Kosmologie, einfach -  · 3 Dabei ist wichtig, dass wegen der zumeist geringen Dichte die...

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, Kosmologie, einfach Gerhard Graw 1 1 Fakult¨atf¨ ur Physik, Ludwig-Maximilians-Universit¨at M¨ unchen ur Sterne haben Menschen sich schon immer in- teressiert. Sie gaben Orientierung im Weglosen, und eigneten sich als Projektionsfl¨ ache f¨ ur Vorstellungen. Mythisches Denken identifizierte Himmelsk¨ orper mit Gottheiten. Kultische Bedeutung hatte die Bestimmung von Terminen im Ablauf der Jahreszeiten. Die fr¨ uhen griechischen Philosophen sahen in den Gestirnen und in ihrem Bezug zur Welt eine Ordnung, die sie als Kosmos bezeichneten. Das Verst¨ andnis dieser Ordnung, die Kosmologie, war eines ihrer zentralen Themen. Die Auseinandersetzung mit Fragen dieser Art hatte erheblichen Einfluss auf die Entwicklung einer Kultur des kritischen und rationalen Denkens, den Paradigmen der Naturwissenschaften heute. Dabei kamen auch phy- sikalisch gepr¨ agte Ans¨ atze ins Spiel, und es entstanden Vorstellungen, die Kopernikus und Galilei weiterf¨ uhrten. Heute ist Kosmologie bestimmt durch die Fortschritte in Astronomie und Physik. Naturwissenschaftlich be- gr¨ undete Aussagen ergeben ein erstaunlich umfassendes Bild von Zusammenh¨ angen. Dieses zu skizzieren ist das Thema dieser Schrift. Der Zugewinn an Erkenntnissen betrifft das Universum in seiner Gesamtheit wie auch in seinen Konstituenten, den Sternen, Galaxien, Galaxienhaufen und von vielem anderen mehr. Die wesentliche Einsicht ist: Das Univer- sum und seine Objekte unterliegen einem fortlaufenden Prozess der Ver¨ anderung, Kosmologie beschreibt ein dy- namisches Geschehen. Deswegen erscheint die tradierte Unterscheidung von Kosmogonie und Kosmologie, von Entstehen und Beschreibung, heute als weniger sinnvoll. Das Universum hatte einen Anfang, vor ungef¨ ahr 13,7 Milliarden Jahren, und die heutige, unermessliche Vielfalt ging hervor aus einfachsten Strukturen. Der Energieinhalt des Kosmos war entstanden nahezu aus dem Nichts, in einer extrem kurzen Zeitspanne. Dies geschah im Wechselspiel mit dem dabei erzeugten Feld der Gravitation, und die Expansion des Raums war Folge davon. Die Kosmologie ordnet dem Anfang Teilchen und Felder so zu, dass aus ihnen alles das, was wir heute beobachteten, als kausal bedingt folgt. Damit gibt Kosmologie Anlass ¨ uber die Natur dieser Teilchen und Felder nachzudenken, ¨ uber neue Physik. Letztlich wird es wohl darum gehen, die Physik von Gravitation und von Elementarteilchen in einem einheitlichen Ansatz zu verstehen. Kosmologie beschreibt die Evolution unserer materiellen Umwelt. Man kann dies in Perspektive setzen zur Biologie und der Evolution des Lebens, und vielleicht auch zu den Geschichtswissenschaften und der Evolution von Kultur und Wissen. Somit ist Kosmologie Teil wissenschaftlich fundierter Weltanschauung. Dieser Text versucht, in der Perspekive eines Beobachters ¨ uber Kosmologie als Ganzes zu schreiben. In der Antike war der Astronomie die Muse Urania zugeordnet, und dies hier ist der Versuch, sich von ihr leiten zu lassen. Dabei stelle ich mir vor den allgemein interessierten Leser mit Interresse f¨ ur Physik, der jedoch zu Zahlen und Formeln Abstand halten m¨ ochte. So ist der Text gedacht als eine Art Spaziergang durch den Bereich des aktuellen Wissens, der grundlegenden Ph¨ anomene, und deren physikalischer Einordnung. Nicht eingehen werde ich auf aktive Forscher und die damit verbundenen Priorit¨ aten. Entsprechendes gilt f¨ ur Ger¨ ate und die experimentellen Techniken astronomischer Beobachtungen. Dies ist ein eigenes, absolut faszinierendes Gebiet. Die Entwicklung des Kosmos ist ein physikalisch bestimmtes Geschehen. Dieser Sicht entspricht auch das Forschungsprojekt > Origin and Structure of the Universe < , zu dem sic in M¨ unchen Kollegen der Ludwig- Maximilians-Universit¨ at, der Technischen-Universit¨ at, der Max-Planck-Institute, und des European-Southern- Observatory verabredet hatten im Rahmen der Exzel- lenzinitiative der Bundesregierung. Ihre Auszeichnung als > Exzellenzcluster < , bereits in der ersten Begutach- tung, wurde gefeiert am 23.1.2007 mit einem Festakt im Deutschen Museum. Astrophysik ist nicht mein Fachgebiet, als experimenteller Kernphysiker hatte ich jedoch Ber¨ uhrungspunkte. Zu Fragen von nuklearen Astrophysikern konnte ich beitragen mit Messungen am unchener Tandem-Beschleuniger. Mit den Gesetzen der Physik werden aus den Lichtquellen am Himmel Objekte ganz unterschiedlicher Gr¨ oße und Natur. Die physikalische Beschreibung vermittelt auch Vorstellungen davon, wie diese Objekte entstanden wa- ren und welche weitere Entwicklung sie nehmen werden. Im Folgenden werden zun¨ achst die verschiedenen kosmo- logisch relevanten Objekte vorgestellt. Ihr Entstehen und ihre Verteilung kann man als Strukturbildung im Kos- mos bezeichnen. Danach wird die Expansion des Kos- mos diskutiert und ihr Einfluss auf die Strukturbildung. Abschließend geht es um ¨ Uberlegungen zu einem An- fang, welche die beobachteten Zusammenh¨ ange physika- lisch begr¨ unden.

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Kosmologie, einfach

Gerhard Graw1

1Fakultat fur Physik, Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen

Fur Sterne haben Menschen sich schon immer in-teressiert. Sie gaben Orientierung im Weglosen, undeigneten sich als Projektionsflache fur Vorstellungen.Mythisches Denken identifizierte Himmelskorper mitGottheiten. Kultische Bedeutung hatte die Bestimmungvon Terminen im Ablauf der Jahreszeiten. Die fruhengriechischen Philosophen sahen in den Gestirnen undin ihrem Bezug zur Welt eine Ordnung, die sie alsKosmos bezeichneten. Das Verstandnis dieser Ordnung,die Kosmologie, war eines ihrer zentralen Themen.Die Auseinandersetzung mit Fragen dieser Art hatteerheblichen Einfluss auf die Entwicklung einer Kulturdes kritischen und rationalen Denkens, den Paradigmender Naturwissenschaften heute. Dabei kamen auch phy-sikalisch gepragte Ansatze ins Spiel, und es entstandenVorstellungen, die Kopernikus und Galilei weiterfuhrten.Heute ist Kosmologie bestimmt durch die Fortschrittein Astronomie und Physik. Naturwissenschaftlich be-grundete Aussagen ergeben ein erstaunlich umfassendesBild von Zusammenhangen. Dieses zu skizzieren ist dasThema dieser Schrift.

Der Zugewinn an Erkenntnissen betrifft das Universumin seiner Gesamtheit wie auch in seinen Konstituenten,den Sternen, Galaxien, Galaxienhaufen und von vielemanderen mehr. Die wesentliche Einsicht ist: Das Univer-sum und seine Objekte unterliegen einem fortlaufendenProzess der Veranderung, Kosmologie beschreibt ein dy-namisches Geschehen. Deswegen erscheint die tradierteUnterscheidung von Kosmogonie und Kosmologie, vonEntstehen und Beschreibung, heute als weniger sinnvoll.Das Universum hatte einen Anfang, vor ungefahr 13,7Milliarden Jahren, und die heutige, unermesslicheVielfalt ging hervor aus einfachsten Strukturen. DerEnergieinhalt des Kosmos war entstanden nahezu ausdem Nichts, in einer extrem kurzen Zeitspanne. Diesgeschah im Wechselspiel mit dem dabei erzeugten Feldder Gravitation, und die Expansion des Raums war Folgedavon. Die Kosmologie ordnet dem Anfang Teilchenund Felder so zu, dass aus ihnen alles das, was wirheute beobachteten, als kausal bedingt folgt. Damit gibtKosmologie Anlass uber die Natur dieser Teilchen undFelder nachzudenken, uber neue Physik. Letztlich wirdes wohl darum gehen, die Physik von Gravitation undvon Elementarteilchen in einem einheitlichen Ansatz zuverstehen.

Kosmologie beschreibt die Evolution unserer materiellenUmwelt. Man kann dies in Perspektive setzen zurBiologie und der Evolution des Lebens, und vielleicht

auch zu den Geschichtswissenschaften und der Evolutionvon Kultur und Wissen. Somit ist Kosmologie Teilwissenschaftlich fundierter Weltanschauung.

Dieser Text versucht, in der Perspekive eines Beobachtersuber Kosmologie als Ganzes zu schreiben. In der Antikewar der Astronomie die Muse Urania zugeordnet, unddies hier ist der Versuch, sich von ihr leiten zu lassen.Dabei stelle ich mir vor den allgemein interessiertenLeser mit Interresse fur Physik, der jedoch zu Zahlen undFormeln Abstand halten mochte. So ist der Text gedachtals eine Art Spaziergang durch den Bereich des aktuellenWissens, der grundlegenden Phanomene, und derenphysikalischer Einordnung. Nicht eingehen werde ich aufaktive Forscher und die damit verbundenen Prioritaten.Entsprechendes gilt fur Gerate und die experimentellenTechniken astronomischer Beobachtungen. Dies ist eineigenes, absolut faszinierendes Gebiet.

Die Entwicklung des Kosmos ist ein physikalischbestimmtes Geschehen. Dieser Sicht entspricht auchdas Forschungsprojekt >Origin and Structure of theUniverse<, zu dem sic in Munchen Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universitat, der Technischen-Universitat,der Max-Planck-Institute, und des European-Southern-Observatory verabredet hatten im Rahmen der Exzel-lenzinitiative der Bundesregierung. Ihre Auszeichnungals >Exzellenzcluster<, bereits in der ersten Begutach-tung, wurde gefeiert am 23.1.2007 mit einem Festaktim Deutschen Museum. Astrophysik ist nicht meinFachgebiet, als experimenteller Kernphysiker hatte ichjedoch Beruhrungspunkte. Zu Fragen von nuklearenAstrophysikern konnte ich beitragen mit Messungen amMunchener Tandem-Beschleuniger.

Mit den Gesetzen der Physik werden aus den Lichtquellenam Himmel Objekte ganz unterschiedlicher Große undNatur. Die physikalische Beschreibung vermittelt auchVorstellungen davon, wie diese Objekte entstanden wa-ren und welche weitere Entwicklung sie nehmen werden.Im Folgenden werden zunachst die verschiedenen kosmo-logisch relevanten Objekte vorgestellt. Ihr Entstehen undihre Verteilung kann man als Strukturbildung im Kos-mos bezeichnen. Danach wird die Expansion des Kos-mos diskutiert und ihr Einfluss auf die Strukturbildung.Abschließend geht es um Uberlegungen zu einem An-fang, welche die beobachteten Zusammenhange physika-lisch begrunden.

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I. DIE GESCHICHTE VON ERDE UND SONNE

Die zutreffende Beschreibung der Bewegungen vonSonne, Erde und den Planeten begann mit Kopernikus,Galilei und Kepler. Jedoch erst Newton konnte derenBeobachtungen begrunden, auf Grund der von ihmerdachten Physik der Mechanik und durch sein Gesetzder Gravitation. Revolutionar war seine Vorstellung,dass die Gesetze der Physik auch fur den Kosmos gelten.So konnte er die Bewegung der Planeten um die Sonnein Bezug setzen zum Fall des Apfels vom Baum. Dieswar der Beginn der Naturwissenschaften im heutigenSinne.

Inzwischen wissen wir, wie dies System von Sonne, Er-de und Planeten entstanden ist: Vor knapp 5 Milliar-den Jahren kamen Bereiche aus interstellarem Gas, an-gereichert durch Gas und Staub aus fruheren Supernova-Explosionen, eher zufallig zusammen. In wechselseitigerAnziehung auf Grund der Schwerkraft, so wie Newton siebeschrieben hat, zog diese zufallige Konzentration vonGas und Staub sich zusammen. Dabei nahm mit derDichte auch die Temperatur zu. Erhohung der Tempe-ratur bei Kompression eines Gases kennen wir vom war-men Fohnwind oder vom selbstzundenden Dieselmotor.Die Kontraktion der Gas-Staub Wolke endete jeweils, so-bald der so erzeugte Druck des Gases der Schwerkraftdas Gleichgewicht hielt. Die Kontraktion schritt nur dannweiter fort wenn Warme abgestrahlt wurde und dement-sprechend Temperatur und Druck abnahmen. Hier wer-den neben dem Staub auch solche Gase wichtig die be-reits bei niedrigen Temperaturen Warme abstrahlen, wirbezeichnen diese als Treibhausgase. Die Masse des ent-stehenden Sterns hangt ab von der Dichte und von derTemperatur, bei der die Abstrahlung wirksam wird. Mas-searme Sterne entstehen nur aus dichtem Gas, das bereitsbei tiefen Temperaturen abstrahlt. Bei der Entstehungder Sonne erreichten Dichte und Temperatur im zentra-len Bereich bereits nach wenigen zig Millionen Jahren sohohe Werte, dass nukleare Brennprozesse zundeten. Be-dingung fur das Zunden, und damit fur das Entsteheneines Sterns, ist eine Masse von mehr als 8 Prozent derMasse der Sonne.

A. Die Planeten

Warum gibt es die Planeten? Bei der Bildung auseiner anfanglichen Konzentration aus Gas und Staubware es eher Zufall, hatten sich die aus verschiedenenRichtungen kommenden Teilbereiche exakt auf eingemeinsames Zentrum hin bewegt, in dem sie sich dannanschließend vermengten. Viel wahrscheinlicher trafensie sich eher streifend. Dies gleicht der Situation zweierEiskunstlaufer, die versetzt aufeinander zukommen, anden Handen fassen, und sich anschliesemnd gemeinsamdrehen. Falls sie dabei ihren Abstand voneinander ver-ringern, wird ihre Dreheung schneller. Das beinhaltet die

Erhaltung des Drehimpulses, eines der grundlegendenGesetze der Physik. Je kleiner dabei ihr Abstand wird,mit umso großerer Kraft mussen sie sich halten. ImFall der rotierenden Gas-Staubwolke wird dies von derGravitationskraft bewirkt. Dementsprechend hielten diedrehenden Bereiche der Gas-Staubwolke Abstand vomZentrum der Rotation, so wie heute die umlaufendenPlaneten Abstand halten von der Sonne. Parallel zurDrehachse jedoch stand einer Kompression der Gas-Staubwolke nichts im Wege. So entstand eine flache, umihre Achse rotierende Scheibe. Man sollte jedoch sehen,dass diese protostellare Scheibe sich ganz wesentlich vonder Rotation einer starren Diskusscheibe unterschied,da die sonnennahen Bereiche sich wesentlich schnellerdrehten als die sonnenfernen. Dies ist auch die Aussagedes dritten Keplerschen Gesetzes.

Wichtig werden dabei die Wechselwirkungen zwischenbenachbarten Bereichen. Zu diesen konnen beitragengravitative Anziehung, dissipative Prozesse (Reibung)oder turbulente Stromungen. Sie bestimmen die Be-wegungen in radialer Richtung. Wesentlich dabei ist,dass diese Wechselwirkungen grundsatzlich die schnel-leren inneren Bereiche bremsen und die langsamerenaußeren beschleunigen. Damit werden aus jeweils zweibenachbarten Keplerschen Kreisbahnen zwei KeplerscheEllipsen. Dabei bewegen sich die Bereiche, die Energieverloren haben, auf das Zentrum hin, und solche, dieEnergie gewonnen haben, nach außen. Dass bedeutet,dass der Drehimpuls zunehmend nach außen getragenwird. Anschließend passen sich die beiden elliptischenBahnen durch Reibung an die Bewegung ihres neuenUmfelds an, sodass aus ihnen wieder Kreisbahnenwerden, allerdings mit großeren Unterschieden imDurchmesser. Die freigesetzte Reibungsenergie erhohtdie Temperatur, diese entspricht dem Energiegewinnbei der Trennung der Kreisbahnen. Eine vielfacheWiederholung von Prozessen diese Art erzwingt eineBewegung auf das Zentrum hin, die jedoch verbundenist mit Bewegungen weg vom Zentrum. Die Dynamikdes Prozesses, der Materiefluss zum Zentrum hin, zeigtsich in der Abstrahlung. Astronomen bezeichnen diesenVorgang als Akkretion. Dabei kann die Starke derWechselwirkungen aus der Dynamik des Ablaufs folgen.

Magnetische Felder spielen hier eine wichtige Rolle:Wann immer Medien aneinander streifen, werden Elek-tronen ubertragen. Unterscheiden sie sich die Medien inihrer Temperatur oder stofflicher Zusammensetzung, sowird dabei eine Richtung bevorzugt und es entstehenbewegte elektrisch geladene Bereiche. So entstehenmagnetische Felder. Bei entsprechend hoher Temperatursind diese Medien elektrisch leitend, und Induktionwird die elektrischen Strome und magnetischen Fel-der verstarken. Dies folgt dem Prinzip des Dynamos,Energie der Bewegung wird gewandelt in Energie vonmagnetischen Feldern, Induktionsvorgange bestimmendas Geschehen.

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Dabei ist wichtig, dass wegen der zumeist geringenDichte die elektrischen Widerstande gering sind, sodassdie Felder langlebig sind, wie bei einem Supraleiter. Esliegt in der Natur des Induktionsgesetzes, dass Magnet-felder und die sie erzeugenden elektrischen Strome andas Medium gebunden sind und dessen Bewegungenfolgen. Beim Akkretionsprozess wirken Magnetfelderauf die elektrischen Strome von benachbarten Bereicheund erzeugen so starke Reibungskrafte. In der fruhenEntwicklungsphase eines Sterns ist die Lichtemissionauf Grund der Akkretion von Materie starker als dieauf Grund eines bereits beginnnenden nuklearen Bren-nens. Dies bedeutet, dass man einer hell strahlendenzirkumstellaren Scheibe nicht ansieht, ob sich dahinterein Stern verbirgt oder ein zukunftiger Brauner Zwerg.Braune Zwerge haben Massen von weniger als 8 Prozentder Sonne, zum nuklearen Brennen ist das nicht genug.Sie strahlen ihren anfanglichen Energievorat ab, dabeisinkt ihre Temperatur, deswegen auch der Name. Erst injungster Zeit sind sie in großerer Zahl nachgewiesen wor-den. Generell gilt, dass leichte Sterne haufiger sind alsschwere. Wie sich dies in den Massenbereich der Brau-nen Zwerge hin fortsetzt, ist eine der spannenden Fragen.

Aus der zirkumstellaren Scheibe der Sonne entstandenim Zentrum durch Akkretion der Vorlaufer Sonne undin den außeren Bereichen die Vorlaufer der Planeten.Die Bildung von Planeten setzte niedrige Temperaturenvoraus, sodass der Anteil von Staub zur Wirkungkommen konnte: Durch Krafte der Adhasion klumptedieser, und weiter außen auch das Eis, relativ schnell zuObjekten mit Durchmessern von bis zu einem Kilometer,man nennt diese Planetesimale. Diese verbanden sichdann unter dem Einfluss der Gravitation zu großerenEinheiten bis hin zu den Vorlaufern der Planeten, oderes verblieb bei kleineren Objekten in Ringen, ahnlichdenen des Saturn.

Das Entstehen von Planeten ist ursachlich verbundenmit der Existenz von Staub. Dies bedeutet auch, dassdiejenigen chemischen Elemente, die bereits bei hohenTemperaturen kondensieren, weniger gut das Zentrum,die Sonne, erreicht hatten. Sie waren durch die Bildungder Planeten abgefangen worden. Dies zeigt der Ver-gleich mit Sternen, die der Sonne ahnlich sind, aberkeine Planeten haben. Bei diesen sind diese Elementeetwa 20 Prozent haufiger als bei der Sonne.

In einigen Bereichen jenseits von Mars war die Bildunggroßer, stabiler Planeten unterblieben. Vielmehr ord-neten sich dort kleinere Objekte so, dass sie sich inihrer Bewegung auf Keplerbahnen gegenseitig nur wenigstorten, sie bildeten Gurtel. Zwischen Mars und Jupitergibt es den sogenannten Hauptgurtel. Dessen Objekte,Asteroiden oder Planetoiden genannt, haben ganzunterschiedliche Großen. Mit Durchmessern von mehrals einem Kilometer gibt es Millionen davon, einzelne

Objekte erreichen Durchmesser von fast tausend Kilo-metern. Ihr Anteil an Eis ist zum Teil abgeschmolzen,entsprechend ihrem Abstand zur Sonne.

Jenseits von Neptun folgt der Kuipergurtel. Von denStaub-Eis Objekten dort haben knapp Hunderttausendeinen Durchmesser großer als Hundert Kilometer. Wer-den solche Objekte durch Stoße fragmentiert oder ausihrer Bahn geworfen, und erreichen sie infolgedessen,auf einer stark exzentrischen Bahn, den Bereich naheder Sonne, so bezeichnet man sie als Kometen. Hulleund Schweif entstehen durch Verdampfen des Eises imSonnenlicht. Sie werden sichtbar durch den dabei mitfreigesetzten Staub, der das Licht reflektiert. Mit jedemLauf um die Sonne verlieren Kometen an Masse, sieandern ihre Bahn und ihre Oberflache. Einschlage vonKometen auf die Erde hatten katastrophale Folgen.Durchquert die Erde jedoch im Jahrestakt den Bereicheines Kometenschweifs, so bewirkt der verbliebene Staubin der Erdatmosphare lokale Erhitzungen, die wir alsSternschnuppen bewundern.

Das relativ geordnete System von Planeten und Gurtelnwar entstanden durch wiederholte Wechselwirkungeneinzelner Bereiche der anfanglichen Gas-Staub Wolke.Bewegungsenergie wurde gewandelt in Warme und dannabgestrahlt. Als Ergebnis beobachten wir Keplerbahnenmit einheitlichem Drehsinn in einer Ebene, der Ekliptik.Fur die anfanglichen Bereiche weiter außen jedoch wardie Durchmischung wesentlich schwacher. Deswegenzeigt dieser aussere Bereich, bis zu einem Abstand vonetwa einem Lichtjahr, nur Objekte in einer spharischenVerteilung. Ihre Großen entsprechen der von Planetoi-den. Man spricht von der Oortschen Wolke. Aus dieserstammen diejenigen Kometen, die nur alle paar TausendJahre das Innere des Sonnensystem erreichen und sobeobachtbar werden. Die Oortsche Wolke unterliegtzwar noch der Anziehung durch die Sonne, jedoch istder Einfluss benachbarter Sterne deutlich.

Die Strahlungswarme der Sonne und der solare Wind- das ist der eruptive Ausstoß heißer Materie ausder Sonne - haben langst alle Reste der anfanglichenGas-Staubwolke in den interstellaren Raum verweht.Heute hindert der solare Wind das interstellare Gasdaran, in den planetaren Bereich einzudringen, sodassein Bereich mit einem Radius von etwa hundert Erd-Sonne-Abstanden vergleichsweise frei von interstellaremGas ist. Die Grenze (der >termination shock<) wurdeim Jahre 2005 erstmals von der Raumsonde Voyagerpassiert.

Entscheidend fur das Entstehen unseres Planetensystemswar die Ausbildung einer Scheibe von Gas und Staub. Ei-ne vergleichbare Situation kann man am Sudhimmel imSternbild Beta Pictoris in nur 63 Lichtjahren Entfernungbeobachten. In diesem Bereich aktiver Sternentstehungzeigt sich Akkretion in unterschiedlichen Stadien. Trifft

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viel Material auf das Zentrum, so entstehen Jets. Indiesen wird auf Grund magnetischer Wechselwirkungenein Teil der Materie langs der Achse wieder abgestoßen.Die Jets tragen beachtliche kinetische Energie. Diesestammt aus der Gravitationsenergie des insgesammt vomZentrum angezogenen Materials. Durch magnetischeWechselwirkung wird sie auf einen kleineren Teil desMaterials ubertragen, welches dann den Jet bildet.Somit stellt die Bildung von Jets eine Alternative darzur thermischen Abstrahlung.

Grundsatzlich gilt, dass bei der Sternentstehung dieErhaltung des Drehimpulses die Bildung von mehr alseinem Objekt erzwingt: Denkt man sich als Ausgangs-punkt eine Akkretionsscheibe, so wird in dieser mit derbeginnenden Bildung von Planeten die Symmetrie desGravitationsfelds gebrochen. Die von den Planeten er-zeugten zusatzlichen Gravitationsfelder beeinflussen dieBahnen und ihre sich schliesslich einstellende Ordnung.Hatte etwa der Bereich, aus dem der schwerste Planet,Jupiter, gebildet wurde eine sehr viel großere Massegehabt, dann ware auch Jupiter entsprechend schwerergeworden. Wegen der Bewegung von Jupiter und Sonneum ihren gemeinsamen Schwerpunkt hatte dann auchdie Sonne einen viel großeren Abstand von diesemund es gabe sehr starke periodische Anderungen desGravitationsfelds. Diese wurden alle anderen Objekteauf immer kompliziertere Bahnen zwingen, es gabeviele Zusammenstoße, sodass sie bzw. ihre Fragmenteverschwanden, der eine Teil in entfernte Bereiche, derandere ware von Sonne oder Jupiter verschluckt worden.Nur sie allein blieben im Nahbereich ubrig. Hatteweiterhin dieser Jupiter eine Masse von zumindest 8Prozent der Sonnenmasse, so wurde er wie die Sonneals Stern leuchten, und wir hatten statt unseres schonenPlanetensystems einen der sehr haufigen Doppelsterne.Fur einen Planeten Erde ware da kein Platz.

Das Studium der planetaren Begleiter anderer Sternewird zu einem der ganz großen Forschungsziele. So hatman bei einem Stern bereits sechs zugehorige Planetenidentifiziert. Dabei ist zu bedenken, dass nur die schwe-ren Planeten zu beobachtbaren Effekten fuhren. Letzt-endlich geht es darum, ob Leben, in welcher Form auchimmer, ausserhalb der Erde existieren kann.

B. Erde und Mond

Der Mond entstand, als die Erde noch keine 100Millionen Jahre alt war, durch den Aufprall einesplanetenartigen Korpers. Der Stoß war streifend und dieDrehachse der Erde wurde dabei kraftig verruckt. Des-wegen haben wir statt ewigen Fruhlings die wechselndenJahreszeiten. Das explosionsartig verstreute Materialdes Himmelskorpers fiel zum großeren Teil auf die Erdezuruck, ein Rest verblieb als eine Art von planetarerScheibe, aus der sich bald der Mond herausbildete. So

versteht man, dass das Material der außeren Erdkrustesich von dem des Erdkerns unterscheidet, jedoch demdes Mondes ahnlich ist.

Die junge Erde hatte wegen der anfanglich sehr hohenTemperaturen alle leicht fluchtigen Stoffe verloren.Was wir heute davon auf der Erde finden, Stickstoff,Sauerstoff, Kohlendioxid und Wasser, wurde erst spaterfreigesetzt. Dabei ist offen, was mineralischen Ursprungsist und was von Kometen stammen konnte. Als diejetzige Ordnung des Systems von Planeten und Pla-netesimalen noch weniger regular war, stand die Erdeunter massivem Bombardement von Kometen, die genugvereistes Wasser enthielten, um damit die Ozeane zufullen. Diese Phase sollte vor etwa 3,8 Milliarden Jahrengeendet haben.

Die dargelegte Geschichte der Entstehung impliziert, dassalle Materie der Erde bereits vor der Bildung des Sonnen-systems vorhanden war. Wegen des Verlusts der fluchti-gen Stoffe in der Fruhzeit ist der Anteil leichter Elementejedoch stark reduziert. Im Laufe der Abkuhlung und derVerfestigung der Erdkruste hatten sich die Elemente sogeschichtet, sodass wir von den schweren Atomen, insbe-sondere vom Eisen im Erdkern, nur wenig merken.

C. Energietransport in der Sonne

Die Warme, der wir unsere Existenz verdanken, liefertdie Sonne seit 4,5 Milliarden Jahren, und dies wird nochweitere 5 Milliarden Jahre so andauern. Diese Energiewird erzeugt im Innern der Sonne durch nuklearesBrennen. Bei einer Temperatur von etwas mehr als15 Millionen Grad hat sich dort ein Gleichgewichteingestellt von Druck und Gravitation, und auch vonEnergieerzeugung und Energietransport nach außen.Die Energieerzeugung nimmt mit dem Abstand vomZentrum ab. Etwa 90 Prozent der Energie wird in deninneren 20 Prozent des Sonnendurchmessers erzeugt, indem sich 40 Prozent der Masse befindet, (und 60 Prozentder Energie innerhalb der innersten 10 Prozent der Mas-se). Die Temperatur in der Sonne fallt zur Oberflachehin ab. Von dieser aus strahlt sie bei einer Temperaturvon 5800 Grad Kelvin. Unser Auge ist empfindlichfur diese Art von Strahlung, dementsprechend wirdsie als sichtbares Licht bezeichnet. Der Transport derWarmeenergie zur Oberflache braucht lange, als typischeZeit werden Zahlen von bis zu Millionen Jahre genannt.Im inneren Bereich erfolgt sie allein durch Strahlung imheißen Medium. Aufgrund vielfacher Streuung ist diesder zeitbestimmende, langsame Prozess. Im Bereich derletzten 20 Prozent des Weges zur Oberflache hin wirddie Konvektion entscheidend. Die Konvektion beginntbei 2 Millionen Grad. Nun ist der Transport von Warmeverbunden mit dem Transport von Materie, diese steigtin sich lokal bildenden Kreislaufen auf und ab. An derOberflache werden die Stromungszellen sehr eng, sie

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andern sich fortlaufend, wir sehen wabenartige Muster:In den Zentren der Waben die heisse, aufsteigendeMaterie, und an deren Randern die abgekuhlte, zuruck-fliessende.

