Ökostrom LICHT- - 4hundred · Ökostrom-Siegel: Gütesiegel, die den Ökostrom zer-tifizieren,...

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76 77 FOCUS-MONEY 49/2019 FOCUS-MONEY 49/2019 MONEYSERVICE LICHT- BLICK Ökostrom Kurze Kündigungsfristen bei langer Preisgarantie, kombiniert mit Sofort-Boni und regenerativer Energie. Welche Stromanbieter der Klientel faire Ökotarife liefern F air Trade, Fair Fashion, Fair Value, Fair Play. Fairness ist gerade hipp, als Thema aus der gesellschaftlichen Diskussion um Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit einfach nicht mehr wegzudenken. Manche sprechen im Kontext von Fairness auch von Anständigkeit. Was Sozi- ologen als „selbstverständlich empfundener Maßstab für ethisch-moralischen Anspruch und Erwartung an gutes oder richtiges Verhalten“ interpretieren. Vorgefertigte Er- wartungen an Gutes und Richtiges – das haben wir alle. Was ist fair? Was jedoch erwarten wir als mündige Ver- braucher hierzulande von „fairen“ Stromanbietern? Si- cherlich zunächst einmal vor allem niedrige, stabile Preise. Ist das wirklich alles? Nein, natürlich nicht! „Faire Tarife manifestieren sich auch in kurzen Vertragsbindungen und Kündigungsfristen, langfristiger Preisstabilität und ökologischer Ausrichtung“, erklärt Lundquist Neubauer, Sprecher beim Verbraucherportal Verivox aus Heidelberg. Nur: Welche der hierzulande über 1100 Stromanbie- ter mit ihren mehr als 6000 Tarifmodellen haben wirk- lich „faire“ Vertragsbedingungen parat? Antworten darauf gibt eine umfangreiche Analyse von Verivox mit dem Fokus auf essenziellen Fairness-Kriterien (s. Methode Seite 78/79). Erste Wahl in Sachen Fairness ist laut Veri- vox-Analyse derzeit der zur britischen Octopus Energy gehörende Branchenneuling 4hundred mit seinem Tarif „4hundred Ökostrom“ (s. Tabelle unten). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die beiden Unternehmen Original Energie („Originalstrom online“) aus Oranienburg und LogoEnergie („LogoStrom clever“) aus Euskirchen. Die Strompreise in Deutschland sind auf Rekordniveau. Aktuell zahlt eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden laut Verivox-Verbraucherpreis-In- dex durchschnittlich rund 1178 Euro für Energie aus der Steckdose – so viel wie nie zuvor. „Damit sind in den ver- gangenen zehn Jahren die Strompreise um mehr als 30 Prozent gestiegen“, bilanziert Neubauer. Ein Musterhaus- halt mit 4000 Kilowattstunden Verbrauch etwa musste laut Verivox im Oktober 2019 im Schnitt 285 Euro mehr für Strom berappen als noch im Oktober 2009. Die regionalen Preisunterschiede sind dabei enorm: Während die Elektri- zitätskosten in Sachsen-Anhalt um 21 Prozent kletterten, habe Berlin laut Verivox ein Preisplus von 55 Prozent ver- bucht. Im europäischen Vergleich ist Deutschland mit Dä- nemark sogar Spitzenreiter im Hinblick auf Strompreise. Neubauer: „Unter Berücksichtigung der Kaufkraft zah- len wir innerhalb Europas sogar am meisten für Strom.