Mutter treffen, wie es Brigitte wohl auch getan hat. Die
Gründe, die sie dazu bewegen das Kind trotz Kenntnis des Risikos auszutragen und nicht die
Interruptio zu wählen, sind ihre eigenen.
Aber es bleiben andere Fragen offen, die in einem Beratungsgespräch auch angeschnitten
werden müßten: Ist ein Partner vorhanden, der die getroffene Entscheidung verantwortungsvoll
und vorwurfslos mitträgt? Haben Großeltern, Eltern und andere Verwandte die Entscheidung
durch ihr Verhalten und ihre Lebensauffassung mitgeprägt? Ist die Familie trotz des Schicksals
der Erbkrankheit glücklich und ein Vorbild? Bietet die Familie in Krisensituationen Zuflucht,
Rat, Verständnis, Trost und Hilfe? Kann der Arzt durch Fachkompetenz und umfassende
Information sowie Verständnis und Wahrhaftigkeit die persönliche Entscheidung der Trägerin
erleichtern? Findet die Frau in einer Religion die erforderliche Kraft, Zuversicht und
Bestätigung, die sie für ihre Entscheidung benötigt? Das sind die neuen Fragen, vor welche die
Verfügbarkeit der molekulargenetischen Diagnostik den symptomatischen und den
nichtsymptomatischen Träger einer schweren Erbkrankheit stellt. Deshalb ist es problematisch,
wenn Personen oder Institutionen außerhalb des Beziehungskreises der Betroffenen glauben, die
individuelle Entscheidung durch den Gebrauch von generellen Begriffen wie Moral und
Humanität oder die Erstellung von verbindlichen Regeln, von außen und heteronom herbeiführen
zu können.
ABSCHLIESSENDE ÜBERLEGUNG
21
Die Ergebnisse molekulargenetischer Forschung erlauben erst heute die Realisierung
eines selbstverantwortlichen Lebens unter Berücksichtung individueller Risikofaktoren, auch die
Wahrnehmung selbstbestimmter verantwortlicher Elternschaft bei schweren genetischen Risiken.
Wenn es die Medizin erlaubt, daß genetische und andere prädiktive Methoden in vielen
Bereichen angewendet werden können, dann sollte die Gesellschaft das nicht nur akzeptieren,
sondern den Risikoträger fördern und ihm helfen, daß er bei Kenntnis von Risikofaktoren eigene
und nur für ihn und seine oder ihre spezielle Situation und nur für diesen jetzigen Zeitpunkt
zutreffende Schlußfolgerungen ziehen kann und ziehen muß. Es ist schwer nachvollziehbar, daß
einerseits ein Kenntniszuwachs erwünscht und dem Individuum zugängig ist, andererseits aber
dann die getroffene Entscheidung wegen bestehender Reglementierungen nicht vollzogen
werden darf. Deshalb sollten verantwortliche Eltern bestimmen können, ob sie ihrem Kind die
Bürde einer Krankheit wissentlich aufzuladen verantworten wollen oder können. Vor der
Möglichkeit der Molekularbiologie waren solche Güterabwägungen nicht möglich und nicht
nötig; man mußte das Schicksal akzeptieren. Wenn der medizinische und technische Fortschritt
jedoch Optionen möglich macht, dann gibt es keinen Weg, Entscheidungen zu umgehen.
Klinik, Genetik und Ethik des Umgangs mit Informationen über individuelle
Risikofaktoren für Gesundheit, vor allem aber über einige der schwersten Erbkrankheiten, stellen
uns Medizner vor neue Herausforderungen in der Arztethik, und sie stellen Risikoträger vor erst
jetzt sich in ihren Dimensionen entfaltende Herausforderungen einer Trägerethik. Es wird Zeit
und viele Anstrengungen brauchen, bis Ärzte und Laien mit den neuen klinischen und ethischen
Herausforderungen der prädiktiven molekulargenetischen Diagnostik vertraut werden, von denen
die Probleme aus den ethischen und medizinischen Szenarien der ADPKD nur ein Beispiel sind.
