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Konvergenzbericht Juni 2016

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Konvergenzbericht

Juni 2016

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 1

Inhalt

1 Einleitung 2

2 Analyseschema 4

2.1 Wirtschaftliche Konvergenz 4

Kasten 1 Preisentwicklung 6

Kasten 2 Entwicklung der öffentlichen Finanzen 8

Kasten 3 Wechselkursentwicklung 12

Kasten 4 Entwicklung des langfristigen Zinssatzes 13

Kasten 5 Sonstige einschlägige Faktoren 15

2.2 Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den

Verträgen 17

3 Stand der wirtschaftlichen Konvergenz 46

3.1 Das Kriterium der Preisstabilität 51

3.2 Das Kriterium der öffentlichen Finanzen 53

3.3 Das Wechselkurskriterium 54

3.4 Das Kriterium des langfristigen Zinssatzes 55

3.5 Sonstige einschlägige Faktoren 56

4 Zusammenfassung der Länderprüfung 62

4.1 Bulgarien 62

4.2 Tschechische Republik 63

4.3 Kroatien 64

4.4 Ungarn 66

4.5 Polen 67

4.6 Rumänien 68

4.7 Schweden 70

Abkürzungen 72

Die deutsche Übersetzung des EZB-Konvergenzberichts 2016 umfasst folgende

Kapitel: Einleitung, Analyseschema, Stand der wirtschaftlichen Konvergenz und

Zusammenfassung der Länderprüfung. Weitere Informationen können der

vollständigen englischen Sprachfassung des Berichts entnommen werden. Diese ist

auf der Website der EZB abrufbar.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 2

1 Einleitung

Seit dem 1. Januar 1999 wurde in insgesamt 19 EU-Mitgliedstaaten der Euro

eingeführt; dieser Bericht beschäftigt sich mit sieben der neun EU-Länder, die

der gemeinsamen Währung noch nicht beigetreten sind. Zwei dieser neun

Länder, nämlich Dänemark und das Vereinigte Königreich, haben erklärt, dass sie

nicht an der dritten Stufe der WWU teilnehmen würden. Infolgedessen müssen für

diese beiden Mitgliedstaaten der EU Konvergenzberichte nur auf deren Antrag

vorgelegt werden. Da keines der beiden Länder einen solchen Antrag eingereicht

hat, werden im vorliegenden Konvergenzbericht sieben Länder untersucht:

Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und

Schweden. Diese sieben Länder sind gemäß dem Vertrag über die Arbeitsweise der

Europäischen Union (nachstehend „AEUV“)1 verpflichtet, den Euro einzuführen, und

müssen sich daher bemühen, sämtliche Konvergenzkriterien zu erfüllen.

Mit der Vorlage dieses Berichts erfüllt die EZB die Vorgaben von Artikel 140

des AEUV. Demnach haben die EZB und die Europäische Kommission dem Rat der

Europäischen Union (EU-Rat) mindestens alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU-

Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, zu berichten, „inwieweit die

Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung der

Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen

sind“. Die sieben im vorliegenden Bericht betrachteten Länder wurden im Rahmen

des regelmäßigen Zweijahreszyklus untersucht. Die Europäische Kommission hat

ebenfalls einen Bericht erstellt, der dem EU-Rat gleichzeitig mit dem

Konvergenzbericht der EZB vorgelegt wird.

Die EZB verwendet in diesem Bericht das Analyseschema aus ihren früheren

Konvergenzberichten. Sie prüft, ob die sieben betreffenden Länder ein hohes Maß

an dauerhafter wirtschaftlicher Konvergenz erreicht haben, ob die innerstaatlichen

Rechtsvorschriften mit den Verträgen sowie der Satzung des Europäischen Systems

der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (ESZB-Satzung) vereinbar

sind und ob die rechtlichen Anforderungen eingehalten werden, die erfüllt sein

müssen, damit die entsprechende NZB integraler Bestandteil des Eurosystems

werden kann.

Die Prüfung des wirtschaftlichen Konvergenzprozesses hängt entscheidend

von der Qualität und Integrität der zugrunde liegenden Statistiken ab. Die

Aufbereitung und Meldung statistischer Daten, insbesondere von Daten zur

Finanzlage der öffentlichen Haushalte, darf nicht politischen Überlegungen oder

politischer Einflussnahme unterliegen. Die Mitgliedstaaten der EU wurden gebeten,

der Qualität und Integrität ihrer Statistiken hohe Priorität beizumessen, die

Absicherung der Datenaufbereitung durch umfassende Kontrollen zu gewährleisten

und Mindeststandards bei der Erstellung der Statistiken anzuwenden. Diese

Standards sind von größter Bedeutung, um die Unabhängigkeit, Integrität und

Rechenschaftspflicht der nationalen Statistikämter sowie das Vertrauen in die

1 Siehe auch die Abgrenzung von „Treaty“ und „Treaties“ im Glossar der englischen Gesamtfassung des

Konvergenzberichts.

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Qualität der Statistiken zu den öffentlichen Finanzen zu stärken (siehe Kapitel 6 in

der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Außerdem ist zu beachten, dass seit dem 4. November 20142 jedes Land, für

das die Ausnahmeregelung aufgehoben worden ist, spätestens am Tag der

Einführung des Euro auch dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single

Supervisory Mechanism – SSM) beitreten muss. Ab diesem Zeitpunkt gelten

dann für diesen Mitgliedstaat sämtliche aus dem SSM erwachsenden Rechte und

Pflichten. Es ist daher unabdingbar, dass die erforderlichen Vorbereitungen getroffen

werden. Insbesondere werden die Bankensysteme der Mitgliedstaaten, die dem

Euro-Währungsgebiet und somit dem SSM beitreten, einer umfassenden Bewertung

unterzogen.3

Der Bericht gliedert sich wie folgt: In Kapitel 2 wird das für die Prüfung der

wirtschaftlichen und rechtlichen Konvergenz verwendete Analyseschema

beschrieben. Kapitel 3 liefert eine Querschnittsbetrachtung der wichtigsten Aspekte

der wirtschaftlichen Konvergenz. Kapitel 4 enthält die Länderzusammenfassungen,

in denen die Hauptergebnisse der Prüfung der wirtschaftlichen und rechtlichen

Konvergenz dargestellt werden. In Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung wird der

Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den sieben betrachteten EU-

Mitgliedstaaten eingehender analysiert, und in Kapitel 6 wird ein Überblick über die

Konvergenzindikatoren sowie über die statistische Methode zu deren Erstellung

gegeben. In Kapitel 7 der Gesamtfassung wird schließlich geprüft, inwieweit die

innerstaatlichen Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten einschließlich der Satzung

der jeweiligen NZB mit Artikel 130 und 131 AEUV vereinbar sind.

2 An diesem Tag übernahm die EZB die ihr übertragenen Aufgaben nach Artikel 33 Absatz 2 Verordnung

(EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im

Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank. 3 Siehe Erwägungsgrund 10 der Verordnung EZB/2014/17 der Europäischen Zentralbank vom

16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der

Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten

Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung).

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2 Analyseschema

2.1 Wirtschaftliche Konvergenz

Um den Stand der wirtschaftlichen Konvergenz in den EU-Mitgliedstaaten zu

prüfen, die den Euro einführen möchten, verwendet die EZB ein einheitliches

Analyseschema. Dieses Analyseschema, das in allen Konvergenzberichten des

Europäischen Währungsinstituts (EWI) und der EZB konsistent angewandt wurde,

stützt sich zum einen auf die Bestimmungen des AEUV und deren Anwendung durch

die EZB in Bezug auf die Entwicklung der Preise, der Finanzierungssalden und

Schuldenquoten, der Wechselkurse und der langfristigen Zinssätze sowie sonstiger

Faktoren, die für die wirtschaftliche Integration und Konvergenz relevant sind. Zum

anderen basiert es auf einer Reihe zusätzlicher vergangenheitsbezogener und

zukunftsorientierter Wirtschaftsindikatoren, die für eine genauere Prüfung der

Dauerhaftigkeit der Konvergenz zweckmäßig erscheinen. Die Untersuchung des

betreffenden Mitgliedstaats auf Basis aller dieser Faktoren ist von Bedeutung, um zu

gewährleisten, dass dessen Integration in den Euroraum ohne größere Probleme

vonstattengehen kann. In den Kästen 1 bis 5 werden die rechtlichen Bestimmungen

kurz zusammengefasst und methodische Einzelheiten zur Anwendung dieser

Bestimmungen durch die EZB erläutert.

Um die Kontinuität und Gleichbehandlung sicherzustellen, baut der

vorliegende Bericht auf Prinzipien auf, die in früheren von der EZB (und davor

vom EWI) veröffentlichten Berichten erläutert wurden. Insbesondere legt die

EZB bei der Anwendung der Konvergenzkriterien eine Reihe von Leitprinzipien

zugrunde. Erstens werden die einzelnen Kriterien strikt ausgelegt und angewandt.

Dahinter steht die Überlegung, dass der Zweck der Kriterien im Wesentlichen darin

liegt, sicherzustellen, dass nur diejenigen Mitgliedstaaten, die der Gewährleistung

von Preisstabilität und dem Zusammenhalt des Euro-Währungsgebiets förderliche

wirtschaftliche Bedingungen aufweisen, diesem beitreten können. Zweitens bilden

die Konvergenzkriterien ein kohärentes und integriertes Ganzes und müssen

insgesamt erfüllt werden; der AEUV führt die Kriterien gleichberechtigt auf und legt

keine Rangordnung nahe. Drittens müssen die Konvergenzkriterien auf Grundlage

der Ist-Daten erfüllt werden. Viertens sollte die Anwendung der Konvergenzkriterien

auf konsistente, transparente und einfache Weise erfolgen. Außerdem ist bei der

Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien von zentraler Bedeutung, ob

diese dauerhaft und nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt eingehalten werden.

Aus diesem Grund beschäftigen sich die Länderberichte ausführlich mit der

Dauerhaftigkeit der Konvergenz.

Die Wirtschaftsentwicklung wird daher in den betreffenden Ländern im

Rückblick betrachtet, und zwar vor allem unter Bezugnahme auf die

vergangenen zehn Jahre. So lässt sich exakter bestimmen, inwieweit die aktuellen

Fortschritte auf echte strukturelle Anpassungen zurückzuführen sind, wodurch sich

wiederum die Dauerhaftigkeit der wirtschaftlichen Konvergenz besser einschätzen

lassen sollte.

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Zudem wird, soweit dies zweckmäßig erscheint, eine vorausschauende

Perspektive eingenommen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere der

Tatsache Rechnung getragen, dass die Nachhaltigkeit einer günstigen

Wirtschaftsentwicklung entscheidend von angemessenen und dauerhaften

politischen Maßnahmen zur Bewältigung bestehender und zukünftiger

Herausforderungen abhängt. Zur Förderung eines mittel- bis langfristig nachhaltigen

Wachstums spielen überdies gute Führungsstrukturen, handlungsfähige Institutionen

und tragfähige öffentliche Finanzen eine wichtige Rolle. Insgesamt ist

hervorzuheben, dass für die Gewährleistung einer dauerhaften wirtschaftlichen

Konvergenz die Erreichung einer soliden Ausgangsposition, das Vorhandensein

handlungsfähiger Institutionen und die Verfolgung eines angemessenen politischen

Kurses nach Einführung des Euro von entscheidender Bedeutung sind.

Das einheitliche Schema wird separat auf die sieben zu prüfenden EU-

Mitgliedstaaten angewandt. Diese Prüfungen, die auf die Entwicklung in den

jeweiligen Mitgliedstaaten abstellen, sind im Einklang mit den Bestimmungen von

Artikel 140 AEUV gesondert zu betrachten.

Redaktionsschluss für die in diesem Konvergenzbericht enthaltenen

Statistiken war der 18. Mai 2016. Die bei der Anwendung der Konvergenzkriterien

herangezogenen statistischen Daten wurden von der Europäischen Kommission (im

Fall der Wechselkurse und Langfristzinsen in Zusammenarbeit mit der EZB) zur

Verfügung gestellt (siehe auch Kapitel 6 sowie die Tabellen und Abbildungen in der

englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts). Die Konvergenzdaten zur

Entwicklung der Preise und langfristigen Zinssätze decken den Zeitraum bis

April 2016 ab, dem letzten Monat, für den Zahlen zu den HVPIs verfügbar waren.

Monatswerte zu den Wechselkursen liegen ebenfalls bis April 2016 vor. Historische

Daten zur Lage der öffentlichen Finanzen erstrecken sich auf den Zeitraum bis 2015.

Herangezogen werden auch Prognosen verschiedener Quellen, das jüngste

Konvergenzprogramm des jeweiligen Mitgliedstaats sowie andere Informationen, die

für eine in die Zukunft gerichtete Prüfung der Dauerhaftigkeit der Konvergenz wichtig

sind. Die Frühjahrsprognose 2016 der Europäischen Kommission und der

Warnmechanismus-Bericht 2016, die im vorliegenden Bericht berücksichtigt werden,

wurden am 4. Mai 2016 bzw. am 26. November 2015 veröffentlicht. Am 31. Mai 2016

wurde der vorliegende Konvergenzbericht vom Erweiterten Rat der EZB

verabschiedet.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Preisentwicklung und deren

Anwendung durch die EZB sind in Kasten 1 dargelegt.

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Kasten 1

Preisentwicklung

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des

Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist.

Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Erreichung eines hohen Grades an Preisstabilität, ersichtlich aus einer Inflationsrate, die der

Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten nahe kommt, die auf dem Gebiet der

Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“.

Artikel 1 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Vertrags über die Arbeitsweise der

Europäischen Union genannte Kriterium der Preisstabilität bedeutet, dass ein Mitgliedstaat eine

anhaltende Preisstabilität und eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene

durchschnittliche Inflationsrate aufweisen muss, die um nicht mehr als 1 ½ Prozentpunkte über der

Inflationsrate jener – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität

das beste Ergebnis erzielt haben. Die Inflation wird anhand des Verbraucherpreisindexes auf

vergleichbarer Grundlage unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Definitionen in den

einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:

Erstens wurde im Hinblick auf „eine während des letzten Jahres vor der Prüfung gemessene

durchschnittliche Inflationsrate“ die Teuerungsrate anhand der Veränderung des letzten

verfügbaren Zwölfmonatsdurchschnitts des HVPI gegenüber dem Zwölfmonatsdurchschnitt der

Vorperiode berechnet. Der für diesen Bericht maßgebliche Referenzzeitraum für die Inflationsrate

erstreckt sich somit von Mai 2015 bis April 2016.

Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der

Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert

das ungewichtete arithmetische Mittel der Teuerungsraten folgender drei Mitgliedstaaten

herangezogen wurde: Bulgarien (-1,0 %), Slowenien (-0,8 %), und Spanien (-0,6 %). Folglich liegt

die durchschnittliche Rate bei -0,8 % und der Referenzwert – nach Addition von

1 ½ Prozentpunkten – bei 0,7 %. Dabei ist zu beachten, dass die Inflationsentwicklung eines

Landes gemäß dem Vertrag in Relation zur Entwicklung in anderen Mitgliedstaaten untersucht wird.

Somit trägt das Kriterium der Preisstabilität dem Umstand Rechnung, dass allgemeine Schocks (die

etwa von der internationalen Rohstoffpreisentwicklung herrühren) dazu führen können, dass die

Inflation zeitweilig von den Inflationszielen der Zentralbanken abweicht.

Die Inflationsraten Zyperns und Rumäniens wurden bei der Berechnung des Referenzwerts nicht

berücksichtigt. In diesen Ländern lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate im April 2016

bei -1,8 % bzw. -1,3 %. Sie wurden bei der Berechnung des Referenzwerts als „Ausnahmen“

behandelt, da die Inflationsraten in beiden Ländern im Referenzzeitraum aufgrund

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außergewöhnlicher Faktoren deutlich niedriger ausfielen als die vergleichbaren Raten in anderen

Mitgliedstaaten. Zypern befindet sich in einer außerordentlich tiefen Rezession, mit dem Ergebnis,

dass sein Preisauftrieb durch eine außergewöhnlich große negative Produktionslücke gedämpft

wurde. In Rumänien wird die Preisentwicklung stark durch die jüngste schrittweise

Mehrwertsteuersenkung beeinflusst, die dafür sorgt, dass die HVPI-Inflation im negativen Bereich

bleibt.

Das Konzept der „Ausnahme“ wurde bereits in früheren Konvergenzberichten der EZB (siehe

beispielsweise die Konvergenzberichte 2012, 2013 und 2014) sowie in den Konvergenzberichten

des EWI behandelt. Entsprechend diesen Berichten trifft das Konzept der „Ausnahme“ dann auf

einen Mitgliedstaat zu, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens liegt der

Zwölfmonatsdurchschnitt seiner Inflationsrate deutlich unterhalb der vergleichbaren Raten der

anderen Mitgliedstaaten, und zweitens wurde seine Preisentwicklung erheblich durch

außergewöhnliche Faktoren beeinflusst. Zur Identifizierung von Ausnahmen wird kein

mechanischer Ansatz herangezogen, sondern es wurde ein Ansatz eingeführt, der angemessen auf

potenzielle signifikante Verzerrungen der Inflationsentwicklung in einzelnen Ländern reagiert.

Die Teuerung wurde auf der Grundlage des HVPI gemessen, der entwickelt wurde, um die

Konvergenz im Hinblick auf die Preisstabilität auf vergleichbarer Grundlage beurteilen zu können

(siehe Kapitel 6 Abschnitt 2 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Der Durchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate im zwölfmonatigen

Berichtszeitraum von Mai 2015 bis April 2016 wird der Inflationsdynamik

gegenübergestellt, die in den letzten zehn Jahren im betreffenden Land zu

beobachten war. Dies ermöglicht eine genauere Beurteilung der Nachhaltigkeit der

Preisentwicklung im untersuchten Land. Dabei werden der geldpolitische Kurs –

insbesondere die Frage, ob die Geldpolitik vorrangig auf das Erreichen und die

Gewährleistung von Preisstabilität ausgerichtet ist – sowie der Beitrag, den andere

Bereiche der Wirtschaftspolitik zur Erreichung dieses Ziels geleistet haben,

eingehend untersucht. Darüber hinaus wird die Bedeutung des

gesamtwirtschaftlichen Umfelds für die Erreichung von Preisstabilität berücksichtigt.

Die Preisentwicklung wird unter dem Aspekt von Angebots- und

Nachfragebedingungen untersucht, wobei der Schwerpunkt unter anderem auf

Faktoren liegt, welche die Lohnstückkosten sowie die Importpreise beeinflussen.

Schließlich wird auch die trendmäßige Entwicklung anderer relevanter Preisindizes

berücksichtigt. Vorausblickend wird zu den für die nächsten Jahre zu erwartenden

Inflationsentwicklungen, einschließlich der Prognosen wichtiger internationaler

Organisationen und der Marktteilnehmer, Stellung genommen. Ferner werden

institutionelle und strukturelle Aspekte erörtert, die für die Gewährleistung eines der

Preisstabilität förderlichen Umfelds nach der Einführung des Euro von Bedeutung

sind.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung der

öffentlichen Finanzen und deren Anwendung durch die EZB sowie

Verfahrensfragen sind in Kasten 2 dargelegt.

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Kasten 2

Entwicklung der öffentlichen Finanzen

1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen

Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des

Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist.

Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

„eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand, ersichtlich aus einer öffentlichen

Haushaltslage ohne übermäßiges Defizit im Sinne des Artikels 126 Absatz 6“.

Artikel 2 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium

der Finanzlage der öffentlichen Hand bedeutet, dass zum Zeitpunkt der Prüfung kein Beschluss des

Rates nach Artikel 126 Absatz 6 des genannten Vertrags vorliegt, wonach in dem betreffenden

Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.“

Artikel 126 regelt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit. Gemäß Artikel 126 Absatz 2 und 3

erstellt die Europäische Kommission einen Bericht, wenn ein Mitgliedstaat die Anforderungen an

die Haushaltsdisziplin nicht erfüllt, insbesondere wenn

1. das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum BIP einen

bestimmten Referenzwert (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf

3 % festgelegt) überschreitet, es sei denn, dass

(a) entweder das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der

Nähe des Referenzwerts erreicht hat

(b) oder der Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten wird und

das Verhältnis in der Nähe des Referenzwerts bleibt,

2. das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP einen bestimmten Referenzwert

überschreitet (im Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit auf 60 % des

BIP festgelegt), es sei denn, dass das Verhältnis hinreichend rückläufig ist und sich rasch

genug dem Referenzwert nähert.

Darüber hinaus ist in dem Bericht der Europäischen Kommission zu berücksichtigen, ob das

öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen überschreitet; berücksichtigt werden

ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und

Haushaltslage des Mitgliedstaats. Die Kommission kann ferner einen Bericht erstellen, wenn sie

ungeachtet der Erfüllung der Kriterien der Auffassung ist, dass in einem Mitgliedstaat die Gefahr

eines übermäßigen Defizits besteht. Der Wirtschafts- und Finanzausschuss gibt eine

Stellungnahme zu dem Bericht der Europäischen Kommission ab. Dann beschließt nach Artikel 126

Absatz 6 der Rat mit qualifizierter Mehrheit (ohne die Stimme des betroffenen Mitgliedstaats) auf

Empfehlung der Kommission und unter Berücksichtigung der Bemerkungen, die der betreffende

Mitgliedstaat gegebenenfalls abzugeben wünscht, nach Prüfung der Gesamtlage, ob in einem

Mitgliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht.

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Die Bestimmungen von Artikel 126 AEUV werden durch Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates4,

geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1177/20115, unter anderem hinsichtlich der folgenden Punkte

konkretisiert:

Die Gleichrangigkeit des Schuldenstandskriteriums mit dem Defizitkriterium wird bekräftigt,

indem Ersteres operationalisiert wird, wobei eine Übergangsfrist von drei Jahren für Länder

gewährt wird, welche vor 2011 eingeleitet wurden. Artikel 2 Absatz 1a der Verordnung legt

fest: Wenn das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert

überschreitet, so kann davon ausgegangen werden, dass das Verhältnis hinreichend

rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert, wenn sich als Richtwert der

Abstand zum Referenzwert in den letzten drei Jahren jährlich durchschnittlich um ein

Zwanzigstel verringert hat – bezogen auf die Veränderungen während der letzten drei Jahre,

für die die Angaben verfügbar sind. Die Anforderung des Schuldenstandskriteriums gilt

ebenfalls als erfüllt, wenn die geforderte Verringerung des Abstands der

Haushaltsvorausschätzung der Kommission zufolge innerhalb eines bestimmten

Dreijahreszeitraums eintreten wird. Bei der Umsetzung des Richtwerts für die Rückführung der

Schuldenquote wird der Einfluss der Konjunktur auf das Tempo des Schuldenabbaus

berücksichtigt.

Ferner werden die einschlägigen Faktoren konkretisiert, die die Kommission bei der Erstellung

eines Berichts nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV berücksichtigt. Vor allem wird eine Reihe von

Faktoren genannt, die für die Beurteilung der mittelfristigen Entwicklung von Wirtschaft,

öffentlichen Haushalten und Schuldenstand als einschlägig eingestuft werden (siehe Artikel 2

Absatz 3 der genannten Verordnung sowie im Folgenden eine genauere Beschreibung der

darauf gründenden Analyse der EZB).

Darüber hinaus wurde am 2. März 2012 der auf den Bestimmungen des gestärkten Stabilitäts- und

Wachstumspakts beruhende Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der

Wirtschafts- und Währungsunion (SKS-Vertrag) durch 25 EU-Mitgliedstaaten (alle EU-Staaten mit

Ausnahme des Vereinigten Königreichs, der Tschechischen Republik und Kroatiens) unterzeichnet,

der am 1. Januar 2013 in Kraft trat.6 Titel III (der sogenannte Fiskalpakt) enthält unter anderem eine

verbindliche Haushaltsregel, mit der sichergestellt werden soll, dass der gesamtstaatliche Haushalt

ausgeglichen ist oder einen Überschuss aufweist. Diese Regel gilt als eingehalten, wenn der

jährliche strukturelle Finanzierungssaldo dem länderspezifischen mittelfristigen Haushaltsziel

entspricht und das strukturelle Defizit nicht mehr als 0,5 % des BIP beträgt. Liegt die öffentliche

Schuldenquote erheblich unter 60 % und sind die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der

öffentlichen Finanzen gering, so darf das mittelfristige Haushaltsziel ein strukturelles Defizit von

maximal 1 % des BIP vorsehen. Der SKS-Vertrag beinhaltet auch die in EU-Ratsverordnung

Nr. 1177/20117 (zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates) erwähnte Regelung

zum Richtwert für die Verringerung des öffentlichen Schuldenstands. Die Unterzeichnerstaaten

4 Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über die Beschleunigung und Klärung des

Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 6). 5 Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG)

Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (ABl.

L 306 vom 23.11.2011, S. 33). 6 Der SKS-Vertrag findet auch auf die ratifizierenden Mitgliedstaaten mit Ausnahmeregelung ab dem Tag

Anwendung, an dem der Beschluss zur Aufhebung der Ausnahmeregelung wirksam wird, es sei denn,

der betreffende Mitgliedstaat erklärt, dass er zu einem früheren Zeitpunkt an alle oder einige

Bestimmungen des SKS-Vertrags gebunden sein will. 7 Verordnung (EU) Nr. 1177/2011 des Rates vom 8. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG)

Nr. 1467/97 über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit

(ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 33).

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müssen die festgelegten Haushaltsregeln einschließlich eines automatischen, im Fall von

Abweichungen vom Haushaltsziel greifenden Korrekturmechanismus in ihren Verfassungen oder

auf einer gleichwertigen rechtlichen Ebene, die über den Rang des jährlichen Haushaltsgesetzes

hinausgeht, verankern.

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Die EZB bringt zum Zweck der Konvergenzprüfung ihre Auffassung zur Entwicklung der

öffentlichen Finanzen zum Ausdruck. Mit Blick auf die Tragfähigkeit prüft die EZB die wichtigsten

Indikatoren der Entwicklung der öffentlichen Finanzen von 2006 bis 2015 sowie die Aussichten und

die Herausforderungen für die öffentlichen Finanzen und befasst sich besonders mit dem

Zusammenhang zwischen Defiziten und Schuldenentwicklung. Der vorliegende Bericht enthält auch

eine Analyse der EZB hinsichtlich der Wirksamkeit der nationalen Haushaltsregeln nach Artikel 2

Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates sowie nach

Richtlinie 2011/85/EU des Rates.8 Darüber hinaus soll mit der in Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung

(EG) Nr. 1466/97 des Rates9 – in der durch EU-Ratsverordnung Nr. 1175/2011 geänderten

Fassung – enthaltenen Regel zum Richtwert für die Staatsausgaben die solide Finanzierung von

Ausgabensteigerungen gewährleistet werden. So sollen unter anderem EU-Mitgliedstaaten, die ihr

mittelfristiges Haushaltsziel noch nicht erreicht haben, sicherstellen, dass das jährliche Wachstum

der einschlägigen Primärausgaben eine mittelfristige Referenzrate des Potenzialwachstums nicht

übersteigt, falls nicht eine Überschreitung durch diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen

ausgeglichen wird. Die EZB berichtet über die jüngste von der Europäischen Kommission

vorgenommene Bewertung der Einhaltung der Ausgabenregel durch die Mitgliedstaaten. In Bezug

auf Artikel 126 AEUV ist die EZB im Gegensatz zur Europäischen Kommission nicht formell in das

Verfahren bei einem übermäßigen Defizit eingebunden. Folglich gibt die EZB in ihrem Bericht

lediglich an, ob für das Land ein solches Verfahren eröffnet wurde.

