Kraft und EMG – Parameter als indirekte Meßgrößen ... · seien hier noch einmal auf die stark...

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Kraft und EMG – Parameter als indirekte Meßgrößen physiologischer Vorgänge Um physiologische Prozesse wie die Innervation und die daraus resultierende Kraftentwicklung zu beschreiben, werden Meßparameter verwendet, die in Newton, Joul, Watt oder Volt dargestellt werden. Daneben kann es jedoch auch sinnvoll sein die Parameter in Prozent einer festen Bezugsgröße anzugeben, nämlich zu normalisieren. Die Angabe in absoluten Dimensionen währe z.B. dann sinnvoll, wenn ein physiologischer Prozeß wie die Kontraktion eines bestimmten Volumens an Muskelmasse immer zu einer identisch reproduzierbaren Kraftentwicklung führen würde, oder wenn als Ursache dieser Kontraktion, die quantifizierte Erregung des Elektromyogramms, ausgedrückt in Volt oder Volt Sekunde, in einer festen quantitativen Beziehung zur Kraftentwicklung stehen würde. Wie schon teilweise in den vorausgegangenen Kapiteln dargestellt, fehlen für solche direkten Zuordnungen jegliche experimentellen Befunde. Als Beispiel seien hier noch einmal auf die stark variierenden spezifischen Kraftwerte für Muskeln, motorischen Einheiten und Fasertypen aufmerksam gemacht (siehe dazu Kapitel 2.5.1). Dasselbe gilt in besonderem Maß für das Oberflächenelektromyogramm, da die Elektrodenarchitektur, die Elektrodenplazierung, die Dicke des Unterhautfettgewebes (De la Barrera & Milner 1994) ,Temperaturänderungen (Zipp 1977), die Muskelfaserdicke und weitere Einflüsse mehr 1 , einen erheblichen Einfluß auf das Nutzsignal ausüben. Somit bleibt lediglich der Vergleich dieser Meßparameter zwischen verschiedenen Merkmalsträgern oder bei gleichen Merkmalsträgern zu verschiedenen Zeitpunkten oder unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Wenn die Meßwerte lediglich eine Veränderung im Trainingsverlauf oder einen Unterschied zwischen Merkmalsträgern beschreiben sollen, ist es sinnvoll, sie in absoluter Dimension auszudrücken. Allerdings müssen die diese Vergleichsmessungen unter identischen Bedingungen stattfinden. Gerade bei EMG- Messungen muß dabei mit Variabilitäten gerechnet werden. In Wiederholungsmessungen an 9 verschie- denen Tagen unter identischen isometrischen Bedingungen und bei 6 verschiedenen Kraftstufen der willkürlichen Maximalkraft ergaben sich mittlere Variabilitätskoeffizienten innerhalb von 5 Wiederholungen von 6.3%. Die durchschnittliche intraindividuelle Abweichung innerhalb der 9 Untersuchungstage betrug 19.2%, bei einem interindividuellen Variabilitätskoeffizient von 29% (Hering et al. 1988). Der relativ nieder intraserielle Variabilitätskoeffizient von 6.3 attestiert dem integriertem EMG innerhalb relativ kurzer Meßzeiträume eine, im Vergleich zu anderen physiologischen Parametern hinreichend konstante Meßgenauigkeit (siehe dazu auch die Tafeln 30a-37a). Der intraindividuelle Variabilitätskoeffizient zwischen verschiedenen Versuchstagen von 19.2% läßt jedoch den Einfluß von Faktoren vermuten, die nicht mit der Entstehung des Nutzsignals an den Muskelfasermembranen in Verbindung gebracht werden können. Dies Störgrößen sind damit sicherlich auch zu ei nem nicht zu bestimmenden Anteil an der interindividuell Variabilität von 29% beteiligt, so daß bei der Interpretation von quantifizierten EMGs Vorsicht geboten ist. Die begleitenden Reliabilitätsmessungen der vorliegenden Untersuchung bestätigen die 1988 erhobenen Befunde. Bei ähnlichen Untersuchungsbedingungen am M. quadriceps femoris betrugen die mittleren intraindividuellen Variabilitätskoeffizienten innerhalb dreier Versuchstage bei 30% MVC am M.vastus lateralis, M.vastus medialis und M.rectus femoris für die absoluten EMGs 13,6%, 20.3% und 22.0% 2 . Dagegen betrugen die prozentualen Tag zu Tag Abweichung für die genannten Muskelköpfe durchschnittlich nur 2.6%, 5.5% und 2.4%, wenn die Meßsignale an der maximalen EMG-Amplitude der Maximalkraftmessungen (Versuchsmodus MT) normalisiert wurden. Die deutliche Variabilitätsdifferenz zwischen den absoluten EMG des vastus lateralis und den beiden anderen Muskelköpfen ist mit großer Sicherheit auf die verschieden verwendeten Elektroden zurückzuführen. Da die Anbringung auf der Haut mit Hilfe der 2-Kanalelektrode exakt nach dem Faserverlauf erfolgen kann, wird damit der Einfluß der Elektrodenplazierung minimiert (siehe dazu auch Kapitel 4.4.3.5). Die Reduzierung der Variabilität um das 4- bis 9-fache machen den enormen Vorteil des Normalisierungsverfahrens bei Vergleichsmessungen deutlich. Darüber hinaus erlaubt das Normali- sierungsverfahren den quantitativen Vergleich zwischen Kraft und EMG, unabhängig vom Interelek - trodenabstand, der Elektrodenplazierung, dem Hautwiderstand und vielen der schon genannten Einflußfaktoren mehr. Der Einfluß des Interelektrodenabstands und der Elektrodenplazierung auf die Signalhöhe und den Signalinhalt ist besonders deutlich, im Vergleich der drei Muskelköpfe im Kraftausdauerversuch (FT) zu sehen. Der um 60% geringere Interelektrodenabstand der am M.vastus lateralis verwendet 2-Kanalelektrode gegenüber der Elektrode, die für die Ableitung am M.vastus medialis verwendet wurde, spiegelt sich in der Amplitudendifferenz der EMGs beider Muskeln wieder. Daß noch weiter Einflüsse auf die Signalhöhe existent sind, zeigt jedoch der EMG-Amplitudenverlauf des M.rectus femoris, bei dem eine mit der am M.vastus medialis identischen Elektrode verwendet wurde, diese jedoch nicht distal vom sogenannten <<Motorischen Punkt>>, sondern direkt darüber plaziert wurde. Ob die vergleichsweise, deutlich geringere mittlere Signalfrequenz (Mean Power Frequency) am M.vastus lateralis durch den kleineren Interelektrodenabstand oder durch die exakte Ausrichtung der Elektrode nach dem Faserverlauf zustande 1 Siehe dazu Basmajian & De Luca (1985) und De Luca (1993) 2 Beim Kraftausdauertest FT ist bei 30% MVC der Ermüdungseinfluß zu vernachlässigen.

