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Klinische Chemie und Hämatologie für den Einstieg von Jürgen Hallbach überarbeitet Klinische Chemie und Hämatologie für den Einstieg – Hallbach schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Labormedizin Thieme 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 106342 7 Inhaltsverzeichnis: Klinische Chemie und Hämatologie für den Einstieg – Hallbach

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Die Thrombozytenzahl in unserem Korper schwankt er-heblich unter physiologischen Bedingungen, wohingegendie Gesamtmasse der Thrombozyten entsprechend ihrer

Funktion als Speicher verschiedener Wirkstoffe sehr kon-stant gehalten wird.

29.2 Untersuchungsverfahren fur Blutzellen

29.2.1 Praanalytik undProbengewinnung

Blutbildveranderungen treten nicht nur bei hamatologi-schen Erkrankungen auf, sondern sind Begleitphanomeneiner Vielzahl von Erkrankungen und leisten deshalbeinen wichtigen differenzialdiagnostischen Beitrag. Daskleine Blutbild ist eine der haufigsten Laboruntersuchun-gen. Es wird heute nahezu ausschließlich mechanisiert er-stellt (Blutbildanalyser) und umfasst zumindest die Hamo-globinbestimmung und die Ermittlung der Zellzahlen vonErythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten. Ferner wirddas MCV (mittleres korpuskulares Volumen der Erythro-zyten) gemessen und Hamatokrit, MCH (mittleres Zellha-moglobin) und MCHC (mittlere Zellhamoglobinkonzen-tration) werden berechnet. Gerateabhangig werdenweitere Parameter gemessen bzw. berechnet ( 29.4).Das große Blutbild wird durch das Differenzialblutbildkomplettiert. Hierzu gehoren die Leukozytendifferenzie-rung, die ebenfalls mechanisiert und nur in besonderenFallen mikroskopisch erfolgt, und ggf. die morphologischeBeurteilung von Erythrozyten und Thrombozyten.

29.4Gemessene und berechnete Parameter einesmodernen Blutbildanalysers (Beispiel)

Erythrozytenparameter: RBC = Erythrozyten-konzentration (Zahl), HGB = Hamoglobinkon-zentration, HCT = Hamatokrit, MCV = MittleresZellvolumen, MCH = Mittleres Zellhamoglobin,MCHC = Mittlere Zellhamoglobinkonzentrati-on, RDW = Verteilungsbreite der Erythrozyten,NRBC = Konzentration kernhaltiger Erythrozy-ten (Normoblasten), NR/W =NRBC pro 100 Leu-kozyten, RETC = Konzentration der Retikulozy-ten, %R = Retikulozyten in Prozent der RBC, IRF= Fraktion der unreifen Retikulozyten.Leukozytenparameter: WBC = Leukozytenkon-zentration, NEU = Neutrophilenkonzentration,%N = Neutrophile in Prozent der WBC, LYM =Lymphozytenkonzentration, %L = Lymphozytenin Prozent der WBC, MONO = Monozytenkon-zentration, %M = Monozyten in Prozent derWBC, EOS = Eosinophilenkonzentration, %E =Eosinophile in Prozent der WBC, BASO = Baso-philenkonzentration, %B = Basophile in Prozentder WBC, WVF = vitale Fraktion der WBC.Thrombozytenparameter: PLT = Thrombozy-tenkonzentration, MPV = Mittleres Thrombozy-tenvolumen, PCT = Thrombokrit, PDW = Vertei-lungsbreite der Thrombozyten.Mit Zusatzreagenzien durchflusszytometrisch:CD4 und CD8 = Bestimmung von T-Helferund T-Suppressorzellen, CD61 = Thrombozy-tenkonzentration.

Glykogen

Elektronen-dichtes

Granulum

Spezifischesα-Granulum

Plasmamembran(Thrombozytenphospholipide)

OffenesKanal-system

DichtesTubulussystem

MitochondrienAbb. 29.15 Feinstruktur derThrombozyten

Untersuchungsverfahren fur Blutzellen 401

Blut

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Venose Blutentnahme. Bei der Standardblutentnahmewird venoses Blut gewonnen (s. Kap. 1.3.1). �blich istdie Abnahme mehrerer Materialien:– Heparinblut fur die Klinische Chemie (wird zentrifu-

giert)– EDTA-Blut fur die Hamatologie– Citratblut fur die Hamostaseologie (wird zentrifugiert)– Vollblut ohne Zusatz (wird zentrifugiert) fur Spezialun-

tersuchungen.

Der Patientmuss fur die Blutbilduntersuchung nicht nuch-tern sein, sollte aber kurz vor der Abnahme keine fettenSpeisen zu sich genommen haben (Chylomikronen!). Chy-lomikronen fuhren zu Volumenverdrangungseffekten undkonnen besonders bei optischenMessprinzipien falschlichals Zellen gezahlt werden. Wichtig ist außerdem, dass derPatient vor der Blutentnahme liegt oder sitzt, da im Stehendas Blutvolumen abnimmt (s. Abb. 1.4).

Wegen ahnlicher Einflussemussen eine langere Stauzeitund die Blutentnahme unter starkem Sog vermieden wer-den. Wegen tageszeitlicher Schwankungen sollten Ver-laufsuntersuchungen moglichst immer zur gleichen Zeitvorgenommen werden, zu bevorzugen ist die morgendli-che Blutentnahme. Zu weiteren Einflussgroßen s. 1.4.1.