Im Hinblick auf die Bestimmung des AEUV, wonach eine Schuldenquote von mehr als 60 %

„hinreichend rückläufig“ sein und „sich rasch genug dem Referenzwert“ nähern muss, untersucht

die EZB die vergangene und künftige Entwicklung der Schuldenquote. Für Mitgliedstaaten, deren

Schuldenquote über dem Referenzwert liegt, fügt die EZB die jüngste Beurteilung der Europäischen

Kommission über die Einhaltung des Richtwerts für die Schuldensenkung gemäß Artikel 2

Absatz 1a der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates an.

Die Prüfung der Entwicklung der öffentlichen Finanzen stützt sich auf Daten in der Abgrenzung der

Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die gemäß dem Europäischen System

Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 ermittelt wurden (siehe Kapitel 6 in der englischen

Gesamtfassung des Konvergenzberichts). Die meisten Zahlen, die im vorliegenden Bericht genannt

werden, wurden im April 2016 von der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellt und

beziehen sich auf die Finanzlage des Staatssektors von 2006 bis 2015 sowie auf Prognosen der

Europäischen Kommission für 2016 bis 2017.

8 Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die

haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41). 9 Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen

Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (ABl. L 209 vom

2.8.1997, S. 1).

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 11

Hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen werden die

Ergebnisse des Referenzjahres 2015 den Entwicklungen im untersuchten Land

in den vergangenen zehn Jahren gegenübergestellt. Zunächst wird die

Entwicklung der Defizitquote untersucht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die

Veränderung der jährlichen Defizitquote eines Landes für gewöhnlich von einer

Vielzahl von Bestimmungsfaktoren beeinflusst wird. Diese Einflussgrößen lassen

sich in konjunkturelle Faktoren, die die Auswirkungen von Veränderungen des

Konjunkturzyklus auf das Defizit widerspiegeln, und nichtkonjunkturelle Faktoren, die

oft als Ausdruck struktureller oder dauerhafter Anpassungen des finanzpolitischen

Kurses angesehen werden, unterteilen. Diese nichtkonjunkturellen Faktoren, wie sie

im vorliegenden Bericht beziffert werden, spiegeln jedoch nicht zwangsläufig

ausschließlich eine strukturelle Veränderung der Finanzlage des Staates wider, da

sich darin auch die Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Sonderfaktoren

mit zeitlich begrenzter Wirkung auf den Haushaltssaldo niederschlagen. Tatsächlich

ist es angesichts der Unsicherheit bezüglich des Niveaus und der Zuwachsrate des

Produktionspotenzials besonders schwierig zu beurteilen, wie sich die strukturellen

Haushaltspositionen im Verlauf der Krise veränderten.

In einem weiteren Schritt wird die Entwicklung der öffentlichen Schuldenquote

in diesem Zeitraum betrachtet, und es werden die Bestimmungsfaktoren dieser

Entwicklung untersucht. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem

nominalen BIP-Wachstum und den Zinssätzen, den Primärsaldo sowie

Veränderungen der Schuldenquote durch Vorgänge, die nicht in der Defizitquote

erfasst werden (Deficit-Debt-Adjustments). Daraus können sich weitere Erkenntnisse

ergeben, inwieweit das gesamtwirtschaftliche Umfeld – insbesondere das

Zusammenspiel von Wachstum und Zinsen – die Verschuldungsdynamik beeinflusst

hat. Diese Untersuchung kann auch Informationen darüber liefern, welchen Beitrag

die aus dem Primärsaldo ersichtlichen Anstrengungen zur Konsolidierung der

öffentlichen Finanzen geleistet und welche Rolle in den Deficit-Debt-Adjustments

enthaltene Sonderfaktoren gespielt haben. Darüber hinaus wird die Struktur der

öffentlichen Verschuldung betrachtet, wobei das Hauptaugenmerk auf den Anteil der

Schulden mit kurzer Laufzeit und in fremder Währung sowie deren Entwicklung

gerichtet ist. Durch den Vergleich dieser Anteile mit dem jeweiligen Schuldenstand

kann die Reagibilität der Finanzierungssalden auf Veränderungen der Wechselkurse

und Zinssätze herausgestellt werden.

Vorausblickend geht der Bericht auf die Haushaltspläne der Länder sowie die

jüngsten Prognosen der Europäischen Kommission für 2016 bis 2017 ein, und

auch die mittelfristige finanzpolitische Strategie, wie sie im

Konvergenzprogramm zum Ausdruck kommt, wird untersucht. Hierzu gehört

die Beurteilung der Frage, ob das nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt

festgelegte mittelfristige Haushaltsziel des betreffenden Landes den Prognosen

zufolge erreicht wird. Gleichzeitig werden die Aussichten für die Schuldenquote auf

der Grundlage der gegenwärtigen Finanzpolitik bewertet. Schließlich werden die

langfristigen Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und

die wichtigsten Bereiche für künftige Konsolidierungsmaßnahmen hervorgehoben.

Hier sind insbesondere die umlagefinanzierten staatlichen Alterssicherungssysteme

im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel sowie die besonders während

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 12

der Finanz- und Wirtschaftskrise von der öffentlichen Hand eingegangenen

Eventualverbindlichkeiten zu nennen. Im Einklang mit den bisher praktizierten

Verfahren umfasst die oben beschriebene Untersuchung auch die meisten der

einschlägigen Faktoren, die in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97

des Rates aufgeführt werden (siehe hierzu Kasten 2).

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Wechselkursentwicklung

und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 3 dargelegt.

Kasten 3

Wechselkursentwicklung

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des

Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist.

Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Einhaltung der normalen Bandbreiten des Wechselkursmechanismus des Europäischen

Währungssystems seit mindestens zwei Jahren ohne Abwertung gegenüber dem Euro“.

Artikel 3 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der

Teilnahme am Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems bedeutet, dass ein

Mitgliedstaat die im Rahmen des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems

vorgesehenen normalen Bandbreiten zumindest in den letzten zwei Jahren vor der Prüfung ohne

starke Spannungen eingehalten haben muss. Insbesondere darf er den bilateralen Leitkurs seiner

Währung innerhalb des gleichen Zeitraums gegenüber dem Euro nicht von sich aus abgewertet

haben.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Im Hinblick auf die Wechselkursstabilität untersucht die EZB, ob ein Mitgliedstaat vor der

Konvergenzprüfung mindestens zwei Jahre ohne starke Spannungen am WKM II (der im Januar

1999 den WKM ablöste) teilgenommen hat, insbesondere ohne Abwertung gegenüber dem Euro. In

Fällen einer kürzeren Teilnahme wird die Wechselkursentwicklung für einen zweijährigen

Beobachtungszeitraum beschrieben.

Die Prüfung der Wechselkursstabilität gegenüber dem Euro konzentriert sich darauf, ob der

Wechselkurs in der Nähe des WKM-II-Leitkurses gelegen hat, berücksichtigt aber auch Faktoren,

die zu einer Aufwertung geführt haben könnten. Dies steht im Einklang mit dem in der

Vergangenheit verfolgten Ansatz. In diesem Zusammenhang beeinflusst die

Schwankungsbandbreite im WKM II nicht die Prüfung des Kriteriums der Wechselkursstabilität.

Darüber hinaus werden zur Feststellung, ob „starke Spannungen“ vorliegen, allgemein a) die

Abweichung der Wechselkurse von den WKM-II-Leitkursen gegenüber dem Euro untersucht,

b) Indikatoren wie die Wechselkursvolatilität gegenüber dem Euro und ihre Entwicklung sowie

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 13

Zinsdifferenzen im kurzfristigen Bereich gegenüber dem Euro-Währungsgebiet und ihre

Entwicklung herangezogen, c) Devisenmarktinterventionen berücksichtigt und d) die Bedeutung

internationaler Finanzhilfeprogramme für die Stabilisierung der Währung erwogen.

Der für diesen Bericht maßgebliche Beobachtungszeitraum erstreckt sich vom 19. Mai 2014 bis

zum 18. Mai 2016. Bei allen bilateralen Wechselkursen handelt es sich um offizielle Referenzkurse

der EZB (siehe Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Neben der Teilnahme am WKM II und einer Untersuchung der Entwicklung des

nominalen Wechselkurses gegenüber dem Euro im Beobachtungszeitraum

werden auch Daten in Bezug auf die Tragfähigkeit des aktuellen

Wechselkurses beleuchtet. Dazu wird die Entwicklung der realen effektiven

Wechselkurse, der Leistungsbilanz, der Vermögensübertragungen und der

Kapitalbilanz herangezogen. Auch die längerfristige Entwicklung der

Bruttoauslandsverschuldung und des Netto-Auslandsvermögensstatus wird

untersucht. Ferner wird im Abschnitt zur Wechselkursentwicklung der Grad der

Integration eines Landes in das Euro-Währungsgebiet geprüft, wobei sowohl die

Integration im Bereich des Außenhandels (Ausfuhren und Einfuhren) als auch die

Finanzmarktintegration als Messgrößen dienen. Schließlich wird im Abschnitt zur

Wechselkursentwicklung gegebenenfalls dargelegt, ob das geprüfte Land von

Liquiditätshilfen von Zentralbanken oder Zahlungsbilanzunterstützung (entweder auf

bilateraler oder auf multilateraler Ebene unter Einbindung des IWF und/oder der EU)

profitiert hat. Hierbei werden sowohl eine tatsächliche als auch eine vorsorgliche

Unterstützung, einschließlich vorsorglicher Mittelbereitstellungen zum Beispiel im

Rahmen der Flexiblen Kreditlinie des IWF, berücksichtigt.

Die rechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklung des

langfristigen Zinssatzes und deren Anwendung durch die EZB sind in Kasten 4

dargelegt.

Kasten 4

Entwicklung des langfristigen Zinssatzes

1. Bestimmungen des AEUV

Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich AEUV fordert, dass im Rahmen des

Konvergenzberichts geprüft wird, ob ein hoher Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht ist.

Maßstab hierfür ist, ob die einzelnen Mitgliedstaaten das folgende Kriterium erfüllen:

die „Dauerhaftigkeit der von dem Mitgliedstaat mit Ausnahmeregelung erreichten Konvergenz und

seiner Teilnahme am Wechselkursmechanismus, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum

Ausdruck kommt“.

Artikel 4 des Protokolls (Nr. 13) über die Konvergenzkriterien legt fest:

„Das in Artikel 140 Absatz 1 vierter Gedankenstrich des genannten Vertrags genannte Kriterium der

Konvergenz der Zinssätze bedeutet, dass im Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung in einem

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 14

Mitgliedstaat der durchschnittliche langfristige Nominalzinssatz um nicht mehr als 2 Prozentpunkte

über dem entsprechenden Satz in jenen – höchstens drei – Mitgliedstaaten liegt, die auf dem

Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Die Zinssätze werden anhand

langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere unter Berücksichtigung

der unterschiedlichen Definitionen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemessen.“

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

In diesem Bericht wendet die EZB die Bestimmungen des AEUV wie folgt an:

Erstens wurde zur Ermittlung des „durchschnittlichen langfristigen Nominalzinssatzes“, der „im

Verlauf von einem Jahr vor der Prüfung“ beobachtet wurde, das arithmetische Mittel der letzten

zwölf Monate herangezogen, für die HVPI-Werte vorlagen. Der für diesen Bericht maßgebliche

Referenzzeitraum erstreckt sich von Mai 2015 bis April 2016.

Zweitens wurde der Vorgabe „höchstens drei [...] Mitgliedstaaten [...], die auf dem Gebiet der

Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben“ Rechnung getragen, indem für den Referenzwert

das ungewichtete arithmetische Mittel der langfristigen Zinssätze der drei Mitgliedstaaten

verwendet wurde, die auch zur Berechnung des Referenzwerts für das Kriterium der Preisstabilität

herangezogen wurden (siehe Kasten 1). Die langfristigen Zinssätze der drei Länder, die auf dem

Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben, betrugen im für diesen Bericht

maßgeblichen Referenzzeitraum 1,7 % (Slowenien), 1,7 % (Spanien) und 2,5 % (Bulgarien).

Folglich liegt der durchschnittliche Zinssatz bei 2,0 % und der Referenzwert – nach Addition von

2 Prozentpunkten – bei 4,0 %. Die Zinssätze wurden auf der Grundlage vorliegender harmonisierter

langfristiger Zinssätze gemessen, die zum Zweck der Konvergenzprüfung ermittelt wurden (siehe

Kapitel 6 in der englischen Gesamtfassung des Konvergenzberichts).

Wie bereits erwähnt, verweist der AEUV explizit auf die „Dauerhaftigkeit der

Konvergenz“, die im Niveau der langfristigen Zinssätze zum Ausdruck kommt.

Die Entwicklung im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 wird daher vor

dem Hintergrund der Entwicklung der langfristigen Zinssätze in den letzten zehn

Jahren (oder in dem Zeitraum, für den Daten vorliegen) und der

Hauptbestimmungsfaktoren für die Zinsdifferenzen gegenüber dem

durchschnittlichen langfristigen Zinssatz im Euro-Währungsgebiet betrachtet. Im

Referenzzeitraum spiegelte der durchschnittliche Langfristzins des Euroraums unter

anderem die hohen länderspezifischen Risikoprämien in mehreren Euro-Ländern

wider. Daher dient auch die Rendite langfristiger Staatsanleihen des Euroraums mit

AAA-Rating (d. h. die Langfristrendite der Zinsstrukturkurve des Euro-

Währungsgebiets für Länder mit AAA-Rating) zu Vergleichszwecken. Als

Hintergrundinformation zu dieser Analyse enthält der vorliegende Bericht auch

Angaben zur Größe und Entwicklung des Finanzmarkts. Dabei werden drei

Indikatoren herangezogen (der Umlauf an von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften

begebenen Schuldverschreibungen, die Aktienmarktkapitalisierung und die MFI-

Kredite an den inländischen privaten Sektor), die zusammengenommen als Maß für

die Größe der Finanzmärkte dienen.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 15

In diesem Bericht müssen laut Artikel 140 Absatz 1 AEUV auch verschiedene

sonstige einschlägige Faktoren berücksichtigt werden (siehe Kasten 5).

Diesbezüglich trat am 13. Dezember 2011 ein verbesserter wirtschaftspolitischer

Steuerungsrahmen gemäß Artikel 121 Absatz 6 AEUV in Kraft, durch den eine

engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der

Wirtschaftsleistungen der EU-Mitgliedstaaten gewährleistet werden soll. In Kasten 5

werden diese Rechtsvorschriften im Überblick dargestellt, und es wird erläutert,

inwieweit die oben genannten zusätzlichen Faktoren im Rahmen der

Konvergenzprüfung der EZB Berücksichtigung finden.

Kasten 5

Sonstige einschlägige Faktoren

1. Bestimmungen des AEUV und anderer Rechtsgrundlagen

Gemäß Artikel 140 Absatz 1 AEUV haben „die Berichte der Kommission und der Europäischen

Zentralbank [...] auch die Ergebnisse bei der Integration der Märkte, den Stand und die Entwicklung

der Leistungsbilanzen, die Entwicklung bei den Lohnstückkosten und andere Preisindizes“ zu

berücksichtigen.

In diesem Sinne trägt die EZB auch dem am 13. Dezember 2011 in Kraft getretenen Gesetzespaket

zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU Rechnung. Gestützt auf Artikel 121 Absatz 6 AEUV

haben das Europäische Parlament und der EU-Rat die Einzelheiten des Verfahrens der

multilateralen Überwachung gemäß Artikel 121 Absatz 3 und Absatz 4 AEUV festgelegt. Die

entsprechenden Regelungen wurden eingeführt, um „eine engere Koordinierung der

Wirtschaftspolitik und eine dauerhafte Konvergenz der Wirtschaftsleistungen der Mitgliedstaaten zu

gewährleisten“ (Artikel 121 Absatz 3), aber auch um der „Notwendigkeit [nachzukommen], Lehren

aus dem ersten Jahrzehnt des Funktionierens der Wirtschafts- und Währungsunion zu ziehen und

insbesondere die wirtschaftspolitische Steuerung in der Union zu verbessern und stärker auf

nationaler Eigenverantwortung aufzubauen.“10

Die Rechtsvorschriften umfassen auch einen

verbesserten Überwachungsrahmen (das Verfahren bei einem makroökonomischen

Ungleichgewicht), der darauf abzielt, übermäßige makroökonomische und makrofinanzielle

Ungleichgewichte zu vermeiden, indem er EU-Mitgliedstaaten, die diesbezüglich Abweichungen

aufweisen, bei der Aufstellung von Korrekturplänen unterstützt, bevor sich Divergenzen verfestigen.

Das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht – mit einem präventiven und einem

korrektiven Teil – gilt für alle EU-Mitgliedstaaten außer für jene, die bereits einer eingehenden

Prüfung unterzogen werden, weil sie an einem internationalen, mit Auflagen verbundenen

Finanzhilfeprogramm teilnehmen. Das obige Verfahren verfügt über einen Warnmechanismus für

die frühzeitige Erkennung von Ungleichgewichten. Ihm zugrunde liegt ein transparentes Scoreboard

von Indikatoren für alle EU-Mitgliedstaaten, das Warnschwellenwerte enthält und das mit einer

ökonomischen Bewertung verbunden ist. Bei dieser Beurteilung sollte unter anderem der nominalen

und realen Konvergenz innerhalb und außerhalb des Euro-Währungsgebiets Rechnung getragen

werden.11

Bei der Bewertung von makroökonomischen Ungleichgewichten sollte angemessen

10 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte,

Erwägungsgrund 2. 11 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1176/2011, Artikel 4 Absatz 4.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 16

berücksichtigt werden, wie schwerwiegend sie sind und welche potenziellen negativen

wirtschaftlichen und finanziellen Ansteckungseffekte sie haben, welche die Anfälligkeit der

Wirtschaft in der Union erhöhen und das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und

Währungsunion bedrohen.12

2. Anwendung der Bestimmungen des AEUV

Im Einklang mit der bisherigen Vorgehensweise werden die in Artikel 140 Absatz 1 AEUV

genannten zusätzlichen Faktoren in Kapitel 5 der englischen Gesamtfassung des

Konvergenzberichts unter der Überschrift der in den Kästen 1 bis 4 beschriebenen Einzelkriterien

untersucht. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass in Kapitel 3 die Scoreboard-

Indikatoren (einschließlich der jeweiligen Warnschwellenwerte) für die in diesem Bericht

untersuchten Länder aufgeführt sind. Damit wird sichergestellt, dass alle Informationen verfügbar

sind, die für eine frühzeitige Erkennung makroökonomischer und makrofinanzieller

Ungleichgewichte, welche das in Artikel 140 Absatz 1 AEUV geforderte Erreichen eines hohen

Grades an dauerhafter Konvergenz behindern können, von Belang sind. Insbesondere bei EU-

Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung, die einem Verfahren bei einem übermäßigen

Ungleichgewicht unterliegen, ist kaum davon auszugehen, dass sie im Einklang mit Artikel 140

Absatz 1 AEUV einen hohen Grad an dauerhafter Konvergenz erreicht haben.

12 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1176/2011, Erwägungsgrund 17.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 17

2.2 Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den

Verträgen

2.2.1 Einleitung

Artikel 140 Absatz 1 AEUV sieht vor, dass die EZB (und die Europäische

Kommission) mindestens einmal alle zwei Jahre bzw. auf Antrag eines

Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung gilt, dem Rat der EU berichtet,

inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der

Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits

nachgekommen sind. Diese Berichte müssen eine Prüfung der Vereinbarkeit der

innerstaatlichen Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten, für die eine

Ausnahmeregelung gilt, einschließlich der Satzung der jeweiligen NZB, mit

Artikel 130 und 131 AEUV sowie mit den entsprechenden Artikeln der ESZB-

Satzung umfassen. Diese den Mitgliedstaaten mit einer Ausnahmeregelung

obliegende Verpflichtung nach dem AEUV wird auch als Verpflichtung zur

„rechtlichen Konvergenz“ bezeichnet. Bei der Prüfung der rechtlichen Konvergenz

muss sich die EZB nicht auf eine formale Beurteilung des Wortlauts der

innerstaatlichen Rechtsvorschriften beschränken, sondern kann auch prüfen, ob die

Umsetzung der betreffenden Rechtsvorschriften dem Geist der Verträge und der

ESZB-Satzung entspricht. Der EZB geben insbesondere Anzeichen dafür, dass auf

die Beschlussorgane der NZB eines Mitgliedstaats Druck ausgeübt wird, Anlass zur

Sorge, da dies dem Geist des AEUV im Hinblick auf die Zentralbankunabhängigkeit

widerspräche. Die EZB sieht auch die Notwendigkeit, dass die Beschlussorgane der

NZBen reibungslos und kontinuierlich funktionieren. Diesbezüglich sind die

zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats insbesondere verpflichtet, dafür zu

sorgen, dass eine rechtzeitige Ernennung eines Nachfolgers gewährleistet ist, wenn

bei einer NZB die Position eines Mitglieds ihrer Beschlussorgane frei wird.13

Die EZB

wird alle Entwicklungen genau beobachten, bevor sie zu dem endgültigen positiven

Urteil gelangt, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats mit

dem AEUV und der ESZB-Satzung vereinbar sind.

Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, und rechtliche

Konvergenz

Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien und

Schweden, deren innerstaatliche Rechtsvorschriften im vorliegenden Bericht einer

Prüfung unterzogen werden, sind ihrem Status nach Mitgliedstaaten, für die eine

Ausnahmeregelung gilt, d. h., sie haben den Euro noch nicht eingeführt. Schweden

wurde gemäß einer Entscheidung des Rates der EU vom Mai 1998 der Status eines

13 Stellungnahme CON/2010/37 und CON/2010/91.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 18

Mitgliedstaats mit Ausnahmeregelung zuerkannt.14

Die Ausnahmeregelung für die

übrigen Mitgliedstaaten basiert auf Artikel 415

bzw. Artikel 516

der Akten über die

Beitrittsbedingungen, denen zufolge jeder dieser Mitgliedstaaten ab dem Tag seines

Beitritts als Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung im Sinne des Artikels 139

AEUV gilt, an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnimmt. Im vorliegenden

Bericht bleiben Dänemark und das Vereinigte Königreich als Mitgliedstaaten mit

Sonderstatus, die den Euro noch nicht eingeführt haben, unberücksichtigt.

Das den Verträgen beigefügte Protokoll (Nr. 16) über einige Bestimmungen

betreffend Dänemark sieht vor, dass für Dänemark aufgrund der Notifikation der

dänischen Regierung an den Rat der EU vom 3. November 1993 eine

Ausnahmeregelung gilt und das Verfahren zur Aufhebung der Ausnahmeregelung

erst dann eingeleitet wird, wenn Dänemark einen entsprechenden Antrag stellt. Die

Verpflichtungen in Bezug auf die Zentralbankunabhängigkeit muss die Danmarks

Nationalbank hingegen erfüllen, da Artikel 130 AEUV auf Dänemark Anwendung

findet. Der Konvergenzbericht des EWI von 1998 kam zu dem Ergebnis, dass diese

Anforderung erfüllt ist. Aufgrund des Sonderstatus Dänemarks ist seit 1998 keine

Konvergenzprüfung mehr erfolgt. Für die rechtliche Integration der Danmarks

Nationalbank in das Eurosystem müssen keine Vorkehrungen getroffen werden, und

eine Anpassung der Rechtsvorschriften ist nicht erforderlich, solange Dänemark dem

Rat der EU nicht notifiziert, dass es den Euro einzuführen beabsichtigt.

Gemäß dem Protokoll (Nr. 15) über einige Bestimmungen betreffend das Vereinigte

Königreich Großbritannien und Nordirland, das den Verträgen beigefügt ist, ist das

Vereinigte Königreich, sofern es dem Rat der EU nicht notifiziert, dass es den Euro

einführen will, nicht dazu verpflichtet. Das Vereinigte Königreich teilte dem Rat der

EU am 30. Oktober 1997 mit, dass es nicht beabsichtige, den Euro am 1. Januar

1999 einzuführen, und an dieser Haltung hat sich nichts geändert. Aufgrund dieser

Notifizierung haben einige Bestimmungen des AEUV (einschließlich Artikel 130 und

131) und der ESZB-Satzung für das Vereinigte Königreich keine Geltung.

Demzufolge ist das Vereinigte Königreich derzeit rechtlich nicht verpflichtet, für die

Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften (einschließlich der Satzung der

Bank of England) mit dem AEUV und der ESZB-Satzung zu sorgen.

Mit der Beurteilung der rechtlichen Konvergenz soll der Rat der EU bei seinen

Entscheidungen darüber, welche Mitgliedstaaten „bei der Verwirklichung der

Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen“ bereits nachgekommen

14 Entscheidung 98/317/EG des Rates vom 3. Mai 1998 gemäß Artikel 109j Absatz 4 des Vertrags

(ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 30). Hinweis: Die Bezeichnung der Entscheidung 98/317/EG bezieht

sich auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (vor der neuen Nummerierung der

Artikel dieses Vertrags gemäß Artikel 12 des Vertrags von Amsterdam); diese Bestimmung wurde

durch den Vertrag von Lissabon aufgehoben. 15 Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der

Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik

Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die

Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 33). 16 Zu Bulgarien und Rumänien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik

Bulgarien und Rumäniens und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge

(ABl. L 157 vom 21.6.2005, S. 203). Zu Kroatien siehe Artikel 5 der Akte über die Bedingungen des

Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des

Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der

Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 112 vom 24.4.2012, S. 21).

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 19

sind, unterstützt werden (Artikel 140 Absatz 1 AEUV). Diese Voraussetzungen

beziehen sich im rechtlichen Bereich vor allem auf die Zentralbankunabhängigkeit

und die rechtliche Integration der jeweiligen NZB in das Eurosystem.

Aufbau der rechtlichen Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung baut weitgehend auf dem Ansatz der bisherigen Berichte

der EZB und des EWI zur rechtlichen Konvergenz auf.17

Bei der Prüfung der Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsvorschriften werden

Rechtsvorschriften berücksichtigt, die vor dem 20. März 2016 verabschiedet wurden.

2.2.2 Umfang der Anpassung

2.2.2.1 Bereiche mit Anpassungsbedarf

Um festzustellen, in welchen Bereichen bei den innerstaatlichen Rechtsvorschriften

Anpassungsbedarf besteht, werden folgende Kriterien geprüft:

die Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des AEUV (Artikel 130) und der

ESZB-Satzung (Artikel 7 und 14.2) über die Unabhängigkeit der NZBen sowie

mit den Bestimmungen über die Geheimhaltung (Artikel 37 der ESZB-Satzung),

die Vereinbarkeit mit dem Verbot der monetären Finanzierung (Artikel 123

AEUV) und des bevorrechtigten Zugangs (Artikel 124 AEUV) sowie die

Vereinbarkeit mit der im EU-Recht geforderten einheitlichen Schreibweise des

Euro,

die rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem (insbesondere im

Hinblick auf Artikel 12.1 und 14.3 der ESZB-Satzung).