22
ANHANG: BIBLIOGRAPHIE NEUERER LITERATUR ZUR ADPKD 1. ANDERSON WF, Human gene therapy. Science 256 (1992), 808-813 2. BAERT L : Hereditary polycystic kidney disease (adult form): A microdissection study of two cases at an early state of the disease. Kidney Intern, 13: (1978) 519-525 3. BARD JBL, WOOLF AS : Nephrogenesis and the development of renal disease. Nephrol Dial Transplant 7: (1992) 563-572 4. BAYERTZ, K, Korrekturen am Test des Lebens, Dt. Ärzteblatt 91, Heft 9, 3/1994, A-556-564 5. BEAR JC, McMANAMON P, MORGAN J, PAYNE RH, LEWIS H, GAULT MH, CHURCHILL DN : Age at clinical onset and ultrasonographic detection of adult polycystic kidney disease: Data for genetic counselling. Amer J Med Genet, 18: (1984) 45-53 6. BLUM HE, v WEIZSÄCKER F, WALTER F: Grundlagen der Gentechnologie. Dtsch med Wschr 118, (1993), 589 - 592 7. BLUM HE, v WEIZSÄCKER F, WALTER F : Gentechnologie: medizinische Bedeutung. Dtsch med Wschr 118, (1993) 629-633 8. BOBRIE G, SIRIEIX ME, DAY M, LANDAIS P, LACOMBE M, GRÜNFELD JP: Autosomal dominant polycystic kidney disease with primary hyperaldosteronism. Nephrol Dial Transplant 7: (1992) 647-650 9. BOERO K, GUARENA C, FORNERIS G, PIGNONE E, MENEGATTI E, MURACA R, ROSATI C, BERTO IM, QUARELLO F, PICCOLO G : Abnormalities of red cell sodium transport in patients with polycystic kidney disease (ADPKD) and hypertension. Abstracts, p 40, XXIXth EDTA-ERA Congress, Paris/France, 1992 10. BREUNING MH, FGM SNIJDEWINT, JG DAUWERSE, JJ SARIS, E BAKER, PL PEARSON, GJB van OMMEN : Two step procedure for early diagnosis of polycystic kidney disease with polymorphic DNA-markers on both sides of the gene. J Med Genet 27: (1990) 614-617 11..BREUNING MH, FGM SNIJDEWINT, H BRUNNER, A VERWEST, JW LIDO, JJ SARIS, JG DAUWERSE, L BLONDEN, T KEITH, DF CALLEN, VJ HYLAND, GH XIAO, G SCHERER, DR HIGGS, P HARRIS, L BACHNER, ST REEDERS, G GERMINO, PL PEARSON, GJB van OMMEN : Map of 16 polymorphic loci on the short arm of chromosom 16 close to the polycystic kidney disease gene (PKD1). J Med Genet 27: (1990) 603-613 12. BREUNING MH, FGM SNIJDEWINT, JR SMITS, JG DAUWERSE, JJ SARIS, GJD van OMMEN : A Taq 1 polymorphism identified by 26-6(D16S125) proximal to the locus affecting adult polycystic kidney disease (PKD1) on chromosome 16. In: Nucleic Acids Res 18: (1990), 3106
23
13. BREUNING MH: Projekt COMAC-Bio: Towards prevention of renal failure caused by inherited polycystic kidney disease, Manuskript Interim-Report, 1990 14. BREUNING, MH, PETERS, DJM: Polycistic kidney disease - what’s new, Nephrol. Dial. Transplant (1994) 9: 1707-1708 15. CALABRETTA B: Inhibitionof proto oncogene expression by antisense oligonucleotides. Biological and therapeutic imolications. Cancer Res 51 (1991), 4505-4510 16. CHESTER AC, ARGY WP Jr, RAKOWSKI TA et al: Polycystic Kidney Disease and Chronic Hemodialysis. Clin Nephrol 1978; 10: 129-33 17. CHAPMAN AB, JOHNSON A, GABOW PA, SCHRIER W : The renin-angiotensin-aldosteron system and autosomal dominant polycystic kidney disease. New Engl J Medicine 323: (1990) 1091-1096 18. CHAPMAN BA, RUBINSTEIN D, HUGHES R, STEARS JC, EARNEST MP, JOHNSON AM, GABOW PA, KAEHNY WD : Intracranial aneurysms in autosomal