Die Sonne rotiert im gleichen Sinn wie die Planeten.Am Aquator sehen wir eine Umlaufperiode von etwa 25Tagen, nahe der Pole jedoch von 36 Tagen. SeismischeUntersuchungen zeigen, dass der innere Strahlungs-bereich mit einer Periode von 27 Tagen gleichformigrotiert. Der Ubergang zu der differentiellen Rotationerfolgt im innersten Bereich der Konvektionzone, der so-genannten Tachocline. Differentielle Rotation beobachtetman auch an Gasplaneten wie Jupiter und Saturn. Siehat zur Folge, dass der Drehimpuls verstarkt von denachsenfernen Bereichen getragen wird. Als Ursache giltdie thermische Bewegung von freien Teilchen. Je nachBewegungsrichtung ist deren Drehimpuls interschiedlich,und damit auch die Zentrifugalkraft. Daraus folgt dieradiale Trennung freie Teilchen nach ihren Drehimpulsen.

Der Bereich der Tachocline gilt als Quelle eines dipolarenMagnetfelds. Dies Feld der Sonne hat an der Oberflacheeine Starke vergleichbar dem Erdfeld, wechselt jedochalle 11 Jahre seine Richtung. Um bis zu 4 Großenord-nungen starker sind lokale Magnetfelder, die wir in denBereichen von Sonnenflecken beobachten.

Sonnenflecken bilden sich in Zeiten verstarkter Strah-lungsintensitat der Sonne, auf Grund einer dann entspre-chend wirkungsvolleren Konvektion. Die Haufigkeit ihresAuftretens ist verbunden mit dem Wechsel der Polaritatdes solaren magnetischen Dipolfelds, dementsprechendzeigt sie alle 11 Jahre ein Maximum. Synchron andertsich die auf der Erde gemessene gemittelte Strahlungsin-tensitat der Sonne, mit einer Amplitude von einem hal-ben Promille.

Sonnenflecken entstehen auf Grund der differentiellenRotation. So werden die in Richtung der Rotationsachseerzeugten Feldlinien in aquatorialer Richtung verzerrt,“aufgewickelt“. Bei der Bewegung des Felds im elek-trisch gut leitenden Medium ist der magnetische Flussin relativ engen Schlauchen konzentriert. Im weiterenVerlauf werden Teilbereiche dieser Schlauche an dieOberflache gedruckt, bis sie aus dieser in einer Schleifeheraustreten. Die Starke ihres magnetischen Feldesbehindern die Konvektion, sodass ihre entsprechendenEin- und Austrittsbereiche an der Oberflache um etwaTausend Grad kalter sind. Dies sehen wir als Sonnen-flecken. Die Orte, an denen Sonnenflecken auftreten, sindzufallsbedingt, jedoch sind die Wahrscheinlichkeit ihresAuftretens und ihre Entwicklung verknupft mit demZyklus der Sonne. Sie zeigen nordlich und sudlich desAquators charakteristische Unterschiede. Sonnenfleckenkonnen rasch verschwinden, aber auch uber Monate an-wachsen zu Bereichen viel großer als der Erddurchmesser.

Mit den konvektiven Stromungen des heissen, ionisierten

Materials, und insbesondere mit der differentiellen Ro-tation, sind lokale Magnetfelder verbunden, die von die-sen bewegt werden. Interessant wird es, wenn unabhangigvoneinander entstandene Magnetfelder an der Oberflachezusammenkommen. Falls sie Orientierungen haben, dieenergetisch ungunstig sind, mussen die Stromungen dazuKrafte ausuben. Darauf reagieren die Magnetfelder, unddie mit ihnen verbundenen elektrischen Strome, indemsie energetisch gunstigere Ordnungen einnehmen. Dies er-folgt spontan, so wie ein senkrecht stehender Bleistift ausdem labilen in das stabile Gleichgewicht kippt: Werdenentgegengesetzt orientierte Magnetfelder zur Beruhrunggezwungen, so schliessen sie sich kurz. Dabei schließt sichein magnetischer Fluss ausserhalb der Oberflache zu ei-nem Ring, der mitsammt seinem Plasma von der Oberfla-che abgestoßen wird. Man spricht von magnetischer Neu-verbindung (Rekonnexion). Die Rekonnexionen konnenin benachbarten Bereichen die Schwellen zur Annaherungsolcher Felder absenken, sodass Umordnungen große Be-reiche erfassen und insgesammt erhebliche Energien frei-setzen konnen. Vorgange dieser Art gelten als Ursache furdie Eruptionen (Flares) und Protuberanzen, die wir aufder Sonnenoberflache sehen, und fur den solaren Wind,den Ausstoß ionisierter Atmosphare. Induktionsvorgangein den Flares beschleunigen Elektronen auf hohe Ener-gien. Wir sehen deren Strahlung auch im Rontgenbe-reich. Starke eruptive Ausbruche solaren Winds beein-flussen die Atmosphare der Erde, ohne Schutz durch dasErdmagnetfeld ware ihre Strahlung todlich. Der solareWind wird von Satelliten analysiert, daher kennen wirdie Atmosphare der Sonne auch bezuglich der Isotope.Das Plasma des solaren Winds treibt das interplanetareGas hinaus, bis sich am “termination shock“ ein Gleich-gewicht einstellt.

D. Nukleares Brennen

Das nukleare Brennen in der Sonne wandelt Atomedes Wasserstoffs in Helium. Dies geschieht in einemmehrstufigem Prozess von Kernreaktionen. Die Bindungim Atomkern des Heliums ist stark: Die Masse derentstandenen Heliumatome ist um 0,7 Prozent kleinerals die Masse der vier Wasserstoffatome, aus denendiese gebildet wurden. Die Differenz entspricht derfreigesetzten Warmeenergie. Im Vergleich zu chemischenReaktionen ist sie riesig, mehr als eine Million malgroßer. Sie ist Folge einer fundamentalen Kraft, derStarken Wechselwirkung, welche nur im kurzen Bereichnuklearer Abstande wirksam ist.

Das Endprodukt dieser nuklearen Reaktionen, der Heli-umkern, besteht aus zwei Protonen und zwei Neutronen.Diese im Kern gebundenen Neutronen waren im Ablaufder Reaktionskette entstanden. Dazu mussten sich jeweilsein Proton und ein Elektron in ein Neutron und ein Neu-trino wandeln. Neutrinos sind elementare Teilchen, ver-gleichbar dem Elektron, jedoch elektrisch ungeladen und

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mit verschwindend kleiner Masse. Als nahezu masseloseTeilchen ahneln sie den Lichtquanten und bewegen sichmit einer Geschwindigkeit, die sich von der des Lichtspraktisch nicht unterscheidet. Ihre Energie hangt ab vonder Energiebilanz bei der Erzeugung und kann betracht-lich sein. Die Umwandlung eines Elektrons in ein Neutri-no und eines Protons in ein Neutron ist ein Prozess derSchwachen Wechselwirkung, einer weiteren fundamenta-len Kraft. Nur sie kann Eigenschaften eines Teilchens aufein anderes ubertragen. Die Anzahl der Teilchen bleibterhalten, es andert sich nur die Zuordnung von Eigen-schaften. Diese Wechselwirkung hat eine extrem kurzeReichweite. Dementsprechend sind bei niederen EnergienReaktionen auf Grund dieser Wechselwirkung sehr selten,deswegen die Bezeichnung Schwach. Neutrinos unterlie-gen neben der Gravitation nur der Schwachen Wechsel-wirkung und durchdringen großte Materieschichten. Da-bei ist die Wahrscheinlichkeit fur den Stoß eines Neu-trinos mit Materie, einem gebundenem Elektron etwa,extrem gering. So sind riesige Detektoranlagen gebautworden, um in jahrelangem Betrieb zumindest eine klei-ne Zahl solcher Stoßprozesse nachzuweisen, obwohl dieZahl der Neutrinos, die den Detektor passieren, riesigist. Durch Messungen dieser Art sind unsere Vorstellun-gen von den Vorgangen im innersten Kern der Sonne imDetail bestatigt worden. Ein Pionier dieser Physik warRaymond Davis Jr. (Nobelpreis 2002). Die in Detektorennachgewiesen Neutrinos waren jeweils erst 8 Minuten zu-vor in der Sonne entstanden. Die erzeugte Warme hin-gegen brauchte hunderttausende von Jahren um vom In-nern an die Oberflache zu gelangen. Von dort aus erreichtsie uns dann, in Form von sichtbarem Licht, in ebenfalls 8Minuten. Ware die Schwache Wechselwirkung nur etwasstarker, ware die Reaktionsrate im Brennprozess großer,und Leben auf der Erde versengt.

E. Fraunhofers Linien

Die Zusammensetzung der ursprunglichen Gas-Staubwolke zeigt uns die außere Atmosphare derSonne. Diese ist vom nuklearen Brennprozess im Innernnicht beeinflusst. Die erste Beobachtung gelang 1813Joseph Fraunhofer in Benediktbeuern. Er analysiertemit einem Prisma und einer Anordnung von besondersguten Linsen das Licht der Sonne. Dabei sah er nicht nurdas Spektrum des Regenbogens, sondern darin sehr engeBereiche, sogenannte Linien, die weniger hell sind. Lichtmit dem Spektrum des Regenbogens wird von jedemgenugend heißen Korper erzeugt. Man sieht in diesemLinien von der beobachteten Art falls man zwischenLichtquelle und Beobachter freie Atome oder Molekuleeinbringt. Sie absorbieren das Licht bestimmter Wel-lenlangen, die fur ihre Substanz charakteristisch sind.Chemiker nutzen diese Eigenschaft zur Identifikation vonStoffen. Mittlerweile versteht man es, aus FraunhofersLinien im Sonnenlicht quantitative Information uber dieZusammensetzung der außeren Sonnenatmosphare zu

ermitteln. In diese Analyse gehen naturlich Kenntnisseein uber die Dynamik der Sonne. Die Hulle der Sonnebesteht, nach Gewichtsanteilen, zu 75 Prozent ausWasserstoff und zu 24 Prozent aus Helium. Alle weiterenElemente machen nur etwas mehr als 1 Prozent aus.Dieses eine Prozent stammt aus dem im Gas der Sonnegesammelten Material von vorausgegangenen Supernova-Explosionen, Wasserstoff und Helium hingegen waren>immer schon< da. Wir werden das noch besprechen.Deutlich weniger schwere Element zeigen Sterne, d.h.Sonnen, die viel alter sind. Sie stammen aus Zeiten,in denen das interstellare Gas noch weniger stark mitSupernova-Produkten angereichert war.

II. DIE MILCHSTRASSE, GALAXIEN

Unsere Sonne ist ein Stern unter anderen Sternen. Esgibt Sterne mit großerer Masse, bei denen sind Dichteund Temperatur im Innern großer. Sie brennen schnellerund strahlen wahrend dieser Zeit entsprechend heller imblaulichen Licht. Leichtere Sterne sind langlebiger undleuchten schwacher und rotlich.

Der uns am hellsten erscheinende Stern ist Sirius. Deruns nachste Stern ist der erst 1913 beobachtete Proxi-ma Centauri am Sudhimmel, in einer Entfernung von 4Lichtjahren, in der Nachbarschaft von Alpha Centauri,dem dritthellsten Stern. Mit unbewaffnetem Auge siehtman am nachtlichen Himmel 3000 bis 6000 Sterne undals bandformige Aufhellung die Milchstraße. Mit demFernrohr beobachteten 1609 Galileo Galilei und andereerstmals, dass sich die Milchstraße in eine Vielzahl ein-zelner Sterne auflost. Bekannt ist das Bild in der AltenPinakothek von Adam Elsheimer, das er im selben Jahrin Rom gemalt hatte: Die Milchstraße ist, in kunstleri-scher Freiheit, als Haufung von Einzelsternen dargestellt.Auf Grund von Sternzahlungen erkannte Wilhelm Her-schel 1785 die Scheibenform der Galaxis, mit der Son-ne ziemlich weit außen in der Scheibe. Von dieser In-formation begeistert, folgerte Immanuel Kant, dass diemit astronomischen Fernrohren zu erkennenden elliptischoder kreisformig, neblig erscheinenden Objekte am Him-mel Galaxien seien, ahnlich unserer Milchstraße. Inzwi-schen weiß man auch, dass alle 6000 einfach sichtbarenSterne zur Milchstraße gehoren.

A. Struktur der Milchstraße

Entsprechend der Einsicht von Immanuel Kant orien-tierte man sich zum Verstandnis der Milchstraße, derGalaxis, lange Zeit an den Eigenschaften der anderenGalaxien, die man unter verschiedenen Blickwinkeln vonaußen sehen kann. So wie die Sonne ein Stern ist untervielen, so ist unsere Galaxis eine unter vielen Galaxien.Es gibt großere und kleinere, wobei unsere eher groß

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ist. Die galaktische Scheibe hat einen Durchmesser von100.000 Lichtjahren. Im Zentrum ist sie ausgebaucht,und zeigt dort auch die Form eines Balkens. Weiteraußen ist sie mit 3.000 Lichtjahren Dicke wesentlichflacher. Die flache Scheibenform erinnert an das, was wirvon die Fruhzeit des Sonnensystems wissen. Die dazudargestellten physikalischen Gesichtspunkte gelten hierentsprechend.

Unsere Galaxis besteht aus etwa 200 Milliarden Sternenund aus interstellarem Gas. Von diesem hatten wirbei der Entstehung unseres Sonnensystems bereitsgesprochen. Im zentralen Bereich sind alle Sterne sehralt, auch gibt es dort kaum mehr Gas, sodass Stern-entstehung nur noch in den mehr ausseren Bereichenerfolgt, insbesondere in den Spiralarmen. In der Galaxisubertrifft die Masse der Sterne die des noch vorhande-nen interstellaren Gases um mehr als einen Faktor 5.Die Anzahldichte der Sterne nimmt vom Zentrum aus ab.

Analysiert man nur die Leuchtkraft, so zeigt diese in ei-nigem Abstand vom Zentrum die Form von Spiralarmen.Diese auffallige Verteilung der Leuchtkraft beruht aufdem Beitrag weniger, schnell brennender und deshalbstarker leuchtender Sterne. Dies jungen Sterne zeigeneinen hohen Anteil schwerer Elemente. Betrachtet manjedoch, unabhangig von der Leuchtkraft die Verteilungaller Sterne in der Galaxis, so verschwindet die Strukturder Spirale.

Zur Galaxis gehort noch ein sie umgebender, ku-gelformiger Außenbereich von etwa 160.000 LichtjahrenDurchmesser, der so genannte Halo. Innerhalb dieserSphare kennt man etwa 150 Kugelsternhaufen. Diessind gravitativ gebundene Ansammlungen von bis zuhunderttausend sehr alten Sternen. Dazu kommenweitere alte Sterne und Gas sehr geringer Dichte.Die Kugelsternhaufen laufen auf gestreckten ellip-tischen Bahnen um das galaktische Zentrum, ohnedabei einer einheitlichen Richtung zu folgen. Anders alsdie galaktische Scheibe ist der Halo weitgehend staubfrei.

B. Die Sonne in der Milchstraße

Die Sonne umkreist das Zentrum des Milchstraßensy-stems in einem Abstand von etwa 25.000 Lichtjahren.Sie befindet sich etwa 15 Lichtjahre nordlich der Mit-telebene der galaktischen Scheibe, innerhalb des Orion-Arms, in einem weitgehend staubfreien Raumgebiet, derLokalen Blase. Fur einen Umlauf um das Zentrum derGalaxis, das sog. Galaktische Jahr, benotigt die Sonneungefahr 230 Millionen Jahre, was einer Umlaufgeschwin-digkeit von etwa 220 km/s entspricht.

C. Das nahere Umfeld der Milchstraße

Um das Milchstraßensystem herum gibt es Zwerggalaxi-en und irregulare Galaxien. Die bekanntesten davon sinddie Große und die Kleine Magellansche Wolke, mit denendie Milchstraße uber eine etwa 300.000 Lichtjahre langeBrucke aus Wasserstoffgas, den Magellanschen Strom,verbunden ist. Die am nachsten gelegene Zwerggalaxieist der Canis-Major-Zwerg, mit einer Entfernung vonnur 42.000 Lichtjahren vom Zentrum der Milchstraßeund 25.000 Lichtjahren von unserem Sonnensystem.Diese Zwerggalaxie wird von den Gezeitenkraften derMilchstraße auseinandergerissen und ihr bald ein-verleibt sein. Ahnlich verlaufen die Prozesse bei der50.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entferntenSagittarius-Zwerggalaxie. Auf diese Weise wird dieMasse der Milchstraße weiter anwachsen.

Mit zwei weiteren Spiral-Galaxien, dem Andromeda-Nebel, 2,5 Millionen Lichtjahren entfernt, und dem Drei-ecksnebel, 3 Millionen Lichtjahren entfernt, sowie einigenkleineren Galaxien, bildet die Milchstraße die sog. LokaleGruppe. Sie ist Bestandteil des Virgo-Superhaufens, undstrebt mit anderen Großstrukturen dem Großen Attrak-tor entgegen. Die Andromeda-Galaxie ist mit unserer Ga-laxis vergleichbar. Sie ist jedoch etwas ausgedehnter undhat etwa 3 mal mehr Sterne. Der Dreiecksnebel hinge-gen ist deutlich kleiner. Beobachtungen und Computer-Simulationen zeigen, dass die Andromeda-Galaxie unddie Milchstraße auf Kollisionskurs liegen. Sie nahern sichmit einer Geschwindigkeit von ca. 200 km/s und werdenin einigen Milliarden Jahren einander durchdringen undso zu einem entsprechend großeren Sternensystem ver-schmelzen. Eine weitere Galaxie im Nahbereich ist Cen-taurus A am Sudhimmel. Sie ist die nachstgelegene el-liptische Galaxie und strahlt besonders hell im gesamtenBereich des elektromagnetischen Spektrums.

III. SUPERNOVAE

Fur die moderne Astronomie erwies sich der 24. Februar1987 als wichtiges Datum. Ein bis dahin wenig auffalligerStern in der Großen Magellanschen Wolke, 170.000 Licht-jahre entfernt, leuchtete zunehmend heller auf, strahlteim Mai fast so hell wie der Polarstern und wurde dannwieder schwacher. Heute sieht man eine expandierende,leuchtenden Wolke. Man spricht von einer Supernova.Seit 1604, als Kepler und Galilei einen an Helligkeit alleanderen Fixsterne ubertreffenden Stern sahen, war diesdas am starksten erscheinende Aufstrahlen eines Sterns.Nur Tycho Brahe hatte 1572 eine noch hellere Erschei-nung beobachtet. In beiden Fallen waren dies Sterne inder Galaxis, die großere Helligkeit hatte ihren Grund inder geringeren Entfernung. Der Vorlauferstern der Super-nova 1987 begann mit etwa 17 Sonnenmassen und brann-te entsprechend intensiv, sodass er nur 20 Millionen Jahrealt wurde. Verglichen mit der Sonne verfeuerte er seinen

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wesentlich großeren Energievorrat 500 mal schneller. Alsim Innern dieses Sterns die Erzeugung von Energie durchnukleare Prozesse beendet war, brach dieser zentrale Be-reich unter dem Druck der Gravitation zusammen. Diedabei freigesetzte Energie bewirkte das Absprengen derausseren Bereiche, wie in einer Explosion, die verbun-den war mit einer Kette von nuklearen Prozessen, indenen die Bildung der chemischen Elemente ihren Ab-schluss fand. Das sichtbare Licht zeigt nur die Oberflacheder Hulle, dementsprechend war das Aufleuchten zeitlichverzogert. Vom Geschehen im Sterninneren berichtetenNeutrinos. Dies ist vergleichbar mit unseren Beobachtun-gen der Sonne, Allerdings brauchten die Neutrinos fur dieReise zu uns nicht 8 Minuten, sondern 170.000 Jahre. Ausder Beobachtung der Neutrinos hatten wir den Zeitpunktdes Ereignisses und eine vergleichsweise solide Grundla-ge, den Mechanismus dieser Supernova zu diskutieren.

A. Die Entwicklung von Sternen

Die Entwicklung dieses Sterns begann mit dem Ver-brennen von Wasserstoff zu Helium, wie bei der Sonne.Wegen der großeren Masse war die Temperatur imZentrum jedoch deutlich hoher, sodass Reaktionenvon Wasserstoff mit dem vorhandenen Kohlenstoffdominierten. Nach insgesamt vier Einfangreaktionen vonWasserstoff und zweimaligem radioaktivem Betazerfallzerfiel das Reaktionsprodukt in Helium und Kohlenstoff.In diesem 1937 von Bethe und Weizsacker beschriebenenCNO Zyklus wirkt Kohlenstoff wie ein Katalysator.Entsprechend schneller erfolgt der Prozess. Der CNOZyklus ist in allen Sternen wichtig, deren Masse dieder Sonne um nur wenige 10 Prozent ubertrifft. Warder Wasserstoff im zentralen Bereich verbrannt, fehlteder dem gravitativen Druck standhaltende Energien-achschub. Die außeren Schichten des Sterns drucktenden inneren Bereich weiter zusammen. Entsprechendstiegen Temperatur, Dichte und Druck, bis im zentralenBereich Helium zu Kohlenstoff verbrennen konnte, undin der benachbarten nachst außeren Schicht Wasserstoffzu Helium. Heliumbrennen jedoch hat bei weitemnicht die Heizkraft von Wasserstoffbrennen, deshalbging das Zusammenpressen des Kerns rasch weiter.Auf das Heliumbrennen folgte das noch ineffektivereKohlenstoffbrennen, entsprechend verlagerte sich dasHeliumbrennen und das Wasserstoffbrennen in weiteraußen liegende Bereiche. Man spricht von Schalen, wiebei einer Zwiebel, sollte dabei aber sehen, dass im Ablaufdieses Geschehens die Großen der inneren Schalen ge-waltig schrumpften. Dabei wurden die außersten Schalenheiss, sie blahten sich auf und verliessen als sogenannteplanetarische Nebel das Gravitationsfeld.

Den aktuellen Entwicklungsstand eines Sterns entnimmtman dem Hertzsprung-Russel Diagramm. In diesem istdie Leuchtstarke, die tatsachlich abgestrahlte Leistung,dargestellt als Funktion der Temperatur der Oberflache.

Alle jungeren Sterne liegen auf der Hauptreihe, aus derTemperatur lasst sich die Masse zugeordnen. Altere Ster-ne, die ihre Hulle bereits aufblahen, werden als Riesen be-zeichnet. Wegen ihrer vergroßerten Oberflache sehen wirderen Strahlung bei signifikant geringeren Temperaturen,dabei behalten oder steigern sie jedoch die Leuchtstarke.Der genaue Verlauf dieser Seitenzweige, in welche dieHauptreihe auffachert, hangt von der Masse eines Sternsab. Aus der Position im Bereich der Seitenzweige wirddem Stern Alter und Masse zugeordnet.

B. Der Supernova Mechanismus

Beim Vorlaufer der Supernova 1987 erlosch das Brennenim Zentrum, sobald sich Atomkerne mit der Masse vonEisen gebildet hatten. Bei schwereren Kernen ubertrifftdie elektrischen Abstoßung der gebundenen Protonenden Zugewinn an Bindungsenergie auf Grund der Nu-klearen Kraft. Wegen des fehlenden Energienachschubskonnte das System von Elektronen und Atomkernendem Druck der Gravitation nicht mehr Stand halten.Dabei wird Quantenmechanik wichtig:

Je dichter Elektronen gepackt sind, desto schnellerbewegen sie sich. Dies ist eine zentrale Aussage der1926 formulierten Quantenmechanik. Ist ein Korperaußerdem noch heiß, so ist thermische Bewegung derquantenmechanisch begrundeten Bewegung uberlagert.Falls bei abnehmender Temperatur der thermisch verur-sachte Druck unwichtig werden sollte, bleibt immer nochder quantenmechanisch begrundete. Diesen kennen wirals Festigkeit von Stoffen, wie wir dies in der taglichenErfahrung wahrnehmen. Die Kompressionsenergie wirdaufgenommen von den Elektronen, als Anderung ihrerkinetischen Energie. In gleicher Weise halten sie auch imStern der Gravitationsenergie das Gleichgewicht. Nimmtein dichter Bereich dieser Art durch Zuwachs von außenan Masse zu, so erhoht diese den Druck im Innern.Halt diesem nur der quantenmechanisch begrundeteDruck das Gleichgewicht, so wird die Materie weiterkomprimiert, und zwar so, dass einer Verdoppelung derMasse eine Halbierung des Volumens entspricht. Nimmtdie Masse des Bereichs immer weiter zu, so kann dieEnergie der Elektronen Werte erreichen, bei denen dieZunahme ihrer Masse wichtig wird. Dies ist eine Aussagevon Einsteins Spezieller Relativitatstheorie, die er 1906formuliert hatte. Dann ergeben sich bei der Kompressionweniger große Werte des quantenmechanisch begrunde-ten Drucks. Das System gerat aus dem Gleichgewicht,der dichte Bereich wird instabil und kollabiert. Diestritt ein, wenn seine Masse die der Sonne um etwa 40Prozent ubertrifft. Diese Einsicht hatten bereits um 1930mehrere Physiker. Der kritische Wert der Masse wirdmit dem Namen von Subrahmanyan Chandrasekharverbunden (Nobelpreis 1983).

Dies idealisierte Modell ist auf Grund der hohen Tem-

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peraturen und auf Grund von Prozessen der SchwachenWechselwirkung zu erganzen: Mit der Kompressionsteigt die Temperatur, die Gammaquanten des thermi-schen Strahlungsfelds erreichen Energien mit denen siedie Bindungen der schweren Atomkerne auflosen, undNeutronen, Protonen und Heliumkerne freisetzen. DieseAbsorption der Gammaquanten reduziert die Tempe-ratur und verstarkt entsprechend die Kompression.Parallel dazu nimmt die Energie der Elektronen weiterzu, Reaktionen, bei denen aus Protonen Neutronenund aus Elektronen Neutrinos werden, finden statt.Bei diesen Prozessen der Schwachen Wechselwirkungsind die Reaktionsraten groß auf Grund der extremhohen Dichten. Das Verschwinden von Elektronen treibtdie gravitative Kontraktion ebenfalls in einen selbst-verstarkenden Prozess. Wenn nur noch die Neutronenbleiben, dann ist das Volumen dieses inneren Bereichswiederum bestimmt durch das Gleichgewicht des Drucksaud Grund der Gravitation mit dem quantenmechanischbegrundeten Druck, den die Neutronen auf Grundihrer Konzentration aufbauen, vergleichbar den Elek-tronen. Das Volumen auch dieses Bereichs wird mitzunehmender Masse kleiner. Es zeigt sich, dass nachAblauf aller Prozesse ein Neutronenstern von etwa 12km Radius verbleibt. Es gibt Hinweise, dass dieser Wertfur den Radius relativ unabhangig ist von der Masse desNeutronensterns. Der Wert der Chandrasekhar-Masseund die Dichte von schweren Atomkernen geben nurAnhaltspunkte. Die Kompressibilitat von Materie indiesem extremen Zustand ist Gegenstand der Forschung.

C. Neutrinoastronomie

Der beschriebene gravitative Kollaps bis hin zum Neu-tronenstern fand statt, weil alle Protonen ihre elektrischeLadung auf Elektronen ubertragen hatten. Die beim Kol-laps frei gewordene Gravitationsenergie war viel großerals die bei allen vorher abgelaufenen Brennprozessen.Sie stellt sich dar als Energie der Neutrinos, die aus denElektronen entstanden sind durch Einfang der Ladungdes Protons. Die Bewegungsenergien der Protonen undNeutronen spielen dabei eine vergleichsweise geringeRolle. Diese Neutrinos haben im Vergleich zu denen ausder Sonne ungleich hohere Energien.

Der großte Teil der freigewordenen Gravitationsener-gie entwich mit den Neutrinos ins All. Nur ein Anteilim Prozentbereich ging durch Reaktionen im extremdichten, kernnahen außeren Bereichen verloren. DieserEnergieubertrag reichte jedoch aus, den gesammtenaußeren Bereich abzusprengen. Das ist es, was wir beidieser Art von Supernova als Explosion wahrnehmen.Die Streuprozesse bewirkten Verzogerungen der Neu-trinos im Sekundenbereich. Aus den genannten Wertenzur kollabierenden Masse und zum Durchmesser desverbleibenden Kerns lasst sich die insgesamt freigesetzte

Energie, wie auch Anzahl und mittlere Energie dererzeugten Neutrinos, abschatzen. Das absolut Beein-druckende ist nun, dass diese Neutrinos genau so, alssekundenkurzes Ereignis und in der richtigen Anzahl,beobachtet worden sind! Es gab zwei riesigen Appara-turen, eine davon in der Kamioka-Mine in Japan. Siewaren als Detektoren von Neutrinos zu einem anderenZweck, dem Nachweis eines hypothetisch angenommenenZerfalls des Protons, konzipiert. Registriert wurdendamals 11 hochenergetische Neutrinos. Nach 170.000Jahren Laufzeit trafen sie innerhalb einer Sekunde ein!Danach sprach man von Neutrinoastronomie. Leider istdas fur Doktoranden weniger attraktiv, denn wann wirdes die nachste Supernova ahnlich nahe bei uns geben?Und der Nobelpreis dafur ist auch bereits vergeben, erging 2002 Chef der Gruppe, Masatoshi Koshiba.