2.2.2.2 „Vereinbarkeit“ kontra „Harmonisierung“

Nach Artikel 131 AEUV müssen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit den

Verträgen und der ESZB-Satzung „im Einklang stehen“; Unvereinbarkeiten sind

daher zu beseitigen. Diese Verpflichtung gilt unbeschadet der Tatsache, dass die

17 Im Einzelnen sind dies die Konvergenzberichte der EZB vom Juni 2014 (über Bulgarien, die

Tschechische Republik, Kroatien, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Juni 2013

(über Lettland), vom Mai 2012 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Lettland, Litauen, Ungarn,

Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2010 (über Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland,

Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden), vom Mai 2008 (über Bulgarien, die

Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien, die Slowakei und

Schweden), vom Mai 2007 (über Zypern und Malta), vom Dezember 2006 (über die Tschechische

Republik, Estland, Zypern, Lettland, Ungarn, Malta, Polen, die Slowakei und Schweden), vom

Mai 2006 (über Litauen und Slowenien), vom Oktober 2004 (über die Tschechische Republik, Estland,

Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien, die Slowakei und Schweden), vom

Mai 2002 (über Schweden) und vom April 2000 (über Griechenland und Schweden) sowie der

Konvergenzbericht des EWI vom März 1998.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 20

Verträge und die ESZB-Satzung Vorrang vor den innerstaatlichen Rechtsvorschriften

haben, und auch unabhängig von der Art der Unvereinbarkeit.

Das Erfordernis, wonach innerstaatliche Rechtsvorschriften „im Einklang stehen“

müssen, bedeutet nicht, dass der AEUV eine „Harmonisierung“ der Satzungen der

einzelnen NZBen untereinander oder mit der ESZB-Satzung verlangt. Nationale

Besonderheiten können beibehalten werden, soweit sie nicht die ausschließliche

Zuständigkeit der EU in geld- und währungspolitischen Angelegenheiten

beeinträchtigen. Gemäß Artikel 14.4 der ESZB-Satzung können die NZBen durchaus

auch andere als die in der ESZB-Satzung bezeichneten Aufgaben wahrnehmen,

soweit sie mit den Zielen und Aufgaben des ESZB vereinbar sind. Bestimmungen,

welche die Wahrnehmung derartiger zusätzlicher Aufgaben ermöglichen, sind ein

eindeutiges Beispiel dafür, dass die Satzungen der NZBen auch in Zukunft

voneinander abweichen können. Der Ausdruck „im Einklang stehen“ ist vielmehr so

zu verstehen, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und die Satzungen der

NZBen angepasst werden müssen, um Unvereinbarkeiten mit den Verträgen und der

ESZB-Satzung zu beseitigen und ein hinreichendes Maß an Integration der NZBen

in das ESZB sicherzustellen. So müssen insbesondere alle Bestimmungen, welche

die im AEUV definierte Unabhängigkeit einer NZB sowie ihre Rolle als integraler

Bestandteil des ESZB beeinträchtigen, angepasst werden. Allein mit dem Vorrang

des EU-Rechts gegenüber innerstaatlichen Rechtsvorschriften ist dieser

Verpflichtung nicht Genüge getan.

Die Verpflichtung nach Artikel 131 AEUV beschränkt sich auf die Unvereinbarkeit mit

den Verträgen und der ESZB-Satzung. Gleichwohl müssen innerstaatliche

Rechtsvorschriften, die mit dem für die hier untersuchten Bereiche mit

Anpassungsbedarf relevanten Sekundärrecht der EU nicht vereinbar sind, mit

diesem in Einklang gebracht werden. Der Vorrang des EU-Rechts entbindet die

Mitgliedstaaten nicht von der Verpflichtung, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften

anzupassen. Dieses allgemeine Erfordernis ergibt sich nicht nur aus Artikel 131

AEUV, sondern auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen

Union.18

Die Verträge und die ESZB-Satzung schreiben nicht vor, auf welche Weise die

Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu erfolgen hat. Dies kann

entweder durch Verweise auf die Verträge und die ESZB-Satzung, durch die

Übernahme von Bestimmungen der Verträge und der ESZB-Satzung mit Angabe

ihrer Herkunft, durch die Aufhebung der nicht mit den Verträgen und der ESZB-

Satzung in Einklang stehenden Bestimmungen oder durch eine Kombination dieser

Methoden geschehen.

Darüber hinaus muss die EZB, unter anderem um die Vereinbarkeit innerstaatlicher

Rechtsvorschriften mit den Verträgen und der ESZB-Satzung zu erreichen und zu

gewährleisten, von den Organen der EU sowie von den Mitgliedstaaten gemäß

Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 AEUV sowie Artikel 4 der ESZB-

Satzung zu allen Entwürfen für Rechtsvorschriften im Zuständigkeitsbereich der EZB

18 Siehe unter anderem EuGH, Rechtssache 167/73, Kommission gegen Französische Republik,

Slg. 1974, 359 („Code du Travail Maritime“).

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 21

gehört werden. Die Entscheidung 98/415/EG des Rates vom 29. Juni 1998 über die

Anhörung der Europäischen Zentralbank durch die nationalen Behörden zu

Entwürfen für Rechtsvorschriften19

fordert die Mitgliedstaaten ausdrücklich dazu auf,

die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung dieser Verpflichtung

zu gewährleisten.

2.2.3 Die Unabhängigkeit der NZBen

Was die Unabhängigkeit der Zentralbanken und Fragen der Geheimhaltungspflicht

betrifft, so waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten, die

der EU im Jahr 2004, 2007 bzw. 2013 beitraten, an die entsprechenden

Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung anzupassen und zum

1. Mai 2004, zum 1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 in Kraft zu setzen.

Schweden hingegen musste die erforderlichen Anpassungen bis zum Zeitpunkt der

Errichtung des ESZB am 1. Juni 1998 in Kraft setzen.

Zentralbankunabhängigkeit

Im November 1995 erstellte das EWI eine Liste mit verschiedenen Aspekten der

Zentralbankunabhängigkeit (eine ausführliche Erörterung ist dem Konvergenzbericht

des EWI von 1998 zu entnehmen). Diese Definition bildete damals die Grundlage für

die Beurteilung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten,

insbesondere der Satzungen der NZBen. Der Begriff der Zentralbankunabhängigkeit

umfasst verschiedene Arten von Unabhängigkeit, die jeweils für sich geprüft werden

müssen, nämlich die funktionelle, institutionelle, persönliche und finanzielle

Unabhängigkeit. In den vergangenen Jahren wurde die Analyse dieser Aspekte der

Zentralbankunabhängigkeit in den Stellungnahmen der EZB weiter verfeinert. Sie

bilden die Grundlage für die Beurteilung des Grades an Konvergenz der

innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, für die eine

Ausnahmeregelung gilt, mit den Verträgen und der ESZB-Satzung.

Funktionelle Unabhängigkeit

Zentralbankunabhängigkeit ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zur Erreichung

eines Ziels, das klar definiert sein und Vorrang vor allen anderen Zielen haben sollte.

Funktionelle Unabhängigkeit erfordert, dass das vorrangige Ziel jeder NZB eindeutig

und rechtssicher festgelegt ist und mit dem im AEUV verankerten vorrangigen Ziel

der Preisstabilität vollständig im Einklang steht. Dies setzt voraus, dass die NZBen

mit den erforderlichen Mitteln und Instrumenten ausgestattet sind, um dieses Ziel

unabhängig von anderen Stellen zu erreichen. Die sich aus dem AEUV ergebende

Anforderung der Unabhängigkeit der Zentralbank spiegelt die allgemeine Auffassung

wider, dass dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität am besten mit einer vollkommen

unabhängigen Institution gedient ist, deren Aufgaben genau festgelegt sind.

19 ABl. L 189 vom 3.7.1998, S. 42.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 22

Zentralbankunabhängigkeit ist vollständig vereinbar mit der Rechenschaftspflicht der

NZBen, die wesentlich zur Stärkung des Vertrauens in ihre Unabhängigkeit beiträgt.

Dies erfordert Transparenz und den Dialog mit Dritten.

Was den Zeitpunkt betrifft, so ist im AEUV nicht eindeutig geregelt, wann die NZBen

der Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, das in Artikel 127 Absatz 1

und Artikel 282 Absatz 2 AEUV sowie in Artikel 2 der ESZB-Satzung verankerte

vorrangige Ziel der Preisstabilität erfüllt haben müssen. Bei den Mitgliedstaaten, die

der EU nach der Einführung des Euro in der EU beitraten, ist unklar, ob diese

Verpflichtung ab dem Zeitpunkt des Beitritts oder ab dem jeweiligen Zeitpunkt der

Einführung des Euro gelten soll. Während Artikel 127 Absatz 1 AEUV auf

Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, keine Anwendung findet (siehe

Artikel 139 Absatz 2 c) AEUV), ist Artikel 2 der ESZB-Satzung auf solche

Mitgliedstaaten anwendbar (siehe Artikel 42.1 der ESZB-Satzung). Die EZB vertritt

die Auffassung, dass die Verpflichtung der NZBen, Preisstabilität als ihr vorrangiges

Ziel zu verankern, im Fall Schwedens ab dem 1. Juni 1998 und bei den

Mitgliedstaaten, die der EU am 1. Mai 2004, am 1. Januar 2007 bzw. am 1. Juli 2013

beitraten, ab dem jeweiligen Zeitpunkt des Beitritts wirksam ist. Diese Auffassung

gründet sich auf die Tatsache, dass einer der richtungweisenden Grundsätze der

EU, nämlich stabile Preise (Artikel 119 AEUV), auch auf Mitgliedstaaten mit

Ausnahmeregelung anzuwenden ist. Sie beruht ferner auf der Zielvorgabe des

AEUV, wonach alle Mitgliedstaaten gesamtwirtschaftliche Konvergenz einschließlich

Preisstabilität anstreben sollen; die diesbezüglichen Fortschritte werden in den

regelmäßigen Berichten der EZB und der Europäischen Kommission beurteilt. Diese

Schlussfolgerung stützt sich zudem auf Sinn und Zweck der

Zentralbankunabhängigkeit, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn Preisstabilität als

übergreifendes Ziel Vorrang hat.

Diese Schlussfolgerungen hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die NZBen der

Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, Preisstabilität als ihr

vorrangiges Ziel verankert haben müssen, bilden die Grundlage der

Länderbeurteilungen im vorliegenden Bericht.

Institutionelle Unabhängigkeit

Auf den Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit wird in Artikel 130 AEUV und

Artikel 7 der ESZB-Satzung ausdrücklich Bezug genommen. Nach diesen beiden

Artikeln ist es den NZBen und den Mitgliedern ihrer Beschlussorgane untersagt,

Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Union, Regierungen der

Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einzuholen oder entgegenzunehmen.

Außerdem dürfen die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie

die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht versuchen, die Mitglieder der

Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des

ESZB zu beeinflussen. Wenn innerstaatliche Rechtsvorschriften im Sinne von

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 23

Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung bestehen, sollten sie diese beiden

Verbote enthalten und deren Anwendungsbereich nicht einengen.20

Unabhängig davon, ob es sich bei einer NZB ihrer Rechtsform nach um eine

Einrichtung im Staatsbesitz, eine eigenständige juristische Person des öffentlichen

Rechts oder einfach eine Aktiengesellschaft handelt, besteht das Risiko, dass

seitens des Eigentümers Einfluss auf die Entscheidungsfindung hinsichtlich der

Aufgaben im Rahmen des ESZB genommen wird. Eine solche Einflussnahme − ob

durch Ausübung von Anteilseignerrechten oder in anderer Form − kann die

Unabhängigkeit einer NZB beeinträchtigen und ist daher gesetzlich einzuschränken.

Verbot der Erteilung von Weisungen

Rechte Dritter, den NZBen, ihren Beschlussorganen oder deren Mitgliedern

Weisungen zu erteilen, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung unvereinbar,

soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.

Jedwede Beteiligung einer NZB an der Anwendung von Maßnahmen zur Stärkung

der Stabilität des Finanzsystems muss mit dem AEUV vereinbar sein, d. h., die

NZBen müssen ihre Funktionen in einer Weise erfüllen, die mit ihrer funktionellen,

institutionellen und finanziellen Unabhängigkeit vollständig vereinbar ist, um eine

ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß dem AEUV und der ESZB-

Satzung zu gewährleisten.21

Soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einer

NZB eine Rolle zuweisen, die über Beratungsfunktionen hinausgeht, und die

Übernahme zusätzlicher Aufgaben durch die NZB vorsehen, muss gewährleistet

sein, dass dadurch die Fähigkeit der NZB, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB zu

erfüllen, in operationeller und finanzieller Hinsicht nicht beeinträchtigt wird.22

Außerdem ist im Fall der Einbeziehung von Vertretern der NZBen in kollegiale

Beschlussorgane von Aufsichtsbehörden oder sonstigen Einrichtungen zu

gewährleisten, dass in angemessener Form Maßnahmen zum Schutz der

persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB-Beschlussorgane

berücksichtigt werden.23

Verbot der Genehmigung, Aussetzung, Aufhebung oder des Aufschubs von

Entscheidungen

Rechte Dritter, die Entscheidungen einer NZB zu genehmigen, auszusetzen,

aufzuheben oder aufzuschieben, sind mit dem AEUV und der ESZB-Satzung

unvereinbar, soweit Aufgaben im Rahmen des ESZB berührt sind.

Verbot der Zensur von Entscheidungen aus rechtlichen Gründen

Das Recht Dritter (mit Ausnahme unabhängiger Gerichte), Entscheidungen im

Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB aus

rechtlichen Gründen zu zensieren, ist mit dem AEUV und der ESZB-Satzung

unvereinbar, da die Erfüllung dieser Aufgaben auf politischer Ebene nicht erneut

beurteilt werden darf. Das Recht eines NZB-Präsidenten, eine Entscheidung von

Beschlussorganen des ESZB oder einer NZB aus rechtlichen Gründen auszusetzen

20 Stellungnahme CON/2011/104. 21 Stellungnahme CON/2010/31. 22 Stellungnahme CON/2009/93. 23 Stellungnahme CON/2010/94.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 24

und in der Folge den politischen Instanzen zur endgültigen Entscheidung

vorzulegen, würde dem Einholen von Weisungen Dritter gleichkommen.

Verbot, in Beschlussorganen einer NZB mit Stimmrecht vertreten zu sein

Es ist nicht mit dem AEUV und der ESZB-Satzung vereinbar, wenn in den

Beschlussorganen einer NZB Vertreter von Dritten mit Stimmrecht in

Angelegenheiten vertreten sind, die die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen

des ESZB betreffen, selbst wenn diese Stimme nicht den Ausschlag gibt. Selbst

ohne Stimmrecht ist eine solche Vertretung mit dem AEUV und der ESZB-Satzung

nicht vereinbar, wenn dadurch die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des

ESZB durch diese Beschlussorgane beeinträchtigt oder die Einhaltung der

Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB gefährdet wird.24

Verbot der Anhörung Dritter vor der Entscheidung einer NZB

Eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung einer NZB, vor ihrer Entscheidung

Dritte anzuhören, verschafft diesen einen formellen Mechanismus zur Einflussnahme

auf die endgültige Entscheidung und ist somit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung

unvereinbar.

Allerdings ist ein Dialog zwischen einer NZB und Dritten mit der

Zentralbankunabhängigkeit vereinbar, selbst wenn dieser auf einer in der NZB-

Satzung verankerten Auskunftspflicht sowie einer Verpflichtung zum

Meinungsaustausch beruht, sofern

dies nicht eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Mitglieder der NZB-

Beschlussorgane zur Folge hat,

der besondere Status der NZB-Präsidenten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder

der Beschlussorgane der EZB voll respektiert wird und

die Anforderungen an die Geheimhaltung, die sich aus der ESZB-Satzung

ergeben, beachtet werden.

Entlastung der Mitglieder der Beschlussorgane einer NZB

Rechtsvorschriften über die Entlastung der Mitglieder der Beschlussorgane einer

NZB (etwa in Bezug auf die Rechnungslegung) durch Dritte (z. B. die Regierung)

müssen ausreichende Schutzbestimmungen enthalten, die gewährleisten, dass die

Mitglieder der NZB-Beschlussorgane dennoch unabhängig Beschlüsse hinsichtlich

der Aufgaben im Rahmen des ESZB fassen (oder auf der Ebene des ESZB gefasste

Beschlüsse umsetzen) können. Die Aufnahme einer entsprechenden ausdrücklichen

Bestimmung in die Satzungen der NZBen wird empfohlen.

Persönliche Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der Zentralbanken wird durch die in der ESZB-Satzung

geforderte garantierte Amtszeit für die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen

zusätzlich geschützt. Die Präsidenten der NZBen sind Mitglieder des Erweiterten

24 Stellungnahme CON/2014/25 und CON/2015/57.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 25

Rats der EZB und werden nach Einführung des Euro in ihrem Mitgliedstaat

Mitglieder des EZB-Rats. Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen

der NZBen insbesondere vorzusehen, dass die Amtszeit der Präsidenten

mindestens fünf Jahre beträgt. Durch die Bestimmung, dass der Präsident einer NZB

nur aus seinem Amt entlassen werden kann, wenn er die Voraussetzungen für die

Ausübung seines Amtes nicht mehr erfüllt oder eine schwere Verfehlung begangen

hat (mit der Möglichkeit der Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Union), ist

der Präsident ferner gegen eine willkürliche Entlassung geschützt. Die Satzungen

der NZBen müssen dieser Bestimmung entsprechend den nachfolgend aufgeführten

Punkten gerecht werden.

Gemäß Artikel 130 AEUV ist es den nationalen Regierungen und anderen Stellen

untersagt, die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen bei der Wahrnehmung

ihrer Aufgaben zu beeinflussen. Insbesondere dürfen die Mitgliedstaaten nicht

versuchen, Einfluss auf die Mitglieder der NZB-Beschlussorgane zu nehmen, indem

sie deren Vergütung betreffende einzelstaatliche Rechtsvorschriften ändern; dies

sollte grundsätzlich nur für künftige Ernennungen möglich sein.25

Mindestamtszeit für Präsidenten

Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung ist in den Satzungen der NZBen eine

Mindestamtszeit von fünf Jahren für den Präsidenten zu verankern, wobei dies eine

längere Amtszeit nicht ausschließt. Sieht eine Satzung eine unbefristete Amtszeit

vor, besteht kein Anpassungsbedarf, sofern die Gründe für die Entlassung eines

Präsidenten mit jenen in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung übereinstimmen.

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ein verbindliches Pensionsalter vorsehen,

sollten sicherstellen, dass diese Altersgrenze die nach Artikel 14.2 der ESZB-

Satzung vorgesehene Mindestamtszeit, die Vorrang vor einem verbindlichen

Pensionsalter hat, nicht unterbricht, sofern dieses auf einen Präsidenten Anwendung

findet.26

Wird die Satzung einer NZB geändert, muss das Änderungsgesetz die

Sicherheit der Amtszeit des Präsidenten und der übrigen Mitglieder der

Beschlussorgane, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB

eingebunden sind, gewährleisten.

Gründe für die Entlassung von Präsidenten

Die Satzungen der NZBen müssen sicherstellen, dass ein Präsident nur aus einem

der in Artikel 14.2 der ESZB-Satzung festgelegten Gründe entlassen werden kann.

Damit soll verhindert werden, dass die Entlassung eines Präsidenten im Ermessen

jener Instanzen – insbesondere Regierung oder Parlament – liegt, die für seine

Ernennung zuständig waren. Die Satzungen der NZBen sollten entweder auf

Artikel 14.2 der ESZB-Satzung verweisen oder die entsprechenden Bestimmungen

aufnehmen und deren Herkunft angeben, etwaige Unvereinbarkeiten mit den

Entlassungsgründen gemäß Artikel 14.2 beseitigen oder gar keine

Entlassungsgründe anführen (da Artikel 14.2 unmittelbar gilt). Nach seiner Wahl

bzw. Ernennung darf ein Präsident nur aus einem der in Artikel 14.2 der ESZB-

Satzung festgelegten Gründe entlassen werden, auch wenn er sein Amt noch nicht

angetreten hat.

25 Siehe beispielsweise Stellungnahme CON/2010/56, CON/2010/80, CON/2011/104 und CON/2011/106. 26 Stellungnahme CON/2012/89.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 26

Sicherheit der Amtszeit und Gründe für die Entlassung von Mitgliedern der

NZB-Beschlussorgane, die neben dem Präsidenten Aufgaben im Rahmen des

ESZB wahrnehmen

Die persönliche Unabhängigkeit würde infrage gestellt, wenn die Regeln, mit denen

die Amtszeit der Präsidenten garantiert wird, und die Gründe für deren Entlassung

nicht auch für die übrigen Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen gelten würden,

die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind.27

Mehrere Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung fordern vergleichbare

Amtszeitgarantien für diese Mitglieder. Artikel 14.2 der ESZB-Satzung beschränkt

die Sicherheit der Amtszeit nicht auf die Präsidenten. Zudem beziehen sich

Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung generell auf die „Mitglieder der

Beschlussorgane“ der NZBen und nicht speziell auf die Präsidenten. Dies betrifft vor

allem jene Fälle, in denen der Präsident „primus inter pares“ unter Kollegen mit

gleichen Stimmrechten ist oder in denen diese übrigen Mitglieder in die

Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind.

Recht auf gerichtliche Überprüfung

Die Mitglieder der Beschlussorgane der NZBen müssen das Recht haben, die

Entscheidung über ihre Entlassung vor ein unabhängiges Gericht zu bringen, um die

Möglichkeit des politischen Ermessens bei der Beurteilung der Entlassungsgründe

einzuschränken.

Nach Artikel 14.2 der ESZB-Satzung kann der Präsident einer NZB, der aus seinem

Amt entlassen wurde, den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen. Die

innerstaatlichen Rechtsvorschriften sollten sich entweder auf die ESZB-Satzung

berufen oder keinen Verweis auf das Recht auf Anrufung des Gerichtshofs der

Europäischen Union anführen (da Artikel 14.2 der ESZB-Satzung unmittelbar gilt).

Im Fall der übrigen Mitglieder der NZB-Beschlussorgane, die in die Wahrnehmung

von Aufgaben im Rahmen des ESZB eingebunden sind, sollte in den

innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Recht auf Überprüfung einer Entscheidung

über ihre Entlassung durch die einzelstaatlichen Gerichte verankert sein. Dieses

Recht kann entweder im allgemein geltenden Recht oder in einer entsprechenden

Bestimmung verankert sein. Wenngleich sich dieses Recht möglicherweise aus dem

allgemein geltenden Recht ableiten lässt, könnte aus Gründen der Rechtssicherheit

eine ausdrückliche Regelung dieses Überprüfungsrechts ratsam sein.

Vorkehrungen gegen Interessenkonflikte

Zur Gewährleistung der persönlichen Unabhängigkeit der Mitglieder von NZB-

Beschlussorganen, die in die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB

eingebunden sind, ist überdies sicherzustellen, dass es zu keinen

Interessenkonflikten zwischen den Verpflichtungen dieser Mitglieder gegenüber ihrer

jeweiligen NZB (im Fall der Präsidenten auch gegenüber der EZB) einerseits und

etwaigen sonstigen Funktionen andererseits kommen kann, die sie zusätzlich

ausüben und aufgrund deren ihre persönliche Unabhängigkeit beeinträchtigt werden

könnte. Grundsätzlich ist die Mitgliedschaft in Beschlussorganen, die Aufgaben im

27 Die grundlegenden Stellungnahmen der EZB in diesem Bereich sind im Wesentlichen: CON/2004/35,

CON/2005/26, CON/2006/32, CON/2006/44 und CON/2007/6.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 27

Rahmen des ESZB wahrnehmen, mit der Ausübung anderer Funktionen nicht

vereinbar, wenn sich daraus ein Interessenkonflikt ergeben könnte. Insbesondere

dürfen Mitglieder solcher Beschlussorgane keine Ämter ausüben und keine

Interessen wahrnehmen – sei es in Ausübung eines Amtes in der Exekutive oder

Legislative eines Staates bzw. von Ländern und Gemeinden oder im Rahmen eines

Unternehmens −, die ihre Tätigkeit beeinflussen könnten. Dabei ist besonders darauf

zu achten, dass potenzielle Interessenkonflikte bei nicht hauptamtlichen Mitgliedern

von Beschlussorganen vermieden werden.

Finanzielle Unabhängigkeit

Selbst wenn eine NZB in funktioneller, institutioneller und persönlicher Hinsicht völlig

unabhängig ist (und dies durch ihre Satzung garantiert wird), wäre ihre

Unabhängigkeit insgesamt infrage gestellt, wenn sie sich nicht eigenständig

ausreichende finanzielle Mittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (d. h. zur Erfüllung

der im AEUV und in der ESZB-Satzung vorgesehenen Aufgaben im Rahmen des

ESZB) verschaffen könnte.

Die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die jeweiligen NZBen jederzeit über

ausreichende finanzielle Mittel und über ein angemessenes Nettoeigenkapital

verfügen,28

um ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB bzw. des Eurosystems erfüllen

zu können. Es sei darauf hingewiesen, dass die NZBen nach Artikel 28.1 und

Artikel 30.4 der ESZB-Satzung aufgefordert werden können, weitere Beiträge zum

Kapital der EZB zu leisten und weitere Währungsreserven einzuzahlen.29

Darüber

hinaus ist in Artikel 33.2 der ESZB-Satzung vorgesehen,30

dass der EZB-Rat im

Falle eines Verlustes seitens der EZB, der nicht vollständig aus dem allgemeinen

Reservefonds gedeckt werden kann, beschließen kann, den restlichen Fehlbetrag

aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und

bis zur Höhe der an die NZBen zu verteilenden Beiträge zu decken. Der Grundsatz

der finanziellen Unabhängigkeit bedeutet, dass die Beachtung dieser Bestimmungen

die NZBen bei der Wahrnehmung ihrer Funktionen nicht beeinträchtigen darf.

Darüber hinaus setzt der Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit voraus, dass

eine NZB nicht nur zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB,

sondern auch zur Erfüllung ihrer innerstaatlichen Aufgaben (etwa zur Finanzierung

ihrer Verwaltung und ihrer eigenen Geschäftstätigkeit) über ausreichende finanzielle

Mittel verfügt.