dominant polycystic kidney disease. New Engl J Med, Vol 327, No 13, 916-920, 1992 19. CHAUVEAU D, Y PIRSON, A GONZALO, AM MACNICOL, P LANDAIS, JP GRÜNFELD : Intracranial Aneurysm Rupture in Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease: Epidemiology and Outcome. Abstracts, p 33, XXIXth EDTA-ERA Congress, Rimini/Italy 1991 20. CONTE F, SERBOLLINI P, SESSA A et al: Autosomal Dominant Polycystic Disease: Italian multicentric study. Abstracts, p 48 XXVIIIth EDTA/ERA Congress, Rimini/Italy, 1991 21. DAALGARD OZ : Bilateral polycystic disease of the kidneys : A follow up of two hundred and eighty-four patients and their families. Acta Medica Scandinavia 158: (1957) 326-329 22. D'ANGELO A, MIONI G, OSSI E, LUPO A, VALVO E, MASCHIO G: Alteration in renal tubular sodium and water transport in polycystic kidney disease. Clin Nephrol 3: (1975) 99-105, 23. DAVIES F, COLES GA, HARPER PS, WILLIAMS AJ, COCHLIN D: Polycystic kidney disease re-evaluated: a populationbased study. Quart J Med 79: (1991) 477-485 24. DU et al: Vortrag 24 th Annual Meeting of the American Society of Nephrology. Baltimore, Maryland USA, November 1991 25. ELZINGA LW, BARRY JM, TORRES VE, ZINCKE H, WAHNER HW, SWAN S,BENNETT WM: Cyst decompression surgery for autosomal dominant polycystic disease. J Am Soc Nephrol 2: (1991), 226
24
26. EVAN AP, GARDNER KD Jr, BERNSTEIN J: Polyploid and papillary epithelial hyperplasia: A potential cause of ductal obstruction in adult polycystic disease. Kidney Intern 16: (1979) 743-750 27. FLORIJN KW, van SASSE JL, BREUNING MH, CHANG PC: Autosomaldominant polycystic kidney disease and hypertension: a review Contrib Nephrol (1992), 97: 71-92 28. FICK G, WEBER M: Autosomal-dominant polyzystische Nierenerkrankung. Dtsch med Wschr 117, (1992) 1160-1164 29. GABOW PA: Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease. In: The Cystic Kidney, ed. Kenneth D Gardner Jr and Jay Bernstein, Kluwer Academic Publishers, (1990) 295-326 30. GABOW PA: Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease - More than a renal disease. Am J Kidn Dis, Vol XVI, No 5, November, 1991 31. GARCIA GARCIA M, C BRU, JM CAMPISTOL, C PIERA, A TORRAS, E PONZ, L REVERT: Effect of reduction of cyst volume by percutaneous cystic puncture on the renal function in the Polycystic Kidney Disease. Abstracts, p 28, EDTA-Conference, Wien/Austria, 1990 32. GARDNER KD jr: Hereditary and Congenital Renal Disease. In: Textbook of Nephrology Vol 1, 2 th Edition, ed. by Shoul G MASSRY, Richard J GLASSOCK, Williams & Wilkins, Baltimore- Hong Kong-London- Sidney, 1989 33. GARDNER KD Jr, REED WP, EVAN AP, ZEDALIS JOURNAL HYLARIDES MD and LEON AA: Endotoxin provocation of experimental renal cystic disease. Kidney Intern 32: (1987) 329-334 34. GARDNER KD Jr: Phenotype recognition. Clinicians' contributions to molecular genetics. West J Med (1992) May; 156(5) 491-495 35. GARCIA-GARCIA G, DEDDENS JA, D'ACHIARDI-REY R, et al: Results of treatment in patients with end-Stage renal disease: A multivariate analysis of risk factors and survival in 341 successive patients. Am J Kidney Dis (1985), 5: 10-18 36. GATTONE VH : A hereditary model of slowly progressive PCKD in the mouse. JASN Vol 1, No 7, (1991) p 980 37. GEBERTH ST, ZEIER M, GLADZIWA U, RITZ E: Early onset of hypertension in Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease. Abstracts EDTA, 1990 38. GERMINO GG, SOMLO S, WEINSTAT-SASLOW D, REEDERS ST: Positional cloning approach to the dominant polycystic kidney disease gene, PKD 1. Kidney Int Suppl (1993) Jan; 39: 520-525