In der Andreas-Gurski Foto-Ausstellung 2007 im Hausder Kunst wurde ein grandioses Photo vom Innern desinzwischen wesentlich vergroßerten Detektors in Kamio-ka gezeigt. Wartungsarbeiten, bei denen zwei ForscherSchlauchboot fahren in einem Wassertank. Das Wasserwird als Detektorflussigkeit verwendet. Die riesige Hohledes Tanks ist ausgekleidet mit Photodetektoren, welcheLichtblitze registrieren, die im Wasser durch Stoße mitNeutrinos ausgelost werden. Physik und Astronomie ha-ben die Kunstszene erreicht!

D. Supernovae, der weitere Ablauf

Bei der extrem schnellen Implosion wird Raum frei, inden die Materie aus den nachst außeren Sternbereicheneinsturzt. Diese wird an dem zentralen Kernbereichdes sich entwickelnden Neutronensterns naherungsweiseelastisch reflektiert. Im Abstand von wenigen 100 kmvom Zentrum ergibt sich aus der Konkurrenz von weitereinstromendem und bereits zuruckstromendem Materialeine hochverdichtete Zone, die fur die kurze Zeit vonmehreren zehntel Sekunden zum Stillstand kommt. AufGrund der sehr hohen Dichte dieser Zone wechselwirktsie mit den vom Kern emittierten Neutrinos, sodassDruck und Temperatur stark ansteigen. Diese Ener-giezufuhr und die Akkretion auf Grund der Rotationbewirken in diesem inneren Bereich extrem turbulenteProzesse, eine Vielzahl von Umwalzungen, bis schlies-slich dieser ganze Bereich abgesprengt wird, und dabeiso hohe Energie mitbekommt, dass er mitsamt demweiteren Material der ausseren Schalen das Gravitati-onsfeld verlasst. Diese turbulenten Umwalzungen großerMassen sollten auch Quellen von Gravitationsstrahlungdarstellen, und man hofft auf den erfolgreichen NachweisDie Stoßfront ist keineswegs spharisch oder irgendwiesymmetrisch. Verschiedene chemische Elemente werdenin verschiedene Richtungen emittiert. Der Unsymmetrieder Stoßfront entspricht ein Ruckstoß auf den verblei-benden Neutronenstern, der betrachtlich sein kann.Die Stoßfront durchdringt die umgebende Materie und

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gelangt in die außere, von uns aus sichtbare Oberflachedes Sterns erst nach Stunden oder Tagen. Entsprechendlangsam steigerte sich die Helligkeit uber Wochen hin.

Die weitere Entwicklung zeigt der Krebsnebel im Stern-bild des Stiers. Dieser sogenannte Nebel zeigt die Uber-reste einer Supernova, die am 11. April 1054 heftig auf-geleuchtet hatte und Monate spater sogar bei Tageslichtgesehen wurde. Es gibt dafur inzwischen 13 historisch ge-sicherte Quellen. Verglichen mit der Supernova von 1987war die Masse dieses Vorlaufersterns mit etwa 10 Son-nenmassen gerade ausreichend, einen Kollaps mit Neutri-noemission zu induzieren. Die etwa tausend mal große-re Helligkeit damals folgt aus der geringen Entfernungvon nur 6.300 Lichtjahren. Heute sieht man Fronten vonStaub, die vom ultravioletten Licht des Zentralbereichsgut beleuchtetet sind. Die starken Abweichungen von ei-ner spharischen Form sind Folge der diskutierten Tur-bulenz zu Beginn. Die Fronten expandieren mit einerGeschwindigkeit von einem halben Prozent der Licht-geschwindigkeit, so dass der Krebsnebel heute in einerAusdehnung von 11 Lichtjahren erscheint. Die Expansi-on wird direkt sichtbar, wenn man alte Photographienzum Vergleich heranzieht.Man kann den Krebsnebel vergleichen mit dem Relikt ei-ner Supernova mit einem deutlich schwererem Vorlaufer-stern von etwa 15 Sonnenmassen: Im Sternbild der Cas-siopeia sieht man eine 325 Jahre alte Front, asymmetrischund zerfasert, von etwa demselben Durchmesser, im Ab-stand von 11.000 Lichtjahren. Wegen dichter Gas undStaubwolken war 1680 die Erscheinung unauffallig. AufGrund der hoheren Masse des Vorlaufersterns ist bei die-sem Nebel die Expansionsgeschwindigkeit etwa drei malgroßer, auch ist in der expandierenden Front der Anteilschwerer Elemente deutlich goßer. Im Zentrum der Nebelbefinden sich die jeweils verbliebenen Neutronensterne,beim Krebsnebel leuchtet dieser als Pulsar 30 mal in derSekunde auf, in allen Bereichen der elektromagnetischerStrahlung, von Radiowellen bis zu harter Rontgenstrah-lung.

E. Kosmologische Bedeutung der Supernovae

Der Ablauf und die Auswirkungen von Supernova-Prozessen hangen entscheidend ab von der Masse desVorlaufer-Sterns. Bei der Supernova 1987 bewirkte diebeschriebene extreme Aufheizung durch Neutrinos, dassim auch abgesprengten Bereich die Atomkerne sich inNeutronen, Protonen und Heliumkerne auflosten. Bei denanschliessend abnehmenden Temperaturen liefen dannsehr schnell alle die Kernreaktionen ab, in denen diechemischen Elemente entstanden, bis hin zu den schwer-sten. Diese expandieren mit der abgesprengten Schale.Ein Beispiel ist der Krebsnebel. Uber ihre Spektralli-nien kennen wir fur die verschiedenen chemischen Ele-mente deren Haufigkeit. Sie hangen davon ab, wie sichwahrend ihrer Entstehung Temperatur und Dichte zeitli-

chen entwickelt hatten. Wegen der Turbulenz des Vor-gangs konnen sich benachbarte Bereiche stark unter-scheiden. Entsprechend zeigen Supernova-Fronten kei-neswegs eine gleichformige Verteilung. Mit zunehmen-der Abkuhlung bildeten sich einfache chemische Molekuleund Staubteilchen. In letztere kondensierten insbesonde-re die schwereren Elemente. Im umgebenden interstella-ren Gas bewirken die expandierenden Fronten Kompres-sionseffekte und unterstutzen so die Bildung neuer Sternein fortlaufenden Zyklen. Auf diese Weise reicherten sichdie chemischen Elemente an aus denen unsere Welt be-steht. Zugespitzt formuliert: Jeder von uns besteht ausUberresten von Supernova-Prozessen.

F. Zoo der Sopernovae

Auf signifikant andere Art konnen Sterne, die mit weni-ger als etwa 8 Sonnenmassen begannen, als Supernovaezunden: Sterne dieser anfanglichen Masse beenden dennuklearen Brennprozess mit der Bildung von Kohlenstoffund Sauerstoff, die Materie der außeren Schalen wirddurch Strahlung abgestoßen, es verbleiben kompakteWeiße Zwerge. Deren Masse ist etwas großer als diehalb Sonnenmasse. Diese konnen den so genanntenTyp Ia Supernova-Prozesse auslosen, falls sie Teil einesDoppelsterns sind und falls der andere Partner als einsich aufblahender Roter Riese seine außeren Schalenabstoßt, sodass von diesem Materie auf die Oberflachedes Weißen Zwergs uberfließt.

Dabei konnen als “Vorspiel“ Novae auftreten: Ist derTransport sehr schnell, dann ist der vom Weißen Zwergeingefangene Wasserstoff so heiss dass er zunden kann,er verbrennt zu Helium. Diese kurz dauernden Ereignissebezeichnet man als Novae. Sie konnen sich wiederholen,V407 Cygni, 9000 Lichtjahre entfernt, zeigte 1936 und2010 einen solchen Ausbruch. Das abgesprengte Materialbildet beim Durchdringen der Umgebung des RotenRiesen Stossfronten, welche auch Gammastrahlungemittiert.

Ganz anders ist die Situation, wenn der Weiße Zwerg aufGrund der aufgenommenen Materie die Chandrasekhar-Masse erreicht. Mit dem nun einsetzenden gravitativenKollaps steigt die Temperatur und die abgebrocheneKette von Fusionsreaktionen zundet wieder: Aus Koh-lenstoff und Sauerstoff entsteht Silizium, und aus diesemNickel. Die dabei freigesetzten Energien verhindern denweiteren Kollaps. Vielmehr ubertreffen sie die bisherinsgesamt freigesetzte Gravitationsenergie, sodass diegesamte Materie in einer Explosion verstreut wird. Dievon Tycho Brahe 1572 beobachtete Supernova ist dasgute Beispiel fur eine Typ Ia Supernova. Im Ront-genlicht erscheint sie heute als riesiger Ball. Die TypIa-Supernovae unterscheiden sich also ganz wesentlichvom Typ der Supernova, die wir 1987 kennengelernthaben: Es fehlen die Neutrinos, und in dem verstreuten

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Material fehlt der Wasserstoff, es besteht uberwiegendaus Nickel und Eisen. Die heute beobachtete hoheTemperatur ist Restwarme, insbesondere aus dem radio-aktiven Zerfall der Nickel-Atomkerne zu Eisen. In dernaheren Sonnenumgebung sind zwei Drittel der Atomeder Eisengruppe den Typ Ia-Supernovae zuzuordnen,und nur ein Drittel den massereicheren vom Typ II.

Fachleute hoffen die Typ Ia-Supernovae so gut zu ver-stehen, dass sie jeder beobachteten Supernova dieser Artaus ihrem Spektrum und dem jeweiligem zeitlichen Ver-lauf der Lichtabstrahlung eine bekannte Leuchtkraft zu-ordnen konnen. Sie sprechen dabei gerne von Standard-kerzen. Man erkennt sie im optischen Spektrum an denLinien von Silizium, und am Fehlen von Wasserstoff undHelium. Sie leuchten besonders hell auf, das liegt an derim radioaktiven Zerfall freigesetzten Energie und an derfehlenden Absorption durch außere Schichten. Allerdingsgibt es diese Kerzen erst im relativ fortgeschrittenem Sta-dium der Sternentwicklung, da es Zeit braucht zur Bil-dung von Weissen Zwergen und insbesondere der RotenRiesen, dem Partner im Doppelsternsystem, von dem dieabgestoßene Materie akkretiert wird.. Auch sollte mananmerken, dass Typ Ia-Supernovae auch aus der Fusionzweier Neutronensterne folgen. Dieses Gebiet wird nochlanger spannend bleiben.

G. Verteilung der Elementhaufigkeit

Ein großes Ziel von Kernphysik und Astronomie ist es,die Haufigkeit der chemischen Elemente im Detail zuverstehen. Deren Bildung, oder besser Umwandlung,erfolgt immer in Sternen. Bei den Supernovae haben wirskizziert, wie die schweren chemischen Elemente jeweilsaus primordialem Material, Wasserstoff und Helium,erzeugt werden. Bei schweren Sternen ergeben sichjedoch noch vor dem Supernova-Kollaps in den auserenSchalen so hohe Temperaturen, dass dort Kernreaktio-nen ausgelost werden, in deren Folge das vorhandeneMaterial chemischer Elemente in schwerere umgewandeltwird. Bei diesen im Vergleich zur Supernova-Produktionlangsamen (slow) s-Prozessen ergibt sich die aktuelleVerteilung der Elementhaufigkeit aus einem Zykluswiederholter Bildung schwerer Sterne, in dem das bereitserzeugte Material jeweils weiter prozessiert wird. DieStoßfront der anschliessenden Supernova setzt auchdieses Material frei.

Die sehr schweren Kerne, Gold etwa, waren entstandennach extrem schnellen Neutronen-Anlagerungen, manspricht vom (rapid) r-Prozess. Heute geht man davon aus,dass dies nicht in Supernovae geschah, sondern bei derVerschmelzung von zwei Neutronensternen und in der da-mit verbundenen Explosion des Systems. Dabei wurdenzunachst eine thermisch bedingte Verteilung von neutro-nenreichen Kerne sehr großer Masse gebildet, aus denendie uns bekannten Kerne hervorgingen durch Spaltung

und radioaktiven Zerfall. So erklart sich auch die ein-heitliche Elementhaufigkeit der in verschiedenen Sternenbeobachteten r-Prozess Kerne.In die angestrebte Berechnung der Verteilung der Ele-menthaufigkeit gehen ein die Entwicklung der Galaxien,die Modellierung von Sternentstehung und Supernovae-Prozessen, und die Kenntnis von Kernreaktionsraten, dieaus Labordaten abgeleitet sind. In den Grundzugen istdies verstanden. Der Pionier dieser Physik war WilliamFowler (Nobelpreis 1983).

H. Zeitangaben

Die in den stellaren Prozessen erzeugten Verteilungender Elementhaufigkeiten werden modifiziert durch ra-dioaktiven Zerfall. Falls von einem chemischen Elementverschiedene Isotope gebildet wurden, betrifft der Zerfallmit einer charakteristischen Halbwertszeit jeweils nur einIsotop. Kann man Proben unter Laboratoriumsbedin-gungen untersuchen, so erhalt man die Zahl der durchZerfall gebildeten Kerne relativ zu den verbliebenen undso die Zeit vor der das Material erzeugt wurde. Dement-sprechend sind Altersbestimmungen von Erdschichten,Meteoriten, der Erde und des Sonnensystems sehr genau.

Anders ist es bei Sternen. Hier haben wir nur die Spek-trallinien als Information, und diese unterscheiden nichtnach Isotopen. Deshalb konzentriert man sich auf Ele-mente die moglichst aus nur einem Isotop bestehen, undbestimmt deren durch den bereits erfolgten Zerfall redu-zierte Haufigkeit. Das Problem dabei ist die Referenz-große, die Haufigkeit vor dem Zerfall. Hier spielen Uranund Thorium eine wichtige Rolle. Diese Elemente wer-den nur in schnellen Supernova-Prozessen erzeugt. AufGrund des Alpha - Zerfalls sind nach einiger Zeit fastalle Elemente schwerer als Blei verschwunden, nur vonUran und Thorium ist noch etwas ubrig geblieben. Derenunterschiedliche Zerfallszeiten und der definierte Prozessihrer Erzeugung erlauben naherungsweise Aussagen uberdas Alter. Kurzlich wurde einem Stern im Halo der Milch-straße ein Alter von 13,2 Milliarden Jahren zugeordnet.Das passt zu der sehr niedrigen Haufigkeit schwerer Ele-mente in diesem Stern und zu unserer Kenntnis uber dasAlter des Kosmos. Jedoch ist die Messung und ihre Ana-lyse mit einer Unsicherheit von insgesamt mehr als einerMilliarde Jahre behaftet. Dabei geht es um die aktuelleFragen, wie universell die Entstehung der allerschwerstenElemente in Supernovae ist. Immerhin sollte man festhal-ten, dass dies eine direkte Altersbestimmung darstellt,unabhangig von der Physik kosmischer Expansion.

I. Pulsare, Magnetare

Die verbleibenden Neutronensterne sind sehr kompakteObjekte. Beim Kollaps im Supernova-Prozess bleibt derDrehimpuls erhalten, sodass ein Teil davon auf den Neu-

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tronenstern ubergeht. Wegen des geringen Durchmessershaben sie extrem hohe Umlaufgeschwindigkeiten. EinTag auf einem derart kompakten Stern kann nur wenigeMillisekunden dauern. Beim Kollaps bleibt der Fluss desMagnetfelds erhalten, sodass auf Grund der Konzentra-tion extrem starke Magnetfelder entstehen. Nahe derOberflache ubertreffen diese die in Laboratorien erzeug-ten Feldstarken um mehr als eine Million. Ist nun, wiebei der Erde, die Achse des Felds gegen die Drehachsegeneigt, so bewirkt das umlaufende Feld im umgebendenMedium elektromagnetische Induktionseffekte und inderen Folge Abstrahlung elektromagnetischer Wellen.Diese umfasst alle Frequenzbereiche, auch den derRadiowellen. Sie sollten einem fernen Beobachter alseine im Takt des Umlaufs pulsierende Quelle erscheinen,wie der Strahl eines Leuchtturms. Der erste Pulsarwurde bei einer Suche nach Radioquellen 1967 vonJocelyn Bell entdeckt. Der Nobelpreis dafur ging 1974jedoch nur an ihren Doktorvater, Antony Hewish.Inzwischen kennt man uber 1000 Pulsare, darunter auchein Doppelsternsystem von 2 Pulsaren. Aus den imVerlauf von 30 Jahren beobachteten kleinen Anderun-gen der Pulsfrequenzen erhalt man Information uberdie Abstrahlung. Nach 10 Millionen Jahre sollten dieMagnetfelder verbraucht sein. Im Fall des Doppelsternszeigten Russell Hulse und Joseph Taylor (Nobelpreis1993), dass die beobachtete Abnahme der Umlaufsfre-quenz der Erwartung auf Grund der Abstrahlung vonGravitationswellen entspricht. Dies war bis in jungsteZeit die einzige experimentelle Evidenz fur die Existenzvon Gravitationswellen.

Inzwischen kennt man auch Neutronensterne, derenMagnetfelder nochmal um einen Faktor 1000 starkersind, man spricht von Magnetaren. Man versteht dieseFeldstarken, falls unmittelbar nach dem Supernovakol-laps verschiedene Teilbereiche des Neutronensterns un-terschiedlich schnell rotiert hatten, und falls diese aufGrund noch verbliebener Elektronen und Atomkerneelektrisch leitend waren. Dann ergaben sich im Magnet-feld des Neutronensterns Induktions-(Dynamo)Effekte,die dieses Feld dramatisch verstarkten, kinetische Energieder Rotation wurde in Energie des Magnetfelds gewan-delt. Eine Beobachtung in der Region Westerlund in derMilchstraße am Sudhimmel zeigt das Relikt eines Dop-pelsterns, der Vorlaufer sollte 40 Sonenmassen gehabthaben. Im SN-Prozess wurde in diesem Fall offensicht-lich soviel Materie abgesprengt, dass der Rest nicht mehrreichte zu Bildung eines Schwarzen Lochs.

J. Zur Sternentstehung

Sterne entstehen immer dann, wenn lokale Bereichevon verdichtetem interstellaren Gas und Staub aufGrund ihrer eigenen gravitativen Anziehung kolla-bieren. Der Anteil von Staub bedingt, dass dieserVorgang der Sternentstehung zumeist nicht sichtbar

ist. Verdichtungen ergeben sich aus der Uberlagerungverschiedener Bewegungen. In diesen Bewegungenspiegelt sich die ganze Vorgeschichte. Verdichtungenergeben sich bereits auf Grund von Turbulenzen, dieaus Akkretionsvorgangen auf Grund der Bewegung umdas Galektische Zentrum folgen. In der Milchstrassewird Sternentstehung beobachtet aus protostellarenBereichen, deren Temperaturen zu Beginn zwischen 12und 26 Kelvin liegen, nur geringfugig warmer als ihreUmgebung von 12 Kelvin. Der Kollaps erfolgt, wenndie thermische Energie des Gases nicht mehr ausreichtdem Druck der gravitativen Anziehung standzuhalten.Dementsprechend kollabieren in kalten, dichten Gasenbereits kleine Bereiche, wahrend dies in dunneren,warmeren Gasen nur fur große Bereiche moglich ist:In kalter Umgebung entstehen die leichten Sterne, inwarmerer die schweren. Von den leichten Sternen gibt esviele, von den schweren wenige. Die schwersten Sternehaben eine Masse von etwa 150 Sonnen, die leichtestenvon 8 Prozent der Sonne. Uber die Haufigkeit der Sternein der Galaxis kann man sagen, dass sie um einenFaktor 5 abfallt, wenn deren Masse um einen Faktor 2zunimmt. Die schweren und schwersten Sterne brennenbesonders schnell ab, die mit 100 Sonnenmassen inwenigen Millionen Jahren, die Sonne in 9 MilliardenJahren, und die leichteren in noch viel langeren Zeiten.Entsprechend variiert die abgestrahlte Energie.

Die zur Sternentstehung notigen hohen Dichtenstellen sich auf Grund dynamischer Prozesse fur kurzeZeiten ein. Sie umfassen Gas-Staub Bereiche von vielentausend Sonnenmassen, in denen gleichzeitig, und auchin gegenseitiger Beeinflussung, eine großere Anzahl vonSternen entstehen. Nur uber spezielle Stromungen audGrund gegenseitiger Beeinflussung ist das Entstehender schwersten Sterne zu verstehen. Je massereicherein Gas-Staub Bereich, desto eher entsteht dort auchschwere oder sehr schwere Sterne.

Diese spielen fur das Weitere eine besondere Rolle: Sieemittieren intensive Strahlung, auch im Rontgenbereich,und ionisieren und erwarmten so das umgebende Me-dium aus Gas und Staub. Dies verhindert dort weitereSternbildung. Die Ausdehnung des erwarmten Gasesdrangt das umgebende kalte Gas zuruck. Verstarkt wirddieser Effekt durch Stoßfronten, verursacht durch stellareWinde. Diese nehmen mit der Masse des zentralen Sternssehr stark zu. Die so erhohte Dichte im umgebendenkalten Gas bewirkt dort verstarkte Sternbildung. Dieraumliche Verteilung der so entstandenen leichten Sternewird bestimmt durch die Wechselwirkung der Stoßfrontmit den turbulenten Stromungen im kalten Gas. Beiden entstehenden Sternen sind protostellare Scheibenund auch Akkretions-Jets beobachtet worden. DieAkkretions-Scheiben bestehen fr wenige Millionen Jahre.Dies ist der Zeitraum einer etwaigen Planetenbildung von

Erfolgt dann die Supernovaexplosion des Zentralsterns,

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so raumt die entsprechende, zweite Stosfront den umge-benden Bereich leer, und die im Nahbereich gebildetenneuen Sterne werden so besser sichtbar. Dazu kommt,dass die Supernova-Stosfront ihrerseits im umgebendenMedium eine weitere Phase von Sternbildungen auslost.Die schweren Sterne losen also zumindest zwei Zyklender Sternbildung aus. Dabei wird jeweils nur ein eherkleiner Anteil des Ausgangsmaterials verbraucht, Wertevon 10 Prozent werden genannt.

Interessant ist, dass der Entstehungsprozess der Sonneund unseres planetaren Systems durch das Materialeines Zentralsterns von mindestens 30 Sonnenmas-sen dominiert war. Sterne dieser Masse nennt manWolf-Rayet Sterne. In der Brennphase stosen dieseSternwinde aus, die auch Material aus solchen innerenBereichen nach außen tragen, in denen die vorhandenenAtomkerne durch Kernreaktionen verandert wurden.Auf diese Weise wird auch das radioaktive Isotop vonAluminium, 26Al emittiert. In alten Meteoriten findetman das Zerfallsprodukts, das Magnesiumisotop 26Mg,in Chondrulen, das sind Kristalle, die Aluminium aufGrund seiner chemischen Eigenschaften in ihr Gitterbinden. Innerhalb der Halbwertszeit von weniger als 1Million Jahren gelangte also 26Al nach seiner Bildungim Innern des Sterns uber die erste Stoßfront in dieKristalle eines Meteoriten unseres Sonnensystem! Ingleicher Weise kann man nach kurzlebigen Kernen ausder anschliessenden zweiten Stoßfront auf Grund deranschliessenden Supernovaexplosion fragen. Hierfureignet sich ein Isotop des Eisens, 60Fe, das in wenigenMillionen Jahren zu 60Ni radioaktiv zerfallt. Dies wirdebenfalls in Meteoriten nachgewiesen. Es wird nunberichtet, dass einige Meteoriten 26Al, aber keinen 60CoZerfall zeigen. Sie entstanden offensichtlich nach derersten, aber vor der zweiten Stoßfront. Die Beobachtungsei konsistent mit prazisen Altersbestimmungen dieserMeteoriten auf Grund des Alpha-Zerfalls sehr schwererKerne.

Eine weitere interessante Frage ist, wie schwer Sterne seinkonnen. Inzwischen kennt man Sterne, die mit einer Mas-se von 300 Sonnen begannen. Sie sollten in Bereichen ent-standen sein, die frei waren von schwereren Elementen.Somit ware die Situation vergleichbar mit der zu Beginnaller Sternentstehung.

IV. SCHWARZE LOCHER

Bei den bisher beschriebenen Supernovaprozessenbleiben Neutronensterne zuruck, deren Masse die derSonne etwas ubertreffen. Was hatte man zu erwarten,wenn die Masse eines derart kompakten Systems nochgroßer ware? Naturlich werden auf Grund des kleinenDurchmessers die Gravitationskrafte riesig. Was aber istunser Maßstab dafur?

Zur Veranschaulichung mochte ich von der Erfahrung mitder Raumfahrt ausgehen. Um eine Sonde als Satellitenin einem erdnahen Orbit kreisen zu lassen, muss man siezuvor auf eine Geschwindigkeit von 7,9 km/sec, das sind28.000 km/h, gebracht haben. Soll sie stattdessen denBereich der Erdanziehung verlassen, so muss sie von derErdoberflache mit 11.1 km/sec starten. Man bezeichnetdiesen Wert als Entweichgeschwindigkeit. Die entspre-chende kinetische Energie ist gerade doppelt so großwie die fur einen erdnahen Orbit. Wenn es nun darumgeht, den Bereich der Anziehung der Sonne zu verlassen,und dies von der Erde aus, so muss die Energie derSonde um einen weiteren Faktor 15 großer sein. Dies giltallerdings nur, wenn die Bewegung und die Anziehungder anderen Planeten nicht berucksichtigt werden. Die1977 gestartete Raumsonde Voyager, die etwa 2017 deninterstellaren Raum erreichen wird, nutzte hingegen eingeschicktes Timing: Die Sonde naherte sich den jeweilsentgegenkommenden Planeten Jupiter und dann Saturngerade so, dass sie diese in einer hyperbolischen Bahnteilweise umlief. Das hatte zur Folge, dass die Sonde <wieein Tennisball von einem schnell entgegenkommendemTennisschlager> beschleunigt wurde.

Sollte die Sonde von der Oberflache der Sonne aus dasSonnensystem verlassen, so ergabe sich ein weitererFaktor 200, da vom Mittelpunkt der Sonne aus gesehendie Oberflache der Sonne 200 mal naher ist als dieErde. Wurde man nun die Sonne auf die Große einesNeutronensterns schrumpfen lassen, ware der Wertnochmal um einen Faktor 50.000 großer. Genug damit!Bereits die Energie von erdnahen Satelliten ist riesig. Sievergluhen beim Wiedereintritt in die Erdatmosphare.Bei den Shuttles ist es die Kunst, die Bewegungsenergieso sorgfaltig verzogert in Warme umzusetzen, dass dieseohne Uberhitzung des Fahrzeugs von der Atmosphareaufgenommen werden kann.

Wie kann man die Starke der Gravitationsenergie nochdiskutieren? Man kann uberlegen, ob es eine Situationgibt, in der ein Korper grundsatzlich nicht mehr dasGravitationsfeld verlassen kann, wie groß auch immerseine Energie ist. Dabei ist zu berucksichtigen, dass nachEinstein Energie und Masse eines Korpers in Beziehungstehen, sodass auch Energie gravitativ wirksam ist. Wen-det man dies auf Lichtquanten an, so kann man fragen,wann Lichtquanten das Gravitationsfeld nicht mehr ver-lassen konnen. In einfachster Uberlegung denkt man sichdie Masse innerhalb eines Radius kugelsymmetrisch ver-teilt, und bestimmt den entsprechenden Zusammenhangvon Masse und Radius. In einer Uberschlagsrechnungmit Newtons Gravitationsgesetz kann man eine Radiusabschatzen. Bei diesem wird die Ruhe-Energie gleichseiner Gravitationsenergie. Verdoppelt man die Massedes Sterns, so verdoppelt sich auch dieser Radius. Somitbesteht nur bei sehr schweren Objekten die Moglichkeit,dass sie innerhalb dieses Radius liegen. Starke Gravitati-on muss naturlich im Rahmen von Einsteins Allgemeiner

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Relativitatstheorie behandelt werden. Fur das hierdiskutierte Problem gelang dies Karl Schwarzschildbereits 1916. Der von ihm berechnete Abstand, der sogenannte Schwarzschildradius, unterscheidet sich vondem naiv abgeschatzten nur um einen Faktor 2.

Die Allgemeine Relativitatstheorie beschreibt die Gravi-tation als Dynamik der Raumzeit. Die Anziehung einesSterns beinhaltet, dass der Raum in den Stern fallt. Fureinen Beobachter von außen wird der Schwarzschildra-dius zu dem Abstand, bei dem die Geschwindigkeitder Bewegung des Raums gerade gleich der Lichtge-schwindigkeit wird, noch naher am Zentrum ubertrifftsie diese. Ereignisse dort konnen von außen in keinerWeise wahrgenommen werden. Einfallende Materie,die den Schwarzschildradius passiert hat, kann nichtmehr zuruck, dort emittiertes Licht gelangt nicht mehrzu uns, deshalb bezeichnet man eine entsprechendeKonzentration von Masse als Schwarzes Loch.

