KOLUMNE Brüssel wird Versailles

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  • 7/29/2019 KOLUMNE Brssel wird Versailles

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    Zuckerssse Kunstwerke

    Hausgemacht. In Wencke Schmids Backstube an derOetlingerstrasse entsteht barockes Zuckerwerk handgefertigte Kuppeltorten, Petits Fours, Gold- undBlumenkuchen in verfhrerischer Perfektion. Seite 31| Freitag, 22. Mrz 2013 | Seite 25

    Kultur. Beseelte ObjekteAusgestellt. Das Museum der Kulturen prsentiertin seiner Ausstellung Kult- und Alltagsgegenstnde ausAmazonien und fragt nach der Beziehung zwischenSammlern und Gesammeltem. Seite 27

    AZIG

    Brssel wird zu Barosos VersaillesDer Versuch einer Teil-Enteignung auf Zypern wird als Dammbruch in die Finanzmarktgeschichte eingehen

    Von Claude Cueni

    Das Parlament in Zypern hat die vonder EU verlangte Teil-Enteignung vonKontenbesitzern bei zypriotischen Ban-ken abgelehnt. Aus Angst vor einer mas-siven Kapitalflucht englischer und rus-sischer Gelder. Die Sache ist noch nichtausgestanden, aber der Schaden bereitsenorm. Vor wenigen Tagen hiess es, diestaatliche Teil-Enteignung der zyprioti-schen Bankkunden sei einmalig. Dochwir wissen lngst: Alles was in der Poli-tik einmalig ist, wird frher oder spterzum Standard. Es wird Nachahmergeben. Entscheidend war nie, ob Zy-pern in letzter Sekunde die Kleinsparerausklammert oder wie hoch die endgl-tige Enteignung sein wird, entschei-dend war, dass willkrliche staatlicheEnteignungen ber Nacht mglich undrechtens sind, unabhngig davon, ob esnun die Spargroschen von Rentnernoder die Milliarden von Kapitalflcht-lingen betrit, die in hoch verzinstenRisikoanlagen investierten.

    Die zunehmende Abschaung desBargeldes wird es in Zukunft den Regie-rungen erleichtern, ihre Brger berNacht zu enteignen. Denn wenn jederBrger seine Barbestnde nur nochin digitaler Form auf einem Server hat,gengt ein staatlicher Klick auf dieMaustaste, um dem Brger einen Teilseines Vermgens zu rauben. Ein Ban-kenrun ist ausgeschlossen, denn frh-morgens beim Kaee realisiert jeder,dass es bereits passiert ist. Wer jetztglaubt, das sei in einem Rechtsstaatnicht ohne Weiteres mglich und es gel-te die staatliche Einlagegarantie, irrt.

    Es gibt keine staatliche Garantie

    Fr die Begrndung und juristischeLegitimation stehen Dutzende vonJuristen zur Verfgung. Der grssteBankraub aller Zeiten (Spiegel Online)wird einfach als einmalige oder zwei-malige Sondersteuer deklariert. Marke-ting ist alles. Deshalb gaben bereitsdeutsche und spanische Politiker zuProtokoll, dass eine Teil-Enteignungauch in ihren Lndern denkbar sei,da es ja eine Steuer sei und keineEnteignung. Das lsst aufhorchen.

    Durch die stndige Wiederholung,dass es eine Einlagegarantie bis 100 000Euro fr Sparguthaben gibt, dmmertmittlerweile jedem, dass es sie nichtwirklich gibt. Wie soll brigens einestaatliche Garantie mglich sein, wennselbst der Garantiegeber bankrott geht?Es ist nicht ganz frei von Ironie, dassausgerechnet jene Leute, die der Whlergewhlt hat, damit diese seine Anliegenvertreten, ihr Mandat dazu benutzen,um die Whlerschaft auszurauben, umnicht finanzierbare Dinge zu bezahlen,die man leichtfertig versprochen hat,um gewhlt zu werden. Denn drei Vier-tel der Politiker, so verschieden sie auchsein mgen, haben stets ein identischesZiel: die persnliche Wiederwahl.

    Wer Huser und Land besitzt, wirdes schwer haben, sich dem staatlichenRaubzug zu entziehen. Ein Haus lsstsich nicht einfach eintten. Die Schlau-en, die gleich nach der Ankndigungber ihren Online-Account das gesamteGuthaben in Schweizer Bluechips um-wandeln, weil Aktien und Edelmetallein der Hektik vergessen wurden, wer-

    den sich wundern: Die Server der On-line-Aktiendepots werden gleichzeitigmit der Ankndigung stillgelegt.

    In allen hnlichen Finanz-, Wirt-schafts- und Verschuldungskrisen flie-hen die Menschen in die ErsatzwhrungGold, die zwar keine Zinsen abwirft,aber werthaltig bleibt. Im Gegensatz zuPapiergeld kann der Wert nie auf nullsinken. Nun ist der Staat wieder amZug: Mit einer Sondersteuer auf denKauf und Verkauf von physischem Gold.Dann folgt meistens das Verbot, Gold zubesitzen, und die Pflicht, das Edelmetallbei Regierungsstellen zu einem sehrtiefen Kurs einzutauschen.

