KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine...

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enn Sie, verehrte Lese- rinnen und Leser, die folgenden Seiten durchblättern, dann wird ihnen vor allem eines auffallen: Der Mann, um den es geht, wird ver- dientermaßen gelobt. Und er wird – ebenso verdientermaßen – heftig kritisiert. An Gert Hoff- mann, der Montag seinen letzten Tag im Amt als Braunschweiger Oberbürgermeister hat, scheiden sich die Geister. Es ist der Mann mit zwei Gesichtern. Wie ist das möglich bei einem Mann, der Erfolge wie kaum ein anderer Kommunalpolitiker vorweisen kann? Wie kann das sein bei einer Persön- lichkeit, deren Lebens- und Arbeitsleistung re- kordverdächtige Marken gesetzt hat, wovon auf den fol- genden Seiten die Rede sein wird? Die Antwort ist kom- pliziert – und doch auch ein- fach. Die Art und Weise, wie dieser Oberbürgermeis- ter Entscheidun- gen durchsetzte, hat zu zahlreichen Verletzungen ge- führt. Und wie er mit Menschen umsprang. Hoffmann teilte seine Umgebung in zwei Kate- gorien ein: Jene, die für ihn waren – und jene, die gegen ihn waren. Die zweite Gruppe hatte es nicht leicht. Wenn Hoff- mann Angriffspunkte sah und hatte, dann gab es für die Betrof- fenen schon mal eine Luftverän- derung. Mit bislang in der Stadt selten gesehener Konsequenz er- streckte sich dieser Zugriff nicht nur auf die Stadtverwaltung, den ureigensten Aktionsradius eines OB. Hoffmanns langer Arm reichte weit darüber hinaus. Nur wenige in Braunschweig wider- setzten sich oder widersprachen. Warum denn auch? Der Erfolg sprach immer für sich. Selten hat sich eine Stadt in wenigen Jahren so sehr zum Posi- tiven verändert wie Braun- schweig zwischen 2001 und 2014. Es ist müßig, darüber zu speku- lieren, was ohne Hoffmann aus Braunschweig geworden wäre. Wahrscheinlich hätte die Stadt es überlebt – und vielleicht gar nicht einmal so schlecht. Die Fi- xierung auf eine einzelne Person überhöht und vereinfacht zu- gleich. Wir Journalisten neigen dazu. Doch bei gründlicher Be- trachtung war hier ein umfängli- cher Apparat zu besichtigen, starke gesellschaftliche und wirt- schaftliche Kräfte, stringent ge- führt und ohne Zufälligkeiten in der Kommunikation – ein Lehr- beispiel für die Durchsetzung kontroverser Entscheidungen. Da war Hoffmann der richtige Mann an der richtigen Stelle zur richtigen Zeit. So wurde etwas geschafft, wo- ran andere Städte verzweifeln – eine Haushaltssanierung, die diesen Namen auch verdient und nicht nur Alibi ist. Das Braun- schweiger Haushaltswunder hat W die Stadt natürlich auch noch nicht schuldenfrei gemacht, je- doch Kräfte für einen Auf bruch und ein wahres Investitionsfeuer- werk freigemacht. Wenn Braun- schweig bundesweit im Image punktet, wenn es Baugebiete schafft und Einwohner gewinnt, wenn es starke Unternehmen und Forschungseinrichtungen lockt und bindet, wenn es Schulen, Ki- tas und Sportstätten baut und bewahrt, wenn es im Gegensatz zu den meisten anderen Kommu- nen stets alle Handlungsoptionen in der Hand hält – ja, wie könnte die Bilanz eines scheidenden Oberbürgermeisters eigentlich besser und eindrucksvoller aus- fallen? Das darf man fragen. Üb- rigens darf man das auch jene no- torischen Hoffmann-Kritiker fragen, die diesem Oberbürger- meister am Ende nicht einmal mehr geglaubt hätten, wenn er ihnen die richtige Uhrzeit gesagt hätte. Wer indes andere Meinungen vertrat, nicht dazugehörte, nicht mitzog, nicht wollte oder konnte – den strafte dieser Oberbürger- meister mit Nichtachtung. Und Hoffmann gegen sich zu haben, das konnte unangenehm werden. Dass dies auch Leitende und Ver- antwortliche in anderen Behör- den und Institutionen und vor al- lem in der gesamten Region be- traf – das war nicht immer gut für Braunschweig. So blieben auch Dinge liegen, die wichtig für diese Stadt sind. Hoffmanns Regions- Bilanz ist sehr ernüchternd, um es wohlwollend auszudrücken. Der öffentliche Regionalverkehr erhielt in Hoffmanns Amtszeit aus Braunschweig zu wenig Im- pulse. Und eine junge, kritische, brodelnde Szene der Reize und des Widerspruchs, aber auch der unbotmäßigen Ideen, letztlich des kreativen Potenzials, das ei- ne Gesellschaft – manchmal auch schmerzlich – voranbringt, das hatte in Braunschweig in der Ära Hoffmann nicht seinen Ort. Dazu war sein Weltbild zu eng, hierzu fehlten ihm Einsicht und Gelas- senheit. Hoffmann war ein OB der alten Schule, des Aufbaues, des Wiederaufbaues, der Solidi- tät, des Rechtes, der Tradition. Von sich und anderen forderte er vor allem Leistung – und lieferte selbst, was er versprochen hatte. Für seinen Kurs und seine Politik bekam Hoffmann von den Braun- schweiger Bürgern in zwei Wah- len deutliche Mehrheiten. So wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver- ändert hat. Hoffmann hat Wert- volles, Unschätzbares geleistet. Am Ende ist es Zeit für ihn zu ge- hen. In Braunschweig kann eine neue Zeit beginnen. Ein Erfolgreicher mit zwei Gesichtern „An Gert Hoffmann scheiden sich die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und kaum je- mand war so umstritten.“ KOMMENTAR von Henning Noske „Nur wenige widersetzten sich oder widersprachen.“ „Eine Ära, die Braunschweig geprägt und verändert hat.“ B R AUNSCHWEI G Von Henning Noske Als im Oktober 2000 ein Rechts- anwalt namens Gert Hoffmann als Oberbürgermeisterkandidat der CDU in Braunschweig präsentiert wurde, da gab es manche erstaun- te Rückfrage und den einen oder anderen mitleidigen Blick: Bitte, wer? Insider wussten allerdings schon damals: Der kann es. Der Tipp kam von Wolfsburgs OB Rolf Schnellecke, ebenfalls CDU. Braunschweig war für die Christdemokraten gewiss kein Pflaster mit Siegesgarantie. Po- puläre SPD-Oberbürgermeister wie Gerhard Glogowski und zu- letzt Werner Steffens kamen beim Bürger an. Nun sollte der Schullei- ter Gernot Tartsch daran anknüp- fen. Doch im Herbst 2011 war die Zeit reif für eine Weichenstellung neuer Art in Braunschweig. Hoff- mann machte das Rennen – und Tartsch hatte das Nachsehen. Noch etwas war anders: Der neue OB hatte viel Macht. Die hat- te er durch eine Reform in Niedersachsen bekom- men, die ausgerechnet Gerhard Glogowski als niedersächsi- scher Innenminis- ter vorangetrie- ben hatte: Ein- gleisigkeit – der Oberbürger- meister, bis- lang eher fürs Zeremonielle zuständig, war jetzt auch Haupt- verwaltungs- beamter und damit mächti- ger Chef für rund 4000 Ver- waltungsmitar- beiter. Was dann in der Ära Hoffmann folg- te, bedeutete eine Zä- sur in der neueren Stadtgeschichte: Ein Privatisierungskurs machte Haushaltsmittel frei und half beim Schuldenabbau. Die städtische Versorgungs-AG wurde zu 74,5 Prozent verkauft, doch die Stadt behielt strategi- schen Einfluss. Das 1960 abgerissene herzogli- che Residenzschloss erstand als Shopping-Mall neu. Das Projekt Schloss-Arkaden wurde am Ende beides: Einkaufszentrum und Kultur-Schloss. Und blieb um- stritten, wurde jedoch auch zum Publikumsrenner. Bau- und Investitionsentschei- dungen sorgten über Braun- schweig hinaus für Aufsehen: Sta- dion-Ausbau, Steigenberger-Ho- tel, Verlän- gerung der Start- und Landebahn des Flughafens, Erlebnis-Bad Was- serwelt. Unkonventionelle Wege wurden beschritten: Für Sanierung und Betrieb von Schulen und Kinder- gärten wurde ein Private-Public- Partnership-Vertrag (PPP) mit dem Unternehmen Hochtief ge- schlossen. Mit der Bewerbung als europäi- sche Kulturhauptstadt 2010 ge- meinsam mit der Region sam- melte Braunschweig Punkte. Mit der Berufung als Stadt der Wis- senschaft 2007 gelang der große Wurf. Hoffmanns großem Plan für eine Region Braunschweig blieb der Erfolg jedoch verwehrt. Nach 13 Jahren geht die Ära Gert Hoffmann in Braunschweig nun zu Ende. Auf den folgenden Seiten kommen Wegbegleiter und Kritiker zu Wort. Gert Hoffmann – Nach 13 Jahren das Ende einer Ära Braunschweigs Oberbürgermeister scheidet aus seinem Amt. Die Dornse des Braunschweiger Altstadtrathau- ses war sein Wohnzimmer. Der OB im Jahr 2012 beim Dehoga-Empfang. Foto: Peter Sierigk Manchmal auch ein Freund der großen Geste: Am Ritterbrunnen eröffnete Hoffmann im Sommer 2012 die Kulturnacht. Foto: Rudolf Flentje Dr. Gert Hoffmann wurde 1946 in Berlin-Kreuzberg ge- boren. Der Verwaltungsjurist und Rechtsanwalt trat sein Amt als Braunschweiger Oberbürgermeister am 1. No- vember 2001 an. Seine Amtszeit endet an diesem Montag, 30. Juni 2014. Hoffmann studierte Jura in Göttingen. 1967 trat er in die NPD ein und nahm 1968 füh- rende Positionen im Natio- naldemokratischen Hoch- schulbund ein. Hoffmann verließ die NPD, wurde 1970 Mitglied der CDU. 1976 wurde er Direktor der Samtgemein- de Hemmoor. In Gifhorn fun- gierte er von 1981 bis 1991 als Stadtdirektor. Nach der Wie- dervereinigung war Hoff- mann von 1991 bis 1994 Re- gierungspräsident in Dessau. STATIONEN Das gehört dazu: Narrenkappe und Bützchen für den Oberbürgermeister in der Karnevalshochburg Braunschweig. Foto: Rudolf Flentje Eintracht-Torjäger Domi Kumbela und Gert Hoffmann 2011 bei der Aufstiegsfeier in die zweite Liga. Foto: Florian Kleinschmidt/Best Pixels Samstag, 28. Juni 2014 01

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enn Sie, verehrte Lese-rinnen und Leser, diefolgenden Seiten

durchblättern, dann wird ihnenvor allem eines auffallen: DerMann, um den es geht, wird ver-dientermaßen gelobt. Und erwird – ebenso verdientermaßen– heftig kritisiert. An Gert Hoff-mann, der Montag seinen letztenTag im Amt als BraunschweigerOberbürgermeister hat, scheidensich die Geister. Es ist der Mannmit zwei Gesichtern.

Wie ist das möglich bei einemMann, der Erfolge wie kaum ein

anderer Kommunalpolitikervorweisen kann? Wie kann

das sein bei einer Persön-lichkeit, deren Lebens-

und Arbeitsleistung re-kordverdächtigeMarken gesetzt hat,wovon auf den fol-genden Seiten dieRede sein wird? DieAntwort ist kom-pliziert – unddoch auch ein-fach. Die Art undWeise, wie dieser

Oberbürgermeis-ter Entscheidun-

gen durchsetzte,hat zu zahlreichen

Verletzungen ge-führt. Und wie er mit

Menschen umsprang.Hoffmann teilte seine

Umgebung in zwei Kate-gorien ein: Jene, die für ihn

waren – und jene, die gegenihn waren. Die zweite Gruppe

hatte es nicht leicht. Wenn Hoff-mann Angriffspunkte sah undhatte, dann gab es für die Betrof-fenen schon mal eine Luftverän-derung. Mit bislang in der Stadtselten gesehener Konsequenz er-streckte sich dieser Zugriff nichtnur auf die Stadtverwaltung, denureigensten Aktionsradius einesOB. Hoffmanns langer Armreichte weit darüber hinaus. Nurwenige in Braunschweig wider-setzten sich oder widersprachen.Warum denn auch? Der Erfolgsprach immer für sich.

Selten hat sich eine Stadt inwenigen Jahren so sehr zum Posi-tiven verändert wie Braun-schweig zwischen 2001 und 2014.Es ist müßig, darüber zu speku-lieren, was ohne Hoffmann ausBraunschweig geworden wäre.Wahrscheinlich hätte die Stadtes überlebt – und vielleicht garnicht einmal so schlecht. Die Fi-xierung auf eine einzelne Personüberhöht und vereinfacht zu-gleich. Wir Journalisten neigendazu. Doch bei gründlicher Be-trachtung war hier ein umfängli-cher Apparat zu besichtigen,starke gesellschaftliche und wirt-schaftliche Kräfte, stringent ge-führt und ohne Zufälligkeiten inder Kommunikation – ein Lehr-beispiel für die Durchsetzungkontroverser Entscheidungen.Da war Hoffmann der richtigeMann an der richtigen Stelle zurrichtigen Zeit.

So wurde etwas geschafft, wo-ran andere Städte verzweifeln –eine Haushaltssanierung, diediesen Namen auch verdient undnicht nur Alibi ist. Das Braun-schweiger Haushaltswunder hat

Wdie Stadt natürlich auch nochnicht schuldenfrei gemacht, je-doch Kräfte für einen Aufbruchund ein wahres Investitionsfeuer-werk freigemacht. Wenn Braun-schweig bundesweit im Imagepunktet, wenn es Baugebieteschafft und Einwohner gewinnt,wenn es starke Unternehmen undForschungseinrichtungen locktund bindet, wenn es Schulen, Ki-

tas und Sportstätten baut undbewahrt, wenn es im Gegensatzzu den meisten anderen Kommu-nen stets alle Handlungsoptionenin der Hand hält – ja, wie könntedie Bilanz eines scheidendenOberbürgermeisters eigentlichbesser und eindrucksvoller aus-fallen? Das darf man fragen. Üb-rigens darf man das auch jene no-torischen Hoffmann-Kritikerfragen, die diesem Oberbürger-meister am Ende nicht einmalmehr geglaubt hätten, wenn erihnen die richtige Uhrzeit gesagthätte.

Wer indes andere Meinungenvertrat, nicht dazugehörte, nichtmitzog, nicht wollte oder konnte– den strafte dieser Oberbürger-meister mit Nichtachtung. UndHoffmann gegen sich zu haben,das konnte unangenehm werden.Dass dies auch Leitende und Ver-antwortliche in anderen Behör-den und Institutionen und vor al-lem in der gesamten Region be-traf – das war nicht immer gut fürBraunschweig. So blieben auchDinge liegen, die wichtig für dieseStadt sind. Hoffmanns Regions-Bilanz ist sehr ernüchternd, umes wohlwollend auszudrücken.Der öffentliche Regionalverkehrerhielt in Hoffmanns Amtszeitaus Braunschweig zu wenig Im-pulse. Und eine junge, kritische,brodelnde Szene der Reize unddes Widerspruchs, aber auch derunbotmäßigen Ideen, letztlich

des kreativen Potenzials, das ei-ne Gesellschaft – manchmal auchschmerzlich – voranbringt, dashatte in Braunschweig in der ÄraHoffmann nicht seinen Ort. Dazuwar sein Weltbild zu eng, hierzufehlten ihm Einsicht und Gelas-senheit. Hoffmann war ein OBder alten Schule, des Aufbaues,des Wiederaufbaues, der Solidi-tät, des Rechtes, der Tradition.Von sich und anderen forderte ervor allem Leistung – und lieferteselbst, was er versprochen hatte.Für seinen Kurs und seine Politikbekam Hoffmann von den Braun-schweiger Bürgern in zwei Wah-len deutliche Mehrheiten. Sowurden es 13 Jahre. Eine Ära, dieBraunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares geleistet.Am Ende ist es Zeit für ihn zu ge-hen. In Braunschweig kann eineneue Zeit beginnen.

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Ein Erfolgreichermit zwei Gesichtern

„An Gert Hoffmann scheiden sichdie Geister. Kaum jemand hat so

viel bewegt. Und kaum je-mand war so umstritten.“

KOMMENTAR

von

Henning Noske

„Nur wenigewidersetzten sichoder widersprachen.“

„Eine Ära, dieBraunschweig geprägtund verändert hat.“

BRAUNSCHWEIG

Von Henning Noske

Als im Oktober 2000 ein Rechts-anwalt namens Gert Hoffmann alsOberbürgermeisterkandidat derCDU in Braunschweig präsentiertwurde, da gab es manche erstaun-te Rückfrage und den einen oderanderen mitleidigen Blick: Bitte,wer? Insider wussten allerdingsschon damals: Der kann es. DerTipp kam von Wolfsburgs OB RolfSchnellecke, ebenfalls CDU.