Die Blutbildanalysatoren benotigen antikoaguliertesVollblut, bereits minimale Koagelbildung wahrend derBlutentnahme kann die Messergebnisse erheblich veran-dern. Koagel verbrauchen Thrombozyten und andere Zel-len, was zu falsch niedrigen Zahlergebnissen fuhrt. Diemeisten Gerate haben zwar einen „clot“-Detektor, abernicht jedes Gerinnsel wird tatsachlich erfasst. Insbesonde-re Blutentnahmen aus Venenverweilkathetern machenimmer wieder Schwierigkeiten. Ebenso sollte die unvoll-standige Fullung der EDTA-Probenrohrchen vermiedenwerden, da die Blutzellen hierbei toxischen EDTA-Konzen-trationen und hypertonen Bedingungen ausgesetzt wer-den konnen.

Das EDTA-Blut sollte bei Raumtemperatur transportiertund bis zur Messung aufbewahrt werden, auch die Lage-rung fur Nachkontrollen sollte bei Raumtemperatur erfol-gen. Die Zellzahlergebnisse sind zwar bis 72 Stunden sta-bil, die Richtigkeit der automatisierten Zelldifferenzierungallerdings nur bis 24 Stunden und die Feinmorphologieder Leukozyten bei der Mikroskopie unterliegt bereitsnach 2 Stunden Aufbewahrungszeit Veranderungen.�hnlich empfindlich sind dasmittlere Thrombozytenvolu-men (MPV) und dasmittlere Erythrozytenvolumen (MCV),die beide ansteigen, sowie die Verteilungsbreite der Ery-throzyten (RDW). Nachkontrollen des Blutbildes sind da-her bedingt wahrend 24 Stunden moglich. Anstelle mitEDTA-Blut kann die Blutbilduntersuchung ersatzweiseauch mit Heparinvollblut oder Citrat-Vollblut erfolgen;bei Verwendung des letzteren Antikoagulanz ist der Ver-dunnungseffekt durch Zugabe von Citratlosung zu beruck-sichtigen.

In ungefahr 0,1% normaler Proben erzeugt EDTA einePlattchenaggregation oder eine Thrombozyten-Leuko-zyten-Satellitenbildung, was zu falsch niedrigen Throm-bozytenzahlen und moglicherweise erhohten Leuko-zytenwerten fuhrt. Nach der Erfahrung großererUntersuchungen konnen 15% aller Thrombozytopenienauf eine solche Pseudothrombozytopenie zuruckgefuhrtwerden (s.u.).

Kapillare Blutentnahme. Ist nur eine Blutbilduntersu-chung vorgesehen, kann die Blutentnahme auch kapillarerfolgen. Zur Abnahmetechnik s. 1.3.1. Der Einstich mussso tief sein, dass ohne Quetschen genugend Blut austritt.Nachteile der Kapillarblutentnahme sind eine schlechtereReproduzierbarkeit und die geringe Probenmenge, die oftfur Kontrollmessungen nicht ausreicht. Typischerweisebenotigen Blutbildanalyser 100–200 ll Probenvolumenfur die Messungen.

29.2.2 Messung der Parameterdes Kleinen Blutbildes

Diese Messungen erfolgen heute im Routinebetrieb aus-schließlich mit Hamatologieanalysern.

Hamoglobin

Bei normalem Blutvolumen ist die Hb-Bestimmung diewichtigste und einfachste Moglichkeit zum Nachweisund zur Verlaufsbeurteilung von Anamien.

Hamiglobincyanid-Methode. Dieses ist das klassischeVerfahren und wird auch noch in vielen Hamatologiea-nalysern angewendet. Die Blutprobe wird automatischverdunnt, die Erythrozyten werden lysiert und das freige-setzte Hamoglobin reagiert mit Kaliumferricyanid. Hierbeiwird das Eisen im Ham von þ 2 nach þ 3 oxidiert und esentsteht primar Hamiglobin (syn. Methamoglobin). DieReagenzlosung enthalt zusatzlich Kaliumcyanid (KCN),was im Weiteren zur Bildung von Hamiglobin-CN fuhrt.Dieses hat eine spezifische Absorptionsbande bei 540nm und wird in einer Durchflusskuvette gemessen. AlsMesssystem werden beispielsweise eine 540 nm LEDund ein Photodetektor verwendet. Die Kalibration desAnalysensystems erfolgt typischerweise durch den Ser-vicetechniker des Gerateherstellers mit definierten Hami-globin-CN-Losungen (Hamoglobincyanid ist sehr stabil).Die Hamiglobincyanid-Methode ist als Referenzmethodeetabliert.

Trube Proben (z.B. bei Hyperlipidamieoder extremer Hyperproteinamie) fuh-ren zu falsch hohen Hb-Werten.

Cyanidfreie Bestimmungsverfahren. Wegen der Gif-tigkeit von Cyaniden sind diese Methoden zu bevorzugen.Auch hier wird die Blutprobe verdunnt und das Hamoglo-bin freigesetzt. Sodium Lauryl Sulfate (SLS) wird als Rea-genz verwendet. Dieses Molekul hat ein hydrophiles undein hydrophobes Ende. Als erstes reagiert SLS mit seinemhydrophoben Anteil mit dem Globinanteil des Hb. Dannwird das Hameisen wieder zur 3 þ-Stufe oxidiert unddie hydrophilen Enden von SLS binden an Fe3+ unter Bil-dung eines stabilen Reaktionsprodukts, das absorptions-photometrisch bestimmt wird. Alternativ kann Hamoglo-bin mit Imidazol komplexiert werden.