Aus all den vorgenannten Gründen bedeutet finanzielle Unabhängigkeit auch, dass

eine NZB stets über ausreichend Eigenkapital verfügen muss. Insbesondere ist

jegliche Situation zu vermeiden, die dazu führt, dass das Nettoeigenkapital einer

NZB über einen längeren Zeitraum hinweg geringer als ihr Grundkapital oder gar

negativ ist. Hierzu zählen auch Fälle, in denen Verluste, die Kapital und Rücklagen

übersteigen, vorgetragen werden. Dies kann negative Auswirkungen auf die

28 Stellungnahme CON/2014/24, CON/2014/27 und CON/2014/56. 29 Artikel 30.4 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung. 30 Artikel 33.2 der ESZB-Satzung findet nur innerhalb des Eurosystems Anwendung.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 28

Fähigkeit der NZB haben, ihre Aufgaben im Rahmen des ESZB, aber auch ihre

nationalen Aufgaben wahrzunehmen. Darüber hinaus kann eine solche Situation die

Glaubwürdigkeit der Geldpolitik des Eurosystems beeinträchtigen. Sofern das

Nettoeigenkapital einer NZB ihr Grundkapital unterschreitet oder sich gar ins

Negative kehrt, muss daher der jeweilige Mitgliedstaat die NZB innerhalb eines

vertretbaren Zeitraums mit einem angemessenen Kapitalbetrag mindestens bis zur

Höhe des Grundkapitals ausstatten, um dem Grundsatz der finanziellen

Unabhängigkeit zu entsprechen. In Bezug auf die EZB wurde der Bedeutung dieser

Frage bereits vom Rat der EU durch Verabschiedung der Verordnung (EG)

Nr. 1009/2000 des Rates vom 8. Mai 2000 über Kapitalerhöhungen der

Europäischen Zentralbank Rechnung getragen.31

Aufgrund dieser Verordnung kann

der EZB-Rat eine tatsächliche Kapitalerhöhung beschließen, um so die für die

Geschäftstätigkeit der EZB erforderliche angemessene Eigenkapitalausstattung

aufrechtzuerhalten.32

Die NZBen müssen finanziell in der Lage sein, auf einen

solchen Beschluss der EZB zu reagieren.

Die finanzielle Unabhängigkeit einer NZB sollte danach beurteilt werden, ob Dritte

direkt oder indirekt nicht nur auf den Betrieb der NZB, sondern auch auf ihre

Leistungsfähigkeit mit Blick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben − sowohl operational im

Sinne der Personalausstattung als auch finanziell im Sinne angemessener

finanzieller Mittel − Einfluss nehmen können. In dieser Hinsicht sind die unten

aufgeführten Kriterien finanzieller Unabhängigkeit besonders bedeutsam.33

Dabei

handelt es sich um die Bereiche finanzieller Unabhängigkeit, in denen die NZBen am

stärksten der Gefahr einer Einflussnahme von außen ausgesetzt sind.

Aufstellung des Haushalts

Die Befugnis eines Dritten, den Haushalt einer NZB aufzustellen oder zu

beeinflussen, ist mit der finanziellen Unabhängigkeit unvereinbar, sofern das Gesetz

nicht eine Schutzklausel vorsieht, die gewährleistet, dass eine solche Befugnis nicht

die für die Wahrnehmung der Aufgaben der NZB im Rahmen des ESZB

erforderlichen finanziellen Mittel berührt.

Rechnungslegungsvorschriften

Die Aufstellung der Bilanzen hat entweder nach allgemeinen

Rechnungslegungsvorschriften oder gemäß den von den Beschlussorganen der

NZB festgelegten Bestimmungen zu erfolgen. Werden solche Bestimmungen

stattdessen von Dritten festgelegt, müssen darin zumindest die Vorschläge der NZB-

Beschlussorgane berücksichtigt sein.

Die Feststellung des Jahresabschlusses muss durch die Beschlussorgane der NZB

(mit Unterstützung unabhängiger Rechnungsprüfer) erfolgen. Der festgestellte

Jahresabschluss kann einer nachträglichen Genehmigung durch Dritte (z. B.

31 ABl. L 115 vom 16.5.2000, S. 1. 32 Beschluss der Europäischen Zentralbank vom 13. Dezember 2010 über die Erhöhung des Kapitals der

Europäischen Zentralbank (EZB/2010/26) (ABl. L 11 vom 15.1.2011, S. 53). 33 Die grundlegenden Stellungnahmen der EZB in diesem Bereich sind im Wesentlichen: CON/2002/16,

CON/2003/22, CON/2003/27, CON/2004/1, CON/2006/38, CON/2006/47, CON/2007/8, CON/2008/13,

CON/2008/68 und CON/2009/32.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 29

Regierung oder Parlament) unterliegen. Über die Gewinnermittlung müssen die

Beschlussorgane der NZB unabhängig und sachgerecht entscheiden können.

Soweit die Geschäfte einer NZB der Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine

vergleichbare Stelle unterliegen, muss der Umfang dieser Kontrolle gesetzlich

eindeutig festgelegt sein und die Arbeit der unabhängigen externen

Rechnungsprüfer der NZB unberührt lassen.34

Des Weiteren muss im Einklang mit

dem Grundsatz der institutionellen Unabhängigkeit dem Verbot der

Weisungserteilung an eine NZB oder ihre Beschlussorgane Rechnung getragen und

die Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen des ESZB uneingeschränkt

gewährleistet werden.35

Die Kontrolle durch den Rechnungshof oder eine

vergleichbare Stelle hat auf nichtpolitischer, unabhängiger und rein sachlicher

Grundlage zu erfolgen.

Verteilung der Gewinne, Kapital der NZB und finanzielle Bestimmungen

Wie die Gewinne zu verteilen sind, kann in der Satzung einer NZB geregelt sein.

Fehlen solche Vorschriften, sollten die Beschlussorgane der NZB auf sachlicher

Grundlage darüber entscheiden. Keinesfalls sollte diese Entscheidung im Ermessen

Dritter liegen, sofern nicht durch eine Schutzklausel ausdrücklich gewährleistet ist,

dass die für die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB sowie von

nationalen Aufgaben erforderlichen finanziellen Mittel davon unberührt bleiben.

Gewinne dürfen dem Staatshaushalt erst zugeführt werden, nachdem etwaige

akkumulierte Verluste aus den Vorjahren gedeckt36

und die für notwendig erachteten

Rückstellungen gebildet worden sind, um den Realwert von Vermögen und Kapital

der NZB zu sichern. Zeitlich befristete oder kurzfristige gesetzgeberische

Maßnahmen, die einer Weisung an die NZBen in Bezug auf die Verteilung ihrer

Gewinne gleichkommen, sind nicht zulässig.37

Ebenso würde eine Besteuerung

unrealisierter Vermögenszuwächse einer NZB den Grundsatz der finanziellen

Unabhängigkeit beeinträchtigen.38

Ein Mitgliedstaat darf einer NZB keine Kapitalherabsetzung ohne vorherige

Zustimmung der jeweiligen Beschlussorgane der NZB auferlegen. Dies dient der

Gewährleistung, dass der NZB als Mitglied des ESZB ausreichende finanzielle Mittel

zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß Artikel 127 Absatz 2 AEUV und der ESZB-

Satzung zur Verfügung stehen. Aus demselben Grund sollte jegliche Änderung der

Bestimmungen zur Verteilung der Gewinne einer NZB nur in Zusammenarbeit mit

der NZB eingebracht und beschlossen werden, da diese am besten in der Lage ist,

die erforderliche Höhe der Kapitalrücklagen zu beurteilen.39

Was die Bildung von

Rückstellungen oder finanziellen Puffern betrifft, müssen die NZBen berechtigt sein,

eigenständig Rückstellungen zu bilden, um Vermögen und Kapital zu sichern. Ferner

dürfen die Mitgliedstaaten die NZBen nicht daran hindern, ihre Kapitalrücklagen so

34 Zur Arbeit der unabhängigen externen Rechnungsprüfer der NZBen siehe Artikel 27.1 der ESZB-

Satzung. 35 Stellungnahme CON/2011/9, CON/2011/53 und CON/2015/57. 36 Stellungnahme CON/2009/85. 37 Stellungnahme CON/2009/26 und CON/2013/15. 38 Stellungnahme CON/2009/63 und CON/2009/59. 39 Stellungnahme CON/2009/83 und CON/2009/53.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 30

weit zu erhöhen, wie es für ein Mitglied des ESZB notwendig ist, um seine Aufgaben

zu erfüllen.40

Finanzielle Haftung für Aufsichtsbehörden

In den meisten Mitgliedstaaten ist die Finanzaufsicht bei der NZB angesiedelt.

Dagegen ist nichts einzuwenden, sofern die zuständigen Stellen der unabhängigen

Entscheidungsgewalt der NZB unterliegen. Entscheidet die Finanzaufsicht nach den

gesetzlichen Bestimmungen aber eigenständig, muss gewährleistet sein, dass ihre

Entscheidungen die Finanzen der NZB als Ganzes nicht gefährden. In diesen Fällen

sollten die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der NZB ein Recht auf Letztkontrolle

aller Entscheidungen der Aufsicht einräumen, die die Unabhängigkeit einer NZB und

insbesondere ihre finanzielle Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten.

Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten

Die Mitgliedstaaten dürfen die Fähigkeit einer NZB zur eigenständigen Einstellung

und Weiterbeschäftigung qualifizierter Mitarbeiter, die zur Erfüllung der ihr durch den

AEUV und die ESZB-Satzung übertragenen Aufgaben erforderlich sind, nicht

beeinträchtigen. Auch darf eine NZB nicht in eine Lage versetzt werden, in der sie

nur begrenzte oder gar keine Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf ihre

Beschäftigten hat oder die Regierung eines Mitgliedstaats ihre Personalpolitik

beeinflussen kann.41

Etwaige Änderungen gesetzlicher Bestimmungen zur

Vergütung von Mitgliedern eines NZB-Beschlussorgans und von NZB-Beschäftigten

sind in enger und wirksamer Zusammenarbeit mit der NZB zu beschließen. Dabei ist

der Sichtweise der NZB gebührend Rechnung zu tragen, um zu gewährleisten, dass

diese ihre Aufgaben auch weiterhin unabhängig wahrnehmen kann.42

Die

Eigenständigkeit in Personalangelegenheiten erstreckt sich auch auf Fragen der

Altersversorgung der Beschäftigten. Ferner dürfen Änderungen, die zu einer

Verringerung der Vergütung der Beschäftigten einer NZB führen, nicht die

Befugnisse dieser NZB zur Verwaltung ihrer eigenen finanziellen Mittel,

einschließlich der aus einer Herabsetzung der Vergütung resultierenden Mittel,

beeinträchtigen.43

Eigentumsrechte

Rechte Dritter, in Bezug auf das Eigentum einer NZB zu intervenieren oder dieser

Weisungen zu erteilen, sind mit dem Grundsatz der finanziellen Unabhängigkeit

unvereinbar.

2.2.4 Vertraulichkeit

Die Verpflichtung des Personals sowie der Mitglieder der Leitungsgremien der EZB

und der NZBen zur Geheimhaltung gemäß Artikel 37 der ESZB-Satzung kann zur

Aufnahme ähnlicher Bestimmungen in die Satzungen der NZBen und die

40 Stellungnahme CON/2009/26 und CON/2012/69. 41 Stellungnahme CON/2008/9, CON/2008/10 und CON/2012/89. 42 Die grundlegenden Stellungnahmen in diesem Bereich sind: CON/2010/42, CON/2010/51,

CON/2010/56, CON/2010/69, CON/2010/80, CON/2011/104, CON/2011/106, CON/2012/6,

CON/2012/86 und CON/2014/7. 43 Stellungnahme CON/2014/38.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 31

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten führen. Der Vorrang des Unionsrechts und

der auf dieser Grundlage erlassenen Vorschriften bedeutet auch, dass

innerstaatliche Rechtsvorschriften über den Zugang Dritter zu Dokumenten die

einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts, einschließlich Artikel 37 der ESZB-

Satzung, erfüllen müssen und die Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB nicht

verletzen dürfen. Der Zugang des Rechnungshofs oder einer vergleichbaren Stelle

zu vertraulichen Informationen und Dokumenten einer NZB muss auf das für die

Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der informationsanfordernden Stelle

Notwendige begrenzt sein und darf die Unabhängigkeit und die

Geheimhaltungsbestimmungen des ESZB, denen die Mitglieder der

Beschlussorgane sowie das Personal der NZBen unterliegen, nicht

beeinträchtigen.44

Die NZBen sollten gewährleisten, dass diese Stellen die

offengelegten Informationen und Dokumente mit der gleichen Vertraulichkeit

behandeln wie sie selbst.

2.2.5 Verbot der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten

Zugangs

Hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung und des bevorrechtigten

Zugangs waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die der

EU im Jahr 2004, 2007 und 2013 beitraten, anzupassen und zum 1. Mai 2004, zum

1. Januar 2007 bzw. zum 1. Juli 2013 an die entsprechenden Bestimmungen des

AEUV und der ESZB-Satzung in Kraft zu setzen. Schweden musste die

erforderlichen Anpassungen bis zum 1. Januar 1995 in Kraft setzen.

2.2.5.1 Verbot der monetären Finanzierung

Das Verbot der monetären Finanzierung ist in Artikel 123 Absatz 1 AEUV

niedergelegt, dem zufolge Überziehungs- und andere Kreditfazilitäten bei der EZB

oder den NZBen der Mitgliedstaaten für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen

der EU, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder

andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen

Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sowie der unmittelbare

Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die NZBen verboten sind.

Der AEUV sieht eine Ausnahme von diesem Verbot vor: Die Bestimmungen gelten

nicht für Kreditinstitute in öffentlichem Eigentum. Diese müssen, was die

Bereitstellung von Zentralbankgeld betrifft, wie private Kreditinstitute behandelt

werden (Artikel 123 Absatz 2 AEUV). Die EZB und die NZBen können überdies als

Fiskalagent für die oben bezeichneten Stellen tätig werden (Artikel 21.2 der ESZB-

Satzung). Der genaue Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung

wird in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur

Festlegung der Begriffsbestimmungen für die Anwendung der in Artikel 104 und

44 Stellungnahme CON/2015/8 und CON/2015/57.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 32

Artikel 104b Absatz 1 des Vertrags45

vorgesehenen Verbote dahingehend präzisiert,

dass das Verbot jegliche Finanzierung der Verpflichtungen des öffentlichen Sektors

gegenüber Dritten umfasst.

Das Verbot der monetären Finanzierung ist von entscheidender Bedeutung, um

sicherzustellen, dass das vorrangige Ziel der Geldpolitik, nämlich Preisstabilität zu

gewährleisten, nicht beeinträchtigt wird. Darüber hinaus vermindert eine

Finanzierung des öffentlichen Sektors durch die Zentralbanken den Druck auf die

Mitgliedstaaten, Haushaltsdisziplin zu üben. Daher muss das Verbot weit ausgelegt

werden, um seine strikte Anwendung vorbehaltlich der wenigen in Artikel 123

Absatz 2 AEUV und in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 genannten Ausnahmen zu

gewährleisten. Auch wenn in Artikel 123 Absatz 1 AEUV speziell auf

„Kreditfazilitäten“ Bezug genommen wird, die also die Verpflichtung zur Rückzahlung

der Gelder beinhalten, gilt das Verbot somit a fortiori auch für andere Formen der

Finanzierung, bei denen keine Rückzahlungspflicht besteht.

Die grundsätzliche Position der EZB im Hinblick auf die Vereinbarkeit

innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit dem Verbot der monetären Finanzierung

leitet sich vor allem aus Anhörungen der EZB durch die Mitgliedstaaten zu Entwürfen

für innerstaatliche Rechtsvorschriften gemäß Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282

Absatz 5 AEUV ab.46

Innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung des Verbots der

monetären Finanzierung

Grundsätzlich ist es nicht notwendig, Artikel 123 AEUV − ergänzt durch die

Verordnung (EG) Nr. 3603/93 − in nationales Recht umzusetzen, da beide

unmittelbar gelten. Wenn jedoch diese unmittelbar geltenden EU-Bestimmungen in

innerstaatlichen Rechtsvorschriften aufgegriffen werden, so dürfen darin der

Anwendungsbereich des Verbots der monetären Finanzierung nicht eingeengt und

die nach EU-Recht vorgesehenen Ausnahmen nicht erweitert werden. So sind

beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Finanzierung von

finanziellen Verpflichtungen eines Mitgliedstaats gegenüber internationalen

Finanzinstitutionen (außer dem IWF in den in der Verordnung (EG) Nr. 3603/93

vorgesehenen Eigenschaften)47

oder Drittländern durch die NZB vorsehen, mit dem

Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.

45 ABl. L 332 vom 31.12.1993, S. 1. Artikel 104 und Artikel 104b Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der

Europäischen Gemeinschaft entsprechen Artikel 123 bzw. Artikel 125 Absatz 1 AEUV. 46 Siehe Konvergenzbericht 2008, S. 24-25, Fußnote 13, in der eine Reihe grundlegender

Stellungnahmen des EWI/der EZB, die zwischen Mai 1995 und März 2008 in diesem Bereich

verabschiedet wurden, aufgeführt sind. Andere grundlegende Stellungnahmen der EZB in diesem

Bereich sind: CON/2008/46, CON/2008/80, CON/2009/59 und CON/2010/4. 47 Stellungnahme CON/2013/16.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 33

Finanzierung des öffentlichen Sektors bzw. der Verpflichtungen

des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten

Innerstaatliche Rechtsvorschriften dürfen von einer NZB nicht verlangen, die

Erfüllung der Aufgaben anderer öffentlicher Stellen oder die Verpflichtungen des

öffentlichen Sektors gegenüber Dritten zu finanzieren. Insbesondere dürfen sie einer

NZB nicht die Aufgabe übertragen, die Aktivitäten von Dritten zu finanzieren, soweit

eine solche Finanzierung nicht zu den Aufgaben und Funktionen der Zentralbank

gehört, sondern dem Staat obliegt.48

So sind beispielsweise innerstaatliche

Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB berechtigt oder verpflichtet ist, Organe

mit richterlichen oder quasirichterlichen Aufgaben zu finanzieren, die unabhängig

von der NZB sind und als verlängerter Arm des Staates fungieren, mit dem Verbot

der monetären Finanzierung unvereinbar. Um die Einhaltung des Verbots der

monetären Finanzierung zu gewährleisten, muss eine neue Aufgabe, die einer NZB

übertragen wird, vollständig und angemessen vergütet werden, wenn sie a) keine

Zentralbankaufgabe oder Tätigkeit ist, welche die Wahrnehmung einer

Zentralbankaufgabe erleichtert, oder b) mit einer staatlichen Aufgabe verbunden ist

und im Interesse des Staates wahrgenommen wird.49

Wichtige Kriterien für die Einstufung einer neuen Aufgabe als staatliche Aufgabe

sind: a) ihr atypischer Charakter, b) die Tatsache, dass sie im Auftrag und im

ausschließlichen Interesse des Staates wahrgenommen wird, und c) ihre

Auswirkungen auf die institutionelle, finanzielle und persönliche Unabhängigkeit der

NZB. So kann eine neue Aufgabe als staatliche Aufgabe eingestuft werden, wenn

bei ihrer Wahrnehmung eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: a) Sie führt zu

Interessenkonflikten mit bestehenden Zentralbankaufgaben, die nicht angemessen

gelöst werden, b) sie steht in keinem Verhältnis zur finanziellen oder

organisatorischen Leistungsfähigkeit der NZB, c) sie passt nicht in den

institutionellen Aufbau der NZB, d) sie birgt erhebliche finanzielle Risiken und e) sie

setzt die Mitglieder der Beschlussorgane der NZB unverhältnismäßigen politischen

Risiken aus, die sich zudem negativ auf ihre persönliche Unabhängigkeit auswirken

können.50

Zu den einer NZB übertragenen Aufgaben, die von der EZB als staatliche Aufgaben

erachtet werden, zählen unter anderem: a) Aufgaben im Zusammenhang mit der

Finanzierung von Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie

Aufgaben im Zusammenhang mit Einlagensicherungs- oder

Anlegerentschädigungssystemen,51

b) Aufgaben im Zusammenhang mit der

Einrichtung eines Zentralregisters für Bankkontonummern52

und c) Aufgaben eines

Kreditmediators.53

Zu den Zentralbankaufgaben zählen dagegen unter anderem

Aufsichtsaufgaben oder Aufgaben im Zusammenhang mit solchen

48 Stellungnahme CON/2006/15. 49 Stellungnahme CON/2011/30, CON/2015/36 und CON/2015/46. 50 Stellungnahme CON/2015/22, CON/2015/36 und CON/2015/46. 51 Stellungnahme CON/2011/103 und CON/2012/22. Für einige bestimmte Fälle siehe auch den

Abschnitt „Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder Finanzierungsmechanismen sowie für

Einlagensicherungs-und Anlegerentschädigungssysteme“. 52 Stellungnahme CON/2015/36 und CON/2015/46. 53 Stellungnahme CON/2015/12.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 34

Aufsichtsaufgaben, wie etwa der Verbraucherschutz im Bereich

Finanzdienstleistungen,54

die Aufsicht über kreditankaufende Unternehmen55

oder

die Aufsicht über Anbieter und Vermittler von Verbraucherkrediten.56

Ausgehend von

der Annahme, dass administrative Abwicklungsaufgaben und Aufsichtsaufgaben

einander ergänzen, könnten auch Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausübung

technischer Abwicklungsbefugnisse und der Entscheidungsbefugnis als

Zentralbankaufgaben erachtet werden, sofern sie nicht die Unabhängigkeit einer

NZB gemäß Artikel 130 AEUV und Artikel 7 der ESZB-Satzung untergraben.57

Die

Bereitstellung von Mitteln an eine Aufsichtsbehörde durch eine NZB gibt daher

keinen Anlass zu Bedenken wegen des Verbots der monetären Finanzierung, soweit

die NZB damit im Rahmen ihres Mandats die Wahrnehmung einer legitimen

finanzaufsichtlichen Aufgabe nach innerstaatlichem Recht finanziert oder solange

die NZB damit zur Entscheidungsfindung der Aufsichtsbehörden beitragen und

darauf Einfluss nehmen kann.58

Eine NZB darf überdies keine Zwischenfinanzierung bereitstellen, um es einem

Mitgliedstaat zu ermöglichen, seinen Verpflichtungen in Bezug auf staatliche

Garantien für Bankverbindlichkeiten nachzukommen.59

Die Verteilung nicht

vollständig realisierter, ausgewiesener und geprüfter Zentralbankgewinne ist mit dem

Verbot der monetären Finanzierung ebenfalls nicht vereinbar. Um dem Verbot der

monetären Finanzierung Genüge zu tun, darf der dem Staatshaushalt gemäß den

geltenden Regeln der Gewinnverteilung zugeführte Betrag nicht − auch nicht

teilweise − aus den Kapitalreserven der NZB gezahlt werden. Die

Gewinnverteilungsregeln müssen daher die Kapitalreserven der NZB unberührt

lassen. Darüber hinaus sind Vermögenswerte von NZBen, die an den Staat

übertragen werden, zum Marktwert zu verzinsen, und die Übertragung muss zur

selben Zeit erfolgen wie die Verzinsung.60

Auch ein Eingriff in die Wahrnehmung sonstiger Aufgaben des Eurosystems, wie

etwa die Verwaltung der Währungsreserven, mittels Besteuerung theoretischer und

unrealisierter Vermögenszuwächse ist nicht gestattet.61

Übernahme der Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB verpflichtet ist, die

Verbindlichkeiten einer bislang unabhängigen öffentlichen Stelle im Zuge einer

nationalen Neuordnung bestimmter Aufgaben und Pflichten (z. B. im

Zusammenhang mit der Übertragung bestimmter, bislang vom Staat oder von

unabhängigen öffentlichen Behörden oder Stellen wahrgenommener

54 Stellungnahme CON/2007/29. 55 Stellungnahme CON/2015/45. 56 Stellungnahme CON/2015/54. 57 Stellungnahme CON/2015/22. 58 Stellungnahme CON/2010/4. 59 Stellungnahme CON/2012/4. 60 Stellungnahme CON/2011/91 und CON/2011/99. 61 Stellungnahme CON/2009/63.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 35

aufsichtsrechtlicher Aufgaben an die NZB) zu übernehmen, ohne dass sie von

sämtlichen finanziellen Verpflichtungen aus der vorherigen Tätigkeit dieser

öffentlichen Stelle vollständig freigestellt wird, sind mit dem Verbot der monetären

Finanzierung unvereinbar.62

Entsprechend sind auch innerstaatliche

Rechtsvorschriften, die von einer NZB verlangen, vor der Ergreifung von

Abwicklungsmaßnahmen unter einer Vielzahl von Bedingungen die Genehmigung

der Regierung einzuholen, die jedoch nicht die Haftung der NZB für ihre eigenen

Verwaltungsvorschriften begrenzen, mit dem Verbot der monetären Finanzierung

unvereinbar.63

Finanzielle Unterstützung für Kredit- und Finanzinstitute

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB ohne Bezug zu

Zentralbankaufgaben (wie etwa der Geldpolitik, dem Zahlungsverkehr oder der

vorübergehenden Gewährung von Liquiditätshilfen) Kreditinstituten unabhängig und

im alleinigen Ermessen finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, insbesondere dass sie

zahlungsunfähige Kredit- bzw. sonstige Finanzinstitute unterstützt, sind mit dem

Verbot der monetären Finanzierung unvereinbar.

Dies betrifft insbesondere die Unterstützung insolventer Kreditinstitute. Der Grund

hierfür ist, dass eine NZB mit der Finanzierung eines insolventen Kreditinstituts eine

staatliche Aufgabe wahrnehmen würde.64

Die gleichen Bedenken gelten, wenn das

Eurosystem ein Kreditinstitut finanziert, das zur Wiederherstellung der Solvenz über

eine direkte Platzierung vom Staat begebener Schuldtitel rekapitalisiert worden ist,

weil keine alternativen marktbasierten Finanzierungsquellen vorhanden sind

(nachfolgend „Rekapitalisierungsanleihen“), und wenn diese Anleihen als

Sicherheiten verwendet werden sollen. In solch einem Fall einer staatlichen

Rekapitalisierung eines Kreditinstituts über die direkte Platzierung von

Rekapitalisierungsanleihen gibt deren anschließende Nutzung als Sicherheiten in

Liquiditätsgeschäften der Zentralbank Anlass zu Bedenken hinsichtlich des Verbots

der monetären Finanzierung.65

Eine Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity

Assistance – ELA), die eine NZB einem solventen Kreditinstitut auf der Grundlage

einer Sicherheit in Form einer staatlichen Garantie unabhängig und im alleinigen

Ermessen gewährt, muss die folgenden Kriterien erfüllen: a) Es muss sichergestellt

sein, dass der von der NZB gewährte Kredit so kurzfristig wie möglich ist, b) die

Systemstabilität muss gefährdet sein, c) es darf keine Zweifel hinsichtlich der

rechtlichen Gültigkeit und Durchsetzbarkeit der staatlichen Garantie gemäß den

maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften geben, und d) es darf keine

Zweifel an der wirtschaftlichen Angemessenheit der staatlichen Garantie geben, die

sowohl den Nennbetrag als auch die Zinsen des Kredits abdecken muss.66

62 Stellungnahme CON/2013/56. 63 Stellungnahme CON/2015/22. 64 Stellungnahme CON/2013/5. 65 Stellungnahme CON/2012/50, CON/2012/64 und CON/2012/71. 66 In Stellungnahme CON/2012/4, Fußnote 42, finden sich Verweise auf weitere einschlägige

Stellungnahmen aus diesem Bereich.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 36

Zu diesem Zweck sollte in Betracht gezogen werden, Verweise auf Artikel 123 AEUV

in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften einzufügen.