Braunschweig war für dieChristdemokraten gewiss keinPflaster mit Siegesgarantie. Po-puläre SPD-Oberbürgermeisterwie Gerhard Glogowski und zu-letzt Werner Steffens kamen beimBürger an. Nun sollte der Schullei-ter Gernot Tartsch daran anknüp-fen. Doch im Herbst 2011 war dieZeit reif für eine Weichenstellung

neuer Art in Braunschweig. Hoff-mann machte das Rennen – undTartsch hatte das Nachsehen.Noch etwas war anders: Der neueOB hatte viel Macht. Die hat-te er durch eine Reform inNiedersachsen bekom-men, die ausgerechnetGerhard Glogowskials niedersächsi-scher Innenminis-ter vorangetrie-ben hatte: Ein-gleisigkeit – derOberbürger-meister, bis-lang eher fürsZeremoniellezuständig,war jetztauch Haupt-verwaltungs-beamter unddamit mächti-ger Chef fürrund 4000 Ver-waltungsmitar-beiter.

Was dann in derÄra Hoffmann folg-te, bedeutete eine Zä-sur in der neuerenStadtgeschichte:

Ein Privatisierungskursmachte Haushaltsmittel freiund half beim Schuldenabbau.Die städtische Versorgungs-AGwurde zu 74,5 Prozent verkauft,doch die Stadt behielt strategi-schen Einfluss.

Das 1960 abgerissene herzogli-che Residenzschloss erstand alsShopping-Mall neu. Das ProjektSchloss-Arkaden wurde am Endebeides: Einkaufszentrum undKultur-Schloss. Und blieb um-stritten, wurde jedoch auch zumPublikumsrenner.

Bau- und Investitionsentschei-dungen sorgten über Braun-schweig hinaus für Aufsehen: Sta-dion-Ausbau, Steigenberger-Ho-

tel,Verlän-gerung derStart- und Landebahn desFlughafens, Erlebnis-Bad Was-serwelt.

Unkonventionelle Wege wurdenbeschritten: Für Sanierung undBetrieb von Schulen und Kinder-gärten wurde ein Private-Public-Partnership-Vertrag (PPP) mitdem Unternehmen Hochtief ge-schlossen.

Mit der Bewerbung als europäi-sche Kulturhauptstadt 2010 ge-

meinsam mit der Region sam-melte Braunschweig Punkte. Mitder Berufung als Stadt der Wis-senschaft 2007 gelang der großeWurf. Hoffmanns großem Plan füreine Region Braunschweig bliebder Erfolg jedoch verwehrt.

Nach 13 Jahren geht die ÄraGert Hoffmann in Braunschweignun zu Ende. Auf den folgendenSeiten kommen Wegbegleiter undKritiker zu Wort.

Gert Hoffmann –Nach 13 Jahren dasEnde einer ÄraBraunschweigs Oberbürgermeister scheidet aus seinem Amt.

Die Dornse des Braunschweiger Altstadtrathau-

ses war sein Wohnzimmer. Der OB im Jahr 2012

beim Dehoga-Empfang. Foto: Peter Sierigk

Manchmal auch ein Freund der großen Geste: Am

Ritterbrunnen eröffnete Hoffmann im Sommer

2012 die Kulturnacht. Foto: Rudolf Flentje

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Dr. Gert Hoffmann wurde

1946 in Berlin-Kreuzberg ge-

boren. Der Verwaltungsjurist

und Rechtsanwalt trat sein

Amt als Braunschweiger

Oberbürgermeister am 1. No-

vember 2001 an. Seine

Amtszeit endet an diesem

Montag, 30. Juni 2014.

Hoffmann studierte Jura in

Göttingen. 1967 trat er in die

NPD ein und nahm 1968 füh-

rende Positionen im Natio-

naldemokratischen Hoch-

schulbund ein. Hoffmann

verließ die NPD, wurde 1970

Mitglied der CDU. 1976 wurde

er Direktor der Samtgemein-

de Hemmoor. In Gifhorn fun-

gierte er von 1981 bis 1991 als

Stadtdirektor. Nach der Wie-

dervereinigung war Hoff-

mann von 1991 bis 1994 Re-

gierungspräsident in Dessau.

STATIONEN

Das gehört dazu: Narrenkappe und Bützchen für

den Oberbürgermeister in der Karnevalshochburg

Braunschweig. Foto: Rudolf Flentje

Eintracht-Torjäger Domi

Kumbela und Gert Hoffmann

2011 bei der Aufstiegsfeier in

die zweite Liga.

Foto: Florian Kleinschmidt/Best Pixels

Samstag, 28. Juni 2014 01

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Stimmen zu Hoffmanns AbschiedWir baten um Antworten. Was hat der OB für Braunschweig erreicht? Wie hat sich die Stadt in seiner Amtszeit verändert?

it OberbürgermeisterDr. Gert Hoffmann verlässt

einer der profiliertesten Kommu-nalpolitiker Niedersachsens die po-litische Bühne. Ich bin deshalb derBitte der Braunschweiger Zeitungnach einem Grußwort anlässlich derVerabschiedung des langjährigenOberbürgermeisters der Löwen-stadt gerne nachgekommen.

Dr. Gert Hoffmann habe ich alseinen geradlinigen, standfesten undführungsstarken Charakter kennenund schätzen gelernt. Man musstemit ihm durchaus nicht immer einerMeinung sein, aber wenn man eineEinigung gefunden hatte, dannkonnte man sich sicher sein, dass erzu seinem Wort stand. Er ist allesandere als konfliktscheu, aber da-bei nicht streitsüchtig.

Dr. Gert Hoffmann hat es in sei-ner Amtszeit verstanden, die finan-zielle Handlungsfähigkeit seinerStadt zu sichern. Er hat sich dane-ben stark für Kunst und Kultur ein-gesetzt. Die erfolgreiche Bewer-bung Braunschweigs um den TitelStadt der Wissenschaft im Jahr2007 geht zu guten Teilen auf sei-nen Einsatz zurück. Als augenfäl-ligstes Merkmal seiner Ära darf

Maber sicherlich das aufgebaute Re-sidenzschloss im Herzen Braun-schweigs gelten.

Es spricht auch für das politischeGespür von Dr. Hoffmann, dass erals einer der ersten Oberbürger-meister einer deutschen Großstadtdas Mittel der Bürgerbefragung imVorfeld einer großen städtebauli-chen Maßnahme angewendet hatte.Dass der Ausbau des Eintracht-Stadions auf eine so breite Akzep-tanz in der Bevölkerung getroffenist, belegt sein politisches Gespür.Und aus eigenem Erleben kann ichsagen, dass der Einsatz vonDr. Gert Hoffmann für die Metro-polregion Hannover BraunschweigGöttingen Wolfsburg außerordent-lich war. Er ist unbestritten ein he-rausragender Repräsentant derkommunalen Selbstverwaltung inNiedersachsen.

Deswegen war es mir eine Ehre,ihm vor wenigen Tagen in Hannoverdie Niedersächsische Landesme-daille zu verleihen, der höchstenAuszeichnung, die unser Land zuvergeben hat.

Stephan Weil ist niedersächsischer

Ministerpräsident.

Geradlinig,standfest,führungsstark

Stephan Weil

m Automobilbau haben wir frühfestgestellt, dass besondere Leis-

tungen immer auf mehrere Faktorenzurückzuführen sind. Dazu gehörenunter anderem ein gutes Team vonMitarbeiterinnen und Mitarbeiternsowie günstige Umgebungsbedingun-gen, sicher aber auch eine führungs-starke Spitze.

Für Braunschweig haben offenbardiese Faktoren auch unter der Füh-rung von Oberbürgermeister Dr. GertHoffmann positiv gewirkt, denn dieStadt hat deutlich hinzugewonnen.

Versucht man die Entwicklung ei-ner Stadt wie Braunschweig zu mes-sen, stellt man fest, dass sich Einigesin den vergangenen Jahren positiventwickelt hat. So wurde langfristigin Forschung, Wissenschaft und Kul-turpflege investiert und gleichzeitigist die Arbeitslosenquote als maß-geblicher Indikator für die Beschäfti-gungssicherung gesunken. Zudemscheint Braunschweig auch sichtbarnochmal einen deutlichen Schrittnach vorne getan zu haben: Die Stadtist offener für Ihre Besucher und auchder Einzelhandel ist wieder präsentergeworden.

Der Volkswagen Konzern hat zudieser Entwicklung am besonderenStandort Braunschweig ebenfalls ei-nen Beitrag leisten dürfen. Hierzu ge-hören etwa der beständige Ausbauder Financial Services AG oder die

IAnsiedlung neuer Kompetenzen –zum Beispiel auf dem Gebiet derElektromobilität im VolkswagenWerk Braunschweig. Gerade die engeZusammenarbeit zwischen Manage-ment und Arbeitnehmervertretungzusammen mit hochengagierten undqualifizierten Mitarbeitern hat dieseEntwicklung positiv beeinflusst.

Ebenso dürfen Braunschweig undVolkswagen stolz darauf sein, dasswichtige Kooperationen zwischen derTU Braunschweig und der Auto Uni inWolfsburg etabliert werden konnten.Hier wird aktiv an der Zukunft unddamit an der Beschäftigungssiche-rung in und über die Region Braun-schweig hinaus gearbeitet.

Dass diese Entwicklung möglichwar, ist auch der besondere Verdienstvon Herrn Dr. Gert Hoffmann undseiner aktiven, engagierten Arbeit inden vergangenen 13 Jahren. Als ehe-maliger Mitbürger und dankbarer Eh-renbürger der lebenswerten StadtBraunschweig danke ich HerrnDr. Hoffmann, diese Entwicklungmitgestaltet zu haben. Gleichzeitigwünsche ich der Stadt eine weiter po-sitive Entwicklung.

Prof. Ferdinand K. Piëch ist Auf-

sichtsrats-Vorsitzender der VW AG.

Die Stadthat deutlichgewonnen

Prof. Ferdinand K. Piëch

nlässlich Ihres letzten Tagesim Amt als Oberbürgermeis-

ter von Braunschweig sende ichIhnen, auch im Namen der CDUDeutschlands, meine herzlichenGrüße. Sie haben als Kommunal-politiker in den vielen Jahren IhresEngagements in der CDU Großar-tiges geleistet. Ihr Wirken – zu-kunftsweisend, bürgernah undtatkräftig zugleich – ist beispiel-haft für erfolgreiche christdemo-

Akratische Kommunalpolitik. Ziel-strebig haben Sie als Oberbürger-meister von Braunschweig diestädtischen Finanzen nachhaltigsaniert. Nur so konnten Sie großeProjekte umsetzen. Der Wieder-aufbau des Residenzschlossesund die Erweiterung des Ein-tracht-Stadions prägen Braun-schweig über Ihre Amtszeit hi-naus. Die Sanierung der Infra-struktur ist eine Investition in die

Zukunft und nütztBürgern und Unternehmern glei-chermaßen.

Ich wünsche Ihnen – auch imNamen von Angela Merkel – einenschönen letzten Arbeitstag sowiefür die Zukunft Gesundheit, Le-bensfreude und vor allem GottesSegen.

Dr. Peter Tauber ist Generalsekre-tär der CDU Deutschlands.

Zukunftsweisend, bürgernahDr. Peter Tauber

ie 13-jährigeAmtszeit von

Dr. Gert Hoffmannwird als das Stadtbildim positiven Sinneprägend in die jüngereGeschichte Braun-schweigs eingehen.Das Stadtbild prägendgilt dabei sowohl imwörtlichen als auch imübertragenen Sinn. Imwörtlichen Sinne istder Wiederaufbau derFassaden des Resi-denzschlosses hier alsherausragendes Pro-jekt zu nennen.

Dr. Hoffmann hatgegen zum Teil polemi-sche Vorhaltungen miteiner - seiner! - Ein-Stimmen-Mehrheit imRat der Stadt denWiederaufbau desSchlosses durchge-setzt, die Entschei-dung hat sich längst alsrichtig herausgestelltund Schloss mitSchlossvorplatz findenbreite Zustimmung bei

DBraunschweigern undauswärtigen Gästen.Parallel gab es eineAufwertung der ge-samten Innenstadt miteiner deutlichen Ver-besserung der Aufent-haltsqualität.

Im übertragenenSinn hat sich das Bildder Stadt als Organisa-tionseinheit positivverändert: SchnelleEntscheidungen, be-triebswirtschaftlicheGrundsätze, solideHaushaltspolitik mitVorbildcharakter sindzu nennen. Auch dasBild Braunschweigsaus überregionalerSicht ist kontrastrei-cher geworden. Hierzuhat auch der Titel„Stadt der Wissen-schaft“ beigetragen. Dr. Wolf-Michael

Schmid ist Präsidentder IHK Braunschweig.

Stadt alsModell

Wolf-Michael Schmid

m 30. Juni 2014endet nach mehr

als 12 ½ Jahren dieAmtszeit von HerrnOberbürgermeisterDr. Hoffmann. EineÄra, die Braunschweignachhaltig geprägthat. Der erste direktgewählte Oberbürger-meister hat als Verwal-tungschef und gleich-zeitig oberster Reprä-sentant unserer Stadtdiese starke Stellungauch entsprechendauszufüllen verstan-den.

Mit seinem Aus-scheiden enden beweg-te und ereignisreicheJahre für Braun-schweig. Als kreativerKonservativer hatHerr Dr. Hoffmannstarke Akzente ge-setzt, große inhaltlicheDebatten angestoßenund damit gestalteri-sche Meilensteine ge-setzt; Kulturhaupt-stadtbewerbung, Stadt

Ader Wissenschaft 2007und der Ausbau desForschungsflughafensgehören sicherlich da-zu und wirken nach.

Herr Dr. Hoffmannhat seine Tätigkeit unddie Arbeit der gesam-ten Verwaltung stetsals einen Dienst für dasGemeinwohl angese-hen.

Dies gilt es zu be-wahren und auszubau-en und auf einem auchfinanziell soliden Fun-dament unserer Stadt-gesellschaft weiter ge-meinsam auszubauen.

Ulrich Markurth (SPD)tritt am 1. Juli dieNachfolge von Gert

Hoffmann als Oberbür-germeister der StadtBraunschweig an.

KreativerKopf

Ulrich Markurth

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Samstag, 28. Juni 201402

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

r. Gert Hoffmann istder erste von der Bür-

gerschaft Braunschweigsdirekt gewählte Oberbür-germeister – ein beken-nender „Kommunalo“, einMotor für die zweitgrößteStadt Niedersachsens, einKraftfeld für die Regionund ganz Niedersachsen!

In seiner fast 13-jähri-gen Amtszeit hat er mitviel Leidenschaft, Kom-petenz und Durchset-zungsstärke in und fürBraunschweig Maßstäbegesetzt.

Die Ansiedlung derSchloss-Arkaden, derWiederaufbau des Braun-schweiger Residenz-schlosses, Stadt der Wis-senschaft 2007 und dieGründung der Braun-schweigischen Landes-sparkasse sind nur einigewenige Highlights, die sei-ne unverwechselbareHandschrift tragen. Dashervorragende Image die-ser Stadt ist untrennbarmit seinem Wirken undseinem Namen verbunden!Ich spreche ihm von Her-

D zen als Amtskollege – aberauch als Vizepräsidentdes NiedersächsischenStädtetages – großenDank und Anerkennungfür seine Lebensleistungund seine Verdienste umdie kommunale Familieaus.

Unseren langjährigenGedankenaustausch –persönlich wie öffentlich –zu vielfältigen Themen-stellungen werde ich ver-missen. Er war stets inte-ressant, kompetent, berei-chernd und von großemGestaltungswillen geprägt– auch wenn wir nicht im-mer einer Meinung waren.

Besonders verbindetuns unsere Leidenschaftfür die kommunale Selbst-verwaltung und unsereEintracht. Alles GuteHerr Dr. Hoffmann!

Frank Klingebiel ist

Oberbürgermeister der

Stadt Salzgitter.

Kraftfeldfür dieRegion

Frank Klingebiel

in Mann, der sein Handwerk versteht:Gert Hoffmann ist ein Oberbürgermeister

der alten Schule, Verwaltungsjurist, Stadtdi-rektor, Regierungspräsident, politisch ge-stählt – ihm konnten an Kompetenz und Er-fahrung nur wenige das Wasser reichen, auchaus der jeweiligen Landesregierung. Ein Mannvon Prinzipien und starker Willenskraft, vonSelbstbewusstsein und manchmal auch Ei-genwilligkeit. Ich schaue mit Hochachtungund Respekt auf das, was Gert Hoffmann inseiner 13-jährigen Amtszeit für die großeNachbarstadt Braunschweig und die gesamteRegion geleistet hat.