“ Fiskus mischt kräftig mit. Eine Kilowattstunde Strom schlug hierzulande laut Verivox im Oktober 2019 im Schnitt mit 29,46 Cent zu Buche. Gut 50 Prozent dieser Summe sind allerdings staatliche Abgaben und Steuern. „Hinzu kommen die Netzentgelte, die ein weiteres Vier- tel des Strompreises ausmachen“, bilanziert Neubauer. So verbleiben für die Energieversorger letztlich nur rund 25 Prozent für Beschaffung, Marge und Vertrieb. „Dadurch ist ihr Spielraum bei der Preisgestaltung begrenzt“, er- klärt Julian Ludwig, Bereichsleiter Energie bei Verivox. Was nicht heißt, dass die mehr als 1100 Stromanbieter zwischen Flensburg und Garmisch im Rahmen ihrer Ta- rifpolitik keinen Spielraum für faire, garantierte Preise ab dem Zeitpunkt der Belieferung hätten. Zwei Varianten von Preisgarantien sind in den Allgemeinen Tarifbedin- gungen der Stromlieferanten Usus: Die „eingeschränkte“ Garantie schließt neben den Beschaffungs- und Vertriebs- kosten (reine Energiekosten) auch Netznutzungsentgelte ein, die jeder, der Strom durch das Versorgungsnetz lei- tet, den Netzbetreibern zahlen muss. Laut Verivox-Prog- nose steigen die Netznutzungsentgelte 2020 um durch- schnittlich sechs Prozent. Von der eingeschränkten Preis- garantie ausgenommen sind An- passungen sämtlicher Steuern wie Mehrwert- und Stromsteuer nebst Abgaben, etwa die Konzessionsabga- be, und Umlagen wie die zur För- Faire Ökostrom-Anbieter: die Tops im Überblick Rang Anbietername Tarifname Gesamt- kosten 1) Öko- strom Öko- siegel Dauer der Preisgarantie Art der Preis- garantie 2) Punkte Öko- siegel Punkte Preis- garantie Punkte Art der Preis- garantie 2) Punkte Preis 3) Punkte gesamt 1 4hundred GmbH 4hundred Ökostrom 1148 ¤ ja ja 12 Monate volle PG 1 1 2 2,9 6,9 2 ORIGINAL ENERGIE ORIGINALSTROM ONLINE 1160 ¤ ja ja 12 Monate volle PG 1 1 2 2,3 6,3 3 LogoEnergie LogoStrom clever 1152 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 2,6 5,6 4 Grünwelt grünstrom pur 1155 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 2,5 5,5 5 Greenpeace Energy Ökostrom aktiv 1227 ¤ ja ja 31.12.19 eing. PG 2 1 1 1,3 5,3 6 ESWE Versorgungs AG ESWE Natur STROM flex 1191 ¤ ja nein 31.12.21 eing. PG 0 2 1 2,1 5,1 7 Phönixstrom Phönixstrom 2019 1137 ¤ ja nein 12 Monate eing. PG 0 1 1 3,0 5,0 7 ENPURE ENPURE Strom 1191 ¤ ja nein 12 Monate volle PG 0 1 2 2,0 5,0 9 SE SAUBER ENERGIE SAUBER STROM Wasser & Wald 1151 ¤ ja nein 12 Monate eing. PG 0 1 1 2,8 4,8 9 Strasserauf electricitaet 1213 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 1,8 4,8 9 NaturStromHandel naturstrom 1265 ¤ ja ja 31.12.19 eing. PG 2 1 1 0,8 4,8 1) brutto pro Jahr (bundesweiter Mittelwert) bei einem Verbrauch von 4000 kWh; 2) eingeschränkte Preisgarantie: gilt für alle Preiskomponenten mit Ausnahme von Steuern (Mehrwert-, Strom- bzw. Erdgassteuer) sowie staatlichen Abgaben und Umlagen (z. B. EEG-Umlage oder Konzessionsabgabe). Volle Preisgarantie: gilt für alle Preiskomponenten (mit Außnahme der Mehrwertsteu- er, der Stromsteuer oder eventuell neu eingeführter gesetzlicher Abgaben); 3) Punktevergabe erfolgte auf einer Skala von 0 Punkten (das teuerste Angebot der nach den Fairness-Kriterien ermit- telten Tarife) bis 3 Punkten (das günstigste Angebot der ermittelten Tarife); volle PG = volle Preisgarantie; eing. PG = eingeschränkte Preisgarantie Quelle: Verivox; Stand: 30. Oktober 2019 Im Test: 6000 Stromtarife FAIRSTER ÖKOSTROM- ANBIETER Foto: 123RF