25
39. GONZALO A, A GALLEGO, M RIVIERA, L ORTE, J ORTUNO: The effects of hypertension on the rate of progression in Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease (ADPKD), Abstracts, p 37, XXVIIIth EDTA/ERA Congress, Rimini/Italy 40. GRAHAM PC, LINDOP GBM: The anatomy of the renin-secreting cell in adult polycystic kidney disease. Kidney Intern, 33: (1988), 1084-1090 41. GRANTHAM JJ, SLUSHER SL : Management of renal cystic disorders. In: SUKI WN, MASSRY SG, eds. Therapy of Renal Diseases and Related Disorders. Boston, Martinus Nijhoff, (1984), p 383 42. GRANTHAM JJ, GEISER JL, EVAN AP : Cyst formation and growth in autosomal dominant polycystic kidney disease. Kidney Intern 31: (1987) 1145-1152 43. GRANTHAM, JJ : Polycystic kidney disease: Hereditary and aquired. Advance in Internal Medicine, vol 38, (1993), Mosby-Year Book, Inc 44. GRÜNFELD JP, ALBOUZE G, JUNGERS P, LANDAIS P, DANA A, DROZ D, MOYNOT A, LAFFARGUE B, BOURSZTYN E, FRANCO D: Liver changes and complications in adult polycystic kidney disease. In: BACH JF, CROSNIER J, FUNCK-BRENTANO JL, GRÜNFELD JP, eds. Advances in Nephrology. Chicago: Year-Book Medical publishers (1985), 1-20. 45. GRÜNFELD JP: Prospective multicenter study on antihypertensive therapy in chronic renal failure. Abstracts, p 31, XXVIIIth EDTA/ERA Congress, Rimini/Italy, 1991 46. GUIDA CC, M D'ERRICO, F AUCELLA, G CIAVARELLA, G DI GIORGIO, C STALLONE: HLA-System in uremics with Adult Polycystic Kidney Disease, Abstracts, p 21, XXIXth EDTA/ERA Congress, Paris/France, 1992 47. HANDYSIDE AH, LESKO JG, TARIS JJ, ROBERT ML, WINNTON, HUGHES MR: Birth of a normal girl after in vitro fertilization and preimplantation diagnostic testing for cystic fibrosis. New Engl J Medicine, Vol 327, Vol 13, 905-909, 1992 48. HELLERSTEDT WL, JOHNSON WJ, ASCHER N, KJELLSTRAND CM, KNUTSON R, SHAPIRO FL, STERIOFF S: Survival rates of 2.728 patients with end-stage renal disease. Mayo Clinic Proceedings, 59: (1984) 776-783 49. HIDA M, SAITOH H, SATOH T: Autopsy findings in dialysis patients with polycystic disease of the kidney. Tokai J Exp Clin Med (1984), 9: 389-394 50. HIGASHAHIHARA E, NUTAHARA K, MINOWADA S, HOMMA Y, ASO Y: Percutaneous reduction of Cyst Vulume of polycystic kidney disease: Effecton renal function. J Urol 147 (1992) 1482-1484
26
51. HIGGINS CC: Bilateral polycystic kidney disease. Am Med Ass Arch Surgery, 65: (1952) 318-329 52. HODGKINSON KA, L KERZIN-STORRER, EA WATTERS, R HARRIES: Adult polycystic kidney disease: Knowledge, experience, and attitudes to prenatal diagnosis. In: J Med Genet 27: (1990) 552-558 53. HOLZGREVE, W: Nicht-invasive Chromosomendiagnostik - bald Routine? Münch. med. Wschr. 