Uns persönlich verband über die gesamteZeit unserer Zusammenarbeit ein solides Ver-trauensverhältnis, ja Freundschaft. Trotzmancher Rivalität zwischen der alten Herzog-stadt und der modernen, zuweilen als Parvenüempfundenen Autometropole sind unter demStrich bedeutende Erfolge und Weichenstel-lungen gemeinsam erreicht worden:

Der Forschungsflughafen Braunschweig-Wolfsburg, die Fortschritte um die Metropol-region und vor allem die Allianz für die Regi-on, die mit entscheidender Unterstützung vonVW-Personalvorstand Prof. Horst Neumannheute die stärkste Klammer unseres Wirt-

E

schaftsraumes bildet, sind dafür Beispiele.Zum Wichtigsten zählt für mich das Be-

kenntnis von Volkswagen zu seiner Heimat alsGrundlage des weltweiten Erfolges. Dies ha-ben Prof. Piëch, Prof. Winterkorn und Bern-d Osterloh immer wieder zum Ausdruck ge-bracht, und darauf kann die Region Braun-schweig-Wolfsburg auch in Zukunft bauen.

Auf alles Erreichte kann Gert Hoffmannwahrlich stolz sein. Braunschweig, Wolfsburgund die große Wirtschaftsregion sind voran-gekommen.

Auch in Braunschweig wird der Amtsnach-folger eine gut entwickelte, auf die Zukunftausgerichtet Stadt mit soliden Finanzen über-nehmen.

Ich wünsche Dir, lieber Gert, nun entspann-tere und ruhigere Zeiten, wie ich selbst sie in-zwischen erlebe. Danke für alle gute Zusam-menarbeit!

Rolf Schnellecke war von 2001 bis 2011

Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg.

Rivalitätund Freundschaft

Rolf Schnellecke

r. Gert Hoffmann war bis zuletzt ein star-ker Oberbürgermeister und Interessen-

vertreter der Stadt Braunschweig. Er hat dieEntwicklung Braunschweigs entscheidendmitbestimmt. Für seine Überzeugungen stander stets in vielen verantwortungsvollen Posi-tionen, oft auch gegen starke Widerstände,ein.

Auch wenn die Zusammenarbeit in der Re-gion nicht immer konfliktfrei blieb, so ist esihm während seiner Amtszeit doch gelungen,in wichtigen Fragen gemeinsame Strukturenzu schaffen, etwa für den Austausch von Wirt-

D schaft und Wissen-schaft.

Ich wünscheDr. Hoffmann nachdem Ausscheiden ausseinem Amt als Ober-bürgermeister, dass erdie wieder verfügbare Zeitzusammen mit seiner Fa-milie genießen kann.

Klaus Mohrs ist Oberbürgermeister der Stadt

Wolfsburg.

Ein starker InteressenvertreterKlaus Mohrs

ie Metropolregi-on GmbH steht im

fünften Jahr ihres Be-stehens so gut da, wienie zuvor. Daran hatDr. Hoffmann wesent-lichen Anteil.

Er gehörte zu denTreibern der metro-polregionalen Zusam-menarbeit. Gemein-sam mit dem damali-gen Oberbürgermeistervon Hannover undheutigem Ministerprä-sidenten Stephan Weilhat er den Neustart indem Bewusstsein vo-rangetrieben, dass ge-meinsam wesentlichmehr erreicht werdenkönne.

Insbesondere dieZusammenarbeit zwi-schen Hannover undBraunschweig istdurch dieses große En-gagement beider Per-sonen deutlich ge-stärkt worden. Die fürdie Zukunftsfähigkeitunserer Region sowichtige Kooperation

D

aus Wirtschaft, Wis-senschaft und öffentli-cher Hand trägt inzwi-schen erste Früchte.Beispielhaft sei dasSchaufenster Elektro-mobilität genannt. Ge-meinsam wollen wir dieMetropolregion zurVorzeigeregion fürElektromobilität ent-wickeln.

Das Fundament fürsolche anspruchsvol-len Ziele haben Men-schen wie Dr. Hoff-mann gelegt. Ihm giltdaher mein ganz per-sönlicher Dank für diegute und vertrauens-volle Zusammenarbeit,verbunden mit denbesten Wünschen fürdie Zukunft.

Kai Florysiak ist

Geschäftsführer der

Metropolregion.

TreibendeKraft

Kai Florysiak

r. Gert Hoffmannhat weit über

Braunschweig hinaussehr verdienstvoll ge-wirkt und sich beson-ders für die Hand-lungsfähigkeit derStädte in Niedersach-sen eingesetzt. Er hatmaßgeblichen Anteildaran, dass sich dieMetropolregion Han-nover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburgnach einem neuen An-lauf jetzt sehr erfolg-reich entwickelt.

Gerade die Oberbür-germeister der beidengroßen Städte Hanno-ver und Braunschweighaben hier stets sehrvertrauensvoll zusam-mengearbeitet.

Unsere beiden Städ-te pflegen in vielen Be-reichen sehr gute Kon-takte, sei es in derWirtschaft, in Wissen-schaft, Kultur oderauch im Sport. Hieranhat der Braunschwei-ger Oberbürgermeister

D

maßgeblichen Anteil.Ich habe Dr. Hoff-

mann in meiner nochjungen Amtszeit per-sönlich in seiner sach-lichen und freund-schaftlichen Art sehrschätzen gelernt undwünsche ihm einen er-füllten Ruhestand.

Stefan Schostok ist

Oberbürgermeister der

Landeshauptstadt

Hannover.

GuterKontakt

Stefan Schostok

Oberbürgermeister Gert Hoffmann und Eintracht-Präsident

Sebastian Ebel im Gespräch. Foto: Florian Kleinschmidt/Best Pixels

Unsere Gesellschafter: Arbeitgeberverband Region Braunschweig e.V. • Avacon AG • IG Metall SüdOstNiedersachsen • Landkreis Gifhorn • Landkreis Goslar • LandkreisHelmstedt • Landkreis Peine • Landkreis Wolfenbüttel • Ö�entliche Versicherung Braunschweig • Salzgitter AG • Stadt Braunschweig • Stadt Salzgitter • Stadt WolfsburgVolkswagen Financial Services AG • Wolfsburg AG • Zweckverband Großraum Braunschweig

Für eine starke Region

Gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaftbringen wir zukunftsweisende Projekte und Initiativen auf den Weg. Sosorgen wir für dynamische Entwicklungen, um die regionale Wirtschafts-kraft zu stärken und die Lebensqualität zu erhöhen.

Wir bedanken uns bei unserem stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzen-den Dr. Gert Ho�mann. Mit seinem langjährigen Engagement hat er unsereArbeit für eine zukunftsfähige Region kraftvoll unterstützt.

www.allianz-fuer-die-region.de

Samstag, 28. Juni 2014 03

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Mit Ger-hard Glogowski

sprach Henning Noske.

Ohne Sie (als niedersächsi-scher Innenminister) wäre ja

eigentlich Dr. Hoffmann gar nichtOberbürgermeister in Braun-schweig geworden.

Die Eingleisigkeit Oberbürger-meister/Verwaltungschef warnicht meine alleinige Entschei-dung – doch ich war natürlichschon derjenige, der sich sehr da-für eingesetzt hat und mit erreichthat, dass sie eingeführt wurde.Wäre das nicht geschehen, hätteHoffmann hier in der Tat nie kan-didiert. Und Oberbürgermeisterhätte er nicht werden können, weiler nicht Mitglied des Rates undEinwohner der Stadt war. Das Ge-setz hat ihm ermöglicht, zu kandi-dieren und Oberbürgermeister zuwerden. Insofern haben Sie Recht.

Sie beide, der Sozialdemokrat undder Christdemokrat, hatten stetsein besonderes Verhältnis. Seitwann hatten Glogowski und Hoff-mann miteinander zu tun?

Schon in den 1980er-Jahren gab eseinen Kreis von Politikern vonCDU und SPD und Journalisten,der für eine Reform der Kommu-nalverfassung eintrat. Hoffmannwar damals Stadtdirektor in Gif-horn und auf CDU-Seite einer derVerfechter, ich BraunschweigerOberbürgermeister. Wir warenuns im Wesentlichen einig.

Wann haben Sie nach HoffmannsAmtsantritt als Braunschweiger OBTuchfühlung aufgenommen?

Das war eigentlich schon, als erkandidierte. Er hatte immer Sor-gen, ich würde auch kandidieren.Ich teilte ihm meine feste Über-zeugung mit: Ich auf keinen Fall.Ich war das schon mal. Ich muss esnicht nochmal werden. Als er hierin Braunschweig begann, hattenwir also relativ früh Kontakt. Daswar auch ganz normal.

Die Machtfülle der Eingleisigkeithätte auch zu Ihnen gepasst.

Ja, es wäre auch eine ehrenwerteAufgabe gewesen. Aber als wir diegesamte Kommunalverfassunggeändert haben, da war dieses na-türlich nicht mein persönlicherAntrieb. Es war meine politischeÜberzeugung aus meinen Erfah-rungen heraus: Der Oberbürger-meister einer Stadt muss alsHauptverwaltungsbeamter eine

stärkere Position haben, weil ervon den Bürgern bei der Wahl be-lohnt oder abgestraft werdenkann. Er muss sich erkennbar fürdiese Stadt einsetzen!

Nirgendwo in Deutschland ist dieseStellung des OB mittlerweile sostark wie in Niedersachsen.

Ja, der Hauptverwaltungsbeamtehat hier zum Beispiel mehr Rechteals sein Kollege in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen. In Nieder-sachsen können wesentliche Per-sonalentscheidungen tatsächlichnicht gegen den Oberbürgermeis-ter gestaltet werden. Trotzdemkann er sie auch nicht allein tref-fen, muss den Rat mitnehmen.Klar ist: Der Oberbürgermeisterkann das auch tun, was er sagt.

Ist ein solcher Oberbürgermeisterparteipolitisch ein Neutrum?

Natürlich muss er politisch sein.Er muss in der Lage sein, dieMehrheit der Bürger mitzuneh-men. Er darf keine eigentlicheParteipolitik machen. Aufgrundder Kommunalverfassung kann erdas. Macht er es doch und sortiertnach politischen Lagern, dann ister fehl am Platz. Er muss Ober-bürgermeister der Braunschwei-ger sein.

Früher waren Christdemokraten fürGlogowski, später Sozialdemokra-ten für Hoffmann. Ist das eineBraunschweiger Spezialität?

Es muss der richtige Kandidatsein. Die Parteien müssen ihneben finden. Schon lange beschäf-tige ich mich mit Wahlsoziologie.Als Hoffmann zum ersten Malkandidierte, eroberte er in Teilender Weststadt in Arbeiterberei-chen mehr Stimmen als der SPD-Kandidat. Die Parteien müssenein Gespür dafür haben, wen sieaufstellen. Gegen die Bürger gehtdas halt nicht.

Was dachten Sie vor 13 Jahren, alsin Ihrer eher sozialdemokratisch ge-prägten Heimatstadt ein CDU-Oberbürgermeister mit dieser ebenbeschriebenen Machtfülle antrat?

Ich hätte lieber einen Sozialde-mokraten gehabt, ganz einfach.Ich war schon der Meinung, dassdiese Stadt seit Jahrzehnten letzt-lich sozialdemokratisch geprägtwar und in diesen Traditionen leb-te. Aber die Bürger haben es an-ders gesehen. Und so wurde esGert Hoffmann.

Wie kam er dann auf Sie zu, waswaren die Anknüpfungspunkte?

In wichtigen Fragen haben wir im-mer wieder miteinander geredet.Viele Leute meinen ja, Hoffmannwürde zu einsamen Entscheidun-gen neigen. Das ist nicht richtig.In wichtigen Fragen sucht er dieMeinung anderer. Wenn er aller-dings eine Meinung gefasst hat,dann setzt er sie auch mit allerKonsequenz um. Insofern habenwir bei wesentlichen Fragen oft

Innenansichten einer besonderen Allianz.

Das Interview:Glogowski über

Hoffmann

Es ist vollbracht, das Braunschweiger Residenzschloss steht wieder. Im Mai 2007 entstand diese historische

Aufnahme. Auf der Schlosstreppe (von links): Oberbürgermeister Gert Hoffmann, Andreas Brandt (Credit Suis-

se), der damalige Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei Lothar Hagebölling, Welfen-Prinz Heinrich von

Hannover, Gerhard Glogowski und Unternehmer Richard Borek. Foto: David Taylor

Gerhard Glogowski über Hoffmanns

Sondierungen vor seiner Wahl 2001.

„Er hatte immer Sorgen,ich würde auch kandi-dieren. Ich teilte ihmmit: Auf keinen Fall.“

2002 empfängt Gert Hoffmann die Eintracht nach dem damaligen

Aufstieg in die 2. Liga. Eintracht-Präsident Gerhard Glogowski trägt

sich ins Goldene Buch der Stadt ein. Foto: Rudolf Flentje

Männerfreundschaft in den Bergen in 2759 Meter Höhe unterhalb der Wildspitze in Tirol. 120 Jahre Braunschwei-

ger Hütte war im September 2012 der Anlass. Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann und Gerhard

Glogowski gehörten zu den Ehrengästen, hinter ihnen Hüttenwirtin Cilli Auer. Foto: Henning Noske

Samstag, 28. Juni 201404

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

miteinander gesprochen – auch

beim Schloss. Was ich denke, ha-

be ich ihm gesagt. Das Handeln

lag bei ihm, nicht bei mir.

Wann hat Dr. Hoffmann Ihnen er-öffnet, dass er das Schloss wiederaufbauen will?

Als die Diskussion mit ECE in eine

Situation kam, in der es realis-

tisch wurde. Natürlich wollte er

damals von mir wissen: Wie sehen

Sie das mit dem Schloss? Denn ich

hatte ja auch erklärt, ich würde ein

ECE lieber im Stadtinneren se-

hen, also dort, wo heute noch die

Polizei in der Münzstraße ist. Er

hat mir dann auch die notwendi-

gen Gesprächspartner von Otto

zur Verfügung gestellt. Ich habe

dann gesagt: O.k., das Schloss ist

mir auch wichtig. Dass es wieder

gebaut wird. Weil es für mich eine

wesentliche nicht nur gestalteri-

sche, sondern auch symbolische

Frage war. Nicht wegen des Her-

zogtums, sondern wegen des Lan-

des Braunschweig. Ich entschied

dann für mich: Ohne Nutzung gibt

es keine Möglichkeit, die Schloss-

Fassade oder das Schloss wieder

aufzubauen. Das hatten wir bei

früheren Versuchen immer wieder

festgestellt. Und die Nutzung war

durch ECE gegeben. Dann ist es

geschehen. Das war eine sehr ver-

nünftige Entscheidung für Braun-

schweig.

Wäre denn eine alternative Nut-zung möglich gewesen?

Eben nicht. Schon beim Schloss-

Abriss war es ja so, dass keiner das

Gebäude nutzen wollte. Die da-

malige Bezirksregierung nicht, die

Stadt hatte sowieso keine Mög-

lichkeiten, auch andere nicht. Es

ist immer an der Nutzung geschei-

tert. Erst als man eine hatte, die

auch wirtschaftlich war, war das

Wiederherstellen dieses Schloss-

teils möglich. Ohne Nutzung wäre

das nie gegangen, weil es dauer-

haft ein defizitärer Klotz am Bein

gewesen wäre.

Welche Rolle haben Sie für Dr. Hoff-mann gespielt?

Ich habe das gemacht, was ich

persönlich fühle. Ich bin Braun-

schweiger und Braunschweigi-

scher. Nicht nur die Stadt, auch

das alte Braunschweiger Land ist

mir ans Herz gewachsen. Dafür

versuche ich einiges zu gestalten.

Ich lebe seit 47 Jahren in dieser

Stadt. In wichtigen Fragen habe

ich mich stets geäußert. Hoffmann

und ich hatten ein gutes Verhält-

nis in diesen grundsätzlichen Fra-

gen der Stadt. In anderen Fragen

bedurfte es keiner Gespräche.

Die Kräfte, auf die Dr. Hoffmannsich berufen konnte und die ihn un-terstützt haben, insbesondere inder Anknüpfung an die Geschichte,

die Tradition, die Stiftungen – dieseKräfte haben auch jemanden wieSie stets stark unterstützt.

Sehen Sie, der bekennende Berli-

ner Gert Hoffmann hat ja schnell

für sich erkannt, dass es im Braun-

schweigischen auch emotionale

Kräfte und Bindungen von Men-

schen gibt, in denen Parteien nicht

die große Rolle spielen. Kräfte,

mit denen ich immer einen guten

Kontakt hatte, weil wir in vielen

Dingen ähnlich denken. Früh hat

Hoffmann gespürt: Ich muss mehr

sein als ein Oberbürgermeister,

der hier in dieser Stadt die Ge-

schicke leitet, ich muss auch den

Emotionen der Braunschweigi-

schen entgegenkommen. Das war

für ihn auch ein Lernprozess.