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76 77FOCUS-MONEY 49/2019 FOCUS-MONEY 49/2019

MONEYSERVICE

LICHT- BLICK

Ökostrom

Kurze Kündigungsfristen bei langer Preisgarantie, kombiniert mit Sofort-Boni und

regenerativer Energie. Welche Stromanbieter der Klientel faire Ökotarife liefern

Fair Trade, Fair Fashion, Fair Value, Fair Play. Fairness ist gerade hipp, als Thema aus der gesellschaftlichen

Diskussion um Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit einfach nicht mehr wegzudenken. Manche sprechen im Kontext von Fairness auch von Anständigkeit. Was Sozi-ologen als „selbstverständlich empfundener Maßstab für ethisch-moralischen Anspruch und Erwartung an gutes oder richtiges Verhalten“ interpretieren. Vorgefertigte Er-wartungen an Gutes und Richtiges – das haben wir alle.

Was ist fair? Was jedoch erwarten wir als mündige Ver-braucher hierzulande von „fairen“ Stromanbietern? Si-cherlich zunächst einmal vor allem niedrige, stabile Preise. Ist das wirklich alles? Nein, natürlich nicht! „Faire Tarife manifestieren sich auch in kurzen Vertragsbindungen und Kündigungsfristen, langfristiger Preisstabilität und ökologischer Ausrichtung“, erklärt Lundquist Neubauer, Sprecher beim Verbraucherportal Verivox aus Heidelberg.

Nur: Welche der hierzulande über 1100 Stromanbie-ter mit ihren mehr als 6000 Tarifmodellen haben wirk-lich „faire“ Vertragsbedingungen parat? Antworten darauf gibt eine umfangreiche Analyse von Verivox mit dem Fokus auf essenziellen Fairness-Kriterien (s. Methode Seite 78/79). Erste Wahl in Sachen Fairness ist laut Veri-vox-Analyse derzeit der zur britischen Octopus Energy gehörende Branchenneuling 4hundred mit seinem Tarif

„4hundred Ökostrom“ (s. Tabelle unten). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die beiden Unternehmen Original Energie („Originalstrom online“) aus Oranienburg und LogoEnergie („LogoStrom clever“) aus Euskirchen.

Die Strompreise in Deutschland sind auf Rekordniveau. Aktuell zahlt eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden laut Verivox-Verbraucherpreis-In-dex durchschnittlich rund 1178 Euro für Energie aus der Steckdose – so viel wie nie zuvor. „Damit sind in den ver-gangenen zehn Jahren die Strompreise um mehr als 30 Prozent gestiegen“, bilanziert Neubauer. Ein Musterhaus-halt mit 4000 Kilowattstunden Verbrauch etwa musste laut

Verivox im Oktober 2019 im Schnitt 285 Euro mehr für Strom berappen als noch im Oktober 2009. Die regionalen Preisunterschiede sind dabei enorm: Während die Elektri-zitätskosten in Sachsen-Anhalt um 21 Prozent kletterten, habe Berlin laut Verivox ein Preisplus von 55 Prozent ver-bucht. Im europäischen Vergleich ist Deutschland mit Dä-nemark sogar Spitzenreiter im Hinblick auf Strompreise. Neubauer: „Unter Berücksichtigung der Kaufkraft zah-len wir innerhalb Europas sogar am meisten für Strom.“

Fiskus mischt kräftig mit. Eine Kilowattstunde Strom schlug hierzulande laut Verivox im Oktober 2019 im Schnitt mit 29,46 Cent zu Buche. Gut 50 Prozent dieser Summe sind allerdings staatliche Abgaben und Steuern.