    Gold schtzt EigentumsrechteDie Liste all jener Lnder und Regie-

    rungen, die in den letzten 2000 Jahrenden Goldbesitz unter Strafe gestellthaben, ist ellenlang. Whrend der Fran-zsischen Revolution wurde der Gold-besitz sogar mit der Guillotine bestraft.Und bereits Julius Csar verbot vor-bergehend den Goldbesitz. Denn esist gemss Alan Greenspan fr dieFinanzpolitik des Wohlfahrtsstaatesnotwendig, dass es fr Vermgensbe-sitzer keine Mglichkeit gibt, sich zuschtzen, und Gold beschtzt Eigen-tumsrechte.

    Diese Eskalationen gehen immerHand in Hand mit der Stigmatisierungder Reichen zum nationalen Feindbild.Es spielt dabei keine Rolle, wie das

    Vermgen erwirtschaftet worden ist. Esgengt, reich zu sein, um ein Feind desVolkes zu werden (Sportler, Schauspie-ler und Popstars sind interessanterwei-se davon ausgenommen). Wer ein gros-ses Vermgen hat, wird keine Mhehaben, das Land zu verlassen. Die Scha-denfreude der Einheimischen wird vonkurzer Dauer sein, denn der Steueraus-fall wird kompensiert mit einer hherenBelastung des Mittelstandes. Bis einesTages alle gleich wenig haben. Das fhrtdann in der Regel zu sozialen Unruhen,die in eine Revolution mnden mit allihren Verirrungen.

    Es war bisher undenkbar, dassKleinsparer pltzlich ber Nacht teil-weise enteignet werden, um Banken zuretten. Ab jetzt ist alles denkbar. Auch

    Kleinparer in Spanien, Italien, Portugalfragen sich, ob sie eines Morgensaufwachen und vielleicht 20 % wenigerauf ihrem Konto haben. Einige werdendas Geld zu Hause horten (wie dieGriechen), was die Einbruchswelleerfahrungsgemss verzehnfacht. Derdeutsche Wirtschaftsweise Peter Bo-finger kommentiert vielsagend: Euro-pas Brger mssen nun um ihr Geldfrchten.

    Egal, wie die Zypernkrise weiter ver-luft: Der Damm ist gebrochen, es darfnun berall auf der Welt ber willkr-liche staatliche Enteignungen diskutiertwerden, und es ist nicht ganz ausge-schlossen, dass eines Tages ein Nicht-

    EU-Land wie die Schweiz gentigt wird,seine Brger teilweise zu enteignen, umseinen Beitrag an die europischeIdee zu leisten, denn bekanntlichknicken unsere Bundesrte bereits invorauseilendem Gehorsam ein, wenndie EU laut ber etwas nachdenkt.

    Schwerer wiegt aber der enormeVertrauensverlust, den die EU mit ihremEnteignungsversuch ausgelst hat. Undwer traut der EU heute noch dieLsung der Krise zu, wo sie doch erneutbewiesen hat, dass sie nicht in der Lageist, die Konsequenzen ihres Tuns richtigabzuschtzen? Die EU hat den Bodenfr neue zwischenstaatliche Konfliktegelegt, weil sie im Grunde genommenden dubiosen Finanzplatz Zypernzerstren wollte. Konflikte entstehenschneller als man denkt, und es wrekein abwegiger Verlauf, wenn ausge-rechnet jene Romantiker, die eine EUwollten, um nach dem zweiten Welt-krieg den Frieden in Europa fr immerzu sichern, mit genau dieser EU einenernsthaften europischen Konflikt ent-fesselten.

    Leider haben die Menschen keinhistorisches Gedchtnis. Was sich imLaufe ihres Lebens noch nie ereignethat, halten sie fr unmglich. Wir ver-gessen dabei, dass es in der Geschichteder Menschheit kaum eine Generationgegeben hat, die nicht entweder von

    Seuchen, Kriegen, Hungersnten, Na-turkatastrophen oder Finanz- und Wirt-schaftskrisen heimgesucht worden ist.

    Historiker werden eines Tages denVersuch der willkrlichen staatlichenTeil-Enteignung im Jahre 2013 alsDammbruch in der europischen Finanz-marktgeschichte bezeichnen. Von da anglaubte kein Europer mehr an Rechts-sicherheit, Staatsgarantien, sichere Ren-ten und den Schutz des Privateigentums.Von da an war Europa eine Bananen-union, und Staat und Finanzplatz hattenjegliches Vertrauen verloren.

    Ihre Exzellenz Baroso (ozielle An-rede) wird in die Geschichte eingehenals der Sonnenknig von Brssel, derzusammen mit seinem Hofstaat (Kos-ten: 1,2 Millionen Euro pro Person) dieRckabwicklung der Errungenschaftender Franzsischen Revolution mit demneuen Gesetz zur Erhaltung der Quali-tt der Berichterstattung beendete.Barosos Kommission plant eine gesetz-liche Verpflichtung zur Verbreitungeuropischer Werte. Missachtungensollen mit Geldbussen oder Lizenzent-zug (!) bestraft werden. Von da an wredie Enteigung auf Zypern in den Medi-en oziell keine Enteignung mehr undBrssel wre Versailles.

    Claude Cueni ist Schriftsteller undDrehbuchautor. r schrieb u.a. historischeJohn Law und den Henker von Paris zur Zeitder Franzsischen Revolution.

    Schlangestehen vor der Bank. Die Angst der Zyprioten spiegelt ein grundlegendes Misstrauen in die Absichten und das Krisenmanagement der U wider. Foto Keystone

    K a r t e n b e i a l l e n b e k a n n t e n V o r v e r k a u f s s t e l l e n !

    12.05.2013

    BASELST. JAKOBSHALLE

    Mnner sind schuld, sagen die Frauen