Konstruierbarkeit mit Origami im Vergleich zu Zirkel und...

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Konstruierbarkeit mit Origami im Vergleich zu Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung Und Torsionspunkte der Ordnung 2 n und 2 n · 3 auf elliptischen Kurven als Anwendung der Konstruierbarkeit mit Origami Bachelor-Thesis von Patrick Holzer September 2014 Fachbereich Mathematik Arbeitsgruppe Algebra

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Fachbereich MathematikArbeitsgruppe Algebra

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Konstruierbarkeit mit Origami im Vergleich zu Zirkel und Lineal mit WinkeldreiteilungUnd Torsionspunkte der Ordnung 2n und 2n · 3 auf elliptischen Kurven als Anwendung der Konstru-ierbarkeit mit Origami

Vorgelegte Bachelor-Thesis von Patrick Holzer

1. Gutachten: Prof. Dr. Philipp Habegger2. Gutachten: M.Sc. Stefan Schmid

Tag der Einreichung:

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Erklärung zur Bachelor-Thesis

Hiermit versichere ich, die vorliegende Bachelor-Thesis ohne Hilfe Dritter nur mit den an-gegebenen Quellen und Hilfsmitteln angefertigt zu haben. Alle Stellen, die aus Quellenentnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Diese Arbeit hat in gleicher oderähnlicher Form noch keiner Prüfungsbehörde vorgelegen.

Darmstadt, den 28. September 2014

(Patrick Holzer)

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DanksagungenEinen besonderen Dank möchte ich meinem Betreuer Herrn Prof. Dr. Habegger aussprechen, der dieseswunderbare Thema vorgeschlagen hat und meine vorhandenen Fragen ausführlich beantworten konnte.Vielen Dank für Ihre ausgiebige und wertvolle Unterstützung.Daneben gilt mein außerordentlicher Dank Johanna Klein, für die tolle Zeichnung des Origami-Schwans(Titelseite), das aufwendige Korrekturlesen und die Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit.Auch meiner Lerngruppe bestehend aus Sabrina Pauli, Jan-Philipp Eisenbach und Florian Lang sowiemeiner Schwester Katrin Holzer danke ich für das fleißige Korrekturlesen. Ohne euch alle wären mirsehr viele Fehler verborgen geblieben.Nicht zuletzt möchte ich meinen Eltern für die ganze Unterstützung während meiner Studienzeit danken.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 11.1 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Grundlagen 22.1 Notationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.2 Definitionen und Sätze über Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.3 Definitionen und Sätze über Körper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22.4 Die drei antiken Problemstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

3 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal 53.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.2 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53.3 Eigenschaften und Charakterisierung von Z (K) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73.4 Lösbarkeit der antiken Probleme mit Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

4 Konstruierbarkeit mit Origami 144.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.2 Konstruktionen mit Origami . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144.3 Eigenschaften und Charakterisierung von O (K) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.4 Lösbarkeit der antiken Probleme mit Origami . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

5 Vergleich von Origami mit Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung 255.1 Erweiterungen von Zirkel und Lineal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255.2 Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

6 Elliptische Kurven 296.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296.2 Grundlagen elliptischer Kurven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296.3 Konstruierbarkeit der Torsionspunkte der Ordnung 2n und 2n · 3 mit Origami . . . . . . . . 30

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1 Einleitung

1.1 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit ist im Wesentlichen in drei Teile gegliedert: Nach einer kurzen Wiederholung al-gebraischer Grundlagen befassen wir uns mit der Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal. Dabei arbeitenwir die kanonischen Resultate heraus, die inzwischen gut studiert und weitläufig bekannt sind. Im zwei-ten und wichtigsten Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Konstruierbarkeit mit Origami und gebenviele zu Zirkel und Lineal ähnliche Resultate an. Es stellt sich heraus, dass die Menge der mit Origamikonstruierbaren Zahlen die Menge der mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Zahlen derart erweitert,dass wir zusätzlich komplexe dritte Wurzeln konstruieren können. Dies motiviert die im Anschluss bear-beitete Frage, ob Konstruierbarkeit mit Origami äquivalent zur Konstruierbarkeit mit Zirkel und Linealmit Winkeldreiteilung ist. Im letzten Teil dieser Arbeit zeigen wir, dass alle Torsionspunkte der Ordnung2 und 3 einer elliptischen Kurve, welche über dem Körper der Origami konstruierbaren Zahlen definiertist, mit Origami konstruierbar sind.

1.2 Motivation

Konstruktionen mit Zirkel und Lineal sind ein elementarer Bestandteil der Mathematik und haben eineweitreichende Vergangenheit. Die Theorie darüber ist heutzutage sehr gut erforscht, nicht zuletzt dankden modernen Mittel, die uns die Algebra bietet. Die Theorie der Konstruierbarkeit mit Origami ist da-gegen vergleichsweise jung - das jüngste Axiom der Origami Konstruierbarkeit stammt aus dem Jahre2003 und wurde von Koshiro Hatori entdeckt (alle Axiome tauchten bereits in einer früheren Arbeit vonJacques Justin auf, sie wurden jedoch schlichtweg von vielen Mathematikern übersehen, siehe [Lan]).Eine nähere Untersuchung der Konstruierbarkeit mit Origami scheint daher interessant, da sich heraus-stellt, dass Origami mehr Konstruktionen zulässt als Zirkel und Lineal, mit welchen man letztendlich nurQuadratwurzeln konstruieren kann, d.h. man kann nur Gleichungen zweiten Grades X 2 + aX + b = 0lösen. Mit Origami hingegen sind Gleichungen bis vierten Grades X 4 + aX 3 + bX 2 + cX + d = 0 lös-bar, wodurch sich einige wichtige Unterschiede ergeben. So sind z.B. von den drei antiken Problem -das delische Problem, Winkeldreiteilung und die Quadratur des Kreises - die ersten beiden mit Origamilösbar, ganz im Gegensatz zur Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal, mit welcher keines der drei Pro-bleme im Allgemeinen lösbar ist. Dies alles wirft aber die Frage auf, um welche Konstruktionen Origamidenn nun die Konstruktionen mit Zirkel und Lineal erweitert. Es wird sich herausstellen, dass lediglichdie Konstruierbarkeit der komplexen dritten Wurzeln hinzu kommt. Komplexe dritte Wurzeln zu kon-struieren besteht dabei aus zwei Teilkonstruktionen: Die Winkeldreiteilung und die Konstruktion einerreellen dritten Wurzel. Ein Hauptresultat dieser Arbeit wird deswegen sein, zu zeigen, dass das Hinzufü-gen der Winkeldreiteilung zur Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal nicht reicht, um alle mit Origamikonstruierbaren Zahlen zu erhalten.Am Ende dieser Arbeit wollen wir die Theorie der Konstruierbarkeit mit Origami an einem Beispiel an-wenden, indem wir zeigen, dass die 2- und 3- Torsionspunkte auf elliptischen Kurven (welche über demKörper der Origami konstruierbaren Zahlen definiert sind) mit Origami konstruierbar sind. ElliptischeKurven spielen eine bedeutende Rolle in der modernen Kryptographie, dies motiviert die Verknüpfungdieser beiden Gebiete.

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2 GrundlagenIn diesem Kapitel werden grundlegende Sätze und Definitionen der Algebra wiederholt und zusammen-gefasst, die wir in dieser Arbeit benötigen werden. Dies ist jedoch eher als eine Zusammenfassung undweniger als eine Einführung zu verstehen, d.h. wir werden keine Beweise angeben, sondern verweisenzum Studium auf Standardwerke wie beispielsweise [Bos09], [KM13] oder [JS06]. Anschließend wer-den die drei antiken Probleme vorgestellt, deren Lösbarkeit mit Zirkel und Lineal oder Origami wir späteruntersuchen wollen.

2.1 Notationen

Mit N= {1,2, 3, ...} bezeichnen wir die Menge der natürlichen Zahlen beginnend bei 1, wollen wir 0 miteinschließen, so schreiben wir N0. Die Menge aller reellen Zahlen echt größer 0 bezeichnen wir mit R>0.Für die Teilmengenbeziehung werden wir immer “⊆” schreiben, wollen wir Gleichheit ausschließen, sobenutzen wir die Notation “(”. In den Abbildungen notieren wir bzw. für gegebene bzw. konstruiertePunkte. Als Gerade bezeichnen wir eine Teilmenge von C der Form g = {z ∈ C|a + t · (b − a), t ∈ R},wobei a, b ∈ Cmit a 6= b ist. Analog dazu ist ein Kreis um a durch b definiert durch k = {z ∈ C| |z−a|=|b− a|}. Als “x-Achse” bzw. “y-Achse” bezeichnen wir R bzw. i ·R = {i · r ∈ C|r ∈ R}. Geraden werdenwir manchmal auch einfach durch ihre definierende Gleichung in der Form g(t) = a+ t ·(b−a) angeben.

2.2 Definitionen und Sätze über Gruppen

Wir übernehmen die übliche Notation für Gruppen, z.B. bezeichnet [G : H] den Index einer UntergruppeH ⊆ G in G, weiter schreiben wir H Å G, falls H ein Normalteiler von G ist.

Satz 2.2.1. Sei p ∈ N eine Primzahl und G eine p-Gruppe der Ordnung pk für ein k ∈ N0. Dann ist Gauflösbar, d.h. es existiert eine aufsteigende Kette von Untergruppen

{1}= G0 ⊆ G1 ⊆ · · · ⊆ Gk = G

mit [G j+1 : G j] = p und G j Å G j+1 für j = 0, ..., k− 1.

Folgendes Resultat verschärft den vorigen Satz, es wurde durch W. Burnside erstmals bewiesen und trägtdaher auch dessen Namen, für einen Beweis siehe [Bur04].

Satz 2.2.2 (Burnside). Seien p, q ∈ N Primzahlen und G eine Gruppe der Ordnung pαqβ mit α,β ∈ N0.Dann ist G auflösbar, d.h. es existiert eine aufsteigende Kette von Untergruppen

{1}= G0 ⊆ G1 ⊆ · · · ⊆ Gk = G

mit [G j+1 : G j] ∈ {p, q} und G j Å G j+1 für j = 0, ..., k− 1

2.3 Definitionen und Sätze über Körper

Auch hier übernehmen wir die übliche Notation für Körper, beispielsweise bezeichnen wir mit [L : K]den Grad der Körpererweiterung L/K . Die Charakteristik eines Körpers L bezeichnen wir mit char(L).Ein K-Homomorphismus zwischen zwei Körpererweiterungen L1/K und L2/K ist ein (Körper-) Homo-morphismus ϕ : L1 → L2 mit ϕ|K = idK . Für eine Galoiserweiterung L/K bezeichnet Gal(L/K) diezugehörige Galoisgruppe.

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Lemma 2.3.1. Jede endliche Körpererweiterung L/K ist algebraisch.

Satz 2.3.2. Falls char(K) = 0, so ist jede algebraische Körpererweiterung L/K separabel.

Definition/Satz 2.3.3 ([KM13, Satz 24.13]). Sei L/K eine algebraische Körpererweiterung, dann ist L/Kgenau dann normal, wenn jedes irreduzible Polynom aus K[X ], welches eine Nullstelle in L besitzt, über Lin Linearfaktoren zerfällt.

Satz 2.3.4. Sei L/K eine Körpererweiterung, und α ∈ L algebraisch über K . Dann gilt K(α) = K[α].

Satz 2.3.5. Seien L/M und M/K Körpererweiterungen, dann sind L/M und M/K genau dann algebraischeKörpererweiterungen, wenn L/K algebraisch ist.

Satz 2.3.6 (Irreduzibilitätskriterium von Eisenstein). Sei R ein faktorieller Ring (mit Eins) mit Quotien-tenkörper Q = Quot(R) und P(X ) =

∑ni=0 aiX

i ∈ R[X ]\R. Gilt p - an, p|ai für i = 0, ..., n− 1 und p2 - a0für ein Primelement p ∈ R, dann ist P(X ) irreduzibel in Q[X ].

Satz 2.3.7. Sei L/K eine Körpererweiterung und a ∈ L algebraisch über K . Dann gilt [K(a) : K] =grad(ma,K), wobei ma,K das Minimalpolynom von a über K bezeichnet.

Für den nächsten Satz verweisen wir explizit auf [Bos09, Kap. 3.5, Satz 7].

Satz 2.3.8 (Normale Hülle). Sei L/K eine algebraische Körpererweiterung. Dann gilt:

i) Es existiert eine algebraische Körpererweiterung M/L mit der Eigenschaft, dass M/K normal ist.

ii) Sei M/L eine algebraische Körpererweiterung, so dass M/K normal ist, und sei weiterG := {σ : L→ M |σ ist K-Homomorphismus}. Dann ist mit L′ := K({σ(L)|σ ∈ G}) auch L′/L einealgebraische Körpererweiterung, sodass L′/K normal ist (L′ wird auch als normale Hülle bezeichnet).

Satz 2.3.9. Sei L/K eine Galoiserweiterung und G := Gal(L/K) die zugehörige Galoisgruppe sowie H ⊆ Geine Untergruppe von G. Dann ist LH = {z ∈ L|σ(z) = z für alle σ ∈ H} ein Zwischenkörper von L/K undes gilt [G : H] = [LH : K].

Satz 2.3.10. Sei ξn eine primitive n-te Einheitswurzel, dann gilt:

[Q(ξn) :Q] = ϕ(n),

wobei ϕ : N→ N die Eulersche Phi-Funktion bezeichnet.

Der folgende Satz liefert uns eine Formel der Nullstellen eines allgemeinen Polynoms dritten Grades,siehe [KM13, Satz 31.8].

Satz 2.3.11 (Cardanosche Formel). Sei P(X ) ∈ C[X ] mit P(X ) = X 3 + t1X 2 + t2X + t3 gegeben. DieNullstellen von P(X ) sind gegeben durch

v1 = −t1

3+ a′ + b′, v2 = −

t1

3+ ε2a′ + εb′, v3 = −

t1

3+ εa′ + ε2 b′,

dabei bezeichnet

a′ =3√

−q

2+

1

6p

3

Æ

−DQ, b′ =3√

−q

2−

1

6p

3

Æ

−DQ

mit DQ = −27t33 −4t3

2 + t21 t2

2 −4t31 t3+18t1 t2 t3, q = t3−

13t1 t2+

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t31 und ε= e2πi/3. Die dritte Wurzel

a′ kann dabei beliebig gewählt werden, während b′ folgende Gleichung erfüllen muss:

3a′b′ =1

3t21 − t2

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2.4 Die drei antiken Problemstellungen

Die folgenden drei Problemstellungen werden wir in späteren Kapiteln auf Lösbarkeit mit Zirkel undLineal bzw. Origami untersuchen. Die einzelnen Probleme lassen sich dabei immer auf die Konstruier-barkeit einzelner Zahlen zurückführen, indem man die Zeichenebene mit C identifiziert und 0, 1 alsgegebene Startpunkte voraussetzt.