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Kraft und EMG – Parameter als indirekte Meßgrößen physiologischer Vorgänge

Um physiologische Prozesse wie die Innervation und die daraus resultierende Kraftentwicklung zubeschreiben, werden Meßparameter verwendet, die in Newton, Joul, Watt oder Volt dargestellt werden. Daneben kann es jedoch auch sinnvoll sein die Parameter in Prozent einer festen Bezugsgröße anzugeben, nämlich zu normalisieren. Die Angabe in absoluten Dimensionen währe z.B. dann sinnvoll, wenn einphysiologischer Prozeß wie die Kontraktion eines bestimmten Volumens an Muskelmasse immer zu einer identisch reproduzierbaren Kraftentwicklung führen würde, oder wenn als Ursache dieser Kontraktion, diequantifizierte Erregung des Elektromyogramms, ausgedrückt in Volt oder Volt ∗Sekunde, in einer festen quantitativen Beziehung zur Kraftentwicklung stehen würde. Wie schon teilweise in den vorausgegangenen Kapiteln dargestellt, fehlen für solche direkten Zuordnungen jegliche experimentellen Befunde. Als Beispiel seien hier noch einmal auf die stark variierenden spezifischen Kraftwerte für Muskeln, motorischen Einheitenund Fasertypen aufmerksam gemacht (siehe dazu Kapitel 2.5.1). Dasselbe gilt in besonderem Maß für das Oberflächenelektromyogramm, da die Elektrodenarchitektur, die Elektrodenplazierung, die Dicke des Unterhautfettgewebes (De la Barrera & Milner 1994) ,Temperaturänderungen (Zipp 1977), die Muskelfaserdicke und weitere Einflüsse mehr 1, einen erheblichen Einfluß auf das Nutzsignal ausüben. Somit bleibt lediglich der Vergleich dieser Meßparameter zwischen verschiedenen Merkmalsträgern oder bei gleichen Merkmalsträgern zu verschiedenen Zeitpunkten oder unterschiedlichen Aufgabenstellungen. Wenn die Meßwerte lediglich eine Veränderung im Trainingsverlauf oder einen Unterschied zwischenMerkmalsträgern beschreiben sollen, ist es sinnvoll, sie in absoluter Dimension auszudrücken. Allerdings müssen die diese Vergleichsmessungen unter identischen Bedingungen stattfinden. Gerade bei EMG-Messungen muß dabei mit Variabilitäten gerechnet werden. In Wiederholungsmessungen an 9 verschie-denen Tagen unter identischen isometrischen Bedingungen und bei 6 verschiedenen Kraftstufen der willkürlichen Maximalkraft ergaben sich mittlere Variabilitätskoeffizienten innerhalb von 5 Wiederholungen von 6.3%. Die durchschnittliche intraindividuelle Abweichung innerhalb der 9 Untersuchungstage betrug 19.2%, bei einem interindividuellen Variabilitätskoeffizient von 29% (Hering et al. 1988). Der relativ niederintraserielle Variabilitätskoeffizient von 6.3 attestiert dem integriertem EMG innerhalb relativ kurzer Meßzeiträume eine, im Vergleich zu anderen physiologischen Parametern hinreichend konstante Meßgenauigkeit (siehe dazu auch die Tafeln 30a-37a). Der intraindividuelle Variabilitätskoeffizient zwischen verschiedenen Versuchstagen von 19.2% läßt jedoch den Einfluß von Faktoren vermuten, die nicht mit derEntstehung des Nutzsignals an den Muskelfasermembranen in Verbindung gebracht werden können. DiesStörgrößen sind damit sicherlich auch zu ei nem nicht zu bestimmenden Anteil an der interindividuellVariabilität von 29% beteiligt, so daß bei der Interpretation von quantifizierten EMGs Vorsicht geboten ist.