Freies Hb im Plasma. Nach vorsichtiger Gewinnung vonPlasma, z.B. Heparinplasma, wird spektralphotometrischmit einer Mehrwellenlangenmethode das freie Hb be-stimmt.

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Erythrozytenkonzentration (Zahl) und MCV

Fur die mechanisierte Bestimmung der Erythrozyten sindzwei Messmethoden etabliert. Die mikroskopische Kam-merzahlung spielt keine Rolle mehr. In den Blutbildanal-ysatorenwerden ublicherweise 10 000–50 000 Zellen un-tersucht, sodass die Prazision den Zahlkammerverfahrenuberlegen ist.

Widerstandsmessung (Impedanzmessung). Ungela-dene Partikel in einem elektrischen Feld erhohen den Wi-derstand. Daher kann die Widerstandsmessung zur Zah-lung und Großenbestimmung von Erythrozyten dienen.Nach Vorverdunnung werden die Erythrozyten inmitteneines Mantelflussigkeitsstroms vereinzelt und durch dieMessoffnung eines Widerstands-Transducer geleitet. DieElektronik des Analysers reguliert einen konstantenStromfluss am Widerstands-Transducer. Passiert eine Zel-le, steigt der Widerstand an und der Stromfluss wurde ab-sinken, dies reguliert der Analyser durch einen Span-nungsanstieg nach. Steigt die Spannung uber einefestgelegte Schwelle und fallt kurz darauf wieder ab, liegtein Spannungsimpuls vor. Die Zahl der Spannungsimpulsekorreliert mit der Zellzahl. Das Volumen jeder Zelle (MCVdes einzelnen Erythrozyten) lasst sich durch die Amplitu-de der jeweiligen Spannungsimpulse ermitteln. Die Aus-wertung einer Vielzahl solcher Impulse gibt eine Großen-verteilungskurve der Erythrozyten und ein mittleres MCV(Abb. 29.16).

Laser-Streulichtmethode. Aus der vorverdunnten Blut-probe werden die Erythrozyten in einem Diluentstrom(Verdunnungsmittel) vereinzelt und in eine optischeDurchflusskuvette geleitet. Die Schwachung des Laser-strahls in Vorwartsrichtung (0 Grad Lichtverlust) ist ein

Maß fur die Zellgroße. Jede passierende Zelle erzeugteinen charakteristischen Lichtverlust am Detektor, derwie ein Impuls zunimmt und nach vollstandiger Passageder Zelle wieder zur Grundlinie abnimmt. Da die Licht-streuung großer Zellen starker ist als die kleiner Zellenist daher auch die Amplitude des 0 Grad Lichtverlusts gro-ßenabhangig und kann fur die Bestimmung der Zellgroße(MCV der Einzelzelle) verwendet werden. Wiederum er-folgt die Auswertung durch Aufsummation einer Vielzahlsolcher Ereignisse und die Impulshaufigkeit korreliert mitder Erythrozytenzahl und das Amplitudenmittel mit demMCV.

Die Erythrozytenverteilungsbreite(RDW) wird von den Blutbildanalysernals Histogramm dargestellt und korre-liert bei unauffalliger Erythrozytenmor-phologie mit der fruher ublichen Price-Jones-Kurve (Großenverteilungskurveder Erythrozyten). Allerdings wird dasRDW-Histogramm ublicherweise nichtin die Labor-EDVund damit in die Befun-de ubernommen.

Hamatokrit und Erythrozytenindices

Hamatokritbestimmung (HCT). Referenzmethode furdie Hamatokritbestimmung ist die Verwendung der Ha-matokritzentrifuge. In einer Einwegkapillare wird EDTA-Blut 10 Minuten hochtourig zentrifugiert und das Volu-men der sedimentierten Zellen im Verhaltnis zum Volu-men des Gesamtblutes angegeben. Hierzu wird die Langeder zellularen Saule in der Kapillare im Verhaltnis zur Ge-samtblutsaule gemessen. Die Einheit des Hamatokrit ist

Kapazitätsverstärker vorverdünnt

Konstanter Stromfluss

Dosierkanüle =äußere Elektrode

innere Elektrode

Öffnung

Verdünnungsmittel

Verdünnungsmittel

Zellvolumen

Abb. 29.16 Ablauf der WiderstandsmessungDie vorverdunnte Probe wird in einem Mantelstrom eines Verdunnungsmittels durch eine feine �ffnung geleitet. Die resultieren-den Spannungsimpulse werden registriert und ihre Amplitude ausgewertet. Koinzidenzen (Durchtritt von mehr als einer Zellegleichzeitig) werden durch ein statistisches Modell berucksichtigt, da sie von der absoluten Zellzahl abhangig sind. Durch denfestgelegten Schwellenwert lasst sich die falschliche Erfassung von Fremdpartikeln weitestgehend vermeiden

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dimensionslos (Ergebnis z.B. 0,44) oder haufig in Prozent(z.B. 44%). Im Routinelabor findet diese Technik schon seitlangerem keine Anwendung mehr, da die Hamatologiea-nalyser 2 Großen (Erythrozytenkonzentration RBC undmittleres Erythrozytenvolumen MCV) messen, aus denensich der Hamatokrit berechnen lasst:

HCT ¼ MCV ðflÞ � RBC ð106=llÞ

bzw.