Die antiken Probleme 2.4.1.

(1) Das delische Problem: Ist es möglich, aus einem gegebenen Würfel einen Würfel mit doppeltemVolumen zu konstruieren? (Äquivalent dazu ist die Frage, ob 3p2 konstruierbar ist).

(2) Winkeldreiteilung: Ist es möglich, aus zwei nicht parallelen Geraden eine dritte Gerade zu konstru-ieren, die den Winkel der anderen beiden dreiteilt? (Analog zur Frage, ob aus 0,1, eiϕ auch eiϕ/3

konstruierbar ist).

(3) Die Quadratur des Kreises: Lässt sich aus einem gegebenen Kreis ein flächengleiches Quadrat kon-struieren? (Äquivalent zur Konstruierbarkeit von

pπ).

Bemerkung 2.4.2.

• Die Äquivalenz in (1) folgt daraus, dass die Seitenlänge s eines Würfels mit doppeltem Volumen desEinheitswürfels (Seitenlänge 1) die Bedingung s3 = 2 · 13 = 2 erfüllt.

• Die Äquivalenz in (2) ist offensichtlich, wenn man mit den Regeln der Konstruierbarkeit mit Zirkel undLineal oder Origami vertraut ist. Dies folgt in den nächsten Kapiteln.

• Der Kreis mit Radius 1 hat den Flächeninhalt π, ein flächengleiches Quadrat hat demnach die Seiten-länge

pπ. Dies begründet die Äquivalenz in (3).

Die Quadratur des Kreises ist mit Sicherheit das bekannteste Problem dieser drei Problemstellungen,daher gab es schon oft vermeintliche “Lösungen”, wie die Quadratur des Kreises alleine mit Zirkel undLineal gelingen kann. Wir werden jedoch später zeigen, dass dies unmöglich ist. Sogar in der Umgangs-sprache hat sich inzwischen die “Quadratur des Kreises” als Redewendung für ein unlösbares Problemeingebürgert (für eine kurze geschichtliche Einordnung siehe [Mey92]).

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3 Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal

3.1 Überblick

In diesem Kapitel wird es darum gehen, Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal in einen exakten ma-thematischen Rahmen zu fassen, sodass wir mit Mitteln der Algebra und insbesondere der Galoistheorieklären können, welche der antiken Probleme mit Zirkel und Lineal lösbar sind und welche nicht. Dabeihalten wir uns ungefähr an die Vorgehensweise aus [KM13]. Unsere Zeichenebene werden wir dabeimit den komplexen Zahlen C identifizieren, als gegebene Startpunkte wählen wir {0, 1}. Weiter werdenwir elementare geometrische Sätze wie beispielsweise den Strahlensatz benutzen, die wir als bekanntvoraussetzen.

3.2 Konstruktionen mit Zirkel und Lineal

Definition (nach [KM13, 22.1.1]). Sei K ⊆ C mit 0, 1 ∈ K gegeben. Die Menge Kn ⊆ C der in n ∈ N0Schritten aus K mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Zahlen ist wie folgt rekursiv definiert:

Kn :=

¨

K , falls n= 0Kn−1 ∪ Sg,g(Kn−1)∪ Sg,k(Kn−1)∪ Sk,k(Kn−1), sonst

Dabei bezeichnet

• Sg,g(Kn−1) die Menge aller Schnittpunktezweier nicht paralleler Geraden, die jeweilsdurch mindestens zwei verschiedene Punkteaus Kn−1 verlaufen.

• Sg,k(Kn−1) die Menge aller Schnittpunktevon Geraden mit Kreisen, wobei die Geradendurch mindestens zwei verschiedene Punkteaus Kn−1 verlaufen und die Mittelpunkte so-wie ein weiter Punkt auf den Kreisen eben-falls in Kn−1 liegen müssen.

• Sk,k(Kn−1) die Menge aller Schnittpunktezweier verschiedener Kreise, deren Mittel-punkt sowie ein weiterer Punkt auf jedemKreis in Kn−1 liegen.

Abbildung 3.1: Mögliche Konstruktionen

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Die Menge Z (K) ⊆ C aller aus K mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Zahlen ist damit definiert als

Z (K) :=∞⋃

n=0

Kn.

Im Folgenden werden wir immer voraussetzen, dass 0,1 ∈ K ⊆ C gilt. Statt “z ∈ Z (K)” werden wirauch häufig “z ∈ C ist konstruierbar” schreiben. Eine Gerade bzw. einen Kreis nennen wir konstruierbar,falls zwei verschiedene Punkte auf der Geraden bzw. ein Punkt auf dem Kreis und dessen Mittelpunktkonstruierbar sind. Wir werden nun noch ein paar elementare Konstruktionen angeben, die sich fürspätere Beweise als nützlich erweisen werden.

Beispiel 3.2.1. Seien a, b, c ∈ C mit a 6= b, dann lässt sich Folgendes konstruieren:

i) Die Mittelsenkrechte der beiden Punkte a, bauf deren Verbindungsgerade (und damit auchder Mittelpunkt von a und b).

ii) Die Senkrechte auf der Verbindungsgerade vona und b, welche durch c verläuft.

iii) Die zur Verbindungsgeraden von a und b par-allele Gerade durch c.

iv) Falls die drei Punkte a, b, c nicht auf einer Ge-raden liegen, sind die Winkelhalbierenden derbeiden Geraden durch a, b und a, c konstru-ierbar.

v) Der Kreis mit Radius r = |b − a| um c istkonstruierbar (und damit auch r).

vi) Es gilt Z ⊆ Z (K).

a b a b

c

i) ii)

a bg

ca

b

c

iii) iv)

c

a b

m 0 1 2

v) vi)

Abbildung 3.2: Konstruktionen mit Zirkel und Lineal

Beweis. Wir geben eine kurze Erläuterung zu den einzelnen Konstruktionen und Aussagen:

i) Da a und b verschieden sind, haben die beiden Kreise um a und b mit Radius r := |b−a| zwei ver-schiedene Schnittpunkte. Die Gerade durch diese beiden Punkte ist die gesuchte Mittelsenkrechte.Der Schnittpunkt der Mittelsenkrechte und der Gerade ist der Mittelpunkt von a und b.

ii) Falls a, b und c nicht auf einer Geraden liegen, so kann man die gesuchte Senkrechte wie in derAbbildung (3.2,ii)) konstruieren. Dazu werden wieder zwei Kreise konstruiert, deren Mittelpunktea und b und deren Radien r1 := |c − a| und r2 := |c − b| sind. Da sich die beiden Kreise somit inmindestens einem Punkt schneiden, aber ungleich sind und der Schnittpunkt c nicht auf der Ver-bindungsgeraden zwischen a und b liegt, müssen sich die beiden Kreise in genau einem weiterenPunkt schneiden. Die Gerade durch diese beiden Schnittpunkte ist die gesuchte Gerade durch c.

Liegen die drei Punkte auf einer Geraden, so gilt entweder a 6= c oder b 6= c, o.B.d.A. b 6= c.Spiegeln wir den Punkt b an c (und nennen diesen Punkt b′) wie in Abbildung (3.2,vi)) und bildendann die Mittelsenkrechte von b′ und b, dann ist c der Mittelpunkt dieser beiden Punkte und dienach i) konstruierbare Mittelsenkrechte von b und b′ ist die gesuchte Gerade durch c.

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iii) Liegen die drei Punkte a, b und c auf einer Geraden, so sind wir fertig. Ansonsten können wirnach ii) die auf der Verbindungsgeraden von a und b senkrecht stehende Gerade g konstruieren,die durch c verläuft. Nun können wir wieder nach ii) die zu g senkrecht stehende Gerade durch cbilden, diese ist dann unsere gesuchte Gerade.

iv) Wir bilden den Kreis um a mit Radius r := |b−a|. Den Schnittpunkt dieses Kreises mit der Geradendurch a und c nennen wir b′. Die Mittelsenkrechte von b und b′ ist eine Winkelhalbierende derGeraden durch a und b und der Geraden durch a und c.

v) Gilt a = c oder b = c, so können wir den Kreis per Definition konstruieren.

Sind a, b, c paarweise verschieden, so lässt sich der Kreis wie in Abbildung (3.2,v)) bilden: Imersten Schritt konstruiert man den Schnittpunkt des Kreises um den Punkt a mit Radius r = |b−a|mit der Geraden durch a und c. Falls dieser Schnittpunkt nicht m := a+b

2ist, so bildet man einen

Kreis um m, der durch diesen Punkt verläuft und man erhält somit einen weiteren Punkt aufder Geraden. Im letzten Schritt konstruiert man den Kreis um c durch diesen Punkt (bzw. m,falls der Schnittpunkt im vorigen Schritt m war), dieser hat gerade nach Konstruktion den Radiusr = |b− a|, somit ist dies der gewünschte Kreis. Die Zahl r können wir somit als Schnittpunkt derx-Achse mit dem Kreis um 0 mit Radius r konstruieren.

vi) Nach Voraussetzung gilt 0, 1 ∈ Z (K). Die Zahl 2 lässt sich wie in Abbildung (3.2,vi)) durch Spie-geln von 0 an 1 konstruieren. Induktiv erhalten wir damit N0 ⊆ Z (K) und durch nochmaligesSpiegeln an 0 insgesamt Z ⊆ Z (K).

3.3 Eigenschaften und Charakterisierung von Z (K)

Wir schaffen nun den Übergang in die Algebra, indem wir zeigen, dass die Menge der konstruierbarenPunkte einen Körper bildet.

Satz 3.3.1. Die Menge Z (K) aller aus K ⊆ C mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Zahlen bildet einenTeilkörper von C.

Beweis. Da 0, 1 ∈ Z (K) gilt, müssen wir nur noch zeigen, dass für alle a, b ∈ Z (K) mit a 6= 0 aucha+ b, a · b,−a, a−1 ∈ Z (K) gilt.

• −a: Wir erhalten −a durch Spiegeln von a an 0, ganz analog zuAbbildung (3.2, vi)).

• a−1: Wir können zu gegebenem a = r · eiϕ auch a = r · e−iϕ kon-struieren (indem man beispielsweise die zur Geraden durch 0,1senkrechte Gerade durch a konstruiert, ebenso den Kreis um 0durch a; die beiden Schnittpunkte dieser Geraden mit dem Kreissind a, a). In Schritt 1 der Abbildung (3.3) können wir nach Bei-spiel (3.2.1,iii)) die zur Verbindungsgeraden durch i und r par-allele Gerade durch 1 konstruieren. Aus dem Strahlensatz folgt,dass der Schnittpunkt dieser Geraden mit der y-Achse i · r−1 ist.In Schritt 2 konstruieren wir die Gerade durch 0 und a sowie denKreis um 0 durch i · r−1. Die Schnittpunkte dieser Geraden mitdem Kreis sind gerade ±a−1 = ±1

r· e−iϕ.

0 1

ia

a

ri · r−1

Schritt 1

0

a

a

i · r−1

a−1

Schritt 2

Abbildung 3.3: Konstruktionvon a−1

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• a + b: Nach Beispiel (3.2.1,i)) können wir den Mittelpunkt a+b2

konstruieren. Entweder ist a+b = 0, dann ist a+b per Definitionkonstruierbar, ansonsten erhalten wir a + b aus der Spiegelungvon 0 an a+b

2wie in Abbildung (3.2, vi)).

• a · b: Wir können annehmen, dass b 6= 0 gilt, denn sonst ist dieAussage klar. Wir schreiben a, b als a = r1 · eiϕ, b = r2 · eiψ.Wir können dann jeweils eiϕ und eiψ als Schnittpunkt der Gera-den durch 0 und a bzw. b und dem Einheitskreis konstruieren.In Schritt 1 der Abbildung (3.4) konstruieren wir aus diesen bei-den Punkten ei(ϕ+ψ), indem wir einen Kreis um eiϕ mit Radiusr = |eiψ − 1| bilden, falls r 6= 0 (der Fall eiψ = 1 ist trivi-al). Da ei(ϕ+ψ) auf dem Einheitskreis liegt und die Gleichung|ei(ϕ+ψ) − eiϕ| = |eiψ − 1| erfüllt, ist ei(ϕ+ψ) einer der beidenso konstruierten Schnittpunkte.

In Schritt 2 konstruieren wir r1 ·r2. Dazu konstruieren wir ir1 undr2 als Schnittpunkte der y-Achse bzw. x-Achse mit den Kreisen um0 durch b bzw. a. Wir können nach Beispiel (3.2.1,iii)) die Geradedurch ir1 konstruieren, die parallel zur Geraden durch i und r2verläuft. Diese schneidet nach dem Strahlensatz die x-Achse inr1 · r2.

Abschließend konstruieren wir a · b in Schritt 3 als Schnittpunktder Geraden durch 0, ei(ϕ+ψ) mit dem Kreis um 0 durch r1 · r2(der zweite Schnittpunkt ist −a · b).

0 1

eiψ

eiϕ

ei(ϕ+ψ)

Schritt 1

0 1

ia

bi · r1

r2 r1 · r2

Schritt 2

0

a · b

r1 · r2

ei(ϕ+ψ)

Schritt 3

Abbildung 3.4: Konstruktionvon a · b

Korollar 3.3.2. Es gilt:

i) Q[i] = {a+ i b ∈ C|a, b ∈Q} ⊆ Z (K)

ii) z ∈ Z (K)⇔ Re(z), Im(z) ∈ Z (K)

iii) z ∈ Z (K)⇒±p

z ∈ Z (K)0 r−1

i ·p

r

r−12

Abbildung 3.5: Konstruktion vonp

z

Beweis.

i) Wir haben schon gesehen, dass Z ⊆ Z (K) gilt. Da nach Satz (3.3.1) Z (K) ein Körper ist, folgt ausi ∈ Z (K) die Aussage Q[i] ⊆ Z (K).

ii)“⇒” Da aus z ∈ Z (K) auch z ∈ Z (K) folgt, sind nach Beispiel (3.2.1,i)) auch Re(z) = z+z2

und

Im(z) = z−z2i

konstruierbar.

