Krankheitserreger im Wasser - anreichern und nachweisen
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b Auch in einem so hoch entwi-ckelten Land wie Deutschland brechen von Zeit zu Zeit Krank-heiten aus, die pathogene Mikro-organismen oder Viren durch Wasser übertragen. Beispiele dafür sind der E.-coli-O104:H4-Aus-bruch im Frühsommer 20111) (Ehec) oder die saisonbedingten Noro- oder Rotaviren-Ausbrüche in den Wintermonaten.2–4) Die meisten wasserassoziierten Krank-heitserreger sind fäkalen Ur-sprungs. Die Trinkwasserverord-nung von 2011 legt fest, dass Trinkwasser frei von Krankheitser-regern sein muss.5)
Kulturverfahren reichern Mikro-organismen und Viren über Ver-mehrung an. Die Verfahren sind meist selektiv und benötigen wenig apparativen Aufwand. Allerdings dauern sie lange, 18 Stunden bis mehrere Tage, und die Analyse er-fordert erfahrenes Fachpersonal.
Die analytische Chemie löst das Problem der Spurensuche von kleinsten Analytkonzentrationen durch Verbundverfahren, die eine Probe konzentrieren, von der Ma-trix trennen und instrumentell ana-lysieren. Übertragen auf die Was-seranalytik von Mikroorganismen und Viren wird je nach Nachweiss-tärke des Analyseverfahrens und Grenzwert eine repräsentative Was-serprobe mit einem Volumen von mindestens 10 L benötigt. Derzeit steht aber keine Analysenmethode zur Verfügung, die einzelne Viren und andere Pathogene in so großen Volumina identifiziert. Die Wasser-probe ist also schnellstmöglich auf weniger als 1 mL zu konzentrieren, um sie dann mit immun-, moleku-larbiologischen oder spektroskopi-schen Methoden zu analysieren. Dies erfordert kombinierte Analy-severfahren, die große Wassermen-gen handhaben und eine repräsen-tative Probe mit Mikroorganismen und Viren entnehmen, konzentrie-
ren und analysieren. Aus diesem Grund arbeiten wir an neuen Schnellanreicherungstechniken, die mit kulturunabhängigen Nach-weisverfahren für Krankheitserre-ger und Indikatororganismen kom-binierbar sind.
Molekularbiologische Nachweis-methoden, wie die Polymerase-Ket-tenreaktion (PCR), haben inzwi-schen einen hohen Stellenwert in der Wasseranalytik. Ein Beispiel hierfür ist der Nachweis der Gastro-enteritis-Erreger Noroviren, der erst an Bedeutung gewann, als die PCR als Messverfahren zur Verfügung stand. Noroviren lassen sich nicht über Zellkultur vermehren. Die Kombination aus Nukleinsäuream-plifikation und analytischen DNA-Mikroarrays liefert eine Multiplex-analyse, die Pathogene in Trinkwas-ser innerhalb von Stunden findet.
Konzentrierungstechniken
b Um repräsentative Wasserpro-ben mit einem Volumen von bis zu 100 L zu konzentrieren, sind Di -alysemembranen mit einer Trenn-größe von zirka 150 kDa ein Weg. Diese Ultrafiltrationsmodule beste-hen aus einem Bündel von Hohlfa-sern. Die Innenseite der Membran hält neben Kolloiden die zu analy-
Sandra Lengger, Reinhard Nießner, Michael Seidel
Trinkwasser darf keine Krankheitserreger enthalten. Diese gelangen aber ins Abwasser, und vor allem
Viren sind oft widerstandsfähig gegen Abwasserbehandlung und Trinkwasseraufbereitung.
Wasser analytische Methoden können solche Keime innerhalb von Stunden mit Mikroarrays parallel
nach weisen. Dies erfordert allerdings Verfahren, die Wassermengen von mehr als zehn Litern auf
weniger als einen Milliliter einengen und die Mikroorganismen sowie Viren dabei konzentrieren.
Krankheitserreger im Wasser –anreichern und nachweisen
BAnalytikV
VV Verbundverfahren konzentrieren Wasserproben
und weisen mehrere Mikroorganismen und
Viren parallel quantitativ nach – und das
innerhalb weniger Stunden.
VV Der Munich Microorganism Concentrator
(MMC 3) kombiniert Crossflow-Ultrafiltration
und monolithische Affinitätsfiltration und
konzentriert automatisch.
VV Crossflow-Ultrafiltration engt mit einem Filtrat-
fluss von 1 m3·h–1 bis zu 30 m3 Wasser ein.
VV Die Analysenplattform Munich Chip Reader
(MCR 3) verfügt über eine temperaturgeregelte
Flusszelle für die Multiplexanalyse von Chemi -
lumineszenz-DNA-Mikroarrays.
b QUERGELESEN
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sierenden Bakterien und Viren zu-rück, die eluiert und dann weiter prozessiert werden.
Am Institut für Hydrochemie der TU München haben wir die Kon-zentrierungsanlage Munich Mi-croorganism Concentrator, MMC 3, entwickelt. Für die Crossflow-Ul-trafiltration (CUF) diente das Dia-lyse-Modul FX80 (Abbildung 1).