HCT ¼ MCV ðflÞ � RBC ð1012=lÞ

Mittlerer zellularer Hamoglobingehalt (MCH). DieseGroße gibt an, wie viel Hamoglobin der einzelne Erythro-zyt durchschnittlich enthalt. Er basiert auf der MessungvonHamoglobinkonzentration und Erythrozytenzahl. Bei-de Großen werden von den Hamatologieanalysern primargemessen und daher kann der MCH automatisch berech-net werden:

MCHðpgÞ ¼ Hamoglobin ðg=lÞ=Erythrozytenzahl ð106=llÞ

bzw.

MCH ðpgÞ ¼ Hamoglobin ðg=lÞ=Erythrozytenzahl ð1012=lÞ

Mittlere zellulare Hamoglobinkonzentration (MCHC).Basisgroßen sind Hamoglobinkonzentration und Hamato-krit. Die Hamoglobinkonzentrationwir vomAnalyser direktgemessen und der Hamatokrit (wie oben angegeben) be-rechnet. Daher ist die automatische MCHC-Berechnungnach folgenden Gleichungen moglich:

MCHC (g/dl) = Hamoglobinkonzentration (g/dl)/[MCV (fl) � Erythrozytenzahl (1012/l)]

bzw.

MCHC (g/dl) = Hamoglobinkonzentration (g/dl)/Hamatokrit

Leukozytenzahl

Mechanisierte Messmoglichkeiten fur die Leukozytenzah-lung sind– Widerstandsmessverfahren (Impedanzprinzip)– Optische Streulichtmethodik

oder Kombination der zwei obigen Verfahren. Im erstenSchritt werden bei allen mechanisierten Leukozytenbe-stimmungen die Erythrozyten lysiert. Dies ist auch beider Kammerzahlung erforderlich ( 29.5). Sie wird in sel-tenen Fallen weiterhin als Kontrollverfahren fur die me-chanisierte Zellzahlung benotigt.

29.5Kammerzahlung der Leukozyten

50 ll EDTA-Blut werden mit 500 ll Turk-Losungin einer Mischpipette oder einem Probencupgemischt und 10 Minuten bei Raumtemperaturinkubiert. Turk-Losung enthalt Eisessig zur Lyseder Erythrozyten und Gentianaviolett fur eineschwache Anfarbung der Leukozyten. NachneuerlichemMischen wird eine Neubauer-Zahl-kammer befullt und diese 10 Minuten in einefeuchte Kammer gestellt. Am besten mittelsPhasenkontrastmikroskopie werden vier großeEckquadrate (je 1 mm2 Flache, 0,1 mm Hohe)ausgezahlt. Berucksichtigen wir noch die Ver-dunnung (1 þ10), so ergibt sich fur die Berech-nung der Leukozytenzahl:

WBC ð=llÞ ¼ 27,5� ZahlergebnisDer Faktor berechnet sich folgendermaßen: Dasausgezahlte Volumen betragt 0,4 mm3=0,4 ll,daher muss mit 2,5 multipliziert werden, umauf einen Mikroliter zu kommen, und mit 11(Verdunnungsfaktor); 2,5 � 11 = 27,5.Insbesondere bei niedriger Zellzahl hat die Kam-merzahlung eine hohe Imprazision (10–20%).

Widerstandsmessverfahren. Das Blut wird vorver-dunnt (je nach Gerat ca. 1:50) und die Erythrozyten werdenlysiert. Die Messung erfolgt wie bereits bei den Erythrozy-ten beschrieben. Als Schwellenwert fur die Zellgroße(Zellvolumen) werden je nach Gerat 30–35 fl verwendet.Normoblasten, nicht ausreichend lysierte Erythrozyten,Lipidpartikel und Thrombozytenkomplexe werden mogli-cherweise mitgezahlt und konnen falsch hohe Zahlraten er-geben. Deshalb ist die parallele Bestimmung der Leukozy-tenzahl nach einem anderen Messprinzip sinnvoll.

Laser-Streulicht-Methode. In der einfachsten Varianteerfolgt analog zur RBC-Zahlung die WBC-Zahlung in derDurchflusskuvette. Zuvor mussen Erythrozyten lysiertund die Leukozyten in einem Laminarstrom einer Mantel-flussigkeit vereinzelt werden. Der 0 Grad Lichtverlust wirdfur die Zellzahlung verwendet, die Amplitude ist wiederMaß fur das Zellvolumen.

Die Zuverlassigkeit erhoht sich, wenn ein komplexeresMesssystem (Flow-Zytometrie) verwendet wird, bei demz.B. folgende Großen von mehreren Detektoren gleichzei-tig erfasst werden:– 0 Grad Lichtverlust als Maß der Zellgroße und zur Fest-

legung der Zahlimpulse– 7 Grad Streulicht als Maß der Zellkomplexitat– Fluoreszenzmessung im 90 GradWinkel eines Farbstoffs

der DNA farbt.

Wahrend die Zellen nun die Durchflusskuvette passieren,interferieren sie mit dem Laserstrahl und erzeugen obigedrei Signale, die von der Elektronik in einem dreidimen-sionalen Gate (Schwellenwertsetzung) verarbeitet wer-den. Damit ein optisches Ereignis als WBC gezahlt wird,muss als erstes ein minimaler Schwellenwert der Komple-xitat (7 Grad Streulicht) uberschritten werden, und zwei-tens muss der Schwellenwert fur die Große (0 Grad Licht-verlust) oder die DNA-Farbstoff-Fluoreszenz uberschrittenwerden. Damit wird die Fehleranfalligkeit der WBC-Zah-lung deutlich reduziert.