Sie haben den schmerzhaften Ab-bruch Ihrer Karriere in der Landes-politik mit Ihrem Sturz als nieder-sächsischer Ministerpräsident ...

Rücktritt, darauf lege ich Wert.

... mit ihrem Rücktritt erlebt. InBraunschweig wurden Sie aufge-fangen. Da gab es für Sie wichtigeAufgaben bei Eintracht, in Stiftun-gen. Man hat Ihnen gezeigt, dassSie gebraucht werden. GehörteDr. Hoffmann dazu?

Jedenfalls hat er mir nie etwas Ne-

gatives in den Weg gelegt. Ich hat-

te immer den Eindruck, dass es

um die Sache ging. Was in Hanno-

ver geschehen ist, war für ihn mir

gegenüber kein Thema.

Ihre Tätigkeiten bei Eintracht, inden Stiftungen, für die Geschichte

– im Kern war das immer auchwichtig für Hoffmanns Entschei-dungen. Also gab es immer wiederAnknüpfungspunkte.

Das ist in der Tat so. In den großen

Entscheidungen gibt es keine we-

sentlichen Unterschiede. Ein-

tracht ist ein wesentlicher Faktor.

Hoffmann hat ihn in seiner gesam-

ten Amtszeit positiv begleitet,

auch als ich Präsident war und ei-

ne schwierige Aufgabe zu bewälti-

gen hatte. Die Eintracht war da-

mals schon nicht mehr Herr der

eigenen Marketingrechte. Das hat

er alles sehr positiv begleitet, ein-

schließlich des Stadionausbaues.

Ich hätte es vielleicht nach dem

Ratsbeschluss gemacht. Er hat

dann noch eine Bürgerbefragung

gemacht. Die ging gut – und damit

war das auch wieder richtig.

Typisch sind in Braunschweig dieKontroversen. Die großen Themensind stets stark umstritten.

Nehmen Sie die Frage der Privati-

sierung. Dazu will ich nur sagen:

Dass so viel Geld erlöst werden

konnte, das ist vielleicht dem Ver-

handlungsgeschick zu verdanken,

aber vor allem jenen Menschen,

die das Unternehmen dahin ge-

bracht haben, dass es so wertvoll

war. Ich war jahrzehntelang Auf-

sichtsratsvorsitzender und immer

der Meinung: Ohne einen starken

Partner würde das Unternehmen

auf Dauer in diesen unsicheren

Märkten nicht reüssieren können.

Wichtig war nur, dass die Stadt

immer dabeiblieb. Hoffmanns

Privatisierung ist ja auch von der

SPD positiv mit begleitet worden.

Es war im Wesentlichen auch eine

Frage der finanziellen Gesundung

der Stadt. Denn ohne diesen Ver-

kauf wäre das nicht gelungen.

Hoffmann hat 74,5 Prozent ver-kauft, Sie wollten weniger.

Ob Sie 51 Prozent verkaufen, wie

wir es wollten, oder 74,5 Prozent,

das ist in der Unternehmensent-

scheidung gleich. Es bringt aber

mehr Geld. Entscheidend ist, dass

die Stadt Einfluss behielt. Der

Oberbürgermeister ist Aufsichts-

ratsvorsitzender. Die Gestaltung

der Verträge, um den Einfluss der

Stadt dauerhaft zu sichern, ist

vernünftig gelungen. Im Interesse

der Stadt war es vernünftig, was

damals beschlossen wurde.

Wo waren Sie sich denn mal nichteinig?

Seine Regionalpolitik sehe ich

kritisch. Hoffmann hat gute Vor-

schläge gemacht, die ich immer

geteilt habe. Er sagt ja selber: Die

Erfinder sind Glogowski/Gabriel.

Er hat das inhaltlich hervorragend

zu Papier gebracht. Aber: Es in

Kommunikation mit den anderen

Kräften in der Region umzusetzen

– das hat Hoffmann nicht getan.

Diese Notwendigkeit ist jedoch

gegeben. Und ich denke, der neue

Braunschweiger Oberbürgermeis-

ter wird das versuchen müssen.

Die Kommunikation mit den

Amtsträgern in der Region ist

nicht so geführt worden, dass sie

sich mitgenommen fühlten. Das

weiß Hoffmann auch. Das ist halt

nicht seine größte Stärke. Da hät-

te er jedoch mehr investieren müs-

sen, wenn er diese Vorschläge

macht.

War die Ursache hierfür ein „Braun-schweig zuerst“, das Hoffmann im-mer vertreten hat?

Man muss einfach sehen: Alle Ver-

antwortungsträger in der Region

haben das exakt so empfunden,

wie Sie das ausdrücken. In der

Diskussion ist allerdings immer

untergegangen: Gäbe es eine Regi-

on, würden Braunschweig und

Wolfsburg in die Region im Fi-

nanzausgleich einzahlen. Und die

schwächeren Gemeinden würden

dadurch finanziell besser gestellt.

Braunschweig würde sich also ma-

teriell einbringen. Dieses logisch

darzustellen, reichte jedoch nicht.

Das Richtige ist zur falschen Zeit

leider auch falsch. Und ich muss es

den Menschen so erklären, dass

sie nicht den Eindruck haben:

Hier ist einer, der will mir etwas

aufdrücken und mein Amt in Fra-

ge stellen. Da hat Hoffmann viel-

leicht auch unterschätzt, was er

da an Widerständen aufbaut.

Die Ära Hoffmann in Braunschweig– war es eine gute Zeit?

Ich denke, ja. Für Braunschweig

war es gut. Viele Probleme der

Stadt sind gelöst worden. Es wur-

den viele Impulse gesetzt, nehmen

Sie Stadt der Wissenschaft, Kul-

turhauptstadt-Bewerbung. Das

hat den Braunschweigern bewusst

gemacht: Wir leben in einer wun-

derbaren Stadt/Region mit un-

glaublicher Vielfalt, die wir noch

nicht wahrgenommen haben.

Was ist liegengeblieben, was kamzu kurz?

Da würde ich mich in die Stadtpo-

litik einmischen. Das will ich

nicht. Weil ich mich weder mit

meiner Auffassung über Schulpo-

litik oder anderes einbringen will.

Für die SPD ist es jetzt wichtig,

dass sie weiterhin die Kräfte in der

Stadt bündeln kann – mit einem

neuen Oberbürgermeister, der eh

die Fähigkeiten dazu hat. Gleich-

zeitig muss der neue OB auch

wichtige Fragen anpacken. Die

Frage des Regionalverkehrs. At-

traktivität ist auch Mobilität. Es

gibt noch viele Aufgaben.

Fußball-Gespräche 2013 im Eintracht-Stadion (von links): Gert Hoffmann , Ministerpräsident Stephan Weil und Gerhard Glogowski. Foto: Susanne Hübner

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Gerhard Glogowski wurde1943 in Hannover geboren. Erist Diplom-Volkswirt und seit1961 Mitglied der SPD. 1966wurde er Ratsherr in Wag-gum, 1972 Bürgermeister inWaggum. Von 1976 bis 1981und von 1986 bis 1990 war erBraunschweiger Oberbürger-meister. 1990 trat Glogowskidas Amt des niedersächsi-schen Innenministers an undbekleidete es bis 1998.Von 1998 bis zu seinemRücktritt 1999 war er nieder-sächsischer Ministerpräsi-dent. In Braunschweig: 2000bis 2007 Eintracht-Präsi-dent. 2008 BraunschweigerEhrenbürger. Vorstandsvor-sitzender der Stiftung Nord-LB/Öffentliche. Vizepräsi-dent der Stiftung Braun-schweigischer Kulturbesitz.

ZUR PERSON

„Ohne Nutzung wäredas nie gegangen, weildas Schloss dauerhaftein defizitärer Klotz amBein gewesen wäre.“Gerhard Glogowski zur Frage, warumdas Schloss ein Einkaufszentrum wurde.

Gerhard Glogowski über die Psycholo-gie der Regionaldiskussion.

„Da hat Hoffmannvielleicht auchunterschätzt,was er da an Wider-ständen aufbaut.“

ie Nr. 1 in Braunschweig geht,e Nr. 2 in Europa bleibt.

e Zukunft mit Weitsicht gestalten –für steht die Ära unseres langjährigen

berbürger meisters Dr. Gert HoffmannBraunschweig. Diese Haltungbindet uns. Als starke Nr. 2 in der opäischen Zuckerindustrie, mit einer r 175-jährigen Geschichte, steuern

wir unser international agierendesUnternehmen aus unserer Konzern zentrale in Braunschweig.

Danke, Herr Dr. Hoffmann für IhreVerantwortung, Ihre Courage,Ihr Engagement für unsere Stadt!

Nordzucker. Wo wir sind,

ist das Leben etwas süßer.

DiedafObin Bverbeuroüber

Samstag, 28. Juni 2014 05

Page 6: KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares

13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Von Henning Noske

Die Region Braunschweig-Wolfs-burg war schon einmal weiter. Daswar vor 2001. Das war, bevor GertHoffmann Oberbürgermeister vonBraunschweig wurde.

Im Umfeld der WeltausstellungExpo 2000, in den Initiativen desZweckverbandes GroßraumBraunschweig, in den Aktivitätender Regionalen Entwicklungs-agentur, der Regionalen Marke-ting GmbH und der Braunschwei-gischen Landschaft und nicht zu-letzt im gemeinsamen Geist derdamals kommunal Verantwortli-chen fügte sich und fand sich all-mählich die Region vom Oberharzbis zur Südheide, von Helmstedtbis Peine.

Es war die Region der fünfLandkreise Wolfenbüttel, Gif-horn, Helmstedt, Goslar und Pei-ne und der drei Städte Braun-schweig, Wolfsburg und Salzgit-ter. Sie waren zerklüftet wie eh,doch zu spüren war der gemeinsa-me Aufbruch.

Die schwierigste Frage – ein ge-meinsamer Name – war bereitsgeklärt: Braunschweig-Wolfsburg!In einer großen Beilage in unsererZeitung prangte er bereits unwi-dersprochen und akzeptiert aufdem Titel.

Es war klar, wie die Region zuFortschritten kommen würde. Al-le einte die Mitgliedschaft imGroßraum Braunschweig – unddort konnte man sich gemeinsamneue gemeinsame Aufgaben ge-ben. Schon ging es konkret um ge-meinsame Grenzen und Bezirkewichtiger regionaler Akteure wieetwa der Wirtschaftskammern.

Schon durfte man auf den ge-meinsamen Auftritt einer Regionhoffen, deren starke historischeWurzeln und Naturschätze heuti-ge Wirtschaftskraft begründen.Eine Region – Weltspitze in Mo-bilität und Forschung. Einig überdas gemeinsame Vermarkten vonBesuchermagneten.

Dann kam Hoffmann. So erfolg-reich und unnachahmlich Braun-schweigs neuer Oberbürgermeis-ter vom Herbst 2001 an die Lö-wenstadt an der Oker nach vornbrachte, so konsequent er sein

„Braunschweig zuerst“ zur Richt-schnur machte, so zwingend förm-lich, so nach und nach immer de-primierender fiel die Region alssolche wieder in Agonie, Rivalitätund Kleinkariertheit zurück.

Nicht einmal die sogenannteAchse Hoffmann-Schnelleckekonnte daran etwas ändern.

Wolfsburgs damaliger Oberbür-germeister Rolf Schnellecke(CDU) hatte seinen Braunschwei-ger Parteifreunden den früheren

Regierungspräsidenten von Des-sau in Sachsen-Anhalt, Gert Hoff-mann, empfohlen. Und der sorgtein Braunschweig nach seinemWahlsieg für Furore. Er sprach dieMitte an, die Familien, dieserMann machte endlich Wege freifür neue Baugebiete und Braun-schweiger Prestigeprojekte, dieeines wahren Zentrums würdigsind.

Bloß eines tat Hoffmann nicht:Er gab nicht klein bei für die Regi-on. Schließlich sei es seine Aufga-be, alles für Braunschweig zu tun,stellte er klar. So regele es dieKommunalverfassung, nur demWohle Braunschweigs sei er ver-pflichtet. Welchem Wohle wohlauch sonst? Und für die Kollegenin Salzgitter, Wolfsburg, Gifhorn,Helmstedt und anderswo gelteschließlich nichts anderes.

Mehr noch: Hoffmanns Ableh-nung des Zweckverbandes Groß-raum Braunschweig und insbeson-dere seines damaligen Spitzen-personals mit VerbandsdirektorMartin Kleemeyer und Verbands-rat Ulrich Kegel war für jedermannsichtbar und förmlich mit Händenzu greifen.

Kleemeyer traute er die kom-plexe Aufgabe der Regionalstadt-bahn einfach nicht zu – und vor al-lem Regionalplaner Kegel hattesich den Unmut des Braunschwei-ger OB zugezogen, weil es unter

seiner Regie zur AufwertungWolfsburgs und Salzgitters im Re-gionalen Raumordnungspro-gramm gekommen war. „Oberzen-trale Teilfunktionen“ für die an-deren, gar ein seltsamer„oberzentraler Verbund“ BS-WOB-SZ – das alles war Hoff-mann zutiefst suspekt.

Stattdessen machte er Braun-schweig stark. Wolkige Regions-Broschüren waren nicht seine Sa-che, Hoffmann wollte für Braun-schweig das ganz große Raddrehen.

Die Stadt sollte Europas Kul-turhauptstadt 2010 werden. 2010war Deutschland an der Reihe –und Braunschweig sollte Deutsch-lands Aushängeschild sein. „UndRegion“, so der Zusatz, denn beirealistischer Betrachtung geht es„ohne Region“ natürlich nicht.

Wie Braunschweig sich präsen-tierte, wie es agierte, wie es in dieengere Wahl kam – und am Endedoch Essen und Görlitz den Vor-tritt lassen musste, das war trotz-dem aller Ehren wert. Der Wegwar das Ziel. Und am Ende wardas Ruhrgebiet europäische Kul-turhauptstadt 2010. Die RegionBraunschweig-Wolfsburg hätte esebenso gut sein können.

Hoffmann ließ nicht locker. Indem umtriebigen Präsidenten derTU Braunschweig, Professor Jür-gen Hesselbach, traf er auf einenPartner von ähnlichem Format

und Kaliber. Hesselbach hatte dasModell der Forschungsregion vo-rangetrieben – Zusammenschlussder 30 bedeutendsten For-schungseinrichtungen in Südost-niedersachsen, zwei Drittel davonaus Braunschweig, darunterSchwergewichte wie die Physika-lisch-Technische Bundesanstaltund das Deutsche Zentrum fürLuft- und Raumfahrt.

Und natürlich die TU, die unterHesselbachs Führung Ernstmachte in Sachen Region, sogarBraunschweiger Belange hintanstellte und mit VW in Wolfsburggemeinsame Forschungszentrengründete. Und Braunschweig ge-lang der Coup! Wieder war derWeg das Ziel, als man beim Stif-terverband für die deutsche Wis-senschaft die Bewerbung als Stadtder Wissenschaft 2007 einreichte.

Eine perfekte Bewerbung unterdem Konzept der „Ideenküche“tat ihr Übriges. Als Braunschweigtatsächlich den Zuschlag erhieltund zur Stadt der Wissenschaftavancierte, schäumte die starkeKonkurrenz in den arriviertenForschungsstädten Aachen undFreiburg. Da habe wohl der Mit-leidsbonus für Braunschweig eineRolle gespielt. Größeren Unfughatte man selten gehört. Braun-schweig war da, wo es hingehörte.

Ein Baugebiet nach dem ande-ren, neue Gewerbegebiete, attrak-tive Ansiedlungen, große Baupro-

jekte, Investitionen, Schubkraftauch durch die prosperierendenBraunschweiger VW-AdressenVolkswagen Financial Servicesund Werk Braunschweig – bloßdie Region führte ein Schattenda-sein.

Hoffmann mischte in der Pro-jekt-Region Braunschweig – spä-ter Allianz für die Region – maß-geblich mit. Die privat-öffentlichePartnerschaft von Kommunenund großen Unternehmen setzteund setzt immerhin auf starke ge-meinsame regionale Entwick-lungsprojekte, Sicherung von Ar-beitsplätzen.

Doch ansonsten machte Hoff-mann kein Geheimnis daraus, dasser etwa die Metropolregion mitWolfsburg, Hannover und Göttin-gen favorisierte. Kleine Etats,schlank, eine gute Idee, schließ-lich mit dem Schaufenster E-Mo-bilität ein Top-Projekt.

Mehr noch: Zunehmend wurdendie Beziehungen des hiesigen re-gionalen Spitzenpersonals allesandere als herzlich. Unsere dreiOberbürgermeister und fünfLandräte zwischen Oberharz undSüdheide machten nicht immerden Eindruck einer Gemeinschaft,die an einem Strang zieht.

Das aber ist notwendig, wennman eine Region bauen will. Undausgerechnet in solcher Atmo-sphäre setzte Hoffmann spät aufden ganz großen Regions-Ent-wurf. Die große Region nach demModell der Region Hannover soll-te kommen.