“⇐ ” Da i ∈ Z (K) und Z (K) ein Köper ist, folgt Re(z) + i · Im(z) ∈ Z (K).

iii) Sei z = r · ei·ϕ ∈ Z (K). Wie wir schon gesehen haben, können wir r = |z| und ei·ϕ konstruieren(siehe Abbildung (3.4)). Weiter können wir den Mittelpunkt r−1

2und den Umkreis durch r kon-

struieren. Der Schnittpunkt mit der y-Achse ist i ·p

r, denn nach dem Satz des Thales ist das inAbbildung (3.5) eingezeichnete Dreieck rechtwinklig und die Aussage folgt aus dem Höhensatz.

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Weiter können wir nach Beispiel (3.2.1,iv)) Winkel halbieren, d.h. wir können auch ei·ϕ/2 konstru-ieren. Da Z (K) ein Körper ist, gilt damit ±

pz = ±

pr · ei·ϕ/2 ∈ Z (K).

Lemma 3.3.3. Der Körper Z (K) aller aus K ⊆ C mit Zirkel und Lineal konstruierbaren Elemente ist derDurchschnitt aller Teilkörper L von C mit den folgenden Eigenschaften:

(1) K ⊆ L

(2) z ∈ L⇒ z ∈ L

(3) z ∈ L⇒±p

z ∈ L

Beweis. Sei M := {L ⊆ C|L ist ein Teilkörper von C, der (1)-(3) erfüllt} die Menge aller Teilkörper vonC mit den Eigenschaften (1) bis (3). Wir wollen die Gleichheit

Z (K) =⋂

L∈M

L =: L

zeigen, dazu zeigen wir beide Inklusionen.Wir haben schon gesehen, dass Z (K) alle drei Eigenschaften erfüllt, somit gilt Z (K) ∈ M und damitZ (K) ⊇ L. Für die andere Inklusion halten wir zunächst fest, dass sich die Eigenschaften (1) bis (3) aufL übertragen. Mit Eigenschaft (3) folgt i =

p−1 ∈ L, aus (2) folgt dann für alle z ∈ C:

z ∈ L⇔ Re(z), Im(z) ∈ L

Um die andere Inklusion zu zeigen, bietet sich aufgrund der Definition von Z (K) vollständige Induktionan, d.h. wir zeigen Kn ⊆ L für alle n ∈ N0. Für n= 0 gilt K0 = K ⊆ L nach Voraussetzung, daher nehmenwir nun Kn ⊆ L für ein n ∈ N0 an. Mit Kn+1 = Kn ∪ Sg,g(Kn)∪ Sg,k(Kn)∪ Sk,k(Kn) gilt es nun zu zeigen,dass Sg,g(Kn), Sg,k(Kn), Sk,k(Kn) ⊆ L gilt.

• Sg,g(Kn): Seien a1, b1, a2, b2 ∈ Kn ⊆ L mit a1 6= b1 und a2 6= b2, so dass die Gerade durch a1 undb1 nicht parallel zur Geraden durch a2 und b2 ist. Der Schnittpunkt z der beiden Geraden erfülltdie Gleichungen

z = a1 + t(b1 − a1)z = a2 + s(b2 − a2)

für ein s, t ∈ R. Durch Subtrahieren erhält man die beiden Gleichungen

0= Re(a2 − a1) + s · Re(b2 − a2)− t · Re(b1 − a1)0= Im(a2 − a1) + s · Im(b2 − a2)− t · Im(b1 − a1)

Dieses lineare Gleichungssystem mit Koeffizienten in L besitzt nach Voraussetzung eine eindeutigeLösung in C (da die Geraden nicht parallel sind), für die Lösungen in s und t gilt damit zusätzlichs, t ∈ L nach der Cramerschen Regel. Daher gilt auch z = a1 + t(b1 − a1) ∈ L und somit folgtSg,g(Kn) ⊆ L.

• Sg,k(Kn): Seien nun a, b, m, c ∈ Kn ⊆ L mit a 6= b und m 6= c. Ein möglicher Schnittpunkt z ∈ Cder Geraden durch a und b mit dem Kreis um m durch c erfüllt die beiden Gleichungen

z = a+ t(b− a) (1)

|z −m|2 = |m− c|2 (2)

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für ein t ∈ R. Durch Einsetzen von Gleichung (1) in (2) und Ausmultiplizieren erhält man eineGleichung der folgenden Gestalt für t:

k1 · t2 + k2 · t + k3 = 0 (3)

mit Koeffizienten k1, k2, k3 ∈ L ∩R und k1 6= 0. Falls�

k22k1

�2− k3

k1≥ 0, so besitzt die Gleichung (3)

nach der pq-Formel reelle Lösungen in t der Form

t = −k2

2k1±

k2

2k1

�2

−k3

k1

(andernfalls gibt es keine reelle Lösung für t und es gibt somit überhaupt keinen Schnittpunkt).Nach Eigenschaft (3) gilt sogar t ∈ L ∩R und damit wieder z = a + t · (b − a) ∈ L. Dies beweistSg,k(Kn) ⊆ L.

• Sk,k(Kn): Wieder seien a, b, x , y ∈ Kn ⊆ L mit a 6= b, a 6= x und x 6= y . Wir definieren r1 := |a−b|,r2 := |x − y| und d := |a− x |. Die möglichen Schnittpunkte der beiden Kreise um a und x durchb und y liegen auf der Geraden

g =�

z ∈ C�

� z = m+ t · i(x − a), t ∈ R

für ein m ∈ C (Multiplikation mit i entspricht einer Drehung um 90°). Wir wollen nun m ∈ Lzeigen, dazu erhalten wir folgende Gleichungen aus Abbildung (3.6):

r21 = d2

1 + h2 (4)

r22 = d2

2 + h2 (5)

d2 = d − d1 (6)

a x

r1 r2h

m

d1 d2

Abbildung 3.6: Schnittpunkte zweier Kreise

Durch Subtrahieren von Gleichung (5) und (4) sowie anschließendes Einsetzen von Gleichung (6)erhalten wir

d1 =r2

1 − r22 + d2

2 · d∈ L ∩R

und damit

m= a+d1

d· (x − a) ∈ L.

Daher sind die Schnittpunkte der beiden Kreise die Schnittpunkte eines Kreises mit der Geraden g,womit wir ganz analog zum Fall Sg,k(Kn) die Bedingung z ∈ L für einen möglichen Schnittpunkt zerhalten, und somit auch Sk,k(Kn) ⊆ L.

Zusammengefasst haben wir damit Kn+1 = Kn ∪ Sg,g(Kn) ∪ Sg,k(Kn) ∪ Sk,k(Kn) ⊆ L bewiesen, nachInduktion folgt somitZ (K) =

n∈N0Kn ⊆ L. Damit sind beide Inklusionen gezeigt und es gilt Gleichheit.

Im nächsten Theorem geht es nun darum, ein Kriterium anzugeben, ob ein gegebenes z ∈ C konstruier-bar ist oder nicht.

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Theorem 3.3.4 (Version 1). Folgende Aussagen sind für z ∈ C äquivalent:

i) z ∈ Z (K)

ii) Es existiert eine aufsteigende Kette von Körpererweiterungen Q(K ∪K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C mitz ∈ Ln und [L j : L j−1] = 2 für alle j = 1, ..., n (wobei K = {k ∈ C|k ∈ K}).

Die folgende Beweisidee stammt aus [KM13, 22.1.4].

Beweis.

• “ i)⇐ ii) ”: Sei eine Körperkette wie in ii) gegeben. Nach Korollar (3.3.2) und Lemma (3.3.3) giltL0 =Q(K∪K) ⊆ Z (K). Da [L1 : L0] = 2 gilt, gibt es zu einem gegebenen z ∈ L1\L0 Koeffizientena, b ∈ L0 mit z2 + a · z + b = 0, da die Elemente 1, z, z2 linear abhängig über L0 sein müssen.

Definiert man c := z + a2, so gilt c2 = z2 + a · z + a2

4= −b + a2

4∈ L0 und L1 = L0(c) wegen

c 6∈ L0. Da in Z (K) auch Quadratwurzeln von konstruierbaren Elementen enthalten sind, folgt ausc2 ∈ L0 ⊆ Z (K) auch c ∈ Z (K) und somit L1 = L0(c) ⊆ Z (K). Induktiv erhält man letztendlichauch Ln ⊆ Z (K) und damit z ∈ Ln ⊆ Z (K).

• “ i)⇒ ii) ”: Sei nun M ⊆ C die Menge aller Elemente, für die solch eine Körperkette existiert. Wirzeigen nun, dass M ein Körper ist, welcher die Eigenschaften (1),(2) und (3) aus Lemma (3.3.3)erfüllt. Daraus folgtZ (K) ⊆ M und somit existiert solch eine geforderte Körperkette für z ∈ Z (K).Die Menge M enthält 0, 1 und ist folglich nicht leer. Seien nun a, b ∈ M , dann gibt es a1, ...an ∈ Mund b1, ...bm ∈ M mit

a ∈ L0(a1, ..., an) ⊇ L0(a1, ..., an−1) ⊇ · · · ⊇ L0(a1) ⊇ L0

b ∈ L0(b1, ..., bm) ⊇ L0(b1, ..., bm−1) ⊇ · · · ⊇ L0(b1) ⊇ L0

und a2i+1 ∈ L0(a1, ..., ai) sowie b2

j+1 ∈ L0(b1, ..., b j) für alle i = 0, ..., n− 1 und j = 0, ..., m− 1,wie wir schon in der anderen Implikation gesehen haben. Für die Körperkette

Ma,b := L0(a1, ..., an, b1, ..., bm) ⊇ · · · ⊇ L0(a1, ..., an, b1) ⊇ L0(a1, ..., an) ⊇ · · · ⊇ L0(a1) ⊇ L0

gilt [F : E] ≤ 2 für zwei aufeinanderfolgende Körper E ⊆ F in der Körperkette und a, b ∈ Ma,b.Somit gilt a+ b, a · b, a−1,−a ∈ Ma,b ⊆ M und M ist daher ein Körper.

Es bleibt zu zeigen, dass M die drei Eigenschaften aus Lemma (3.3.3) erfüllt. (1) folgt direkt ausK ⊆ L0 ⊆ M . Sei z ∈ M , d.h. es gibt eine Körperkette Q(K ∪ K) = L0 ⊆ · · · ⊆ Ln mit z ∈ Lnund [L j : L j−1] = 2 für alle j = 1, ..., n. Wegen [Ln(

pz) : Ln] ≤ 2 gilt somit auch

pz ∈ M

und Eigenschaft (3) ist erfüllt. Sei nun a ∈ M , dann existiert wieder nach Definition von M eine

Körperkette L0 ⊆ · · · ⊆ Ln mit den Eigenschaften aus ii). Wegen Q = Q und K ∪ K = K ∪ K giltL0 = L0, da jedes Element aus L0 durch eine endliche Verknüpfung von Elementen aus Q undK ∪ K darstellbar ist. Weiter ist L j ein Körper für alle j = 0, ..., n, wie man leicht einsieht. Es giltdamit

L j+1 = L j(a j) = L j + a j · L j = L j + a j · L j = L j(a j)

für ein a j ∈ L j+1 mit a2j ∈ L j und damit auch a j

2 = a2j ∈ L j, und somit [L j+1 : L j] ≤ 2. Dies zeigt

a ∈ M , da L0 = L0 ⊆ · · · ⊆ Ln eine Körperkette mit den gewünschten Eigenschaften ist. Damiterfüllt M auch Eigenschaft (2) und somit gilt Z (K) ⊆ M , was zu zeigen war.

Das obige Theorem impliziert direkt folgendes Korollar:

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Korollar 3.3.5. Gilt z ∈ Z (K), so folgt [Q0(z) : Q0] = 2r für ein r ∈ N0 und Q0 :=Q(K ∪ K).

Beweis. Sei z ∈ Z (K), dann existiert nach Theorem (3.3.4) eine Körperkette Q(K ∪ K) = L0 ⊆ · · · ⊆ Lnmit [L j+1 : L j] = 2 und z ∈ Ln. Daraus folgt [Ln : L0] = 2n und somit [Ln : L0(z)] · [L0(z) : L0] = 2n⇒[L0(z) : L0] = 2r für ein r ∈ N0.

Wir werden nun eine zweite Fassung dieses Theorems aufstellen und beweisen, welche Mittel der Ga-loistheorie benötigt. Das Theorem und der Beweis richten sich nach [Bos09, 6.4, Satz 1].

Theorem 3.3.6 (Version 2). Folgende Aussagen sind für z ∈ C äquivalent:

i) z ∈ Z (K)

ii) Es gibt eine Galoiserweiterung L/Q(K ∪ K) mit z ∈ L und [L :Q(K ∪ K)] = 2n für ein n ∈ N0.

Beweis.

• “ i)⇒ ii) ”: Sei z ∈ Z (K), dann existiert nach Theorem (3.3.4) eine Körperkette Q(K ∪K) = L0 ⊆L1 = L0(a1) ⊆ · · · ⊆ Ln = Ln−1(an) mit z ∈ Ln und a2

j+1 ∈ L j für alle j = 0, ..., n− 1. Nach Satz(2.3.8) existiert eine algebraische Körpererweiterung Mn/Ln, sodass Mn/L0 normal ist. Wir zeigenzuerst, dass Gn := {σ : Ln → Mn|σ ist L0- Homomorphismus} endlich ist. Dies zeigen wir wiefolgt durch Induktion: Sei σ ∈ Gn. Wegen Ln = L0(a1, ..., an) und a2

1 − c1 = 0 für ein c1 ∈ L0 gilt

0= σ(0) = σ(a21 − c1) = σ(a1)

2 − c1⇒ σ(a1) = ±a1.