Finanzielle Unterstützung für Abwicklungsfonds oder

Finanzierungsmechanismen sowie für Einlagensicherungs-und

Anlegerentschädigungssysteme

Während bei administrativen Abwicklungsaufgaben allgemein von einem Bezug zu

den in Artikel 127 Absatz 5 AEUV genannten Aufgaben ausgegangen wird, steht die

Finanzierung eines Abwicklungsfonds oder eines Finanzierungsmechanismus mit

dem Verbot der monetären Finanzierung nicht im Einklang.67

Tritt die NZB als

Abwicklungsbehörde auf, so sollte sie auf keinen Fall die Verpflichtungen eines

Brückeninstituts oder einer zur Vermögensverwaltung errichteten Zweckgesellschaft

übernehmen oder finanzieren.68

Zu diesem Zweck sollten die innerstaatlichen

Rechtsvorschriften klarstellen, dass die NZB keinerlei Verpflichtungen dieser Stellen

übernehmen oder finanzieren wird.69

Die Richtlinie über Einlagensicherungssysteme70

und die Richtlinie über Systeme für

die Entschädigung der Anleger71

sehen vor, dass die Kosten der Finanzierung

solcher Systeme von den Kreditinstituten bzw. den Wertpapierfirmen selbst zu

tragen sind. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass eine NZB eine

nationale Einlagensicherungseinrichtung für Kreditinstitute bzw. eine nationale

Anlegerentschädigungseinrichtung für Wertpapierfirmen finanziert, sind nur dann mit

dem Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, wenn es sich um eine

kurzfristige Finanzierung handelt, wenn diese aufgrund von Dringlichkeit erfolgt,

wenn die Systemstabilität gefährdet ist und wenn die Entscheidung über die

Finanzierung im Ermessen der jeweiligen NZB liegt.72

Zu diesem Zweck sollte in

Betracht gezogen werden, Verweise auf Artikel 123 AEUV in den innerstaatlichen

Rechtsvorschriften einzufügen. Wenn eine NZB ihr Ermessen über eine

Kreditgewährung ausübt, muss sie sicherstellen, dass sie nicht de facto eine

staatliche Aufgabe übernimmt.73

Insbesondere sollte die von Zentralbanken

geleistete Unterstützung für Einlagensicherungssysteme nicht auf eine

systematische Vorfinanzierung hinauslaufen.74

67 Stellungnahme CON/2015/22. 68 Stellungnahme CON/2011/103, CON/2012/99, CON/2015/3 und CON/2015/22. 69 Stellungnahme CON/2015/33 und CON/2015/35. 70 Erwägungsgrund 27 der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom

16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 149). 71 Erwägungsgrund 23 der Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom

3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger (ABl. L 84 vom 26.3.1997, S. 22). 72 Stellungnahme CON/2015/40. 73 Stellungnahme CON/2011/83 und CON/2015/52. 74 Stellungnahme CON/2011/84.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 37

Funktion als Fiskalagent

Artikel 21.2 der ESZB-Satzung legt fest, dass die EZB und die nationalen

Zentralbanken als Fiskalagent für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der

Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere

öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts

oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten tätig werden können. Damit sollen

die NZBen in die Lage versetzt werden, nach der Übertragung der geldpolitischen

Zuständigkeit auf das Eurosystem weiterhin ihren traditionellen Dienst als

Fiskalagent für Regierungen und andere öffentliche Stellen auszuüben, ohne dabei

automatisch gegen das Verbot der monetären Finanzierung zu verstoßen. Die

Verordnung (EG) Nr. 3603/93 sieht eine Reihe konkreter und eng gefasster

Ausnahmen von dem Verbot der monetären Finanzierung im Zusammenhang mit

der Funktion als Fiskalagent vor: i) Innerhalb eines Tages gewährte Kredite an den

öffentlichen Sektor sind gestattet, sofern sie auf den betreffenden Tag begrenzt

bleiben und keine Verlängerung möglich ist,75

ii) die Gutschrift von durch Dritte

ausgestellten Schecks auf dem Konto des öffentlichen Sektors vor erfolgter

Belastung der bezogenen Bank ist gestattet, sofern die seit der Entgegennahme des

Schecks verstrichene Frist mit den für den Einzug von Schecks durch die

betreffende NZB üblichen Fristen in Einklang steht, sodass etwaige

Wertstellungsgewinne Ausnahmecharakter haben, geringe Beträge betreffen und

sich innerhalb eines kurzen Zeitraums ausgleichen,76

und iii) Bestände an Münzen,

die vom öffentlichen Sektor ausgegeben und dessen Konto gutgeschrieben wurden,

sind gestattet, sofern sie weniger als 10 % des Münzumlaufs ausmachen.77

Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bezüglich der Funktion als Fiskalagent

müssen mit dem EU-Recht im Allgemeinen und mit dem Verbot der monetären

Finanzierung im Besonderen vereinbar sein.78

Angesichts der in Artikel 21.2 der

ESZB-Satzung verankerten ausdrücklichen Anerkennung der Funktion der NZBen

als Fiskalagent als eine legitime, von ihnen traditionell wahrgenommene Aufgabe

sind die von Zentralbanken diesbezüglich erbrachten Dienstleistungen mit dem

Verbot der monetären Finanzierung vereinbar, sofern solche Dienste nicht über den

Rahmen der Tätigkeit als Fiskalagent hinausgehen und keine Finanzierung von

Verpflichtungen des öffentlichen Sektors gegenüber Dritten durch die Zentralbank

oder Kreditgewährung der Zentralbank zugunsten des öffentlichen Sektors

außerhalb der eng definierten Ausnahmen gemäß Verordnung (EG) Nr. 3603/93

darstellen.79

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, denen zufolge eine NZB Einlagen

der Regierung halten und Konten der öffentlichen Haushalte bedienen darf, werfen

keine Fragen hinsichtlich der Einhaltung des Verbots der monetären Finanzierung

auf, solange damit nicht die Möglichkeit der Gewährung von Krediten, einschließlich

Tagesüberziehungskrediten, verbunden ist. Bedenken hinsichtlich der Einhaltung

des Verbots der monetären Finanzierung ergäben sich jedoch beispielsweise dann,

wenn Einlagen oder Guthaben auf Girokonten gemäß den innerstaatlichen

75 Siehe Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93 und Stellungnahme CON/2013/2. 76 Siehe Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93. 77 Siehe Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 3603/93. 78 Stellungnahme CON/2013/3. 79 Stellungnahme CON/2009/23, CON/2009/67 und CON/2012/9.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 38

Rechtsvorschriften höher als zu den marktüblichen Sätzen, statt zu Marktsätzen

oder niedriger, verzinst werden können. Eine über den Marktsätzen liegende

Verzinsung kommt de facto einem Kredit gleich, was dem Ziel des Verbots der

monetären Finanzierung zuwiderläuft und daher die mit dem Verbot verbundenen

Ziele untergraben könnte. Es ist von großer Bedeutung, dass jede Verzinsung eines

Kontos den Marktparametern entspricht, und noch entscheidender, dass der

Zinssatz der Einlagen mit ihrer jeweiligen Laufzeit korreliert.80

Soweit

Fiskalagentdienste durch eine NZB unentgeltlich erbracht werden, bestehen

hinsichtlich des Verbots der monetären Finanzierung keine Bedenken, sofern es sich

dabei um Kernleistungen als Fiskalagent handelt.81

2.2.5.2 Verbot des bevorrechtigten Zugangs

Artikel 124 AEUV legt fest, dass sämtliche „Maßnahmen, die nicht aus

aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden und einen bevorrechtigten Zugang

der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, der Zentralregierungen,

der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-

rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder

öffentlicher Unternehmen der Mitgliedstaaten zu den Finanzinstituten schaffen,“

verboten sind.

Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates82

handelt es

sich bei einem bevorrechtigten Zugang um sämtliche Gesetze, Rechtsvorschriften

oder sonstige zwingende Rechtsakte, die in Ausübung der öffentlichen Gewalt

erlassen werden und a) Finanzinstitute dazu verpflichten, Forderungen gegenüber

Organen und Einrichtungen der Union, Zentralregierungen, regionalen oder lokalen

Gebietskörperschaften, anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstigen

Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlichen Unternehmen der

Mitgliedstaaten zu erwerben oder zu halten, oder b) Steuervergünstigungen, die nur

Finanzinstituten zugutekommen, oder finanzielle Vergünstigungen, die mit den

Grundsätzen der Marktwirtschaft nicht in Einklang stehen, gewähren, um den Erwerb

oder Besitz solcher Forderungen durch diese Institute zu fördern.

Den NZBen ist es als Behörden nicht gestattet, Maßnahmen zu ergreifen, die dem

öffentlichen Sektor einen bevorrechtigten Zugang zu Finanzinstituten gewähren,

sofern diese Maßnahmen nicht aus aufsichtsrechtlichen Gründen getroffen werden.

Die von den NZBen erlassenen Vorschriften für die Mobilisierung oder Verpfändung

von Schuldtiteln dürfen nicht dazu dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs

zu umgehen.83

Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich dürfen

keinen solchen bevorrechtigten Zugang schaffen.

80 Siehe unter anderem Stellungnahme CON/2010/54, CON/2010/55 und CON/2013/62. 81 Stellungnahme CON/2012/9. 82 Verordnung (EG) Nr. 3604/93 des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Festlegung der

Begriffsbestimmungen für die Anwendung des Verbots des bevorrechtigten Zugangs gemäß

Artikel 104a des Vertrages [zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft] (ABl. L 332 vom

31.12.1993, S. 4). Artikel 104a ist nun Artikel 124 AEUV. 83 Siehe Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 39

Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93 definiert „aufsichtsrechtliche Gründe“ als

Gründe, die den aufgrund des EU-Rechts oder in Übereinstimmung damit

erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bzw. Verwaltungsmaßnahmen

zugrunde liegen und die die Solidität der Finanzinstitute fördern und somit die

Stabilität des gesamten Finanzsystems und den Schutz der Kunden dieser

Finanzinstitute stärken sollen. Aufsichtsrechtliche Gründe sollen sicherstellen, dass

Banken gegenüber ihren Einlegern solvent bleiben.84

Im Bereich der Bankenaufsicht

wurden im Sekundärrecht der EU verschiedene Anforderungen festgelegt, um die

Solidität der Kreditinstitute zu gewährleisten.85

Ein „Kreditinstitut“ wird definiert als

ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere

rückzahlbare Gelder des Publikums entgegenzunehmen und Kredite für eigene

Rechnung zu gewähren.86

Zudem werden Kreditinstitute gemeinhin als „Banken“

bezeichnet und benötigen für die Bereitstellung von Dienstleistungen die Zulassung

durch eine zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaates.87

Die Mindestreserven könnten zwar als Bestandteil der Aufsichtsanforderungen

betrachtet werden, in der Regel zählen sie aber zum Handlungsrahmen der NZBen

und werden in den meisten Volkswirtschaften – so auch im Euro-Währungsgebiet –

als geldpolitisches Instrument genutzt.88

In diesem Zusammenhang wird in Anhang I,

Absatz 2 der Leitlinie EZB/2014/6089

dargelegt, dass das Mindestreservesystem des

Eurosystems in erster Linie dazu dient, die Geldmarktzinsen zu stabilisieren und

eine strukturelle Liquiditätsknappheit herbeizuführen (oder zu vergrößern).90

Die EZB

verlangt von im Euroraum niedergelassenen Kreditinstituten, dass sie die

erforderlichen Mindestreserven (in Form von Einlagen) auf einem Konto bei ihrer

NZB halten.91

Der vorliegende Bericht stellt auf die Vereinbarkeit sowohl der innerstaatlichen

Rechtsvorschriften oder Bestimmungen der NZBen als auch der Satzungen der

NZBen mit dem im AEUV verankerten Verbot des bevorrechtigten Zugangs ab. Er

steht jedoch einer Beurteilung, ob in den Mitgliedstaaten Rechts- oder

84 Stellungnahme von Generalanwalt Elmer in der Rechtssache C-222/95, Parodi gegen

Banque H. Albert de Bary, Slg. 1997, I-3899, Absatz 24. 85 Siehe: a) Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni

2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der

Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1) sowie b) Richtlinie 2013/36/EU des

Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von

Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der

Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom

27.6.2013, S. 338). 86 Siehe Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013. 87 Siehe Artikel 8 der Richtlinie 2013/36/EU. 88 Dies wird auch durch Artikel 3 Absatz 2 und Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EG) Nr. 3604/93

gestützt. 89 Leitlinie (EU) 2015/510 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2014 über die Umsetzung

des geldpolitischen Handlungsrahmens des Eurosystems (EZB/2014/60) (ABl. L 91 vom 2.4.2015,

S. 3). 90 Je höher die Mindestreservepflicht ist, desto weniger Mittel kann die Bank verleihen, was zu einer

geringeren Geldschöpfung führt. 91 Siehe Artikel 19 der ESZB-Satzung, Verordnung (EG) Nr. 2531/98 des Rates vom 23. November 1998

über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht durch die Europäische Zentralbank (ABl. L 318 vom

27.11.1998, S. 1), Verordnung (EG) Nr. 1745/2003 der Europäischen Zentralbank vom 12. September

2003 über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht (EZB/2003/9) (ABl. L 250 vom 2.10.2003, S. 10)

und Verordnung (EU) Nr. 1071/2013 der Europäischen Zentralbank vom 24. September 2013 über die

Bilanz des Sektors der monetären Finanzinstitute (EZB/2013/33) (ABl. L 297 vom 7.11.2013, S. 1).

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 40

Verwaltungsvorschriften unter dem Vorwand aufsichtsrechtlicher Gründe dazu

dienen, das Verbot des bevorrechtigten Zugangs zu umgehen, nicht entgegen. Eine

solche Beurteilung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Berichts.

2.2.6 Einheitliche Schreibweise des Euro

Gemäß Artikel 3 Absatz 4 des Vertrags über die Europäische Union errichtet die

Union „eine Wirtschafts- und Währungsunion, deren Währung der Euro ist“. In allen

verbindlichen Sprachfassungen der Verträge, denen das römische Alphabet

zugrunde liegt, wird der Euro einheitlich im Nominativ Singular als „Euro“ bezeichnet.

In den unter Verwendung des griechischen Alphabets und des kyrillischen Alphabets

abgefassten Vertragstexten wird der Euro als „ ευρώ“ bzw. „евро“ bezeichnet.92

Im

Einklang hiermit stellt die Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998

über die Einführung des Euro93

klar, dass die einheitliche Währung in allen

Amtssprachen der Union unter Berücksichtigung der verschiedenen Alphabete

denselben Namen tragen muss. Die Verträge fordern daher eine einheitliche

Schreibweise des Wortes „Euro“ im Nominativ Singular in allen Rechtsvorschriften

der EU und allen innerstaatlichen Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der

unterschiedlichen Alphabete.

In Anbetracht der ausschließlichen Zuständigkeit der EU für die Festlegung des

Namens der einheitlichen Währung sind jegliche Abweichungen von dieser

Bestimmung mit den Verträgen unvereinbar und daher zu beseitigen. Dieser

Grundsatz findet zwar auf sämtliche innerstaatlichen Rechtsvorschriften Anwendung,

doch konzentriert sich die Beurteilung in den Länderkapiteln auf die Satzungen der

NZBen und die Bestimmungen zur Euro-Bargeldumstellung.

2.2.7 Rechtliche Integration der NZBen in das Eurosystem

Innerstaatliche Rechtsvorschriften (insbesondere die Satzung einer NZB, aber auch

sonstige Rechtsvorschriften), die die Erfüllung von Aufgaben im Rahmen des

Eurosystems oder die Einhaltung von EZB-Beschlüssen behindern würden, sind mit

dem reibungslosen Funktionieren des Eurosystems nach der Einführung des Euro in

dem jeweiligen Mitgliedstaat nicht vereinbar. Sie sind daher entsprechend

abzuändern, um die Vereinbarkeit mit dem AEUV und der ESZB-Satzung im Hinblick

auf die Aufgaben im Rahmen des Eurosystems zu gewährleisten. Zur Erfüllung von

Artikel 131 AEUV waren die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bis zum Zeitpunkt

der Errichtung des ESZB (im Fall Schwedens) sowie bis zum 1. Mai 2004, 1. Januar

2007 bzw. 1. Juli 2013 (bei den Mitgliedstaaten, die zum jeweiligen Zeitpunkt der EU

92 In der den Verträgen beigefügten „Erklärung der Republik Lettland, der Republik Ungarn und der

Republik Malta zur Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung in den Verträgen“ heißt es:

„Unbeschadet der in den Verträgen enthaltenen vereinheitlichten Schreibweise des Namens der

einheitlichen Währung der Europäischen Union, wie sie auf den Banknoten und Münzen erscheint,

erklären Lettland, Ungarn und Malta, dass die Schreibweise des Namens der einheitlichen Währung −

einschließlich ihrer abgeleiteten Formen, die in der lettischen, der ungarischen und der maltesischen

Sprachfassung der Verträge benutzt werden − keine Auswirkungen auf die geltenden Regeln der

lettischen, der ungarischen und der maltesischen Sprache hat.“ 93 ABl. L 139 vom 11.5.1998, S. 1.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 41

beitraten) anzupassen. Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der vollständigen

rechtlichen Integration einer NZB in das Eurosystem müssen hingegen erst dann in

Kraft treten, wenn die vollständige Integration wirksam wird − also erst zu dem

Zeitpunkt, zu dem ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, den Euro

einführt.

Das Hauptaugenmerk in diesem Bericht gilt jenen Rechtsvorschriften, die eine NZB

daran hindern könnten, ihren Verpflichtungen im Rahmen des Eurosystems

nachzukommen. Dazu zählen Bestimmungen, die eine NZB davon abhalten

könnten, sich an der Durchführung der von den Beschlussorganen der EZB

festgelegten einheitlichen Geldpolitik zu beteiligen, die einen Zentralbankpräsidenten

bei der Erfüllung seiner Aufgaben als Mitglied des EZB-Rats behindern könnten oder

in denen die Vorrechte der EZB nicht berücksichtigt sind. Dabei wird unterschieden

zwischen wirtschaftspolitischer Zielbestimmung, Aufgaben, Finanzvorschriften,

Wechselkurspolitik und internationaler Zusammenarbeit. Schließlich werden noch

andere Bereiche angeführt, in denen die NZB-Satzungen möglicherweise angepasst

werden müssen.

2.2.7.1 Wirtschaftspolitische Zielbestimmung

Die vollständige Integration einer NZB in das Eurosystem erfordert, dass die in ihrer

Satzung verankerten Ziele mit den Zielen des ESZB (nach Artikel 2 der ESZB-

Satzung) im Einklang stehen. Dies bedeutet unter anderem, dass gewisse

innerstaatlich motivierte Ziele − zum Beispiel die Verpflichtung, die Geldpolitik im

Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik des betreffenden Mitgliedstaats

durchzuführen − entsprechend abzuändern sind. Außerdem müssen auch die

nachrangigen Ziele der NZBen mit ihrer Verpflichtung, die allgemeine

Wirtschaftspolitik in der EU zu unterstützen, um zur Verwirklichung der in Artikel 3

des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen

(dies selbst ein Ziel, das das Ziel der Preisstabilität unbeschadet lässt), vereinbar

sein und dürfen ihr nicht entgegenstehen.94

2.2.7.2 Aufgaben

Die Aufgaben der NZB eines Mitgliedstaats, dessen Währung der Euro ist, werden

aufgrund des Status dieser NZB als integraler Bestandteil des Eurosystems in erster

Linie durch den AEUV und die ESZB-Satzung bestimmt. Zur Erfüllung von

Artikel 131 AEUV müssen daher die Aufgabenbeschreibungen in der Satzung einer

NZB mit den betreffenden Bestimmungen im AEUV und in der ESZB-Satzung

verglichen und Unvereinbarkeiten beseitigt werden.95

Dies gilt für alle

Bestimmungen, die nach der Einführung des Euro und der Integration in das

Eurosystem die Wahrnehmung von Aufgaben im Rahmen des ESZB

94 Stellungnahme CON/2010/30 und CON/2010/48. 95 Siehe insbesondere Artikel 127 und Artikel 128 AEUV sowie Artikel 3 bis 6 und Artikel 16 der ESZB-

Satzung.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 42

beeinträchtigen, vor allem für Bestimmungen, in denen die Zuständigkeit des ESZB

nach Kapitel IV der ESZB-Satzung nicht berücksichtigt ist.

In den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Geldpolitik muss berücksichtigt sein,

dass die Geldpolitik der Union durch das Eurosystem auszuführen ist.96

Für den Fall,

dass die Satzung einer NZB Bestimmungen über geldpolitische Instrumente enthält,

müssen diese mit den entsprechenden Bestimmungen des AEUV und der ESZB-

Satzung vergleichbar sein und etwaige Unvereinbarkeiten beseitigt werden, um

Artikel 131 AEUV zu entsprechen.

Die NZBen überwachen auf regelmäßiger Basis die Entwicklung der öffentlichen

Finanzen, damit sie den künftig einzuschlagenden geldpolitischen Kurs angemessen

beurteilen können. Gestützt auf diese Überwachungstätigkeit und die

Unabhängigkeit ihrer Empfehlungen dürfen die NZBen zudem ihre Meinung zu

relevanten Entwicklungen der öffentlichen Finanzen äußern, um zum reibungslosen

Funktionieren der Europäischen Währungsunion beizutragen. Die Überwachung der

Entwicklung der öffentlichen Finanzen durch die NZBen zu geldpolitischen Zwecken

sollte auf der Grundlage eines uneingeschränkten Zugangs zu allen relevanten

Daten über die öffentlichen Finanzen erfolgen. Die NZBen sollten daher einen

vollständigen, zeitnahen und automatischen Zugang zu allen relevanten

Finanzstatistiken erhalten. Ihre Rolle sollte sich jedoch auf Überwachungsaktivitäten

beschränken, die sich aus der Erfüllung ihres geldpolitischen Mandats ergeben

oder − direkt oder indirekt − damit in Verbindung stehen.97

Wird einer NZB formal ein

Mandat zur Beurteilung von Prognosen und der Entwicklung der öffentlichen

Finanzen erteilt, so impliziert dies für die NZB eine Funktion (und damit auch eine

entsprechende Verantwortung) im Rahmen der Finanzpolitik, wodurch die Erfüllung

des geldpolitischen Mandats des Eurosystems und die Unabhängigkeit der NZB

unterminiert werden können.98

Im Zusammenhang mit den innerstaatlichen Gesetzesinitiativen zur Beseitigung der

Turbulenzen an den Finanzmärkten hat die EZB betont, dass jegliche Verzerrung an

den nationalen Geldmärkten des Euro-Währungsgebiets zu vermeiden ist, da

hierdurch die Durchführung der einheitlichen Geldpolitik beeinträchtigt werden

könnte. Dies gilt insbesondere für die Ausweitung staatlicher Garantien auf

Interbankeneinlagen.99

Die Mitgliedstaaten müssen gewährleisten, dass innerstaatliche gesetzgeberische

Maßnahmen zur Behebung von Liquiditätsproblemen bei Unternehmen oder

professionellen Marktteilnehmern, etwa zur Deckung ihrer Verbindlichkeiten

gegenüber Finanzinstituten, keine negativen Auswirkungen auf die Marktliquidität

haben. Insbesondere dürfen solche Maßnahmen nicht mit dem Grundsatz einer

offenen Marktwirtschaft im Sinne von Artikel 3 des Vertrags über die Europäische

96 Artikel 127 Absatz 2 erster Gedankenstrich AEUV. 97 Stellungnahme CON/2012/105, CON/2013/90 und CON/2013/91. 98 Beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2011/85/EU des Rates

vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der

Mitgliedstaaten (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 41). Siehe Stellungnahme CON/2013/90 und

CON/2013/91. 99 Stellungnahme CON/2009/99 und CON/2011/79.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 43

Union unvereinbar sein, da dies die Kreditvergabe behindern, die Stabilität von

Finanzinstituten und -märkten wesentlich beeinflussen und somit die Wahrnehmung

der Aufgaben des Eurosystems beeinträchtigen könnte.100

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die der jeweiligen NZB das alleinige Recht zur

Ausgabe von Banknoten einräumen, müssen ab der Einführung des Euro das

ausschließliche Recht des EZB-Rats zur Genehmigung der Ausgabe von Euro-

Banknoten gemäß Artikel 128 Absatz 1 AEUV und Artikel 16 der ESZB-Satzung

anerkennen, während das Recht zur Ausgabe von Euro-Banknoten der EZB und den

NZBen zusteht. Ferner müssen innerstaatliche Rechtsvorschriften, nach denen die

Regierung Einfluss auf Euro-Banknoten, beispielsweise auf deren Stückelung,

Herstellung, Umlauf und Einziehung, nehmen kann, entweder aufgehoben werden

oder die Zuständigkeit der EZB für die Euro-Banknoten im Sinne der oben

genannten Bestimmungen des AEUV und der ESZB-Satzung berücksichtigen.

Ungeachtet der Aufgabenteilung zwischen den Regierungen und den NZBen in

Bezug auf Münzen müssen die jeweiligen Bestimmungen nach der Einführung des

Euro das Recht der EZB zur Genehmigung des Umfangs der Münzausgabe

anerkennen. Ein Mitgliedstaat darf das sich im Umlauf befindliche Bargeld nicht als

Verbindlichkeit seiner NZB gegenüber der Regierung dieses Mitgliedstaats

betrachten, da dies das Konzept einer einheitlichen Währung zu Fall bringen würde

und mit den Anforderungen an die rechtliche Integration in das Eurosystem

unvereinbar wäre.101

Was die Verwaltung der Währungsreserven betrifft,102

so verstößt ein Mitgliedstaat,

der den Euro eingeführt hat und seine offiziellen Währungsreserven103

nicht an die

NZB überträgt, gegen den AEUV. Ferner ist jedwedes Recht eines Dritten, zum

Beispiel der Regierung oder des Parlaments, Einfluss auf die Entscheidungen einer

NZB hinsichtlich der Verwaltung der offiziellen Währungsreserven zu nehmen, mit

Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV unvereinbar. Darüber hinaus

müssen die NZBen entsprechend ihrem Anteil am gezeichneten Kapital der EZB

Währungsreserven an die EZB übertragen. Dies bedeutet, dass die NZBen nicht

durch rechtliche Bestimmungen daran gehindert werden dürfen, Währungsreserven

an die EZB zu übertragen.

Im Hinblick auf Statistiken begründen zwar Verordnungen, die von der EZB nach

Artikel 34.1 der ESZB-Satzung im Bereich der Statistiken erlassen wurden, keinerlei

Rechte oder Verpflichtungen für jene Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt

haben; allerdings gilt Artikel 5 der ESZB-Satzung, der die Erhebung statistischer

Daten betrifft, für alle Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie den Euro eingeführt

haben. Dementsprechend sind Mitgliedstaaten, deren Währung nicht der Euro ist,

dazu verpflichtet, auf nationaler Ebene alle Maßnahmen zu treffen und umzusetzen,

die sie für erforderlich halten, um die zur Erfüllung der statistischen Berichtspflichten

gegenüber der EZB benötigten statistischen Daten zu erheben und rechtzeitig alle

100 Stellungnahme CON/2010/8. 101 Stellungnahme CON/2008/34. 102 Artikel 127 Absatz 2 dritter Gedankenstrich AEUV. 103 Ausgenommen davon sind Arbeitsguthaben in Fremdwährungen, die die Regierungen der

Mitgliedstaaten nach Artikel 127 Absatz 3 AEUV halten dürfen.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 44

Vorbereitungen zu treffen, die im statistischen Bereich erforderlich sind, um den

Euro einführen zu können.104

Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die den Rahmen für

die internationale Zusammenarbeit zwischen den NZBen und den nationalen

Statistikämtern festlegen, müssen die Unabhängigkeit der NZBen bei der

Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit dem statistischen

Berichtsrahmen des ESZB gewährleisten.105

2.2.7.3 Finanzvorschriften

Die Finanzvorschriften der ESZB-Satzung enthalten Bestimmungen über die

Jahresabschlüsse106

, Rechnungsprüfung107

, Kapitalzeichnung108

, Übertragung von

Währungsreserven109

und Verteilung der monetären Einkünfte110

. Die NZBen

müssen in der Lage sein, ihren Verpflichtungen aus diesen Bestimmungen

nachzukommen; damit nicht in Einklang stehende innerstaatliche Vorschriften sind

daher aufzuheben.