Er meinte es ernst, aber nie-mand mochte ihm mehr richtigfolgen. Hoffmann schlug jetzt tat-sächlich die Bildung einer Groß-Region als eigene Gebietskörper-schaft vor, mit Verwaltung, Parla-ment und vor allem hartenKompetenzen. Wie in der RegionHannover.

Zustimmung und Begeisterunghielten sich deutlich in Grenzen.Die CDU-FDP-Landesregierungerwies sich als zu schwach und un-willig, solche Vorstellungen aufzu-greifen und voranzutreiben.

Zudem löste der unbequemeBraunschweiger Oberbürgermeis-ter in Hannover mit seinen Vorstö-ßen ebenso viel Freude aus wie in

der Region zuhause. Was blieb,war die Hoffnung auf eine neueLandesregierung. Doch als dieseaus SPD und Grünen mit hauch-dünner Mehrheit von nur einerStimme antrat, konnte man sichdie Erfolgsaussichten des politi-schen Kraftaktes einer Gebiets-und Verwaltungsreform ausge-rechnet in der vielstimmigen undvielschichtigen Region Braun-schweig leicht ausrechnen.

Doch Region tut not, um besteChancen zu nutzen – und vor al-lem auch, um künftig wohl zuneh-mend nicht mehr lebensfähigeLandkreise zu integrieren.

So brach sich der Prozess amEnde der Ära Hoffmann mit eige-ner Dynamik und fast chaotischenZügen Bahn. Die Stadt Wolfsburgund der Landkreis Helmstedt wa-ren am weitesten, hatten die not-wendigen Beschlüsse zur Fusion

schon in der Tasche. Erst das Vetoder Landesregierung stoppte dasProjekt – Braunschweig wäre da-mit von der Mitte an den Rand ge-drängt worden.

Im Landkreis Peine sucht manPartner, in den Landkreisen Gif-horn und Wolfenbüttel meint mankeine zu brauchen. Teile des altenLandkreises Braunschweig sindplötzlich wieder in der Diskussi-on. Und ganz zum Schluss miedensich der Wolfsburger Oberbürger-meister Klaus Mohrs und seinBraunschweiger Amtskollege GertHoffmann in gegenseitig tief emp-fundener Abneigung.

Doch ohne vertrauensvolle,freundschaftliche Beziehungenzwischen Braunschweig undWolfsburg, ohne Geben und Neh-men, ohne Augenhöhe mit allenPartnern und ohne gemeinsamenGeist gibt es keine Region. Eskann jetzt besser werden.

Region – große Liebe war es nichtWo (noch) nicht zusammenwächst, was zusammengehört. Unsere Region – eine Hängepartie.

Neujahrsempfang der Stadt Braunschweig 2002 im Städtischen Museum. Von links mit ihren damaligen Ämtern: TU-Präsident Professor Jochen Litterst, Wolfsburgs Oberbürgermeister Rolf Schnellecke, Gert Hoffmann, Gifhorns LandrätinMarion Lau, Helmstedts Oberkreisdirektor Gerhard Kilian und Rolf-Dieter Backhauß, Landrat des Landkreises Helmstedt. Foto: David Taylor

In der Projekt-Region Braunschweig bildeten Norbert M. Massfeller (rechts)als Aufsichtsratsvorsitzender und Gert Hoffmann (links) als sein Stellvertre-ter ein effektives Gespann. Hier bei der Gründung 2005 mit dem niedersäch-sischen Wirtschafts-Staatssekretär Joachim Werren. Foto: Rudolf Flentje

„Die Region war schoneinmal weiter, bevorGert HoffmannOberbürgermeister vonBraunschweig wurde.“

„Ohne Geben undNehmen, ohneAugenhöhe mit allenPartnern und ohnegemeinsamen Geistgibt es keine Region.“

Samstag, 28. Juni 201406

Page 7: KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares

13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

err Dr. Hoffmann besitzt so-wohl große strategische als

auch große taktische Fähigkeiten.Mit Weitblick hat er bereits wäh-rend seines Wahlkampfes im Jah-re 2001 ein Zukunftsprogramm fürBraunschweig entworfen, das er inden 13 Jahren seiner Amtszeit gegenoft starken Widerstand umsetzte.

Was hat er sich damals vorge-nommen, was hat er erreicht? Ur-teilen Sie selbst!

1. Braunschweig muss Spitze sein2. Der Schuldenberg muss abgebautwerden3. Wirtschaft als Chefsache4. Aktive Baulandpolitik5. Sicherheit und Sauberkeit6. Schule, Soziales und Sport

H 7. Kulturhauptstadt8. Eine Perspektive für Braun-schweig

Durch seine erfolgreiche Amtszeit,in der er auch noch den Wiederauf-bau des Residenzschlosses und dieErweiterung des Forschungsflug-hafens durchsetzte, hat er fürBraunschweig diese Zukunftsper-spektive eröffnet, wofür er zu Rechtmit der niedersächsischen Landes-medaille ausgezeichnet wurde. Al-les in allem hat Herr Dr. Hoffmannsich um Braunschweig verdient ge-macht.

Richard Borek ist Braunschweiger

Unternehmer und Stifter.

Alle Versprechenhat er gehalten

Richard Borek

orbei, vorbei… – jetzt ist erendlich vorbei! *

13 Jahre Hoffmann, das ist eine ver-dammt lange Zeit! Vor allem, wennman dessen ideologische Ausrich-tung und autoritären Führungsstilfür völlig daneben hält. Allerdingssollte man nicht den Fehler bege-hen, auf Hoffmanns Selbstinszenie-rung als „Retter Braunschweigs“hereinzufallen. Hoffmann wird vonvielen – auch von sich selbst – poli-tisch weit überschätzt. Bei denmarkantesten Großprojekten seinerAmtszeit diente er lediglich als bra-ver Erfüllungsgehilfe. Das Sagenhatten vor allem Honoratioren undKonzernlenker: Richard Borek

Vwollte die Schlossfassade, Alexan-der Otto das Einkaufszentrum undFerdinand Piëch den Flughafen-ausbau. Manche Dinge gingen aberallein auf Hoffmanns Konto: DemAutor Hartmut El Kurdi verpassteer tatsächlich ein Auftrittsverbot instädtischen Kultureinrichtungen!Ein handfester Skandal, der Hoff-mann zu Recht eine scharfe Rügedes Deutschen Kulturrates undBraunschweig damit einen verita-blen Imageschaden eintrug.(* Zitat aus Peter Lichts „Liedvom Ende des Kapitalismus“)

Barbara Schulze ist Geschäfts-

führerin der Ratsfraktion Bündnis

90/Die Grünen Braunschweig.

Vorbei, vorbei,endlich vorbei

Babara Schulze

ir reden miteinander. Gele-gentlich schreiben wir uns

auch Briefe oder – in letzter Zeit –Mails. Wir sind eher selten einerMeinung, aber das kümmert ihnnicht: „Unbeschadet mancher in-haltlich unterschiedlicher Bewer-tungen im Einzelnen – und das wäreja auch schlimm für Sie, wenn dasanders wäre“, schreibt er mir ein-mal, um sich dann respektvoll undanerkennend über unsere Arbeit zuäußern. Das hat Format.

Wie eine moderne Gesellschaftund ihre Mitglieder sich zur kultu-rellen Überlieferung stellen, das isteine Frage, die ihn als Konservati-

Wven besonders umtreibt. Eine Fra-ge, die auch mich bewegt.

Wie wollen wir in Zukunft denAlltag bewältigen ohne Verständi-gung, ohne durch die Kunst gelerntzu haben, Vertrautes und Fremdes,Altes und Neues wahrzunehmen,die Augen und Ohren offen zu hal-ten, Zwischentöne zu hören? Diesegemeinsame Sorge schafft etwasVerbindendes und wechselseitigenRespekt. Den hat er in jeder Formverdient.

Joachim Klement ist General-

intendant des Braunschweiger

Staatstheaters.

Respekt injeder Formverdient

Joachim Klement

r. Gert Hoffmann war in seinerAmtszeit ein leidenschaftlicher

Kämpfer für die Interessen Braun-schweigs. Die Etablierung derBraunschweiger Landessparkasseist dafür nur ein, jedoch sehr wich-tiges Beispiel.

Für den DGB war Dr. Hoffmannein fairer und verlässlicher An-sprechpartner. Er schätzte denStellenwert der Gewerkschaften.So veranstaltete die Stadt Braun-schweig jedes Jahr vor dem 1. Maieinen Arbeitnehmerempfang, aufdenen Dr. Hoffmann verdiente Ar-beitnehmerInnen ehrte. Als am4. Juni 2011 Neonazis durch Braun-schweig marschieren wollten, un-

Dterstützte die Verwaltung mitDr. Hoffmann an der Spitze dasAktionsbündnis „Bunt stopptBraun“. Es gelang, den rechtenAufmarsch zu verhindern. DerOberbürgermeister lief beim De-monstrationszug des Bündnissesmit. Nicht alle Entscheidungen desOberbürgermeisters fanden die Zu-stimmung der Gewerkschaften. DiePrivatisierung eines Teils der öf-fentlichen Daseinsvorsorge oder dieSchulsanierung über ppp-Finan-zierung müssen ihre Zukunftssi-cherheit noch beweisen.

Michael Kleber ist DGB-Regionsge-

schäftsführer.

Partner, fair undverlässlich

Michael Kleber

n seiner 13-jährigen Amtszeit hatHerr Dr. Hoffmann in Braunschweig

Spuren hinterlassen.Als Bürger dieser Stadt, als Archi-

tekt und als 1. Vizepräsident von Ein-tracht Braunschweig konnte ich seinHandeln aus unterschiedlichen Per-

Ispektiven und Distanzen erleben undbegleiten. Zu den baulichen Großpro-jekten seines Schaffens gehört nebendem Schlossaufbau und dem Erleb-nisbad an der Hamburger Straße derAusbau des Eintracht-Stadions. Pa-rallel zum sportlichen Erfolg unserer

Profimannschaft in der2. Hälfte seiner „Spiel-zeit“ hat Herr Dr. Hoff-mann zusammen mit denVerantwortlichen unseres Ver-eins die notwendige Entwicklung derfür die Stadt und den Verein gleicher-

maßen nachhaltigen In-frastruktur in die Wege

geleitet und realisiert.Wir danken ihm sehr für sein

Engagement in diesem Zusam-menhang. Für seinen nächsten Le-bensabschnitt wünschen wir ihm ein

bisschen mehr Lieberknecht als Ma-gath und hoffen, dass er auch nachseiner Amtszeit als Fan EintrachtBraunschweig treu bleibt.

Rainer Ottinger ist Vizepräsident von

Eintracht Braunschweig.

Rainer Ottinger

Eintracht dankt ihm sehr

DieMetropolregion ist der freiwillige ZusammenschlussvonKommunen,WirtschatundWissenschat. RundvierMillionenMenschen leben hier auf einer Fläche von19.000 km². Fünf Jahre nach demNeustart steht dieMetropolregion heute besser denn je da. Das ist deut-lich sichtbar –wie die erfolgreiche Bewerbung als einesvon vier nationalen Schaufenstern Elektromobilität.

Elektromobilität ist dieWeichenstellung in die automo-bile Zukunt.

DieMetropolregion treibt diese Entwicklung imProjektSchaufenster Elektromobilität voran und fährt bundes-weit ganz vornemit. Allein der Bund stellt für die rund30 Schaufenster-Projekte rund 38Millionen Euro anFördergelder zur Verfügung. Das Land engagiert sichmit 10Millionen Euro.Mit den Leistungen vonUnter-nehmenundKommunen summiert sich das inanzielleEngagement auf über 100Millionen Euro.

Die Erfolge lassen sich sehen: DieMetropolregion hatdie größte Flotte vollelektrisch betriebener Autos im

Einsatz. Annähernd 150 e-ups! sind täglich auf denStraßen in rund 80Kommunen in derMetropolregionunterwegs. In Braunschweig fährtmit „emil“ derwelt-weit erste 200-kW-induktiv geladene Elektrobus im Lini-enverkehr. ImHarz rollt ein Dutzend Elektromotorrädergeräusch- und emissionslos durch dasMittelgebirge.Und inGöttingen gibt es den ersten Rad-Schnellweg fürE-Biker.

Als BraunschweigsOberbürgermeister und Aufsichts-ratsmitglied derMetropolregion haben Sie, sehr geehr-ter Herr Dr. Ho�mann, entscheidenden Anteil amErfolgunserer gemeinsamenMetropolregion. Dafür sagenwir„HerzlichenDank“ undwünschen Ihnen alles Gute!

Einfach elektrisierend: Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg

Stefan Schostok Raimund Nowak Kai FlorysiakAufsichtsratsvorsitzender Geschätsführer GeschätsführerOberbürgermeister derLandeshauptstadt Hannover

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Samstag, 28. Juni 2014 07

Page 8: KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares

13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

ach dem Amtsantritt von

Oberbürgermeister

Dr. Hoffmann hat sich der Stil

der Politik im Braunschweiger

Rathaus gründlich geändert.

Vorher fielen die wichtigsten

Entscheidungen im Rat der

Stadt. Das änderte sich gründ-

lich nach der Kommunalwahl

2001: OB Dr. Hoffmann konnte

sich auf eine schwarz-gelbe

Mehrheit im Rat der Stadt stüt-

zen. Diese setzte keine eigenen

Akzente, sondern beschränkte

sich auf unbedingte Unterstüt-

zung aller Vorhaben des Ober-

bürgermeisters.

Das verschaffte ihm eine große

Handlungsfreiheit. Damit trägt

er allerdings auch die Verantwor-

tung für alle kommunalpoliti-

schen Fehlentwicklungen in die-

ser Zeit. Beispiel: Der Wieder-

aufbau des Schlosses wurde

erkauft mit der Schaffung der

Schloss-Arkaden, einer Ein-

kaufsmall, die mit ihrer riesigen

Verkaufsfläche die Maßstäbe in

Braunschweig sprengt und zu er-

heblichen Leerständen in der

Braunschweiger Innenstadt

führt.

Zweites Beispiel: Die Privati-

sierungspolitik. Während rings

im Land Kommunen versuchen,

die Entscheidung über Energie-

versorgung, Trinkwasser und

Abwasser zurückzugewinnen,

wurde sie in Braunschweig be-

wusst aufgegeben. Neben dem

Verlust kommunalpolitischer

Einflussmöglichkeiten hat dieses

Verhalten auch finanzpolitisch

erhebliche Konsequenzen. Wäh-

rend die Gewinne dieser Unter-

nehmen früher dem städtischen

Haushalt zugutekamen und hier

in der Region verausgabt wur-

den, ist das nur noch in geringem

Maße der Fall. Die Gewinne flie-

ßen stattdessen nach Frankreich

N- BS-Energy - und Berlin - AL-

BA. Die vielgelobte Entschul-

dungspolitik hält einer genauen

Analyse ebenfalls nicht stand:

Der Verlust von über 700 Millio-

nen Euro rentierlichem Vermö-

gen durch Privatisierung zum

Schuldenabbau von 440 Millio-

nen Euro ist keine Leistung, son-

dern eine Fehlleistung.

Die Fixierung Dr. Hoffmanns

auf die Vermeidung von Darle-

hensaufnahmen hat leider auch

zur Vernachlässigung der Unter-

haltung von Straßen und Gebäu-

den geführt. Hier verbleibt ein

riesiger Nachholbedarf, der in

den nächsten Jahren zu schließen

sein wird.

Ausdrücklich gelungen ist die

auf Dr. Hoffmann zurückzufüh-

rende Gründung der Braun-

schweigischen Landessparkasse

– noch als Anstalt in der Nord-

deutschen Landesbank, doch

hoffentlich irgendwann als

selbstständige Sparkasse des

Braunschweiger Landes. Eben-

falls technisch hervorragend ge-

macht ist das Vertragswerk beim

Verkauf der Mehrheitsanteile an

der Braunschweiger Versor-

gungs AG, das auch beim Wech-

sel des Mehrheitseigentümers

den Braunschweiger Anteil si-

cherte. Bewundernswert ist auch

die Gabe Dr. Hoffmanns, nicht

nur ein halbleeres Glas als halb-

voll darzustellen – das beherr-

schen viele –, sondern sogar ein

viertelvolles Glas als zumindest

dreiviertelvoll zu verkaufen. Ich

bin gespannt, wie sein Nachfol-

ger sich in dieser Frage verhalten

wird.

Manfred Pesditschek ist

Sprecher der SPD-Ratsfraktion

Braunschweig.

KeineLeistung,Fehlleistung

Manfred Pesditschek

r. Gert Hoffmann ist ein

Glücksfall für Braunschweig!

Gemeinsam mit einer starken

CDU im Rat der Stadt hat er

durch seine hohe Durchset-

zungskraft und seine ausgepräg-

te Zielorientierung den städti-

schen Haushalt wieder vom Kopf

auf die Füße gestellt.