Somit gibt es nur 2 mögliche Bilder für a1 unter σ ∈ Gn. Wir nehmen nun an, dass es für jedesa j mit j < n nur endlich viele mögliche Bilder unter σ ∈ Gn gibt. Da die Bilder von Elementenaus L0(a1, ..., an−1) unter σ ∈ Gn eindeutig bestimmt durch die Bilder von a1, ..., an−1 sind, gibtes auch für jedes Element aus L0(a1, ..., an−1) nur endlich viele mögliche Bilder unter σ ∈ Gn. Mit0= σ(a2

n−cn) = σ(an)2−σ(cn)⇒ σ(an) = ±p

σ(cn) folgt damit, dass es auch für an nur endlichviele mögliche Bilder unter σ ∈ Gn gibt. Daher kann es nur endlich viele L0-Homomorphismenσ : Ln→ Mn geben, d.h. Gn ist endlich.

Wir zeigen nun die Implikation, indem wir L als die normale Hülle L′n wie in Satz (2.3.8) wählen.Sei also |Gn|= r und

L′n = L0({σi(Ln)|σi ∈ Gn}) = L0({σi(a j)|i = 1, ..., r, j = 1, ..., n}).

Es gilt σi(a j)2 = σi(a2j ) ∈ σi(L j−1) = L0(σi(a1), ...,σi(a j−1)) für j = 2, ..., n und σi(a1)2 ∈ L0.

Mit L := L0(σ1(a1), ...σ1(an),σ2(a1), ...,σr(a1), ...,σr(an−1)) folgt dann für den Körperindex

[L′n : L0] = [L′n : L]

︸ ︷︷ ︸

∈{1,2}

· · · [L0(σ1(a1),σ1(a2)) : L0(σ1(a1))]︸ ︷︷ ︸

∈{1,2}

· [L0(σ1(a1)) : L0]︸ ︷︷ ︸

∈{1,2}

und somit ist [L′n :Q(K∪K)] = 2k für ein k ∈ N0. Als endliche und damit algebraische Erweiterungüber einem Körper der Charakteristik 0 ist die Körpererweiterung L′n/Q(K ∪ K) nach Satz (2.3.2)separabel. Nach Konstruktion von L′n ist sie auch normal und damit eine Galoiserweiterung mit dergewünschten Eigenschaft.

• “ i) ⇐ ii) ”: Sei L/Q(K ∪ K) eine Galoiserweiterung mit z ∈ L und [L : Q(K ∪ K)] = 2k für eink ∈ N0. Wieder können wir Theorem (3.3.4) ausnutzen, indem wir zeigen, dass eine KörperketteQ(K ∪ K) = L0 ⊆ · · · ⊆ Ln mit z ∈ Ln und [L j+1 : L j] = 2 für alle j = 0, ..., n− 1 existiert. Wegen|Gal(L/L0)|= [L : L0] = 2k mit L0 :=Q(K ∪K) ist Gal(L/L0) eine 2-Gruppe und damit auflösbarnach Satz (2.2.1), d.h. es gibt eine aufsteigende Kette von Untergruppen

{id}= G0 ⊆ G1 ⊆ · · · ⊆ Gk = Gal(L/L0)

mit [G j+1 : G j] = 2 für alle j = 0, ..., k− 1.

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Aus der Galoistheorie folgt nun, dass

L0 = LGk ⊆ LGk−1 ⊆ · · · ⊆ LG0 = L

eine aufsteigende Körperkette ist mit

[LG j : LG j+1] =[LG j : L0]

[LG j+1 : L0]=[Gk : G j]

[Gk : G j+1]=[Gk : G j+1] · [G j+1 : G j]

[Gk : G j+1]= [G j+1 : G j] = 2

nach Satz (2.3.9). Somit haben wir die gesuchte Körperkette gefunden.

3.4 Lösbarkeit der antiken Probleme mit Zirkel und Lineal

Wir wollen nun klären, welche der antiken Probleme (2.4.1) mit Zirkel und Lineal lösbar sind.

Satz 3.4.1. Die drei antiken Probleme sind nicht mit Zirkel und Lineal lösbar.

Beweis.

• Zum delischen Problem: Das Polynom X 3−2 ist nach dem Eisensteinschen Irreduzibilitätskriterium(2.3.6) irreduzibel in Q[X ] und daher das Minimalpolynom von 3p2 über Q. Nach Satz (2.3.7) giltsomit [Q(a) :Q] = grad(X 3 − 2) = 3. Aus Korollar (3.3.5) folgt daher a 6∈ Z ({0,1}).

• Zur Winkeldreiteilung: Sei ξ3 := e2πi/3 und ξ9 := e2πi/9, dann folgt aus Satz (2.3.10):

[Q(ξ9) :Q(ξ3)] =[Q(ξ9) :Q][Q(ξ3) :Q]

=ϕ(9)ϕ(3)

=6

2= 3

Wieder folgt somit ξ9 6∈ Z ({0,1,ξ3}), da der Grad von ξ9 über Q(ξ3) keine Zweierpotenz ist.

• Zur Quadratur des Kreises: Wärepπ ∈ Z ({0, 1}), dann auch π ∈ Z ({0,1}). Da π transzendent

über Q ist, folgt [Q(π) : Q] = ∞, was ebenfalls keine Zweierpotenz ist und damit abermalsπ 6∈ Z ({0,1}).

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4 Konstruierbarkeit mit Origami

4.1 Überblick

In diesem Kapitel wollen wir analog zum vorigen Kapitel vorgehen und Konstruierbarkeit mit Origamistudieren. Unser Leitfaden wird dabei [Fuc11] sein, viele Resultate lassen sich jedoch aus der Konstru-ierbarkeit mit Zirkel und Lineal auf Origami übertragen, da Konstruktionen mit Origami dahingehendmächtiger sind, dass mit Zirkel und Lineal konstruierbare Punkte ebenso mit Origami konstruierbarsind. Unsere Zeichenebene wählen wir wie üblich als C. In den folgenden Abbildungen in diesem Kapitelstellen wir die neu konstruierten Geraden gestrichelt, die schon gegebenen durchgezogen dar.

4.2 Konstruktionen mit Origami

Definition (nach [Lan]). Sei K ⊆ C mit 0, 1 ∈ K gegeben. Die Menge Kn ⊆ C der in n ∈ N0 Schritten ausK mit Origami konstruierbaren Zahlen und Geraden ist folgendermaßen rekursiv definiert:

Kn :=

¨

K , falls n= 0Kn−1 ∪ S(Kn−1)∪ G(Kn−1), sonst

Dabei bezeichnet S(Kn−1) die Menge aller Schnittpunkte zweier nicht paralleler Geraden aus Kn−1 undG(Kn−1) die Menge aller auf folgende Weisen aus Kn−1 konstruierten Geraden:Seien die Punkte p1, p2 ∈ Kn−1 mit p1 6= p2 und, falls existent, die Geraden l1, l2 ∈ Kn−1 mit l1 6= l2 gegeben.

(O1) Die Gerade durch p1 und p2 ist konstruierbar.

(O2) Die Mittelsenkrechte zur Verbindungsgeradenvon p1 und p2 ist konstruierbar.

(O3) Die Gerade h ist konstruierbar, sodass dieSpiegelung von l1 an h gerade l2 entspricht.

(O4) Die Gerade durch p1 senkrecht zu l1 ist kon-struierbar.

(O5) Die Gerade h durch p2 ist konstruierbar, sodass die Spiegelung von p1 an h auf l1 liegt.

(O6) Es ist eine Gerade h konstruierbar, so dass dieSpiegelung von p1 bzw. p2 an h auf l1 bzw. l2liegt, falls p1 6∈ l1 und p2 6∈ l2.

(O7) Sind l1 und l2 nicht parallel, so ist eine zu l2senkrechte Gerade h konstruierbar, so dass dieSpiegelung von p1 an h auf l1 liegt.

p1

p2p1 p2

l1

l2h

(O1) (O2) (O3)

l1

p1p2

p1

h

l1

(O4) (O5)

p2 p1

l2l1

h

p1

l2

l1

h

(O6) (O7)

Abbildung 4.1: Konstruktionen mit Origami

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Die Menge O (K) ⊆ C aller aus K mit Origami konstruierbaren Zahlen ist definiert als

O (K) :=

∞⋃

n=0

Kn

∩C.

Bemerkung 4.2.1. Die Axiome (O5) und (O6) sind dahingehend unpräzise, dass die geforderte Gerade hgar nicht existieren muss. Auch muss die Gerade h in (O3), (O5) und (O6) nicht eindeutig sein. Wir wollendie Axiome daher so verstehen: Falls eine Gerade h die gewünschten Eigenschaften erfüllt, so ist sie auchkonstruierbar, d.h. wir nehmen sie in die Menge G(Kn−1) mit auf. Mit folgender Definition für den Abstandeines Punktes p ∈ C von einer Geraden g ⊆ C

d(p, g) := infz∈g|z − p|

ergibt sich damit beispielsweise als notwendige und hinreichende Bedingung für die Existenz von h in (O5):

|p1 − p2| ≥ d(p2, l1)

Sind nämlich p1, p2 ∈ C und l1 ⊆ C wie in der Definition gegeben, so gilt für den an h gespiegelten Punkt p′1sicherlich |p2−p1|= |p2−p′1| und p′1 liegt somit auf dem Kreis um p2 durch p1. Die erforderliche Bedingungergibt sich daraus direkt, da wir mit (O5) nach dieser Überlegung Schnitte von Kreisen und Geraden suchen.Äquivalente Bedingungen zur Existenz von h in (O6) zu finden stellt sich als bedeutend schwieriger heraus.Wir geben daher nur eine kurze Erläuterung ohne Beweis an, siehe dazu [Lan, Axiom 6 and Cubic Curves].

Hat man eine Gerade l1 (o.B.d.A. ist l1 die x-Achse) und zweiPunkte p1, p2 ∈ C gegeben, so kann man p1 sicherlich auf jedenPunkt l1(t) = t ∈ R der Gerade l1 falten. Spiegelt man nunp2 an dieser dadurch entstandenen Faltgerade und nennt dengespiegelten Punkt p′2(t), so erhält man eine stetige (kubische)Kurve γ : t 7→ p′2(t), mit Re(p′2(t)) → ±∞ für t → ±∞ undIm(p′2(t)) ist beschränkt über alle t ∈ R (Abbildung (4.2)). DieGerade h aus (O6) existiert also genau dann, wenn die Gerade l2die Kurve γ in mindestens einem Punkt schneidet. Sind l1 und l2nicht parallel, so folgt aus der Stetigkeit von γ und obiger Eigen-schaft auch schon, dass es immer mindestens einen Schnittpunktund somit auch eine Gerade h mit den Eigenschaften aus (O6)gibt.

p1

p2

l1

Abbildung 4.2: Kurve aller möglichenSpiegelungen von p2

Die Axiome (O3) bis (O7) machen den doch eher technisch erscheinenden Trick notwendig, die Geradenebenfalls zu Kn hinzuzufügen, da wir auf diese Art und Weise die schon konstruierten Punkte und Ge-raden simultan “speichern” können. In der Definition von O (K) müssen wir dann natürlich wieder dieGeraden entfernen, was sich mit einem einfachen Schnitt realisieren lässt.Die Axiome (O1) bis (O6) werden Humiaki Huzita zugeschrieben, (O7) wurde 2003 von Koshiro Hatorientdeckt, daher werden die sieben Axiome auch Huzita–Hatori Axiome genannt. Wie sich herausstellte,tauchten bereits alle sieben Axiome in einer Arbeit von Jacques Justin auf, sie wurden jedoch schlichtwegvon vielen Mathematikern übersehen (siehe [Lan]).Wieder werden wir ab hier voraussetzen, dass 0, 1 ∈ K ⊆ C gilt. Für z ∈ O (K) werden wir wieder häufig“z ∈ C ist Origami konstruierbar” schreiben.

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4.3 Eigenschaften und Charakterisierung von O (K)

Wir wollen natürlich wieder zeigen, dass die Menge O (K) einen Körper bildet, dies wird fast direkt ausdem nächsten Lemma folgen.

Lemma 4.3.1. Es gilt Z (K) ⊆ O (K).

Beweis. Wieder bietet sich aufgrund der Definition von Z (K) vollständige Induktion an, denn könnenwir Kn ⊆ O (K) (mit Kn aus der Definition von Z (K)) für alle n ∈ N0 zeigen, so folgt damit auch schonZ (K) =

n∈N0Kn ⊆ O (K).

Für n = 0 gilt K0 = K ⊆ O (K), unser Induktionsanfang ist damit bewiesen. Sei daher n ∈ N0 mitKn ⊆ O (K) gegeben, wir müssen nun zeigen, dass Kn+1 ⊆ O (K) gilt. Sei dazu z ∈ Kn+1, dann liegt zentweder in K oder z ist der Schnittpunkt von zwei Geraden, einem Kreis mit einer Gerade oder zweierKreise, die aus Punkten aus Kn konstruierbar sind.

• Ist z der Schnittpunkt zweier Geraden, die durch jeweils zwei Punkte aus Kn und damit nach Induk-tionsvoraussetzung aus O (K) verlaufen, so ist z auch Origami konstruierbar, da wir die Geradendurch diese Punkte nach (O1) bilden können und Schnittpunkte von Geraden auch in Origami perDefinition konstruierbar sind.