„Hinzu kommen die Netzentgelte, die ein weiteres Vier-tel des Strompreises ausmachen“, bilanziert Neubauer. So verbleiben für die Energieversorger letztlich nur rund 25 Prozent für Beschaffung, Marge und Vertrieb. „Dadurch ist ihr Spielraum bei der Preisgestaltung begrenzt“, er-klärt Julian Ludwig, Bereichsleiter Energie bei Verivox.

Was nicht heißt, dass die mehr als 1100 Stromanbieter zwischen Flensburg und Garmisch im Rahmen ihrer Ta-rifpolitik keinen Spielraum für faire, garantierte Preise ab dem Zeitpunkt der Belieferung hätten. Zwei Varianten von Preisgarantien sind in den Allgemeinen Tarifbedin-gungen der Stromlieferanten Usus: Die „eingeschränkte“ Garantie schließt neben den Beschaffungs- und Vertriebs-kosten (reine Energiekosten) auch Netznutzungsentgelte ein, die jeder, der Strom durch das Versorgungsnetz lei-tet, den Netzbetreibern zahlen muss. Laut Verivox-Prog-nose steigen die Netznutzungsentgelte 2020 um durch-schnittlich sechs Prozent.

Von der eingeschränkten Preis-garantie ausgenommen sind An-passungen sämtlicher Steuern wie Mehrwert- und Stromsteuer nebst Abgaben, etwa die Konzessionsabga-be, und Umlagen wie die zur För-

Faire Ökostrom-Anbieter: die Tops im Überblick

Rang Anbietername Tarifname Gesamt-kosten1)

Öko-strom

Öko-siegel

Dauer der Preisgarantie

Art derPreis-

garantie2)

Punkte Öko-

siegel

Punkte Preis-

garantie

Punkte Art der Preis-

garantie2)

Punkte Preis3)

Punkte gesamt

1 4hundred GmbH 4hundred Ökostrom 1148 ¤ ja ja 12 Monate volle PG 1 1 2 2,9 6,92 ORIGINAL ENERGIE ORIGINALSTROM ONLINE 1160 ¤ ja ja 12 Monate volle PG 1 1 2 2,3 6,33 LogoEnergie LogoStrom clever 1152 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 2,6 5,64 Grünwelt grünstrom pur 1155 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 2,5 5,55 Greenpeace Energy Ökostrom aktiv 1227 ¤ ja ja 31.12.19 eing. PG 2 1 1 1,3 5,36 ESWE Versorgungs AG ESWE Natur STROM flex 1191 ¤ ja nein 31.12.21 eing. PG 0 2 1 2,1 5,17 Phönixstrom Phönixstrom 2019 1137 ¤ ja nein 12 Monate eing. PG 0 1 1 3,0 5,07 ENPURE ENPURE Strom 1191 ¤ ja nein 12 Monate volle PG 0 1 2 2,0 5,09 SE SAUBER ENERGIE SAUBER STROM Wasser & Wald 1151 ¤ ja nein 12 Monate eing. PG 0 1 1 2,8 4,89 Strasserauf electricitaet 1213 ¤ ja ja 12 Monate eing. PG 1 1 1 1,8 4,89 NaturStromHandel naturstrom 1265 ¤ ja ja 31.12.19 eing. PG 2 1 1 0,8 4,8

1)brutto pro Jahr (bundesweiter Mittelwert) bei einem Verbrauch von 4000 kWh; 2)eingeschränkte Preisgarantie: gilt für alle Preiskomponenten mit Ausnahme von Steuern (Mehrwert-, Strom- bzw. Erdgassteuer) sowie staatlichen Abgaben und Umlagen (z. B. EEG-Umlage oder Konzessionsabgabe). Volle Preisgarantie: gilt für alle Preiskomponenten (mit Außnahme der Mehrwertsteu-er, der Stromsteuer oder eventuell neu eingeführter gesetzlicher Abgaben); 3)Punktevergabe erfolgte auf einer Skala von 0 Punkten (das teuerste Angebot der nach den Fairness-Kriterien ermit-telten Tarife) bis 3 Punkten (das günstigste Angebot der ermittelten Tarife); volle PG = volle Preisgarantie; eing. PG = eingeschränkte Preisgarantie