2.2.7.4 Wechselkurspolitik

Ein Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, kann innerstaatliche

Rechtsvorschriften beibehalten, denen zufolge die Regierung für die

Wechselkurspolitik dieses Mitgliedstaats zuständig ist, wobei der jeweiligen NZB ein

Beratungsrecht und/oder die ausführende Rolle eingeräumt werden kann. Bis zu

dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat den Euro einführt, sind diese

Bestimmungen jedoch dahingehend anzupassen, dass die Verantwortung für die

Wechselkurspolitik des Euro-Währungsgebiets gemäß Artikel 138 und Artikel 219

AEUV auf der Ebene der EU liegt.

2.2.7.5 Internationale Zusammenarbeit

Im Hinblick auf die Einführung des Euro müssen die innerstaatlichen

Rechtsvorschriften mit Artikel 6.1 der ESZB-Satzung vereinbar sein, wonach im

Bereich der internationalen Zusammenarbeit, die die dem Eurosystem übertragenen

Aufgaben betrifft, die EZB entscheidet, wie das ESZB vertreten wird. Innerstaatliche

Rechtsvorschriften, die einer NZB die Beteiligung an internationalen

Währungseinrichtungen erlauben, müssen eine solche Beteiligung unter den

Zustimmungsvorbehalt der EZB stellen (Artikel 6.2 der ESZB-Satzung).

104 Stellungnahme CON/2013/88. 105 Stellungnahme CON/2015/5 und CON/2015/24. 106 Artikel 26 der ESZB-Satzung. 107 Artikel 27 der ESZB-Satzung. 108 Artikel 28 der ESZB-Satzung. 109 Artikel 30 der ESZB-Satzung. 110 Artikel 32 der ESZB-Satzung.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 45

2.2.7.6 Verschiedenes

Neben den oben genannten Punkten gibt es bei einigen Mitgliedstaaten noch andere

Bereiche, in denen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften angepasst werden

müssen (beispielsweise im Bereich der Verrechnungs- und Zahlungssysteme und

des Informationsaustauschs).

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 46

3 Stand der wirtschaftlichen Konvergenz

Die Einhaltung der Konvergenzkriterien hat sich seit dem

Konvergenzbericht 2014 der EZB verbessert; in mehreren Ländern wurden

Fortschritte bei der Senkung der Inflationsraten auf das Niveau im Euro-

Währungsgebiet erzielt (siehe Tabelle 3.1). Auch der Abbau von

Haushaltsungleichgewichten ist in allen Ländern vorangeschritten. Allerdings nimmt

keines der in diesem Bericht untersuchten Länder am WKM II teil, und die

Wechselkurse der Währungen einiger Staaten verzeichneten in den letzten Jahren

gegenüber dem Euro spürbare Schwankungen. Schließlich wurden bei der

Verringerung des Abstands der langfristigen Zinsen gegenüber dem Euroraum

deutliche Fortschritte erzielt.

Tabelle 3.1

Übersicht über die Indikatoren der wirtschaftlichen Konvergenz

Preisstabilität Entwicklung der öffentlichen Haushalte und Projektionen Wechselkurs

Langfristiger

Zinssatz 6)

HVPI-

Inflation 1)

Land mit

übermäßigem

Defizit 2),3)

Finanzierungssaldo

des

Staates 4)

Verschuldung

des Staates 4)

Am WKM II

teilnehmende

Währung 3)

Wechselkurs

gegenüber dem

Euro 3), 5)

Bulgarien 2014 -1,6 Nein -5,4 27,0 Nein 0,0 3,3

2015 -1,1 Nein -2,1 26,7 Nein 0,0 2,5

2016 -1,0 Nein -2,0 28,1 Nein 0,0 2,5

Tschechische Republik 2014 0,4 Nein -1,9 42,7 Nein -6,0 1,6

2015 0,3 Nein -0,4 41,1 Nein 0,9 0,6

2016 0,4 Nein -0,7 41,3 Nein 0,9 0,6

Kroatien 2014 0,2 Ja -5,5 86,5 Nein -0,7 4,1

2015 -0,3 Ja -3,2 86,7 Nein 0,3 3,6

2016 -0,4 Ja -2,7 87,6 Nein 0,5 3,7

Ungarn 2014 0,0 Nein -2,3 76,2 Nein -4,0 4,8

2015 0,1 Nein -2,0 75,3 Nein -0,4 3,4

2016 0,4 Nein -2,0 74,3 Nein -0,7 3,4

Polen 2014 0,1 Ja -3,3 50,5 Nein 0,3 3,5

2015 -0,7 Nein -2,6 51,3 Nein 0,0 2,7

2016 -0,5 Nein -2,6 52,0 Nein -4,2 2,9

Rumänien 2014 1,4 Nein -0,9 39,8 Nein -0,6 4,5

2015 -0,4 Nein -0,7 38,4 Nein 0,0 3,5

2016 -1,3 Nein -2,8 38,7 Nein -1,0 3,6

Schweden 2014 0,2 Nein -1,6 44,8 Nein -5,2 1,7

2015 0,7 Nein 0,0 43,4 Nein -2,8 0,7

2016 0,9 Nein -0,4 41,3 Nein 0,6 0,8

Referenzwert7)

0,7 -3,0 60,0 4,0

Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, GD ECFIN) und Europäisches System der Zentralbanken.

1) Durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %. Die Angaben für 2016 beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2015 bis April 2016.

2) Bezieht sich darauf, ob zumindest für einen Teil des Jahres ein Beschluss des Rates vorlag, wonach in diesem Land ein übermäßiges Defizit bestand.

3) Die Daten für 2016 beziehen sich auf den Zeitraum bis zum Stichtag der Statistiken des Berichts (18. Mai 2016).

4) In % des BIP. Die Angaben für 2016 wurden der Frühjahrsprognose 2016 der Europäischen Kommission entnommen.

5) Durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %. Eine positive (negative) Zahl zeigt eine Aufwertung (Abwertung) gegenüber dem Euro an.

6) Durchschnittlicher Jahreszinssatz. Die Angaben für 2016 beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2015 bis April 2016.

7) Die Referenzwerte für die HVPI-Inflation und die langfristigen Zinssätze beziehen sich auf den Zeitraum von Mai 2015 bis April 2016. Die Referenzwerte für den öffentlichen

Finanzierungssaldo und die Verschuldung werden in Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem entsprechenden Protokoll (Nr. 12) über das

Verfahren bei einem übermäßigen Defizit definiert.

Seit Veröffentlichung des letzten Konvergenzberichts hat sich das

wirtschaftliche Umfeld aufgehellt. Die Konjunktur nahm in den meisten EU-

Mitgliedstaaten wieder an Fahrt auf und gewann in den hier untersuchten Ländern

allmählich an Breite. Gründe hierfür sind der Einfluss steigender real verfügbarer

Einkommen, gestützt durch den in den meisten Ländern fehlenden Preisdruck,

akkommodierende geldpolitische Maßnahmen und vermehrte Anzeichen einer

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 47

wirtschaftlichen Stabilisierung in mehreren Euro-Ländern. Die einsetzende Erholung

hat in fast allen betrachteten Ländern zu einer deutlichen Verbesserung am

Arbeitsmarkt geführt; in Kroatien herrscht weiterhin eine sehr hohe Arbeitslosigkeit.

In allen Ländern sind weitere Fortschritte bei der Korrektur außenwirtschaftlicher

Ungleichgewichte und der Reduzierung der Abhängigkeit von der

Außenfinanzierung, insbesondere im Bankensektor, erzielt worden. Dadurch wurde

die Widerstandsfähigkeit der meisten untersuchten Staaten während der jüngsten

Phasen von Turbulenzen in Schwellenländern außerhalb der EU gestärkt. In

einzelnen Ländern sind allerdings nach wie vor beträchtliche Anfälligkeiten

verschiedenster Art zu beobachten, die den Konvergenzprozess langfristig

beeinträchtigen dürften, sofern ihnen nicht in angemessener Weise begegnet wird.

Was das Kriterium der Preisstabilität anbelangt, so lag der

Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate in sechs der sieben im

vorliegenden Bericht untersuchten Länder unterhalb – in einigen Fällen sogar

deutlich unterhalb – des Referenzwerts von 0,7 % (siehe Abbildung 3.1). In

Bulgarien, Kroatien, Polen und Rumänien wurden negative Inflationsraten

verzeichnet. In Schweden lag die Inflation oberhalb des Referenzwerts. Im

Konvergenzbericht 2014 war Rumänien das einzige Land mit einer Teuerungsrate

oberhalb des damals geltenden Referenzwerts von 1,7 % gewesen.

Abbildung 3.1

HVPI-Inflation

(durchschnittliche Veränderung gegen Vorjahr in %)

Quelle: Eurostat.

Was die fiskalpolitischen Kriterien in den untersuchten Ländern betrifft, liegt

zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts nur gegen Kroatien ein

Beschluss des Rates der EU über das Bestehen eines übermäßigen Defizits

vor. Dies steht im Gegensatz zu der im Konvergenzbericht 2014 festgestellten

Situation, als sich die Tschechische Republik und Polen ebenfalls im

Defizitverfahren befanden; diese Verfahren wurden für die Tschechische Republik im

Juni 2014 und für Polen im Juni 2015 eingestellt. 2015 wiesen mit Ausnahme

Kroatiens alle Länder insgesamt eine Haushaltsposition auf, die dem Referenzwert

von 3 % des BIP entsprach bzw. unter diesem Wert lag, während laut dem Bericht

2,1

-0,8

0,6

1,10,9 1,0

0,3

1,0

-1,3

-1,0

-0,5 -0,4

0,40,4

0,9

0,1

-2

-1

0

1

2

3

Rumänien Bulgarien Polen Kroatien TschechischeRepublik

Ungarn Schweden Euro-Währungsgebiet

Nachrichtlich:

Konvergenzbericht 2014 (Mai 2013 bis April 2014)

Konvergenzbericht 2016 (Mai 2015 bis April 2016)

Referenzwert Konvergenzbericht 2014 (1,7 %)

Referenzwert Konvergenzbericht 2016 (0,7 %)

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 48

von 2014 Kroatien und Polen im Jahr 2013 ein über dem Referenzwert von 3 % des

BIP liegendes Haushaltsdefizit ausgewiesen hatten (siehe Abbildung 3.2a). Wie im

Konvergenzbericht 2014 waren Kroatien und Ungarn 2015 die einzigen Länder, in

denen die öffentliche Schuldenquote über dem Referenzwert von 60 % lag. In

Kroatien war die Schuldenquote deutlich höher als im Jahr 2013, in Ungarn

hingegen war sie geringfügig niedriger. In Polen lag die Schuldenquote 2015 bei

über 50 %. In der Tschechischen Republik und in Schweden lag die Quote unterhalb

von 50 %, in Rumänien unterhalb von 40 % und in Bulgarien unterhalb von 30 %

(siehe Abbildung 3.2b).

Abbildung 3.2a

Finanzierungssaldo des Staates

(in % des BIP)

Quelle: Eurostat. 1) Die Daten wurden gegenüber dem Konvergenzbericht 2014 leicht revidiert.

Abbildung 3.2b

Bruttoverschuldung des Staates

(in % des BIP)

Quelle: Eurostat. 1) Die Daten wurden gegenüber dem Konvergenzbericht 2014 leicht revidiert.

-5,3

-4,0

-0,4

-2,6

-2,1

-1,3 -1,4

-3,2

-2,6

-2,1 -2,0

-0,7-0,4

0,0

-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

Kroatien Polen Bulgarien Ungarn Rumänien TschechischeRepublik

Schweden

2013 1)

2015

Referenzwert (-3 %)

17,1

38,0

45,1

39,8

56,0

76,8

82,2

26,7

38,441,1

43,4

51,3

75,3

86,7

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Bulgarien Rumänien TschechischeRepublik

Schweden Polen Ungarn Kroatien

2013 1)

2015

Referenzwert (60 %)

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 49

Was das Wechselkurskriterium anbelangt, so nimmt keines der in diesem

Bericht untersuchten Länder am WKM II teil. In mehreren Ländern wiesen die

Wechselkurse im zweijährigen Referenzzeitraum relativ große Schwankungen

auf. Eine Ausnahme hierbei bildeten die Währungen Bulgariens und Kroatiens; der

bulgarische Lew ist im Rahmen eines Currency Board an den Euro gekoppelt, und

Kroatien verfolgt ein streng kontrolliertes Floating. Die meisten anderen hier

betrachteten Währungen schwächten sich gegenüber dem Euro im

Referenzzeitraum ab, vor allem der polnische Zloty (siehe Abbildung 3.3). Die

tschechische Krone und die kroatische Kuna hingegen werteten gegenüber der

Gemeinschaftswährung geringfügig auf.

Abbildung 3.3

Bilaterale Wechselkurse gegenüber dem Euro

(Tageswerte; Monatsdurchschnitt Mai 2014 = 100; 19. Mai 2014 bis 18. Mai 2016)

Quelle: EZB.

Anmerkung: Eine Aufwärts- bzw. Abwärtsbewegung zeigt eine Aufwertung bzw. Abwertung der nationalen Währung an.

Was die Konvergenz der langfristigen Zinssätze anbelangt, so lagen diese in

allen sieben der hier untersuchten Staaten wie bereits 2014 unterhalb des

Referenzwerts von 4 % (siehe Abbildung 3.4). Am niedrigsten waren die

Zinssätze in der Tschechischen Republik und in Schweden.

Mai 2014 Mai 2015

94

96

98

100

102

104

106

108

Bulgarischer Lew

Tschechische Krone

Kroatische Kuna

Ungarischer Forint

Polnischer Zloty

Rumänischer Leu

Schwedische Krone

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 50

Abbildung 3.4

Entwicklung des langfristigen Zinssatzes

(in %; Jahresdurchschnitt)

Quellen: Eurostat und EZB.

Bei der Untersuchung der Einhaltung der Konvergenzkriterien ist

Nachhaltigkeit von zentraler Bedeutung. Die Konvergenzkriterien sind nicht nur

zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern auf Dauer einzuhalten. Die ersten zehn

Jahre der WWU haben gezeigt, dass schwache Fundamentaldaten, ein übermäßig

lockerer makroökonomischer Kurs auf Länderebene sowie zu optimistische

Einschätzungen bezüglich der Konvergenz der realen Einkommen nicht nur Risiken

für die betroffenen Länder, sondern auch für das reibungslose Funktionieren des

Euroraums insgesamt mit sich bringen. Werden die numerischen

Konvergenzkriterien zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt, so stellt dies allein keine

Garantie für eine reibungslose Mitgliedschaft im Euro-Währungsgebiet dar. Länder,

die dem Euroraum beitreten, sollten daher die Nachhaltigkeit ihrer

Konvergenzprozesse und ihre Fähigkeit demonstrieren, den permanenten

Verpflichtungen, die mit der Einführung der Gemeinschaftswährung einhergehen,

gerecht zu werden. Dies liegt sowohl im Interesse des Landes selbst als auch im

Interesse des Eurogebiets insgesamt.

In vielen der hier untersuchten Staaten ist eine dauerhafte Anpassung der

Politik vonnöten, um eine nachhaltige Konvergenz zu erreichen.

Voraussetzungen für eine nachhaltige Konvergenz sind gesamtwirtschaftliche

Stabilität und vor allem eine solide Haushaltspolitik. Um makroökonomischen

Schocks begegnen zu können, müssen die Güter- und Arbeitsmärkte in hohem

Maße flexibel sein. Erforderlich ist eine Stabilitätskultur mit fest verankerten

Inflationserwartungen, die dazu beitragen, ein von Preisstabilität geprägtes Umfeld

zu schaffen. Zur Steigerung der totalen Faktorproduktivität und eines langfristigen

Wirtschaftswachstums sind günstige Bedingungen für einen effizienten Einsatz der

Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit vonnöten. Im Sinne einer nachhaltigen

Konvergenz sind auch handlungsfähige Institutionen und akkommodierende

wirtschaftliche Rahmenbedingungen notwendig. Die Synchronisierung der

Konjunkturzyklen erfordert ein hohes Maß an wirtschaftlicher Integration in den

2,2 2,2

3,54,2

5,8

5,3

4,8

2,9

0,60,8

2,52,9

3,4 3,6 3,7

1,2

0

1

2

3

4

5

6

7

TschechischeRepublik

Schweden Bulgarien Polen Ungarn Rumänien Kroatien Euro-Währungsgebiet

Nachrichtlich:

Konvergenzbericht 2014 (Mai 2013 bis April 2014)

Konvergenzbericht 2016 (Mai 2015 bis April 2016)

Referenzwert Konvergenzbericht 2014 (6,2 %)

Referenzwert Konvergenzbericht 2016 (4,0 %)

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 51

Euroraum. Zudem muss eine geeignete makroprudenzielle Politik festgelegt werden,

um den Aufbau gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte zu verhindern, z. B. einen

übermäßigen Anstieg der Vermögenspreise und Boom-Bust-Zyklen bei Krediten.

Und schließlich müssen auch geeignete Rahmenbedingungen in Bezug auf die

Bankenaufsicht vorliegen.

3.1 Das Kriterium der Preisstabilität

Im April 2016 lag in sechs der sieben untersuchten Länder der

Zwölfmonatsdurchschnitt der Teuerungsrate unterhalb – in einigen Ländern

sogar deutlich unterhalb – des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium

von 0,7 %. Im Beobachtungszeitraum war die Inflation in der EU vor allem aufgrund

des drastischen Ölpreisrückgangs sehr niedrig. Der Referenzwert von 0,7 % spiegelt

diese Entwicklung wider (siehe Kasten 1 in Kapitel 2). In allen untersuchten Ländern

war die Teuerung im historischen Vergleich sehr gering. In der Tschechischen

Republik und in Ungarn wurden niedrige positive Inflationsraten unterhalb des

Referenzwerts verzeichnet. In Bulgarien, Kroatien, Polen und Rumänien lag die

Teuerung jeweils im negativen Bereich. Schweden verzeichnete eine Inflationsrate

oberhalb des Referenzwerts.

In den zurückliegenden zehn Jahren gab es sowohl beim Durchschnittsstand

als auch bei der Volatilität der Teuerung beträchtliche Unterschiede zwischen

den untersuchten Ländern. Im genannten Zeitraum wurden in Bulgarien, Ungarn

und Rumänien durchschnittliche HVPI-Inflationsraten von deutlich über 3 %

verbucht. In der Tschechischen Republik sowie in Kroatien und Polen lag die

durchschnittliche Teuerung näher bei 2 %. In Schweden betrug die Inflation im

Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre 1,4 %. In diesem Zeitraum war die

Preisentwicklung in Bulgarien besonders volatil, allerdings schwankten auch die

Inflationsraten in der Tschechischen Republik, in Kroatien, Ungarn, Polen und

Rumänien innerhalb eines relativ breiten Bandes. Am wenigsten volatil entwickelte

sich die Teuerung in Schweden. Die ausgeprägten Unterschiede zwischen den

einzelnen Ländern in Bezug auf das Durchschnittsniveau und die Volatilität der

Teuerungsraten auf längere Sicht stehen im Gegensatz zu der im

Beobachtungszeitraum von Mai 2015 bis April 2016 gemessenen geringen Streuung

der Teuerungsraten, was darauf schließen lässt, dass in der letzten Zeit Fortschritte

auf dem Weg zur Konvergenz erzielt wurden. In gewissem Umfang sind die jüngsten

Entwicklungen auch auf allgemeine Ölpreisschocks zurückzuführen.

Die längerfristige Preisentwicklung war in vielen Ländern Ausdruck eines

volatileren gesamtwirtschaftlichen Umfelds. In den Jahren vor der globalen

Finanzkrise beschleunigte sich die Inflation bei zugleich robustem

Wirtschaftswachstum in allen betrachteten Ländern. Parallel dazu bauten sich in

einigen mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften makroökonomische

Ungleichgewichte auf, vor allem in Form von übermäßigem Kreditwachstum und

umfangreichen Leistungsbilanzdefiziten. In den meisten untersuchten Ländern

erreichte die durchschnittliche jährliche Inflation 2008 einen Höchststand, bevor sie

sich 2009 angesichts eines abrupten Wirtschaftseinbruchs und rückläufiger

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 52

Weltmarktpreise für Rohstoffe merklich verringerte. In den Folgejahren verlief die

Preisentwicklung heterogener, was zum Teil auf Unterschiede hinsichtlich der Stärke

der Konjunkturerholung und der länderspezifischen Maßnahmen im Zusammenhang

mit administrierten Preisen zurückzuführen war. 2013 setzte in allen geprüften

Ländern ein Abwärtstrend bei der Teuerungsrate ein, wobei historische Tiefstände

erreicht wurden und die Inflationsrate häufig sogar im negativen Bereich lag.

Maßgeblich für diese breit angelegte Entwicklung sind vornehmlich die Bewegungen

der Rohstoffpreise am Weltmarkt, der geringe importierte Inflationsdruck und die

anhaltend hohen Kapazitätsreserven in einigen Ländern. Besonders deutlich haben

sich die Veränderungen der internationalen Rohstoffnotierungen auf die mittel- und

osteuropäischen Volkswirtschaften ausgewirkt, da Energie und Nahrungsmittel dort

ein relativ hohes Gewicht im jeweiligen HVPI-Warenkorb haben. In einigen der

betrachteten Länder übten auch Senkungen administrierter Preise und indirekter

Steuern, Basiseffekte aufgrund zurückliegender Anhebungen indirekter Steuern oder

ein Anstieg des nominalen effektiven Wechselkurses einen Abwärtsdruck auf die

Inflation aus. Vor diesem Hintergrund wurden die geldpolitischen Zügel in den letzten

Jahren beträchtlich gelockert.

Obschon für die nächsten Jahre ein moderater Anstieg der Teuerung erwartet

wird, bestehen in Bezug auf die meisten der untersuchten Länder auf längere

Sicht Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz. Für

die Jahre 2016 und 2017 geht die Europäische Kommission in ihrer

Frühjahrsprognose 2016 davon aus, dass sich die Inflation gegenüber den aktuell

sehr niedrigen Ständen in allen betrachteten Ländern schrittweise erhöhen wird.

Zurückzuführen ist dies zum Teil auf Basiseffekte im Zusammenhang mit dem

jüngsten Rückgang der Ölpreise. Es wird allerdings erwartet, dass die fragile

weltwirtschaftliche Erholung in Verbindung mit den in einigen Ländern anhaltend

hohen Kapazitätsreserven dazu beitragen wird, den zugrunde liegenden

Inflationsdruck in Grenzen zu halten. Die Risiken für die Inflationsaussichten sind in

den meisten Staaten weitgehend ausgewogen. Ein wesentliches Abwärtsrisiko

resultiert aus den erhöhten Unsicherheiten bezüglich der weltwirtschaftlichen

Entwicklung, welche den externen Preisdruck verringern könnten. Im Großteil der

untersuchten Länder könnten sich Aufwärtsrisiken für die Inflation aus einem

unerwartet starken inländischen Preis- und Lohndruck angesichts einer anziehenden

Wirtschaftstätigkeit und einer sich anspannenden Arbeitsmarktlage ergeben. Auf

längere Sicht dürfte der Aufholprozess in vielen der betrachteten mittel- und

osteuropäischen Länder zu positiven Inflationsunterschieden zum Eurogebiet führen.

Um in den hier untersuchten Ländern ein Umfeld zu schaffen, das der

Preisstabilität auf Dauer zuträglich ist, bedarf es einer stabilitätsorientierten

Wirtschaftspolitik, struktureller Reformen und Maßnahmen zur Sicherung der

Finanzstabilität. Die Umsetzung weiterer struktureller Reformen ist dringend

erforderlich, um ein der Preisstabilität förderliches Umfeld zu schaffen oder zu

wahren. Insbesondere sollten die Lohnzuwächse das Wachstum der

Arbeitsproduktivität auf Unternehmensebene widerspiegeln und die Lage am

Arbeitsmarkt sowie die Entwicklung in konkurrierenden Ländern berücksichtigen.

Ferner sind fortwährende Reformanstrengungen vonnöten, um die Funktionsweise

der Arbeits- und Gütermärkte weiter zu verbessern und günstige

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 53

Rahmenbedingungen für das Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum

aufrechtzuerhalten. Zu diesem Zweck sind auch unbedingt Maßnahmen zur

Stärkung des Steuerungsrahmens und weitere qualitative Verbesserungen der

Institutionen in den mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften erforderlich.

Angesichts der Einschränkung des geldpolitischen Handlungsspielraums durch den

streng kontrollierten Wechselkurs in Kroatien sowie das Currency Board in Bulgarien

ist die Unterstützung durch andere Politikbereiche zwingend erforderlich, um die

Volkswirtschaften in die Lage zu versetzen, länderspezifische Schocks zu

bewältigen und ein Auftreten makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern.

Ziel von Finanzmarktpolitik und -aufsicht sollte weiterhin die Wahrung der

Finanzstabilität sein. Daher sollten auch die Empfehlungen des Europäischen

Ausschusses für Systemrisiken umgesetzt werden.

3.2 Das Kriterium der öffentlichen Finanzen

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts liegt nur gegen Kroatien

ein Beschluss des Rates der EU über das Bestehen eines übermäßigen

Defizits vor. Für dessen Beseitigung wurde dem Land eine Frist bis 2016 gesetzt.

Alle anderen hier betrachteten Länder wiesen 2015 ein Haushaltsdefizit in Höhe des

Referenzwerts von 3 % des BIP oder darunter auf. In Kroatien belief sich der

Haushaltsfehlbetrag auf 3,2 % des BIP, in den übrigen Ländern lagen die

Defizitquoten bei 2,6 % (Polen), 2,1 % (Bulgarien), 2,0 % (Ungarn), 0,7 %

(Rumänien) und 0,4 % (Tschechische Republik). Schweden erreichte eine Quote

von 0 %.

Im Zeitraum von 2013 bis 2015 hat sich die Haushaltsposition in den meisten

der betrachteten Länder – mit Ausnahme Bulgariens – verbessert. In Kroatien,

Polen, Rumänien und Schweden sind die besseren Finanzierungssalden weitgehend

Ausdruck einer gesamtwirtschaftlichen Aufhellung sowie der Bemühungen um

strukturelle Konsolidierung. Im Fall Ungarns und der Tschechischen Republik wurde

die günstigere gesamtwirtschaftliche Entwicklung durch eine Lockerung des

finanzpolitischen Kurses zum Teil wieder aufgehoben. Der Defizitanstieg in

Bulgarien lässt sich im Wesentlichen durch einen schlechteren strukturellen

Finanzierungssaldo erklären.