136 (1994) Nr. 37, S. 11 54. HOSSACK KF, LEDDY CL, JOHNSON AM, SCHRIER RW, GABOW PA: Echocardiographic abnormalities in autosomal polycystic kidney disease. New Engl J Medicine 319: (1988) 907-912 55. ICKLER U: Chronische Niereninsuffizienz bei polyzystischer Nierendegeneration Typ III nach POTTER. Dissertation, Medizinische Akademie Magdeburg, 1986. 56. IGLESIAS CG, TORRES VE, OFFORD KP, HOLLEY KE, BEARD CM, KURLAND LT: Epidemiology of adult polycystic kidney disease. Olmstedt county, Minnesota: 1935-1980. Am J Kidn Dis 146:(1983) 425-432 57. KIELSTEIN R: Klinisch-ethische Probleme der Nierenersatz-therapie. Medizinethische Materialien, Heft 73, Zentrum für Medizinische Ethik, Ruhr-Universität, Bochum, 1991 58. KIELSTEIN R, SASS HM: Right not to know or duty to know? Prenatal screening for polycystic renal disease. J Med Phil 17 (1992) 395-405 59. KIELSTEIN, R: Cultural and Individual Risk Perception in Human Germ-Line Gene Therapy Research. Politics and the Life Sciences, Aug 1994, p. 241-43 60. KIMBERLING WJ, FAIN PR, KENYON JB, GOLDGAR D, SUJANSKY E, GABOW PA: Linkage heterogeneity of autosomal dominant polycystic kidney disease. New Engl J Medicine 319: (1988) 913-918 61. KLINGEL, R: Zysten in der Niere, Dialyse Journal 4-94, 23-27 62. KOIDE H: Growth factor gene expression in kidney of murine polycystic kidney disease. J Am Soc Nephrol (1993), Jan;3(7) 1378-1386 63. KRAMER P, BROYER M, BRUNNER FP, BRYNGER H, DONCKERWOLCKE RA, JACOBS C, SELWOOD NH, WING AJ: Combined report on regular dialysis and transplantation in Europa. In : DAVISON A and GUILLOU PJ. Proceedings of the European Dialysis and Transplant Association, London: Pitman Press (1982) 4-59 64. KÜRTEN l, Alles im Blut. Die Zeit Nr 25, 18. Juni 1993
27
65. LEIMENSTOLL G, LOOSE G, HARDER T, HERRMANN G, PAPADOPOULOS I, BURCK HC, NIEDERMEYER W: Vena-cava-inferior-Kompressions-syndrom bei Zystennieren, Dtsch med Wschr 116: (1991) 1583-1587 66. LERNER ME, ROSHKOW JE, SMITHLINE A : Polycystic liver disease with obstructive jaundice: traetment with ultrasounded guided cyst aspiration. Gastrointest Radiol (1992)Winter, 17(1),46-48 67. LEUNG AWL, BYDDER GM, STEINER RE, BRYANT DJ, YOUNG IR: Magnetic resonance imaging of the kidneys. AGR 143: (1984) 1215-1227 68. LEVEY AS: Screening for Occult Intracranial Aneurysms in PCKD: Interim Guidelines. JASN, Vol 1, No 1, p 9, July 1990 69. LOCATELLI F, D ALBERTI, G GRAZIANI, G BUCCIANTI, B REDAELLI, A GIANGRANDE, D MARCELLI et al: Blood Pressure and Chronic Renal Failure Progression: Results From a Multicenter Trial, Abstracts, p 94, XXIXth EDTA/ERA Congress, Paris/France, 1992. 70. MACNICOL AM, ML WATSON, AF WRIGHT: Folgerungen eines genetischen Screening-Programmes für polycystische Nierenerkrankungen. Aspekte der nephrologischen Krankenpflege 1, 1986 71. MARTIN LS: Using Watson's theory to explore the dimension of adult polycystic kidney disease. ANNA J, Oct 18 (5), (1991) 493-496 72. MILLER DA: Human gene therapy comes of age. Nature (Lond) 357, (1992), 455-460 73. MILUTINOVIC J, FIALKOW LJ, AGODOA LY, PHILIPS LA, RUDD JI: Autosomal dominant polycystic kidney disease: symptoms and clinical findings. Quarterly J Med 53: (1984) 511-522 74. MILUTINOVIC J, FIALKOW PJ, RUDD TG, AGODOA LY, PHILIPS LA, BRYANT JL: Liver cysts in patients with autosomal dominant polycysticc kidney disease. Am J Med, 68, (1980) 741-744 75. MILUTINOVIC J, PF RUST, PJ FIALKOW: Intrafamilial Phenotypic Expression of Autosomal Dominant Polycystic Kidney Disease. Abstracts, XXVIIth EDTA/ERA Conference, Rimini/Italy, 1991, 76. MÜLLER GW, LACHHEIN L, KIELSTEIN R: Binephrektomie und Haemodialyse bei der polyzystischen Nierenerkrankung. Vortrag, 4. Urologisches Symposium der sozialistischen Staaten, Magdeburg, 1981
