Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

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Kognition und Schmerz Workshop E4 SIM-Gutachterkurs Modul 3 25.05.2018 Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP Eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin Zertifizierte neuropsychologische Gutachterin SIM

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Dipl. Psych. Andrea Plohmann

Fachpsychologin für Neuropsychologie und Psychotherapie FSP

Zertifizierte Neuropsychologische Gutachterin SIM

Basel

Kognition und SchmerzWorkshop E4

SIM-Gutachterkurs Modul 325.05.2018

Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP

Eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin

Zertifizierte neuropsychologische Gutachterin SIM

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WESHALB BEEINTRÄCHTIGT

SCHMERZ KOGNITIVE FUNKTIONEN?

- NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN

1. Modell beschränkter Ressourcen

➢ Alarmfunktion:

➢ akute Schmerzreize können potentiell lebensbedrohliche Situationen anzeigen, auf die Individuen rasch und adäquat reagieren müssen

➢ müssen also in unserer komplexen Umgebung genügend hervorstechen, um Aufmerksamkeit zu erregen(‘‘interruptive function of pain’’, Eccleston& Crombez, 1999)

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NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN

Schmerz …

• konkurriert mit begrenzten Aufmerksamkeits-

Ressourcen

• beeinflusst so die Leistung bei Aufgaben, welche

die Verarbeitung und Integration anderer

Informationen beinhalten

• stört v.a. die Leistung bei anspruchsvollen

Aufgaben, weil diese einen höheren Anteil der

Aufmerksamkeits-Ressourcen beanspruchen

Störender Effekt von Schmerz abhängig von …

• Schmerzcharakteristika (z.B. dem

Bedrohungspotential)

• Inanspruchnahme durch die Umgebung (z.B.

emotionales Arousal, Aufgabencharakteristika)

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A neurocognitive model of attention to pain

4

Legrain V. Van Damme S., Eccleston C., Davis K.A., Seminowicz D.A., Crombez G. (2009).

A neurocognitive model of attention to pain: Behavioral and neuroimaging evidence. Pain, 144: 230–232.

sensory analyses

Working MemorySET LOAD

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SALIENCE DETECTORS

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WESHALB BEEINTRÄCHTIGT SCHMERZ

KOGNITIVE FUNKTIONEN?

- NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN

2. Maladaptive Plastizität

Persistierende nozizeptive Stimulation

strukturelle und neurochemische

Veränderungen im ZNS

Abnahme der grauen Substanz im

dorsolateralen präfrontalen Cortex (dlPFC)

Verminderte kognitive Leistungsfähigkeit

514.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 6: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

A neurocognitive model of attention to pain

Ji G, Sun H, Fu Y, et al. Cognitive impairment in pain through amygdala-driven

prefrontal cortical deactivation.J Neurosci. 2010;30:5451–5464

Amygdala

Deaktivierter Präfrontaler Cortex (PFC) durch

plastische Veränderungen

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NEUROBIOLOGISCHE GRUNDLAGEN- BEFUNDE AUS DER BILDGEBUNG

FUNKTIONELLE

VERÄNDERUNGEN

• PET / fMRI:

In-vivo Veränderungen der

Gehirnaktivität während einer

Schmerzattacke (funktionelle

Veränderungen)

• Ziel:

Identifikation spezifischer aktiver

Gehirnareale für die jeweilige

Schmerzerkrankung

MORPHOLOGISCHE

VERÄNDERUNGEN

• Voxelbasierte Morphometrie VBM:

Voll automatisiertes Verfahren zum

voxelbasierten Vergleich von T1-

gewichteten Bildern von

Personengruppen

• Ziel:

Feststellung hirnmorphologischer

Veränderungen bei Patienten mit

chronischen Schmerzen i.S. einer

regional spezifische Abnahme an

grauer Substanz (strukturelle

Änderungen)

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Page 8: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

BEFUNDE AUS DER BILDGEBUNG- Morphologische Veränderungen

Phantomschmerz

chronischerSpannungs-kopfschmerz

chronischerRückenschmerz

hochfrequenteMigräne ohne Aura

May (2009): Schmerz verändert die Struktur des Gehirns. Schmerz

14.08.2020 8

Statistisch parametrische Karten zeigen die strukturellen Unterschiede in der grauen Substanz

zwischen Patienten mit einem chronischen Schmerzsyndrom und gesunden Kontrollprobanden.