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MONEYSERVICE

derung von Ökostrom in Deutschland, kurz EEG-Umla-ge. Und die klettert 2020 um 5,5 Prozent. Im kommenden Jahr beziffert sich die EEG-Umlage auf gut 6,76 Cent pro Kilowattstunde, so die Betreiber der großen Stromnetze.

Die EEG-Umlage refinanziert die festen Vergütungen, die Ökostrom-Produzenten für die Einpreisung ihres re-generativen Stroms unabhängig vom Markt erhalten. Verivox-Berechnungen zufolge wird ein Singlehaushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 2000 Kilowatt-stunden aufgrund der EEG-Erhöhung 2020 sieben Euro mehr auf den Tisch legen müssen. Bei einem 3-Personen-Haushalt (3500 Kilowattstunden Verbrauch/Jahr) wären es 12,28 Euro, für einen 4-Personen-Haushalt (5000 Kilo-wattststunden Verbrauch/Jahr) sogar 18 Euro mehr.

terte die Nachfrage nach Strom aus regenerativen Quellen auf Jahressicht um 25 Prozent. „Während sich im Juni 2018 lediglich ein Drittel der Bundesbürger für einen Öko-stromtarif entschied, waren es im September 2019 bereits rund 62 Prozent“, bilanziert Neubauer. Besonders groß sei dabei die Nachfrage in den vier Bundesländern Bremen, Berlin, Baden-Württemberg und Thüringen.

Nahezu jede zweite Kilowattstunde erzeugten Stroms in Deutschland stammte im ersten Halbjahr 2019 aus er-neuerbaren Energien. Von Januar bis Ende Juni wurden im Zuge dessen rund 15 Prozent weniger vom Klimakil-ler Kohlendioxid (CO2) emittiert als im Vorjahreszeitraum, kalkuliert der Energieverband BDEW. Berechnungen zu-folge sanken damit die CO2-Emissionen der Versorger von 136 Millionen Tonnen auf etwa 116 Millionen Tonnen. Zei-chen dafür, dass auch die hiesige Energiewirtschaft sich immer mehr zur Decke streckt, um den Bund bei seiner ambitionierten Klimapolitik unter die Arme zu greifen.

Um ihre mittelfristigen Klimaziele zu erreichen – bis zum Jahr 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgas um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden –, hat die Bundesre-gierung nach langem Ringen unter den Koalitionspartnern heuer Ende September ein 173 Seiten starkes „Klimapaket“ vorgelegt. Der von der Politik versprochene große Wurf ist es aber aus Sicht von Fachleuten nicht gerade geworden. Hier wichtige Eckpunkte des Papiers:

Die Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer En-ergien am Strommarkt bis 2030 auf rund 65 Prozent stei-gern. Substanzielle Vorschläge, wie sie dies erreichen will, finden sich im Klimapapier allerdings nur vereinzelt. Im finalen Entwurf des Klimapakets heißt es vage, dass jedes Jahr bis 2030 zusätzlich Windräder mit einer Kapazität von einem Gigawatt errichtet werden sollen, um bis 2030 eine installierte Leistung von 67 bis 71 Gigawatt zu erreichen.

Für Verkehr und Gebäude will die Koalition möglichst bald CO2-Festpreise einführen. Verbraucher müssen dem-nach pro Tonne Kohlendioxid, die sie verursachen, einen fixen Betrag zahlen. Im Gegenzug plant die Bundesre-gierung Entlastungen beim Strompreis. So soll ab 2021 die Umlage zur Deckung der Kosten des nach dem Er-neuerbare-Energien-Gesetz vergüteten Stroms in einem ersten Schritt um 0,25 Cent pro Kilowattstunde reduziert und dann weiter verringert werden. Die Koalition will so besonders Familien und kleinere Unternehmen entlasten.