28
77. MÜLLER GW, LACHHEIN L, KIELSTEIN R, ECKE M : Indikationen und Resultate der bilateralen Nephrektomie bei 33 Patienten im chronischen Haemodialyseprogramm. XVII Urologenkongress der DDR, Leipzig, 1984 78. NASH DA: Hypertension in polycystic kidney disease without renal failure. Arch Intern Med 137: (1977) 1571-1575 79. NORBY S, SCHWARTZ M: Possible locus for polycystic kidney disease on chromosome 2. Lancet 1990-1, (1990) 323-324 80. OLDROZZI L, RUGIU C, VALVO E, LUPO A, LOSCHIAVO C, GAMMARO L, TESSITORE N, FABRIS A, PANZETTA G, MASCHIO G: Progression of renal failure in patients with renal disease of diverse etiology on protein-restricted diet. Kidney Intern 27: (1985) 553-557 81. PARFREY PS, BEAR JC, MORGAN J, CRAMER BC, McMANAMON PJ, GAULT MH, CHURCHILL DN, SINGH M, HEWITT R, SOMLO ST, REEDERS ST:The diagnosis and prognosis of autosomal dominant polycystic kidney disease. New Engl J Medicine 323: (1990) 1085-1090 82. POTTER EL: Normal and Abnormal Development of the Kidney. Chicago: Year Book Publishers, (1972) p 182-207 83. PRETORIUS DH, LEE ME, MANCO-JOHNSON ML, WEINGAST GR, SEDMAN AB, GABOW PA: Diagnosis of autosomal dominant polycystic kidney disease in utero and in the young infant. J Ultras Medicine 6: (1987) 249-255 84. RAVINE D, WALKER RG, GIBSON RN, FORREST SM, RICHARDS RT, FRIEND K, SHEFFIELD LJ, KINCAID-SMITH P, DANKS DM: Phenotype and genotype heterogeneity in autosomal dominant polycystic kidney disease. Lancet (1992) Nov, 1:44(4), 409-412 85. REEDERS ST, BREUNING MH, DAVIES KE, NICHOLLS RD, JARMAN AP, HIGGS DR, PEARSON PL, WETHERALL DJ: A highly polymorphic DNA marker linked to adult polycystic kidney disease on chromosome 16. Nature 317: (1985) 542-544 86. REEDERS ST, ZEERES K, GAL A, PROPPING P, WALDHERR R, DAVIES KE, ZERRES K, HOGENKAMP T, SCHMIDT W, DOLATA MM, WETHERALL DJ: Prenatal diagnosis of autosomal dominant polycystic kidney disease with a DNA probe. Lancet 2: (1986) 6-8 87. REEDERS ST, MH BREUNING, MA RYYNANEN: A study of genetic linkage heterogeneity in adult polycystic kidney disease In: Hum Genet 76, (1987) 348-351 88. RIVIERA M, A GOONZALO. JM GOBERNADO. L ORTE, C QUEREDA, J ORTUNO: Cerebral Hemorrhagic Attacks in Adult Polycystic Kidney Disease (APKD). Abstracts, p 46, XXVIIIth EDTA/ERA Congress,-Rimini/Italy, 1991
29