• Ist z der Schnittpunkt einer Geraden mit einem Kreis, wobei dieGerade durch zwei Punkte a, b ∈ Kn ⊆ O (K) (nach Induktions-voraussetzung) verläuft und der Mittelpunkt m des Kreises sowieein Punkt p auf dem Kreis in Kn ⊆ O (K) liegen, dann ist derSchnittpunkt z der Geraden mit dem Kreis wie folgt mit Origamikonstruierbar:

In Schritt 1 der Abbildung (4.3) konstruieren wir die Gerade h,welche nach (O5) den Punkt p auf die Gerade durch a und b spie-gelt (diese existiert, da die in Bemerkung (4.2.1) angesprocheneBedingung erfüllt ist, denn nach Voraussetzung gibt es schließ-lich mindestens einen Schnittpunkt des Kreises mit der Geraden).Wir bezeichnen den an h gespiegelten Punkt p mit p′. Nach (O4)lässt sich die Gerade s senkrecht zu h durch p bilden (Schritt 2),diese verläuft ebenfalls durch p′, somit ist p′ der Schnittpunktder Geraden durch a und b und der Geraden s und somit Origa-mi konstruierbar. Der in Abbildung (4.3, Schritt 2) eingezeichne-te gepunktete Kreis verdeutlicht, dass p′ einer der gewünschtenSchnittpunkte des Kreises mit der Geraden ist. Den möglichenzweiten Schnittpunkt des Kreises mit der Geraden erhalten wirmit der gleichen Konstruktion, indem in Schritt 1 die für h ande-re mögliche Gerade gewählt wird. Beide Schnittpunkte sind somitauch Origami konstruierbar.

m

a

b

p

hp′

Schritt 1

m

a

b

p

h

p′s

Schritt 2

Abbildung 4.3: Schnitt von Ge-rade und Kreismit Origami

• Mittels Origami lassen sich die Schnittpunkte zweier Kreise um a, x ∈ Kn ⊆ O (K) durch b, y ∈Kn ⊆ O (K) mit a 6= x , a 6= b und x 6= y nicht auf direktem Weg bilden. Daher wollen wir dieswie im Beweis von Lemma (3.3.3) durch Zurückführen auf den Schnitt eines Kreises mit einerGeraden bewerkstelligen (siehe [Ger08, Chapter 1, 4.4]). Übernehmen wir die Bezeichnungen ausAbbildung (3.6), so reicht es zu zeigen, dass m konstruierbar ist, denn damit können wir die Geradedurch die zwei Schnittpunkte (und m) mit (O4) konstruieren.

Es gilt i ∈ O (K), da nach (O4) die y-Achse konstruierbar ist und wir, wie schon gesehen, dieSchnittpunkte ±i der y-Achse mit dem Kreis um 0 durch 1 mittels Origami konstruieren können.

16

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Mit Origami lässt sich daher aus a = r · eiϕ, b ∈ C und einer reellen Zahl c ∈ R\{0} Folgendeskonstruieren: a+b

2nach (O2) und (O1) und somit auch a + b, −a, r = |a|, a · c und a

c, da wir

dies mit Zirkel und Lineal ohne Schnitte zweier Kreise konstruieren können (die dazu benötigtenGeraden aus Beispiel (3.2.1) lassen sich mit Origami auch ohne Schnitte zweier Kreise realisieren).Da nach dem Beweis von Lemma (3.3.3)

m= a+d1

d· (x − a) mit d1 =

r21 − r2

2 + d2

2d

und r1 = |a− b|, r2 = |x − y|, d = |a− x | gilt, folgt nach obiger Überlegung somit m ∈ O (K) unddamit haben wir die gewünschte Aussage gezeigt.

Im Beweis von Lemma(4.3.1) wurden nur die Axiome (O1) bis (O5) benutzt, somit entspricht die Mengealler nur mit (O1) bis (O5) konstruierten Punkte gerade Z (K), da alle Geraden und Punkte in (O1) bis(O5) auch mit Zirkel und Lineal konstruierbar sind. Auch (O7) ist mit Zirkel und Lineal konstruierbar, dadie zu l2 parallele Gerade durch p1 mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist und damit auch der Schnitt-punkt dieser Geraden mit l1. Die Mittelsenkrechte von p1 und diesem Punkt entspricht der Geraden haus (O7). Mehr Elemente können wir also lediglich mit (O6) erzeugen. Die Axiome sind folglich nichtminimal gewählt, sie sind jedoch vollständig bezüglich allen Operationen, die sich durch eine einzige“Faltung” (“one-fold”) beschreiben lassen, siehe [AL].

Korollar 4.3.2. O (K) ist ein Körper, der folgende Eigenschaften erfüllt:

i) z ∈ O (K)⇒ z ∈ O (K)

ii) z ∈ O (K)⇒±p

z ∈ O (K)

iii) z ∈ O (K)⇔ Re(z), Im(z) ∈ O (K)

Beweis. Mit Lemma (4.3.1) können wir direkt zeigen, dass O (K) ein Körper ist, der i), ii) und iii) erfüllt.Seien a, b ∈ O (K) mit a 6= 0, dann gilt:

a+ b, a · b,−b, a−1, b,±p

b ∈ Z (K ∪ {a, b}) ⊆ O (K ∪ {a, b}) = O (K)

sowie wegen i ∈ Z (K) ⊆ O (K)

b ∈ O (K)⇒ Re(b), Im(b) ∈ Z (K ∪ {b}) ⊆ O (K).

Die umgekehrte Implikation folgt schließlich aus der Körpereigenschaft und i =p−1 ∈ Z (K) ⊆ O (K),

somit haben wir alle gewünschten Aussagen gezeigt.

Satz 4.3.3 (Winkeldreiteilung). Mit Origami lassen sich Winkel dritteln, d.h. es gilt

eiϕ/3 ∈ O ({0, 1, eiϕ})

Wir geben nun eine mögliche Konstruktion zur Drittelung eines Winkels zwischen 0 und π/2 an, an-schließend beweisen wir dann die Korrektheit und begründen, warum wir daher jeden Winkel dreiteilenkönnen.

Konstruktion 4.3.4 (nach [Fuc11]). Gegeben seien die Punkte A, B, C , D ∈ C, o.B.d.A. können wir dieseals i, 0, 1, 1 + i betrachten. Geraden wollen wir von nun an auch in folgender verkürzenden Schreibweisenotieren: Z.B. “AB” für die Gerade durch A und B. Sei weiter eiϕ mit 0< ϕ < π/2 gegeben, dann bezeichnenwir den Schnittpunkt der Gerade durch B und eiϕ mit der Gerade AD mit P.

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• Schritt 1: Wir beginnen mit der Konstruktion der Mittelsenkrechteder Gerade AB nach (O2), den Schnittpunkt dieser Gerade mit ABbezeichnen wir mit E. Dies wiederholen wir mit der Gerade EBund bezeichnen den neuen Schnittpunkt mit G.

• Schritt 2: Wir konstruieren die Gerade h aus (O6), die E auf BPund B auf GG′ spiegelt. Da die beiden an dieser Geraden gespie-gelten Punkte E′ und B′ mit diesem Schritt noch nicht als Schnittzweier Geraden konstruiert sind, sind diese hier grau dargestellt.

• Schritt 3: Wir bilden die zur Geraden h senkrechte Gerade durchB nach (O4). Diese schneidet die Gerade GG′ im Punkt B′, so-mit haben wir B′ konstruiert. Der eingeschlossene Winkel zwi-schen B′, B und C entspricht dabei ϕ/3. Wir erhalten eiϕ/3 somitals Schnitt der Geraden BB′ mit dem Einheitskreis.

A

B C

D

EG G′

P

Schritt 1

A

B

B′

C

D

E E′

G

P

G′

h

Schritt 2

A

B

B′

C

D

E E′

G

P

G′

h

Schritt 3

Abbildung 4.4: Winkeldreiteilung

Beweis. Wir beginnen mit dem Beweis der Korrektheit.

Nach Konstruktion ist das Viereck B,Q, B′, M in Ab-bildung (4.5) eine Raute, d.h. das Dreieck B, M ,Qist gleichschenklig, es folgt somit θ1 = θ2. Weitergilt θ2 = θ4 und θ3 = θ5, da dies nur die gespie-gelten Winkel an der Geraden QM sind. Der PunktG wurde so konstruiert, dass er der Mittelpunkt vonE und B ist, daher gilt auch θ4 = θ5. Zusammen-gefasst gilt somit: θ1 = θ2 = θ3 = θ4 = θ5. Dafür den Winkel zwischen P, B und C die Gleichungϕ = θ1 + θ2 + θ3 gilt, folgt ϕ = 3 · θ1 und damitϕ/3= θ1.Es bleibt noch zu zeigen, dass es reicht, Winkel zwi-schen 0 und π/2 zu betrachten, außerdem muss nochbegründet werden, warum die Gerade in Schritt 2überhaupt existiert. Die Existenz folgt aus Bemer-kung (4.2.1), da die Gerade BP und die Gerade GG′

nicht parallel sind.

A

B

B′

C

D

E

E′

G

P

M

Q

G′

θ1

θ2

θ3

θ4

θ5

Abbildung 4.5: Winkeldreiteilung

Wegen

eiπ/6 = cos�

π

6

+ i sin�

π

6

=

p3

2+

i

2∈ Z ({0,1}) ⊆ O ({0, 1, eiϕ})

18

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und ei(ϕ+π/2)/3 = eiϕ/3 · eiπ/6 reicht es tatsächlich, Winkel zwischen 0 und π/2 zu betrachten.

Wir haben gesehen, dass wir Winkel mit Origami dreiteilen können. Es liegt daher auch nahe, dass mitOrigami Kubikwurzeln von beliebigen komplexen Zahlen konstruiert werden können. Dazu zeigen wirdies im folgenden Satz zunächst für beliebige reelle Zahlen.

Satz 4.3.5. Sei r ∈ O (K)∩R, dann gilt 3pr ∈ O (K)∩R.

Die folgende Beweisidee basiert auf der Tatsache, dass Axiom (O6) äquivalent zum Finden einer gemein-samen Tangente zweier Parabeln ist, siehe [Ger08, Chapter 2, 8]. Wir wollen jedoch mit Rücksicht aufden Umfang dieser Arbeit einen eher auf linearer Algebra beruhenden Beweis führen.

Beweis. Sei r ∈ O (K) ∩ R und o.B.d.A. r 6= 0. Für diesen Beweis wollen wir C mit R2 identifizieren.

Weiter seien die Punkte p1 :=�

r2, 0�T∈ R2 und p2 :=

0, 12

�T∈ R2 sowie die Geraden l1 : x = − r

2

und l2 : y = −12

gegeben. Da l1 und l2 nicht parallel sind, existiert nach Bemerkung (4.2.1) eine Gerades : y = c · x +d, die p1 auf l1 und p2 auf l2 spiegelt (s kann nicht parallel zur x- oder y-Achse sein, daherkann s wie angegeben dargestellt werden).Unser Ziel ist es nun, die Koeffizienten c und d anzugeben.Die Spiegelung an einer Geraden durch den Ursprung ist eine lineare Abbildung und wir können diesesomit mit einer Matrix beschreiben, deren Darstellung man aus einem einfachen Basiswechsel erhält.

Die Spiegelung des Punktes p1 =�

r2, 0�T

auf p′1 an der Geraden s : y = c · x + d entspricht daher derGleichung

p′1 =�

0d

+1

1+ c2 ·�

1− c2 2c2c c2 − 1

·�� r

20

−�

0d

,

Analoges für p2. Da p′1 auf l1 und p′2 auf l2 liegen sollen, erhalten wir die beiden Gleichungen

−r

2=

1− c2

1+ c2 ·r

2−

2cd

1+ c2 (1)

−1

2= (c2 − 1)

�1

2− d

� 1

1+ c2 + d. (2)

Gleichung (1) lässt sich nach d umformen und in (2) einsetzen, man erhält daher eine kubische Glei-chung mit einer möglichen reellen Lösung für c und damit folglich auch für d:

c = − 3pr

d = −r

2 3pr

Der Schnittpunkt der Geraden s mit der y-Achse ist (0, d), somit gilt d ∈ O (K). Da O (K) ein Körper ist,folgt daher aus r ∈ O (K) auch 3pr ∈ O (K), was zu zeigen war.

Im folgenden Korollar halten wir fest, dass wir mit obigen Überlegungen jede dritte Wurzel einer kom-plexen Zahl mittels Origami konstruieren können.

Korollar 4.3.6. Aus z ∈ O (K) folgt 3pz ∈ O (K) für jede komplexe dritte Wurzel von z.

Beweis. Sei z = r · eiϕ ∈ O (K), dann gilt r, eiϕ ∈ Z (K ∪ {z}) ⊆ O (K). Nach den Sätzen (4.3.3) und(4.3.5) folgt 3pr, eiϕ/3+2iπ j/3 ∈ O (K) für j = 0, 1,2. Aus der Körpereigenschaft von O (K) folgt somit3pz ∈ O (K) für jede dritte Wurzel von z.

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Lemma 4.3.7. Der Körper O (K) aller aus K ⊆ C mit Origami konstruierbaren Zahlen ist der Durchschnittaller Teilkörer L von C mit den folgenden Eigenschaften:

(1) K ⊆ L

(2) z ∈ L⇒ z ∈ L

(3) z ∈ L⇒±p

z ∈ L

(4) z ∈ L⇒ 3pz ∈ L (für jede komplexe dritte Wurzel von z)

Beweis. Sei M := {L ⊆ C|L ist ein Teilkörper von C der (1)-(4) erfüllt}, wir wollen die Gleichheit

O (K) =⋂

L∈M

L =: L

wieder über Induktion zeigen, ähnlich dem Beweis von Lemma (3.3.3). Nach unseren Vorüberlegungenerfüllt der Körper O (K) alle vier Bedingungen, somit gilt L ⊆ O (K). Es bleibt somit noch die umgekehrteInklusion zu zeigen. Wieder übertragen sich die Eigenschaften (1) bis (4) auf L und es gilt

z ∈ L⇔ Re(z), Im(z) ∈ L.

Wir wollen nun über vollständige Induktion zeigen, dass Kn ∩ C ⊆ L gilt und alle Geraden in Kn mitKoeffizienten aus L darstellbar sind, mit Kn aus der Definition von O (K). Für n = 0 gilt K0 = K ⊆ Lnach (1) und K0 enthält keine Gerade, somit gilt die Aussage für n = 0. Wir nehmen nun an, dieAussage gilt für ein n ∈ N0. Wie wir im Beweis von Lemma (3.3.3) gesehen haben, liegen Schnitt-punkte von Geraden mit Koeffizienten in L wieder in L, somit folgt Kn+1 ∩C ⊆ L. Um zu zeigen, dassalle aus Kn konstruierbaren Geraden Koeffizienten in L besitzen, geben wir diese explizit an. Seienp1, p2, l1, l2 ∈ Kn gegeben, wobei p1, p2 Punkte und l1(t) = a + tv und l2(t) = b + tw für t ∈ RGeraden sind. Wegen |z| =

p

Re(z)2 + Im(z)2 ∈ L für z ∈ L können wir |v | = |w| = 1 annehmen.Nach Induktionsvoraussetzung liegen alle Koeffizienten in L. Die Geraden in (O1) bis (O7) haben dannfolgende Gestalt:

• (O1): h(t) = p1 + t(p2 − p1)

• (O2): h(t) = p1+p22+ t · i(p2 − p1)

• (O3):

– Falls l1 und l2 nicht parallel sind: h(t) = s + t(v ± w), wobei s den Schnittpunkt der beidenGeraden l1 und l2 bezeichnet, somit gilt auch s ∈ L.