Signifikante Verminderungen der grauen Substanz sind exemplarisch für 4 Schmerzerkrankungen

gezeigt, jeweils vergliechen mit einer unabhängigen Kontrollstichprobe und die Ergebnisse in gelb auf

das NMR einer gesunden Person projiziert.

SIM GA-Kurs Modul 3

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Teil A.: Unterschiede in dem Volumen an grauer Substanz zwischen Fibromyalgie-Patienten und gesunden Kontrollpersonen im rechten anterioren cingulären Kortex(ACC), dem rechten inferioren Kortex (PFC) und der linken Amygdala

Hilgart (2009). Voxelbasierte Morphometrie bei Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom

BEFUNDE AUS DER BILDGEBUNG- Morphologische Veränderungen

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BEFUNDE AUS DER BILDGEBUNG- Morphologische Veränderungen

Zusammenfassung der Befunde:

• Veränderungen unabhängig vom Syndrom oder der anatomischen

Projektion der Schmerzen

• überlappen im vorderen und mittleren Cingulum, der vorderen

Inselrinde, dem orbitofrontalen Kortex und dem Hirnstamm

• Betroffene kognitive Funktionen:

• Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit

• Arbeitsgedächtnis

• Exekutive Funktionen wie Planungsvermögen,

Handlungsorganisation und Impulskontrolle

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Potentielle Mechanismen schmerzassoziierter kognitiver Einbussen(nach Moriarty et al., 2011, Progress in Neurobiology )

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NEUROANATOMISCHE VERÄNDERUNGEN

UND NEUROPSYCHOLOGISCHE EINBUSSEN

REVERSIBEL ?

Seminowicz et al. (2011). Effective Treatment of Chronic Low Back Pain in

Humans Reverses Abnormal Brain Anatomy and Function. J Neurosci.

31(20):7540-7550:

• Graue Substanz im linken dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC)

bei Pat. mit chronischen Rückenschmerzen dünner als bei gesunden

Kontrollen

• Nach erfolgreicher Schmerzbehandlung bildet sich diese Veränderung

innert 6 Monaten zurück, d.h. Abnahme grauer Substanz bei

Schmerzpat. reversibel

• Korrelierte mit Schmerzreduktion, geringeren physischen

Einschränkungen und normalisierter Aktivität des li DLPFC (fMRI)

während einer Aufmerksamkeit erfordernden Aufgabe

1514.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 13: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

NEUROANATOMISCHE VERÄNDERUNGEN UND

NEUROPSYCHOLOGISCHE EINBUSSEN

REVERSIBEL ?

• Bestätigt sehen sich die Autoren durch 3 Pat., die auf die

Behandlung nicht ansprachen : Diese hatten nach 6 Monaten mehr

Schmerzen und gemäss MRI hatte sich deren graue Substanz nicht

regeneriert.

• Kritische Bewertung:

• Kleines N: 14 CLBP-Pat., 10 gesunde Kontrollen

➢Generalisierung der Befunde problematisch

• Ein Gruppe unbehandelter CLBP-Pat. wäre von Vorteil

gewesen (natürlicher Verlauf)

• Invasiver Therapieansatz (OP, Infiltrationen)

➢Unklar, ob erfolgreiche konservative Therapien ähnliche Effekte

erzielen 13 1314.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

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VALIDIERUNGVON SCHMERZ

Bartlett, M.S., Littlewort, G.C.,Frank, M.G. and Lee, K. (2014).

Automatic Decoding of Facial Movements Reveals Deceptive Pain Expressions.

Current Biology, 24, 738–743

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3 14

Page 15: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Unser Gesichtsausdruck vermittelt reichhaltige Informationen für die soziale

Interaktion, den Ausdruck von Gefühlen und Schmerzen.

Die Gesichtsbewegungen werden von zwei motorischen Bahnen kontrolliert:

• subkortikales extrapyramidales motorisches System

steuert spontane Gesichtsausdrücke erlebter Gefühle

• kortikales pyramidales motorisches System

kontrolliert willentliche Gesichtsausdrücke.