Der Schwarzschildradius stellt einen Horizont dar, hinterdem Ereignisse grundsatzlich nicht wahrzunehmensind, man spricht vom Ereignishorizont. Wird Licht imGravitationsfeld emittiert, so sehen wir dieses auf Grunddes Dopplereffekts mit vergroßerter Wellenlange, und beiEmisssion am Schwarzschildradius wird diese unendlich.Man kann dies auch so sehen, dass fur den Beobachterdie Schwingungen des Lichts still stehen. Fur ihn scheintdie emittierende Quelle nicht mehr zu schwingen, erkann sagen, dass dort, am Ereignishorizont, die Zeitstehen bleibt!

A. Wie entstehen Schwarze Locher?

Die fruhe Sternentstehung fand statt in Bereichen beson-ders hoher Gasdichte. Entsprechend wirkungsvoll war derAkkretionsprozess, sodass sich schnell massereiche Sternebildeten. Allerdings war die Bildung sehr großer Sternedurch deren eigene Strahlung behindert. Besonders großeSterne konnen auch aus der Verschmelzung von Sternenhervorgehen. Alle diese Sterne brannten rasch, sprengtenin Supernova-Prozessen ihre Schale mit den gebildetenschweren Atomkernen ab, im Zentrum verblieben Neu-tronensterne. Bei großen Sternen sturzte auf diese ausder Schale so viel Materie zuruck dass diese in SchwarzeLocher ubergingen.

B. Gammablitze

Die Entstehung eines Schwarzen Lochs kann als Gamma-blitz beobachtbar werden. Der Supernova-Kollaps einessehr schweren Sterns oder die Fusion zweier Neutronen-sterne ist verknupft mit der Akkretion schnell rotieren-der Materie um das entstehende Schwarze Loch und mitder Abstoßung eines eng kollimierten, extrem energierei-

chen Jets, entlang der Rotationsachse. So wird die frei-gesetzte Gravitationsenergie abgefuhrt. Diese Vorgangeim Bereich von Sekunden oder auch Minuten fuhren zurAbstrahlung kollimierter Gammastrahlung. Befindet sichdie Erde in der Richtung dieser Abstrahlung, so erscheintsie uns als Gammablitz (Gamma Ray Burst). Die nurSekunden kurze Blitze ordnet man der Fusion zweierNeutronensterne oder eines Neutronensterns mit einemSchwarzen Loch zu. Die Sekunden kurzen Blitze ordnetman der Fusion zweier Neutronensterne oder eines Neu-tronensterns mit einem Schwarzen Loch zu, die Minutenandauernden den beschriebenen Supernovae sehr schwe-rer Sterne. Ereignisse dieser Art gelten als starkste Stahl-ungsquellen, sie sind uber sehr große Distanzen zu beob-achten und zeigen stellare Prozesse auch aus einer Zeit,in welcher der Kosmos noch weniger als eine MilliardeJahre alt war.

C. Quasare und massereiche Schwarze Locher.

Viele Galaxien haben in ihrem Zentrum ein massereichesSchwarzes Loch. Falls dieses durch Akkretion Materieaufnimmt, wird es sichtbar als Strahlungsquelle hochsterIntensitat. Das erste Objekt dieser Art wurde 1963beobachtet, und als Quasar, quasi-stellar, bezeichnet.Der Materiezufluss wird aus Leuchtkraft und Entfer-nung abgeschatzt, dabei folgen Werte von bis zu 10Sonnenmassen pro Jahr. Dementsprechend sollte die imSchwarzen Loch gesammelte Masse heute im Bereichvon Millionen bis zu einigen Milliarden Sonnenmassenliegen. Der Materiezufluss entspricht der Freisetzung vonGravitations-Energie, die sich zeigt in der Abstrahlungdes akkretierten Gases und in der kinetischen Energieder emittierten Jets. Sie betragt mehrere 10 Prozentder Ruhenergie der akkretierten Materie. Dementspre-chend intensiv ist die Strahlung, auch im Bereich sehrkurzer Wellenlngen. Durch Ionisation und Erwarmungbeeinflusst sie den gesammten Bereich der Galaxieund bestimmt somit deren weitere Entwicklung, auchlimitiert ihr Strahlungsdruck den Zufluss akkretierterMaterie.

Die meisten Quasare beobachtet man in Entfernun-gen, die einem Alter des Kosmos von 2 bis 4 MilliardenJahren entsprechen. Heute sind fast alle ehemaligenQuasare

”ausgeschaltet“, denn das galaktischen Umfeld

des Schwarzen Lochs im Zentrum ist heute so geordnet,dass das Material zur Akkretion fehlt. Man kann hiereine Parallele ziehen zur Entwicklungsgeschichte derprotoplanetaren Scheibe unseres Sonnensystems. Diesupermassereichen Schwarzen Locher in den Zentren vonGalaxien sind die Asche, die vom Akkretionsprozess undder Quasar-Lichtemission ubrig geblieben ist. Ergibt sichaus Storungen des Umfelds erneut ein Akkretionsprozess,und somit ein Wiederaufflammen intensiver Lichtemis-sion, so spricht man von einem aktiven galaktischenNucleus (AGN). (Quasare, deren Leuchtkraft mit der

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Zeit wechselt, wwrden als Blasare bezeichnet)

Quasare machen extrem entfernte und entsprechendjunge Galaxien sichtbar. Sie zeigen, wie die Masseder Schwarzen Locher im Zentrum zunimmt, und soWerte von einigen Millionen bis zu einigen MilliardenSonnenmassen erreicht. Quasare gehoren zu den fernstenbeobachtbaren Objekten, Zwei besonders fruhe Quasare,die man 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernt beobachtethat, zeigen in ihrem Umfeld deutlich weniger Staubals spter entstandene, es fehlten die vorangegangenenSternexplosionen.

Die Beobachtung von Quasaren zeigt, dass es su-permassereiche Schwarze Locher geben muss. Sie lasstjedoch offen, aus welcher Situation heraus diese ent-standen sind und ob alle Galaxien in ihrem Zentrumein entsprechend massereiches Schwarzes Loch besitzen.Inzwischen hat man fur eine Anzahlt von Galaxienexperimentelle Information uber die Dichte der Sterneund deren Geschwindigkeiten bei ihrer Bewegung um dasgemeinsame Gravitationszentrum. Dann wird bei kleinenAbstanden vom galaktischen Zentrum die Gegenwarteines massereichen Schwarzen Lochs evident, soferndessen Masse im Bereich von Millionen Sonnenmassenund mehr liegt. Es zeigt sich, dass alle elliptischenGalaxien im Zentrum ein Schwarzes Loch haben. DerenMasse ist proportional zur Masse der Galaxie, und liegtbei 1 bis 2 Promille. In der riesigen Virgo Galaxie M87,nur 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, hat dasSchwarze Loch eine Masse von 6,6 Milliarden Sonnen.Spiralgalaxien hingegen haben nur dann ein massereichesSchwarzes Loch, wenn diese im zentralen Bereich einenBulge (Ausbauchung) zeigen. Ein Bulge entspricht einerelliptischen Galaxie in kleinerem Maßstab, und ist inihrer stellaren Zusammensetzung unabhangig von derZusammensetzung der außeren Scheibe mit Spiral-struktur. Ein Beispiel dafur ist die Andromeda GalaxieM31, 2,5 Millionen Lichtjahre von uns entfernt, miteinem Schwarzen Loch einer Masse von 140 MillionenSonnen. Eine Spiralgalaxie ohne Bulge ist M31 im Drei-ecksnebel, nach Andromeda die zweit hellste Galaxieam Nachthimmel, 2,8 Millionen Lichtjahre von unsentfernt. Fur diesen konnte die Existenz eines SchwarzenLochs mit einer Masse oberhalb von einigen TausendSonnen ausgeschlossen werden. Die Milchstraße zeigt imZentrum zwar auch eine Ausbauchung, diese aber hatdie Struktur eines Balken, nicht aber die eines Bulges.Deshalb hat sie, obwohl in der Masse vergleichbar mitder Andromeda Galaxie, ein Schwarzes Loch mit einerwesentlich kleineren Masse von nur 4,3 Millionen Sonnen.

Man kann diese Beobachtungen in die Vorstellungeinordnen, dass in den gleichsinnig rotierenden Scheibenvon Spiralgalaxien signifikannte Akkretionsprozesse sichnicht ausbilden konnten. Dies steht im Kontrast zuelliptischen Galaxien, in denen die einzelnen Sternealle moglichen Umlaufsrichtungen um das galaktische

Zentrum zeigen. Der Akkretionsprozess erfolgte ausdieser Situation heraus oder aus der Vereinigung vonSpiralgalaxien. Falls im Laufe der Entwicklung Ga-laxien kollidieren und verschmelzen, werden fur dieentsprechend virulenten Situation auch Werte von 100akkretierten Sonnenmassen pro Jahr diskutiert. DieJets ergeben sich aus der Rotation der vom SchwarzenLoch akkretierten Materie und den damit verbundenenMagnetfeldern. Diese fuhren den kleineren Teil derakkretierenden Materie am Schwarzen Loch vorbeiund beschleunigen diesen so stark, dass er entlang derAchse mit Geschwindigkeiten von bis zu 99 Prozent derLichtgeschwindigkeit als Plasmastrahl abgestoßen wird.Die intensiv leuchtenden Jets haben eine Lange von -zigTausend Lichtjahren und mehr.

Die dem Quasar-Mechanismus zugrunde liegenden Pro-zesse lassen sich auch zeitnah beobachten, etwa im Zen-trum des Virgo Galaxienhaufens. Die beobachtete Akti-vitat dort ist jedoch eher gering, wenn man mit der ur-sprunglichen Aktivitat in der Entstehungsphase der Ga-laxie vergleicht. In entsprechender Weise hat man ein1992 beobachtetes kurzzeitige Aufleuchten eines Objekts(hinter dem Andromedanebel) verstanden als Akkretiondes Materials eines schweren Sterns, den Gezeitenkraftezerrissen hatten. Es ist ublich, bei diesen Prozessen, denVorgang beschreibend, von aktiven galaktischen Kernenzu sprechen und den Begriff Quasar auf die fruhe Phasezu beschranken.

D. Das Zentrum der Milchstraße, ein SchwarzesLoch

Das Zentrum der Milchstraße liegt im Sternbild desSchutzen und ist hinter dunklen Gaswolken verborgen.Im Unterschied zum sichtbaren Licht ist es jedoch imBereich der Radiowellen-, Infrarot- und Rontgenstrah-lung zu beobachten. Das massereiche Schwarze Loch imZentrum zeigt sich als starke Radioquelle, in dieser Formkennt man es seit 1932, bezeichnet als Sagittarius A*.In den letzten 15 Jahren wurden vom Zentrum immerbessere Aufnahmen gemacht. Mit diesen wurde 2004in einer Doktorarbeit in Munchen (ich war Mitgliedder Prufungskommission) erstmals gezeigt, dass ineinem sehr kleinen Bereich des Zentrums die Masse von4,3 Millionen Sonnen konzentriert ist. Sieht man abvon vollig exotischen Formen der Materie, fur die eskeinerlei experimentelle Evidenz gibt, so erzwingt dieseBeobachtung die Existenz eines Schwarzen Lochs miteben dieser Masse von 4,3 Millionen Sonnen.

Entscheidend war die Beobachtung des nachstliegendenSterns, S2, der das supermassereiche zentrale SchwarzenLoch im Abstand von etwa 17 Lichtstunden in nur 15,2Jahren umlauft. Dabei erreicht er Geschwindigkeitenvon bis zu 5000 km/sec Im Abstand von weniger alseinem halben Lichtjahr umkreisen weitere beobachtete

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Sterne dieses Zentrum, und alles folgt den Gesetzen,die Kepler fur die Planetenbahnen um die Sonne fand.Mit Newtons Gesetz der Gravitation ergab sich darausdie Masse des Zentrums zu den genannten 4,3 MillionenSonnenmassen, und somit ein Schwarzschildradius zu 10Millionen km. Das supermassereiche zentrale SchwarzeLoch der Milchstraße ist derzeit optisch nicht aktiv. DieRadiostrahlung wird von einer Akkretionsscheibe alsSynchrotronstrahlung emittiert. Dies zeigt die Existenzstarker Magnetfelder, das Plasma ist jedoch zu dunn,um thermisch Licht zu emittieren. Magnetische Instabi-litaten, spontane Rekonnexionen, erzeugen gelegentlichFlares, die im Infrarot- und Rontgenbereich fur etwa1 Stunde aufscheinen. Es gibt Hinweise, dass diese imBereich der innersten stabilen kreisformigen Umlaufbahnmit einer Periode von 15 Minuten das zentrale SchwarzeLoch umlaufen.

Innerhalb weniger 10 Lichtjahre vom Zentrum ist dieDichte von Sternen extrem hoch, dazu kommen noch vie-le tausend Stellare Schwarze Locher mit Massen von ty-pisch 5 bis 10 Sonnenmassen, die man aus deren Bindungzu Doppelsternen identifiziert.

E. Eine Zwischenbilanz

Zur Verteilung der Materie im Kosmos gibt esAbschatzungen. Diese besagen, dass etwa 10 Prozent derMaterie in Galaxien gebunden ist, und die verbleibenden90 Prozent uberwiegend ein heißes intergalaktischesGas bilden. Dieses Gas steht in Wechselwirkung mitden Galaxien, es besteht aus Material, das von denGalaxien aufgrund ihrer Aktivitat abgestoßen wurdeund in verdichteten Bereichen, Filamenten, den Raumin dynamisch strukturierter Weise durchzieht, undsich dabei von einer Galaxie zur nachsten bewegt.Dementsprechend hat man davon auszugehen, dass dieschweren Elemente des Sonnensystems, aus denen wirbestehen, zum Teil auch von anderen Galaxien stammen,auf Grund dieses großraumigen Geschehens. Man hatInformationen uber das intergalaktische Gas aus denSpektren ferner Quasare, in denen die beigemischtenschwereren Elemente Absorptionslinien erzeugen, undund von Emissionen im Rontgenbereich. Die Auswertungist Gegenstand aufwandiger Simulationsrechnungen.

In den Galaxien ist der Anteil von interstellarem Gasklein im Vergleich zur Materie, die in Sternen gebun-den ist. In Schwarzen Lochern befinden sich mehrereProzent der insgesamt in Sternen gebundenen Materie.Uberwiegend sind dies Stellare Schwarze Locher von ty-pisch 10 Sonnenmassen. In den Supermassereichen Ga-laktischen Kernen sollen nur etwa 3 Prozent der insge-samt in Schwarzen Lochern gebundenen Materie gesam-melt sein.

V. MAGNETFELDER, KOSMISCHESTRAHLUNG

Das sich ausbreitende Material, insbesondere in denFronten von Supernova-Explosionen und den Jets vonQuasaren, erzeugt elektrische und magnetische Felder.Die von den Supernova-Explosionen ausgestoßene Ma-terie bewegt sich mit Geschwindigkeiten von wenigenProzenten der Lichtgeschwindigkeit. Durch Strahlungionisiert sie das interstellare Gas, sodass dieses von denMagnetfeldern der ausgestoßenen Materie gebundenwird. Das gesamte Material des passierten Bereichs wirdgesammelt, und entsprechend nimmt mit wachsenderMasse die Geschwindigkeit der bewegten Materie ab.Den außeren Bereich, in dem die Geschwindigkeit derinterstellaren Materie in die der ausgestoßenen Materieubergeht, bezeichnet man als Stoßfront. In ihr wirddie Materie verdichtet und erhitzt, und es entstehen soinsbesondere auch die Magnetfelder, die den Prozessbewirken. Diese haben wechselnde Orientierungen, manspricht von turbulent strukturierten Magnetfeldern.

Diese Magnetfelder in den bewegten Stoßfronten wirkenals Beschleuniger: von außen einfallende schnelle, elek-trisch geladene Teilchen, Ionen oder Elektronen, prallenvon diesen ihnen entgegenkommenden turbulenten Ma-gnetfeldern, elastisch ab. Dabei wird Bewegungsenergieder Plasmafront auf die Ionen ubertragen. Die kine-matische Situation ist vergleichbar mit der, die wir furdie Raumsonde Voyager und den entgegenkommendenPlaneten Jupiter diskutiert hatten. Bei diesem Vorgangnimmt die Energie der schnellen Ionen jeweils um einenbestimmten Faktor zu. Bei Supernova-Fronten liegt die-ser zwar nur im Prozentbereich, jedoch potenziert sichdieser Faktor mit der Anzahl der Wiederholungen. Einehaufige Wiederholung ergibt sich aus dem Umstand,dass sich im Aussenbereich der Stoßfront ebenfallsein turbulentes Magnetfeld aufbaut, welches jedochin diesem Bereich noch geringer Geschwindigkeitennaherungsweise im Raum ruht. Prallen von diesemdie ruckgestreuten schnellen Ionen ebenfalls elastischab, so behalten sie ihre Energie. Danach wiederholtsich der beschriebene Prozess des Abprallens von denbewegten turbulenten Magnetfeldern, jetzt jedoch miterhohter Anfangsenergie. Man hat so eine vielfachwiederholte Beschleunigung. Sie endet erst, wenn dieFelder die schnellen Ionen, auf Grund einer zu hohenEnergie, nicht mehr zuruckfuhren konnen. In diesemZusammenhang ist nun entscheidend wichtig, dass derStrom der in dieser Weise zirkulierenden schnellen Ionendie turbulenten Magnetfelder, welche ihre Ruckstreuungbewirken, signifikant verstarken. Diesen Prozess derSelbstverstarkung kann man modellmaßig rechnen,und erhalt so eine Beschreibung, die konsistent istmit allen, sehr detaillierten Beobachtungsdaten. DieStoßfronten sind dunn verglichen mit dem Abstandvom Zentrum zur Supernova-Explosion. Naherungsweisehomogene Teilbereiche in diesen turbulenten Magnet-

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feldern sind klein im Vergleich zur Dicke der Stoßfronten.

Der beschriebene Mechanismus der Beschleunigungwirkt auch auf Elektronen. Wegen ihrer geringen Massejedoch strahlen diese in den Magnetfeldern Synchrotron-Strahlung ab, und so verlieren sie ihre Energie auchwieder. Synchrotron-Strahlung breitet sich, ebenso wieGamma-Strahlung, linear aus und so zeigt ihre Beobach-tung uns direkt die Orte, an denen die Beschleunigungstattgefunden hat: Bei der von Tycho Brahe beobachte-ten Supernova sieht man außerhalb des heute sichtbarenBalls von expandierenden Resten Synchrotron-Strahlungaus einer Haut, die knapp außerhalb des Balls zu schwe-ben scheint. Deren Intensitat ist strukturiert und andertsich mit der Zeit, dies passt zur Vorstellung turbulenterMagnetfelder. Die Frequenz der Synchrotron-Strahlungzeigt, dass die Starke dieser Magnetfelder weit uberdem Wert im interstellaren Medium liegt, und dassdie Elektronen Energien haben, die diejenigen der anden großten Teilchen-Beschleunigern erreichten um einVielfaches ubertreffen. Diese hohen Energien zeigen sichauch direkt in der extrem harter Gamma-Strahlungwelche Supernova-Reste emittieren.

Die an der Beschleunigung teilnehmenden Elektronenund Ionen sind nur sehr wenige im Vergleich zur An-zahl der ionisierten Teilchen in den Stoßfronten. Auchwenn diese wohl aus der Stoßfront zum Zeipunkt desSupernova-Ereignisses stammen, ist noch nicht ganzklar ist, wodurch sie sich damals unterschieden. Beidem nachfolgenden Prozess der Beschleunigung geht esimmer nur um die Wechselwirkung mit magnetischenFeldern, die von einer Vielzahl von Ionen erzeugt wur-den. Fur die kinetischen Energien der von diesen Frontenbeschleunigten Ionen ergeben Abschatzungen, dass sieetwa 10 bis 20 Prozent der Bewegungsenergie der von derSupernovaexplosionen ausgestoßene Materie wegtragen.Diese Ionen, die Victor Hess 1912 entdeckte und alsHohenstrahlung bezeichnete (Nobelpreis 1936), sinduberwiegend Protonen und Helimkerne. Jedoch findetman auch schwerere Atomkerne. Deren Haufigkeitenentspricht ihrer Bildung in Supernovae. Jedoch erkenntman, dass einige von ihnen in der langen Zeit ihrerExistenz als schnelles Ion Nukleonen verloren hatten, inStoßen mit anderen Atomkernen.

Die Haufigkeit hochenergetischer Ionen nimmt mit ihrerEnergie stark ab. Die hochsten beobachteten Energienkonnen uber den diskutierten Supernovae-Mechanismusnicht erzeugt werden, sodass wohl nur Prozesse imextragalaktischem Raum in Frage kommen. Als Quellenwerden diskutiert Stoßfronten, die sich beim schnellenDurchdringen von Galaxienhaufen ergeben, oder dieJets aktiver galaktischer Kerne. Den derzeitigen mo-dellmaßigen Rechnungen gelingt es jedoch nicht, dieWerte der maximal beobachteten Energien darzustellen.Als Quellen kommen nur die uns relativ nahen inFrage, da mit zunehmender Energie der Energieverlust

durch Streuung an kosmischer Hintergrundstrahlung dieReichweite bestimmt. Da die Ionen mit den hochstenEnergien von den magnetischen Feldern des intergalak-tischen Raums kaum noch abgelenkt werden, kann manso hoffen aus der Verteilung der beobachteten Richtun-gen die relativ nahen Quellen zuzuordnen. So wurdeCentaurus A, nur 14 Millionen Lichtjahre entfernt, alsKandidat gehandelt, um noch sehr unvollstandige Datenzu interpretieren.

Zu beiden Seiten der Scheibe der Milchstrasse findetman je einen ausgedehnten Bereich (Blase) von etwa25 Tausend Lichtjahren Durchmesser, der energiereicheGammastrahlung (1 bis 100 GeV) emittiert. Diesesollte von energiereichen Elektronen erzeugt werden,die an langwelligem Licht streuen. Dazu passt, dassaus dem selben Bereich auch langwellige Strahlungzu beobachten ist, die sich als Synchrotron-Strahlungdieser Elektronen in den Magnetfeldern der Galaxieerklaren lasst. Die Rotationssymmetrie dieser Blasen zurAchse der Scheibe legt nahe, dass vor einigen MillionenJahren der galaktische Kern aktiv war, und akkretierteMaterie in Jets abstrahlte, in deren Folge die Elektronenbeschleunigt wurden.

In Galaxien beobachtet man Magnetfeldern der Starkevon einigen Mikrogauss. Bei Spiralgalaxien entspricht dieOrientierungen dieser Felder in etwa der Spiralstruktur.Das Feld im intergalaktische Medium von Galaxienhau-fen ist um etwa zwei Großenordnungen kleiner. Inzwi-schen scheint man die Ursache dieser Felder zu verstehen.Man lernt aus numerische Rechnungen, welche die Gala-xienentwicklung und auch die Kollisionen von Galaxienreproduzieren, dass diese aus der Kollision von Galaxienherruhren. Dabei wird die kinetische Energie der erzeug-ten turbulenten Stromungen umgesetzt in magnetischeFeldenergie, bis ein Gleichgewicht erreicht wird. Dieseserweist sich als weitgehend unabhangig von der Starkeeines anfanglichen (seed) Felds, das in den Rechnungenum Großenordnungen kleiner oder großer angesetzt wor-den ist.

VI. GRAVITATIONSWELLEN

Falls die supermassereichen Schwarzen Locher in denZentren von Galaxien mit ihren extrem starken Gra-vitationsfeldern sich beschleunigt bewegen, werden siezu Quellen energiereicher Gravitationswellen. Gravita-tionswellen sind lokal fortschreitende Kompressionender Raum-Zeit Geometrie. Man erwartet sie, wenn nachder Vereinigung zweier Galaxien deren Kerne eine denDoppelsternsystemen analoge Struktur bilden. Bei ihrerBewegung um den gemeinsamen Schwerpunkt strahlendie Schwarzen Locher Gravitationswellen ab. Auf Grunddes damit verbunden Energieverlusts kommen sie sichdabei immer naher, bis sie schließlich verschmelzen. ZweiBeispiele dafur wurden kurzlich identifiziert:

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In einer 3,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxieim Sternbild Krebs umkreist mit einer Periode von nurzwolf Jahren ein Schwarzes Loch von 100 MillionenSonnenmassen das zentrale Schwarze Loch von 18Milliarden Sonnenmassen. Dies ist das massereichste,das wir derzeit kennen. Bei jedem Umlauf passiertes zwei mal die Akkretionsscheibe des Zentrums. Dieentsprechende Anderung der Helligkeit macht denVorgang sichtbar. Aus der Beobachtung wahrendmehrerer Umlaufe sieht man, dass Gravitationswellenabgestrahlt wurden. Die Berechnungen im Rahmen derAllgemeinen Relativitatstheorie ergeben die genanntenMassen und die Prognose, dass die beiden SchwarzenLocher in etwa zehntausend Jahren vereinigt sein werden.

Bei Vorgangen dieser Art konnen einige Prozent der Ru-henergie abgestrahlt werden, wobei die Abstrahlung un-mittelbar vor der Vereinigung besonders intensiv ist, esgeht hier um eine Zeitskala von weniger als einem Um-lauf. Entsprechend hat man dann nicht mehr die durchden Umlauf gegebene Symmetrie der Abstrahlung, eskann vielmehr eine Richtung bevorzugt werden. Berech-nungen zeigen, dass diese einseitig gerichtete Gravita-tionsstrahlung einige Promille der insgesamt freigesetz-ten Gravitationsenergie enthalten sollte. Der Ruckstoßauf den vereinigten galaktischen Kern ist dann so groß,dass dieser aus dem System der Galaxis herausgeschos-sen werden kann. Entsprechend sollte es kernlose Gala-xien und sich davon rasch wegbewegende supermasserei-che Schwarze Locher geben. Eine entsprechende Beob-achtung wurde im Mai 2008 (Pressemitteilung des Max-Planck-Institut fur extraterrestrische Physik) berichtet:Zehn Milliarden Lichtjahre von uns entfernt bewegt sichein Schwarzes Loch von einigen 100 Millionen Sonnen-massen mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Pro-zent der Lichtgeschwindigkeit weg von seiner Mutterga-laxie. Das Schwarze Loch ist sichtbar, da es etwas Mate-rie aus dem zentralen Bereich der Galaxie mitgenommenhat.

VII. VERTEILUNG DER GALAXIEN, DUNKLEMATERIE

Fast alle Sterne finden sich in Galaxien. In ihrem Zen-trum haben diese wohl alle ein supermassereiches Schwar-zes Loch von Millionen oder auch Milliarden Sonnen-massen, und darum umlaufend einige Millionen bis zumehreren Hunderten von Milliarden Sterne. Im gesam-ten sichtbaren Universum gibt es etwa 100 MilliardenGalaxien. Man geht davon aus, dass ihre Anzahldichtekonstant ist, sofern man Mittelwerte uber sehr große Be-reiche des Kosmos nimmt. Betrachtet man jedoch weni-ger große Bereiche, so ist die Verteilung der Galaxien imRaum alles andere als homogen. Lokale Bereiche hoherDichte sind verbunden durch fadenartige Strukturen (Fi-lamente), sie bilden ein Netzwerk mit Leerraume (voids),

und dies in unterschiedlichen Großen. In dieser Vertei-lung beobachtet man Galaxiengruppen, -haufen (cluster)und -superhaufen. Sie bewegen sich relativ zueinanderauf Grund ihrer gravitativen Anziehung. Derzeit analy-siert man die Verteilung von knapp einer Million Galaxi-en.

A. Galaxiengruppen und Galaxienhaufen

Bei kleineren Ansammlungen von weniger als 50 Gala-xien in einem Volumen mit einem Durchmesser von biszu 10 Millionen Lichtjahren spricht man von Gruppen.Ihre Masse liegt bei 10 Billionen Sonnenmassen. DieGeschwindigkeiten ihrer Mitglieder variieren um etwa150 km/s. Unser Milchstraßensystem ist Teil der obenbeschriebenen Lokalen Gruppe. Zu ihr gehoren derAndromeda-Nebel und die Magellanschen Wolken.

Unsere Lokale Gruppe ist Teil des Virgo-Superhaufensmit dem bereits angesprochenem Virgo-Galaxienhaufenim Zentrum. Dieser Galaxienhaufen besteht aus min-destens 1300, vermutlich aber uber 2000 Galaxien ineinem Bereich von 9 Millionen Lichtjahren Durchmesser.Der Virgo-Galaxienhaufen ist 65 Millionen Lichtjahrevon uns entfernt. Die Galaxien in Haufen bewegen sichim gemeinsamen Schwerefeld, sie gelten als die großtengravitativ gebunden Strukturen. Charakteristisch furGalaxienhaufen ist ihr intergalaktisches Gas, Wasserstoffund Helium. Die Masse des Gases ist etwa funfmalgroßer als die der Gesamtheit der Sterne des Haufens.Das Gas hat eine Temperatur von 10 bis 100 MillionenGrad, und emittiert Rontgenstrahlung entsprechendkurzer Wellenlange. Die hohe Temperatur verhindertjede weitere Sternbildung Ihre Intensitat dieser Ront-genquellen entspricht der Masse des entsprechendenGalaxienhaufens und identifiziert diesen eindeutig. EinPionier der Rontgenbeobachtung war Riccardo Giacconi(Nobelpreis 2002). Ihm gelangen bereits 1962 mitDetektoren in Raketen die ersten Beobachtungen.