89. ROSENBERG EE, TANNENBAUM ZN, MILLER SD, LAMOTHE EM, ROSENBLATT DS: Knowlwdgw of nephrologists and patients about autosomal dominant polycystic kidney disease (ADPKD). Clin Invest Med (1992) Nov, 42(5): 1259-1265 90. SARIS JJ, MH BREUNING, HG DAUWERSE: Rapid detection of polymorphism for adult polycystic kidney disease. In: Lancet 1: (1990) 1102-1103 91. SATWANT SINGH, SUNDARAM HARIHARAN: Renal Replacement Therapy in Autosomal Dominant Polycystic Disease Nephron 57: (1991) 40-44 92. SCHEFF RT, ZUCKERMANN G, HARTER H, DELMEZ J, KOEHLER R: Diverticular disease in patients with chronic renal failure due to polycystic kidney disease. Ann Intern Med 92: (1980) 202-204 93. SEDMAN A, BELL P, MANCO-JOHNSON M, SCHRIER R, WARADY BA, HEARD EO, BUTLER-SIMON N, GABOW PA: Autosomal dominant polycystic kidney disease in childhood: A longitudinal study. Kidney Intern 31: (1987) 1000-1005 94. SEGASOTHY M, NORAZLINA MY, ONG PH, JAMIL M: Polycystic kidney disease associated with polycystic ovarian syndrome (letter). Nephron (1992); 62(4): 482-483 95. SIMPSON JL, CARSON SA : Preimplantation genetic diagnosis. New Engl J Med, Vol 327, No 13, (1992) 951-953 96. STEPHAN M, ZERRES K: Autosomal-dominant erbliche polyzystische Nierenerkrankung - Einstellung von Risikopersonen zur Frühdiagnose. Psychother med Psychol 38: (1988) 251-261 97. THE EUROPEAN POLYCISTIC KIDNEY DISEASE CONSORTIUM. The polycystic Kidney disease 1 gene encodes a 14Kb Transkript and lies within a duplicated region of chromosom 16. Cell 1994; 75: 1305-1315 98. TIMIO M, MONARCA C, PEDE S, GENTILI S, VERDURA C, LOLLI S, The spectrum of cardiocascular abnormalities in autosomal dominant polycystic kidney disease: a 10-year follow up in a five-generation kindred. Clin Nephrol (1992) May, 37(5), 245-251 99. TORRES VE : Cranial Computed Tomographie and MRI in PCKD JASN Vol 1, No 1, July 1990, p 84 100. TRUDEL M, D'AGATI V, COSTANTINI F: C-myc as an inducer of polycystic kidney disease in transgenic mice. Kidney Int (1991) Apr 39 (4), 665-671 101. VALVO E, GAMMARO L, TESSITORE N, PANZETTA G, LUPO A, LOSCHIAVO C, OLDRIZZI L, FABRIS A, RUGIU C, ORTALDA V, MASCHIO G: Hypertension of polycystic kidney disease: Mechanisms and hemodynamic alterations. Am J Nephrol 5: (1985) 176-181
30
102. VARNERO S, BECCHI G, BORMIDA R, MARTINENGO E, CAROZZI S, Valvular prolaps im autosomal dominant polycystic kidney. G Ital Cardiol (1992) Juöy, 22(7): 825-828 103. VISSER G, COBBEN JM, TROELSTRA JA, van LINGEN RA: A newborn infant with an adult-type kidney disease. Ned Tijdschr Geneeskd (1992) Feb 8, 136(6): 289-291 104. WATSON JO, CRICK FHC: Molecular structure of nucleic acid, A structure for desoxyribose nucleic acid. Nature 1953; 171: 737-738 105. WATSON ML, MACNICOL AM, WRIGHT AF: Effects of angiotensin converting enzyme inhibition in adult polycystic kidney disease. Kidney Intern 41: (1992) 206-210 106. WIEBERS DO, TORRES VE: Screening for unrupted intracranial aneurysms in autosomal dominant polycystic kidney diesase. New Engl J Med, Vol 327, No 13, (1992) 953-955 107. WOOLF AS: Cures for polycystic kidney diseases? Nephrol. Dial. Transplant. (1994) 9; 1361-1362 108. WRIGHT AF, TEAGUE PW, POUND SE, PIGNATELLI PM, MACNICOL AM, CAROTHERS AD, DE MEY RJ, ALLAN PL, WATSON ML: a study of genetic linkage heterogeneity in 35 adult-onset polycystic kidney disease families. Hum Genet (1993) Jan, 90(5), 569-571 109. ZERRES K, MC VOLPEL, H WEIß: Cystic Kidneys: genetics, pathologic anatomy, clinical picture and prenatal diagnosis. In: Hum Genet 68: 104-135, 1984 110. ZERRES K: Polycystic Kidney Disease: Thoughts on the Meaning of Prevention. Contrib Nephrol Basel, Karger, 1992, vol 97, 111. ZEIER M, POHLMEYER G, DEERBERG F, SCHÖNHERR R, RITZ E: Progression of renal failure in the XXX: SPRD polycystic kidney rat; Nephrol. Dial. Transplant. (1994) 9: 1734-1739