In der Folge hat Braunschweig

nicht nur den vielfach beachteten

Entschuldungskurs genommen,

sondern aufgrund der wiederer-

langten finanziellen Handlungs-

fähigkeit konnten wir auch noch

in die Zukunft Braunschweigs in-

vestieren. Beispielhaft seien hier

der massive Ausbau der Kinder-

betreuung, das nie dagewesene

Schulsanierungsprogramm und

die Belebung der Innenstadt ge-

nannt.

D Darüber hinaus haben der Ti-

tel „Stadt der Wissenschaft“,

der Wiederaufbau des Residenz-

schlosses sowie die Bewerbung

zur Kulturhauptstadt Europas

dazu geführt, dass Braunschweig

wieder als dynamische und at-

traktive Stadt wahrgenommen

wird.

Braunschweig liegt nun in

zahlreichen Rankings an der

Spitze. Alle aktiven und ehema-

ligen Mitglieder der CDU-Rats-

fraktion sind deshalb froh und

stolz, gemeinsam mit Oberbür-

germeister Dr. Hoffmann in den

letzten 13 Jahren die wichtigen

Entscheidungen der Stadt vo-

rangetrieben zu haben.

Klaus Wendroth ist Sprecher der

CDU-Ratsfraktion Braunschweig.

Glücksfallfür unsereStadt

Klaus Wendroth

err Hoffmann hat die Zentrali-

tät der Verwaltung auf die

Spitze getrieben. Teilweise hat das

zur Effizienz beigetragen, anderer-

seits auch kritische, kreative und

fortschrittliche Stimmen unter-

drückt.

Eigene Ideen wurden umgesetzt,

dem Entgegenstehendes eher nicht.

Da hängt die Bewertung natürlich

auch von den eigenen Vorstellungen

ab – meine traf vieles nicht, aber

das war auch nicht sein Job.

Hoffmann hat im Bereich For-

schungsansiedlung und internatio-

nale Kontakte erfolgreich gearbei-

tet, was der Stadt noch lange nütz-

lich sein wird. Schade, dass er der

Versuchung erlegen ist, sich für sei-

ne Amtszeit flüssige Mittel aus der

H

Privatisierung der Stadtwerke zu

organisieren – für die Stadt insge-

samt ein Verlustgeschäft in Millio-

nenhöhe, wie der Finanzdezernent

Stegemann schließlich mitgeteilt

hat. Rat und Oberbürgermeister

stehen konstruktionsbedingt im-

mer in einem gewissen Macht-

kampf. Ich hoffe für die Stadt

Braunschweig, dass wir in Hoff-

manns Nachfolger einen ebenso

würdigen Gegner haben werden.

Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann

ist Mitglied der Ratsfraktion der

Piraten Braunschweig.

Auf die Spitzegetrieben

Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann

euanfang mit Kompetenz“ war

die Kernaussage, mit der

Dr. Gert Hoffmann zur Wahl des

Oberbürgermeisters angetreten

war. Ziehe ich heute Bilanz, zumin-

dest für die ersten 10 Jahre, die ich

mit Dr. Hoffmann eng zusammen

arbeiten durfte, so bleibt mein Fa-

zit: Versprochen und gehalten.

Durch ihn ist eine Aufbruchsstim-

mung und Identifizierung der Men-

schen mit ihrem Braunschweig wie-

der entstanden.

Die Bewerbung um die Kultur-

hauptstadt Europas, die Auszeich-

nung als Stadt der Wissenschaft,

die Neugestaltung der Innenstadt

mit Bohlweg-Sanierung, Wieder-

aufbau des Schlosses, hat die Bür-

ger begeistert und stolz gemacht.

Das Braunschweig heute finan-

ziell so stabil und handlungsfähig

aufgestellt ist, war nur durch den

konsequenten Schuldenabbau,

sinnvollen Privatisierungen, kluger

Baulandpolitik möglich.

NAngeschoben vom Oberbürger-

meister, begleitet von schwierigen

internen Diskussionen und öffentli-

chen Auseinandersetzungen, an-

schließend einstimmig beschlossen

und konsequent durchgehalten von

der CDU-Fraktion und den damals

verlässlichen FDP-Ratsmitglie-

dern, konnte dieser Sparweg erfolg-

reich eingehalten werden. Heute

werden wir von vielen Kommunen

in Deutschland deshalb beneidet.

Es war eine berechenbare, ver-

lässliche Politik mit der CDU-

Ratsfraktion, die verbunden ist mit

dem Namen Dr. Gert Hoffmann, der

als erfolgreicher, aber auch nicht

immer als bequemer Oberbürger-

meister in die Geschichte der Stadt

eingehen wird.

Wolfgang Sehrt ist früherer

Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion

Braunschweig.

Aufbruch undIdentifizierung

Wolfgang Sehrt

r. Hoffmann hat die

Stadt nachhaltig ge-

prägt und bei der Regions-

debatte oder der Sparkasse

sind Verdienste nicht zu

leugnen. Bei anderen we-

sentlichen Themen beurtei-

len wir sein Wirken jedoch

überwiegend negativ. So

zum Beispiel bei dem Ver-

kauf öffentlichen Eigen-

tums, der Schlosspark-Be-

bauung mit ECE/Schloss-

fassade, dem Abriss des

FBZ für ein Luxushotel und

der Startbahnverlängerung

mit Waldvernichtung.

Auch beim sogenannten

„Haushaltswunder“ fürchte

ich, dass wir bald ein böses

Erwachen erleben. Eine

nachhaltige Stadtentwick-

lungsplanung wurde dage-

gen gänzlich eingestellt und

Sozialpolitik zum Fremd-

Dwort. Stattdessen wurden

Außenmarketing und

Imageprojekte gepflegt.

Zudem hat niemand die

Stadt durch sein Handeln

und insbesondere die Art

des Umgangs mit kritischen

Stimmen so polarisiert wie

Herr Hoffmann.

Sein autoritärer Füh-

rungsstil erzeugte zwar ge-

horsame Mitarbeiter, lähm-

te aber die Motivation und

Kreativität. Dies alles führ-

te zu einer Spaltung der

Braunschweiger Stadtge-

sellschaft, die nun langsam

überwunden werden muss.

Holger Herlitschke ist

Sprecher der Ratsfraktion

der Grünen Braunschweig.

BösesErwachen

Holger Herlitschke

ach 13 Jahren scheidet der

Braunschweiger Oberbürger-

meister Dr. Gert Hoffmann aus dem

Amt. Diese 13 Jahre stehen für be-

deutende Entwicklungen sowohl in

der Stadt als auch bei Volkswagen

Braunschweig. So gilt die gute wirt-

schaftliche Situation Braun-

schweigs für viele Kommunen als

vorbildlich.

Genauso wie der Bau der Schlos-

sarkaden, der Aufbau des Stadt-

marketings sowie der Ausbau des

Eintracht Stadions. Parallel zur po-

sitiven Entwicklung der Stadt ist

auch Volkswagen Braunschweig

stark gewachsen. Die dazu notwen-

digen Maßnahmen wurden stets

von Dr. Hoffmann unterstützt. Der

Standort ist in der Folge um

2000 Beschäftigte gewachsen. In

N der Metropolregion mit dem

Schaufenster Elektromobilität hat

Braunschweig seinen festen Platz.

Volkswagen Braunschweig liefert

die Batteriesysteme dazu. Unsere

Mitarbeiter schätzen die Lebens-

qualität in der zweitgrößten Stadt

Niedersachsens.

Ich bin mir sicher: Auch in den

kommenden Jahren wird Braun-

schweig eine Stadt sein, die wirt-

schaftlich, wissenschaftlich, kultu-

rell und sozial nicht nur im nieder-

sächsischen Vergleich an der Spitze

stehen wird. Daher gelten meine

besten Wünsche dem scheidenden

und dem zukünftigen Oberbürger-

meister unserer Stadt.

Thorsten Jablonski ist Leiter des

VW-Werks Braunschweig.

Volkswagen iststark gewachsen

Thorsten Jablonski

Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann während des Spa-

tenstichs für ein rituelles Waschhaus am 24. Juni 2014 auf dem Fried-

hof in Braunschweig. Foto: Florian Kleinschmidt / BestPixels.de

Samstag, 28. Juni 201408

Page 9: KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares

13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

r. Gerd Hoffmann und ichsind in unserer politischen

Grundausrichtung völlig ver-schieden. Vielen seiner Ent-scheidungen als OB stehe ichsehr kritisch gegenüber.

So zum Beispiel dem Bau derSchlossarkaden im Schlosspark,bei der Frage „Schwimmen inBraunschweig“ oder dem Ver-kauf von Anteilen kommunalerBetriebe. Was uns jedoch ver-

D bindet, ist die Sorge um denStandort Volkswagen Braun-schweig und die Beschäftigungvieler Kolleginnen und Kollegen.In den schwierigen Jahren 2005bis 2010 ist Dr. Hoffmann man-chem damaligen VolkswagenVorstand mit seiner eindringli-chen Art nicht von der Seite ge-wichen, um für die Erhaltung desStandorts und damit für die Be-schäftigten zu werben.

Dafür sindwir ihm als Be-schäftigte des Werkes und binich ihm persönlich dankbar. Ichwünsche ihm nach seiner 13-jäh-rigen Amtszeit nun mehr Zeit fürseine Familie, seine Hobbys undvor allem Gesundheit im Ruhe-stand.

Uwe Fritsch ist Betriebsratschef

im VW-Werk Braunschweig.

Gut für den VW-Standort

Uwe Fritsch

uch ohne Gert Hoffmannwäre Braunschweig eine

Wissenschaftsstadt. Aber wo-möglich wäre sie keine „Stadtder Wissenschaft“ geworden.Der Unterschied ist groß. DieForschung in der Okerstadtkönnte auch ohne den Titel ge-deihen, junge Menschen käm-men auch so zum Studium undfür die Forschung hierher, undUnternehmen suchten die Nähezu den Instituten. Aber alleswird dadurch leichter und funk-tioniert besser, weil die Bürge-rinnen und Bürger ebenso wie derRat und die Stadtverwaltung inBraunschweig sich in hohem Ma-ße mit „ihrer“ Wissenschaftidentifizieren.

A Der Oberbürgermeister gingmit gutem Beispiel voran. Er hatsich persönlich dafür eingesetztund Mittel bewilligt, dass Braun-schweig sich erfolgreich um denTitel „Stadt der Wissenschaft“2007 beworben hat.

Nicht nur mit dem Veranstal-tungsfeuerwerk in jenem Jahr,sondern vor allem im Haus derWissenschaft bleiben die Bürge-rinnen und Bürger im engen Kon-takt mit der Forschung. Auch dieWissenschaftler selbst profitie-ren von der guten Stimmung unddem offenen Austausch.

An Gert Hoffmann schätze ichpersönlich vor allem seine klarePosition, und dass er nicht nurredet, sondern auch handelt. So

hat er nieeinen Hehl da-raus gemacht, dass er seinerseitshohe Erwartungen an die Wis-senschaft hat. Gleichzeitig hat erden Ausbau unserer Standorte –wie beispielhaft am Forschungs-flughafen – mit Nachdruck un-terstützt. Die Forschung ist fürihn eine wichtige Grundlage fürArbeitsplätze, Wirtschafts-wachstum und Zukunftsfähig-keit. Das gute Abschneiden imStädtevergleich zeigt, dass seineStrategie aufgeht – und zwarnachhaltig, auch über seineAmtszeit hinaus.

Prof. Jürgen Hesselbach ist Präsi-

dent der TU Braunschweig.

Wissenschaft im Fokus

Prof. Jürgen Hesselbach

Das sind alle BraunschweigerOberbürgermeister nach demKrieg mit ihren Amtszeiten:

Dr. Erich Bockler (parteilos) 11. April1945 bis 1. Juni 1945

Ernst Böhme (SPD) 1. Juni 1945bis 17. Dezember 1948

Otto Bennemann (SPD) 17. Dezem-ber 1948 bis 3. Dezember 1952

Dr. Kurd Semler (CDU) 3. Dezember1952 bis 15. Dezember 1954

Otto Bennemann (SPD) 15. Dezem-ber 1954 bis 27. Mai 1959

Martha Fuchs (SPD) 27. Mai 1959bis 21. Oktober 1964

Bernhard Ließ (SPD) 21. Oktober1964 bis 21. November 1972

Walter Klöditz (SPD) 21. November1972 bis 2. Juli 1974

Günther Jaenicke (CDU) 2. Juli 1974bis 2. November 1976

Gerhard Glogowski (SPD) 2. No-vember 1976 bis 3. November 1981

Hartmut Scupin (CDU) 3. Novem-ber 1981 bis 5. November 1986

Gerhard Glogowski (SPD) 5. No-vember 1986 bis 11. September1990

Werner Steffens (SPD) 11. Septem-ber 1990 bis 31. Oktober 2001

Dr. Gert Hoffmann* (CDU) 1. No-vember 2001 bis 30. Juni 2014.

Ulrich Markurth* (SPD) ab 1. Juli2014

Und das sind alle Oberstadtdirek-toren und Verwaltungschefs derStadt Braunschweig:

Dr. Erich Walter Lotz (SPD) Sep-tember 1946 bis 29. Februar 1960

Hans Günther Weber (SPD) 1. März1960 bis 30. Januar 1980

Dr. Joachim Körner (SPD) 1. Februar1980 bis 31. Januar 1989

Dr. Jürgen Bräcklein (SPD) 1. Febru-ar 1989 bis 31. Januar 2001

Dr. Udo Kuhlmann (CDU) 1. Februar2001 bis 31. Oktober 2001

Dr. Gert Hoffmann* (CDU) 1. No-vember 2001 bis 30. Juni 2014

Ulrich Markurth* (SPD) ab 1. Juli2014

*Seit 2001 wird der Oberbürger-meister direkt von der Bevölke-rung gewählt und ist zugleich Ver-waltungschef (Eingleisigkeit). Bis2001 wurden sowohl der die Stadtrepräsentierende Oberbürger-meister als auch der die Stadtver-waltung als Hauptverwaltungsbe-amter leitende Oberstadtdirektorvom Rat der Stadt gewählt.

Chronik der Stadt-Chefs

Otto Benne-

mann (SPD)

Günther

Jaenicke (CDU)

Martha

Fuchs (SPD)

Dr. Udo Kuhl-

mann (CDU)

Dr. Jürgen

Bräcklein (SPD)

Werner

Steffens (SPD)

Für Ihre persönliche Zukunftwünschen wir Ihnen alles Gute.

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Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt.

Wir machen den Weg frei.

DANKE!Für Ihren Einsatz mit Herzblut und Leidenschaft

zum Wohl der Stadt Braunschweig und ihrer Menschen.

Für Ihren tatkräftigen und mutigen Beitrag zum

Aufschwung von Stadt und Region.

Für Ihr Engagement im Finanzdienstleistungs-

sektor, mit dem Sie uns die erfolgreichsten

Jahre unserer Unternehmensgeschichte

ermöglicht haben.

Für Ihre ausgezeichnete Arbeit

herzlichen Dank.

BraWofür die 12 Jahre als

Oberbürgermeister!

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Sehr geehrter Herr Dr. Hoffmann,

das Klinikum Braunschweig dankt Ihnen für

Ihre tatkräftige Unterstützung und wünscht Ihnen

einen aktiven Ruhestand bei guter Gesundheit.

Ihr Städtisches Klinikum Braunschweig

Persönlichkeiten

werden nicht durch

schöne Reden

geformt, sondern

durch Arbeit und

eigene Leistung.

Albert Einstein

Samstag, 28. Juni 2014 09

Page 10: KOMMENTAR die Geister. Kaum jemand hat so viel bewegt. Und ...€¦ · wurden es 13 Jahre. Eine Ära, die Braunschweig geprägt und ver-ändert hat. Hoffmann hat Wert-volles, Unschätzbares

13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Ausgewählte Daten aus 13 JahrenStadt-Chronik von 2001 bis 2014.Die Chronologie ist nicht voll-ständig, sie wirft lediglich Schlag-lichter auf besondere Ereignisseund Themen, die auch mit Ober-bürgermeister Gert Hoffmannverknüpft sind.

WAHLSIEGER

23. September 2001: Dr. GertHoffmann (CDU) gewinnt dieOberbürgermeister-Stichwahl ge-gen seinen Gegenkandidaten vonder SPD, Gernot Tartsch. Er er-hält 57,4 Prozent der Stimmen,Tartsch kommt auf 42,6 Prozent.Hoffmann ist der erste direkt ge-wählte Oberbürgermeister, derauch Verwaltungschef ist.

1. Januar 2002: Umbau derStadtverwaltung. Fünf Dezerna-ten unterstehen nun 14 Fachberei-che und zehn Referate.

19. März 2002: Sparpolitik undHaushaltskonsolidierung begin-nen. Im Spar-Haushalt 2002 sindEinsparungen von rund 8 Millio-nen Euro vorgesehen. Die Ver-braucherberatung schließt, dasFreizeit- und Bildungszentrumhat keine Zukunft. Der Haushaltwird mit einer Stimme Mehrheitgebilligt – es ist die von Hoffmanngemeinsam mit der CDU und derFDP.