Die begleitenden Reliabilitätsmessungen der vorliegenden Untersuchung bestätigen die 1988 erhobenen Befunde. Bei ähnlichen Untersuchungsbedingungen am M. quadriceps femoris betrugen die mittlerenintraindividuellen Variabilitätskoeffizienten innerhalb dreier Versuchstage bei 30% MVC am M.vastus lateralis, M.vastus medialis und M.rectus femoris für die absoluten EMGs 13,6%, 20.3% und 22.0%2. Dagegen betrugen die prozentualen Tag zu Tag Abweichung für die genannten Muskelköpfe durchschnittlich nur 2.6%, 5.5% und 2.4%, wenn die Meßsignale an der maximalen EMG-Amplitude der Maximalkraftmessungen (Versuchsmodus MT) normalisiert wurden. Die deutliche Variabilitätsdifferenz zwischen den absoluten EMGdes vastus lateralis und den beiden anderen Muskelköpfen ist mit großer Sicherheit auf die verschiedenverwendeten Elektroden zurückzuführen. Da die Anbringung auf der Haut mit Hilfe der 2-Kanalelektrode exakt nach dem Faserverlauf erfolgen kann, wird damit der Einfluß der Elektrodenplazierung minimiert (siehe dazu auch Kapitel 4.4.3.5). Die Reduzierung der Variabilität um das 4- bis 9-fache machen den enormen Vorteil des Normalisierungsverfahrens bei Vergleichsmessungen deutlich. Darüber hinaus erlaubt das Normali-sierungsverfahren den quantitativen Vergleich zwischen Kraft und EMG, unabhängig vom Interelek -trodenabstand, der Elektrodenplazierung, dem Hautwiderstand und vielen der schon genannten Einflußfaktoren mehr. Der Einfluß des Interelektrodenabstands und der Elektrodenplazierung auf die Signalhöhe und den Signalinhalt ist besonders deutlich, im Vergleich der drei Muskelköpfe im Kraftausdauerversuch (FT) zu sehen. Der um 60% geringere Interelektrodenabstand der am M.vastus lateralis verwendet 2-Kanalelektrode gegenüber der Elektrode, die für die Ableitung am M.vastus medialisverwendet wurde, spiegelt sich in der Amplitudendifferenz der EMGs beider Muskeln wieder. Daß noch weiter Einflüsse auf die Signalhöhe existent sind, zeigt jedoch der EMG-Amplitudenverlauf des M.rectus femoris, bei dem eine mit der am M.vastus medialis identischen Elektrode verwendet wurde, diese jedoch nicht distal vomsogenannten <<Motorischen Punkt>>, sondern direkt darüber plaziert wurde. Ob die vergleichsweise, deutlichgeringere mittlere Signalfrequenz (Mean Power Frequency) am M.vastus lateralis durch den kleinerenInterelektrodenabstand oder durch die exakte Ausrichtung der Elektrode nach dem Faserverlauf zustande

1 Siehe dazu Basmajian & De Luca (1985) und De Luca (1993) 2 Beim Kraftausdauertest FT ist bei 30% MVC der Ermüdungseinfluß zu vernachlässigen.

kommt, ist schwer zu entscheiden. Die Ergebnisse von Gerdle et al. (1990) zeigten jedoch keinen Einfluß desInterelektrodenabstandes zur Mean Power Frequency, so daß eher die Ausrichtung der Elek trode nach dem Faserverlauf für die geringere Signalfrequenz verantwortlich ist.

Neben der Minimierung von unerwünschten Störgrößen, kann die Normalisierung auch die Aussagekraft eines Parameters verändern. Normalisiert man z.B. Kraft- oder Kraftanstiegswerte auf die isometrische Maximalkraft, das Körpergewicht oder den Muskelquerschnitt, so wird der Einfluß dieser Normgrößen im Meßparameter selbst weitgehend neutralisiert. Die dann noch auftretenden Differenzen zwischenverschiedenen Messungen sind damit auf andere Einflüsse zurückzuführen. Diese Überlegungen gelten nicht nur für die Amplitudennormalisierung von Parametern, sonder auch für die Normierung auf die Zeitachse. Möchte man die Kraft- und EMG-Entwicklung bei einer Kontraktion innerhalb eines definierten begrifflichen Zeitraums, wie z.B. der Kontraktionszeit (TTP_Tmax) oder Entspannungszeit (RT), beschreiben, so kann es durchaus sinnvoll sein, die Zeitachse auf die genannten Größen zu beziehen, um damit die Kinetik der Meßparameter zwischen unterschiedlichen Messungen transparenter zu machen.

Eine weitere Möglichkeit der Signalverarbeitung besteht in der Mittelung von ganzen Datensätzen. Dieses sogenannte <<Datenaveraging>> vermittelt zeitverschobene Amplitudenunterschiede , überhöht jedoch Meßereignisse, die zu identischen Zeitpunkten auftreten. Damit ist dieses Verfahren gut geeignet, um zeitkonstante Signale zu identifizieren und optisch darzustellen. Darüber hinaus können damit auch die gemittelten Signalamplituden besc hrieben werden, unter der Voraussetzung, daß die Steigung des Signals das Vorzeichen nicht ändert. Es ist nicht geeignet zur Quantifizierung von Signalmaxima oder –minima, wie z.B. des maximalen ballistischen Drehmoments, der maximalen Drehmomen tsänderung oder der Kontraktionszeit. Die genannten Parameter würden sich sowohl in der Amplitude, als auch in der Zeit verschieben und damit falsche Informationen liefern. Darum sollten Kraft - und EMG-Parameter immer aus den Einzelversuchen berechnet und danach gemittelt werden.

EMG - Parameter und ihr Bezug zu physiologischen Zusammenhänge

Die Kraftentfaltung von Muskelfasern, motorischen Einheiten, ganzer Muskeln oder Muskelgruppen ist immer das Produkt von Erregungsvorgängen, di e sich in ihrem Ausmaß und ihrer Qualität in der Entladung der Muskelfasermembranen darstellen. Diese Entladungsvorgänge können beim lebenden Modell an der Hautoberfläche mit speziellen Elektroden gemessen und analysiert werden. Dieses als Ober -flächenele ktromyographie bezeichnete Verfahren, stellt bis heute die einzige Möglichkeit dar, reflektorisch und willkürlich initiierte Erregungsabläufe qualitativ und quantitativ zu erfassen.