Das pyramidale System ermöglicht es uns, Gesichtsausdrücke von Gefühlen

zu simulieren, die wir gar nicht aktuell erleben, und zwar so erfolgreich, dass

die meisten Beobachter getäuscht werden können.

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VALIDIERUNG VON SCHMERZ

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 16: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

• 2 Gruppen von «Stimulus-Personen»:

1. echte Schmerzerfahrung (für 1 min Arm in Eiswasser (5°C))

2. Instruktion, Schmerz zu simulieren (für 1 min Arm in warmem Wasser

(20°C))

• Die Gesichtsausdrücke wurde jeweils per Video aufgezeichnet.

• Experiment 1: 170 Beobachtern sollten anhand der Videos beurteilen, ob

die Schmerzexpression authentisch oder simuliert war.

➢ Die Trefferquote bzw. Beurteilungsgenauigkeit entsprach der

Ratewahrscheinlichkeit (M = 51.9%; SD = 14.6)

• Experiment 2 untersuchte, ob Training die Beurteilungsgenauigkeit

verbesserte:

➢ Die Beurteilungsgenauigkeit verbesserte sich marginal auf 54.6%

(SD = 15.5%) und entsprach noch immer der Ratewahrscheinlichkeit

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VALIDIERUNG VON SCHMERZ

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 17: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Ein Computersystem, das automatisch Gesichtsbewegungen messen und

Bewegungsmuster analysieren kann, erreichte eine Trefferquote von 85%.

Die Überlegenheit des Computers lässt sich auf seine Fähigkeit zurückführen,

die Dynamik genuiner Gesichtsausdrücke von simulierten Gesichtsausdrücken

zu unterscheiden, in dem es die subtilen Unterschiede zwischen pyramidal

bzw. extrapyramidal gesteuerten Bewegungen identifizieren kann.

Mundöffnung (dynamische Informationen

über Mundöffnung und die zeitlichen

Intervalle zwischen den Mundöffnungen)

bestes Merkmal, um authentischen

von simuliertem Schmerzausdruck

zu unterscheiden.

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Bartlett, M.S. et al. (2014). Automatic Decoding of Facial Movements …

VALIDIERUNG VON SCHMERZ

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 18: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Kriterium A: Evidenz eines äusseren Anreizes

Kriterium B: Belege aus der körperlichen Untersuchung

• Wahrscheinliche Antwortverzerrung: Leistung in gut validierten

Massen physischer Fähigkeiten (z.B. Handdynamometer, Pegboard)

sprechen für übertrieben demonstrierte Funktionseinschränkungen

• Diskrepanzen zwischen subjektiver Beschreibung des Schmerzes

und physiologischer Reaktivität (z.B. keine erhöhte Pulsfrequenz bei

subjektiv signifikanter Schmerzzunahme)

• Klare nicht-organische Zeichen (z.B. Waddell Zeichen)

• Diskrepanzen zwischen Beschwerdendarstellung bzw.

Schmerzverhalten während der formalen Untersuchung und

Zeitpunkten, in welchen sich der Explorand unbeobachtet glaubt

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DIAGNOSTIC CRITERIA OF MALINGERED

PAIN-RELATED DISORDER (MPRD)

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Page 19: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Kriterium C:

• Evidenzen aus der neuropsychologischen Untersuchung in Form

unzureichender Anstrengungsbereitschaft in PVT und Diskrepanzen

Kriterium D:

• Evidenzen aus der Beschwerdenschilderung in Form negativer

Antwortverzerrung in BVT und Diskrepanzen

Kriterium E:

• Das Verhalten, welches den Kriterien B-D entspricht kann nicht

VOLLSTÄNDIG durch psychiatrische, neurologische, oder

Entwicklungsfaktoren erklärt werden.