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Thrombozytenzahl

Mechanisierte Messmoglichkeiten fur die Thrombozyten-zahlung sind– Widerstandsmessverfahren (Impedanzprinzip)– Optische Streulichtmethodik– Durchflusszytometrische Bestimmung (z.B. mittelsmar-

kierter CD-61-Antikorper)– oder Kombination der obigen Verfahren.

WerdenWiderstands- und optische Streulichtmessung imGerat parallel durchgefuhrt, erhalt der Anwender bei Dis-krepanzen eineWarnung. Die Kammerzahlung hatweiter-hin Bedeutung bei sehr niedrigen Thrombozytenzahlen,wenn die Durchflusszytometrie als empfindlichste Tech-nik nicht verfugbar ist und zur Abklarung von fraglichenThrombozytenaggregaten in Erganzung zur Ausstrichun-tersuchung ( 29.6). Die Kammerzahlung mittels Phasen-kontrastmikroskopie ist Referenzverfahren.

29.6Kammerzahlung von Thrombozyten

Als erster Schritt wird das Blut mit einer Losung,die einen Plattchenaggregationshemmer ent-halt, vorverdunnt (1:100). Nach ausreichenderMischung wird die Zahlkammer gefullt. Dannlasst man die Thrombozyten 10 Minuten sedi-mentieren In der Neubauer-Kammer werden5 Erythrozytenmessfelder ausgezahlt. Vorteil-haft ist die Verwendung eines Grunfilters.Thrombozyten ð=llÞ ¼ Zahlergebnis� 1000

Widerstandsmessverfahren. Das Blut wird vorver-dunnt (je nach Gerat ca. 1:300) und die Messung erfolgtwie bereits bei den Erythrozyten beschrieben. Als Gate(Schwellenwertbereich) fur das Zellvolumen der Throm-bozytenwerdenmeistens 1–20 fl verwendet. Die mittlereAmplitude aller Impulse im Thrombozytengate ergibt dasmittlere Thrombozytenvolumen (MPV).

Laser-Streulicht-Methode. In der einfachsten Varianteerfolgt die Untersuchung analog zur RBC und WBC-Zah-lung. Eine komplexere und sicherere Auswertung unter-sucht Streulicht in einem 7 Grad und 90 Grad Winkel.In einer doppeltlogarithmischen Darstellung dieser bei-den Messsignale lasst sich durch entsprechendes automa-tisiertes Gating eine sehr zuverlassige Abtrennung derThrombozyten von den Erythrozyten vornehmen (Abb.29.17).

Bestimmung von Retikulozyten und Normo-blasten

Retikulozyten. Im Gegensatz zu Erythrozyten enthaltenRetikulozyten deutliche Mengen endoplasmatisches Reti-kulum, das reich an RNA ist. Anfarbung der RNAerlaubt diemikroskopische ( 29.7) bzw. die durchflusszytometri-sche Retikulozytenbestimmung: Das Retikulozytenrea-genz enthalt einen Farbstoff, der mit der RNA reagiertund eine Fluoreszenz bei 530 nm ergibt. Diese Fluoreszenzwird in einemWinkel von 90Grad zum Laserstrahl gemes-sen. Die Retikulozytenpopulation wird identifiziert undgezahlt, was die absolute Retikulozytenzahl ergibt. Außer-

dem lasst sich der Anteil der Retikulozyten im Verhaltniszur Erythrozytenzahl angeben (typischerweise in der Ein-heit Promille).

Retikulozyten lassen sich in verschiedene Reifestadienunterteilen. Da die Retikulozyten bei ihrer Reifung RNAverlieren, kann die Fluoreszenzintensitat genutzt werden,um zusatzlich den Anteil unreifer Retikulozyten zu ermit-teln (IRF).

�brigens markiert der verwendete Fluoreszenzfarbstoffauch DNA in den Leukozyten. Da aber die DNA-Konzentra-tion in den Leukozyten viel hoher ist als die RNA-Konzen-tration in den Retikulozyten, ist dieses Problem durch Set-zen von Schwellenwerten (Gating) einfach losbar.

29.7Mikroskopische Retikulozytenbestimmung

Ein Vitalfarbstoff (Neu-Methylenblau oder Bril-lantkresylblau) wird 1 þ1 mit dem EDTA-Blutgemischt und 30 Minuten inkubiert. Nach Aus-streichen auf mehrere Objekttrager wird luft-getrocknet und bei starker Vergroßerung wer-den anschließend alle blauliche Prazipitate ent-haltenden Zellen gegen die Gesamtmenge Ery-throzyten (1000) ausgezahlt. Die Ergebnisanga-be erfolgt in Promille.

Normoblasten. Normoblasten sind spate Formen vonErythroblasten (nach mehreren erfolgten Teilungsschrit-ten). Normoblasten konnen bei jeder starken Blutneubil-dung vom Knochenmark ausgeschwemmt werden. Stan-dig positive Normoblasten finden sich bei chronischerHamolyse. Mikroskopisch konnen Normoblastenmit Lym-phozyten verwechselt werden. Unterscheidungsmerk-male sind der vollkommen runde Normoblastenkernmit sehr dichter Chromatinstruktur und das vollkommenunstrukturierte Zytoplasma.