Unter isometrischen Bedingungen ist das Verhältnis zwischen dem integrierten EMG (IEMG), ausgedrückt inVolt∗Sekunde bzw. dem mittleren gleichgerichteten EMG über einen definierten Zeitraum, ausgedrückt in Volt mehr oder weniger linear (Milner-Brown 1975; Woods & Milner-Brown 1983, Hering et al. 1987, Gerdle 1991). Als Ursachen für den unterschiedlichen Verlauf der Kraft -EMG Beziehung werden das Rekrutierungs- und Frequenzverhalten der motorischen Einheiten (Basmajian & De Luca 1985) , die Muskelfaserzu-sammensetzung (Woods & Bigland-Ritchie 1983), die relative Lokalisation der schnellen Einheiten in Bezugzur Elektrode (Basmajian & De Luca 1985) und die Interaktion zwischen Agonisten und Antagonisten diskutiert. Eigene Untersuchen (unveröffentlicht) zeigen ein stark differierendes EMG/Kraft Verhaltniszwischen den eingelenkigen Vasti und den Oberschenkelmuskeln, die über zwei Gelenke ziehen, nämlichdem M.rectus femoris und dem M.biceps femoris. Aufgrund der vielfältigen Einflußfaktoren ist es demnach nur dann zulässig von der Quantität des EMGs Rückschlüsse auf die Kraftentwicklung der abgeleiteten Muskelzu ziehen, wenn für den jeweiligen Muskel die spezifische Kraft -EMG Beziehung vorliegt.

Als Anstieg des neuronalen Inputs (Neural Drive) wurde in mehreren Studien der Anstieg des IEMGs nach mehrwöchigem Training interpretiert (Häkkinen & Komi 1986; Häkkinen et al. 1985b; Thepaut-Mathieu et al. 1988). Andere Studien zeigen jedoch trotz signifikanter Kraftsteigerung keinerlei EMG -Zunahme infolge eines isometrischen (Cannon & Cafarelli 1987) , konzentrischen und exzentrischen (Komi & Buskirk 1972), dynamischen (Thorstensson et al. 1976) und isometrisch und isokinetischen Krafttrainings (Behm & Sale 1993b). Auf den Zusammenhang zwischen der Muskelfaserdicke und die generelle Problematik der Interpretation des absoluten EMGs bei Wiederholungsmessungen an verschiedenen Tagen wurde bereits hingewiesen (siehe dazu Kapitel 2.7). Unter diesem Aspekt sind auch die verringerten EMG-Aktivitäten nach

Immobilisation (Yue et al. 1997) zu sehen. Jedoch scheinen nach Verletzung gewisse Mechanis men für eine reduzierte Willkürinnervation der für 8 Wochen immobilisierten Muskeln verantwortlich zu sein, da in einer Studie von Duchateau die willkürlich zu entwickelnde Maximalkraft, gegenüber der unter tetanischer Reizinitiierten Kontraktionskraft , um 22% geringer war (Duchateau & Hainaut 1987). Eine weitere Immobilisationsstudie der selben Autoren berichtet darüber hinaus von einer Reduzierung der maximalEntladungsfrequenz einzelner Einheiten, wobei allerdings die Entladungsf requenz bei Beginn der Rekrutierung gegenüber der Kontrollgruppe gleich blieb (Duchateau & Hainaut 1990). Darum ist im Umkehrschluß der trainingsbedingte Einsatz eines höheren Prozentsatzes an motorischen Einheiten bzw. dieErhöhung der maximalen Entladungsfrequenz derselben nicht auszuschließen.

Muskuläre Kraftentwicklung wird durch die Rekrutierung und die Entladungsfrequenz motorischer Einheitenbestimmt. Die Entladungsfrequenzen und das Rekrutierungsverhalten einzelner Einheiten lassen sich durch Nadel- oder Drahtelektroden bestimmen. Bei gleichzeitiger Ableitung des Elektromyogramms an der Hautoberfläche, zeigen sich deutliche Zusammenhänge zwischen der zunehmenden Entladungsfrequenz rekrutierter bzw. sukzessiv rekrutierter größerer Einheiten, und dem Frequenzinhalt des Roh-EMGs, gemessen als MPF (Fuglsang-Frederiksen & Ronager 1988; Moritani & Muro 1987; Solomonow et al. 1990). Der Beitrag neuer Einheiten mit höherer Entladungsfrequenz wird dabei höher eingeschätzt, als die Frequenzerhöhung der bereits aktiven. In einer Studie am M.biceps brachii stiAmplitude und MPF des Oberflächen-EMGs linear mit der Kraft, während die Entladungsfrequenz anfänglichrekrutierter Einheiten ebenfalls zunahmen und durch Einheiten mit größerer Spikeamplitude ergänzt wurde(Moritani & Muro 1987). Der am M.biceps brachii gefundene lineare Zusammenhang zwischen Kraft und MPF über einen weiten Kraftbereich wird durch eine Studie am M.tibialis anterior bestätigt (Broman et al. 1985) und durch andere Untersuchungen modifiziert. So fanden Hagberg und Ericson (1982) am M.biceps brachii nur einen linearen Kraft-MPF Zusammenhang bis zu 25% MVC und Gerdle et al. (1990) einen bis zu 60% MVC. Kein Zusammenhang zwischen Kraft und dem EMG-Frequenzspektrum konnte bei Handmuskeln festgestellt werden (Petrofsky & Lind 1980). Bei einer statischen Vorwärtsbeugung der Schulter war während der ersten 50% der Willkürkraft die MPF konstant und fiel mit der auf 100% steigenden Kraft signifikant ab (Gerdle et al. 1988a), ähnlich wie bei der Kaumuskulatur, bei der jedoch die MPF bis zu 50% MVC anwuchs (Hagberg et al. 1988). Während die unterschiedlichen Kraft-Frequenz Beziehungen zwischen verschiedenen Muskeln als Ausdruck unterschiedlicher Rekrutierungsstrategien interpretiert werden können, versagt diese Argumentation in der Erklärung von interindividuellen Differenzen am selben Muskel, wie sie von Gerdle et al. (1990) beschrieben werden. Die Autoren erklären diese interindividuellen Unterschiede in der Kraft - MPF Beziehung mit der unterschiedlichen Faserzusammensetzung und der Verteilung schnell er FT-Fasern in Bezug zur Ableitstelle an der Hautoberfläche.