Heftig umstrittener Punkt im Klimapaket ist die Kfz-Steuer. Sie soll ab Januar 2021 so angepasst werden, dass große, spritfressende Neufahrzeuge mit einem CO2-Aus-stoß ab 95 Gramm pro Kilometer mit einer deutlich hö-heren Abgabe belegt werden. Konkrete Zahlen allerdings sieht das Klimapaket in der Endfassung leider nicht vor.

Konkret hingegen ist die neue Luftverkehrsabgabe. Der Deutsche Bundestag hat diese Mitte November 2019 durchgewunken. Damit unterliegen alle Abflüge ab dem 1. April 2020 einer erhöhten Abgabe. Inlandsflüge und Ver-bindungen innerhalb der EU steigen um gut fünf Euro auf 13,03 Euro pro Ticket. Für längere Flüge bis zu 6000 Kilo-metern sind mit 33,01 Euro knapp zehn Euro mehr fällig. Und die Langstrecke verteuert sich ab April um 18 Euro.

THOMAS SCHICKLING

Fair und flexibelAuf dem deutschen Markt tummeln sich aktuell mehr als 1100 Unternehmen, die Privathaushalte mit Strom belie-fern. Dabei kann jeder Haushalt derzeit in seinem Post-leitzahlengebiet im Schnitt aus 156 Anbietern seinen Fa-voriten wählen. Doch welcher Tarif ist wirklich „fair“ im Sinne des Verbraucherschutzes? Dieser Frage ist jetzt das Verbraucherportal Verivox aus Heidelberg im Auftrag von FOCUS-MONEY nachgegangen.

Was eigentlich kennzeichnet „faire“ Stromprodukte? Fle-xibilität, Kontinuität und hohe Verbreitung. Darum haben die Experten von Verivox im ersten Schritt der Analyse aus einem Pool von über 6000 aktuellen Tarifen nur jene be-rücksichtigt, die folgende Faktoren aufzeigen:

■ Vertrags-Flexibilität: Laufzeit, Kündigungsfrist und automatische Verlängerung bei nicht rechtzeitiger Kün-digung der Verträge liegen bei maximal einem Monat.

■ Sofort-Bonus: Fair aus Verbrauchersicht sind vor allem solche Tarife, die dem Stromkunden den Bonus spätes-tens sechs Wochen nach Belieferung auszahlen. Be-rücksichtigt wurden Neukunden-Boni, die nicht höher als maximal fünf Prozent der Gesamtkosten waren.

■ Preisgarantie: bis zu zwölf Monaten und mehr ver-traglich zugesichert.

■ Überregionalität: Aufgenommen wurden nur Strom-anbieter, die ihre Kundschaft in mindestens der Hälfte aller Postleitzahlengebiete in Deutschland beliefern.

Um ein Ranking zu erstellen, haben die Fachleute des Verbraucherportals im zweiten Schritt die Tarife auf be-stimmte, aussagekräftige Fairness-Faktoren untersucht und bepunktet:

■ Ökostrom: Damit unser Planet nicht „überhitzt“, müs-sen die CO2-Emissionen unbedingt weniger werden. Da-zu tragen die Versorger bei, indem sie immer mehr Öko-strom aus regenerativen Quellen (Sonnen-, Wasser- und

METHODE

Windkraft, Geothermie sowie Biomasse) produzieren, ent-sprechende Tarife offerieren – und damit den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei der Stromerzeugung reduzieren. In den Test aufgenommen wurden ausschließ-lich von den Anbietern als „Ökostrom“ deklarierte Tarife.