Normoblasten konnen auch zur Fehlmessung bei dermechanisierten Leukozytenzahlung fuhren. Moderne Sy-steme korrigieren die Leukozytenzahl automatisch beimVorliegen von Normoblasten, die dazu selbstverstandlichbestimmt werden mussen. Hierzu wird ein Reagenz ver-

Log 90° Signal

Log

7° S

igna

l

Abb. 29.17 Gating von Thrombozyten (PLT) und Erythrozyten(RBC)

Untersuchungsverfahren fur Blutzellen 405

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wendet, das sowohl einen Fluoreszenzfarbstoff (detektier-bar bei 630 nm) enthalt und zum anderen die Kerne derNormoblasten von ihrem Zytoplasma trennt. Erst diesehullenlosen Zellkerne nehmen den Farbstoff auf. Angege-ben wird die Absolutzahl der kernhaltigen Erythrozyten,d.h. der Normoblasten (NRBC) und die Fraktion der RBCje 100 WBC (NR/W).

Nicht-vitale Leukozyten nehmen den Farbstoff ebenfallsauf, allerdingsmit von Normoblasten unterscheidbarer In-tensitat, und konnen so parallel bestimmt werden. Ange-geben wird durch Differenzbildung die Fraktion der vita-len Leukozyten (WVF).

29.2.3 Differenzialblutbild

Das weiße Differenzialblutbild wird heute in erster Liniemechanisiert erstellt, wobei folgende Zellpopulationen er-fasst werden:– neutrophile segmentkernige Granulozyten– Lymphozyten– Monozyten– basophile Granulozyten– eosinophile Granulozyten.

Die Prazision ist hierbei deutlich hoher als bei der mikro-skopischen Differenzierung, da 10 000–50 000 Einzelzel-len von den Geraten untersucht werden. Angegeben wer-den die Ergebnisse in Absolutzahlen und in Prozent derGesamt-Leukozytenzahl. Pathologische Leukozytenpopu-lationen und starke Veranderungen der normalen Zellpo-pulationen fuhren zu Flagsetzungen (Alarmmeldungen),die in der Regel eine weitergehende mikroskopische Un-tersuchung erforderlich machen ( 29.8).Auch die Analyse eingehenderer Veranderungen der

Erythrozyten und Thrombozyten abgesehen von einerAnisozytose (erkennbar am RDW bzw. PDW) erfordertweiterhin die mikroskopische Beurteilung des Differen-zialblutbilds.

Mechanisiertes weißes Differenzialblutbild

Im ersten Schritt werden bei jedem Verfahren die Erythro-zyten lysiert und die Leukozyten in einer Durchflusszellevereinzelt. Heute eingesetzte Blutbildanalysensysteme

verwenden fur die Leukozytendifferenzierung in die Zell-populationen des normalen Blutbilds und die Erkennungvon Sonderfraktionen verschiedeneMessprinzipien in un-terschiedlicher Kombination:– Widerstandsmessung– Konduktivitatsmessung– Laser-Streulichtmessung– Durchflusszytometrie– Zytochemische Peroxidasereaktion.

Widerstandsmessung. Dieses Verfahren zur Zellzah-lung und Zellgroßenbestimmung ist uns schon bekannt.

Konduktivitatsmessung. Hier wird die Wechselwir-kung hochfrequenten Wechselstroms mit den Leukozytenuntersucht und es werden Informationen zu Kernstrukturund zur Kern/Plasma-Relation erhalten.

Laser-Streulichtmessung. Untersucht wird die Wech-selwirkung des Laserstrahls mit der einzelnen Zelle inder Durchflusskuvette (Abb. 29.18). Dabei werden folgen-de Informationen zur untersuchten Zelle erhalten:– Große (0 Grad Lichtverlust)– Komplexitat (7 Grad Streulicht)– Lobularitat (90 Grad Streulicht, polarisiert)– Granularitat (90 Grad Streulicht, depolarisiert).

Wie uns bereits bekannt bestimmt der 0 Grad Lichtverlustdie Zellgroße.

7 Grad Streulicht tritt bei Zellen mit komplexer Innen-struktur starker auf als bei Zellen mit geringer Komplexi-tat, maßgeblich ist vor allem das Verhaltnis Zellkern/Zyto-plasma.

Laserlicht ist immer polarisiert (schwingt in einer Ebe-ne). Beim Streulicht kann deshalb untersucht werden, obes noch in der gleichen Ebenewie das ursprungliche Laser-licht schwingt. Dies wird bei der 90 Grad Seitwarts-streuung genutzt. Bleibt das Streulicht in 90 Grad-Rich-tung polarisiert, ist dies ein Maß fur die Lobularitat derZellen: Eine hohe Lobularitat besitzen segmentierte Zell-kerne.

Bestimmte Typen der zytoplasmatischen Granula, be-sonders in eosinophilen Zellen, depolarisieren das Laser-licht wahrend der Lichtstreuung. Ein kleiner Teil des zuvorvertikal polarisierten Lichts erhalt durch diese Interaktionanschließend eine horizontale Ausrichtung. Dieses hori-

Laserstrahl 0° Lichtverlust

7° Streulicht

90° polarisiertes Streulicht90° depolarisiertes Streulicht

7° Streulicht

Abb. 29.18 Leukozytendifferenzierungmittels Laserlichtstreuung

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zontal ausgerichtete Licht wird mit einem horizontal aus-gerichtetemPolarisationsfilter separiert und getrennt vomweiterhin vertikal polarisierten Licht gemessen. Da das ho-rizontal polarisierte Licht Folge einer Depolarisierung ist,wird es etwas irrefuhrend als depolarisiertes Streulicht be-zeichnet (s. oben).