In der Mitte von Galaxienhaufen befindet sich oft ei-ne riesige elliptische Galaxie. Beim Virgo-Galaxienhaufenetwa hat diese die 300-fache Masse unserer Milchstraße,wahrend Galaxien am Rand meist Spiralgalaxien sind. ImGegensatz zu den flachen Spiralgalaxien haben die Ster-ne in den elliptischen Galaxien keine einheitliche Um-laufrichtung. Das passt zu der Vorstellung, dass diesesehr rasch entstanden waren, aus der Verschmelzung nochjunger Galaxien. Solche Prozesse kann man auch relativnahe beobachten. Die irregulare Galaxie NGC 6240 ent-stand vor 30 Millionen Jahren aus der Kollision zweierGalaxien mit einem hohen Anteil von Gas. Dies zunde-te ein Feuerwerk der Sternentstehung, man spricht voneinem Starburst. Die Galaxie erscheint viel heller als an-dere gleicher Masse. Dementsprechend sind die beidengalaktischen Kerne, die sich derzeit in einem Abstandvon 3.000 Lichtjahren umkreisen, hoch aktiv. Die Gala-

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xie strahlt intensiv im gesamten Bereich, von Radiowellenbis zur harten Gammestrahlung. Bei der Bildung der el-liptischen Galaxien waren diese Prozesse, der Starburst,noch intensiver, auch blieb keine Zeit, eine durch denDrehimpuls dominierte Scheibe zu bilden. Wegen IhrerLeuchtstarke sind diese Quasare die fernsten beobacht-baren galaktischen Objekte.

B. Dunkle Materie

Die Kenntnis der Astronomen von der Verteilung derMaterie in Form von Sternen und Gas im Raum bringtdie Frage auf, ob die beobachteten Geschwindigkeitenvon Sternen oder Galaxien mit den beobachteten Ver-teilungen der Masse zusammenpassen. Die NewtonschenGesetze geben ja einen eindeutigen Zusammenhang. DieAntwort heißt: bei kleinen Abstanden geht das sehr gut,bei großen Abstanden jedoch erscheinen die Bewegungenals zu schnell! Die Bewegung der Kugelsternhaufen amRande der Galaxis zeigen eine Masse der Galaxis vonetwas uber 1000 Milliarden Sonnenmassen. Diese lasstsich nur schwer allein aus der beobachteten Materieerklaren. Seit Neuestem gibt es Messungen an kaltemWasserstoffgas im Aussenbereich der Galaxien. Beiunserer Galaxis folgt aus den Umlaufgeschwindigkeiten,dass in einem Abstand von 10 Radien der Scheibe diegravitativ wirksame Masse etwa 10 mal großer ist als diebeobachtete.

Eindeutig ist die Situation, wenn man Bewegungenvon Galaxien um Galaxienhaufen berechnet. Fur denComa-Galaxienhaufen, etwa 300 Millionen Lichtjahreentfernt, stellte schon 1933 Fritz Zwicky eine extremeDiskrepanz fest und postulierte, dass die fehlende Massein Form einer Dunklen Materie vorliegen musse. Damalswurde das naturlich nicht akzeptiert. Auf Grund seinerDaten vermisste Zwicky einen Faktor 400. Alle Beobach-tungen heute passen zu der Aussage, dass in großskaligenStrukturen auf einen Teil gewohnlicher Materie 5 bis6 Teile Dunkler Materie kommen. Es ist Konvention,mit dem Begriff Materie alles zusammenzufassen, wassich unter dem Einfluss der Gravitation bewegen undraumlich konzentrieren kann.

Dunkler Materie konnen wir, außer der Teilnahme ander Gravitation und vielleicht auch an der schwachenWechselwirkung, keine der uns sonst bekannten Wech-selwirkungen zuordnen. Die Frage, aus welcher Artvon Teilchen Dunkle Materie besteht, bleibt bisherunbeantwortet. Sie motiviert naturlich die Suche nacheiner Physik jenseits des Standardmodells der Teilchen-physik. Kandidaten sind Teilchen aus einem Modell derSupersymmetrie. Es gibt aufwandige Apparaturen umhypothetisch angenommene Teilchen der Dunklen Ma-terie in speziellen Detektoren nachzuweisen. Da DunkleMaterie nicht der Starken und der ElektromagnetischenWechselwirkung unterliegt, werden ihre Teilchen kaum

an Streuprozessen beteiligt sein.

Deshalb durchdringen Teilchen Dunkler Materie Berei-che normaler oder Dunkler Materie ohne Energiever-lust durch Streuung. Das unterscheidet sie grundsatz-lich von normaler Materie. Bei letzterer fuhren Streu-prozesse in bereits verdichteten Bereichen zum Einfangund somit zur weiteren Erhohung der Dichte dieser Be-reiche. Dunkle Materie hingegen kann von lokalen Berei-chen erhohter Dichte nur dann eingefangen werden, wenndie Masse des lokalen Bereichs wahrend einer Durchlaufs-zeit zugenommen hat. Dann ist beim Herauslaufen dasFeld der Gravitation großer als beim Hineinlaufen, so-dass das passierende Teilchen kinetische Energie verliert.Ubertrifft der Verlust an kinetischer Energie die kineti-sche Energie zu Anfang, so ist das Teilchen gefangen undvergroßert somit die Masse des lokalen Bereichs. Es han-delt sich also um einen dynamischen, selbstverstarken-den Prozess. Die eingefangenen Teilchen Dunkler Mate-rie durchlaufen das Gravitationsfeld des verdichteten Be-reichs in periodischen Bahnen, ohne Dampfung. Mit zu-nehmender Masse des verdichteten Bereichs wachst dieStarke des bindenden Potentials des Gravitationsfelds.Daraus folgt, dass im Zentrum des verdichteten Bereichsdie kinetische Energie der Teilchen der Dunklen Materiebreit gestreute Werte zeigen. Die Teilchen mit sehr klei-ner kinetischen Energie sollten bereits sehr fruh eingefan-gen worden sein, als der Bereich noch wenig Masse hatte,und die mit den großten kinetischen Energie erst zu einerZeit, zu der die Masse bereits den aktuellen Wert hat-te. Dies setzt voraus, dass die verdichteten Bereiche sichkontinuierlich entwickelt hatten. Sie bleiben ausgedehnt,da der Ubergang von kinetischer Energie in thermischeEnergie entfallt. Ihr gravitatives Feld ist entscheidend furdie Bildung von Galaxien und Galaxienhaufen.

C. Gravitationslinsen, der Bullet-Cluster

Um gravitativ wirkende Massen, inklusive der DunklenMaterie, zu messen, ist der Gravitationslinsen-Effektbesonders interessant. Galaxienhaufen lenken auf Grundihrer großen Masse Licht besonders effektiv ab. Waredie Verteilung ihrer Masse ideal spharisch, so wurdenwir Lichtquellen dahinter nicht als Punkte, sondern alskonzentrische Ringe oder Ellipsen sehen. Tatsachlichsieht man eine Anzahl von kurzen Kreissegmenten,d.h., die Ringe oder Ellipsen erscheinen zerfleddert ineine Anzahl kurzer Kreissegmente. Ursache dafur sindAbweichungen von einer ideal spharischen Verteilung.Gelingt es die beobachteten Segmente den verschiedenenLichtquellen richtig zuzuordnen, so kann man fur denGalaxienhaufen auf die Masse und naherungsweise auchauf deren Verteilung ruckschließen.

Eine andere, spektakularen Situation im Sternbild Cari-na, am Sudhimmel, wurde beruhmt: Ein Galaxienhaufenwar fast frontal in einen zweiten, etwas großeren einge-

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drungen. Bei einer Geschwindigkeit von mehr als einemProzent der Lichtgeschwindigkeit wirkte er dabei wie einGeschoss, daher der Name Bullet-Cluster. Wir sehen dieSituation im Abstand von 4 Milliarden Lichtjahren. Dereigentliche Zusammenstoß geschah 150 Millionen Jahrefruher. Es gelang, die Verteilungen der Galaxien, desGases und der Dunklen Materie zu beobachten.

Dabei zeigen die Galaxien und die Dunkle Materiein etwa die gleichen Verteilungen. Sie erscheinen alszwei bereits getrennte, spharische Bereiche, ganz so,als ob sie die wechselseitige Durchdringung weitgehendunbeschadigt uberstanden hatten. Das entspricht denphysikalischen Vorstellungen: Fur fast alle der schnellund in einigem Abstand aneinander vorbeilaufenden Ga-laxien bewirkt die gravitative Wechselwirkung nur kleineAblenkungen. Fur die Dunkle Materie ist, auf Grundder obigen Diskussion, entsprechendes zu erwarten.

Anders stellt sich die Situation dar fur das heiße Gas,dem Plasma, aus dem die normale Materie in Galaxien-haufen uberwiegend besteht. Die Stoße folgen der elek-tromagnetischen Wechselwirkung, die viel starker ist alsdie gravitative. Die mit einer Geschwindigkeit von 1 Pro-zent der Lichtgeschwindigkeit eindringenden Gaswolkenwerden infolgedessen abgebremst, ihre kinetische Ener-gie wird in thermische umgesetzt. Bei Temperaturen vonnahezu 100 Millionen Grad leuchtet das Gas strahlendhell im Bereich des harten Rontgenlichts. In dem erhitz-ten Gas bewegt sich der Galaxienhaufen schneller als derSchall. Dementsprechend beobachtet man im Rontgen-licht das Bild einer Stoßwelle, den so genannten Mach-schen Kegel, wie man dies von Photographien des Schall-drucks von Uberschallflugzeugen oder von Geschossenher kennt. Die Experten betrachten diese Daten, im Kon-text mit anderen Beobachtungen, als schone Visualisati-on der spezifischen Eigenschaften Dunkler Materie.

VIII. DER EXPANDIERENDE KOSMOS

Beobachtet man die von Fraunhofer im Spektrum desSonnenlichts entdeckten Spektrallinien an Sternen, soerhalt man die bereits diskutierte Information uber diechemische Zusammensetzung der außeren Atmosphare,aber auch uber die Geschwindigkeit, mit der sich einStern bewegt. Bewegt sich der Stern von uns weg, so sindfur alle beobachteten Spektrallinien die Wellenlangenum einen bestimmten Faktor vergroßert. Diesen Effektbezeichnet man als Rotverschiebung. Im Rahmen derElektrodynamikversteht man dies als Dopplereffekt ei-ner Lichtquelle, die sich von uns fortbewegt. Der Begriffstammt aus der Akustik und beschreibt dort die 1842von Christian Doppler gefundene Anderung der Tonhoheauf Grund der Bewegung der Schallquelle. Je großer dieGeschwindigkeit, desto großer der Effekt.

A. Hubbles Entdeckung

Damit gelang um 1929 die entscheidend wichtige Ent-deckung, dass Galaxien sich von uns entfernen, undzwar um so schneller, je weiter sie weg sind. Als ersterhatte dies wohl Abbe Georges Lemaitre realisiert. Erverknupfte dies jedoch mit weitreichenden Schlussfolge-rungen, sodass ihm vorgeworfen wurde, das Universumhatte mit einem >big bang< begonnen. Das entsprachnicht den damaligen Vorstellungen. Man dachte denKosmos statisch. Die Entdeckung ist heute verbundenmit dem Namen von Edwin Hubble. Er bestimmte dieEntfernungen von Galaxien und stellte fest, dass mitwachsenden Entfernungen die von Vesto Slipher undanderen gemessenen Rotverschiebungen entsprechendzunehmen. Inzwischen hat sich dies als ein im Wortsinnuniversales Gesetz erwiesen. Heute kennt man Quasarein Galaxienhaufen, die ca. 13 Milliarden Lichtjahreentfernt sind. In ihrem Licht werden Spektrallinienidentifiziert deren Rotverschiebung einer Dehnung ihrerWellenlangen um einen Faktor 7 entspricht.

Diese Entdeckung besagt, dass wir ein expandierendesWeltall sehen. Die Expansion des Kosmos wird gerneverglichen mit einem großen Panettone. Dieser Hefeteigmit Rosinen darin geht beim Backen kraftig auf, undzwar so, dass die Abstande zwischen je zwei Rosinen mitder Zeit zunehmen, egal welche Rosine man betrachtet.Die Rosinen entsprechen den Galaxien oder Galaxien-haufen und der Hefeteig dem Raum. Dieses Bild vomexpandierenden Hefeteig soll auch ausdrucken, dass manan jeder Stelle des Kosmos die gleiche Situation hat.Man sagt, der expandierende Kosmos sei homogen undisotrop.

Die Expansionsgeschwindigkeit ist proportional zumAbstand. Das gilt fur jeden Abstand. Den Propor-tionalitatsfaktor bezeichnet man nach Hubble alsHubble-Konstante. Man sollte besser von einem Hubble-Parameter sprechen, da der der Proportionalitatsfaktorvom Alter des Kosmos abhangt. Nahme man die Expan-sion als zeitlich konstant an, so folgt aus Hubbles Gesetz,dass sich das ganze Weltall vor 14 Milliarden Jahrenin einem sehr kleinen Volumen befunden haben sollte.Dies gibt zumindest eine Orientierung. Tatsachlich solltedie kinetische Energie der Expansion beeinflußt seindurch die Gravitation, die wechselseitigen Anziehung derGalaxien und aller sonstigen Materie. Dementsprechenderwartet man eine mit der Zeit verzogerte Expansi-on, beschrieben durch eine mit der Zeit abnehmendeHubble-Konstante. Der Effekt musste bei sehr weitentfernten Objekten zu beobachten sein. Denkt manin die Zukunft, so folgt daraus auch die Frage, ob dieExpansion irgendwann eimal zum Stillstand kommenwird.

Anders sieht es jedoch aus, wenn man den von AlbertEinstein eingefuhrten Begriff einer Kosmologischen Kon-

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stante berucksichtigt und mit diesem im Rahmen der All-gemeinen Relativitatstheorie aktuelle Daten vergleicht.

B. Allgemeine Relativitatstheorie

Diese 1916 publizierte Theorie entstand aus EinsteinsEinsicht, dass Newtons Gesetz der Gravitation undEinsteins 1905 veroffentliche Spezielle Relativitats-theorie nicht zusammenpassen. Das Paradigma derEinsteinschen Relativitatstheorie ist die Konstanzder Lichtgeschwindigkeit, und verbunden damit istdie Aussage, dass Information sich nicht schneller alsmit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Deshalbsuchte Einstein in Analogie zum elektrischen Feld eineBeschreibung, in der das Feld der Gravitation sich inAbhangigkeit von der Zeit entwickeln kann. Als Aus-gangspunkt seiner Uberlegungen wird gerne genannt,dass man das beschleunigte Steigen oder Fallen in einemFahrstuhl als Anderung des eigenen Gewichts empfindet.Dies besagt, dass die Wirkung der Gravitation nicht zuunterscheiden ist von der Wirkung eines entsprechendbeschleunigten Bezugssystems.

Dementsprechend wird in seiner Theorie der Gravitationeine Beziehung hergestellt zwischen der Verteilung derMasse, und damit jeglicher Form der Energie , unddem geometrischen Verhalten von Raum und Zeit.Man spricht gerne von einer 4-dimensionalen Raumzeit,die gekrummt sein kann. Diese Theorie ist mathema-tisch sehr anspruchsvoll, und hat bis heute jeden Testbestanden. Die ersten Erfolge waren die Berechnungder sog. Periheldrehung des Planeten Merkur und dieAblenkung von Licht im Schwerefeld der Sonne. Diekorrekte Beschreibung von Schwarzen Lochern und dieAbstrahlung von Gravitationswellen hatten wir bereitsdiskutiert. Das Funktionieren der GPS-Systeme zurOrtsbestimmung ist eine weitere Bestatigung. Besonderswichtig wird die Allgemeine Relativitatstheorie zurBeschreibung des Kosmos in seiner Gesamtheit.

Im Rahmen dieser Theorie gelang Alexander Friedmann1922 die mathematische Beschreibung des Verhal-tens eines isotropen, homogen mit Materie erfulltenUniversums unter dem Einfluss der Gravitation. DasFriedmann-Modell besagt, dass unbewegte Objekteim Raum weiterhin unbewegt bleiben, der Raum alsGanzes sich jedoch ausdehnt, und weiterhin, dass eseinen Zeitpunkt gab, zu dem der Raum unendlich kleinwar. Dies bedeutet zum Einen, dass der physikalischeBegriff des Raums nur durch den Zusammenhang mitMaterie gegeben ist. So ware es sinnlos, sich in einenabsolutem Raum als Zuschauer zu denken, von demaus man das Schauspiel der Expansion des Kosmos wieauf einer Bhne ansehen kann. Zum Anderen definiertdas Friedmann-Modell einen Anfang. Diese absolutextreme Vorstellung von einem Anfang wird heuteetwas pauschal als Urknall oder Big Bang bezeichnet.

Das Friedmann-Modell impliziert, dass man physikalischsinnvoll nur uber Zeiten nach dem Anfang sprechen kann.

Die Gravitation nimmt von den Eigenschaften der Ma-terie nur ihre Masse zur Kenntnis. Da in der SpeziellenRelativitatstheorie Masse und Energie aquivalent sind,wird Materie durch ihre Energiedichte beschrieben. Diesschließt ein die Ruhe-Energie der materiellen Teilchen,deren thermische Energie, und die Energie von Strah-lungsfeldern, nicht aber die Gravitationsenergien. Umdie Expansion des Kosmos zu beschreiben muss manwissen, wie die zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegendeEnergiedichte sich mit der Expansion andert. Nimmtman einen gewissen, expandierenden Bereich, so bleibtin diesem die Anzahl der Atomkerne und Elektronenkonstant, und somit auch die eingeschlossene Ruhener-gie. Anders ist es mit der kinetischen oder thermischenEnergie. Diese wird abnehmen. In der Begriffsbildungder Thermodynamik wird das Verhaltnis von Energieab-nahme und Volumenvergroßerung als Druck bezeichnet.Dementsprechend wird in den Friedmann-Gleichungender Kosmos beschrieben durch Energiedichte und Druck.

Als Grenzfalle kann man Kalte Materie, hochrelati-vistische Materie und eine Kosmologische Konstanteunterscheiden: Man spricht von Kalter Materie, wenndie thermische Energie gering ist im Vergleich zurRuhenergie. Dann bleibt bei der Kosmischen Expansiondie im expandierenden Volumen eingeschlossene Energiekonstant, der Druck ist sehr klein. HochrelativistischeMaterie verhalt sich wie das elektromagnetische Strah-lungsfeld. Bei diesem nimmt die im expandierendenVolumen eingeschlossene Energie ab, dementsprechendist der Druck positiv und gleich einem Drittel derEnergiedichte. Die Auswirkung der KosmologischenKonstante, einer von Einstein formal eingefuhrtenGroße, welche die Raumzeit modifiziert, kann auch be-schrieben werden durch eine Energiedichte die wahrendder Expansion konstant bleibt. Dieses Verhalten bringtman mit dem Begriff der Dunklen Energie in Verbin-dung. Falls deren Energiedichte wahrend der Expansionkonstant bleibt, nimmt die Dunkle Energie im expan-dierenden Volumen zu, sie ware dann proportional zumVolumen. Diesem ungewohnlichen Verhalten entsprichtformal ein Druck mit negativem Vorzeichen, wobei derBetrag des Drucks gleich ist dem der Energiedichte. Beider Dunklen Energie handelt es sich um einen formalenAnsatz zur Beschreibung eines bestimmten Verhaltensder Expansion. Dabei bleibt offen woraus die DunkleEnergie physikalisch besteht. Die durch die DunkleEnergie implizierte Zunahme des Energieinhalts desKosmos ist nicht etwa eine wunderbare Erzeugung vonEnergie aus dem Nichts, sondern die Expansion einesFelds, dessen zunehmender Energieinhalt zu Lasten derGravitation entstanden ist. Die Allgemeine Relativitats-theorie erlaubt diese Art von Nullsummenspiel.

Der Begriff einer Krummung des Raums spielt in der

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Allgemeinen Relativitatstheorie eine wichtige Rolle. EinBeispiel ist die Ablenkung von Lichtstrahlen in starkenGravitationsfeldern (Gravitatinslinsen-Effekt), die aufeine lokale Krummung des Raums zuruckgefuhrt wird.Im Fall der kosmischen Expansion verschwindet dieKrummung nur dann, wenn die kinetische Energie derKosmischen Expansion und die potentiellen Energieder Gravitation in einem vorgegebenem Verhaltniszueinander stehen. Seit kurzem ist man davon uberzeugtdass genau diese sehr spezielle Situation vorliegt. Dannbesagen die Friedmann-Gleichungen, dass der jeweilsaktuelle Wert der Energiedichte - inklusive einer DunklenEnergie - proportional ist zum Quadrat der Hubble-Konstanten. Gabe es nur die Dunkle Energie, dann waredie Hubble-Konstante von der Zeit unabhangig, aufGrund des Strahlungsfelds und der Materie nimmt siemit der Zeit ab.

Zum zeitlichen Verlauf der Expansion des Raums sagendie Friedmann-Gleichungen, dass sie fur Kalte und furrelativistische Materie verzogert ist, die Gravitationbremst die Expansion und die Hubble-Konstante wirdmit der Zeit kleiner. Fur Dunkle Energie jedoch istdie Expansion beschleunigt. Ausdehnung, Expansions-geschwindigkeit und Beschleunigung nehmen mit derZeit exponentiell zu. Dies liegt an ihrer spezifischenEigenschaft, die mit dem Kennwort negativer Druckverknupft ist.

Da mit der Expansion des Kosmos die Dichte der Ma-terie abnimmt, sollte irgendwann nur noch die DunkleEnergie ubrig bleiben. Dementsprechend sollte einerPhase verzogerter Expansion der Ubergang in eine Phasebeschleunigter Expansion folgen, sodass man dazwischeneinen Bereich weitgehend konstanter Expansion zuerwarten hat.

Dies lasst sich experimentell nur verifizieren durchMessungen von Entfernungen und von zugehorigenRotverschiebungen in einem sehr weiten Bereich. GroßeEntfernungen erhalt man aus den gemessenen Hellig-keiten nur dann, wenn die Leuchtkraft der jeweiligenQuellen bekannt ist. Hier spielen Supernovae, insbeson-dere die beschriebenen vom Typ-Ia, eine entscheidendeRolle. In einer kurzlich publizierten Arbeit wurden 21solcher Typ-Ia Supernovae in Entfernungen von bis zu9 Milliarden Lichtjahren vermessen. Aus diesen undanderen Daten folgt, dass wir uns gegenwartig bereits inder Phase der beschleunigten Expansion befinden, dasswir aber vor mehr als 7 Milliarden Jahren noch eineverzogerte Expansion hatten.

Wir werden noch weitere Beobachtungen zur kosmischenExpansion kennenlernen. Alles passt zusammen, wennman davon ausgeht, dass der Raum flach ist und dass dieDunkle Energie gegenwartig mit 70 Prozent zur gesam-ten Energiedichte beitragt. Wir durfen beim Kosmos alsGanzem bei den bereits von Euklid definierten Vorstel-

lungen vom Raum bleiben. Ware der Raum gekrummt,so wurden sich in einem großen Dreieck die Winkel nichtmehr zu 180 Grad addieren. Weiterhin folgt aus derExistenz der Dunklen Energie, dass die Expansion desRaums kein Ende haben wird. Denkt man an die ferneZukunft, so wird das Hubble-Verhaltnis von Expansions-geschwindigkeit und Abstand auf einen festen Wert zu-streben, der durch die Dunkle Energie gegeben ist. Denktman an die Vergangenheit, so gibt es aus Beobachtun-gen zur Sternentwicklung ziemlich gut begrundete Min-destwerte fur ein Alter des Kosmos. Rechnet man nunvom aktuellen Wert der Hubble-Konstanten ruckwarts,so erhalt man ein entsprechend hohes Alter nur unterBerucksichtigung eines Beitrags von Dunkler Energie.

C. Die kosmische Rotverschiebung

Die Allgemeine Relativitatstheorie beschreibt die Expan-sion des Kosmos als Expansion des Raums. In dem Bildvon den Rosinen im Hefeteig stellt der expandierendeHefeteig den expandierenden Raum dar, in welchemdie Rosinen, das sind die lokalen Anhaufungen vonGalaxien, ruhen. In diesem Sinn hat man auch diekosmologische Rotverschiebung von Spektrallinien zuverstehen. Wir hatten die Rotverschiebung zunachstvorgestellt als Dopplereffekt einer Quelle, die sichim Raum vom Beobachter weg bewegt. Bewegt sichdie Quelle auf den Beobachter hin, so wie etwa derAndromeda-Nebel auf die Milchstraße, so hat man eineBlauverschiebung. Die entsprechenden Verschiebun-gen der Spektrallinien liegen im Bereich von einigenPromille oder weniger. Uberlagert jedoch wird dieserEffekt von einem weiteren, der aus der Expansion desRaums folgt. Es gibt also die individuellen Effekteauf Grund der (Pekuliar-) Bewegung der Galaxien imRaum, und zusatzlich den kosmischen Effekt, bei demim expandierenden Raum Quelle und Empfanger alsruhend (comoving) angenommen werden. Die kosmi-sche Expansion ist gleichbedeutend mit Rotverschiebung.

Der beobachtete Faktor, um den die Wellenlange desLichts dabei zugenommen hat, ist exakt gleich dem Fak-tor, um den seit der Zeit der Emission des Lichts dieLangenausdehnung des Raums zugenommen hat.

IX. DIE KOSMISCHEHINTERGRUNDSTRAHLUNG

Die zweite experimentelle Beobachtung, die in allen De-tails zur Physik eines expandierenden Universums passt,ist die Beobachtung einer Kosmischen Hintergrundstrah-lung im Mikrowellenbereich (der cosmic microwave back-ground, CMB). Wir diskutierten bei der SternentstehungVorgange der Kompression uber viele Großenordnungenund die damit jeweils verbunden extremen Anstiege derTemperatur. Bei der Expansion des Kosmos haben wir

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den umgekehrten Vorgang, eine fortlaufende Erniedri-gung der Temperatur. Geht man jedoch gedanklich inder Zeit zuruck, lasst man also den Raum schrumpfen, sosteigen die Temperaturen. Dementsprechend ist das Ent-stehen strukturierter Materie die Folge der Abkuhlungund einer damit verknupften Zeitskala. Dieser Annahmefolgend wurde erwartet, dass bei den hohen Temperatu-ren einer fruhen Zeit Atomkerne und Atomhulle getrenntwaren. Sie bildeten ein Plasma, ein Gas aus Ionen, Elek-tronen und Lichtquanten (Photonen) im thermodynami-schen Gleichgewicht. In diesem durch elektrische Kraftewechselwirkendem Medium wirkte der thermische Druckjeder lokalen Konzentration von Materie entgegen. Si-gnifikante lokale Konzentrationen konnten sich erst ent-wickeln nach dem Verschwinden des Plasmas.

Dies sollte bei einem Absinken der Temperatur aufetwa 3000 Grad geschehen, der Zahlenwert ergibt sichaus Abschatzungen der Dichte. Nun verbanden sichdie letzten, noch freien Atomkerne mit den Elektronendes Plasmas zu den elektrisch neutralen Atomen desWasserstoffs. Neutrales Helium gab es schon etwas fruher.

Mit dem Verschwinden des Plasmas wurde das Uni-versum erstmals optisch transparent. Dementsprechendkonnen wir heute die Orte der letztmaligen Streuungvon Lichtquanten am Plasma nach einer Laufzeit vonknapp 13,7 Milliarden Jahren sehen. Diese Orte stellenden Horizont unserer Bebachtung dar. Auf Grund derExpansion des Kosmos liegt heute die Entfernung diesesHorizonts bei 50 Milliarden Lichtjahren. Gabe es dieDunkle Energie nicht, ware dieser Abstand etwas gerin-ger, etwa 40 Milliarden Lichtjahre. Das bedeutet, dasswir alle Bereiche des Raums sehen, die heute wenigerals 50 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, jedoch zujeweils dem Zeitpunkt, welcher der Laufzeit des Lichtsentspricht.

Zeitlich fruher freigesetzte Lichtquanten wurden durchdie vorhandenen Reste des Plasmas absorbiert, sodasswir nur die Endphase sehen. Die nachfolgende Expansionfuhrte zu eine kraftige Rotverschiebung des Spektrums.Dies war bereits um 1940 die Einsicht derjenigen Physi-ker, die daruber nachgedacht hatten. Allerdings scheutensie sich dies auch entsprechend zu publizeren. So kam es,dass 1964 Penzias und Wilson (Nobelpreis 1978) dieseKosmische Hintergrundstrahlung, ohne Wissen von derVorhersage, eher zufallig entdeckten beim Test einerAntenne fur Mikrowellenstrahlung.

Inzwischen ist die Kosmische Hintergrundstrahlung vonmehreren speziell konzipierten Satelliten mit extremerPrazision vermessen worden. Es zeigt sich, dass wir uns inder Galaxis mit einer Geschwindigkeit von 2 Promille derLichtgeschwindigkeit bewegen relativ zu einem Raum,der durch die allseitig auf uns einfallende Kosmische Hin-tergrundstrahlung definiert ist. Das passt auch zu aktu-ellen Messungen der Anziehung der Galaxis durch Berei-che dicht liegender Galaxienhaufen wie etwa dem Großen

Attraktor. Man hat auch gelernt, auf Storeffekte vondazwischenliegenden Lichtquellen zu korrigieren. Dannbleibt ein Spektrum, das mit hoher Genauigkeit dem ei-ner berechneten thermischen Strahlung bei 2.72 Kelvinentspricht. Ordnet man diesem Spektrum als Quelle das3000 Grad heiße Plasma zu, so ergibt sich eine Rotver-schiebung um etwas mehr als einen Faktor 1000. Mit demheutigen Wissen zur kosmischen Expansion entsprichtdas einem Zeitpunkt von etwa 380.000 Jahren nach demUrknall.