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DIAGNOSTIC CRITERIA OF MALINGERED

PAIN-RELATED DISORDER (MPRD)

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 20: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Etherton et al. (2006):

a. Pain, Malingering, and performanceon the WAIS-III Processing Speed Index. Journal

of Clinical and Experimental Neuropsychology, 28:1218–1237

b. …on the WAIS-III Working Memory Index. Spine Journal 6(1):61-71

2014.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

1. Kognitive Defizite

Vergleich authentischer und aggravierender Schmerzpatienten:

➢ Keine Unterschiede in der Schmerzintensität

➢ keine Korrelation zwischen Schmerzrating und Leistungshöhe

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 21: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

2114.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

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2214.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 23: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

2314.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 24: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Einige chronische Schmerzpatienten leiden unter Defiziten der

Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (AGS) und des

Arbeitsgedächtnisses (AGD)

Mehrheit (>95%) zeigte keine extremen Beeinträchtigungen im

AGS oder AGD des WIE (Indizes ≤70)

selbst bei

- mässiger bis hoher Schmerzbelastung oder

- sekundären Folgen der Schmerzen (Schlafstörungen, psychische

Belastung, Müdigkeit, Nebenwirkungen der Medikation, ...)

2414.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 25: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Bei fehlenden Hinweisen für eine bedeutsame Hirnfunktionsstörung

(SHT, Demenz):

Leistungseinbussen > 2 Standardabweichungen

(WIE: AGS ≤65, AGD ≤70)

≠ Folge akuter noch chronischer Schmerzen

➜ Indikator für unzureichenden Effort und möglicherweise

Aggravation

2514.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 26: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

2. Beschwerdenschilderung

Instrument der Wahl >> MMPI-2 oder MMPI-2-RF

Untersuchte Patientengruppen:

− authentische Schmerzpatienten

− möglicherweise aggravierende Patienten (gemäss MPRD-Kriterien)

− wahrscheinlich aggravierende Patienten

− sicher aggravierende Patienten

− unklare Fälle

Wiederum waren die beklagten Schmerzintensitäten in allen Gruppen dieselben

(ca. 6 / 10 NRS).

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VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN

BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Bianchini, K. J., et al. (2017). Classification Accuracy of the Minnesota Multiphasic

Personality Inventory-2 (MMPI-2)-Restructured Form Validity Scales in Detecting

Malingered Pain-Related Disability. Psychological Assessment.

Page 27: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

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VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 28: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

28

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN

➢ Wahrscheinlich und sicher aggravierende Patienten unterscheiden sich in diesen Skalen

nicht signifikant! Beide scoren hoch auf F-r und auf der Response Bias Scale (RBS).

➢ Die möglichen und den wahrscheinlich aggravierenden Patienten unterscheiden sich

genau in diesen beiden Skalen.

➢ Keine Unterschieden fanden sich zwischen den möglicherweise und den sicher

aggravierenden Fällen nur in den Skalen Fs (seltene somatische Klagen) und FBS-r.

Page 29: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

2914.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

VALIDIERUNG VON SCHMERZASSOZIIERTEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Page 30: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

DIFFERENTIALDIAGNOSTIK -AGGRAVATION VS. SOMATOFORME STÖRUNG

Nicht jedes übertriebene Schmerzverhalten, jede übermässige

Betonung von schmerzbezogenen Einschränkungen oder jedes

negative Outcome therapeutischer Massnahmen ist ist intentional.

Somatisierung ist eine der wichtigsten Differentialdiagnosen.

„Somatization refers to the way certain patients use their physical

symptoms as away of dealing with, and communicating about, their

emotional lives. ... [i]n this type of symptom magnification, physical

symptoms may be easier to accept as causing current unhappiness

and discontent than admitting that some psychological reason is

contributing to it.“ (Gatchel, 2004, p. 204)

3014.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 31: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Eine Begutachtungssituation ist komplex und potentiell stress-

auslösend und kann deshalb vorbestehenden psychologische

Erlebens- und Verhaltensweisen inkl. Somatisierung verstärken.

Psychometrische Indikatoren sollten daher zwischen übertriebener

Beschwerdenschilderung im Rahmen einer Somatisierung und

bewusster Übertreibung i.S. von Aggravation unterscheiden können.