Von jeder Zelle werden obige vier Parameter erfasst, di-gitalisiert und Signalgroßenklassen zugeordnet. Diemehr-dimensionale Gegenuberstellung dieser Einzeldaten er-gibt Scattergramme. Zellen desselben Typs streuen dasLicht in ahnlicher Weise, daraus resultiert eine Clusterbil-dung (Zellwolken in der Scattergrammansicht). Die einzel-nen Scattergramm-Cluster werden mithilfe dynamischerSchwellenwerte getrennt, indem die Auswertesoftwarefur jede Trennung die passende Parameterkombination(Algorithmus) verwendet. Tab. 29.1 veranschaulicht dieZuordnung der untersuchten Zellen zu einem definiertenZelltyp. Wird zusatzlich noch die RNA- bzw. DNA-Fluores-zenz mitberucksichtigt, ist die eindeutige Abgrenzung derNormoblasten moglich, die sich bei dieser Große deutlichvon den anderen Zellpopulationen unterscheiden.

Zytochemische Peroxidasereaktion. Hier erfolgt dieDifferenzierung der Leukozyten aufgrund ihrer Großeund ihres Myeloperoxidasegehalts (MPO). Neutrophilez.B. sind besondersMPO-reich und relativ groß und bildenso im Scattergramm ein Cluster.

Manuelles Differenzialblutbild

Anfertigung. Zur spateren Patientenidentifikation wirdein entfetteter Objekttrager an einem Ende mit Bleistift

beschriftet oder mit einem Spezialetikett beklebt unddann an einem Ende des liegenden Objekttragers am be-sten mit einer speziellen Einmalpipette ein stecknadel-kopfgroßer Bluttropfen aufgebracht. Ein geschliffener Ob-jekttrager wird unter einem Winkel von 30 Grad auf demliegenden Objekttrager mit dem Bluttropfchen aufgesetztund vorsichtig an den Bluttropfen geschoben, bis sichdieser entlang der Glaskante ausbreitet, dann fuhrt manden geschliffenen Objekttrager in der Gegenrichtunguber den liegenden Objekttrager bis sich das Blut amEnde bartformig ausfranst (sog. Fahne). Anschließendwird der Ausstrich fur mindestens 2 Stunden luftgetrock-net.

Farbetechniken. �blicherweise wird auf einer Farbe-bank mit dem Pappenheimverfahren gearbeitet. Der luft-getrocknete Ausstrich (mit dem Bart nach oben) wird alserstes drei Minuten in May-Grunwald-Losung getaucht.Methylenblau und Eosin farben dabei die sauren Nuklein-sauren und basischen Granula der Leukozyten und un-reiferen Erythrozyten an. Dann wird in neutralen Phos-phatpuffer getaucht und neuerlich gefarbt, diesmal mitGiemsalosung, die Azur und Eosin enthalt. Nach 15 Minu-ten wird abgespult und luftgetrocknet.

Bereits mit Farbstoff impragnierte Objekttrager oderReagenziensets fur die Schnellfarbung konnen in dringen-den Fallen fur eine wesentlich schnellere Farbung einge-setzt werden. Die Qualitat dieser Produkte ist sehr unter-schiedlich.

Auswertung. Bei schwacher Vergroßerung sollte mansich einen Praparatuberblick verschaffen. Eine geeigneteRegion (meist 1 cm vor dem Bartende) wird dann bei star-

Tabelle 29.1 Zuordnung von Zellen bei der Laser-Streulichtmethode anhand der Signalgroßenklassen (Beispiel)

Untersuchte Zelle Große Komplexitat Lobularitat Granularitat Zuordnung Zelltyp

1 140 143 125 28 Neutrophiler

2 100 75 14 5 Lymphozyt

3 165 80 30 5 Monozyt

4 110 80 16 5 Basophiler

5 135 148 130 75 Eosinophiler

29.8Beispiele fur die Flagsetzung bei der mechanisierten Laser-Streulicht-Blutbildanalyse

Warnung stabkernige Neutrophile: Ausgewertetwird die Position des Neutrophilen-Clusters (0Grad und 90 Grad Streulicht) zusammen mitder absoluten und relativen Neutrophilenzahl.Gerateabhangig wird ein Wahrscheinlichkeitsin-dex fur das Vorhandensein von stabkernigenNeutrophilen ausgegeben.Warnung unreife Granulozyten (Linksverschie-bung): Ausgewertet wird die Position des Neutro-philen-Clusters (0 Grad, 7 Grad und 90 GradStreulicht) zusammen mit der absoluten und re-lativen Neutrophilenzahl. Gerateabhangig wirdein Wahrscheinlichkeitsindex fur das Vorhanden-sein von unreifen Granulozyten ausgegeben.

Blastenwarnung: Ausgewertet werden die Position desMonozyten-Clusters (0 Grad, 7 Grad, 90 Grad Streulicht-messung), der Monozytenanteil, das Lymphozyten-Clu-ster (0 Grad und 90 Grad Streulichtmessung) und dieDNA-Fluoreszenz.Warnung atypische Lymphozyten (Variant Lymphs): Aus-gewertet werden der Lymphozytenanteil und die abso-lute Lymphozytenzahl sowie die DNA-Fluoreszenz.Werden die zuvor genannten Alarme vomGerat gegeben,ist zumindest beim erstmaligen Vorliegen eines solchenAlarms bei einem individuellen Patienten die Anfertigungeines Ausstrichs fur diemikroskopische Beurteilung unbe-dingt angezeigt.