15. April 2002: Im Zuge derSparpolitik wird die Straßenbe-leuchtung in Braunschweig redu-ziert. Natürlich löst dies wiedererhebliche Kontroversen aus.

5. bis 12. Mai 2002: Die Ver-braucherausstellung „Harz undHeide“ lockt 88 000 Menschenauf das Gelände an der Eisenbüt-teler Straße. Sie findet noch bis2008 statt. Doch OB Hoffmannmag die Harz und Heide nicht. Sieist ihm zu rückwärtsgewandt undprovinziell. Außerdem gehen dieBesucherzahlen zurück. Das istdas Aus. Anfang 2009 wird dieZusammenarbeit mit der Nürn-berger Afag-Messegellschaft ge-kündigt.

PRIVATISIERUNG

1. Juli 2002: Die Privatisierungs-politik beginnt mit einem umstrit-

tenen Mega-Geschäft: Die städti-sche Versorgungs-AG wird zu 74,5Prozent an den Energie-KonzernTXU (Texas/USA) verkauft. Dererzielte Verkaufspreis liegt beiinsgesamt 450 Millionen Euro(424 Millionen Euro Erlös durchVerkauf an TXU plus 26 MillionenEuro Erlös durch den Weiterver-kauf an Veolia im Jahr 2004).

3. September 2002: WolfgangZwafelink wird Stadtbaurat.Wolfgang Laczny wird Kulturde-zernent. Beim Schlossprojekt undbei der Kulturhauptstadt-Bewer-bung werden beide für Hoffmannzu Schlüsselfiguren.

2. Februar 2003: Bei der Land-tagswahl steht die CDU endgültigim Zenit in Braunschweig, ist dergroße Gewinner. Sie gewinnt allevier Direktmandate.

2. Oktober 2003: Der Rathaus-platz wird von der Adresse „Lan-ger Hof“ in „Platz der DeutschenEinheit“ umbenannt.

SCHLOSS

1. Dezember 2003: Der Schloss-Krimi beginnt. Eine Jury sprichtsich für den Entwurf des Architek-turbüros Grazioli und Muthesius(Zürich/Berlin) aus. Das Ein-kaufszentrum Schloss-Arkadensoll ein Schloss werden. Späterwird Stadtplaner Professor Wal-ter Ackers die Weichen für die An-und Einbindung ins Stadtbildstellen.

27. Januar 2004: Die Auseinan-dersetzung ums Schloss spitztsich zu. Die Mehrheit des Verwal-

tungsausschusses beschließt: EinBürgerbegehren zum Erhalt desSchlossparks ist nicht zulässig.Bis heute verbittert es viele, dasses bei einer Entscheidung von sol-cher Tragweite keine Bürgerbefra-gung gab.

KULTURHAUPTSTADT

1. April 2004: In Hannover wirddie Bewerbung Braunschweigs alsKulturhauptstadt Europas 2010der Landesregierung übergeben.Im Juni wird Braunschweig durchKulturminister Stratmann als nie-dersächsischer Bewerber bestä-tigt. Im Juli übergibt Hoffmanndie Braunschweiger Bewerbung imBundesaußenministerium in Ber-lin. Deutschland ist 2010 „dran“.

27. Mai 2004: Vor dem Verwal-tungsgericht wird die Klage desBürgerbegehrens Schlosspark ge-gen Schloss und Schloss-Arkadenabgewiesen.

JA ZUM SCHLOSS

5. Juli 2004: Erneut mit nur ei-ner Stimme Mehrheit, seiner eige-nen, wird die vielleicht nichtwichtigste, aber doch spektaku-lärste Entscheidung in OB Hoff-manns Amtszeit vom Rat be-schlossen. Das ECE-Einkaufszen-trum Schloss-Arkaden soll imSchlosspark gebaut werden. Bau-beginn soll im Oktober sein. Am1. August erteilt die Stadt dieBaugenehmigung.

9. Dezember 2004: Der 74,5-Prozent-Anteil des schlingerndenUS-Energiekonzerns TXU an derVersorgungs AG wird von Veolia

(Frankreich) für 370 MillionenEuro übernommen. Die Stadt be-kommt noch einmal 26 MillionenEuro. Der Vertrag wird im Januar2005 unterzeichnet.

20. Januar 2005: Die deutscheKulturhauptstadt-Jury kommtnach Braunschweig. Am 27. Janu-ar präsentiert Braunschweig dieBewerbung für 2010 in der nieder-sächsischen Landesvertretung inBerlin. Am 10. März empfiehlt dieJury Görlitz und das Ruhrgebiet.Der Bundesrat muss entscheiden,Braunschweig ist raus.

21. Mai 2005: 2000 Menschenprotestieren am Bauzaun derECE-Schlossarkaden gegen dasFällen von mehr als 250 Bäumendes früheren Schlossparks.

FLUGHAFEN

3. Juni 2005: Das nächste Groß-projekt, das polarisiert. Der Flug-hafen Braunschweig-Wolfsburg,der Forschungsflughafen, wird für34,8 Millionen Euro ausgebaut.Im Zentrum steht die Verlänge-rung der Start- und Landebahnvon 1680 auf 2300 Meter.

4. Juli 2005: Hickhack um denBKB-Vertrag zur Müllentsorgungzwischen der Stadt Braunschweigund den BraunschweigischenKohlenbergwerken in Helmstedt,der vor Hoffmanns Zeit geschlos-sen worden war. Es geht um dienicht erfolgte, jedoch vorgeschrie-bene Ausschreibung in Europa.Der Vertrag wird aufgelöst.

5. Juli 2005: Gleich vier neueDezernenten treten ihr Amt in der

Die Braunschweiger Kommunalpolitik von 2001 bis 2014 hatte viele Höhepunkte. Schiedlich-friedlich ging es dabei selten zu.

Schlaglichter – Die Stationen,die Projekte, die Kontroversen

So einträchtig sah man sie nicht oft: Großraum-Verbandsdirektor Dr. Martin Kleemeyer (links) und OB Hoffmann 2005 vor der Schloss-Baustelle. Foto David Taylor

Durchgepaukt: Nach dem Abstimmungserfolg 2004 für die Schloss-Arkaden

freute sich Gert Hoffmann mit den Fraktionsvorsitzenden Prof. Rudolf Casper

(FDP, Mitte) und Wolfgang Sehrt (CDU, rechts). Foto: David Taylor

Durchgezogen: 2002 wird im Rathaus der Vertrag zwischen der Stadt und

TXU unterzeichnet, 74,5 Prozent der Stadtwerke gehen über den Tisch. Sit-

zend, von links: Rainer Blanke (Stadtwerke), Gert Hoffmann, Rolf Paulsen

(TXU) und Thies Hinkeldeyn (Stadtwerke). Foto: David Taylor

Ich schwöre ... Im November 2001

legte Gert Hoffmann den Amtseid im

Rathaus ab. Foto: David Taylor

Samstag, 28. Juni 201410

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Stadtverwaltung an: Ulrich Mar-kurth (Soziales, Schule, Kranken-haus), Carsten Lehmann (Ord-nung), Joachim Roth (Wirtschaft)und Thies Hinckeldeyn (Öffentli-che Betriebe).

DAS SCHLOSS ENTSTEHT

13. Juli 2005: Offizieller Baube-ginn der ECE-Schloss-Arkaden.Die Grundsteinlegung ist am2. November.

29. August 2005: Nach einemBeschluss des Landgerichts mussdie Stadt Müllgebühren in Höhevon 20,5 Millionen Euro an dieBürger zurückzahlen.

STADT DER WISSENSCHAFT

22. September 2005: Nachdem Scheitern der Kulturhaupt-stadtbewerbung versucht dieStadt es erneut mit einer großenBewerbung. Braunschweig wirftden Hut in den Ring, will „Stadtder Wissenschaft“ 2007 werden.

28. September 2005: Jetzt gibtes auch noch Streit um Ampelnund Straßenlaternen. Um imHaushalt zu sparen, sollen sie pri-vatisiert werden. 17. November 2005: Auch diePrivatisierung der Stadtentwäs-serung wird jetzt vom Rat be-schlossen – natürlich wieder nachkontroverser Diskussion. Am

23. Dezember steigen auch hierdie Franzosen ein, die Veolia Was-ser GmbH übernimmt.

28. März 2006: Riesenerfolg fürBraunschweig! Die Jury des Stif-terverbandes der Deutschen Wis-senschaft entscheidet sich fürBraunschweig als „Stadt der Wis-senschaft“ 2007 mit dem Projekt„Ideenküche“. Geschlagen sindAachen und Karlsruhe.

22. Mai 2006: Das Bier ist lokal.Oberbürgermeister Hoffmann undder Wolters-Vorstand verkündendie Rettung des HofbrauhausesWolters. Im Oktober nimmt Wol-ters die Produktion wieder auf.

28. Juni 2006: Nachdem die eu-ropaweite Ausschreibung erfolgtist, wird die MüllverbrennungBraunschweigs von Remondisübernommen.

SCHLOSSGEGNER SCHEITERN

19. Juli 2006: Nichts geht mehrgegen die ECE-Schloss-Arkaden.Die Initiative Innenstadt stelltkeinen Normenkontrollantragbeim Lüneburger Oberverwal-tungsgericht.

26. August 2006: An der rekon-struierten Schloss-Fassade mit564 erhalten gebliebenen Origi-nalteilen des alten Residenz-schlosses wird bereits der histori-sche Portikus enthüllt. Rund20 000 Zuschauer sind dabei.

DIE WIEDERWAHL

10. September 2006: Trium-phale Wiederwahl des Oberbür-germeisters im ersten Wahlgang.Hoffmann erhält 58 Prozent. Ge-genkandidat Friedhelm Posse-meyer (SPD) kommt lediglich auf26,3 Prozent. Hoffmann wird die-se Wahl zu diesem Zeitpunkt spä-

ter als eindrucksvolle Bestätigungseines Schloss-Kurses auslegen.

14. Oktober 2006: Das neueTeilstück der Straßenbahn nachStöckheim wird in Betrieb genom-men.

28. November 2006: CDU undFDP beschließen im Rat mit ihrerMehrheit, 1,2 Millionen Euro fürden Innenausbau des Schloss-Teiles der ECE-Schloss-Arkadenbereitzustellen.

6. Dezember 2006: Die neueSynagoge in der Steinstraße wirderöffnet. Die alte Synagoge in derKnochenhauerstraße war 1938von den Nationalsozialisten zer-stört worden.

15. Januar 2007: Der Planfest-stellungsbeschluss für den Ausbauder Start- und Landebahn desFlughafens Braunschweig-Wolfs-burg wird vom Wirtschaftsminis-terium in Hannover unterzeich-net.

WASSERWELT

27. Februar 2007: Der Rat be-schließt die „Wasserwelt“ an derHamburger Straße. Im Gegensatzzur landläufigen Meinung verwei-gert Oberbürgermeister Hoffmannjedoch seine Zustimmung. EineMehrheit gibt es trotzdem – einseltener Vorgang in der 13-jähri-gen Hoffmann-Ära.

Wer zieht in dieser Stadt die Fäden?

Rathäuser hissten 2003 beim Protest „Städte in Not“ die weiße Fahne. Da

legte Braunschweigs Oberbürgermeister selbst Hand an. Foto: David Taylor

Während der Schlossdebatte erzielte

dieses Spielzeug ganz ordentliche

Verkaufszahlen. Foto: David Taylor

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Samstag, 28. Juni 2014 11

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

29. März 2007: Es ist so weit, dieSchloss-Arkaden werden eröffnet!Von Anfang an ist das Publikums-interesse sehr groß.

Im April 2007: OB Hoffmannfühlt sich vom Satiriker undSchriftsteller Hartmut El Kurdibeleidigt. Eine Anweisung an Mit-arbeiter der Stadtverwaltung,nicht mehr mit El Kurdi zusam-menzuarbeiten, sorgt für bundes-weite Aufmerksamkeit und wirdvom Deutschen Kulturrat gerügt.El Kurdi verlässt Braunschweig.

6. Mai 2007: Jetzt wird auch of-fiziell die Eröffnung des Schlossesgefeiert. 70 000 Menschen sinddabei. Die Quadriga muss aller-dings später kommen.

28. September 2007: Nebendem Schloss wird auch das ge-samte Quartier am Ritterbrunnenaufgewertet. Grundsteinlegungfür das Schlosscarree.

SCHLOSSMUSEUM

16. November 2007: Der Ratbeschließt den weiteren Ausbaudes Schlossmuseums. Einge-schlossen ist dabei auch der Saalmit dem Herzogsthron. Im August2010 einigen sich Braunschweigund das Land Niedersachsen: DerHerzogthron zieht vom Landes-museum ins Schlossmuseum um.

LANDESSPARKASSE

1. Januar 2008: Aus der Nord/LB wird die BraunschweigischeLandessparkasse – und Braun-schweigs Oberbürgermeister hatdie Zähne gezeigt. OB Hoffmannhat sich durchgesetzt. Erst sollteer aus dem Aufsichtsrat der Nord/LB verbannt werden. Dann lehrteer seinem Intimfeind, Nieder-sachsens Finanzminister Möllring(CDU), das Fürchten.

29. Juni 2008: Nicht weniger als25 000 Zuschauer sehen die Über-tragung des Fußball-EM-End-spiels Spanien-Deutschland aufder Großbildleinwand vor demSchloss.

QUADRIGA

22./23. Oktober 2008: Die imAuftrag von Richard Borek in Po-len gegossene neue Quadriga wirdzwei Tage lang unter großer An-teilnahme der Bevölkerung aufder Schloss-Plattform montiertund ist ein grandioser Blickfang.Am 27. Oktober wird sie vom Stif-ter Borek auf dem Schlossplatz andie Stadt übergeben. Die Stadtübernimmt die Unterhaltung. Abdem 23. November dürfen die Be-

sucher über das Treppenhaus aufdie Quadriga-Plattform – eineklare Bereicherung für Stadtbe-sichtigungen.

SCHLOSS-CARREE

31. Oktober 2008: Auch dasSchloss-Carree am Ritterbrunnenim Magnetfeld des Schlosses istjetzt fertig. Es ist eine neue Passa-ge mit Gesundheitszentrum, Gas-tronomie und Läden entstanden –und dazu der Eintracht Fanshop.

29. Januar 2009: Der Rat be-schließt die vierte BraunschweigerIntegrierte Gesamtschule (IGS) inVolkmarode.

FBZ

März/April 2009: Das ehemali-ge Freizeit- und Bildungszentrum(FBZ) im Bürgerpark wird abge-rissen.

26. März 2009: BS-Energy bautan der Hamburger Straße ein neu-artiges Gas-Dampf-Kraftwerk(GUD).

3. April 2009: Niedersachsenverkauft seinen 18-Prozent-Anteilam Flughafen Braunschweig-Wolfsburg an VW. 2010 werdendie VW-Anteile an die FlughafenBraunschweig-Wolfsburg GmbHübertragen.

18. Mai 2009: Das Haus derWissenschaft in der Pockelsstraßewird eröffnet – auch eine Konse-quenz des erfolgreichen JahresStadt der Wissenschaft.

EINTRACHT-STADION

22. Juli 2009: Der Ausbau desEintracht-Stadions an der Ham-burger Straße beginnt mit demBaustart für die neue, überdachteNordkurve mit 3500 Sitz- und1800 Stehplätzen (für Gästefans).Im Juni 2010 wird sie übergeben.

15. Oktober 2009: Der Erweite-rungsbau des Klinikums Salzdah-lumer Straße feiert Richtfest. In-vestition insgesamt: 26 MillionenEuro.

April/Juni 2010: Das For-schungsflugzeug ATRA wird beimDLR am Forschungsflughafenstationiert, beim DLR beginnt derBau eines Simulatorzentrums für10 Millionen Euro.

BRAWO-PARK

29. November 2010: Der Ratstellt die Weichen für die Über-nahme des ehemaligen Post-Hochhauses durch die Volksbank

für 100 Millionen Euro. Das Pro-jekt BraWo-Park der Volksbankam Hauptbahnhof beginnt.

BÜRGERBEFRAGUNG

7. Februar 2011: Auf Initiativevon OB Hoffmann kommt es zurersten Bürgerbefragung in Braun-schweig – und zwar zum weiterenAusbau des Eintracht-Stadions,

insbesondere der Haupttribünemit VIP-Logen. Die Zustimmungbeträgt 60 Prozent. 65 000Braunschweiger stimmen ab. We-nige Tage später beschließt derRat daraufhin den Ausbau desStadions.

9. April 2011: OB Hoffmann er-öffnet gemeinsam mit Nieder-sachsens Kulturministerin Johan-

na Wanka das Schlossmuseum.