Signifikante Korrelationen zwischen der Mean - bzw. Median Power Frequency und dem FT-Faseranteil wurden am M.gastrocnemius (Moritani et al. 1985) und am M. vastus lateralis (Gerdle et al. 1991; Gerdle et al. 1988b; Wretling et al. 1987) gemessen. Dies wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß dieverschiedenen Fasertypen unterschiedlich geformte Aktionspotentiale haben. FT-Fasern besitzen gegenüber ST-Fasern eine höhere Entladungs- und Repolarisierungsfrequenz und ihr Aktionspotential ist demnachkürzer (Walli -De Jonge et al. 1985). Kürzere Aktionspotentiale schlagen sich folglich im Frequenzband des EMG-Leistungsspektrums nieder. Da die Dauer des Aktionspotentials wiederum von der Leitgeschwindigkeit der Muskelfasermembranen abhängt, sollte auch ein Zusammenhang zwischen der Muskelfaserleitgeschwindigkeit (MFCV) und der Faserzusammensetzung bestehen. Tatsächlich fandenSadoyama et al. (1988) am M.vastus lateralis eine signifikanten Korrelationen zwischen der MFCV und dem FT-Faseranteil. Gleichzeitig wurden schnellere Muskelfaserleitgeschwindigkeiten bei Muskeln mit einem höheren FT-Faseranteil gemessen, wie beim M.gastrocnemius gegenüber dem M.soleus (Mortimer et al. 1970) und dem M.triceps gegenüber dem M.biceps brachii (Hering et al. 1989). Bei angeborenen Muskelerkrankungen, bei denen eine ST-Faserdominanz von 80-100% vorherrscht, ist die MFCV am M.vastus medialis gegenüber Normalpersonen signifikant geringer (Linssen et al. 1991).

Ähnlich wie bei der MPF besteht bei ansteigender Willkürinnervation ein signifikanter Zusammenhangzwischen der MFCV, gemessen an der Hautoberfläche, und der Kraftentwicklung (Broman et al. 1985; Hering et al. 1989; Sadoyama & Masuda 1987). Dieser gleichzeitige Anstieg der Muskel-faserleitgeschwindigkeit mit der Kraftentwicklung ist eher mit der sukzessiven Rekrutierung größerer Einheiten zu erklären, als mit der Erhöhung der Leitgeschwindigkeit der selben Einheiten (Sadoyama & Masuda 1987). Da die Einheiten mit höherer Rekrutierungsschwelle auch häufig dem FT -Typ angehören, ist nicht verwunderlich, daß sowohl ein Zusammenhang zwischen der MFCV und dem Faserdurchmesser (Arendt-Nielsen & Mills 1985; Broman et al. 1985; Roy et al. 1986), als auch zwischen der MFCV und dem FT-Faseranteil vermutet wird (Kupa et al. 1995; Sadoyama et al. 1988). Sadoyama et al. (1988) und Wretling et al. (1987) fanden keine signifikante Korrelation zwischen dem Faserdurchmesser und der

Faserleitgeschwindigkeit bzw. dem Inhalt des Frequenzleistungsspektrums. Dies wurde von Kupa et al. (1995) für den Rattensoleus und das Diaphragma bestätigt. Allerdings errechneten sich für den M.extensor digitorum longus sowohl für den Faserdurchmesser als auch für den Flächenanteil und die prozentual e Verteilung der FT -Fasern hohe statistische Zusammenhänge zu der MFCV und der Median Power Frequency. Dies spricht eher für den Einfluß des Fasertyps als für den Einfluß des Faserdurchmessers perseauf die genannten Parameter. Bestätigt wird dies durch die vergleichsweise signifikant geringere MFCV beiST-Fasern , die einen weit größeren Faserdurchmesser aufweisen als die hypotrophierten FT-Fasern im selben Muskel (Linssen et al. 1991).