A. Das Gesetz von Planck

Die Kosmische Hintergrundstrahlung ist, wie das Lichtder Sonne, thermischen Ursprungs. Von der Oberflacheder Sonne emittiert ein Plasma der Temperatur von5800 Kelvin Licht, welches in der spektralen Zerle-gung die Farben des Regenbogens zeigt. Sowohl dieabsolute Strahlungsstarke als auch die Verteilung derIntensitat auf die verschiedenen Wellenlangen, die sogenannte spektrale Intensitatsverteilung, werden durchdas von Max Planck 1900 formulierte Strahlungsgesetzverstanden. In dies grundlegende Gesetz gehen nebender Temperatur nur fundamentale Naturkonstantenein, die Lichtgeschwindigkeit und das PlanckscheWirkungsquantum. Das Gesetz ist abgeleitet aus denVorstellungen eines thermodynamischen Gleichgewichtsvon Strahlung mit Materie und einer Quantisierung deselektromagnetischen Strahlungsfelds.

Einstein erkannte, dass im Planckschen Strahlungsgesetzein Produkt dargestellt ist aus einer Anzahldichte vonPhotonen (Lichtquanten) und der mittleren Energieder einzelnen Photonen. Dabei ist die mittlere Energieeines Photons proportional der Temperatur. Verknupftman dies mit dem Gedanken der Kosmischen Expansionund der damit verbundenen Rotverschiebung, so folgt,dass in einem expandierenden Bereich die Anzahl derPhotonen konstant bleibt, deren Energie jedoch entspre-chend der Rotverschiebung abnimmt. Das entsprichtden Regeln der Thermodynamik fur die Verknupfungvon Energiedichte und Druck mit der Expansion. DieWechselwirkung der vielen Photonen mit Materie erfolgtdurch Streuung an Elektronen, dabei bleibt die Anzahlder Photonen erhalten. Man kann sich also auf mehrals eine Weise klar machen, dass im expandierendenStrahlungsfeld Temperatur und kosmische Expansionumgekehrt proportional sind .

Vergleicht man heute die Anzahldichte der Photonen inder Kosmischen Hintergrundstrahlung mit der Anzahl-dichte von Nukleonen, d.h. aller Protonen und Neutro-nen, einschließlich der in Atomkernen gebundenen, undmittelt man uber große Skalen, so erhalt man einen Fak-tor von einigen Milliarden! Geht man nun in der Zeit im-mer weiter zuruck, so steigt die Energie der Photonen insgrenzenlose, in fruher Zeit dominierte das Strahlungsfeld

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den Energieinhalt. Solange der Kosmos noch keine 5.000Jahre alt war ubertraf die Strahlungsenergie die Ruh-energie der materiellen Teilchen insgesamt. Vor diesemZeitpunkt ist zur Diskussion physikalischer Prozesse dieTemperatur als die relevante Große anzusehen. Sie be-dingte ein einfaches zeitliches Verhalten: Einer Abnahmeder Temperatur um einen Faktor 2 entsprach eine Zu-nahme des Alters um einen Faktor 4. Dazu kann mansich noch merken, dass bei einem Alter das Kosmos voneiner Sekunde die Lichtquanten eine mittlere Energie von1 MeV hatten. Dann hatte ein Volumen von einem Ku-bikzentimeter auf Grund des Strahlungsfelds eine Massevon etwa 500 kg, der Anteil von Protonen und Neutronendaran war jedoch nur 0,2 Gramm. Kurz danach war ervergleichbar mit der von Gas bei heutigen atmosphari-schen Bedingungen.

B. Quantitative Aussagen uber den Kosmos

Die Kosmische Hintergrundstrahlung zeigt wie derKosmos aussah im Alter von 380.000 Jahren. DieMessungen von Satelliten erfassen alle Richtungen desRaums. Sie ergeben das sehr wichtige Resultat, dassin allen Himmelsrichtungen die Temperatur gleich ist.Mit großer Genauigkeit sind auch Abweichungen vonder Gleichverteilung gemessen wurden. Sie liegen imBereich unterhalb von hundertstel Prozenten. Diesebeiden Aussagen sind die experimentelle Basis einerseitsfur unsere Vorstellung von einer homogenen Verteilungder Materie im Kosmos zum damaligen Zeitpunkt, undsind andererseits Ausgangspunkt aller Uberlegungenzur Strukturbildung. Die beobachtete Variation derTemperatur hat ihren Grund in lokalen Variationender Dichte des Plasmas, dazu kommen Unterschiedeim Gravitationspotential auf Grund der Verteilung derDunklen Materie.

Das beobachtete Muster der Abweichungen wirkt wiezufallig. Um es physikalisch zu diskutieren beschreibtman das Auftreten von heisseren und kalteren Bereichenin einer statistischen Analyse . Als Funktion der Win-kelabstande, unter denen man heute diese Bereiche aufder Himmelskugel sieht, wird ein “Leistungsspektrum“erzeugt: Dazu wird fur jeweils zwei Orte in vorgebe-nenem Winkelabstand die Differenz der Temperaturenfestgestellt. Aus den quadrierten Werten folgt einemittlere quadratische Temperaturdifferenz, indem uberalle Orte gemittelt wird. Durch geeignete Gewichtungendieser Funktion des Winkelabstands (vergleichbar einerFourieranalyse) folgt das “Leistungsspektrum“. DieGewichtung betont Winkelbereiche, die in ihrer Ausdeh-nung proportinal sind zu dem Winkel, der die jeweiligeGewichtung kennzeichnet.

Das Leistungsspektrum zeigt eine Verteilung, die beigroßen Winkeln flach ist, bei einem Winkel von einemBogengrad ein erstes, stark ausgepragtes Maximum

erreicht, dem dann bei kleineren Winkeln weitere, klarstrukturierte Minima und Maxima folgen, in abnehmen-der Starke.. Diese Ergebnisse großer wissenschaftlicherTeams unter Leitung von George Smoot und JohnMather (Nobelpreis 2006) ermoglichen weitreichendeAussagen uber Struktur und Entwicklung des Kosmos.

Die Verteilung folgt aus dem Geschehen der ersten380.000 Jahre. Sie hat ihren Ausgangspunkt in derInhomogenitat der Dichte die in der Physik des Urknallsbegrundet war. Die Entwicklung war bestimmt von demzunehmenden Horizont, denn nur innerhalb des Hori-zonts wurde die Gravitation wirksam. Dementsprechendtrugen mit der Zeit immer großere Bereiche bei. Aufdie lokal unterschiedlichen Energiedichten reagierten dieDunkle Materie, das Plasma und die Neutrinos ganzverschieden:

Am einfachsten war das Verhalten der Neutrinos, sieentfernten sich, ohne weitere Wechselwirkung, mitLichtgeschwindigkeit und glichen so Unterschiede aus.

Das elektromagnetische Strahlungsfeld wechselwirktemit dem Plasma aus Elektronen, Wasserstoff- undHeliumkernen und bildete mit diesem ein elastisches Me-dium. Die Energiedichte des Strahlungsfelds bestimmteden Druck, und dieser wirkte allen ungleichmaßi-gen Verteilungen entgegen. Interessant wurde es, alsdie Temperatur auf Grund der Expansion so weitabgenommen hatte, dass die Energiedichte des Plas-mas - Masse und Energie seien aquivalente Großen -kleiner wurde als die Energiedichte der Dunklen Materie.

Ab diesem Zeitpunkt, nach etwa 5000 Jahren, konnte dieDunkle Materie in Bereichen erhohter Dichte diese weitersteigern. Voraussetzung dafur war, dass diese Bereicheinnerhalb des jeweiligen Horizonts lagen. Am Ende derPlasmaphase, nach 380.000 Jahren, war die relativeStarke dieser Inhomogenitaten der Dunklen Materie umeinen Faktor 30 angewachsen (sie erfolgte proportinalzur Expansion der Abstande im Raum). Dies bedeutetauch, dass das anfangliche Gravitationspotential imexpandierenden Raum in seiner Starke erhalten blieb.Elektromagnetische Strahlung aus Bereichen starker gra-vitativer Anziehung war zu großeren Wellenlangen hinverschoben, es erscheint entsprechend kalter. Der Beitragdes Gravitationspotentials zur beobachteten Tempera-tur der Strahlung wird als Sachs-Wolfe Effekt bezeichnet.

Die tatsachliche Temperatur des Plasmas war bestimmtdurch seine Dichte. Fur die beobachteten Temperatur-unterschiede innerhalb des Horizonts wurden dessenBewegungen entscheidend. Das Plasma stromte zuden Gravitationszentren, auf den sich dort erhohen-den Druck reagierte es als elastisches Medium. Somitwurden diese zu Quellen von akustischem Schall. DieSchallgeschwindigkeit folgt aus Dichte und Elastizitat.Da das Strahlungsfeld dominierte, ist der Wert der

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bekannt. Ohne Korrekturen fur die ionisierte Materiewar diese gleich der Lichtgeschwindigkeit, dividiertdurch die Quadratwurzel von 3. Die Strecke, die derSchall in den 380.000 Jahren zurucklegen konnte, stelltefr das Plasma einen Horizont dar. Er bestimmte dieAusdehnung der Schallfelder der einzelnen Quellen.Im Leistungsspektrum erscheint dieser Horizont imWinkelbereich des ersten akustischen Peaks, bei etwaeinem Bogengrad. Die bei diesem Winkel als besondersgroß beobachtete Temperaturdifferenz ruhrt her von dererniedrigten Temperatur im Zentrum der Gravitations-felder auf Grund des Sachs-Wolfe Effekts und von dererhohten Temperatur in Front der Schallausbreitung.Im Bereich der akustischen Peaks wird ausserdem dieUberlagerung der Schallfelder aus den verschiedenenGravitationszentren wichtig. Diese bringt Verstarkungenund Ausloschungen ins Spiel. Der erste akustische Peakzeigt die Verstarkung durch Quellen, deren Schallfelderam Rande uberlappen und somit konstruktiv interferie-ren. Deren Abstande sind durch den Horizont des Schallsbestimmt. Bei kleineren Abstanden der Quellen kommtgegenseitige Ausloschung dazu. Weitere Maxima, dieakustische Peaks hoherer Ordnung bei kleineren Winkelntreten auf, wenn der durch den Horizont bestimmteAbstand zu einem Vielfachen des aktuellen Abstandswird. Bei großeren Winkeln hingegen spielen Schallfelderkeine Rolle.

Mit Modellannahmen wird das Leistungsspektrum be-rechnet. Ubereinstimmung mit den Daten folgt fur eineanfangliche statistische Verteilung der Energiedichte, inwelcher der Zusammenhang von Starken und Abstandenskaleninvariant ist, und mit Werten fr die Anteile vonDunkler Materie und normaler Materie relativ zumStrahlungsfeld, wie wir sie bereits diskutiert hatten.Dazu kommt die Dunkle Energie parametrisiert alsKosmologische Konstante. Das Leistungsspektrum zeigtausgepragte Struktur, und bestimmt die genanntenGroßen verbluffend prazise.

Betonen sollte man, dass die beobachtete Verteilung derkosmischen Strahlung unter Winkelabstanden großerals ein Bogengrad nicht beeinflusst ist von Ausgleichs-vorgangen. Die Temperatur dort ist dominiert durchden Sachs-Wolfe Efekt. Die entsprechenden Inhomoge-nitaten der Materie existierten “schon immer“! Auchist ihr Leistungsspektrum nahezu unabhangig vomBeobachtungswinkel, entsprechend der angenommenenSkaleninvarianz.

Berechnungen in Rahmen der hier nur angedeutetenVorstellungen reproduzieren die Daten im Detail. Auchversteht man die abnehmende Starke des Leistungs-spektrums zu kleinen Winkeln hin. Ursache ist unteranderem die langsame Auflosung des Plasmas, sodassder Zeitpunkt der letzten Streuung eines Lichtquants er-heblich variiert. Dem ersten akustischen Peak entsprachzum damaligen Zeitpunkt ein Abstand, den man physi-

kalisch versteht. Damit misst man in einem Dreieck vonkosmischer Dimension die Winkelsumme. Die Analysezeigt, dass der Raum flach ist im Sinne der EuklidischenGeometrie. Aus Starke und Form des ersten Maximumsund der nachfolgenden Extrema bei kleineren Winkelnkennen wir quantitativ den Anteil der normalen als auchder Dunklen Materie, relativ zur Anzahl der Photonendes Strahlungsfelds. Aus der flachen Geometrie folgtder Anteil der Dunklen Energie. Diese Beobachtungenprimarer Kenngroßen des kosmischen Systems gelten alsgesichert.

Fasst man diese Daten zusammen mit den Messungenzur Hubble-Konstanten, so ergibt sich fur den Kosmosein Alter von ungefahr 13,7 Milliarden Jahren. Mankann hier noch anmerken, dass eine besonders genaueMessung der Hubble-Konstanten gelang uber denGravitationslinsen-Effekt: Eine weit entfernte Quelle,deren Helligkeit mit der Zeit variierte, konnte in vierBildflecken identifiziert werden. Diese wurden von zweinahe beieinander liegenden Galaxienhaufen erzeugt.Die verschiedenen Bildflecken zeigten Unterschieden inder Laufzeit von etwa einem Monat. So konnte Geome-trie und Entfernung rekonstruiert werden, und aus derRotverschiebung der Quelle folgte die Hubble-Konstante.

C. Strukturbildung im expandierenden Kosmos

Wie hangen nun die Eigenschaften der beobachtetenHintergrundstrahlung mit der beobachteten Verteilungder Galaxien zusammen? Mittelt man uber sehr großeRaume, so erscheint auch die Verteilung der Galaxien inden verschiedenen Richtungen am Himmel als homogen,das passt zur Homogenitat der Hintergrundstrahlung. Inkleineren Skalen jedoch sind Galaxien, wie wir diskutierthaben, extrem inhomogen im Raum verteilt. Es gibtlokale Haufungen, ein Netz von Filamenten und riesigeLeerraume.

Die Gravitationsfelder waren durch das Verhaltender Dunklen Materie dominiert, es gibt funf malmehr Dunkle Materie als normale. Auch begann dieKonzentration der Dunklen Materie fruher, da die Ein-schrankungen auf Grund des Drucks des Strahlungsfeldsentfielen. Zum Zeitpunkt der Auflosung des Plasmaswich die Dichte der Dunklen Materie, die sich in denjeweiligen Zenten gesammelt hatte, gereits um bis zueinem Promille vom Mittelwert ab. Fur die Verteilungendes Plasmas war dieser Wert um einen Faktor Hundertkleiner. Nach der Auflosung des Plasmas folgte dieMaterie den lokalen Gravitationsfeldern, so wie diesesich auf Grund der immer starker konzentrierendenDunklen Materie einstellten. Auf Grund der gegensei-tigen Abhangigkeit war diese Strukturbildung ein sichselbst verstarkendes Geschehen, das zunehmend großereBereiche erfasste, und auch heute noch nicht beendet ist.

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Dabei war entscheidend, dass dies in einem expandie-renden Kosmos geschah, in dem fur eine lange Zeit dieGeschwindigkeit der Expansion abnahm, bis schliesslichdie Dunkle Energie dominierte. In der Konkurrenzvon Auseinanderlaufen, auf Grund der Expansion desRaums, und von Zusammenziehen, auf Grund der loka-len Felder, gab es fur jeden Bereiche einen Zeitpunkt, abdem das Zusammenziehen die Expansion uberwog. Nunkoppelte er von der kosmischen Expansion ab. Innerhalbdieser Bereiche konzentrierte sich die Materie durchwechselseitige Anziehung lokal weiter. Die außerhalbdieser Bereiche verbliebene Materie hatte sich auf immerweiter expandierende Volumina zu verteilen und dunnteentsprechend aus.

Fur die Dunkle Materie ist der Spielraum zu hoherKonzentration eingeschrankt, verbunden damit wardie Wandlung von potentieller Energie in kinetische.Bei normaler Materie folgte dann die Wandlung derkinetischen Energie in thermische. Wurde diese durchStrahlung abgegeben, schritt der Konzentrationsprozessweiter fort bis sich die hochkompakten spharischenVerteilungen bildeten, aus denen die Sterne entstanden.Bei der Dunklen Materie hingegen blieb es bis heutebeim ewigen Wechselspiel von potentieller und kineti-scher Energie, wie bei einem Pendel ohne Dampfung.Dementsprechend ergeben sich fur die Dunkle Materienicht die extrem hohen Konzentrationen der normalenMaterie. Fur Dunkle Materie liegt die relevante Skala derKonzentration eher im Bereich der Ausdehnungen vonGalaxien oder Galaxienhaufen. Zwischen diesen bildensich Brucken, die Filamente. Aufgrund des bleibenddynamischen Verhaltens der Dunklen Materie unterliegtsie einem Prozess der fortlaufenden Verschmelzung vonanfangs sehr vielen, aber eher massearmen Bereichen zuwesentlich wenigeren, doch massereicheren. Dies wird inModellrechnungen, etwa der sogenannten Millenniums-Simulation der Garchinger Astrophysiker, im Detailnachvollzogen. Dazu kommt ein kontinuierlicher Zuflussaus Bereichen niedriger Dichte. Abschatzungen furSpiralgalaxien zeigen, dass Verschmelzung und Zuflussin vergleichbarem Umfang zur Masse beigetragen hatten,die Verschmelzung aber knapp uberwiegt. In den lokalenKonzentrationen der Dunklen Materie strukturierte sichdie normale Materie.

Einen Zugang zur Verteilung der Dunklen Materiebietet die beobachtete Verteilung von Galaxienhaufen.Diese sind die Orte starkster Konzentration DunklerMaterie, hier laufen viele Filamente zusammen. Mankennt im Bereich der Rotverschiebung von weniger als20 Prozent fast alle Galaxienhaufen, es sind knapp2000. Deren Orte werden mit statistischen Methodenanalysiert, sodass man fur deren raumliche Verteilungein “Leistungsspektrum“ erhalt, ahnlich wie fur dieKosmische Hintergrundstrahlung. Man vergleicht diesemit Simulations-Rechnungen, bei denen fur die Zusam-mensetzung des Energieinhalts des Kosmos verschiedene

Annahmen gemacht werden. Sie unterstutzen die Para-meter des Standardmodells.

In den Verteilungen der Galaxien wird auch die Schall-ausbreitung im anfanglichen Plasma sichtbar, die mit derAuflosung des Plasmas endete. Dementsprechend sind dieursprunglichen Zentren der Schallausbreitung umgebenvon einer Hulle geringfugig erhohter Dichte. Dies ist ei-ne Kugelschale, deren Radius der Laufstrecke des Schallsentspricht. Da Bereiche erhohter Dichte Ausgangspunktverstarkter Galaxienbildung waren, erhalt man fur dieAnzahldichte von Galaxien als Funktion des Abstandseine Korrelation. Analog zum akustische Peak in derKosmologischen Hintergrundstrahlung spricht man voneinen akustische Peak in der Anzahldichte der Galaxien-verteilung. Der Radius dieser nur schwach ausgepragtenKorrelation liegt heute bei knapp 400 Millionen Licht-jahren, eine Folge der kosmische Expansion. Dies sindMaßstabe bekannter Lange im Raum. Gelingt es dieseauch in großem Abstand zu beobachten, so konnen wir anihnen unsere Vorstellungen von der Expansion des Raumsin der Zeit direkt uberprufen.

D. Die ersten Sterne, Entstehung der Galaxien

Die ersten Sterne, man spricht von denen der PopulationIII, entstanden nach weniger als 200 Millionen Jahren inBereichen besonders hoher Konzentration von DunklerMaterie. In diesen trafen Bereiche von Gas auf Grundder Beschleunigung durch das Schwerefeld mit sehrhohen Geschwindigkeiten aufeinander, sodass bei ihrerwechselseitigen Abbremsung Temperaturen entstanden,bei denen Warmeenergie abgestrahlt werden konnte.Da es sich damals ausschliesslich um Wasserstoff undHelium handelte, lag die Strahlung im Bereich deskurzwelligen Ultravioletts, entsprechend hoch musste dieTemperatur sein. War daruber hinaus das Schwerefeldgenugend stark, so blieb bei der weiteren Kontraktion diehohe Temperatur, und damit die Abstrahlung, erhalten,sodass Sternbildung einsetzte. Sie begannen mit einerMasse von mehreren 100 Sonnen. Entsprechend schnellbrannten sie ab, und endeten nach wenigen MillionenJahren als gigantische Supernovae oder als SchwarzeLocher.

Fur Massen kleiner als 250 Sonnenmassen erwartetman Supernovae auf Grund der Paar-Instabilitat: Nahedem Zentrum wurden die Gammastrahlen des ther-mischen Felds in Elektron-Positron Paare gewandelt,dies reduzierte die Gammastrahlung und die mit ihrverbundene abstoßende Kraft auf die ausseren Schichten.Im so verstarkten Kollaps durchlief das ganze Systemeinen thermonuklearen Fusionsprozess bis hin zu Nickelund Eisen. Auf Grund der freigesetzten Energie undder Schnelligkeit des Prozesses endete dies in einerExplosion, bei der kein Restkern verblieb. Mit großerGeschwindigkeit wurden einige zehn Sonnenmassen an

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Nickel und Eisen ausgestosen. Voraussetzung fur dieseArt von Supernova war eine Gas frei von schwerenElementen. Man glaubt, dass die Kompression großerBereiche von primordialem Gas auch heute noch innahen Zwerggalaxien realisiert sein kann, und erklart sodiee Beobachtung einer Supernova im Jahr 2007 (SN2007bi) mit vergleichbaren Eigenschaften.

Bei Sternmassen großer als 250 Sonnenmassen war derEnergiegewinn durch die eben beschriebene thermo-nukleare Fusion behindert durch die Desintegrationder gebildeten Elemente auf Grund der jetzt nochintensiveren Gammastrahlung. Dementsprechend fehltedie explosionsartige Beschleunigung. Die Energie wurdeabgestrahlt, das System kontrahierte und ging uber inein entsprechend massereiches Schwarzes Loch.

In den abgesprengten Hullen der Supernovae gab es,erstmals im Universum, die schwereren Elemente. DiesesMaterial bewegte sich entgegen der Richtung des Schwe-refelds, das durch die Dunkle Materie vorgegeben war,und der damit verbundenen Richtung des einstromendenGases. So ergaben sich turbulente Stromungsmusterund verdichtete Bereiche ausserhalb des Zentrums desSchwerefelds. Diese wurden zu weiteren Zentren vonSternentstehung.

Man hebt gerne hervor, dass mit diesen ersten Sternen-system eine dunkle Zeit von etwa 200 Millionen Jahrenzu Ende gegangen war. Es “wurde Licht“ im Kosmos.Und verbunden damit war Ionisation des umgebendenGases.

Die ersten Sterne entstanden in Bereichen besondersstarker Konzentration Dunkler Materie. Zu diesen bliebder weitere Zufluss an Materie besonders groß, sodassmit den ersten Sternen die Entstehung von SchwarzenLochern, Galaxien und Galaxienhaufen verknupft ist.Die Schwarzen Locher nahmen durch einstromendesGas, abgesprengtes Material von Supernovaprozessenund Kollisionen rasch an Masse zu. Aus ihnen gingen imLaufe der weiteren Entwicklung die supermassereichenSchwarzen Locher der jeweiligen galaktischen Zentrenhervor. Die extreme Schnelligkeit dieses Vorgangs istGegenstand der Forschung.

Mit dem verstreuten Material der Hullen begann, etwa500 Millionen Jahre nach dem Urknall, die Entstehungvon Sternen der zweiten Generation, der sogenanntenPopulation II. Die dem Gas beigemischten schwererenElemente ermoglichten nun die Abstrahlung von Warmebereits bei niederen Temperaturen, und damit dieBildung kleinerer Sterne. Dies loste aus ein Feuerwerkan Sternentstehung und Supernovaexplosionen. Ab-gesprengtes Material wurde akkretiert vom zentralenSchwarzen Loch, und strahlte die dabei gewonneneEnergie ab. Diese Phase endete jeweils dann, wenndas fur weitere Sternbildung verbliebene Gas zu heiss

geworden war. Wir finden Bereiche sehr alter Sternein ganz unterschiedlichen großen Systemen. Bei denriesigen elliptischen Galaxien betrifft dies ihre Ge-samtheit, bei den Spiralgalaxien ihren ausgebauchtenzentralen Bereich. Dabei scheint generell zu gelten, dassderen Massen in einem festen Verhaltnis stehen zu derihres zentralen, supermassereichen Schwarzen Lochs.Ebenfalls findet man diese sehr alten Sterne weiter außenin der Galaxis und in den Kugelsternhaufen. Sie sindabgesprengte Relikte aus der Kollision von Galaxien, dereine Verschmelzung folgte.

Die riesigen elliptischen Galaxien finden wir in denZentren von Galaxienhaufen. Diese bildeten sich inBereichen besonders hoher Konzentration DunklerMaterie. Ihr Gravitationsfeld ist so stark, dass es dassehr heisse Gas im intergalaktischen Raum des Haufensbindet. Danach war es zu heiss fur weitere Sternbildung.

Deutlich anders ist die Situation bei Spiralgalaxien.Diese bildeten sich in Bereichen deutlich geringererKonzentration Dunkler Materie. Mit der Erzeugung derPopulation II Sterne im zentralen Bereich sind Super-novae, Jets, und starke Erhitzungen verbunden, sodassviel Gas abgestoßen wird. Abschatzungen sprechen voneinem komplexen Muster von gleichzeitigem Zu- undAbfluss von Gas. Die Galaxie und der intergalaktischeRaum stehen in einem dynamischen Bezug zueinander.Unsere Galaxie entwickelte sich durch Einfang kleinererGalaxien und durch Zustromen von intergalaktischemGas. Der relative Anteil von beiden ist Gegenstand derForschung. Zustromendes Gas verdichtet sich und kannso durch Strahlung abkuhlen und in den molekularenZustand ubergehen. Aus diesem bildeten sich die junge-ren Sterne der Population I, zu der auch unsere Sonnegehort. In der Scheibe heute hat das interstellare Gas ei-ne betrachtliche Konzentration an schwereren Elementenund eine Masse, die im Vergleich zur Masse der bereitsgebildeten Sterne nur etwa ein Funftel betragt. Sehrinteressant ist, dass die Masse der Dunklen Materie, dieder Galaxis zugeordnet wird, doppelt so groß sein soll alsauf Grund der Masse der Sterne und des interstellarenGases zu erwarten ware. Dies wurde zeigen, dass durchden spateren Massezufluss, aus welchem die Scheibehervorging, der Masseverlust an erhitztem Gas in derPopulation II Phase noch nicht ausgeglichen wordenist. Man versteht so auch, dass die derzeitige Rate derSternentstehung um eine Großenordnung geringer ist alsvor etwa 10 Milliarden Jahren.

Mit dem Hubble Satelliten-Teleskop gelangen sogenannteDeep Field Aufnahmen in drei ausgewahlten Bereichen.In diesen schaut man in Tiefen von bis zu 12 bzw. 13Milliarden Lichtjahre zuruck. Sie zeigen das Entstehender Population II-Sterne in Galaxien, ein Anwachsender Sternentstehung in den ersten 3 Milliarden Jahren,eine maximale Sternentstehung vor 8 bis 10 MilliardenJahren und einen etwa 10 mal geringeren Zuwachs an

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Sternen heute. Die Bildung der ersten Galaxien kann mitden gegenwartigen Teleskopen noch nicht beobachtetwerden. Die Wellenlange der von ihnen emittiertenStrahlung ist auf Grund der nachfolgenden Expansiondes Kosmos sehr stark gedehnt und erfordert spezielleDetektoren. Entsprechend hoch ist die Erwartung anneue Teleskope auf Satelliten. Der aktuelle Rekordliegt in der Beobachtung einer Galaxie, bei der dieWellenlange des Licht um das 8,5 fache vergroßert ist. Eswurde 600 Millionen Jahre nach dem Urknall emmittiert.

Die Angaben der Entfernungen von Galaxien und damitauch von Alter beruht auf gemessenen Rotverschiebun-gen und auf der Modellierung des Ablaufs der kosmolo-gischen Expansion.

X. DIE ERSTE HALBE STUNDE

Eine dritte Beobachtung, die das Modell der kosmischenExpansion stutzt, ist die Verteilung der Haufigkeit derElemente. In Bereichen, die durch Sternentstehung nochnicht beeinflusst sind, beobachtet man nur Wasserstoffund Helium, sowie Spuren von Lithium, pauschal gesagt,75 Prozent Wasserstoff und 25 Prozent Helium, in Ge-wichtsanteilen. Diese Verteilung existiert so seit der er-sten halben Stunde des Universums und wird deshalbauch gerne primordial genannt.Man versteht sie quantitativ im Rahmen der kosmischenExpansion. Um deren Verlauf darzustellen, beginnenwir mit Temperaturen, die weit oberhalb der Energienlagen die uns an Teilchenbeschleunigern zuganglich sind.Expansion bedeutete Abnahme der Energiedichte undals Folge davon Abkuhlung. Die Temperatur gibt an diemittlere Energie pro Freiheitsgrad. Ihr Verlauf resultiertaus dem jeweils sich einstellendem thermodynamischenGleichgewicht. Damit ist gemeint, dass ein Systembei vorgegebener Energiedichte maximaler Entropiehat: Alle Zustande, die das System bei vorgegebenerEnergie einnehmen konnte, sollten gleich wahrschein-lich realisiert sein. Dabei ist der Begriff des Zustandsdurch die Quantenmechanik definiert. So kann man,im Prinzip, die Zahl der Zustande als Funktion derEnergiedichte abzahlen, das Verhaltnis dieser beidenGroßen bestimmt die Temperatur. Diese Definition derTemperatur verlangt eine ausreichend große Zahl vonWechselwirkungen. Falls eine vorhandene Teilchenart andiesen Wechselwirkungen nicht mehr teilnahm, sodassihre Zustande sich nicht mehr anderten, so bildete dieseein thermodynamisch unabhangiges System.