31
SUMMARY: Autosomal Polycystic Kidney Disease (ADPKD) is one among a dozen severe hereditory diseases which now can be diagnosed by DNA diagnosis. In some cases carriers will know about risk factors long before symptoms occur. Carriers will also have the opportunity to 'prevent' an offspring from having the disease by not having this particular one offspring who is a carrier; this 'prevention' may be done by means of preimplantation diagnosis or abortion following prenatal diagnosis. Information about more and more risk factors for health will change the traditional concept of health and disease and calls for an new form patient-physician interaction, for the development of a carrier-ethics and a new dimension in physician-ethics. This paper includes a list of 111 recent publications on ADPKD. ZUSAMMENFASSUNG: Die autosomal dominant vererbbare polyzystische Nieren-erkrankung (ADPKD) ist eine unter einer Handvoll schwerer Erbkrankheiten, die jetzt mit genetischen Methoden diagnostiziert werden können. In einigen Fällen wird der Träger die Risikofaktoren kennen, lange bevor die Krankheit ausbricht. Merkmalsträger können auch aktiv verhindern, daß ein Nachkomme Träger der Krankheit ist, dadurch daß das Leben dieses bestimmten Nachkommen verhindert wird, durch Präimplantationsdiagnostik oder Schwangerschaftsabbruch nach Diagnose. Mehr und mehr Informationen über Risikofaktoren für Gesundheit werden das traditionelle Konzept von Gesundheit und Krankheit verändern und verlangen nach neuen Formen der Patient-Arzt Interaktion, einer Träger-Ethik und nach neuen Dimensionen in der ärztlichen Ethik. Der Beitrag enthält eine Liste von 111 neueren Beiträgen zur ADPKD Krankheit. 1. Auflage Juli 1993 2. überarbeitete und nach der Identifizierung des PBG-Gens erweiterte zweite Auflage ISBN 3-927855-60-X
32
Heft 82 KLINIK, GENETIK UND ETHIK DER AUTOSOMAL DOMINANT POLYZYSTISCHEN NIERENERKRANKUNG Rita Kielstein
Überarbeitete und nach der Identifizierung des PBG-Gens erweiterte zweite Auflage März 1995
33
Prof. Dr. med. Rita Kielstein ist Dozentin für Innere Medizin an der Medizinischen Akademie Magdeburg und leitet die dortige nephrologische Station und das KFH-Dialysezentrum; sie ist auch Mitglied der Ethikkommissionen der Medizinischen Akademie Magdeburg und der Landesärztekammer des Landes Sachsen-Anhalt. Herausgeber: Prof. Dr. med. Klaus Hinrichsen Prof. Dr. phil. Hans-Martin Sass Prof. Dr. med. Herbert Viefhues Zentrum für Medizinische Ethik Bochum Ruhr-Universität Gebäude GA 3/53 44780 Bochum TEL (0234) 700-2750 FAX (0234) 709-4288 Der Inhalt der veröffentlichten Beiträge deckt sich nicht immer mit der Auffassung des ZENTRUMS FÜR MEDIZINISCHE ETHIK BOCHUM. Er wird allein von den Autoren verantwortet. Schutzgebühr: DM 10,- Bankverbindung: Sparkasse Bochum Kto.Nr. 133.189.035 BLZ: 430 500 01 1. Auflage Juli 1993 2. überarbeitete und nach der Identifizierung des PBG-Gens erweiterte zweite Auflage ISBN 3-927855-60-X