15. Mai 2011: Eintracht Braun-schweig wird Meister der 3. Ligaund steigt in die 2. Liga auf.

19. Mai 2011: Nach dreijährigerBauzeit wird das neue Kraftwerkvon BS-Energy an der HamburgerStraße in Betrieb genommen. In-vestition: 86 Millionen Euro.

PPP-PROJEKT

31. Mai 2011: Der Rat beschließtnach kontroverser Diskussion dasPPP-Projekt. Die Unterhaltungund Sanierung von neun sanie-rungsreifen BraunschweigerSchulen, drei Kindergärten undzwei Sporthallen wird an Hochtiefim Rahmen einer Public-Private-Partnership (PPP) übertragen.Das Volumen beträgt 279 Millio-nen Euro, die Laufzeit 25 Jahre.Der Vertrag wird im Oktober un-terzeichnet.

KITA-BESUCH FREI

29. Juni 2011: Braunschweigführt als eine von wenigen Städtenin Deutschland nach einem Rats-beschluss den gebührenfreien Ki-ta-Besuch ab August ein. ImHerbst sind Kommunalwahlen inBraunschweig.

9. August 2011: Erster Spaten-stich für den Bau einer neuen Ju-gendherberge.

26. August 2011: Der Ausbauder Haupttribüne des Eintracht-Stadions beginnt. Zunächst ver-anschlagt: 14,5 Millionen Euro.

START- UND LANDEBAHN

29. August 2011: Die auf 2300Meter verlängerte Start- und Lan-debahn des Flughafens Braun-schweig-Wolfsburg ist fertigge-stellt. Kosten des Ausbaus insge-samt: 39 Millionen Euro.

BUNTE MEHRHEIT

11. September 2011: Bei derKommunalwahl in Braunschweigkommt es zur sogenannten „Bun-ten Mehrheit“ aus SPD, Grünen,BIBS, Linken und Piraten. CDUund FDP verlieren ihre knappeRatsmehrheit. Zum ersten Mal inseiner Amtszeit hat OB Hoffmannkeine „eigene Mehrheit“ mehr. Erreagiert darauf mit einer intensi-ven Einbindung der SPD in seinePolitik. Bald hat er wieder eineMehrheit für seine wichtigstenProjekte und Personalien.

STEIGENBERGER

8. Oktober 2011: Der alte Ratbeschließt noch den Verkauf desFBZ-Geländes im Bürgerpark,dort soll das Steigenberger-Park-hotel errichtet werden. Die Inves-tition beträgt 25 Millionen Euro.Im Sommer 2013 wird das Vier-Sterne-Superior-Hotel eröffnet.Die Diskussionen und die Planun-gen für eine Folgeeinrichtung desFBZ ziehen sich hin, sind auch imJuni 2014 noch nicht beendet.

8. November 2011: Die neueRatsmehrheit aus SPD, Grünen,BIBS, Linken und Piraten be-schließt gegen die CDU die fünfteIntegrierte Gesamtschule (IGS) inBraunschweig. Sie soll im Schul-zentrum Heidberg angesiedeltwerden.

Februar 2012: Heinz-Georg Leu-er wird zum Baudezernenten derStadt gewählt.

METROPOLREGION

3. April 2012: Die Metropolregi-on wird als eine von bundesweitvier Regionen zum SchaufensterE-Mobilität.

20. April 2012: Grundsteinle-gung für das Steigenberger-Hotelim Bürgerpark. Eröffnung imHerbst 2013.

Stadt-Boss, Schlossherr, Sonnenkönig

Voller Liebreiz wurde 2012 nach vierjähriger Umbauzeit das Städtische Museum wiedereröffnet. Von links: Museums-chefin Dr. Cecilie Hollberg, Ministerin Johanna Wanka, Gert Hoffmann, Kulturdezernentin Anja Hesse. Foto: Daniela Nielsen

Die Stadt bin ich: So sah Karikaturist Peter Gebauer Oberbürgermeister Gert Hoffmann nach seinem Wahlsieg 2006.

Auf dem Brockengipfel traf Hoffmann 2008 Mitstreiter aus seiner Zeit alsRegierungspräsident in Dessau. Links der ehemalige Innenminister von Sach-sen-Anhalt, Manfred Püchel. Rechts der frühere Regierungspräsident vonMagdeburg, Wolfgang Böhm. Foto: Lutz Tantow

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

26. Juni 2012: Nach vier JahrenUmbau und Renovierung wird dasStädtische Museum Braun-schweig wiedereröffnet.

18. September 2012: Die Wil-helm-Bracke-IGS in der West-stadt wird für 40 Millionen Euroneu gebaut. Der Rat beschließt eseinstimmig.

12. Dezember 2012: Der Berli-ner Platz am Hauptbahnhof wirdauf Vorschlag von OB Hoffmannzum Willy-Brandt-Platz – aller-dings nur der nördliche Teil.

Im Januar 2013 erleidet dieBraunschweiger CDU bei denLandtagswahlen eine herbeSchlappe. Alle drei Direktmanda-te gehen an die SPD-Kandidaten.

PRIMARK KOMMT

12. Januar 2013: Die Sorgen umden City-Point lichten sich. Hiergab es viele Leerstände von Ge-schäften. Der irische Textilanbie-ter Primark kann angesiedelt wer-den, wird als sogenannter Anker-mieter fünf Etagen des City-Pointübernehmen.

23. April 2013: Gerold Leppawird zum Wirtschaftsdezernentengewählt.

DER AUFSTIEG

20. Mai 2013: Eintracht Braun-schweig steigt in die 1. Liga auf.

Aufstiegsfeier mit 34 000 Men-schen vor dem Schloss.

24. Mai 2013: OB Hoffmann gibtvor dem Schloss gemeinsam mitMinisterpräsident Stephan Weilden Startschuss für das Themen-jahr 1913 mit zahlreichen Kultur-veranstaltungen.

ALLIANZ MIT MARKURTH

30. Mai 2013: Eine so großeMehrheit hat es selten für einenVorschlag von OberbürgermeisterGert Hoffmann (CDU) gegeben:Sozialdezernent Ulrich Markurth(SPD) wird vom Rat für acht Jahrewiedergewählt. Vom 1. Novemberan fungiert er als Erster Stadtratzusätzlich als Stellvertreter desOberbürgermeisters. Nur die Lin-ke stimmt dagegen.

UM DIE NACHFOLGE

9. Juli 2013: FinanzdezernentUlrich Stegemann bereitet allenSpekulationen ein Ende. Der 34-Jährige will bei der Oberbürger-meisterwahl in Braunschweig 2014nicht CDU-Kandidat sein. Spätergeht Großraum-VerbandsdirektorHennig Brandes für die CDU insRennen. Ulrich Markurth tritt fürdie SPD an.

13. September 2013: Finanzde-zernent Ulrich Stegemann, der indie Wirtschaft wechselt und Ge-schäftsführer der Firma Staakewird, scheidet früher als bislang

geplant aus dem Amt. Er verlässtdie Stadtverwaltung bereits nachAbschluss der Haushaltsberatun-gen zum 1. Februar 2014.

PRESSEHAUS

12. Oktober 2013: Richtfest für

das neue Pressehaus des Braun-schweiger Zeitungsverlags, das imSpätsommer/Herbst 2014 in dasStadthaus Petri des Investors Jo-chen Staake an der Langen Straßezieht. Staake kauft das bisherigeGelände des Pressehauses an derHamburger Straße.

1. November 2013: Die neueHaupttribüne des Eintracht-Sta-dions mit Logen und der Stadion-vorplatz werden übergeben. Seitsieben Jahren hat die Stadt rund30 Millionen Euro in Ausbau undModernisierung des Stadions in-vestiert.

17. Dezember 2013: ChristianGeiger, Geschäftsführer des Nie-dersächsischen Städtetages, wirdBraunschweigs neuer Dezernentfür Finanzen, Sport und Stadt-grün. In geheimer Abstimmungvotieren 9 von 53 Ratsmitgliederngegen ihn. 19 enthalten sich.

PIËCH EHRENBÜRGER

27. Januar 2014: Der VW-Auf-sichtsratsvorsitzende und lang-jährige Vorstandschef FerdinandPiëch ist Braunschweigs Ehren-bürger. CDU und SPD sind dafür.Grüne, BIBS und Piraten stimmenim Rat dagegen, die Linke enthältsich.

7. April 2014: Der Stiftungsratder Stiftung BraunschweigischerKulturbesitz bestätigt den Präsi-denten Gert Hoffmann einstimmigfür weitere drei Jahre im Amt. DieAmtszeit wäre ohne Wiederwahlam 30. Juni abgelaufen – dem Tagdes vorzeitigen AusscheidensHoffmanns als BraunschweigerOberbürgermeister. Er hatte sei-nen Abschied vom Herbst 2014vorgezogen, um ein Zusammenle-gen der OB-Wahl mit der Europa-wahl am 25. Mai zu ermöglichen.

DER NACHFOLGER

25. Mai/14. Juni: Mit haushoherMehrheit vor Hennig Brandes(CDU) wird Ulrich Markurth(SPD) zum neuen BraunschweigerOberbürgermeister und Nachfol-ger Hoffmanns gewählt. In derStichwahl erhält Markurth 66,5Prozent.

28. Juni 2014: Gert Hoffmannverabschiedet sich im StädtischenMuseum von den Bürgern.

Drei ganz oben

2008 wird oben auf dem Schloss die Quadriga übergeben. Von links: Stifter Richard Borek, Gert Hoffmann und LotharHagebölling, damals Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei. Foto: Peter Sierigk

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liche Energieerzeugung sind wegweisend für unser Handeln – so werden Visionen

Wirklichkeit. Wir gehen neue Wege mit Energie.

Die Zukunft im Blick

Samstag, 28. Juni 2014 13

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13 JAHRE GERT HOFFMANN – DAS ENDE EINER ÄRA

Nachher – Schloss heuteWas für eine beispiellose Operation am offenenHerzen der Innenstadt. Hier sehen wir Schloss-Ar-kaden und Schloss bei der Eröffnung im Jahr 2007.Und nur mal so ganz nebenbei: Schauen Sie rechts

vorn auf das Kaufhaus Galeria. Putzig klein warder Trumm plötzlich geworden, den man frühernoch als neues Braunschweiger Schloss verspottethatte. Luftbild: Dieter Heitefuß, Pilot: Siegfried Starke

Na, können Sie sich daran wohl noch erinnern? Be-ziehungsweise: Können Sie sich das überhauptvorstellen? So sah der Schlosspark am Bohlwegaus. Das legendäre Bistro „Cristallo“ ist zu erken-

Vorher – Schlosspark 2001nen, davor die Wasserspiele mit Original-Teilenaus der Schlossfassade. Schön grün war es ja. Mankonnte Fußball spielen. Dann kam das Schloss.Das ist das nächste Bild. Foto: Fachbereich Stadtplanung

Von Henning Noske

Dieser Mann wusste genau, was erda geschafft hatte – und was fürsehr lange Zeit mit seinem Namenverknüpft sein wird.

„Das Wichtigste für das Stadt-bild und das, was bleiben wird –das ist der Wiederaufbau des Re-sidenzschlosses“, sagte GertHoffmann 2013 beim „Schlag aufSchlag“ unserer Redaktion imAltstadtrathaus.

Eine Geschichte sei das gewe-sen, von der die Stadt jahrzehnte-lang nur geredet habe. Manchehätten auch davon geträumt. „Esschien ganz unrealistisch, aber wirhaben das realisiert.“

Die Braunschweiger Lösung,die Hoffmann ankurbelte unddurchsetzte, sah so aus, wie unse-re Zeitung 2012 nach fünf JahrenSchloss analysierte:

Die Stadt macht den Weg freifür eine 200-Millionen-Euro-In-vestition durch ECE für ein gigan-tisches Einkaufszentrum in derCity und stellt das Grundstück(Schlosspark) zur Verfügung.

Die Stadt erhält im Zuge derErrichtung des Einkaufszentrumsdurch ECE mit 30 000 Quadrat-metern Verkaufsfläche u.a. eineRekonstruktion der Schlossfassa-de (13,3 Millionen Euro) und Mit-tel für erforderliche Baumaßnah-men im öffentlichen Bereich (11,5Millionen Euro).

Die Stadt mietet den Schloss-teil mit 13 300 Quadratmeternkomplett auf 30 Jahre für 1,2 Mil-lionen Euro im Jahr und bündeltdort kulturelle Institutionen.

Und so kam es: Ende März 2007eröffnete ECE die Schloss-Arka-den mit 150 Läden. Anfang Mai2007 wurde der Schloss-Teil er-öffnet – mit den Kultureinrich-tungen der Stadt.

Heute, im Interview zu Hoff-manns Dienstende, bringt es der

Zeitzeuge Gerhard Glogowski aufden Punkt: „Ohne Nutzung gibt eskeine Möglichkeit, die Schloss-Fassade oder das Schloss wiederaufzubauen.“

Nüchtern bilanziert Glogowski:Letztlich sei das Nutzungsdilem-ma eines defizitären Mammut-Klotzes auch Grund für den Abriss1960 gewesen. Und nun war dieNutzung durch ECE eben gege-ben. So einfach ist das manchmal.

Ich persönlich bin überzeugt,dass es bei dem Hybrid-Gebildeam Bohlweg – Schloss-Arkadenund Residenzschloss-Fassaden-Rekonstruktion – um viel mehrgeht als um ein Kaufhaus.

Was hier gelang, war im Grundegenommen ein Husarenstück, einHandstreich, der die spätere Wie-dererrichtung des historischenResidenzschlosses ermöglichtund nahelegt.

Wann dies sein wird und ob esjemals finanzierbar sein wird, dassteht in den Sternen. Denn dasNutzungsdilemma wird sich auchdann wieder stellen.

Bis dahin bleibt wahr: UnsereStadt hat einen Ort zurückgewon-nen, an dem sich jegliche Stadtge-schichte manifestiert, bricht undbündelt.

Hier schlug das Herz der hiesi-gen Welfenlinie, hier wurde dasletzte deutsche Residenzschlossgebaut.

Hier zündeten zornige Bürger esprompt an – und verjagten dieHerzöge aus der Stadt.

Hier versöhnten sich Hohenzol-lern und Welfen, residierte mitViktoria Luise die Kaisertochter.

Hier verjagte der Arbeiter Au-gust Merges den Herzog Ernst Au-gust, rief die Republik aus – frü-her als anderswo in Deutschland.

Hier marschierte Adolf Hitlerauf, probten die Nationalsozialis-ten Gleichschaltung und Machter-greifung – früher als anderswo inDeutschland.

Hier residierte die SS und bil-dete ihre Eliten für Vertreibung,Mord und Völkermord aus.

Hier wurde angesichts derKriegszerstörungen erbittert umdie Schloss-Ruine gerungen. DieMentalität der Nachkriegszeitwurde im Abrissbeschluss, im Bauder Stadthalle an anderer Stelleund der Errichtung eines Parkssichtbar.

Hier wurde die Erinnerung andas Schloss über Jahrzehntewachgehalten – und letztlich in ei-nem beispiellosen Experiment dieAbrissentscheidung rückgängiggemacht.

Hier ist die Stadtgesellschaftmittlerweile längst zur Tagesord-nung übergegangen und erprobtimmer kürzere Halbwertzeitenvon Konsumgewohnheiten. Volks-mund sagt und meint: Schloss.

Doch was noch passiert inBraunschweigs City, wird einige100 Meter entfernt am City-Pointdeutlich. Erst schwächelte dereinstige Gigant, lief leer ange-sichts der massiven Konkurrenzund des prosperierenden einstigenSorgenkindes Bohlweg. Doch von2015 an werden im City-Point tau-sende Kinder und Jugendliche ausganz Norddeutschland täglich fürwenige Cent und Euro Kult-Klei-dung aus Fernost kaufen.

Konkurrenz belebt das Ge-schäft. Braunschweig brummteinstweilen weiter. Die Modenkommen und gehen. Das Schlosswird hoffentlich bleiben.

Die Geschichte kehrt zurück – eine Analyse. Und ein Ausblick.

Der Kampf ums Schloss

Mit harten Bandagen wurde um Begriffe gerungen. So viel Schloss muss sein.

Die Arkaden wurden hier einfach überklebt. Foto: Rudolf Flentje

Das ist das Original. Dieses Luftbild aus den 1920er-Jahren zeigt das Braun-

schweiger Schloss, den Schlossplatz und den Bohlweg. Fotos (2): Archiv

Das ist der Zustand vor dem Abriss des schwer im Krieg beschädigten Schlos-

ses im Jahr 1960. Deutlich ist sein Wahrzeichen, die Rotunde, zu erkennen.

Enthüllung der mit Originalteilen rekonstruierten Schloss-Fassade im Jahr

2006. Dabei waren 20 000 Zuschauer. Foto: Rudolf Flentje

Gert Hoffmann, Braunschweiger Ober-

bürgermeister von 2001 bis 2014.

„Es schien ganzunrealistisch,aber wir haben dasrealisiert.“

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