Untersuchungsverfahren fur Blutzellen 407

Blut

XI

Hallbach, Klinische Chemie und Hamatologie fur den Einstieg (ISBN 3131063424), F 2006 Georg Thieme Verlag

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ker Vergroßerung (�limmersion) maanderformig ausge-zahlt und die Feinmorphologie der Zellen (einschließlichErythrozyten und Thrombozyten) beurteilt. 100 Leukozy-ten (in schwierigen Fallen ggf. 3�100 Zellen) werden aus-gezahlt und die Ergebnisse heute sofort uber eine spezielleTastaturbelegung in die Labor-EDV eingegeben, fruherwurden Strichlisten gefuhrt. Auf Basis der prozentualenZellverteilung berechnet die Labor-EDV mithilfe der Ge-samtleukozytenzahl ggf. sofort die Absolutzahlen der ein-zelnen Leukozytenfraktionen.

Auch das Anfertigen von Ausstrichen kann automatisiertwerden und mittels eines automatisierten Mikroskopsmit einem Pattern-Recognition-Programm ausgewertetwerden ( 29.9).

29.2.4 Qualitatssicherung

Fur Blutbilduntersuchungen sind interne und externeQualitatskontrollmaßnahmen in den Richtlinien der Bun-desarztekammer vorgeschrieben (s. Kap. 27). Hierzu wer-den stabilisierte Kontrollblutproben verwendet. Diese ha-ben allerdings im Vergleich zu Kontrollplasmen/seren einedeutlich kurzere Haltbarkeit, sodass fur die hamatologi-schen Parameter keine laborinternen Grenzwerte (s.Kap. 27) berechnet werden mussen.

29.3 Rotes Blutbild

Das rote Blutbild ist wichtig zur Anamieabklarung und zum Ausschluss oder Nachweiseiner Erythrozytose.

29.9Automatisiertes Pattern-Recognition-System

Mittels eines Videomikroskops, bei dem alleFunktionen (Fokussierung, Objekttischbewe-gung etc.) computergesteuert sind, werden dieZellen in der Monlayerschicht einzeln detektiertund nach morphologischen Kriterien (Zellgroße,Zellumfang, Zelldichte, Farbtonung) klassifiziert.Sowohl die morphologisch zugeordneten alsauch fragliche Zellen werden dem Betrachter

am Monitor zur endgultigen Beurteilung prasentiert. Imeingeschrankten Ausmaß ist auch die Beurteilung derErythrozytenmorphologie mit diesem Verfahrenmoglich.Vorteile sind die Verwendung einer Referenzdatenbankund die Dokumentation der Befunde. Die durchschnittli-che automatisierte Zuordnungsrate bei den Leukozytenliegt bei 90–95%.

29.3.1 Messgroßen des rotenBlutbildes

Die heute zur Verfugung stehenden Blutbildanalysatorenliefern in hohem Ausmaß richtige und reproduzierbare Er-gebnisse, wenn sachgerecht abgenommene Proben vonmehr oder weniger gesunden Personen untersucht wer-den. In speziellen Fallen sind allerdings erhebliche Inter-ferenzen moglich (Tab. 29.2).

RBC-Interferenzen. Erythrozytenagglutination im Pro-benrohrchen durch Kalte- oderWarmeantikorper vermin-dert den RBC, da verklumpte Zellen nicht richtig identifi-ziert und gezahlt werden konnen. Bei vielen Geratenwerden die Leukozyten mit den Erythrozyten mitgezahlt,was zu Fehlern bei ausgepragter Leukozytose fuhrt.

Hb-Interferenzen. Erhohte Plasmatrubung oder ver-starkte Plasmafarbung konnen den Hb-Wert erhohen(Tab. 29.2). Ggf. kann mit dem Plasma des betroffenen Pa-tienten eine Leerwertkorrektur durchgefuhrt werden.

Bedeutung von Erythrozytenzahl, Hb-Wert undErythrozytenindices

Erythrozytenzahl. Referenzwerte: Frauen 4,1–5,1 undManner 4,5–5,9 � 106/ll. Bei Kindern besteht eine starkeAbhangigkeit vom Lebensalter. Die Erythrozytenzahl istals Einzelparameter diagnostisch wenig aussagekraftigund kein empfindlicher Parameter fur die Erfassung einerAnamie. So gibt es z.B. manifeste Eisenmangelanamienmit erniedrigtemHb-Wert, aber noch normaler Erythrozy-tenzahl. Allerdingswird die Erythrozytenzahl (RBC) fur dieBerechnung von Hamatokrit, MCH und MCHC benotigt.

Großenverteilungsbreite der Erythrozyten (RDW).Der RDW-Wert zeigt empfindlicher als das MCV das Vor-handensein kleiner Subpopulationen großerer oder klei-nerer Erythrozyten an. Bei Vorliegen eines deutlich erhoh-ten RDW sollte die Erythrozytenmorphologie mikrosko-pisch abgeklart werden.

MCV. Referenzwerte: 77–99 fl. Mittels des MCV-Werteskonnenwir Anamien in normo-, mikro- oder makrozytareFormen einteilen. Zwar gibt das MCV immer einen richti-

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