– Falls l1 und l2 parallel sind: h(t) = a+b2+ tv .

• (O4): h(t) = p1 + t · iv

• (O5): h(t) = p2+ t�

p2 −p1+p′1

2

, wobei sich p′1 wie folgt berechnet: Die Spiegelung von p1 an der

gesuchten Gerade h soll auf der Gerade l1 liegen, also muss für ein s ∈ R gelten:

|l1(s)− p2|2 = |p2 − p1|2

und l1(s) = p′1, wobei p′1 die Spiegelung von p1 an h bezeichnet. Dies führt auf ein quadratischesGleichungssystem der Form xs2 + ys + z = 0 mit x , y, z ∈ L ∩ R und x 6= 0, und da L nachVoraussetzung abgeschlossen unter der Bildung von Quadratwurzeln ist, folgt aus der pq-Formels ∈ L ∩R und damit p′1 ∈ L.

20

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• (O6): Dies ist der schwierigste Fall. Ist h parallel zur y-Achse, so hat h die Form h(t) =p1+p′1

2+ t · i,

wobei p′1 den Schnittpunkt der Geraden l1 mit g(t) := p1 + t beschreibt. Ist h nicht parallel zury-Achse, so lässt sich h in der Form h(t) = ui + t(1+ iq) für u, q ∈ R schreiben. Wir müssen nunu, q ∈ L∩R zeigen. Wieder wollen wir kurzfristig C als R2 auffassen, als verkürzende Schreibweisebenutzen wir z1 := Re(z) bzw. z2 := Im(z) für z ∈ C. Da die Spiegelung von p1 bzw. p2 an h auf l1bzw. l2 liegen soll, erhalten wir wieder folgende Gleichungen:

l1(t) =�

0u

+1

1+ q2

1− q2 2q2q q2 − 1

��

p1,1p1,2

−�

0u

��

(1)

l2(s) =�

0u

+1

1+ q2

1− q2 2q2q q2 − 1

��

p2,1p2,2

−�

0u

��

(2)

Daraus ergeben sich die vier Gleichungen

a1 + tv1 =1

1+ q2

(1− q2)p1,1 + 2q(p1,2 − u)�

(3)

a2 + tv2 = u+1

1+ q2

2qp1,1 + (q2 − 1)(p1,2 − u)

(4)

b1 + sw1 =1

1+ q2

(1− q2)p2,1 + 2q(p2,2 − u)�

(5)

b2 + sw2 = u+1

1+ q2

2qp2,1 + (q2 − 1)(p2,2 − u)

. (6)

Da v , w 6= 0 (denn sonst wären l1, l2 keine Geraden), können wir o.B.d.A. v2, w2 6= 0 annehmen.Durch Multiplizieren von (4) bzw. (6) mit v1

v2bzw. w1

w2und Subtrahieren von (3) bzw. (5) erhalten

wir mit etwas Umformen

a1 − a2v1

v2=

1

1+ q2

p1,1

1− q2 − 2qv1

v2

+ p1,2

2q− q2 v1

v2+

v1

v2

− 2u

q+v1

v2

��

(7)

b1 − b2w1

w2=

1

1+ q2

p2,1

1− q2 − 2qw1

w2

+ p2,2

2q− q2 w1

w2+

w1

w2

− 2u

q+w1

w2

��

. (8)

Gilt q + v1v2= 0, so folgt q ∈ L und wir können h auch schreiben als h(t) =

p1+p′12+ t

1q

, wobei

p′1 ∈ L den Schnittpunkt der Geraden g(t) = p1 + t�

q−1

mit l1 beschreibt. Ist q + v1v26= 0,

so lässt sich (7) nach u umformen und in (8) einsetzen, wir erhalten dann eine Gleichung derForm αq3 + βq2 + γq + δ = 0 mit α,β ,γ,δ ∈ L ∩R in q. Mit der Cardanoschen Formel (2.3.11)erhalten wir q ∈ L ∩R, da nach Voraussetzung L abgeschlossen unter der Bildung von Quadrat-und Kubikwurzeln ist. Durch Umformen von (7) nach u erhalten wir damit auch u ∈ L∩R, was zuzeigen war.

• (O7): h(t) =p1+p′1

2+ t · iw, wobei p′1 den Schnittpunkt von l1 mit der Geraden g(t) = p1 + tw

bezeichnet.

Damit haben wir die gewünschten Aussagen gezeigt und es gilt�

n∈N0Kn

∩C=⋃

n∈N0

Kn ∩C�

⊆ L.

Daraus folgt die Gleichheit O (K) = L.

Wir wollen nun wieder ein Kriterium angeben, wann ein z ∈ C konstruierbar ist. Dies beweisen wiranschließend völlig analog zu den Theoremen (3.3.4) und (3.3.6).

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Theorem 4.3.8. Folgende Aussagen sind für z ∈ C äquivalent:

i) z ∈ O (K)

ii) Es existiert eine aufsteigende Kette von Körpererweiterungen Q(K ∪K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C mitz ∈ Ln und [L j : L j−1] ∈ {2, 3} für alle j = 1, ..., n (wieder bezeichnet K = {k ∈ C|k ∈ K}).

iii) Es gibt eine Galoiserweiterung L/Q(K ∪ K) mit z ∈ L und [L :Q(K ∪ K)] = 2n3m mit n, m ∈ N0.

Beweis. Der Beweis verläuft vollkommen analog zu den Theoremen (3.3.4) und (3.3.6), wir gehen dahernur auf die Unterschiede und kleineren Details ein.

• “i) ⇒ ii)”: Ist M ⊆ C die Menge aller Elemente, für die solch eine Körperkette existiert, sowollen wir wieder zeigen, dass M ein Körper ist, der die Eigenschaften (1) bis (4) aus Lemma(4.3.7) erfüllt. Dies lässt sich fast analog zu dem Fall mit Zirkel und Lineal beweisen, wir müssennur die Bedingung “a2

j+1 ∈ L0(a1, ..., a j)” durch “P(a j+1) = 0” für ein nicht konstantes PolynomP(X ) ∈ L0(a1, ..., a j)[X ] mit maximalem Grad drei” ersetzen. Wegen [Ln( 3pz) : Ln]≤ 3 für z ∈ Lnerfüllt M ebenso Eigenschaft (4).

• “i) ⇐ ii)”: Es gilt L0 = Q(K ∪ K) ⊆ Z (K) ⊆ O (K). Sei w ∈ L1\L0, dann gibt es a, b, c ∈ L0mit entweder w3 + aw2 + bw + c = 0 oder w2 + aw + b = 0. In beiden Fällen erhält man aus derCardanoschen Formel (2.3.11) oder der pq-Formel w ∈ O (K). Wegen [L1 : L0(w)][L0(w) : L0] = 3folgt [L1 : L0(w)] = 1 und somit L1 = L0(w) ⊆ O (K). Induktiv erhält man wieder z ∈ Ln ⊆ O (K).

• “i)⇒ iii)”: Auch hier müssen wir lediglich die Bedingung “a2j+1 ∈ L0(a1, ..., a j)” durch “P(a j+1) =

0 für ein nicht konstantes Polynom P(X ) ∈ L0(a1, ..., a j)[X ] mit maximalem Grad drei” ersetzen.Die Gruppe Gn aus dem entsprechenden Beweis ist dann wieder endlich und der Beweis für O (K)lässt sich durch simples Abändern weniger Details auf den Beweis für Z (K) zurückführen.

• “i) ⇐ iii)”: Für die letzte Richtung benötigen wir das Resultat von Burnside (2.2.2), dass jedeGruppe der Ordnung pαqβ auflösbar ist, für Primzahlen p, q ∈ N. Daraus folgt der letzte Fallanalog zu dem entsprechenden Fall mit Zirkel und Lineal.

Korollar 4.3.9. Für z ∈ O (K) gilt [Q0(z) : Q0] = 2r3s für r, s ∈ N0 und Q0 :=Q(K ∪ K).

Beweis. Sei z ∈ O (K), dann existiert nach Theorem (4.3.8) eine Körperkette Q(K ∪ K) = L0 ⊆ · · · ⊆ Lnmit [L j+1 : L j] ∈ {2, 3}. Daraus folgt [Ln : L0] = 2k3t mit k, t ∈ N0 und damit [L0(z) : L0] = 2r3s fürr, s ∈ N0.

Dass alle Lösungen einer kubischen Gleichung X 3 + aX 2 + bX + c = 0 mit a, b, c ∈ O (K) Origa-mi konstruierbar sind, ist nicht weiter verwunderlich, kennt man die Cardanosche Formel (2.3.11).Überraschenderweise lassen sich mit Origami jedoch auch alle Lösungen einer quartischen GleichungX 4 + aX 3 + bX 2 + cX + d = 0 mit a, b, c, d ∈ O (K) mittels Origami konstruieren.

Korollar 4.3.10. Alle komplexen Lösungen von X 4 + aX 3 + bX 2 + cX + d = 0 mit a, b, c, d ∈ O (K) sindmit Origami konstruierbar.

Beweis. Sei M := {0, 1, a, b, c, d} und L der Zerfällungskörper von P(X ) = X 4 + aX 3 + bX 2 + cX + d ∈Q(M ∪M)[X ] in C, d.h. L = Q(M ∪M)(α1,α2,α3,α4), wobei α1, ...,α4 ∈ C die Nullstellen von P(X )bezeichnen. Das Minimalpolynom jeder Nullstelle αi über Q(M ∪ M)(α1, ...,αi−1) hat dabei höchstensGrad 4, weiter ist L/Q(M ∪M) eine Galoiserweiterung und somit gilt

[L :Q(M ∪M)] = [L :Q(M ∪M)(α1,α2,α3)]︸ ︷︷ ︸

≤4

· · · [Q(M ∪M)(α1) :Q(M ∪M)]︸ ︷︷ ︸

≤4

= 2r3s

für je ein r, s ∈ N0. Aus Theorem (4.3.8) folgt somit α1, ...,α4 ∈ O (M) ⊆ O (K).

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4.4 Lösbarkeit der antiken Probleme mit Origami

Wie wir gesehen haben, lassen sich Winkel mit Origami dreiteilen und das delische Problem ist lösbar,d.h. 3p2 ist konstruierbar. Wir halten dies im folgenden Satz fest und schließen diesen Abschnitt miteiner einfachen Konstruktion von 3p2 mit Origami.

Satz 4.4.1. Von den drei antiken Problemen ist nur die Quadratur des Kreises nicht mit Origami lösbar.

Beweis. Es gilt [Q(π) : Q] =∞, da π transzendent über Q ist, nach Korollar (4.3.9) folgt daher wiederπ 6∈ O ({0, 1}).

Die folgende Konstruktion ist zu finden in [Ger08, Chapter 2, 8] und wird Peter Messer zugeschrieben.

Konstruktion 4.4.2.

• Schritt 1: Wir falten die Mittelsenkrechte der Gera-den AB sowie die Diagonale durch B und D. DerSchnittpunkt der Mittelsenkrechten mit der GeradeAB liegt natürlich mittig zwischen A und B.

• Schritt 2: Wir konstruieren die Gerade durch C undden Mittelpunkt von A und B. Den Schnittpunkt mitder Winkelhalbierenden aus Schritt 1 wollen wirkurzfristig mit S bezeichnen.

• Schritt 3: Mit S lassen sich die zu AB bzw. BC senk-rechten Geraden durch S konstruieren. Die entspre-chenden Schnittpunkte mit AB, BC und C D be-zeichnen wir mit G, H und I , wie wir auch Abbil-dung (4.6) entnehmen können.

• Schritt 4: In Abbildung (4.6, Schritt 4) haben wiraus Gründen der Übersichtlichkeit die nicht mehrbenötigten Geraden und Punkte entfernt. In die-sem Schritt konstruieren wir die Mittelsenkrechteder Punkte A und G. Die neu entstandenen Schnitt-punkte bezeichnen wir mit E und F .

• Schritt 5: Wir bilden die Gerade aus (O6), indemwir C auf AB und H auf EF falten. Den Schnitt-punkt mit BC bezeichnen wir mit P.

• Schritt 6: Wir bilden die zu h senkrechten Geradendurch C und H und bezeichnen die Schnittpunktemit AB bzw. EF mit C ′ bzw. H ′.

A

B C

D A

B C

D

S

Schritt 1 Schritt 2

A

B I C

G H

D A

B C

G

E

H

F

D

Schritt 3 Schritt 4

A

B C

G

E

H

F

D

P

hA

B C

H

FC ′

H ′D

P

h

Schritt 5 Schritt 6

Abbildung 4.6: Konstruktion von 3p2

Aus obiger Konstruktion folgt dann |A−C ′||C ′−B| =

3p2.

Beweis. Wieder wählen wir o.B.d.A. die Punkte A, B, C , D als i, 0, 1, 1+ i ∈ C. Wir zeigen daher zuerst,dass G = 1

3i gilt. Die beiden Geraden l1, l2, wobei l1 die Winkelhalbierende und l2 die konstruierte

Gerade in Schritt 2 beschreibt, sind gegeben durch l1(t) = t(1+ i) sowie l2(s) = 1+ s(1− 12i). Durch

lösen des linearen Gleichungssystems l1(t) = l2(s) (Erinnerung: t, s ∈ R) erhält man S = 13(1+ i) und

23

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somit G = 13i, E = 2

3i. Nun wollen wir |A− C ′|= 3p2 · |C ′− B| zeigen, dazu definieren wir a := |A− C ′|,

b := |C ′ − B| und c := |B − P|, um die Übersichtlichkeit zu wahren. Wir halten zunächst fest, dass

a+ b = 1 (1)

gilt. Wegen 1− c = |P − C |= |P − C ′| erhalten wir weiterhin b2 + c2 = (1− c)2 und somit

c =1− b2

2. (2)

Da die Geraden C ′H ′ und C ′P senkrecht aufeinander stehen (denn dies sind nur die an h gespiegeltenGeraden PC und HC), sind die Dreiecke mit den Eckpunkten E, C ′, H ′ und B, P, C ′ ähnlich und daherfolgt

1/3

a− 1/3=|C −H||E − C ′|

=|C ′ −H ′||E − C ′|

=|C ′ − P||B − P|

=1− c

c. (3)

Durch Äquivalenzumformungen erhalten wir aus (3):

1/3

a− 1/3=

1− c

c1

3a− 1(2)=

1+ b2

1− b2

1− b2 = (1+ b2)(3a− 1)

2 = 3a(1+ b2)

2(1)= 3(1− b)(1+ b2)

2 = 2− 2b3 + (1− 3b+ 3b2 − b3)

2b3 = (1− b)3

2b3 (1)= a3

Daraus folgt schließlich ab= 3p2.