Hierzu lassen sich z.B.. die Skalen 1 Hypochondrie (Hd) und 3

Hysterie (Hy) des MMPI-2 heranziehen:

Patienten mit einer Somatisierungsstörung: T-Werte > 80

Personen, welche bewusst übertreiben: T-Werte > 90

31

AGGRAVATION VS. SOMATOFORME STÖRUNG

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 32: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

32

conversion v / neurotic v

HdHy

D

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 33: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3 33

Somatoforme Störungen:

Erhöhungen von

• RCd: Entmutigung

• RC1: Körperbeschwerden

Entmutigung

KörperbeschwerdenRC1

RCd

RC7

Dysfunktionale

negative

Emotionen

ZynismusRC3

RC2Mangel an

positiven

EmotionenAntisoziales

Verhalten

RC4 RC6

Verfolgungs-

gedanken

RC8

RC9Hypomane

Aktivierung

Abweichende

Erfahrungen

Page 34: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

34

Aggravation:

Erhöhung aller RC mit

Ausnahme von

• RC 3 (Zynismus) und

• RC 9 (Hypomane

Aktivierung)

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

RCd

RC1

RC2

RC3

RC4

RC6

RC7

RC8

RC9

Abweichende

Erfahrungen

Verfolgungsgedanken

Mangel an positiven

Emotionen

Dysfunktionale

negative

Emotionen

Antisoziales

Verhalten

Zynismus

Körperbeschwerden

Entmutigung

Hypomane

Aktivierung

Page 35: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Ein einzelner psychometrischer Hinweis auf unzureichenden Effort

bzw. Verfälschungstendenzen darf für sich alleine genommen nicht

zur Diagnose Aggravation oder Simulation führen.

Die Differentialdiagnose sollte sich stets auf diverse klinische u./o.

psychometrische Informationen stützen (siehe hierzu Bianchini et

al., 2005; Slick et al., 1999).

Die Diagnose Aggravation/Simulation sollte explizit einem

diagnostischen Modell folgen.

35

AGGRAVATION VS. SOMATOFORME STÖRUNG

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 36: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Eine sorgfältige Differentialdiagnose bei suboptimaler Leistungs-

bereitschaft und/oder übertriebener Beschwerdenschilderung hat

nicht nur Konsequenzen für eventuelle Entschädigungsleistungen,

sondern auch für das therapeutische Procedere und eventuelle

psychosoziale Hilfestellungen.

36

AGGRAVATION VS. SOMATOFORME STÖRUNG

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 37: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

TAKE HOME

Beeinträchtigung der Kognition

durch chronische Schmerzen

• möglich, aber nicht zwingend

• betrifft v.a. Geschwindigkeit der

Informationsverarbeitung,

Arbeitsgedächtnis und exekutive

Funktionen

• in leicht bis mittlerem Ausmass

• auch ohne Komorbidität

• unabhängig von der subjektiven

Schmerzintensität

• unabhängig vom

Schmerzsyndrom

3714.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 38: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

TAKE HOME

• Störungsprofil ähnelt jenem von

MTBI, Depression u.a. und ist im

Einzelfall schwer abzugrenzen

• Korreliert mit neueren Befunden

cerebraler funktioneller,

morphologischer und

biochemischer Veränderungen

• Verminderte kognitive

Leistungsfähigkeit kann eine

limitierte Arbeitsfähigkeit

bedingen

➢ neuropsychologische

Untersuchung und ggf. auch

Behandlung indiziert

3814.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 39: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

TAKE HOME

39

• Aggravation schmerzassoziierter

Beeinträchtigungen ist häufig (in

der Schweiz ca. 35-40% aller

Exploranden)

➢ psychometrisch abgestützte

Performanz und

Beschwerdenvalidierung

indiziert

• Hinsichtlich der Ätiologie nicht-

authentischer kognitiver

Störungen oder übertriebener

Beschwerdenschilderung sind

mögliche Differentialdiagnosen

sorgfältig zu überprüfen.

14.08.2020 SIM GA-Kurs Modul 3

Page 40: Kognition und Schmerz - sim-edu.ch

Dipl. Psych. Andrea Plohmann

Fachpsychologin für Neuropsychologie und Psychotherapie FSP

Zertifizierte Neuropsychologische Gutachterin SIM

Basel

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!