Wahrend der Expansionanderten sich sowohl die Tem-peratur als auch die Zusammensetzung der Materie.Bei sehr hohen Temperaturen lagen die elementarenTeilchen, die drei Familien der Quarks und Leptonen(Elektronen, Neutrinos), und ihre Antiteilchen, frei vorin dem Strahlungsfeld, welches die Wechselwirkungenvermittelt. Dies bestand aus den Feldquanten der

Starken, Schwachen und Elektromagnetischen Wech-selwirkungen, das sind die Gluonen, die W und ZBosonen, und die Photonen. Man spricht von einemQuark-Gluon-Plasma. Mit der Temperatur nahm dieDichte der Feldquanten, ebenso wie die Dichte derTeilchen-Antiteilchenpaare, ab. Verbunden damit warenPhasenubergange: Quarks und Leptonen aus Familienmit hoher Masse zerfielen durch Schwache Wechsel-wirkung in solche mit kleiner Masse, freie Quarks undGluonen verbanden sich zu Protonen oder Neutronen,die Z-Bosonen zerfielen in Neutrino-Antineutrino-Paare,die W-Bosonen, entsprechend ihrer elektrischen Ladung,in Elektron-Antineutrino-Paare oder deren Antiteilchen,und die Elektron-Antielektron-Paare in zwei Photonen.Die bei jedem dieser Phasenubergange frei gesetztenEnergien bewirkten eine Zunahme der Temperatur,diese war ihrer kontinuierlichen Abnahme uberlagert.Die Phasenubergange erfolgten bei Temperaturen, dieden jeweils frei gesetzten Energien entsprachen.

Die Symmetrie von gleich vielen Protonen und Neu-tronen wurde mit sinkender Temperatur verschoben zuGunsten der Protonen, da diese etwa ein Promille leich-ter sind. Jedoch war bei einem kosmischen Alter von 0.2Sekunden die Dichte so weit gefallen, dass Reaktionenvon Neutrinos unwahrscheinlich wurden. Dies hatte zweiwichtige Konsequenzen. Die Neutrinos verblieben aufGrund des Fehlens weiterer Wechselwirkungenin ihrenZustanden, sie hatten sich zu diesem Zeitpunkt verab-schiedet aus dem thermodynamischen Gleichgewicht.Danach nahm ihre Energie ab allein auf Grund derExpansion des Raums. Zwischen Protonen und Neutro-nen war das thermodynamische Gleichgewicht mit demAusbleiben von Reaktionen mit Neutrinos beendet. Denweiteren Verlauf bestimmte nun der radioaktive Zerfallvon Neutronen zu Protonen, mit einer Halbwertszeit vonetwa 10 Minuten.

Nach einem kosmischen Alter von etwa einer Sekunde wardie Energie des Strahlungsfelds nicht mehr ausreichend,Elektron-Antielektron-Paare zu bilden. Die Elektron-Antielektron-Paare verschwanden, sie zerfielen in zweiPhotonen. Dieser Phasenubergang bewirkte eine signi-fikante Zunahme der Zahl der Photonen. Danach bliebihre Anzahl konstant. Nach diesem Phasenubergang gabes Milliarden mehr Photonen als Protonen und Neutro-nen. Alle Energien, die von diesen in nachfolgenden Reak-tionen freigesetzt wurden, waren jedoch klein verglichenmit der Energie des Strahlungsfelds, sodass sie dessenTemperatur nicht beeinflussten. Sie folgte allein dem Ge-setz der Expansion. Da die Neutrinos vor der Elektron-Antielektron-Annihilation freigesetzt wurden, ist derenTemperatur um einen Faktor 1,4 niedriger.

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A. Die primordiale Elementsynthese

Die freien Protonen und Neutronen wurden gebundendurch die Starke Wechselwirkung, bevorzugt zu Kernendes Heliums. Diese sind mit zwei Protonen und zwei Neu-tronen besonders stabil. Die Reaktion dazu erfolgte je-doch in Schritten. Dabei erwies sich der erste Schritt alsein Flaschenhals, der den zeitlichen Ablauf beherrschte.Da Systeme aus nur zwei Protonen oder nur zwei Neu-tronen nicht stabil sind, bestand der erste Schritt immerin der Verbindung eines Protons mit einem Neutron. Dieso gebildeten Kerne des schweren Wasserstoffs, Deuteri-um, sind jedoch vergleichsweise schwach gebunden. Beihohen Temperaturen wurden sie so schnell dissoziiert,dass weiter Reaktionsschritte hin zum Drei- und Vier-Nukleonensystem keine Rolle spielten. Dies anderte sicherst, als die Temperatur unter den Wert von einer Milliar-de Grad gefallen war, nach etwa 100 Sekunden. Die wei-teren Reaktionen waren dann so schnelle Prozesse, dassdie verbliebenen Neutronen rasch

gebunden waren. Somit wurden die Kerne des He-liums innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne erzeugt.Ihre Anzahl entspricht dem Verhaltnis von freienNeutronen zu Protonen zu diesem Zeitpunkt, denviel zitierten 3 Minuten. Die Teilchendichte des Gasesdamals war bereits niedrig, sie lag unterhalb der einesGases bei Zimmertemperatur und Atmosphrendruck.Die Energiedichte jedoch war riesig, denn diese bliebnoch lange von den Photonen (und Neutrinos) dominiert.

Die Bildung der Heliumkerne beinhaltet das Zusam-menfugen der elektrischen Ladungen von zwei Protonengegen ihre elektrische Abstoßung. Dies wurde durch dierasch sinkende Temperatur erschwert, sodass Reste vonDeuterium und des radioaktiven Tritiums im PromilleBereich und darunter verblieben. Noch viel starkerunterdruckt war die Bildung der nachst schwererenchemischen Elemente. Verstarkt wurde dies durch denUmstand, dass alle Kerne der Massezahl 5 oder 8instabil sind. Somit hatte sich nach etwa 30 Minuten dieprimordiale Elementhaufigkeit eingestellt.

Unter Verwendung von Labordaten wird die primor-diale Elementsynthese rechnerisch nachvollzogen. Mitden Daten zur Materie- und Photonendichte aus der Kos-mischen Hintergrundstrahlung und mit unseren Vorstel-lungen uber das zeitliche Verhalten der Expansion folgtdie Vorhersage von vier Messgroßen: relativ zu Wasser-stoff die Haufigkeiten des schweren Wasserstoff-IsotopsDeuterium, der beiden Helium-Isotope und einer extremniedrigen Beimengung von Lithium-Isotopen. Die hervor-ragende Ubereinstimmung gilt als uberzeugender Beweisfur das Urknallmodell.

XI. UBERLEGUNGEN ZUM ANFANG

Der Ablauf in den ersten Minuten und die Zeit danachgilt seit langem als gesichert. Will man die Zeit davorphysikalisch diskutieren, dann kommen bei den nunviel hoheren Temperaturen die Antiteilchen ins Spiel.Im thermodynamischen Gleichgewicht entstehen auszwei Photonen entsprechend hoher Energie ein ele-mentares Teilchen und sein Antiteilchen, zum Beispielein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, oderein Neutrino und sein Antineutrino. Bei noch hoherenTemperaturen entstehen ein Quark und sein Antiquark.Thermodynamisches Gleichgewicht bedeutet, dass esauch den Umkehrprozess gibt: ein Elektron und einPositron vernichten sich gegenseitig und zwei Photonenin Form harter Gammastrahlung werden freigesetzt.Entsprechendes gilt fur die Quarks. Pauschal gesagt wirdStrahlungsenergie in Materie umgesetzt und umgekehrt.Da es mehrere Milliarden mehr Photonen als Atomegibt, bestand die Materie der Fruhphase hauptsachlichaus Photonen extrem hoher Energien und aus Paarenvon Teilchen und Antiteilchen in vergleichbarer Anzahl.

Die Physik der Elementarteilchen kennen wir aus Be-schleunigerexperimenten. Entsprechend der maximalenEnergie des LEP-Beschleunigers am CERN gelten dieVorgange bis zu Energien von 200 GeV als verstanden.Ubersetzt in Temperaturen und Zeit fuhrt uns dieszuruck in ein Alter des Universums von nur einerzehntel Milliardstel Sekunde. Das thermodynamischeGleichgewicht bedingte, dass die Zahl der Teilchen-Antiteilchen-Paare die Zahl der heute in der Materievorhandenen Quarks und Leptonen um viele Großenord-nungen ubertraf, schatzungsweise um einen Faktor voneiner Milliarde. Dies zeigt die immense Energiedichtedes damals alles beherrschenden Strahlungsfelds. Diesesbestand nun aus Photonen, den freien Feldteilchender Elektromagnetischen Wechselwirkung, und ausGluonen, den Feldteilchen der Starken Wechselwir-kung. Diesen Zustand bezeichnet man als Quark-GluonPlasma. Zu diesem kamen dann noch die Feldteilchender Schwachen Wechselwirkung. Waren sie aufgrundentsprechend hoher Temperatur freigesetzt, so war dieReichweite der Schwachen Wechselwirkung nicht mehreingeschrankt, vielmehr wurde sie in ihrer Starke mitder Elektromagnetischen vergleichbar. Man spricht vomElektro-Schwachen Phasenubergang.

Der Energieinhalt des Kosmos war umso großer, jeweiter wir in der Zeit zuruck denken. Verstandlichwird diese Aussage nur, wenn man sich klar macht,dass dieser Energieinhalt im Gleichgewicht stand zurpotentiellen Energie, die sich aus der Gravitation ergab.Diese Beitrge zur Energie addierten sich naherungsweisezu Null. Die potentielle Energie der Gravitation istQuelle des Energieinhalts des Universums.

Damals war die Energie des Strahlungsfeld sammt

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der erzeugten Teilchen/Antiteilchen Paare um vielesgroßer als die Ruhe-Energie der Elementarteilchen, ausdenen die Materie heute besteht. Weiterhin lasst dieriesige Zahl der Teilchen-Antiteilchen-Paare die Zahlder Teilchen, die nach der Vernichtung ubrig gebliebensind, als minimal erscheinen, als nahezu vernachlassigbar.

Dies ist nun ein weiterer ganz wichtiger Punkt. Die vonden Kosmologen diskutierten Konzepte gehen aus voneiner vollig symmetrischen Anfangssituation, entspre-chend der des Strahlungsfelds. Sie nehmen aus, dass derminimale Uberschuss an Teilchen sich im Rahmen derkosmischen Evolution erst entwickelt hatte auf Grundeiner Wechselwirkung, welche diese Symmetrie bricht.In der Tat beobachtet man bei bestimmten Mesonenradioaktive Zerfalle, welche diese Teilchen/Antiteilchen-Symmetrie verletzen. Dies zeigt, dass die uns bekanntePhysik es erlaubt, einen Vorgang dieser Art anzuneh-men. Jedoch ist die aus dem Mesonzerfall abgeleiteteStarke nicht ausreichend um diesen, fur die Kosmologieentscheidend wichtigen Vorgang, auch quantitativ zubeschreiben. Somit bleibt diese Frage ein aktuelle Zielder Forschung von Teilchenphysikern und Kosmologen.

Alle weiteren Uberlegungen zum Anfang mussen uberden Rahmen der heute gesicherten Physik hinausgehen.Im Rahmen der Allgemeinen Relativitatstheorie mochteman die Entstehung beschreiben als einen kontinuierli-chen Prozess, auch wenn die Zeitskala dafur extrem engist. Ziel dabei ist, alle Zusammenhange in den beobach-teten Eigenschaften als kausal bedingt darzustellen. Mangeht aus von moglichst einfachen Verhaltnissen am An-fang, sodass die spezifischen Eigenschaften der Materieund der Wechselwirkungen in der Folge entstanden sind.Dies ist ein naturliches Konzept, da bei hochsten Tem-peraturen Unterschiede aufgrund der Masse der elemen-taren Teilchen oder der Masse der elementaren Quantender Wechselwirkung bedeutungslos waren. Erst mit derAbnahme der Temperatur wurden diese signifikant.

A. Das Horizontproblem

Aus jeder Uberlegung zum Beginn des Universumsmuss folgen, dass der Kosmos in seinem großskaligenVerhalten homogen ist. Es geht also um die Frage: woherkommt die Isotropie der kosmischen Hintergrundstrah-lung? Kausal begrunden kann man diese nur, wenn allediese Bereiche sich einmal in physikalisch bedingterWechselwirkung befunden hatten. In einem Kosmos, dervom Anfang an verzogert expandierte, ist dies jedochunmoglich. Vom anfanglichen Plasma, das wir uber dieKosmische Hintergrundstrahlung beobachten, wissenwir bereits, dass die akustischen Wellen maximal solcheStrecken zuruckgelegt hatten, die wir heute unter einemAbstand von nur einem Bogengrad sehen. Demnachsollten alle großeren Bereiche unverbunden sein. Dadie Geschwindigkeit der akustischen Wellen von der

Großenordnung der Lichtgeschwindigkeit war, kann mandies als Aussange fur jede Art von Wechselwirkungennehmen.

Um diese Fragen richtig einzuordnen,vergleichen wir ver-schiedene Arten der Expansion. Entscheidend dabei istder Begriff des Horizonts. Alle Bereiche des Raums ent-fernen sich von einander, und deren Geschwindigkeitensind proportinal zu den Entfernungen. Wenn nun, voneinem bestimmten Ort aus gesehen, diese Geschwindig-keiten großer werden als die des Lichts, so sind Ereignissedort von diesem Ort aus nicht mehr zu sehen. Man sagt,diese Bereiche liegen hinter dem Horizont. Ereignisseausserhalb des Horizonts konnen auf diesen Ort nichtmehr einwirken, und umgekehrt. Je schneller die Ex-pansion, desto kleiner der Raum innerhalb des Horizonts.

Nehmen wir etwa an, dass mit der Expansion des Raumsdie Energiedichte des Universums sich gerade so andernwurde, dass die Geschwindigkeiten der Expansionzeitlich konstant blieben. Dann wurde der Horizontimmer den gleichen Bereich des expandierenden Raumsumfassen. Falls wir uns die Galaxien als schon immerexistierende Objekte ruhend im Raum denken wurden,dann bliebe die Anzahl der sichtbaren Galaxien, inner-halb des Horizonts, wahrend der Expansion konstant.

Nimmt hingegen mit der Expansion die Energiedichtestark ab, so ist die Expansion verzogert, wie wir disku-tiert hatten. Bei einer Reise in die Vergangenheit wurdenwir sehen, wie die Geschwindigkeiten der Expansionimmer großer wurden und der Horizont entsprechendschrumpfte. Man wurde immer weniger Galaxien sehen,sie verschwanden zunehmend hinter dem Horizont.

Ein anderer Grenzfall ware die Situation einer konstantenEnergiedichte, wie sie formal durch eine kosmologischeKonstante beschrieben werden konnte. Dies entsprichtder beschleunigten Expansion. Dann wurde bei einerReise ruckwarts in der Zeit der Horizont einen immergroßeren Teil des Raums umfassen. Denkt man rein for-mal und nimmt man fur die Konstante einen sehr hohenWert, so schrumpft der gesamte Kosmos schließlich aufein Volumen innerhalb des Horizonts, bevor er in dieSingularitat des Anfangs mundet.

Diese Diskussion soll zeigen, dass in einem nur verzogertexpandierenden Weltall die beobachtete Isotropie nichterklart werden kann. Der heute sichtbare Kosmos warein der Vergangenheit in immer kleinere, physikalischnicht verbundene Bereiche vereinzelt. Man spricht vomHorizontproblem.

Die Losung des Problems sieht man darin, dass die Ge-schwindigkeiten der Expansion, wie wir sie kennen, erstentstanden sind in einer voraus gegangenen Phase be-schleunigter Expansion. Statt eines instantanen Urknallsdenkt man an einen graduellen Prozess, in welchem der

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Verzogerung eine Beschleunigung vorausging. Aus diesemGedanken heraus entstand um 1980 das Inflationsmodell.Dieser theoretische Ansatz erklart jedoch deutlich mehrals nur die Isotropie. Um dies alles in den richtigen Zu-sammenhang zu stellen, sollen zuvor einfache Uberlegun-gen zu einem Anfang im eigentlichen Sinne vorgestelltwerden.

B. Planck-Skala, der Anfang

Fur ein homogenes und isotropes Universums folgt ausder Allgemeinen Relativitatstheorie der Anfang als Sin-gularitat, alle Abstande des Raumes seien Null. Diesemathematisch formale Aussage widerstrebt dem physi-kalischen Denken. Wie kleine Dimensionen sind physika-lisch noch sinnvoll? Der Physik in diesem Bereich wid-men sich Theoretiker, die etwa an String-Theorien arbei-ten. Auch wenn wir noch keine Theorie haben, die Gravi-tation und Quantenmechanik vereinigt, macht man ger-ne einfache Abschatzungen: Die Quantenmechanik undHeisenbergs Unscharferelation besagen, dass bei extre-mer Beschrankung des Raums der Impuls und damit dieEnergie sehr groß werden. Und von Einsteins AllgemeinerRelativitatstheorie haben wir bereits die Schwarzschild-Beziehung benutzt, die jeder Masse, und damit jederEnergie, einen Schwarzschild-Radius zuordnet. Wird nunder Schwarzschild-Radius großer als die betrachtete Lo-kalisation, so diskutiert man eine Lokalisation innerhalbeines Schwarzen Lochs, und das ist von einem Stand-punkt außerhalb des Schwarzen Lochs physikalisch sinn-los. Auf diese Art erhalt man eine Lange von 10−35m,welche man als kleinsten, physikalisch noch sinnvollenWert fur die Angabe eines Abstands betrachtet. Man be-zeichnet diese als Planck-Lange. Dividiert man sie mitder Lichtgeschwindigkeit, so folgt daraus eine kleinste,physikalisch noch sinnvolle Zeitdifferenz, die Planck-Zeit.Entsprechend erhalt man den Energieinhalt, die Planck-Energie, und die davon abgeleitete Energiedichte, welcheextrem hoch ist.

C. Inflationare Expansion

Das Modell der Inflation geht davon aus, dass eszu Anfang, aus nicht verstandenen Grunden, einensehr kleinen Bereich gab mit Energiedichten in derGroßenordnung der Plank-Skala. Manche sehen in derErzeugung dieses anfanglichen Bereichs eine Art vonQuantenfluktuation von Feldern oder von Objekten,die wir nicht kennen. Modellmaßig beschrieben werdennur die Vorgange nach dem Anfang. Die Expansiondes anfanglichen Bereichs folgte den Gesetzen derAllgemeinen Relativitats Theorie. Entscheidend ist nundie Annahme, dass danach sehr bald ein Feld wirksamwurde, dessen Energiedichte nur wenige Großenordnun-gen kleiner war als die Planckdichte, und dass fur einegewisse Zeitdauer der Expansion diese Energiedichte sich

kaum anderte. Die naherungsweise Konstanz der Ener-giedichte dieses Feldes, ein ganz eigenartiges Verhalten,ist als zentrale Aussage des Inflationsmodells anzusehen.Manche stellen sich vor ein Feld im Grundzustandmit einer Energiedichte,die einer quantenmechanischenNullpunktsenergie entspricht. Deswegen wird diesesFeld haufig auch als Falsches Vakuum bezeichnet.Ihm entspricht eine Raum-Zeit Dynamik, wie sie einekosmologische Konstante erzeugen wurde, die jedoch nurfur eine gewisse Zeitspanne wirksam ist. Abweichungenvon einer zeitlichen Konstanz dieser Energiedichte lassensich getrennt diskutieren. Dem sehr hohen Wert derEnergiedichte entsprach eine extreme Schnelligkeit einerExpansion mit naherungsweise konstant bleibenderBeschleunigung, wir hatten dies beim Friedmann Modellder Allgemeinen Relativitatstheorie kennengelernt.Die Phase der Expansion, in der die Energiedichte solangsam abnahm, dass sie naherungsweise noch wie eineKonstante erschien, wird als slow roll bezeichnet. Danachfolgte eine Phase, in der diese Energiedichte ubergingin ein Strahlungsfeld sehr hoher Temperatur, aus demdie uns bekannten Elementarteilchen entstanden sind.Diesen Prozess bezeichnet man als “reheating“. Manspricht hier auch gerne von einem Phasenubergang,aus einem sehr einfachen, moglicherweise quantenme-chanisch geordneten Zustand entstand ein wesentlichkomplexerer, die Entropie hatte zugenommen. Derzeitliche Verlauf folgt formal aus der Abhangigkeit derEnergiedichte von einer Feldgroße, die als dynamischeVariable zu betrachten ist. Je nach Modell konnen auchmehrere Feldgroßen in die Theorie eingehen.

Die Phase des reheating stellt den heissen Urknall(hot big bang) dar, und mit ihr begann die verzogerteExpansion. Mit abnehmender Temperatur entwickeltesich nun die Physik, die wir kennen. Dies alles ist eineBeschreibung des Anfangs, keine Erklarung. Wir kennenweder die physikalische Natur des Felds der inflationarenPhase noch die Grunde fur das Ende dieser Phase. InBerechnungen mit Modellen hat man in irgendeinerForm die Abnahme der Energiedichte am Ende derinflationaren Phase zu parametrisieren.

Die Inflation ist Ursache dafur, dass sich aus einemmikroskopisch klein gedachtem Beginn ein Kosmosentwickelt hat, der sehr viel großer ist als der heutebeobachtbare. Den Kosmos in der Gesamtheit konnenwir nicht beschreiben, wir haben uns auf den unszuganglichen und vergleichsweise kleinen Ausschnittzu beschranken. So erledigt sich das Problem einerKrummung des Raums: Das beobachtete euklidischeVerhalten ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dassein sehr kleiner Bereich eines insgesamt irgendwiegekrummten Raums immer noch als geradlinig er-scheint. Der in der inflationaren Phase neu erzeugteEnergieinhalt ist riesig, verglichen mit dem davor. Dadieser homogen verteilt ist, sind etwaige raumliche In-homogenitaten des Anfangs so stark verdunnt, dass der

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beobachtbare Kosmos als homogen erscheint. Weiterhinwurden exotische Teilchen, die bei den Energiedichtender Planckskala moglicherweise erzeugt worden sind,raumlich so stark getrennt, dass sie allein deswegenheute nicht zu beobachten sind.

Der Energieinhalt des Kosmos entstand in dieser Phaseder Inflation gemeinsam mit dem Feld der Gravitation.In der Sprache der Newtonschen Mechanik hebensich der Energieinhalt und das Feld der Gravitationgegenseitig auf. Wir haben also ein Entstehen beinaheaus dem Nichts, verursacht durch die Eigenschaften desAnfangs, dem die Rolle eines Katalysators zukommt.Energiedichte, Gravitation und Expansion des Raumssind miteinander untrennbar verkoppelt. Das, was imverzogert expandierenden Kosmos als Feinabstimmungvon Energiedichte und Expansion angesehen werdenmag, ist somit Folge und nicht Ursache.

D. Kosmische Quantenfluktuationen

Man hat fur die beschleunigte Expansion extrem hoheWerte anzunehmen. Dann war das physikalische Ge-schehen an einem bestimmten Ort nur noch von seinerunmittelbaren Umgebung bestimmt. Alles, was nach sehrkurzer Zeit, auf Grund der beschleunigten Expansiondes Raums, hinter dem Horizont verschwunden warkonnte nicht mehr auf diesen Ort zuruckwirken.

Wichtig dabei ist, dass dieser Horizont eine Langenskalavorgab, mit der die Heisenbergsche Unbestimmtheitsbe-ziehung relevant wurde: Die Quantenmechanik erlaubtes einem System kurzzeitig in einen anderen Zustanduberzugehen und dabei die Forderung nach Erhaltungder Energie zu verletzen. Die Verletzung der Energieer-haltung darf dramatisch sein, sofern nur die Zeitdauerder Verletzung entsprechend kurz ist. BeobachtbareEffekte ergeben sich jedoch immer erst dann, wenn dieRuckkehr des Systems in den ursprunglichen Zustandverhindert ist. Auf diese Weise versteht man, z.B. in derQuantenelektrodynamik, die beobachteten Wechselwir-kungen. Elektrisch geladene Teilchen erzeugen standigFeldquanten, die sie anschliessend wieder vernichten.Nur wenn die Vernichtung des Feldquants an einemanderen elektrisch geladene Teilchen erfolgt, wird eineWechselwirkung vermittelt. Der Impuls des Feldquantswurde von einem Teilchen auf das andere ubertragen.Im Fall der Inflationaren, d.h. beschleunigten Expansiongeht es darum, dass Bereiche, welche die Erhaltungder Energie verletzten, den Horizont uberschreiten.Damit wird die Wiederherstellung des ursprunglichenZustands unmoglich. Entscheidend dabei ist, dass dieselokale Anderung der Energie, die Quantenfluktuationender Energiedichte, sich darstellt als Fluktuation derMetrik von Raum und Zeit. Das ist die Konsequenz derAllgemeinen Relativitats-Theorie.

Die Fluktuation der Metrik ruhen im Raum und expan-dieren mit diesem. Entsprechend nimmt innerhalb desHorizonts ihre Starke mit der Expansion ab, gemaß derHeisenbergschen Unbestimmtheits-Relation. Uberschrei-tet die Fluktuation auf Grund der Expansion des Raumsden Horizont, so ist ihre Starke am Horizont alleindurch dessen Große festgelegt. Soweit dieser konstantzeitlich ist, bleibt auch die Starke der Fluktuationen indieser Zeitspanne konstant. Nimmt jedoch wahrend derInflationaren Phase die Energiedichte des InflationarenFelds mit der Zeit etwas ab, so wachst der Horizontmit der Zeit, und entsprechend schwacher sind die ihnspater verlassenden Fluktuationen. Entscheidend ist,dass ausserhalb des Horizonts die relativen Starken derFluktuationen der Metrik, und damit der Energiedichte,erhalten blieben. Fur die Phase der beschleunigten Ex-pansion ist dies eine verbluffende Aussage: Die Zunahmedes Energieinhalt des Universums auf Grund der Infla-tion verdunnt die relativen Starken der Fluktuationennicht.

Im nachfolgenden Phasenubergang zur verzogertenExpansion blieb die relative Starke der Fluktuationder Metrik erhalten, (genauer: sie hatte sich zu Endeder Inflation sogar noch etwas verstarkt). Als spaterdiese Bereiche der Fluktuation aus dem Horizont wiederhervortraten, hatten sie nichts von ihrer relativen Starkeverloren! Auf Grund der Verknupfung von Metrik undEnergiedichte gingen quantenmechanisch mikroskopischeStrukturen uber in makroskopisch kosmologische!

Fluktuationen ruhen im Raum. Heute unterscheiden sichsolche aus fruheren Zeitpunkten von denen aus spaterendurch ihre raumlichen Ausdehnungen, entsprechendder nachfolgenden Expansion des Raums. Ihre Starkenzeigen nur geringe Abweichungen von einer Skalenin-varianz, dies ist eine besonders einfache statistischeVerteilung. Mittlerweile ist es aus der Analyse derKosmischen Hintergrundstrahlung gelungen, fur diezeitlich spateren Fluktuationen eine etwas geringereStarke nachzuweisen, der

”Spektralindex“ ist etwas

kleiner als eins. Im Rahmen des skizzierten Modellszeigt diese Abweichung, dass die Energiedichte des infla-tionaren Felds geringfugig mit der Feldgroße abnimmt.Die Anzahl der erzeugten Fluktuationen pro Zeit istals freier Parameter des Modells anzusehen. Modelliertman die anschließenden, gravitativ ablaufenden erstenKonzentrationsprozesse bis zum Zeitpunkt der Emissionder Kosmischen Hintergrundstrahlung, so erhalt mandie dort beobachtete Verteilung der Korrelationen. Diesbetrifft die beobachteten Winkelbereiche kleiner als einBogengrad. Sie gehen hervor aus von Quantenfluktua-tionen zu eher spateren Zeitpunkten, und sind durch diediskutierten Ausgleichsprozesse im Plasma modifiziert.Die beobachteten Strukturen in Winkelbereichen großerals ein Bogengrad hingegen zeigen die Quantenfluktua-tionen zu fruheren Zeitpunkten der inflationaren Phase,

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jedoch ohne Modifikation. Sie zeigen die relative Starken,wie sie damals erzeugt wurden, kurz nach der Planckzeit.Ein faszinierender Aspekt! Aus der Anpassung an dieexperimentellen Daten folgt die Annahme eines sehrfruhen Zeitpunkts und einer sehr kurzen Zeitdauerdieser insgesamt extrem schnellen inflationaren Expan-sion. Sie umfasste eine Ausdehnung um mindestens 30Großenordnungen. In der dann anschließenden Phase derverzogerten Expansion hatte sich der Raum bis heuteum mindestens weitere 30 Großenordnungen ausgedehnt.