24

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5 Vergleich von Origami mit Zirkel und Linealmit Winkeldreiteilung

5.1 Erweiterungen von Zirkel und Lineal

Vergleichen wir Lemma (3.3.3) mit Lemma (4.3.7), so sehen wir, dass Origami die Konstruktionen mitZirkel und Lineal lediglich um die Eigenschaft erweitert, komplexe dritte Wurzeln ziehen zu können. Wirkönnen nun sicherlich die Frage stellen, ob und wie wir diese Erweiterung auch durch die Hinzunahmeeiner Operation zu den Konstruktionen mit Zirkel und Lineal erreichen können.

Eine Möglichkeit bietet z.B. ein markiertes Lineal,welches die Konstruktionen mit Zirkel und Linealwie folgt erweitert: Sind zwei Geraden l1, l2 undein Punkt P gegeben, dann ist die Gerade h durch Pkonstruierbar, sodass die beiden Schnittpunkte derGeraden h mit l1 und l2 genau eine Längeneinheitvoneinander entfernt sind, siehe Abbildung (5.1).

P

1

l1

l2

h

Abbildung 5.1: Markiertes Lineal

Es stellt sich nun die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Origami und Zirkel und markiertem Linealbesteht. Tatsächlich stellt sich heraus, dass O (K) identisch mit der Menge der aus K ⊆ C mit Zirkel undmarkiertem Lineal konstruierbaren Zahlen ist ([Cox12, Theorem 10.3.11]).Wir wollen uns nun jedoch der Frage widmen, ob die Hinzunahme der Winkeldreiteilung zu Zirkel undLineal bereits genügt, um alle mit Origami konstruierbaren Punkte zu konstruieren. Wie wir gesehenhaben, können wir das Konstruieren einer komplexen dritten Wurzel in zwei Teilprobleme zerlegen: DasWinkeldreiteilen und das Konstruieren einer reellen dritten Wurzel. Die Frage lautet also nun, ob manmit Winkeldreiteilung auch reelle dritte Wurzeln konstruieren kann. Im Folgenden wollen wir dies allespräzisieren und auf ein mathematisches Fundament stellen, um diese Frage beantworten zu können.

5.2 Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung

Wir wollen die Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung diesmal direkt über diealgebraischen Eigenschaften definieren.

Definition 5.2.1. Die Menge ZD(K) ⊆ C aller aus K ⊆ C (mit 0, 1 ∈ K) mit Zirkel und Lineal mitWinkeldreiteilung konstruierbaren Zahlen ist definiert als der Durchschnitt aller Teilkörper L von C mitfolgenden Eigenschaften:

(1) K ⊆ L

(2) z ∈ L⇒ z ∈ L

(3) z ∈ L⇒±p

z ∈ L

(4) sin(θ ) ∈ L⇒ sin�

θ

3

∈ L (mit θ ∈ R)

25

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Lemma 5.2.2. Aus sin(θ ) ∈ ZD(K) folgt sin�

θ + 2π j3

∈ ZD(K) für alle j = 0,1, 2.

Beweis. Mit den trigonometrischen Additionstheoremen erhalten wir

sin�

θ +2π j

3

= sin(θ ) · cos�2π j

3

+ cos(θ ) · sin�2π j

3

für j = 0,1, 2. Wegen cos(θ ) = ±Æ

1− sin2(θ ) folgt aus Eigenschaft (3) auch cos(θ ) ∈ ZD(K). Auseinem geeigneten Tabellenwerk entnimmt man die Werte

cos�2π j

3

∈§

1,−1

2

ª

⊆ ZD(K) und sin�2π j

3

¨

0,±p

3

2

«

(?)⊆ ZD(K)

((?) folgt wieder aus (3)), daher folgt sin�

θ + 2π j3

∈ ZD(K) für alle j = 0,1, 2.

Im nächsten Satz wollen wir wie üblich ein Kriterium angeben, wann ein gegebenes z ∈ C mit Zirkelund Lineal mit Winkeldreiteilung konstruierbar ist.

Satz 5.2.3. Folgende Aussagen sind für z ∈ C äquivalent:

i) z ∈ ZD(K)

ii) Es existiert eine aufsteigende Kette von Körpererweiterungen Q(K ∪K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C mitz ∈ Ln und [L j : L j−1] ∈ {2,3} für alle j = 1, ..., n (wieder bezeichnet K = {k ∈ C|k ∈ K}), wobei

L j = L j−1

sin�

θ

3

��

im Fall [L j : L j−1] = 3 mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R ist.

iii) Es existiert eine aufsteigende Kette von Körpererweiterungen Q(K ∪K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C mitz ∈ Ln und [L j : L j−1] ∈ {2,3, 6} für alle j = 1, ..., n (Wieder bezeichnet K = {k ∈ C|k ∈ K}), wobeiL j im Fall [L j : L j−1] ∈ {3, 6} der Zerfällungskörper des Polynoms 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L j−1 mitsin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R ist.

Beweis.

• “i) ⇒ ii)”: Sei M ⊆ C wieder die Menge aller Elemente, für die solch eine Körperkette aus ii)existiert. Wir wollen die Definition (5.2.1) ausnutzen und zeigen, dass M ein Körper ist und alleEigenschaften (1) bis (4) erfüllt. Die Körpereigenschaft und Eigenschaften (1) bis (3) folgen wiedervollkommen analog zum Beweis von Theorem (4.3.8), wir müssen also lediglich Eigenschaft (4)nachprüfen. Sei dazu sin(θ ) ∈ M , d.h. es existiert eine Körperkette Q(K ∪K) = L0 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ Cmit den gewünschten Eigenschaften und sin(θ ) ∈ Ln. Die Körpererweiterung Ln+1/Ln mit Ln+1 :=Ln

sin�

θ

3

��

besitzt höchstens Grad 3, da eine Nullstelle des Polynoms 4X 3−3X + sin(θ ) ∈ Ln[X ]

durch sin�

θ

3

gegeben ist. Somit folgt sin�

θ

3

∈ Ln+1 ⊆ M und daher haben wir z ∈ ZD(K) ⊆ Mgezeigt.

• “ii) ⇒ iii)”: Dies folgt einfach, indem man alle Körpererweiterungen vom Grad 3 der FormL j = L j−1

sin�

θ

3

��

durch “L j ist der Zerfällungskörper des Polynoms 4X 3 − 3X + sin(θ ) überL j−1 mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R” ersetzt.

• “iii) ⇒ i)”: Sei Q(K ∪ K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C eine Körperkette mit z ∈ Ln und dengewünschten Eigenschaften. Es gilt L0 = Q(K ∪ K) ⊆ Z (K) ⊆ ZD(K). Induktiv zeigen wir nunLn ⊆ ZD(K). Sei Ln−1 ⊆ ZD(K) und [Ln : Ln−1] = 2, so folgt wie schon gesehen Ln = Ln−1(

pc)

für ein c ∈ Ln−1 und mit Eigenschaft (3) somit Ln ⊆ ZD(K). Im Fall [Ln : Ln−1] ∈ {3,6} ist Ln der

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Zerfällungskörper von 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L j−1 mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R. Durch dietrigonometrischen Additionstheoreme lässt sich folgende Identität nachprüfen:

4 sin3

θ

3+

2π j

3

− 3sin

θ

3+

2π j

3

+ sin(θ ) = 0

für alle j = 0, 1,2. Daraus folgt

Ln = Ln−1

sin

θ

3

, sin

θ

3+

3

, sin

θ

3+

3

��

und aus Eigenschaft (4) und Lemma (5.2.2) daher auch z ∈ Ln ⊆ ZD(K), was zu zeigen war.

Korollar 5.2.4. Es gilt Z (K) ⊆ ZD(K) ⊆ O (K).

Beweis. Die erste Inklusion folgt direkt aus der Definition (5.2.1) von ZD(K) und Lemma (3.3.3), diezweite Inklusion folgt aus obigem Satz (5.2.3) und Theorem (4.3.8).

Wir wollen den vorigen Satz für reelle Zahlen, welche mit Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung kon-struierbar sind, noch etwas verschärfen, um die anfänglich gestellte Frage beantworten zu können.

Satz 5.2.5. Falls K ⊆ R gilt, so sind folgende Aussagen für z ∈ R äquivalent:

i) z ∈ ZD(K)

ii) Es existiert eine aufsteigende Kette von Körpererweiterungen Q(K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ R mitz ∈ Ln und [L j : L j−1] ∈ {2,3, 6} für alle j = 1, ..., n, wobei L j im Fall [L j : L j−1] ∈ {3, 6} derZerfällungskörper des Polynoms 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L j−1 mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R ist.

Beweis.

“i)⇐ ii)”: Solch eine Körperkette erfüllt alle Voraussetzungen aus Satz (5.2.3), daher folgt z ∈ ZD(K).

“i) ⇒ ii)”: Sei z ∈ ZD(K), dann existiert nach Satz (5.2.3) eine aufsteigende Kette von Körpererwei-terungen Q(K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ C mit z ∈ Ln und [L j : L j−1] ∈ {2,3, 6} für alle j = 1, ..., n,sodass L j im Fall [L j : L j−1] ∈ {3, 6} der Zerfällungskörper des Polynoms 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L j−1mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R ist.Unser Ziel ist es nun, daraus eine reelle Körperkette mit den entsprechenden Eigenschaften zu konstru-ieren. Wir zeigen nun per Induktion: Für jedes 0 ≤ k < n existiert eine Körperkette L′0 ⊆ · · · L

′k ⊆ R mit

den Eigenschaften aus ii) und Lk ⊆ L′k(i). Wir definieren L′0 := L0, dann folgt trivialerweise L0 ⊆ L′0(i).Sei nun 0 ≤ k < n gegeben, sodass eine Körperkette L′0 ⊆ · · · ⊆ L′k ⊆ R mit den Eigenschaften aus ii)und Lk ⊆ L′k(i) existiert. Um L′k+1 zu konstruieren, unterscheiden wir zwei Fälle:

• [Lk+1 : Lk] = 2: In diesem Fall gilt Lk+1 = Lk(p

c) für ein c ∈ Lk ⊆ L′k(i). Wegen|c|2 = Re(c)2 + Im(c)2 ∈ L′k ist L′k,1/L′k mit L′k,1 := L′k(|c|) ⊆ R höchstens eine quadratische

Körpererweiterung. Weiter definieren wir L′k,2 := L′k,1(p

|c|) ⊆ R, dies stellt ebenso eine quadrati-sche Körpererweiterung dar. Wir können c ∈ L′k(i) auch schreiben als c = |c| · (cos(θ ) + i sin(θ ))mit θ ∈ R, wegen c, |c| ∈ L′k,2(i) folgt cos(θ ), sin(θ ) ∈ L′k,2. Die Nullstellen des Polynoms

2X 2 − 1− cos(θ ) ∈ L′k,2[X ]

sind gegeben durch ± cos�

θ

2

∈ R, somit ist L′k,3/L′k,2 mit L′k,3 := L′k,2

cos�

θ

2

��

⊆ R wieder

höchstens quadratisch. Mit sin�

θ

2

= ±r

1− cos2�

θ

2

folgt, dass die Körpererweiterung L′k+1/L′k,3

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mit L′k+1 := L′k,3

sin�

θ

2

��

ebenfalls quadratisch ist. Wegenp

c = ±p

|c| ·�

cos�

θ

2

+ i sin�

θ

2

��

folgt Lk+1 = Lk(p

c) ⊆ L′k+1(i), somit ist die gesuchte Körperkette gegeben durch

L′0 ⊆ · · · ⊆ L′k ⊆ L′k,1 ⊆ L′k,2 ⊆ L′k,3 ⊆ L′k+1 ⊆ R.

• [Lk+1 : Lk] ∈ {3, 6}: Hier entsteht Lk+1 aus Lk durch Adjunktion der drei reellen Zahlen

sin

θ

3

, sin

θ

3+

3

, sin

θ

3+

3

∈ R

mit sin(θ ) ∈ Lk ∩R ⊆ L′k. Definieren wir L′k+1 := L′k�

sin�

θ

3

, sin�

θ

3+ 2π

3

, sin�

θ

3+ 4π

3

��

, so ist

L′k+1 der Zerfällungskörper von 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L′k und es gilt

L′k+1(i) = L′k

sin

θ

3

, sin

θ

3+

3

, sin

θ

3+

3

��

(i)

=�

L′k(i)�

sin

θ

3

, sin

θ

3+

3

, sin

θ

3+

3

��

⊇�

Lk

sin

θ

3

, sin

θ

3+

3

, sin

θ

3+

3

��

= Lk+1.

Die gesuchte Körperkette ist damit gegeben durch

L′0 ⊆ · · · ⊆ L′k ⊆ L′k+1 ⊆ R.

Damit haben wir unsere Induktion abgeschlossen und wir sehen, dass für z ∈ ZD(K) ∩ R wegen z ∈Ln ∩R ⊆ L′n die gewünschte reelle Körperkette mit den Eigenschaften aus ii) existiert.