In der Studie von Kupa et al. (1995) wurden die Frequenz- und Leitparameter unter exakt kontrolliertVersuchsbedingungen gemessen. Über den versorgenden Nerv wurde der in eine Kraftmeßvorrichteingespannte Muskel gereizt. Die M-Wellen konnte über quer zum Faserverlauf plazierte 2-Kanalelektroden registriert und hinsichtlich der MFCV und Frequenz ausgewertet werden. Dabei erwies sich die MFCV gegenüber den Frequenzparametern als variabler und weniger assoziiert mit der Faserzusammensetzdes Muskels. Die Autoren führen dies auf den Einfluß der Elektrodenplazierung in bezug auf den Faserverlauf zurück. Das damit angesprochenes Grundproblem bei der Leitgeschwindigkeitsmessung von Muskelfasern, ist bei allen Registriermethoden gleich. Mißt eine 1-Kanal-Oberflächenelektrode die Erregung e ines Muskelbereichs, in dem die Signalausbreitung, bedingt durch die Lokalisation der motorischen Endplatten, nicht nur in eine Ausbreitungsrichtung erfolgt, so wird das Ergebnis maßgeblich durch die zufälligeMuskelarchitektur unterhalb der Elektrode bestimmt3. Dies zeigt sich in einer starken Abweichung der Parallelität der gleichzeitig registrierten EMG-Signale. Darum müßte theoretisch sowohl unter Reiz - als auch unter Willkürbedingungen die Ausbreitungsrichtung der Erregung konstant in einer Richtung erfolgen. Aufgrund der inhomogenen Faserausrichtung und der oft sehr kleinen Faserlänge, ist es in der Praxis nur schwer möglich, diese Forderung zu erfüllen. Je kürzer die Fasern des abzuleitenden Muskels, desto kleiner muß der Interelektrodenabstand der Me ßelektrode sein. Dies wiederum begrenzt den Erfassungsbereich der Signale und macht es technisch schwierig, die Signalausbreitung mit der nötigen Auflösegenauigkeit zu erfassen. Diese Überlegungen sollten bei der Interpretation der Muskelfaserleitgeschwindigkeit Berücksichtigung finden.

Ein weiterer Parameter, der in der Literatur in Zusammenhang mit der Faserzusammensetzung genannt wird, ist die elektromechanische Kopplungszeit (Electromechanical Delay, EMD). Das EMD beinhalte t die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale auf den Fasermembranen, den elektromechanischen Kopplungsprozeß und die Dehnung der serienelastischen Komponenten durch den kontraktilen Apparat (Cavanagh & Komi 1979). Alle in den genannten Prozessen enthaltenen Faktoren können das EMG beeinflussen. Von Korrelationen zwischen dem EMG und der MVC bzw. der Kraftanstiegsrate (Bell & Jacobs 1986) und zwischen EMD und dem FT-Faseranteil (Nilsson et al. 1987; Viitasalo & Komi 1981) wird berichtet. Außerdem wird das EMD durch die Art des Kontraktionstyps (Cavanagh & Komi 1979; Norman & Komi 1979), den Gelenkwinkel (Grabiner 1986), den Krafteinsatz (Grabiner 1986; Vos et al. 1991) und das Alter und Geschlecht (Bell & Jacobs 1986; Clarkson 1978) beeinflußt. Abhängig von den Versuchsbedingungen und der Datenauswertung differieren die gemessenen Werte erheblich. Bei Willkürinnervationen, bei denen die Differenz zwischen dem Auftreten der ersten EMG-Aktivität und dem Kraftanstieg gemessen wurden, sindEMD-Werte am Quadriceps von 38m (Viitasalo & Komi 1981; Zhou et al. 1995), 41ms (Houston et al. 1988) bekannt. Bei Bestimmung des EMD über eine Kreuzkorrelation zwischen dem zweiseitig gefilterten EMG dem Kraftverlauf ergeben sich wesentlich höhere Werte, nämlich 106m (Vos et al. 1991) bzw. 82ms (Vos et al. 1990). Die kleinsten elektromechanischen Verzögerungszeiten wurden bei Reizung des versorgenden Nerven registriert. Muro & Nagata (1985) fanden am M.triceps surae beim gedehnten Muskel 9ms und beim entspannten Muskel 11ms. In einer weiteren Untersuchung unter gleichen Versuchsbedingungen wurde für das EMD im Mittel 18.8 ms gemessen (Moritani et al. 1987) . Am M.quadriceps femoris betrug das EMD 17.2ms bei externer Reizung und 20.1ms unter Reflexbedingungen (Zhou et al. 995). Als Erklärung für die deutlich kürzere elek -tromechanische Kopplungszeit bei nicht willkürlicher Reizung führen die Autoren diemöglicherweise frühere Rekrutierung schnel -lerer Einheiten an. Dies scheint plausibel, da bei synchroner Reizung der Motoneurone, die schnellen Einheiten vor den langsamen zucken müßten und damit dieDehnungsgeschwindigkeit der serienelastischen Elemente von der Zuckungsgeschwindigkeit derselbenbestimmt wird. Da bei normalen konzentrischen Bewegungen erst die langsamen Ei heiten zum Einsatz kommen, dauert es auch länger, bis die elastischen Strukturen gespannt sind und Kraft übertragen können. Dies bestätigen auch die Ergebnisse von Cavanagh & Komi (1979), die bei exzentrischen Kontraktionen gegenüber isometrischen und konzentrischen kürzere EMDs fanden. Die Dauer des <<Electromechanical Delays>> scheint damit in hohem Maße vom Rekrutierungs- und damit vom Innervationsverhalten beeinflußt zu sein.

3 Siehe dazu auch Roy et al. (1986)

2.1.1 Kraft und EMG bei Ermüdung

Während das mittlere gleic hgerichtete EMG (MEMG), die Mean Power Frequency (MPF) und die Muskelfaserleitgeschwindigkeit (MFCV) im unermüdeten Zustand mit der Rekrutierung von größeren motorischen Einheiten zunehmen, verändert sich das Verhalten der Parameter unter ermüdenden Bedingungen. Ermüdungstest beinhalten meist anhaltende isometrische Kontraktionen auf verschiedenen Kraftstufbis zu einem definierten Abbruchskriterium.