Das Konzept der Inflation kann man als ein minimalisti-sches Modell auffassen. Es erklart in konsistenter Weisedie Homogenitat und die Isotropie des beobachtetenKosmos, das Euklidische Verhalten des Raums undinsbesondere die Quantenfluktuationen, den Ausgangs-punkt aller Strukturbildung.

E. Zum Konzept

Die anfangliche Situation war bestimmt durch Gravi-tation und Quantenphysik. Wir haben keine Theorie,die beides umfasst, somit ist der Begriff der PlanckSkala eine pauschale Umschreibung. Da mit dem Anfangauch Raum und Zeit entstanden, kommt naturlich dieFrage auf, ob auch diese Begriffe quantenhafte Strukturhaben, ob sie aus einem Ansatz folgen. Jedenfalls hattedie anfangliche Situation im Bereich der Planck Skaladie Eigenschaft, das inflationare Feld hervorzubringen.Das die Daten erfolgreich beschreibende Konzept einesinflationaren Felds fuhrt zu theoretischen Fragen, dieoffen sind. So entsteht die Frage, ob das Entsteheneines Universums mehrfach erfolgt, ob es noch weitereUniversen gibt. Letztlich wird es wohl darum gehen Wegaufzuzeigten, Aussagen dieser Art zu falsifizieren.

Aus dem Inflationaren Feld entstand die uns heutebekannt Materie. Dieser Vorgang zeigt Eigenschafteneines Phasenubergangs. Wie dieser Prozess im Einzelnenablief ist eine der großen Fragen. Danach gab es nurnoch solche Prozesse der Wandlung, die wir physikalischnachvollziehen konnen.

Diese Vorstellungen zum Anfang werden als notwendigangesehen um die Eigenschaften des so Entstandenen zuverstehen. Man kann dies als ein induktive, bottom-upStrategie bezeichnen, die ausgeht von den Phanomenen.Eine deduktive, top-down Herleitung aus einem umfas-senden Naturgesetz gibt es noch nicht. Diese erst warephysikalisches Verstehen im eigentlichen Sinne. Dazuallerdings bedarf es neuer Einsichten in die Grundlagender Physik.

Das Ende der Inflation war verbunden mit der Erzeugungder uns heute bekannten Teilchen und Felder. Dabeisollte das Higgs-Feld und die Supersymmetrie eine Rolle

gespielt haben. Das Modell der inflationaren Expansiongeht explizit aus von einem symmetrischen Universum.Damit ist gemeint, dass mit dem Ende der InflationTeilchen und Antiteilchen paarweise entstanden. DasMehr an Teilchen gegenuber den Antiteilchen muss sichim Zeitraum dieser Phasenubergange ergeben haben auseiner Brechung der Teilchen-Antiteilchen Symmetrie.Die uns vertraute Materie heute entspricht allein diesemUberschuss an Teilchen.

Das Modell der Inflation beinhaltet eine pauschale Be-schreibung der Entstehung des Energieinhalts des Uni-versums. Energiedichte und Gravitation waren miteinan-der so verknupft, dass ihre wechselseitige Erzeugung ausdem Nichts heraus physikalisch konsistent ist. Die Ener-giedichte bestimmt die Raumzeit, die sich als Expansiondarstellt.

F. Elementarteilchenphysik und ExperimentelleStrategien

In der kosmischen Expansion durchlief das Feld eineweite Skala von Energiedichten, mit anfangs sehr hohenWerten. Dies schafft einen engen Bezug zur Teilchen-physik.

Einen Zugang zu einer Theorie, die Quantenphysikund Gravitation umfasst, erhofft man sich aus denUberlegungen zur Stringtheorie. In dieser hat der Raum10 oder 11 Dimensionen. Die elementaren Objekte sindfadenformige Strukturen, Strings, und vielleicht auchFlachen, die sich aus diesen erzeugen lassen. Ein Teildieser Dimensionen ist lokalisiert gedacht, aufgewickelt,sodass man es in großeren Abstanden nur mit denvertrauten 4 Dimensionen von Raum und Zeit zu tunhat. Wichtig sind nun die Bewegungen der Strings. Diesesind irgendwie quantisiert gedacht. Im 4-dimensionalenRaum erscheinen sie in den angesprochenen Abstandenals Elementarteilchen und Feldquanten. Bei diesemVorgehen haben die Feldquanten Quantenzahlen, beidenen auch die Gravitation mit dabei sein sollte. DieTheorie ist jedoch alles andere als eindeutig. Da derAnsatz rein formal ist, haben wir es mit einer Art vonGruppentheorie zu tun, die nicht notwendig auf diePhysik von Elementarteilchen beschrankt ist. Man darfauf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Die Starken der fundamentalen Wechselwirkungenund die Massen der elementaren Teilchen stehen heu-te noch unverbunden da. Man mochte diese Großenverstehen als Folge von Symmetriebrechungen einerfundamentalen Beschreibung. Diskutierte Konzeptesind der Higgs-Mechanismus und die Supersymmetrie(SUSY). Beide Konzepte gehen davon aus, dass alleelementaren Wechselwirkungen - mit Ausnahme derGravitation - und alle elementaren Teilchen eineneinheitlichen Ursprung haben. Man beschreibt dies

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durch entsprechende Symmetrien. Diese Symmetrienjedoch sind gebrochen, sodass bei den uns zuganglichenEnergien die Massen der elementaren Teilchen unddie Starken der elementaren Wechselwirkungen, derElektromagnetischen, der Schwachen und der Starken,ganz unterschiedlich sich ganz unterschiedlich darstel-len. Dies ist der Higgs-Mechanismus. Er ist Teil desStandard-Modells. Das Standard-Modell ist extremerfolgreich und experimentell sehr sorgfaltig untersucht.Der einzige noch fehlende Baustein darin ist der expe-rimentelle Nachweis des Higgs Teilchens. Dabei ist esoffen, ob es nur eine Sorte oder mehrere verschieden gibt.

Das Konzept der Supersymmetrie ordnet jedem derbekannten Elementarteilchen und jedem der bekanntenQuanten der Wechselwirkungen ein supersymmetrischesPartnerteilchen zu. Diese haben, auf Grund einer starkenBrechung dieser Symmetrie, Massen oberhalb des Be-reichs, der uns an Beschleunigern zuganglich ist. Mit denhoheren Energien am LHC, dem neuen Beschleunigeram CERN, erhofft man den Nachweis sowohl der Higgs-Teilchen als auch der leichtesten Supersymmetrischen.Die leichtesten Supersymmetrischen Teilchen geltenals die naturliche Kandidaten fur Dunkle Materie, undwurden auch deren beobachtete Haufigkeit erklaren.Auch beeinflussen sie die Starken der Wechselwirkun-gen. Berechnet man, ausgehend von den beobachtetenWerten, deren Verhalten bei hoheren Energien unterBerucksichtigung der Supersymmetrischen Teilchen, sosollten diese bei einem entsprechend hohem Wert derEnergieskala zusammenfallen. Damit hatte man denAusgangspunkt verifiziert.

Die Teilchen der Dunklen Materie sollten eine Massehaben, die der Großenordnung nach bei der Masse vonschweren Atomkernen liegt. Ihre Geschwindigkeiten sinddurch das Gravitationspotential der von ihnen gebildetenGalaxien bestimmt. Bisher kennen wir Dunkle Materienur durch ihren Beitrag zur Gravitation in Systemenvon zumindest galaktischen Dimensionen. Davon un-abhangige Nachweise erhofft man von Detektoren, indenen Stoße von Teilchen der Dunklen Materie mit denAtomkernen von Detektoren nachgewiesen werden. Mangeht davon aus, dass solche Stoße, falls es sie denn gibt,nur auf Grund der Schwachen Wechselwirkung erfolgenund dementsprechend selten sind. Dabei ware die aufAtomkerne ubertragene Ruckstoßenergie zu klein umdie umgebende Materie ionisieren. Dementsprechend hatman Ruckstoße dieser Art noch nicht beobachtet. Eswird jedoch versucht die geringen Ruckstoßenergien uberdie Erwarmung von Detektorkristallen nachzuweisen.Der Kunstgriff dabei ist, die Warmekapazitat durchAbkuhlen auf tiefste Temperaturen extrem zu reduzieren.

Auch wenn in einer Galaxie auf Grund ihrer Evolutiondie Geschwindigkeiten der Teilchen von Dunkler Materiein einem weiten Bereich streuen, spricht man dochgerne von Kalter Dunkler Materie. Das bezieht sich auf

die Situation, die sich aus der kosmischen Expansionergibt. Auf Grund der fehlenden Starken und Elektro-magnetischen Wechselwirkung hatten sich die Teilchender Dunklen Materie schon sehr fruh vom thermischenGleichgewicht abgekoppelt, dementsprechend fuhrte dieanschliessende Expansion heute zu einer sehr tiefenTemperatur. Wegen der fehlenden Streuprozesse einzel-ner Teilchen blieb diese auch erhalten. Deshalb hat manin den Galaxien ein Gemisch von Bereichen mit ganzunterschiedlichen Geschwindigkeiten, die selber jedochjeweils sehr kalt sind.

Eine anderere Strategie des Nachweises Dunkler Materieberuht auf der Annnahme, dass diese aus Teilchen undihren Antiteilchen bestehen. Sie wurden wie alle Materiein der Fruhphase paarweise im heissen Plasma erzeugt.Solange Temperatur und Dichte hoch genug waren, stan-den Erzeugung und Vernichtung im thermodynamischenGleichgewicht. Danach jedoch wurde entscheidend, dassdie Vernichtung Dunkler Materie nur uber die SchwacheWechselwirkung erfolgen konnte und somit entsprechendselten erfolgt. Dementsprechend ergab sich auf Grundder Expansion des Raums bereits zu einem vergleichs-weise fruhen Zeitpunkt die Situation, dass die paarweiseVernichtung der Teilchen und Antiteilchen der DunklenMaterie keine wesentliche Rolle mehr spielte, ihre Dich-te war zu gering dafur, der verbliebene Rest uberdauertedie weitere Expansion. Die Situation ware vergleichbarmit der von kosmischen Neutrinos. Diese wurden in Paa-ren von Teilchen und Antiteilchen erzeugt und entgingenschon bald ihrer paarweisen Vernichtung auf Grund ihrergeringen Wechselwirkung.

Ausgehend von einer weitgehend homogen Verteilungkonzentrierte sich die kalte Dunkle Materie in demdiskutierten Prozess der Galaxienbildung. Somit gibtes heute fur die Dunkle Materie Bereiche wesentlichgesteigerter Dichte, und man kann erwarten, dass indiesen Prozesse der paarweisen Vernichtung DunklerMaterie mit beobachtbaren Raten stattfinden. Es gehtnun darum Zerfallsprodukte zu beobachten, die als Si-gnatur geeignet sind. Kandidaten sind Gamma Strahlenim GeV Bereich. Man muss diese naturlich von der ausanderen Quellen unterscheiden. So darf man auf dieEntwicklung gespannt sein.

Eine weitere Aufgabe wird es sein, experimentell nach-gewiesene Dunkle Materie physikalisch zuzuordnen. EinAnsatz unter anderen ist das Modell der Supersymme-trie. Diskutiert wird Dunkle Materie als Supersymmetri-scher Partner von Lichtquanten. Es wird spannend, obund wie Kosmologie und Elementarteilchen-Physik hierzusammenkommen.

XII. RESUMEE

Der zunachst skizzierte Kenntnisstand zur physika-lischen Geschichte der Erde, der Sonne, der Galaxis

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und der Galaxien, der Schwarzen Locher und, mitEinschrankungen, der Dunklen Materie, gilt als weitge-hend gesichert. Dabei geht es jeweils um Prozesse derStrukturbildung aus einer eher homogenen Ausgangssi-tuationen. Die Kosmologie im engeren Sinn befasst sichmit der Entwicklung des Universums als Ganzem undbeschreibt einen Expansionsprozess, fur den ein Anfangvorausgesetzt wird. Experimentelle Informationen hierzuhaben wir aus den vielen Untersuchungen zur Hubble-Beziehung zwischen Rotverschiebung und Entfernungvon Galaxien, aus der Kosmischen Hintergrundstrahlungund aus der Primordialen Elementsynthese. Aus denUntersuchungen zur Hubble-Beziehung kennen wir diegroßraumige Struktur in der Verteilung von Galaxien-haufen. Die Typ-Ia-Supernovae als Entfernungsmesserzeigen uns die gegenwartig stattfindende beschleunigteExpansion. Saul Perlmutter (*1959), Brian Schmidt(*1967) und Adam Riess (*1969) erhielten

”fur die Ent-

deckung der beschleunigten Expansion des Universumsdurch Beobachtungen weit entfernter Supernovae“ 2011den Nobelpreis. Die Verknupfung dieser Phanomene zueiner fur den gesamten Bereich gultigen Beschreibungerfordert zwei Energie tragende Feldern zu postulieren:das Feld der Inflation, aus dem der gesamte Energiein-halt des Kosmos hervorgegangen war, und das Feld derDunklen Energie, welches in der gegenwartigen Spatpha-se sichtbar wird. Das Feld der Inflation beschreibt dieEntstehung aus dem Nichts. Es verschwand, als aus ihmin Phasenubergangen die uns heute bekannten Formenvon Energie und Materie entstanden. Ob das Feld derDunklen Energie eine physikalisch erklarbare Ursachehat oder einfach eine Eigenschaft des Raums darstellt,erscheint als offen. Beide Felder haben gemeinsam, dassihre Energiedichten als unabhangig von der Expansiondes Raums angenommen werden konnen. Dies Verhaltenentspricht dem einer kosmologischen Konstanten. Einesolche Konstante wurde von Einstein als vertraglichmit der Allgemeine Relativitatstheorie erkannt, un-abhanig von ihrem Zahlenwert. Bei Expansion desRaums beschreibt sie eine Zunahme des Energiein-halts des Raums, die aus der ebenfalls zunehmendenGravitationsenergie gespeist wird. Die Summe dieserbeiden Anderungen der Energie ist Null. Die Physikdes Anfangs verbindet Konzepte der Kosmologie undder Elementarteilchenphysik. Das Paradigma eines An-fangs folgt aus Einsteins Allgemeiner Relativitatstheorie.

Sehr deutlich sollte man daran erinnern, dass die kos-mologische Diskussion auf zum Teil dunnem Eis gefuhrtwird: Von den heute kosmologisch relevanten Energiensind nur 5 Prozent physikalisch bekannten Formen zu-geordnet. Die Natur der Dunklen Materie ist noch un-bekannt. Die Dunkle Energie, heute mit etwa 70 Pro-zent der wichtigste Beitrag zum Energieinhalt des Uni-versums, wurde formal eingefuhrt um den Rahmen derphysikalischen Gesetze nicht zu verlassen. Die Kosmolo-gie fordert dazu auf, die Physik in einen neuen, breiterenRahmen zu stellen.

Physik ist jedoch mehr als neu entdeckte Phanomeneauf jeweils neu postulierte Modellvorstellung zuruck-zufuhren. Um neue Modellvorstellungen als Teil derPhysik zu betrachten, sollten sie daruber hinaus Vor-hersagen fur andere Systeme machen, die experimentellnachprufbar sind. So bezog sich Newtons Gravitati-onsgesetz uber hundert Jahre lang nur auf Krafte,die ihren Ursprung in der Erde oder in der Sonnehatten. Der Schritt weg von diesen Himmelskorpern zuObjekten im Laboratorium gelang erst Cavendish. Inkunstvollen Experimenten maß er fur zwei Korper derenwechselseitige Anziehung als Funktion ihrer Massen undder Abstande voneinander, und bestimmte so erstmalsNewtons Konstante, die Basis aller kosmologischen Be-rechnungen. Manches braucht eben Zeit, der spekulativeCharakter der aktuellen Kosmologischen Vorstellungenspricht nicht gegen sie. Historisch gesehen gibt es keinenGrund fur eine konservative Einstellung. Wesentlichist die logische Stringenz des Modells, und so wirddie Wissenschaft der Kosmologie sicher sehr spannendbleiben.

Denkt man uber das, was hier als kosmologisches Ge-schehen vorgestellt wurde, unter eher weltanschaulichenGesichtspunkten nach, so vermittelt die Physik derKosmologie sehr konkrete Vorstellungen von einemAnfang und von moglichen Formen des Endes, von derEntwicklung von Strukturen, und auch davon, wie inunterschiedlichen Großenordnungen ganz verschiedeneGesetzmaßigkeiten relevant werden.

Sie zeigt auch in beeindruckender Weise die Rolledes Zufalls. Prozesse, die fur unsere Existenz letztlichentscheidend sind, waren stochastischer Natur: dieVerteilung der Quantenfluktuationen am Anfang iststochastisch, die Entstehung eines jeden Sterns ausriesigen Bereichen von Supernova-Staub erfolgt aus einerZufallssituation, ebenso die Bildung der einzelnen Plane-ten aus einer rotierenden Staubscheibe, und spater danndie Einschlage eines Protomondes und anderer Kometenauf die Erde. Diese Relevanz des Zufallsgeschehens setztsich fort in der Geschichte der Biologie: Voraussetzungder Evolution des Lebens war gerade die Vielzahl derSelektionskriterien, die in ganz unterschiedlicher Weisewirksam wurden und jeweils Minderheiten bevorzugthatten. Die geanderten Selektionskriterien erschienenzumeist als Umweltkatastrophen, Meteoreinschlage,Verlagerungen der Erdkruste, Klimawechsel, Brande,alles Ereignisse die wir als stochastisch ansehen.

Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Zufall kannman auch nach der Bedeutung der Naturkonstanten fra-gen. Nach dem Stand der Kenntnis heute haben wir furdie Massen der elementaren Teilchen und die Starkender elementaren Wechselwirkungen deren Zahlenwerteals vorgegeben zur Kenntnis zu nehmen. Eine ubergrei-fende Theorie, aus der diese folgen, wird noch gesucht.Hatten diese Zahlen nur geringfugig andere Werte, so

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ware vieles, und insbesondere unsere Existenz, in Fragegestellt. Angesichts einer Situation, welche die Entwick-lung des Universums, trotz aller stochastischen Prozesse,als zielgerichtet erscheinen lasst, kann man auch an Ein-steins viel zitierte Frage denken, ob Gott, als er die Welterschuf, dabei auch eine Wahl gehabt hatte. Sobald manuberlegt, ob eine ubergreifende Theorie Spielraum lasst,kann man auch weiter fragen, ob die Natur diesen auchrealisiert. Vorstellungen, dass es noch weitere Universengeben konnte, in denen sich die Physik in modifizierterForm darstellt, werden so attraktiv. Um diesen Vorstel-lungen jedoch den Anspruch von Wissenschaftlichkeit zugeben, hatte man Experimente auszudenken, welche diebehaupteten Vorstellungen auch als falsch erweisen konn-ten. Auch diese hatten davon auszugehen, dass wissen-schaftlich begrundete Vorstellungen von Raum und Zeitgrundsatzlich verbunden sind mit der Entwicklung desuns bekannten Universums. Im Hinblick auf die Zeit stelltder Anfang eine Barriere dar, da er Kausalitat, die Rei-hung von Ursache und Wirkung, auflost. Damit ist alleEmpirie beschrankt auf den Bereich, aus dem uns Lichterreichen kann.

XIII. DANK

Diese Niederschrift hat das Ziel, unter Vermeidung vonFachsprache uber Beobachtungen und Vorstellungen zusprechen, die mir zum Verstandnis der Kosmologie alswichtig erscheinen, und diese als Physik darzustellen.Sie ist gepragt von dem, was ich im Munchener Umfeldmitbekomme.

Es gibt aktuelle Darstellungen von fachkundigen LMUKollegen. Die Bucher von Gerhard Borner und vonHarald Lesch wenden sich an einen breiteren Leserkreis,ebenso wie das von Gunther Hasinger, der immerhinan der LMU begonnen hatte. Der Text von ViatcheslavMukhanov wendet sich eher an den Fachstudenten. Undnaturlich ist das Web eine Fundgrube.

Mein herzlicher Dank fur eine Durchsicht des Manu-skripts in einem fruhen Stadium und fur wichtige An-regungen gilt Otmar Biebel und Andreas Muller.

XIV. NACHTRAG: PHYSIKALISCHEGRUNDLAGEN

Im Folgenden sollen einige der verwendeten physika-lischen Grundlagen im Zusammenhang angesprochenwerden. Die Vergangenheit ist mit der Gegenwartverknupft durch die Erhaltungssatze der Physik. Diessind die Erhaltung von Energie, Impuls, Drehimpuls undder Anzahl von elementaren Teilchen. Die Geschichteder Sonne war ein Bericht uber die zeitliche Ent-wicklung eines Gleichgewichts. Dementsprechend sindBegriffe der Thermodynamik, Druck und Temperatur

die relevanten Großen. Dabei ist die Temperatur einMaß fur die mittlere kinetische Energie der einzelnenObjekte. Anderungen der Temperatur ergaben sich ausder Wirkung der Gravitation, einer der elementarenWechselwirkungen der Physik. Die Gravitation bewirktAnziehung, nie Abstoßung. Ihre Starke ist proportionalder Masse und kann bei entsprechender Akkumulationvon Masse extreme Werte errreichen. Verglichen mit deranfanglichen Gas-Staubwolke ist die Sonne ein kompak-tes System, das sich selbst bindet. Bei der Kontraktionhatte die Gravitation Energie frei gesetzt: potentielleEnergie wurde in kinetische Energie gewandelt, unddiese durch nachfolgende Stoßprozesse in Warmeenergieuberfuhrt. Gleichgewicht in einem starker gebundenenZustand stellte sich jeweils erst dann wieder ein, wennein Teil dieser Bewegungsenergie durch Abstrahlungvon Warme aus dem System entfernt worden war. DasGleichgewicht bedingt, dass das System umso starkergebunden ist, je kleiner es geworden ist. Auch wachst mitder Bindung die Bewegungsenergie im Innern und damitdie Temperatur. Die Existenz der Planeten verdankenwir dem Drehimpuls der anfanglichen Gas-Staub Wolke.Wenn auch die Masse der Sonne die der Planeten umGroßenordnungen ubertrifft, so gilt fur die Drehimpulsegerade des Gegenteil. Nur so ist das System stabil.

Die Erzeugung von Energie aus Wasserstoff im Innernder Sonne beginnt, wenn Protonen die elektrischeLadung von Elektronen aufnehmen. Dabei werdenaus Protonen Neutronen und aus Elektronen Neutri-nos. Diese Reaktion, in der sich Wasserstoffatome inNeutronen und Neutrinos wandeln, ist aufgrund derEnergieerhaltung jedoch nur dann moglich, wenn sichdie Neutronen sofort mit je einem weiteren Protonverbinden und so Deuteriumkerne bilden. Aus denenentsteht nach weiteren Reaktionsschritten das besondersfest gebundene Helium. Hierzu tragen alle elementarenWechselwirkungen bei: Die Umwandlung von Protonenzu Neutronen ist ein Prozess der Schwachen Wech-selwirkung. Der Energiegewinn bei den nachfolgendennuklearen Bindungen in Atomkernen ergibt sich ausder Starken Wechselwirkung. Die ElektromagnetischenWechselwirkung bestimmt die Anziehung von Protonenund Elektronen und die wechselseitige Abstoßung derProtonen. Weiterhin ist das Licht eine Folge dieserWechselwirkung. Die Erzeugung und Absorption vonLicht ist ursachlich verbunden mit der Anderung derBewegung von Elektronen.

Von der Erde aus sehen wir von diesem Geschehennur das Licht und, falls man die Apparaturen dazuhat, die Neutrinos. Beobachtet man mit einer hoch-empfindlichen Photozelle Licht niedriger Intensitat, soerscheint Licht als ein Strom von einzelnen Teilchen,den Lichtquanten. Die Wellenlange von Licht lasst sichmit einem Beugungsgitter messen. Alle Lichtquanteneiner bestimmten Wellenlange haben dieselbe Energie.Lichtquanten und Neutrinos sind elektrisch neutral,

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Lichtquanten haben keine, Neutrinos fast keine Masse.Sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit, bzw. fastmit Lichtgeschwindigkeit. Neutrinos unterliegen derSchwachen Wechselwirkung. Fur ihre Anzahl geltenErhaltungsgesetze. Auf Grund der Schwachen Wech-selwirkung durchdringen sie sehr große Schichten vonMaterie ohne irgendeine Reaktion. Ganz anders dieLichtquanten. Sie werden erzeugt oder vernichtet inWechselwirkung mit Elektronen. Durchsichtige Materiewie Glas oder Luft passieren sie nur, da Atome aufGrund ihrer quantenmechanisch bestimmten Eigen-schaften Licht nur im Bereich bestimmter Wellenlangenabsorbieren. Ein Beispiel dafur sind Fraunhofers Linien.

A. Teilchen und Felder

Neutrinos sind elementare Teilchen wie die Elektronenund die Quarks, die Bausteinen von Protonen und Neu-tronen. Nur diese sind stabil, fur ihre Anzahlen geltenErhaltungssatze. Entscheidend ist das von WolfgangPauli 1925 formulierte Ausschließungsprinzip. Zweigleiche elementare Teilchen konnen nie am selben Ortund nie im selben Zustand sein. Der Begriff Zustandgehort zur Quantenmechanik. Einfache Vorstellungendazu ergeben sich aus der 1926 von Erwin Schrodingerformulierten Wellengleichung und insbesondere aus der1927 von Werner Heisenberg publizierten Unscharferela-tion. Aus dem Pauliprinzip und der Quantenmechanikfolgt die Struktur aller Materie. Bei Atomen ist siebestimmt durch die elementaren ElektromagnetischenWechselwirkung von Elektronen und Atomkernen. BeiMolekulen und festen Korpern entsteht die Struktur ausden Wechselwirkungen der Atome untereinander. Diesejedoch sind nicht mehr elementar, sondern folgen aus derStruktur der beteiligten Atome und der Elektromagneti-schen Wechselwirkung. Analog ist die Situation bei denProtonen und Neutronen, man spricht von Nukleonen.Sie bestehen aus Quarks und dem zwischen ihnenwirkendem Feld der Starken Wechselwirkung. Die Kraftezwischen den Nukleonen folgen aus ihrer Struktur undder Starken Wechselwirkung Die Schwache Wechselwir-kung ist zu schwach, um gebundene Systeme zu erzeugen.

Vergleicht man diese quantenmechanisch gebundenen Sy-steme mit den gravitativ gebundenen, so kann man nach

der Rolle der Temperatur fragen. Von ihr ist nicht dieRede, solange man die jeweils tiefstliegenden Zustandediskutiert. Bei diesen ist die Bewegungsenergie bereits inder Nullpunktsenergie enthalten, und diese folgt unmit-telbar aus Heisenbergs Unscharfe-Relation. Die Tempera-tur kommt erst ins Spiel, wenn man angeregte Zustandebetrachtet.

B. Feldquanten

Soviel zu den Teilchen. Das Licht hingegen besteht ausFeldquanten. Sie werden von elektrischen Ladungenerzeugt und absorbiert. Neben den genannten Beispielenkann man an Ausstrahlung und Empfang von Radiowel-len mit einer Antenne denken oder an die Emission vonSynchrotronstrahlung in Beschleunigern fur Elektronen.Die Elektromagnetische Wechselwirkung versteht manals Austausch dieser Feldquanten. Im Gegensatz zuden elementaren Teilchen folgen Feldquanten nicht demPauliprinzip, vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall:Feldquanten sind besonders gern im selben quanten-mechanischen Zustand. Darauf basiert das Prinzip desLasers. Der Strahl dieser besonders effektiven Lichtquellebesteht aus extrem vielen Photonen, die im Idealfallalle im selben quantenmechanischen Zustand sind. DerLaserstrahl ist die makroskopische Darstellung einesquantenmechanischen Zustands. Seine Besetzung mitvielen Feldquanten kann man an ihm im Detail studieren.

In analoger Weise werden auch die anderen elementarenWechselwirkungen durch Feldquanten vermittelt. Die derSchwachen Wechselwirkung wurden in den 80-iger Jahrenam LEP-Beschleuniger des CERN entdeckt. Sie ahnelnden Photonen der Elektromagnetischen Wechselwirkung.Statt masselos zu sein, sind sie jedoch extrem schwer undzerfallen nach sehr kurzer Zeit. Auch konnen sie elek-trische Ladung tragen. Die Starke Wechselwirkung wirddurch Gluonen vermittelt. Experimentell kann man sienur indirekt nachweisen, man versteht sie auf Grund ih-rer Wirkungen. Im Gegensatz zu den anderen Feldteil-chen wechselwirken die Gluonen miteinander, und tra-gen so zur Masse von Protonen und Neutronen bei, dieerheblich großer ist als die Masse ihrer Bausteine, derQuarks. Die Feldquanten der Gravitation sind verknupftmit der Vorstellung von Gravitationswellen. Es wurdengroße Apparaturen aufgebaut in der Erwartung, etwasdirekt nachzuweisen.

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[5] H.Lesch und J.Muller,Kosmologie fur Fussganger,Goldmann (2001).Weißt Du wieviel Sterne stehen?C.Bertelsmannn (2008).Kosmologie fur helle KopfeGoldmann (2006).

[6] P.Davies,Der Kosmische Volltreffer,Campus (2008).

[7] Webseiten der Universitatssternwarte Munchenwww.usm.uni-muenchen.de

[8] Webseiten des MPA fur Astrophysikwww.mpa-garching.mpg.de

[9] Webseiten des MPE fur Extraterrestrische Physikwww.mpe.mpg.de

[10] Webseiten der ESOwww.eso.org/public/

[11] Physik Journal,diverse Beitrage

[12] Spektrum der Wissenschaftendiverse Beitrage