Korollar 5.2.6. Es gilt 3p2 6∈ ZD({0,1}).Beweis. Angenommen 3p2 ∈ ZD({0,1}) ∩ R, dann existiert nach Satz (5.2.5) eine aufsteigende Ket-te von Körpererweiterungen Q(K) = L0 ⊆ L1 ⊆ · · · ⊆ Ln ⊆ R mit 3p2 ∈ Ln, 3p2 6∈ Ln−1 und[L j : L j−1] ∈ {2,3, 6} für alle j = 1, ..., n, wobei L j im Fall [L j : L j−1] ∈ {3, 6} der Zerfällungskörper desPolynoms 4X 3 − 3X + sin(θ ) über L j−1 mit sin(θ ) ∈ L j−1 für ein θ ∈ R ist. Wieder unterscheiden wirzwei Fälle:

• [Ln : Ln−1] = 2: Da 3p2 eine Nullstelle des Polynom X 3 − 2 ∈ Ln−1[X ] ist, der Körpergrad jedoch2 ist, so darf das Polynom nicht irreduzibel sein, d.h. X 3 − 2 zerfällt über Ln−1 in höchstens einenquadratischen Faktor und mindestens einen linearen Faktor, somit liegt mindestens eine Nullstel-le von X 3 − 2 in Ln−1. Da die Nullstellen aber gegeben sind durch 3p2, 3p2ζ3, 3p2ζ2

3 ∈ C mitζ3 = e2πi/3 ∈ C\R und Ln−1 ⊆ R gilt, folgt 3p2 ∈ Ln−1, im Widerspruch zu unserer Voraussetzung.Diesen Fall können wir somit ausschließen.

• [Ln : Ln−1] ∈ {3,6}: Wie wir gesehen haben, muss X 3 − 2 irreduzibel in Ln−1[X ] sein. Da Lnder Zerfällungskörper von 4X 3 − 3X + sin(θ ) ∈ Ln−1[X ] über Ln−1 ist, ist die KörpererweiterungLn/Ln−1 insbesondere normal. Nach Satz (2.3.3) folgt somit, da X 3 − 2 eine Nullstelle in Ln hat(nämlich 3p2), dass bereits alle Nullstellen von X 3−2 in Ln liegen. Da aber zwei von drei Nullstellenecht komplex sind, Ln aber reell nach Voraussetzung war, haben wir den gewünschten Widerspruchund es folgt 3p2 6∈ ZD({0,1}).

Wir haben damit gezeigt, dass Konstruierbarkeit mit Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung nicht äqui-valent zur Konstruierbarkeit mit Origami ist. Im Allgemeinen gilt somit Z (K) (ZD(K) ( O (K), da sichdas delische Problem nicht mit Zirkel und Lineal mit Winkeldreiteilung lösen lässt.

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6 Elliptische Kurven

6.1 Überblick

In diesem abschließenden Kapitel wollen wir vorangegangene Überlegungen und Resultate zur Konstru-ierbarkeit mit Origami auf elliptische Kurven anwenden, insbesondere werden wir Torsionspunkte derOrdnung zwei und drei betrachten. Hierzu müssen wir natürlich klären, was wir unter einer elliptischenKurve verstehen wollen und wie wir mit ihr rechnen können, daher werden im folgenden Abschnitt dieGrundlagen elliptischer Kurven zusammengefasst.

6.2 Grundlagen elliptischer Kurven

Definition 6.2.1 (Elliptische Kurve). Sei L ein Körper mit char(L) 6∈ {2,3} und a, b ∈ L gegeben. DieNullstellenmenge von f (X , Y ) = Y 2 − X 3 − aX − b ∈ L[X , Y ] in L2 ∪ {∞} bezeichnen wir mit N f (L) :={(x , y) ∈ L2|y2 = x3 + ax + b} ∪ {∞}. Gilt ∆ f := 4a3 + 27b2 6= 0 (∆ f heißt Diskriminante vonf ), so nennen wir N f (L) eine elliptische Kurve bezüglich f in L2. Hierfür schreiben wir auch verkürzendEL : Y 2 = X 3+ aX + b. Ist K ⊆ L ein Teilkörper von L und a, b ∈ K , so sagen wir, dass die elliptische Kurveüber K definiert ist. Wir schreiben weiter “P liegt auf der elliptischen Kurve EL : Y 2 = X 3 + aX + b” fürP ∈ N f (L).

Diese eher simple Definition einer elliptischen Kurve ist für diese Arbeit vollkommen ausreichend, füreine ausführlichere und allgemeinere Definition einer elliptischen Kurve als projektive ebene Kurve ver-weisen wir auf [Wer02], [Sil09]. Die Hinzunahme von ∞ in der Definition von N f (L) ist nötig, da wireine Verknüpfung auf elliptischen Kurven definieren wollen, bezüglich dieser eine gegebene elliptischeKurve eine abelsche Gruppe mit neutralem Element ∞ bildet. Wir geben im Folgenden erst eine an-schauliche Motivation dieser Verknüpfung auf einer elliptischen Kurve in R2 an, ehe wir diese allgemeindefinieren.

Motivation 6.2.2 (Addition auf einer elliptischen Kurve).

Sei ER : Y 2 = X 3 + aX + b eine elliptische Kurvemit a, b ∈ R und seien weiter mit P,Q ∈ R2 ∪ {∞}zwei Punkte auf dieser elliptischen Kurve gegeben.Gilt P = ∞, so definieren wir P ⊕Q := Q (analogfür Q =∞). Sind P,Q 6=∞ und P 6=Q, so schneidetdie Gerade durch P und Q die Kurve in genau ei-nem weiteren Punkt R (existiert kein Schnittpunkt,so sagt man, beide schneiden sich bei∞). Wir defi-nieren P⊕Q :=∞, falls R=∞, andernfalls definie-ren wir P ⊕Q als den an der x-Achse gespiegeltenPunkt von R. Der Fall P = Q 6=∞ wird analog defi-niert, die Gerade durch P und Q wird lediglich durchdie Tangente der Kurve am Punkt P ersetzt.

x

ER

PQ R

P ⊕Q

Abbildung 6.1: Addition auf einer elliptischenKurve

29

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Definition/Satz 6.2.3. Sei wieder EL : Y 2 = X 3+aX+b eine elliptische Kurve mit a, b ∈ L und seien weiterP,Q ∈ N f (L) zwei Punkte auf dieser elliptischen Kurve gegeben. Die Abbildung ⊕ : N f (L)×N f (L)→ N f (L),(P,Q) 7→ P ⊕Q mit

P ⊕Q :=

Q, falls P =∞P, falls Q =∞∞, falls P = (x , y) und Q = (x ,−y)(x3, y3), falls P =Q = (x , y) mit y 6= 0(x4, y4), falls P = (x1, y1), Q = (x2, y2) mit x1 6= x2

und

(x3, y3) = (λ21 − 2x , λ1(x − x3)− y) λ1 =

3x2 + a

2y

(x4, y4) = (λ22 − x1 − x2, λ2(x1 − x4)− y1) λ2 =

y2 − y1

x2 − x1

ist dann wohldefiniert und�

N f (L),⊕�

bildet eine abelsche Gruppe mit neutralem Element∞.

Für die obige Darstellung und den Beweis der Wohldefiniertheit siehe [Wer02, Satz 2.3.13+2.3.14], derNachweis der Gruppeneigenschaften ist zu finden in [Sil09, III.2 Proposition 2.2].

Definition 6.2.4 (Torsionspunkte). Sei EL : Y 2 = X 3 + aX + b eine elliptische Kurve und P ein Punktauf dieser elliptischen Kurve, dann bezeichnet m · P := P ⊕ ...⊕ P

︸ ︷︷ ︸

m−mal

die m-fache Addition von P, mit m ∈ N.

Die Menge E[m] := {P ∈ N f (L)|m · P = ∞} aller Punkte auf der elliptischen Kurve, deren Ordnungein Teiler von m ∈ N ist, heißt m-Torsionsgruppe. Die m-Torsionsgruppe ist tatsächlich eine abelscheGruppe bezüglich ⊕, wie man leicht nachrechnen kann. Die Elemente der m-Torsionsgruppe nennen wirm-Torsionspunkte.

Definition 6.2.5. Gilt L = C in Definition (6.2.1), so schreiben wir auch einfach E : Y 2 = X 3+ aX + b fürdie elliptische Kurve bezüglich f in C2. Wir nennen P ∈ C2 ∪ {∞} aus K ⊆ C (Origami) konstruierbar,falls P = ∞ gilt oder P = (x , y) und x , y aus K ⊆ C (Origami) konstruierbar sind (0,1 ∈ K sei immervorausgesetzt).

6.3 Konstruierbarkeit der Torsionspunkte der Ordnung 2n und 2n · 3 mit Origami

Lemma 6.3.1. Sei E : Y 2 = X 3+aX+ b eine elliptische Kurve in C2 definiert über O (K), d.h. a, b ∈ O (K).Dann sind alle 2- und 3-Torsionspunkte mit Origami konstruierbar.

Die meiste Arbeit des Beweises haben wir schon in dem vorigen Kapitel geleistet, sodass dieser keinenallzu großen Aufwand erfordert.

Beweis. Sei P ∈ E[2] ein Punkt auf der elliptischen Kurve gegeben. Ist P = ∞, so ist P nach Defini-tion mit Origami konstruierbar. Andernfalls ergibt sich aus der Definition (6.2.3) der Verknüpfung anP = (x , y) die Bedingung y = 0. Aus 0 = y2 = x3 + ax + b folgt dann nach Multiplikation mit x dieGleichung 0 = x4 + ax2 + bx , somit ist x nach Korollar (4.3.10) ebenfalls mit Origami konstruierbar,wir haben damit gezeigt, dass alle 2-Torsionspunkte mit Origami konstruierbar sind.

30

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Sei nun P ∈ E[3] ein Punkt auf der gegebenen elliptischen Kurve. Wieder ist nur der Fall P = (x , y) 6=∞zu betrachten. Wegen∞ = 3P = 2P ⊕ P folgt mit 2P = ( x , y) die Bedingung x = x und y = −y mity 6= 0. Es gilt

x = x ⇔�

3x2 + a

2y

�2

− 2x = x

⇔9x4 + 6ax2 + a2

4y2 − 3x = 0

⇔ 9x4 + 6ax2 + a2 − 12y2 x = 0(i)⇔ 3x4 + 6ax2 + 12bx − a2 = 0,

wobei (i) aus y2 = x3 + ax + b folgt, somit ist x wieder nach Korollar (4.3.10) mit Origami kon-struierbar. Da O (K) abgeschlossen unter der Bildung komplexer Quadratwurzeln ist, folgt daher auchy = ±

p

x3 + ax + b ∈ O (K) und somit sind auch alle 3-Torsionspunkte mit Origami konstruierbar.

Der obige Beweis scheitert im Allgemeinen bei der Betrachtung von Torsionspunkten höherer Ordnung,da wir die zu m · P = ∞ (mit P = (x , y)) äquivalente Bedingung erhalten, dass T (x) = 0 für einPolynom T (X ) ∈ O (K)[X ] mit Grad größer vier gilt. Gleichungen dieser Form lassen sich i.A. nicht mitOrigami lösen, d.h. nicht alle Nullstellen eines Polynoms mit Grad ≥ 5 müssen Origami konstruierbarsein.Wir geben noch zwei Eigenschaften Origami konstruierbarer Punkte auf elliptischen Kurven an.

Satz 6.3.2. Sei E : Y 2 = X 3+aX + b eine elliptische Kurve in C2 definiert über O (K) und P,Q zwei Punkteauf dieser elliptischen Kurve mit P = (x , y). Dann gilt:

i) (x , y) ist Origami konstruierbar⇔ x oder y ist Origami konstruierbar.

ii) Sind P,Q Origami konstruierbar, so ist auch P ⊕Q Origami konstruierbar.

Beweis.

i) “⇒”: Ist (x , y) Origami konstruierbar, so sind nach Definition sogar x und y Origami konstruierbar,diese Richtung ist daher trivial.

“⇐”: Ist x Origami konstruierbar, so gilt wegen y = ±p

x3 + ax + b auch y ∈ O (K), da O (K)abgeschlossen unter Bildung von Quadratwurzeln ist. Ist umgekehrt y Origami konstruierbar, soist x als Nullstelle des Polynoms X 3+aX + b− y2 ∈ O (K)[X ] ebenfalls Origami konstruierbar, wiewir schon mehrfach gesehen haben.

ii) Dies folgt direkt aus der Definition (6.2.3) der Addition auf einer elliptischen Kurve.

Satz 6.3.3. Sei E : Y 2 = X 3 + aX + b eine elliptische Kurve in C2 definiert über O (K). Dann sind alleTorsionspunkte in E[2n3m] mit n ∈ N0 und m ∈ {0,1} mit Origami aus K ⊆ C konstruierbar.

Beweis. Die Aussage zeigen wir per Induktion nach n ∈ N0. Nach Lemma (6.3.1) sind Punkte auf der el-liptischen Kurve der Ordnung 3m mit m ∈ {0, 1} Origami konstruierbar. Sei nun P ∈ E[2n3m] mit n ∈ Nund m ∈ {0, 1} gegeben. Gilt 2P =∞, so ist P ∈ E[2] wieder nach Lemma (6.3.1) mit Origami konstru-ierbar. Sonst ist 2P = P 6=∞ ein Torsionspunkt in E[2n−13m] und somit nach Induktionsvoraussetzungmit Origami konstruierbar. Mit P = (x , y) und P = ( x , y) erhalten wir die Gleichung

2P = P

⇒(3x2 + a)2

4(x3 + ax + b)− 2x = x

⇒ x4 − 4 x x3 − 2ax2 − (8b+ 4ax)x + a2 − 4 x b = 0

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mit Koeffizienten in O (K) nach Induktionsvoraussetzung. Aus Korollar (4.3.10) folgt x ∈ O (K) unddamit aus Satz (6.3.2), dass P ∈ E[2n3m] mit Origami aus K ⊆ C konstruierbar ist, für alle n ∈ N0 undm ∈ {0, 1}.

Abschließend wollen wir noch einen kurzen Ausblick geben. Wie wir gesehen haben, ist die Menge allerOrigami konstruierbarer Punkte abgeschlossen unter der Verknüpfung auf einer elliptischen Kurve. Ra-tionale Punkte auf elliptischen Kurven über Q spielen eine wichtige Rolle in der modernen Algebra, alleProblemstellungen lassen sich daher aufgrund dieser Eigenschaft auch bezüglich Origami konstruierba-rer Punkte stellen, z.B. ob das Theorem von Mordell-Weil ([Cas95, 13, Theorem 1]) auch für Origamikonstruierbare Punkte gilt. Eine Betrachtung dahingehend scheint sinnvoll, da sich mögliche Rückschlüs-se auf rationale Punkte ziehen lassen könnten.

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