Bei anhaltender willkürlicher Maximalkontraktion fällt das MEMG mit der gemessenen Kraft ab (Bigland-Ritchie et al. 1983; Jones et al. 1979). Ab ca. 50% der MVC setzt sich dieser Rückgang weiter fort, jedoch verändert sich das EMG-Kraft-

Verhältnis in dem Sinne, daß der Kraftabfall im Vergleich zum EMG -Rückgang schneller erfolgt, und damit das EMG-Kraftverhältnis ansteigt (Stephens & Taylor 1972). Bigland-Ritchie et al. (1978) berichtet von einzelnen Personen, die mit besonderer Anstrengung bei anfänglich abnehmender Kraft erneut Maximalkraftwerte erreichen können . Dies ist mit einem übernormalen Anstieg im MEMG verbunden. Die Autoren vermuten zentrale Ermüdungseinflüsse

Bei submaximal anhaltender konstanter Kraftentwicklung zwischen 25 und 80% der MVC steigt das MEMG mit zunehmender Kontraktionszeit linear (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Häkkinen & Komi 1983b; Moritani et al. 1986; Moritani et al. 1982; Petrofsky et al. 1982; Viitasalo & Komi 1977). Dieser EMG-Anstieg ist verursacht durch die zusätzliche Rekrutierung vornehmlich von Einheit n mit großer Spikeamplitude. Moritani et al. (1986) konnte dies mit Hilfe von simultaner Ableitung des Oberflächen -EMGs und einzelner motorischer Einheiten belegen. Wird die Kontraktion über den Ermüdungspunkt hinaus weiter aufrecht erhalt en, fällt das MEMG zusammen mit der Kraft (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Lind & Petrofsky 1979).

In breiter Übereinstimmung mit zahlreichen Studien fällt bei anhaltenden Ermüdungskontraktionen gesunder Personen die mittlere Frequenz des Leistungsspektrums ab (z.B. Arendt-Nielsen & Mills 1988; Häkkinen & Komi 1983b; Moritani et al. 1986; Moritani et al. 1982; Petrofsky et al. 1982; Viitasalo & Komi 1977). Als mögliche Ursachen werden die reduzierte Ausbreitungsgeschwind igkeit der Aktionspotentiale genannt, z.B. (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Eberstein & Beattie 1985; Kr -Lund & Jorgensen 1993), wobei generell einlinearer Zusammenhang zwischen der Mean Power Frequency und der Muskelfaserleitgeschwindigk eit eher bei Kontraktionen über 50% MVC beschrieben werden (Arendt-Nielsen & Mills 1988; Eberstein & Beatti1985; Sadoyama & Masuda 1987). Bei 50% ermüdender isometrischer Kontraktion sank bei 4 von 8 Versuchspersonen die MFCV linear mit der MPF, während bei 4 die MFCV konstant blieb (Naeije & Zorn1982). Andere Studien beschreiben einen vergleichsweise zur MFCV wesentlich ausgeprägteren Rückgangder Leistungsfrequenz (Bigland-Ritchie et al. 1981), bzw. einen nichtlinearen Zusammenhang im niederfrequenten Erregungsbereich zwischen beiden Parameter (Sadoyama & Masuda 1987; Zwarts et al. 1987). Eine mögliche Erklärung für das unterschiedliche Ermüdungsverhalten der MFCV bei maximalen und submaximalen Kontraktionen bietet die Studie von Zwarts & Arendt-Nielsen (1988). In Vergleichs -experimenten zwischen okkludierten und nicht okkludierten Mm. Vasti laterales sank die MFCV zwischen30%-40% MVC unter Okklusion stärker, während die Muskelfaserleitgeschwindigke it bei 10% und 20% MVC unter beiden Bedingungen leicht anstieg. Über 40% MVC fiel der MFCV -Rückgang bei größeren Kraftstufendeutlicher aus, jedoch ohne meßbare Unterschiede bei Unterbrechung der Blutzufuhr. Offensichtlich reagiert die MFCV demnach auf die lokalen Durchblutungsverhältnisse sehr sensibel und außerdem ist zwischen 20%-40% MVC mit einer zunehmenden Einschränkung der Blutzirkulation zu rechnen, die über 40%MVC zunehmend zum Stillstand kommt. Weiterhin besteht bei Ermüdung die Möglichkeit, wie s chon in Kapitel 2.5.4. beschrieben, die Innervationsfrequenz bei gleichbleibender Kraftentwicklung zentralnervös zu senken. Dieses als <<Muscle Wisdom>> beschriebene Phänomen wird lediglich bei mittlerer bis hoher Kraftbeanspruchung beobachtet (Binder-Macleod 1995). Darüber hinaus werden Erhöhungen im 20-40 Hz Band des Leistungsspektrums beobachtet, die ihre Ursachen in veränderten Entladungsabfolgen der Einheiten, bzw. der veränderten Form der Aktionspotentiale haben und möglicherweise mit der Synchronisation des Innervationsmusters einher (Hägg 1992).

Physiological Effect

Median frequency

Mean power frequency

Zero crossing rate

MFCV Proportional Proportional Proportional

Firing statistics alteration*

(10- to 40-Hz increase)

- - - - - -

Additional recruitment

+ + +

Musceltemperature alteration

Approx linear, 3-3.5%/0C

Action potential modification

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Tab.12t Physiologische Ursachen und ihr Einfluß auf Frequenzparameter des EMG-Leistungsspektrums. * die Anzahl der Striche beschreiben den Grad der Beeinflussung (Hägg 1992).