Für 2016 prognostiziert die Europäische Kommission, dass das

gesamtstaatliche Defizit in allen betrachteten Ländern unter dem Referenzwert

von 3 % des BIP liegen wird. Den Projektionen zufolge werden Rumänien,

Kroatien und Polen mit Defizitquoten von 2,8 %, 2,7 % bzw. 2,6 % diese Obergrenze

unterschreiten; für Bulgarien und Ungarn wird eine Defizitquote von jeweils 2,0 %

erwartet. Die Tschechische Republik und Schweden dürften mit einem Defizit von

0,7 % bzw. 0,4 % des BIP deutlich unter dem Referenzwert bleiben.

In Kroatien und Ungarn wurden 2015 Schuldenquoten von über 60 %

verzeichnet, während in den anderen hier betrachteten Ländern die

Schuldenstände unterhalb oder deutlich unterhalb dieser Obergrenze lagen

(siehe Tabelle 3.1). Seit dem letzten Konvergenzbericht hat sich die öffentliche

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 54

Schuldenquote in Bulgarien um 9,6 Prozentpunkte, in Kroatien um

4,5 Prozentpunkte und in Schweden um 3,7 Prozentpunkte erhöht. In Ungarn und

Rumänien hingegen änderten sich die Schuldenquoten nur geringfügig. Im selben

Zeitraum war in Polen und in der Tschechischen Republik eine beachtliche

Verringerung der Schuldenquote (um 4,7 bzw. 4,1 Prozentpunkte) zu beobachten.

Bei der Betrachtung eines längeren Zeitraums von 2006 bis 2015 zeigt sich ein

besonders starker Anstieg der öffentlichen Schuldenquote in Kroatien (um

47,8 Prozentpunkte), in Rumänien (um 26,2 Prozentpunkte, in der Tschechischen

Republik (um 13,1 Prozentpunkte) und in Ungarn (um 10,7 Prozentpunkte), während

die Veränderung in den übrigen Ländern geringer ausfiel.

Für 2016 erwartet die Europäische Kommission eine Zunahme der

Verschuldung in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Kroatien, Polen und

Rumänien; für Ungarn und Schweden geht sie von einer gegenläufigen

Entwicklung aus. Laut den Projektionen der Kommission dürfte der Schuldenstand

im Verhältnis zum BIP 2016 zudem in allen Ländern – mit Ausnahme Kroatiens und

Ungarns – unterhalb des Referenzwerts von 60 % bleiben.

Für die Zukunft kommt es entscheidend darauf an, dass die Staaten, die

Gegenstand dieses Berichts sind, solide und tragfähige öffentliche Finanzen

erzielen bzw. beibehalten. Kroatien wurde per Ratsbeschluss ein übermäßiges

Defizit bescheinigt. Es muss demnach seine diesbezüglichen Verpflichtungen in

glaubwürdiger Weise sowie fristgerecht erfüllen und seinen Haushaltsfehlbetrag

2016 unter den Referenzwert senken. Einer weiteren Konsolidierung bedarf es auch

in Bulgarien, Ungarn und Polen, die ihre mittelfristigen Haushaltsziele bislang noch

nicht erreicht haben, sowie in der Tschechischen Republik und in Rumänien, die den

Projektionen zufolge von ihren Zielen abweichen dürften. In diesem Zusammenhang

sollte insbesondere der Anstieg der Staatsausgaben auf eine Rate unterhalb des

mittelfristigen Potenzialwachstums begrenzt werden, was im Einklang mit der

Ausgabenregel des überarbeiteten Stabilitäts- und Wachstumspakts stünde. Darüber

hinaus sollten Länder, deren Schuldenquote den Referenzwert übersteigt, auch nach

Ablauf des im SWP festgelegten Übergangszeitraums sicherstellen, dass diese den

Bestimmungen des gestärkten SWP entsprechend hinreichend rückläufig ist. Durch

eine weitere Haushaltskonsolidierung ließen sich auch die aus der

Bevölkerungsalterung erwachsenden Belastungen der öffentlichen Haushalte

leichter bewältigen und Polster aufbauen, um automatische Stabilisatoren wirken zu

lassen. Strikte nationale Haushaltsregeln, die vollständig im Einklang mit den

europäischen Regelungen stehen und effektiv umgesetzt werden, sollten zur

Haushaltskonsolidierung beitragen und ein übermäßiges Ausgabenwachstum sowie

ein erneutes Auftreten gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte verhindern.

Insgesamt sollten finanzpolitische Strategien mit umfassenden Strukturreformen

vereinbar sein, um das Wachstumspotenzial und die Beschäftigung zu steigern.

3.3 Das Wechselkurskriterium

Keines der in diesem Konvergenzbericht untersuchten Länder ist Mitglied des

WKM II. Für die betrachteten Länder gelten unterschiedliche Wechselkursregime.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 55

Der bulgarische Lew war im Berichtszeitraum nach wie vor im Rahmen eines

Currency Board mit einem Kurs von 1,95583 Lewa je Euro an die

Gemeinschaftswährung gekoppelt. In diesem Wechselkurssystem waren im

kurzfristigen Bereich meist geringe Zinsdifferenzen gegenüber dem Euroraum zu

verzeichnen.

Die kroatische Kuna und der rumänische Leu wurden zu flexiblen

Wechselkursen gehandelt, wobei in unterschiedlichem Maße ein kontrolliertes

Floating zum Euro Anwendung fand. Im Vergleich zu den anderen betrachteten

Währungen mit flexiblen Wechselkursen schlug sich dies bei der kroatischen Kuna in

einer niedrigen Wechselkursvolatilität nieder, und der Abstand der kurzfristigen

Zinssätze gegenüber dem Eurogebiet war gering. Der Wechselkurs des

rumänischen Leu in Relation zum Euro wies eine recht hohe Volatilität auf; der

Abstand der kurzfristigen Zinssätze gegenüber dem Euroraum blieb hier im

Referenzzeitraum vergleichsweise groß. Im Jahr 2009 wurde Rumänien ein

internationales Finanzhilfepaket unter maßgeblicher Beteiligung der EU und des IWF

gewährt, das 2011 von einem vorsorglichen Finanzhilfeprogramm und 2013 von

einem Nachfolgeprogramm abgelöst wurde. Diese Vereinbarungen trugen zur

Reduzierung von Schwachstellen im Finanzsystem und damit möglicherweise auch

zur Minderung des Drucks auf die Wechselkurse im Berichtszeitraum bei.

Alle anderen Währungen wurden zu flexiblen Wechselkursen gehandelt; dabei

war in den meisten Ländern eine hohe Wechselkurvolatilität zu verzeichnen. In

der Tschechischen Republik besteht allerdings seit 2013 auch eine Verpflichtung

seitens der Česká národní banka, eine Aufwertung der Krone gegenüber dem Euro

über einen Stand von rund 27 CZK hinaus zu verhindern. Die Differenzen der

kurzfristigen Zinssätze gegenüber dem Eurogebiet waren in der Tschechischen

Republik und in Schweden gering, in Ungarn und Polen hingegen relativ groß. Im

Fall Polens bestand im Referenzzeitraum eine Kreditvereinbarung im Rahmen der

Flexiblen Kreditlinie des IWF, die dazu dient, die Nachfrage nach Krediten zur

Krisenprävention und -bewältigung zu decken. Diese Vereinbarung trug zur

Reduzierung von Risiken im Zusammenhang mit Schwachstellen im Finanzsystem

bei und damit möglicherweise auch zur Minderung des Risikos eines Drucks auf den

Wechselkurs. Mit Blick auf Schweden bestand im Beobachtungszeitraum eine Swap-

Vereinbarung zwischen der Sveriges riksbank und der EZB. Diese trug zur

Reduzierung von Schwachstellen im Finanzsystem bei und könnte so auch die

Wechselkursentwicklung beeinflusst haben.

3.4 Das Kriterium des langfristigen Zinssatzes

Alle geprüften Länder verzeichneten im Referenzzeitraum im Durchschnitt

langfristige Zinssätze, die – in unterschiedlichem Ausmaß – unterhalb des

Referenzwerts von 4,0 % lagen. In der Tschechischen Republik und in Schweden

wurden Werte von unter 1 % verbucht, in Bulgarien und Polen hingegen lagen die

Werte bei 2 % bis 3 %, und in Kroatien, Ungarn und Rumänien beliefen sich die

Langfristzinsen auf mehr als 3 %.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 56

In den meisten hier betrachteten Ländern blieb die Differenz der

Langfristzinsen gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Währungsgebiets seit

dem Konvergenzbericht 2014 im Wesentlichen stabil. Die Marktteilnehmer

differenzierten jedoch weiterhin zwischen den einzelnen Ländern im Hinblick auf

deren außen- und binnenwirtschaftliche Anfälligkeit unter Berücksichtigung der

Haushaltsentwicklung und der Aussichten für eine dauerhafte Konvergenz.

3.5 Sonstige einschlägige Faktoren

Nach Einschätzung der Europäischen Kommission erzielten die meisten der

untersuchten Länder – wenn auch in unterschiedlichem Maße – Fortschritte

beim Abbau ökonomischer Ungleichgewichte. In ihren eingehenden

Überprüfungen, deren Ergebnisse am 8. März 2016 veröffentlicht wurden, gelangte

die Europäische Kommission zu dem Schluss, dass in Schweden

makroökonomische Ungleichgewichte und in Bulgarien und Kroatien übermäßige

makroökonomische Ungleichgewichte bestehen.111

In Bezug auf Bulgarien stellte die

Kommission fest, dass die Volkswirtschaft nach wie vor durch verbleibende

Fragilitäten im Finanzsektor und eine hohe Unternehmensverschuldung

gekennzeichnet ist, die durch eine vollständige Umsetzung ehrgeiziger Reformen

angegangen werden müssen. Mit Blick auf Kroatien befand die Kommission, dass

bei der Korrektur der bestehenden gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichte

begrenzte Fortschritte erzielt wurden und sich die Umsetzung der Reformagenda

erheblich verzögert hat, was teilweise der Parlamentswahl geschuldet war, die im

November 2015 stattfand. Obschon die Kommission in den übrigen betrachteten

Ländern keine Ungleichgewichte festgestellt hat, bestehen auch in diesen Ländern

verschiedene Herausforderungen.

Die außenwirtschaftlichen Defizite wurden in den vergangenen Jahren

zurückgeführt. Aus dem Scoreboard zur Überwachung gesamtwirtschaftlicher

Ungleichgewichte geht hervor, dass sich der Dreijahresdurchschnitt der

Leistungsbilanzsalden 2015 weiter verbesserte (siehe Tabelle 3.2). Schweden

verbuchte indessen einen ebenso großen Leistungsbilanzüberschuss wie im Jahr

2014 (knapp unter dem indikativen Schwellenwert von 6 % des BIP). Auch in

Ungarn, Kroatien, Bulgarien und der Tschechischen Republik wurden

Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnet, während Polen und Rumänien Defizite

aufwiesen.

In fast allen untersuchten Ländern verringerten sich zwar die negativen Werte

des Netto-Auslandsvermögensstatus gemessen am BIP, lagen aber weiterhin

auf hohem Niveau. Dabei ist als positiv zu vermelden, dass die

Nettoverbindlichkeiten der mittel- und osteuropäischen Länder gegenüber dem

Ausland vorwiegend Kapitalzuflüsse aus Direktinvestitionen widerspiegeln, die als

111 Für Länder, in denen das Vorliegen übermäßiger Ungleichgewichte festgestellt wurde, sieht die

Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom

16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte die

Möglichkeit vor, dass der EU-Rat dem Mitgliedstaat auf Vorschlag der Europäischen Kommission die

Einleitung von Korrekturmaßnahmen empfiehlt. In diesem Fall greift dann für die betreffenden Länder

das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 57

stabile Finanzierungsform gelten. Im Jahr 2015 hatten fünf der sieben betrachteten

Länder einen Netto-Auslandsvermögensstatus jenseits des indikativen

Schwellenwerts von -35 % des BIP. Dabei wies Kroatien besonders hohe

Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland auf (mehr als 70 % des BIP). Am

niedrigsten fielen sie in der Tschechischen Republik (31,5 % des BIP) und in

Schweden (1,6 % des BIP) aus.

Was die preisliche und kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit anbelangt, so

werteten die realen effektiven Wechselkurse der Währungen der meisten

untersuchten Länder im Dreijahreszeitraum von 2013 bis 2015 ab, allerdings in

unterschiedlichem Maße. Rumänien und Kroatien stellten hierbei die einzigen

Ausnahmen dar. Die dreijährige Wachstumsrate der Lohnstückkosten blieb in den

letzten Jahren allgemein unter dem indikativen Schwellenwert von 12 %, nachdem

sie in den Jahren vor Ausbruch der Krise in fast allen untersuchten Ländern ein sehr

hohes Niveau aufgewiesen hatte. Im Fünfjahreszeitraum von 2011 bis 2015 war in

Rumänien sowie in geringerem Maße auch in Bulgarien, Polen und der

Tschechischen Republik in Bezug auf die Exportmarktanteile eine Zunahme zu

verzeichnen, während es in den übrigen untersuchten Ländern zu einer

Verringerung kam.

Die Wohnimmobilienpreise haben in allen betrachteten Ländern außer

Kroatien erneut zugenommen. Dieser Anstieg folgte auf eine Abwärtskorrektur des

hohen Vorkrisenniveaus. In Schweden zogen die Preise für Wohnimmobilien in den

letzten Jahren besonders stark an, teilweise bedingt durch Angebotsengpässe und

das historisch niedrige Zinsniveau.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 58

Tabelle 3.2

Scoreboard für die Überwachung makroökonomischer Ungleichgewichte

Tabelle 3.2a – Außenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit

Leistungsbilanzsaldo 1)

Netto-Auslands-

vermögensstatus 2)

Realer effektiver Wechselkurs,

mit HVPI deflationiert 3)

Anteil an den weltweiten

Ausfuhren 4)

Nominale

Lohnstückkosten 5)

Bulgarien 2013 0,3 -73,5 -1,0 0,2 15,2

2014 0,4 -74,8 -2,8 6,0 17,0

2015 1,2 -60,7 -4,1 14,4 10,8

Tschechische Republik 2013 -1,4 -39,4 -3,1 -9,4 4,2

2014 -0,6 -36,8 -10,0 -5,7 3,8

2015 0,2 -31,5 -8,0 0,4 0,1

Kroatien 2013 0,0 -88,7 -4,0 -23,1 -2,9

2014 0,6 -88,1 -1,0 -18,6 -5,8

2015 2,3 -78,7 0,1 -3,1 -5,1

Ungarn 2013 2,2 -83,5 -4,0 -20,9 6,3

2014 2,6 -73,9 -7,0 -15,6 6,9

2015 3,4 -68,6 -6,9 -7,2 6,1

Polen 2013 -3,4 -69,7 -4,3 0,1 3,3

2014 -2,3 -67,1 -1,3 5,0 2,5

2015 -1,2 -60,7 -1,0 9,1 -1,4

Rumänien 2013 -3,6 -61,9 0,3 14,2 -3,2

2014 -2,1 -56,9 -1,1 20,8 6,0

2015 -0,9 -50,2 2,7 21,7 1,1

Schweden 2013 6,0 -14,3 5,1 -16,5 8,6

2014 5,8 -2,5 -3,6 -9,7 7,2

2015 5,8 -1,6 -7,9 -9,9 4,0

Schwellenwert -4,0/+6,0 -35,0 +/-11,0 -6,0 +12,0

Tabelle 3.2b – Binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte und Indikatoren der Arbeitslosigkeit

Binnenwirtschaftliche Ungleichgewichte Neue Indikatoren der Arbeitslosigkeit

Hauspreise, mit Verbraucher-

preisindex deflationiert

6)

Kreditvergabe an den

Privatsektor, konsolidiert

2)

Schuldenstand des

Privatsektors, konsolidiert

2)

Verbindlich-keiten des

Finanz- sektors

6)

Öffentlicher Schulden-

stand 2)

Arbeits- losen-

quote 7)

Erwerbs-

quote 7)

Langzeit-arbeits-

losigkeit 8)

Jugend-arbeits-

losigkeit 8)

Bulgarien 2013 0,4 7,3 132,2 4,3 17 12,2 1,7 2,7 6,4

2014 1,5 -0,3 124,3 7,2 27 12,2 3,1 0,6 -1,3

2015 3,6 . . . 27 11,2 2,2 -1,2 -6,4

Tschechische Republik 2013 -0,8 4,4 74,1 11,3 45 6,9 2,7 0,0 0,6

2014 1,9 1,8 72,7 4,4 43 6,7 3,0 -0,1 -2,2

2015 3,8 . . . 41 6,1 2,4 -0,6 -6,9

Kroatien 2013 -5,7 -0,6 119,7 3,2 82 15,7 -1,4 4,4 17,6

2014 -1,2 0,3 120,8 0,9 87 16,9 2,0 1,7 8,9

2015 -2,4 . . . 87 17,0 3,0 0,1 0,9

Ungarn 2013 -4,6 -1,1 95,2 -1,0 77 10,7 2,8 -0,5 0,2

2014 3,1 -0,5 91,3 8,5 76 9,6 4,6 -1,6 -5,6

2015 11,6 . . . 75 8,2 4,9 -1,9 -10,9

Polen 2013 -4,7 3,1 75,4 7,6 56 10,0 1,7 1,4 3,6

2014 1,1 4,8 77,9 0,6 50 9,8 2,1 0,3 -1,9

2015 2,8 . . . 51 9,0 1,6 -1,1 -5,7

Rumänien 2013 -2,8 -1,5 66,6 1,1 38 7,0 0,0 0,8 1,6

2014 -3,2 -2,4 62,1 1,1 40 6,9 1,6 -0,1 0,2

2015 1,7 0,0 58,3 3,8 38 6,9 1,3 0,0 -0,9

Schweden 2013 4,7 4,7 192,4 8,8 40 7,9 2,0 -0,1 -1,2

2014 8,6 5,9 194,0 13,4 45 8,0 1,6 0,0 0,2

2015 12,0 . . . 43 7,8 1,4 0,0 -3,3

Schwellenwert +6,0 +14,0 133 +16,5 +60 +10,0 -0,2 0,5 2,0

Quellen: Europäische Kommission (Eurostat, GD ECFIN) und Europäisches System der Zentralbanken.

Anmerkung: Die Tabelle enthält die zum 18. Mai 2016, dem Redaktionsschluss dieses Berichts, vorliegenden Daten und weicht daher vom Scoreboard ab, das im

Warnmechanismus-Bericht vom November 2015 veröffentlicht wurde.

1) Dreijahresdurchschnitt in % des BIP.

2) In % des BIP.

3) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum gegenüber 41 anderen Industrieländern. Ein positiver Wert zeigt einen Wettbewerbsverlust an.

4) Prozentuale Veränderung in einem Fünfjahreszeitraum.

5) Prozentuale Veränderung in einem Dreijahreszeitraum.

6) Veränderung gegenüber Vorjahr in %.

7) Dreijahresdurchschnitt.

8) Veränderung in einem Dreijahreszeitraum in Prozentpunkten.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 59

Eine relativ lang anhaltende Phase der Kreditexpansion im Vorfeld der

Finanzkrise führte in einigen der untersuchten Länder zum Aufbau hoher

Schuldenstände im privaten nichtfinanziellen Sektor. Diese stellen für die

betreffenden Länder eine zentrale Anfälligkeit dar. Das starke Kreditwachstum,

insbesondere die kräftige Zunahme der Wohnungsbaukredite in Schweden, bedarf

einer sorgfältigen Überwachung. In Schweden war die Verschuldung des privaten

Sektors im Jahr 2014 mit über 190 % des BIP besonders hoch. Darüber hinaus birgt

der sehr große Bestand an Fremdwährungsdarlehen in mehreren untersuchten

Ländern ein gesamtwirtschaftliches und finanzielles Risiko, da nicht abgesicherte

Kreditnehmer einem Wechselkursrisiko ausgesetzt sind. In Kroatien, Rumänien und

in geringerem Maße auch in Polen ergeben sich aus Währungsinkongruenzen

bedeutende Risiken für die privaten Haushalte (und in Kroatien auch für den

öffentlichen Sektor).

In Bezug auf den Finanzsektor sollten die geprüften Länder eine Politik

verfolgen, die einen soliden Beitrag der Finanzbranche zum

Wirtschaftswachstum und zur Preisstabilität gewährleistet; im Bereich der

Bankenaufsicht sollten die Bemühungen auf eine Stabilisierung des

Aufsichtsrahmens als Grundvoraussetzung für den Beitritt zum Einheitlichen

Aufsichtsmechanismus (SSM) ausgerichtet sein. Um die Risiken zu

miniminieren, die aus einem hohen Anteil an Fremdwährungskrediten erwachsen

können, sollten die Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken

(ESRΒ) zur Vergabe von Krediten in Fremdwährung umgesetzt werden. Hierfür

bedarf es einer engen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden in den EU-Staaten.

In einigen der untersuchten Länder hatte der Anpassungsprozess eine relativ

hohe Arbeitslosigkeit zur Folge. Insbesondere in Kroatien verdeutlicht die hohe

Langzeit- und die Jugendarbeitslosigkeit das Ausmaß der binnenwirtschaftlichen

Ungleichgewichte in diesem Land. Die Arbeitslosigkeit ist generell mit einer

zunehmenden Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage bzw.

einer Verstärkung regionaler Inkongruenzen einhergegangen. Dies stellt in vielen

Ländern eine Schwachstelle dar und birgt auch vor dem Hintergrund ungünstiger

demografischer Entwicklungen ein Risiko für die Konvergenz der realen Einkommen.

Auch die Stärke des institutionellen Umfelds spielt bei der Analyse der

Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Integration und Konvergenz eine wichtige

Rolle. In mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern ergeben sich durch

schwache wirtschaftliche Rahmenbedingungen, eine relativ geringe Qualität der

Institutionen, eine unzureichende wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung und

durch Korruption Rigiditäten und Hindernisse, die einer effizienten Nutzung und

Allokation der Produktionsfaktoren im Wege stehen. Die Beseitigung dieser

Hemmnisse würde zur Steigerung des wirtschaftlichen Potenzials beitragen. Wenn

das Potenzialwachstum eines Landes durch das institutionelle Umfeld behindert

wird, kann dies auch die Schuldendienstfähigkeit beeinträchtigen und wirtschaftliche

Anpassungen erschweren. Ebenso kann es die Fähigkeit eines Landes zur

Umsetzung notwendiger politischer Maßnahmen beeinflussen.

Die Qualität der Institutionen und der wirtschafts- und finanzpolitischen

Steuerung ist in allen geprüften Ländern mit Ausnahme Schwedens relativ

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 60

schwach. Dieser Gesamteindruck wird bei Betrachtung spezifischer institutioneller

Indikatoren überwiegend bestätigt, wenngleich einige nennenswerte Unterschiede

erkennbar sind (siehe Abbildung 3.5 und 3.6). Kroatien schneidet in Bezug auf die

institutionelle Qualität sowie die wirtschafts- und finanzpolitische Steuerung unter

den geprüften Ländern am schlechtesten ab und nimmt auch im EU-weiten

Vergleich die vorletzte Position ein, obwohl in den vergangenen Jahren einige

Verbesserungen zu verzeichnen waren. Je nachdem, welche Quelle zur Beurteilung

der Qualität der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und des institutionellen

Umfelds herangezogen wird, fällt die Rangfolge der Länder unterschiedlich aus.

Gleichwohl ist in den meisten geprüften Ländern ohne jeden Zweifel noch

erheblicher Verbesserungsspielraum vorhanden.

Abbildung 3.5

Rangfolge der EU-Länder in Bezug auf die institutionelle Qualität

Quellen: Worldwide Governance Indicators 2015, The Global Competitiveness Report 2015-2016 (World Economic Forum),

Corruption Perceptions Index 2015 (Transparency International) und Doing Business 2016 (Weltbank).

Anmerkung: Die Länder sind von Position 1 (bestes Ergebnis in der EU) bis Position 28 (schlechtestes Ergebnis in der EU)

entsprechend ihrer durchschnittlichen Position in der Rangfolge 2015 angeordnet. Im Bericht „Doing Business“ sind Malta erst ab

2013 und Zypern ab 2010 enthalten.

0

5

10

15

20

25

30

FI SE DK DE UK NL AT IE EE LU FR BE PT LT PL CZ ES LV SI MT CY SK IT RO HU BG HR GR

Bandbreite der Positionen (2015)

Durchschnittliche Position (2008)

Durchschnittliche Position (2015)

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 61

Abbildung 3.6

Rangfolge der EU-Länder in Bezug auf die institutionelle Qualität nach Indikatoren

Quellen: Worldwide Governance Indicators 2015, The Global Competitiveness Report 2015-2016 (World Economic Forum),

Corruption Perceptions Index 2015 (Transparency International) und Doing Business 2016 (Weltbank).

Anmerkung: Die Länder sind von Position 1 (bestes Ergebnis in der EU) bis Position 28 (schlechtestes Ergebnis in der EU)

entsprechend ihrer durchschnittlichen Position in der Rangfolge 2015 angeordnet.

In den meisten der untersuchten Länder sind weitreichende Strukturreformen

erforderlich, um das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit zu

stärken. Durch eine Verbesserung der lokalen Institutionen, der wirtschafts- und

finanzpolitischen Steuerung und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie

weitere Fortschritte bei der Privatisierung staatlicher Unternehmen und verstärkte

Bemühungen um eine effizientere Absorption von Mitteln aus dem EU-Haushalt

ließe sich das Produktivitätswachstum beschleunigen. Dies würde wiederum den

Wettbewerb in wichtigen regulierten Sektoren (z. B. Energie und Transport)

befördern, Zugangsbeschränkungen verringern und dringend benötigte private

Investitionen anregen.

Auch institutionelle Merkmale im Zusammenhang mit der Qualität der

Statistiken sind für einen reibungslosen Konvergenzprozess von wesentlicher

Bedeutung. Dies bezieht sich unter anderem auf die Spezifizierung der rechtlichen

Unabhängigkeit der nationalen Statistikämter, ihre Aufsicht in

Verwaltungsangelegenheiten, ihre Haushaltsautonomie, ihren gesetzlich verankerten

Auftrag zur Datenerhebung sowie die Rechtsvorschriften im Hinblick auf die

statistische Geheimhaltung. Diese Aspekte werden in Kapitel 6 der englischen

Gesamtfassung näher ausgeführt.

0

5

10

15

20

25

30

FI SE DK DE UK NL AT IE EE LU FR BE PT LT PL CZ ES LV SI MT CY SK IT RO HU BG HR GR

Worldwide Governance Indicators (2015)

Corruption Perceptions Index 2015 (Transparency International)

The Global Competitiveness Report 2015-2016 (World Economic Forum)

Doing Business 2016 (Weltbank)

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 62

4 Zusammenfassung der Länderprüfung

4.1 Bulgarien

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Bulgarien -1,0 % und lag somit deutlich unterhalb des

Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den

zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines breiten

Bandes von -1,7 % bis 12,6 %; mit 3,6 % war der Durchschnitt dieses Zeitraums

erhöht. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der auf

längere Sicht zu erwartenden Inflationskonvergenz in Bulgarien. Der Aufholprozess

dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen. Um

das Entstehen eines exzessiven Preisdrucks und makroökonomischer

Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess von geeigneten politischen

Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand Bulgariens entsprachen

2015 den Maastricht-Kriterien. Bulgarien unterliegt seit 2012 dem präventiven Arm

des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Im Jahr 2014 übertraf das Defizit den

Referenzwert von 3 % des BIP. Allerdings bewertete die Europäische Kommission

diese Überschreitung als ausnahmsweise und vorübergehende eingetretene

Situation, weswegen sie die Eröffnung eines Verfahrens bei einem übermäßigen

Defizit nicht für erforderlich hielt. In ihrer Frühjahrsprognose 2016 weist die

Europäische Kommission für die Jahre 2016 und 2017 auf die Gefahr einer

Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung des mittelfristigen Haushaltsziels hin.