■ Ökostrom-Siegel: Gütesiegel, die den Ökostrom zer-tifizieren, geben dem Verbraucher Auskunft darüber, ob und wie viel ein Ökostrom-Anbieter in den Bau neuer An-lagen investiert. Außerdem wird ersichtlich, ob ein Anbie-ter direkt mit seinem Ökostrom-Produkt handelt oder die Produktion von Ökostrom bei einem anderen Anbieter be-zuschusst. Konnten die Stromanbieter ein TÜV-Siegel vor-weisen, gab es einen Punkt. Verfügten sie gar über ein OK-Power- oder Grüner-Strom-Label, gab es zwei Punkte.

■ Art der Preisgarantie: In den AGBs der Stromanbieter finden sich derzeit zwei faire Varianten.

• Eingeschränkte Preisgarantie: Sie beschränkt sich auf den Energiekostenanteil und Netznutzungsentgelte, nicht aber auf sämtliche Steuern, Abgaben und Umlagen. Bei etwaigen Änderungen Letzterer passt der Stromanbieter die Preise an. Entsprechende Tarife erhielten einen Punkt.• Volle Preisgarantie: Diese umfasst neben den Energie-kosten und Netznutzungsentgelten auch die Umlagen und Abgaben. Nur Änderungen der Mehrwert- und der Strom-steuer dürfen direkt weitergegeben werden. Ein entspre-chender Passus wurde mit zwei Punkten belohnt.

■ Dauer der Preisgarantie: Trotz geringer Vertragslauf-zeit sollten die Tarife eine Preisgarantie besitzen.

• Bis zu zwölf Monaten: Hierfür gab es einen Punkt.• Über zwölf Monate: Dies wurde mit zwei Punkten in der Analyse honoriert.

• Preis: Hier eruierten die Experten, wie günstig der jewei-lige Tarif im Vergleich zu anderen fairen Tarifen ist. Der bil-ligste erhielt drei, der teuerste null Punkte. Zwischen dieser Range liegende Tarife wurden entsprechend bepunktet.

Maximal erreichbar im Gesamtergebnis des Tests fairer Stromtarife waren neun Punkte.

Stichtag der Analyse war der 30. Oktober 2019.

„Aus Verbrauchersicht die bessere Wahl bilden da Tarife mit voller Preisgarantie“, so Neubauer. Diese implizieren neben reinen Energiekosten und Netznutzungsentgelten diverse Steuern, Abgaben und Umlagen. Neubauer: „Nur Änderungen der Mehrwert- und Stromsteuer dürfen bei voller Preisgarantie an Kunden durchgereicht werden.“

Fair zur Umwelt. Auch ökologischer, aus regenerativen Quellen wie Sonnen-, Wasser- oder Windenergie gewon-nener Strom als Bestandteil eines Tarifs ist ein wichtiger Fairness-Faktor. Denn Ökostrom ist fair zur Umwelt. „Er bringt bei der Produktion keine klimaschädlichen Treib-hausgase mit sich, die unseren Planeten aufheizen und damit an den Rand des Kollapses bringen“, so Neubau-er. Ökostrom stammt zu 100 Prozent aus regenerativen

Quellen. „Dazu zählen aber auch alte, abgeschriebene Wasserkraftwerke“, gibt Neubauer zu bedenken. Wer sich mit der Entscheidung für Ökostrom auch für den Klimaschutz einsetzen möchte, sollte sich deshalb nach Gütesiegeln umschauen. „Sie stellen sicher, dass ein Teil der Einnahmen in den Bau neuer Anlagen zur regene-rativen Stromerzeugung zurückfließt“, betont Neubauer. Am glaubwürdigsten sind dabei das von Insidern aner-kannte OK-Power-Gütesiegel und das Grüner-Strom-Label, gefolgt von den Siegeln von TÜV Nord und Süd.

Prima Klima. Klar. Die Erhaltung unseres Planeten geht uns alle an. Im Zuge der intensiven Klimawandel-Diskus-sion in Deutschland hat Ökostrom darum in der Bevölke-rung stark an Popularität gewonnen: Laut Verivox klet-

Foto: Seraph/Photocase