Bei intermittierender isometrischer oder konzentrischer Belastung führen Kontraktionswiederholungenebenfalls zu Ermüdungserscheinungen, jedoch wird hier, im Gegensatz zu anhaltenden Kontraktionen in der Kontraktionspause der Muskel hyperämisiert. Damit kann Sauerstoff zur Muskelzelle antransportiert und dieanfallenden Stoffwechselabbauprodukte abtransportiert werden. Arbeitspausen von nur 2s verlängern dieErmüdungszeit (Hagberg 1981). Die Verlängerung der MFCV in Zusammenhang mit Laktatakkumulation bei Durchblutungsstau wurde durch Mortimer et al. (1970) beschrieben. Hypoxy im Blut führt ebenfalls zu einer Reduzierung der MFCV (Gerilovsky et al. 1991) . Bei Patienten mit McArdles Syndrom, bei denen eine Laktatbildung nicht möglich ist, und bei Myopatiepatienten mit einem 100% ST-Faseranteil, bleibt dieMFCV während einer Ermüdungskontraktion konstant, während sie bei 80% und 50% ST-Anteil abfällt (Linssen et al. 1990; Linssen et al. 1991). Damit sprechen mehrere Befunde für einen direkten Einfluß derMilchsäure auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Aktionspotentiale auf der Muskelfasermembran, wobei die Studie von Juel (1988) verdeutlichen konnte, daß es sich dabei um die intrazelluläre Milch -säurekonzentration handelt, da der extrazelluläre pH-Wert nach ermüdender Reizung des M.soleus und des M.extensor digitorum longus (EDL) von Mäusen nicht anstieg. Dem gegenüber erholte sich der stark gesunkenen intrazelluläre pH im ähnlichen Zeitverlauf zur ermüdungsreduzierten Faserleitgeschwindigkeit. Daneben wird eine durch Ermüdung verursachte erhöhte K+-Konzentration im interstitiellen Raum als weiterMöglichkeit für eine Verlangsamung der Erregungsausbreitung auf der Muskelfasermembran diskutiert (Bigland-Ritchie et al. 1979; Juel 1988; Kössler et al. 1989) . Als mögliche Ursache für die erhöhte K +-Konzentration kann die erhöhte intrazelluläre Ca2+-Konzentration gesehen werden, da Ca2+ auf die K+-Kanäle aktivierend wirkt (Juel 1988). Temperaturänderungen beeinflussen sowohl die MFCV, als auch die MPF(Bigland-Ritchie et al. 1981), wobei der positive Zusammenhang zwischen MPF und Temperatur zum großen Teil durch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Muskelaktionspotentiale bedingt ist (Hägg 1992).

Zusammenfassend kann die Verlangsamung der MFCV bei gleicher Temperatur als Ursache erhöhter Laktatbildung betrachtet werden und darum scheint es auch nicht verwunderlich, daß der mittlereFrequenzinhalt des EMGs bei Willkürkontraktionen nicht in jedem Fall mit dem Abfall der Faserleitgeschwindigkeit erklärt werden kann. Gerade in der genannten Studie v Linssen et al. (1991) sank die MPF auch bei Patienten mit 100% ST-Faseranteil, bei denen die MFCV innerhalb der Ermüdungskontraktion konstant blieb. Der Einfluß von Stoffwechsel und Temperatur auf die MFCV wirdbesonders in der Studie von Van der Hoeven & Lange (1994) transparent. Während 50 isometrischKontraktionen am M. biceps brachii bei 50% MVC und 2 Sekunden Dauer, nahm die MFCV bei 6 und 8 Sekunden Pause zwischen den Kontraktionen kontinuierlich zu. Wurde die Kontraktionspause auf Sekunden verkürzt, nahm die Muskelfaserleitgeschwindigkeit bei 4 von 10 Personen leicht ab. Andere zeigtenkonstante oder leicht ansteigenden MFCV-Werte. Die Autoren werten dieses unterschiedlicheLeitgeschwindigkeitsverhalten als Ausdruck eines individue llen Laktatschwellenphänomens. Die mittlereFrequenz des Leistungsspektrums veränderte sich bei allen drei Testmodi nicht signifikant. Innerhalb der Nachbelastungsphase erhöhte sich die MFCV bei allen drei Testmodi auf übernormale Werte. Dies wird vor allem mit der erhöhten Muskeltemperatur erklärt.

Wie aus den vorausgegangenen Ausführungen hervorgeht, bestehen vielfache Verbindungen zwischen der Faserzusammensetzung eines Muskels, dem Ausdauerverhalten und den verschiedenen elektromyo -graphischen Parametern. Diese Zusammenhänge wurden in zahlreichen Vergleichsstudien bestätigt. Sowohl bei konstanten submaximalen Ermüdungskontraktionen als auch bei intermittierender Belastung steigt das mittlere EMG (MEMG) bei Muskeln mit einem höheren FT-Faseranteil als Ausdruck größerer Ermüdbarkeit steiler (Linssen et al. 1991; Moritani et al. 1982; Nilsson et al. 1977). Der MEMG Abfall bei intermittierenden maximalen isometrischen Kontraktionen ist bei Personen mit einem hohen FT-Faseranteil im M.vastus lateralis signifikant, während bei hohem ST-Anteil das MEMG nur leicht abnimmt (Komi & Tesch 1979). Dies zeigt sich auch bei dieser Untersuchung beim Vergleich von Marathonläufern mit Sprintern. Der MEMG-Abfall des M. quadriceps femoris bei Sprintern war signifikant steiler im Vergleich zu den Marathonläufern, wobei interessanterweise dieser MEMG-Rückgang hauptsächlich vom Rectuskopf ausging. Signifikant positive Zusammenhänge zwischen dem Abfall der mittleren EMG -Leistungsfrequenz und dem FT-Faseranteil zeigen die Studien von Komi & Tesch (1979), Kupa et al. (1995), Moritani et al. (1982) und Viitasalo & Komi (1978b). Und schließlich belegen die Befunde von Bigland-Ritchie et al. (1986), Hulten et al. (1975) und Moritani et al. (1982) die größere Ermüdungswiderstandsfähigkeit von Muskeln mit einem höherem ST-Faseranteil.