Zudem bestehen in Bulgarien auf lange Sicht mittlere Risiken für die Tragfähigkeit

der öffentlichen Finanzen, die sich zum Teil aus dem erwarteten Anstieg der

alterungsbedingten Ausgaben für Gesundheits- und Pflegeleistungen ergeben. In

Übereinstimmung mit den Anforderungen des präventiven Arms sind zusätzliche

Reformen in diesen Bereichen und weitere Fortschritte auf dem Weg zum

mittelfristigen Haushaltsziel unerlässlich, um auf mittlere und lange Sicht solide

öffentliche Finanzen zu gewährleisten.

Der bulgarische Lew nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, war aber im Rahmen

eines Currency Board mit einem Kurs von 1,95583 Lewa je Euro an die

Gemeinschaftswährung gekoppelt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der

Saldo der Leistungsbilanz und der Vermögensübertragungen in Bulgarien

verbessert, die Nettoverbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland sind

jedoch noch immer hoch.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Bulgarien bei durchschnittlich 2,5 % und damit unterhalb des Referenzwerts

für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009 gesunken, und der

Zwölfmonatsdurchschnitt ist von über 7 % auf unter 3 % zurückgegangen.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 63

Um in Bulgarien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu

schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und

weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte

anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu

ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 einer eingehenden Überprüfung und

gelangte zu dem Schluss, dass in Bulgarien übermäßige makroökonomische

Ungleichgewichte bestehen. Bulgarien würde von weitreichenden strukturellen

Reformen zur Stärkung des institutionellen Umfelds und der wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen profitieren. Zur Sicherung der Finanzstabilität ist es

unabdingbar, dass die Behörden die Prüfung der Qualität der Aktiva und die

Stresstests für den Finanzsektor zum Abschluss bringen und die Aufsichtspraxis

weiter verbessern.

Das bulgarische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche

Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine

Ausnahmeregelung gilt, muss Bulgarien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen

Anpassungen vornehmen.

4.2 Tschechische Republik

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in der Tschechischen Republik 0,4 % und lag somit unterhalb

des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den

zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ

breiten Bandes von 0,3 % bis 6,6 %; mit 2,1 % war der Durchschnitt dieses

Zeitraums moderat.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand der Tschechischen

Republik entsprachen 2015 den Maastricht-Kriterien. Die Tschechische Republik

unterliegt seit 2014 dem präventiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der

Frühjahrsprognose 2016 der Europäischen Kommission zufolge wird das strukturelle

Defizit über den Prognosezeitraum weiterhin unter dem mittelfristigen Haushaltsziel

liegen und somit im Einklang mit den Anforderungen des präventiven Arms stehen.

In der Tschechischen Republik besteht ein mittleres Risiko, dass es vor allem infolge

der Bevölkerungsalterung auf lange Sicht zu fiskalischem Stress kommen wird. Um

solide öffentliche Finanzen zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass – unter

vollständiger Einhaltung der Anforderungen des präventiven Arms – die derzeitigen

Reformen des fiskalischen Regelwerks ausgeweitet, bestehende Regeln konsequent

durchgesetzt und weitere Fortschritte in Richtung des mittelfristigen Haushaltsziels

erzielt werden.

Die tschechische Krone nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil. Die Krone wurde zu

flexiblen Wechselkursen gehandelt, wenngleich seit November 2013 eine

Verpflichtung seitens der Česká národní banka besteht, eine Aufwertung der Krone

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 64

über einen Stand von 27 Kronen je Euro hinaus zu verhindern. Der Wechselkurs der

tschechischen Krone in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum eine geringe

Volatilität auf. Am 18. Mai 2016 lag er bei 27,022 Kronen je Euro und damit 1,5 %

über seinem Durchschnittswert vom Mai 2014. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich

schrittweise verringert, und seit 2014 ist der Saldo positiv; die Nettoverbindlichkeiten

des Landes gegenüber dem Ausland sind unterdessen stetig gesunken.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in der Tschechischen Republik bei durchschnittlich 0,6 % und damit deutlich

unterhalb des Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem

Jahr 2009 gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von knapp 5 % auf unter

1 % zurückgegangen.

Um in der Tschechischen Republik ein der nachhaltigen Konvergenz

förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es einer auf Preisstabilität

ausgerichteten Wirtschaftspolitik mit gezielten Strukturreformen, die dazu

dienen, die gesamtwirtschaftliche Stabilität sicherzustellen. Was

makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische

Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 das Land nicht für eine

eingehende Überprüfung aus. Dennoch müssen die gezielten Strukturreformen im

Hinblick auf die Arbeits- und Gütermarktpolitik sowie die wirtschaftlichen

Rahmenbedingungen verstärkt werden, um das Potenzialwachstum zu steigern.

Das tschechische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die

Unabhängigkeit der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und

die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-

Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss die Tschechische Republik

alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.3 Kroatien

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Kroatien -0,4 % und lag somit deutlich unterhalb des

Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den

zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ

breiten Bandes von -0,4 % bis 6,0 %; mit 2,3 % war der Durchschnitt dieses

Zeitraums moderat. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der auf längere

Sicht zu erwartenden Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Kroatien. Der

Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem

Eurogebiet führen. Um das Entstehen eines exzessiven Preisdrucks und

makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess von

geeigneten politischen Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand Kroatiens entsprachen

2015 nicht den Maastricht-Kriterien. Kroatien unterliegt seit 2014 dem korrektiven

Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts und muss sein übermäßiges Defizit bis

2016 beseitigen. In ihrer Frühjahrsprognose 2016 geht die Europäische Kommission

davon aus, dass das übermäßige Defizit fristgerecht beseitigt wird, weist aber auf die

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 65

Gefahr hin, dass Kroatien die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht

einhalten wird. Dem Tragfähigkeitsbericht 2015 der Europäischen Kommission

zufolge besteht für Kroatien auf mittlere Sicht ein hohes Schuldentragfähigkeitsrisiko.

Was die langfristige Entwicklung betrifft, so spricht der laut Projektionen für Kroatien

zu erwartende Rückgang der alterungsbedingten Ausgaben zwar nur für ein

geringes Risiko, doch das niedrige Niveau der Vorsorgequote und ihr projizierter

weiterer Rückgang geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Angemessenheit des

Altersversorgungssystems. Insgesamt ist es daher unerlässlich, dass Kroatien eine

entschlossene, wachstumsfreundliche Konsolidierungsstrategie zur Bewältigung der

hohen Risiken für die mittelfristige Schuldentragfähigkeit verfolgt. Flankiert werden

muss diese Strategie von einer grundlegenden Umgestaltung des finanzpolitischen

Steuerungsrahmens mit dem Ziel, die Effizienz der Staatsausgaben zu steigern und

somit die Voraussetzungen für eine dauerhafte Verbesserung bei der Durchführung

des finanzpolitischen Kurses zu schaffen.

Die kroatische Kuna nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, sondern wurde zu

flexiblen Wechselkursen mit einem streng kontrollierten Floating gehandelt.

Der Wechselkurs der kroatischen Kuna in Relation zum Euro wies im

Referenzzeitraum im Schnitt eine geringe Volatilität auf. Am 18. Mai 2016 lag der

Wechselkurs bei 7,488 Kuna je Euro und damit 1,4 % über seinem

Durchschnittswert vom Mai 2014. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der

Saldo der Leistungsbilanz und der Vermögensübertragungen in Kroatien verbessert,

die Nettoverbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland sind jedoch noch

immer hoch.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Kroatien bei durchschnittlich 3,7 % und damit unterhalb des Referenzwerts

für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009 gesunken, und der

Zwölfmonatsdurchschnitt ist von rund 8 % auf unter 4 % zurückgegangen.

Um in Kroatien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu

schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und

weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte

anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu

ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 einer eingehenden Überprüfung und

gelangte zu dem Schluss, dass in Kroatien übermäßige makroökonomische

Ungleichgewichte bestehen. In Kroatien gibt es erheblichen Spielraum für und

zugleich dringenden Bedarf an Strukturreformen zur Verbesserung des

institutionellen Umfelds und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, zur

Förderung des Wettbewerbs am Gütermarkt, zur Verringerung der Diskrepanz

zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt sowie zur

Effizienzsteigerung in der öffentlichen Verwaltung und im Justizwesen. Des Weiteren

sollten deutliche Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass die

sehr unbefriedigende Absorption von Mitteln aus dem EU-Haushalt in Kroatien

verbessert wird.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 66

Das kroatische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss

Kroatien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.4 Ungarn

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Ungarn 0,4 % und lag somit unterhalb des Referenzwerts für

das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den zurückliegenden zehn Jahren

schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ breiten Bandes von -0,3 % bis

7,9 %; mit 3,8 % war der Durchschnitt dieses Zeitraums erhöht. Für die Zukunft

bestehen Bedenken hinsichtlich der auf längere Sicht zu erwartenden Nachhaltigkeit

der Inflationskonvergenz in Ungarn. Der Aufholprozess dürfte zu positiven

Inflationsunterschieden gegenüber dem Eurogebiet führen. Um das Entstehen eines

exzessiven Preisdrucks und makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern,

muss der Aufholprozess von geeigneten politischen Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Defizit in Ungarn entsprach 2015 den Maastricht-

Kriterien, wohingegen der Schuldenstand den Referenzwert überstieg. Ungarn

unterliegt seit 2013 dem präventiven Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts. In

ihrer Frühjahrsprognose 2016 weist die Europäische Kommission für den Zeitraum

von 2016 bis 2017 auf die große Gefahr einer deutlichen Abweichung vom

Anpassungspfad in Richtung des mittelfristigen Haushaltsziels hin. In Ungarn

besteht auf lange Sicht kein, auf mittlere Sicht jedoch durchaus ein mittleres Risiko,

dass es zu fiskalischem Stress kommen wird. Die Bevölkerungsalterung stellt

hinsichtlich der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen eine Herausforderung dar.

Um die Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte auf mittlere Sicht zu gewährleisten,

bedarf es einer entschlossenen Verfolgung des mittelfristigen Haushaltsziels unter

Einhaltung der Anforderungen des präventiven Arms sowie einer Reform des

finanzpolitischen Steuerungsrahmens.

Der ungarische Forint nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, sondern wurde zu

flexiblen Wechselkursen gehandelt. Der Wechselkurs des ungarischen Forint in

Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität

auf. Am 18. Mai 2016 lag der Wechselkurs bei 316,05 Forint je Euro und damit 3,8 %

unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2014. In den vergangenen zehn Jahren hat

sich der Saldo der Leistungsbilanz und der Vermögensübertragungen in Ungarn

spürbar verbessert und so dazu beigetragen, dass sich die Nettoverbindlichkeiten

des Landes gegenüber dem Ausland leicht verringerten, wenngleich sie noch immer

hoch sind.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Ungarn bei durchschnittlich 3,4 % und damit unterhalb des Referenzwerts

für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009 gesunken, und der

Zwölfmonatsdurchschnitt ist von über 9 % auf unter 4 % zurückgegangen.

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 67

Um in Ungarn ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu

schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und

weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte

anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu

ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 einer eingehenden Überprüfung und

gelangte zu dem Schluss, dass in Ungarn keine makroökonomischen

Ungleichgewichte bestehen. Allerdings würde Ungarn von Strukturreformen

profitieren, die darauf abzielen, das vom Privatsektor getragene Wachstum zu

fördern, indem beispielsweise der Steuerungsrahmen von Institutionen verbessert,

bürokratische Hürden abgebaut, die übermäßig hohe Steuerbelastung verringert und

das private Kreditwachstum angekurbelt werden.

Das ungarische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung, die Anforderungen

an die einheitliche Schreibweise des Euro und die rechtliche Integration der

Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine

Ausnahmeregelung gilt, muss Ungarn alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen

Anpassungen vornehmen.

4.5 Polen

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Polen -0,5 % und lag somit deutlich unterhalb des

Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den

zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ

breiten Bandes von -0,7 % bis 4,3 %; mit 2,3 % war der Durchschnitt dieses

Zeitraums moderat. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der auf längere

Sicht zu erwartenden Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Polen. Der

Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem

Eurogebiet führen. Um das Entstehen eines exzessiven Preisdrucks und

makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess von

geeigneten politischen Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand Polens entsprachen 2015

den Maastricht-Kriterien. Polen unterliegt seit 2015 dem präventiven Arm des

Stabilitäts- und Wachstumspakts. Der ECOFIN-Rat beschloss im Juni 2015, Polen

aus dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit zu entlassen, obwohl der

Referenzwert überschritten wurde. Als Begründung wurde angeführt, dass die

Schuldenquote bei unter 60 % liege sowie dass die Überschreitung geringfügig sei

und sich durch die Nettobelastungen zurückliegender Rentenreformen erklären

lasse. In ihrer Frühjahrsprognose 2016 weist die Europäische Kommission für 2016

auf die Gefahr einer deutlichen Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung des

mittelfristigen Haushaltsziels hin. Darüber hinaus bestehen in Polen auf mittlere bis

lange Sicht mittlere Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen. Um auf

mittlere und lange Sicht solide öffentliche Finanzen zu gewährleisten, sind daher

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 68

weitere Fortschritte auf dem Weg zum mittelfristigen Haushaltsziel unter Einhaltung

der Anforderungen des präventiven Arms unerlässlich.

Der polnische Zloty nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, sondern wurde zu

flexiblen Wechselkursen gehandelt. Der Wechselkurs des polnischen Zloty in

Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Schnitt eine relativ hohe Volatilität

auf. Am 18. Mai 2016 lag der Wechselkurs bei 4,3885 Zloty je Euro und damit 5,0 %

unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2014. In den vergangenen zehn Jahren hat

sich der Saldo der Leistungsbilanz und der Vermögensübertragungen in Polen

verbessert, die Nettoverbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland sind

jedoch noch immer hoch.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Polen bei durchschnittlich 2,9 % und damit unterhalb des Referenzwerts für

das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009 gesunken, und der

Zwölfmonatsdurchschnitt ist von etwa 6 % auf unter 3 % zurückgegangen.

Um in Polen ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen,

bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik, politischer

Maßnahmen zur Sicherung der Finanzstabilität und gezielter Strukturreformen.

Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt, so wählte die Europäische

Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 das Land nicht für eine

eingehende Überprüfung aus. Es ist unabdingbar, die derzeit gute Finanzlage des

Bankensektors zu erhalten, sodass dieser einen soliden Beitrag zum

Wirtschaftswachstum leisten kann; gestützt werden sollte dies durch zielgerichtete

Strukturreformen zur Förderung des Wettbewerbs am Gütermarkt sowie zur

Beschleunigung von Innovationen, Privatisierungen und der Modernisierung der

Infrastruktur.

Das polnische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank, die Geheimhaltung, das Verbot der monetären Finanzierung

und die rechtliche Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-

Mitgliedstaat, für den eine Ausnahmeregelung gilt, muss Polen alle nach

Artikel 131 AEUV erforderlichen Anpassungen vornehmen.

4.6 Rumänien

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Rumänien -1,3 % und lag somit deutlich unterhalb des

Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den

zurückliegenden zehn Jahren schwankte die Inflationsrate innerhalb eines relativ

breiten Bandes von -1,3 % bis 8,5 %; mit 4,5 % war der Durchschnitt dieses

Zeitraums erhöht. Für die Zukunft bestehen Bedenken hinsichtlich der auf längere

Sicht zu erwartenden Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Rumänien. Der

Aufholprozess dürfte zu positiven Inflationsunterschieden gegenüber dem

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 69

Eurogebiet führen. Um das Entstehen eines exzessiven Preisdrucks und

makroökonomischer Ungleichgewichte zu verhindern, muss der Aufholprozess von

geeigneten politischen Maßnahmen flankiert werden.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand Rumäniens entsprachen

2015 den Maastricht-Kriterien. Rumänien unterliegt seit 2013 dem präventiven

Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Laut der Frühjahrsprognose 2016 der

Europäischen Kommission wird das mittelfristige Haushaltsziel in Rumänien seit

2013 erreicht, es besteht aber die Gefahr, dass das Land sowohl 2016 als auch

2017 deutlich davon abweichen wird. Überdies wird erwartet, dass aufgrund der

geplanten expansiven finanzpolitischen Maßnahmen das Defizit 2017 den

Referenzwert von 3 % des BIP übersteigen und sich die Verschuldung tendenziell

erhöhen wird. Der Tragfähigkeitsbericht 2015 der Europäischen Kommission weist

für die mittlere Frist auf hohe und für die lange Frist auf mittlere Tragfähigkeitsrisiken

hin, die zum Teil mit den steigenden Ausgaben für Gesundheits- und

Pflegeleistungen zusammenhängen. Um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen

zu gewährleisten, bedarf es weiterer Reformen in diesen Bereichen und einer

umsichtigen Durchführung der Finanzpolitik, damit eine rasche Rückkehr zum

mittelfristigen Haushaltsziel sichergestellt ist.

Der rumänische Leu nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, sondern wurde zu

flexiblen Wechselkursen mit einem kontrollierten Floating gehandelt. Der

Wechselkurs des rumänischen Leu in Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum

im Schnitt eine relativ hohe Volatilität auf. Am 18. Mai 2016 lag der Wechselkurs bei

4,4990 Lei je Euro und damit 1,7 % unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2014.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Saldo der Leistungsbilanz und der

Vermögensübertragungen in Rumänien erheblich verbessert, während die

Nettoverbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland zwar schrittweise

sinken, doch noch immer hoch sind.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Rumänien bei durchschnittlich 3,6 % und damit unterhalb des

Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009

gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von knapp 10 % auf unter 4 %

zurückgegangen.

Um in Rumänien ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu

schaffen, bedarf es einer stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik und

weitreichender Strukturreformen. Was makroökonomische Ungleichgewichte

anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu

ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 einer eingehenden Überprüfung und

gelangte zu dem Schluss, dass in Rumänien keine makroökonomischen

Ungleichgewichte bestehen. Dennoch gibt es erheblichen Spielraum für und zugleich

dringenden Bedarf an Maßnahmen zur Verbesserung des institutionellen Umfelds

und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, zur Förderung von Investitionen und

Wettbewerb am Gütermarkt, zum Abbau der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit

sowie zur Steigerung der Qualität und Effizienz in der öffentlichen Verwaltung und im

Justizwesen. Des Weiteren sollten deutliche Anstrengungen unternommen werden,

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 70

um die sehr unbefriedigende Absorption von Mitteln aus dem EU-Haushalt in

Rumänien zu verbessern.

Das rumänische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche

Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine

Ausnahmeregelung gilt, muss Rumänien alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen

Anpassungen vornehmen.

4.7 Schweden

Im April 2016 betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen

Inflationsrate in Schweden 0,9 % und lag somit oberhalb des Referenzwerts für

das Preisstabilitätskriterium von 0,7 %. In den zurückliegenden zehn Jahren

schwankte die Inflationsrate innerhalb eines Bandes von 0,2 % bis 3,4 %; mit 1,4 %

war der Durchschnitt dieses Zeitraums gemäßigt. Für die Zukunft sollten die

Geldpolitik und der stabilitätsorientierte institutionelle Rahmen weiterhin die

Erreichung von Preisstabilität in Schweden unterstützen.

Das gesamtstaatliche Defizit und der Schuldenstand Schwedens entsprachen

2015 den Maastricht-Kriterien. Schweden unterliegt dem präventiven Arm des

Stabilitäts- und Wachstumspakts seit dessen Inkrafttreten im Jahr 1998. In der

Frühjahrsprognose 2016 der Europäischen Kommission wird erwartet, dass

Schweden das mittelfristige Haushaltsziel über den Prognosezeitraum erreicht. In

Bezug auf die Tragfähigkeit der Verschuldung bestehen in Schweden auf mittlere

bzw. lange Sicht geringe bzw. mittlere Risiken, die vornehmlich mit dem projizierten

Anstieg der Ausgaben für Pflegeleistungen in Zusammenhang stehen. Durch

Reformen in diesem Bereich und die Einhaltung des mittelfristigen Ziels auch in den

nächsten Jahren ließe sich gewährleisten, dass das Land auf seinem bislang

erfolgreichen Kurs in Richtung solider öffentlicher Finanzen noch weiter

vorankommen wird.

Die schwedische Krone nahm im zweijährigen Beobachtungszeitraum vom

19. Mai 2014 bis zum 18. Mai 2016 nicht am WKM II teil, sondern wurde zu

flexiblen Wechselkursen gehandelt. Der Wechselkurs der schwedischen Krone in

Relation zum Euro wies im Referenzzeitraum im Durchschnitt eine relativ hohe

Volatilität auf. Am 18. Mai 2016 lag der Wechselkurs bei 9,3525 Kronen je Euro und

damit 3,6 % unter seinem Durchschnittswert vom Mai 2014. In den vergangenen

zehn Jahren wies Schweden hohe Leistungsbilanzüberschüsse auf, die in der Regel

mit vergleichsweise geringfügig negativen Werten beim Netto-

Auslandsvermögensstatus einhergingen.

Im Referenzzeitraum von Mai 2015 bis April 2016 lagen die langfristigen Zinsen

in Schweden bei durchschnittlich 0,8 % und damit deutlich unterhalb des

Referenzwerts für das Zinskriterium von 4,0 %. Sie sind seit dem Jahr 2009

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EZB, Konvergenzbericht, Juni 2016 71

gesunken, und der Zwölfmonatsdurchschnitt ist von über 3 % auf unter 1 %

zurückgegangen.

Um in Schweden ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld

aufrechtzuerhalten, bedarf es der Fortführung der stabilitätsorientierten

Wirtschaftspolitik, der gezielten Strukturreformen und der Maßnahmen zur

Sicherung der Finanzstabilität. Was makroökonomische Ungleichgewichte

anbelangt, so unterzog die Europäische Kommission das Land im Nachgang zu

ihrem Warnmechanismus-Bericht 2016 einer eingehenden Überprüfung und

gelangte zu dem Schluss, dass in Schweden makroökonomische Ungleichgewichte

bestehen. Vor diesem Hintergrund muss den Risiken für die gesamtwirtschaftliche

Stabilität, die sich aus dem anhaltenden Boom am Wohnimmobilienmarkt und dem

erhöhten Schuldenstand im privaten Sektor ergeben, entschlossen begegnet

werden.

Das schwedische Recht erfüllt nicht alle Anforderungen an die Unabhängigkeit

der Zentralbank, das Verbot der monetären Finanzierung und die rechtliche

Integration der Zentralbank in das Eurosystem. Als EU-Mitgliedstaat, für den eine

Ausnahmeregelung gilt, muss Schweden alle nach Artikel 131 AEUV erforderlichen

Anpassungen vornehmen. Gemäß AEUV besteht für Schweden seit dem 1. Juni

1998 eine Verpflichtung zur Anpassung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften im

Hinblick auf die Integration in das Eurosystem. Die zuständigen Stellen in Schweden

haben bislang keine gesetzgeberischen Maßnahmen getroffen, um die in diesem

und in den vorangegangenen Berichten aufgezeigten Unvereinbarkeiten zu

beheben.

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Abkürzungen

Länder

BE Belgien HR Kroatien PL Polen

BG Bulgarien IT Italien PT Portugal

CZ Tschechische Republik CY Zypern RO Rumänien

DK Dänemark LV Lettland SI Slowenien

DE Deutschland LT Litauen SK Slowakei

EE Estland LU Luxemburg FI Finnland

IE Irland HU Ungarn SE Schweden

GR Griechenland MT Malta UK Vereinigtes Königreich

ES Spanien NL Niederlande US Vereinigte Staaten

FR Frankreich AT Österreich

Entsprechend der in der Europäischen Union angewendeten Praxis werden die EU-Mitgliedstaaten im vorliegenden Bericht in der

alphabetischen Reihenfolge der Bezeichnung der Länder in den jeweiligen Landessprachen aufgeführt.

Sonstige

AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der

Europäischen Union

BIP Bruttoinlandsprodukt

BIZ Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

ESRB Europäischer Ausschuss für Systemrisiken

ESVG 2010 Europäisches System Volkswirtschaftlicher

Gesamtrechnungen 2010

ESZB Europäisches System der Zentralbanken

EU Europäische Union

EUR Euro

EWI Europäisches Währungsinstitut

EWK Effektiver Wechselkurs

EZB Europäische Zentralbank

GD ECFIN Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen,

Europäische Kommission

HVPI Harmonisierter Verbraucherpreisindex

IAO Internationale Arbeitsorganisation

IWF Internationaler Währungsfonds

MFI Monetäres Finanzinstitut

NZB Nationale Zentralbank

OECD Organisation für wirtschaftliche

Zusammenarbeit

und Entwicklung

SSM Einheitlicher Aufsichtsmechanismus

SWP Stabilitäts- und Wachstumspakt

VPI Verbraucherpreisindex

WKM Wechselkursmechanismus

WWU Wirtschafts- und Währungsunion

In den Tabellen verwendete Abkürzungen und Zeichen

- Daten werden nicht erhoben/Nachweis nicht sinnvoll

. Daten noch nicht verfügbar

© Europäische Zentralbank, 2016

Anschrift 60640 Frankfurt am Main, Deutschland

Telefon +49 69 1344 0

Internet www.ecb.europa.eu

Übersetzt von der Deutschen Bundesbank im Auftrag der Europäischen Zentralbank. In Zweifelsfällen gilt der englische Originaltext.

Alle Rechte vorbehalten. Die Anfertigung von Fotokopien für Ausbildungszwecke und nichtkommerzielle Zwecke ist mit Quellenangabe

gestattet.

Redaktionsschluss für die in diesem Konvergenzbericht enthaltenen Statistiken war am 18. Mai 2016.

Die deutsche Übersetzung des EZB-Konvergenzberichts 2016 umfasst folgende Kapitel: Einleitung, Analyseschema, Stand der

wirtschaftlichen Konvergenz und Zusammenfassung der Länderprüfung. Weitere Informationen können der vollständigen englischen

Sprachfassung des Berichts entnommen werden. Diese ist auf der Website der EZB (www.ecb.europa.eu) abrufbar.

ISSN 1725-9509 (ePub-Version) DOI 10.2866/057210 (ePub-Version)

ISSN 1725-9509 (html-Version) DOI 10.2866/03680 (html-Version)

ISSN 1725-9509 (Online-Version) DOI 10.2866/771617 (Online-Version)

ISBN 978-92-899-2272-2 (ePub-Version) EU-Katalognummer QB-AD-16-001-DE-E (ePub-Version)

ISBN 978-92-899-2300-2 (html-Version) EU-Katalognummer QB-AD-16-001-DE-Q (html-Version)

ISBN 978-92-899-2275-3 (Online-Version) EU-Katalognummer QB-AD-16-001-DE-N (Online-Version)