Eine Schlauchpumpe fördert das Wasser so, dass es die Membran im Kreislauf tangential anströmt. Durch die Druckdifferenz filtriert das Modul die Wasserprobe bei ei-nem maximalen Volumenstrom von 3,5 L·min–1 mit einer Flussrate von 0,7 L·min–1. Nach der Konzentrie-rung im Umlaufsystem schaltet der MMC 3 seine Magnetventile um, so dass die Probe in einen Sterilbeutel mit einem definierten Volumen von 100 mL eluiert wird. Der MMC 3 wurde mit dem Modellvirus Bakte-riophage MS2 in Leitungswasser-proben getestet. Über 30 % der Pha-gen fanden sich im Eluat wieder. Die Wiederfindung erreichte 80 %, wenn die Membran zusätzlich mit dem ionischen Polymer NaPP be-schichtet und das Detergenz Tween 20 der Elutionslösung zugefügt wurde. Diese Wiederfindungen der Bakteriophagen entsprechen den in der Literatur beschriebenen Ergeb-nissen.6)
Weiter konzentrieren und Störkomponenten entfernen
b Der MMC 3 integriert einen zweiten Konzentrierungsschritt. Dieser soll nicht nur das Volumen weiter reduzieren, sondern mög-lichst nur die pathogenen Erreger zurückhalten und Kolloide und an-dere Störkomponenten entfernen. Dazu eignet sich die Adsorptions-Elutions-Methode mit monolithi-scher Affinitätsfiltration (MAF),7) die direkt mit der CUF kombiniert ist. Die MAF hat den Vorteil, dass ein sehr kleines Endvolumen (zir-ka 1 mL) entsteht, das sich direkt für die Analyse eignet.
Vor der MAF wird im Sterilbeu-tel HCl vorgelegt und das CUF-Eluat manuell auf pH 3 eingestellt.
Die angesäuerte Probe wird an-schließend bei einer Flussrate von 10 mL·min–1 über das makroporöse Epoxidpolymer geleitet, das in ei-ner oberflächenchemisch behan-delten Glassäule einpolymerisiert ist. Nach Behandlung mit Schwe-felsäure hydrolysieren die Epoxy-gruppen, so dass an den Porenober-flächen OH-Gruppen vorliegen. Al-le Mikroorganismen und Viren mit einem isoelektrischen Punkt grö-ßer als dem eingestellten pH-Wert der Probe sind durch die saure Um-
gebung positiv geladen und adsor-bieren auf Grund elektrostatischer Kräfte an das negativ geladene Po-lymergerüst. 1 mL eines basischen, proteinreichen Puffers (Glycin-Beefextrakt, pH 9,5) reicht aus, um die Keime zu eluieren.
Die Adsorptionsrate liegt für MS2-Phagen bei 73,3 ± 6,3 %. Die Konzentration wurde im Durch-lauf über ein kulturbasiertes Nach-weisverfahren, den Plaque-Assay, bestimmt und auf die Ausgangs-konzentration bezogen. Im Eluat
Abb. 1. Munich Microorganism Concentrator (MMC 3) für die kombinierte Konzentrierung
von Viren und Mikroorganismen in Wasserproben bis 100 L.
Abb. 2. BigCUF für
die Konzentrierung
von Viren und
Mikroorganismen
in Wasserproben
bis 30 m3.
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fanden sich 111,8 ± 16,3 % wie-der.9) Die hohen Wiederfindungs-raten im Eluat lassen sich damit erklären, dass im MAF-Konzentrat weniger Agglomerate als im Durchlauf waren und der Elutions-puffer eine höhere Infektionswir-kung hat.
Weitere Experimente charakteri-sierten den gesamten Prozess des MMC 3 mit Kalibrierungen und Wiederfindungsbestimmungen mit MS2-Phagen in Leitungswasser. Der Gehalt an Phagen lag nach Konzentrierung mit dem MMC 3 zwischen 0,02 und 230 PFU·mL–1
bei einer Nachweisgrenze (NWG) von 0,002 PFU·mL–1. Die Wieder-findungen lagen in den eingesetz-ten Konzentrationen (102 bis 106 PFU·10 L–1) zwischen 42 und 50 %. Dies zeigt, dass einzelne Vi-
ren im Leitungswasser nach Kon-zentrierung nachweisbar sind. Al-lerdings ist die Bindekapazität von 5,6 × 105 PFU·g–1 für ein Säulenvo-lumen von 100 µL (0,017 g) für Trinkwasser ein limitierender Fak-tor, insbesondere wenn das Wasser andere Mikroorganismen, Viren und andere ionische Bestandteile enthält.
Im Anschluss wurden weitere Umweltwasserproben konzentriert und anschließend die Menge der vorher zugegebenen MS2-Phagen per quantitativer Real-Time-PCR (qRT-PCR) bestimmt. Demnach sind im Grundwasser Phagen nach Konzentrierung zwischen 30 und 30 000 GU·mL–1 nachweisbar mit einer berechneten Nachweisgrenze von 20 GU·mL–1. Ohne Konzentrie-rungsschritt lag die Nachweisgren-ze der qRT-PCR bei 104 GU·mL–1.
In Seewasser befinden sich gene-rell viel mehr Viren und Bakterien als in Grund- oder Leitungswasser. Vor allem die Cyanobakterien ver-mehren sich im Sommer stark; sie und andere Partikel blockieren die MAF-Säule. Zudem inhibieren Ma-trixbestandteile, zum Beispiel Hu-minsäuren, die PCR. Daher sind in einem nächsten Schritt größere mo-nolithische Säulen zu entwickeln und Inhibitoren effektiver zu ent-fernen.
Größere Volumina untersuchen
b Um das Risko von Krankheits-ausbrüchen durch Viren wie Rota-viren zu minimieren, schreibt die Weltgesundheitsorganisation vor, Trinkwasserproben mit einem Vo-lumen bis zu 30 m3 zu analysie-ren.9) Für Rotaviren reicht die Auf-nahme einzelner infektiöser Parti-kel aus, um daran zu erkranken.
Bei Bakterien benötigt man eine viel höhere Infektionsdosis. Wenn man statistisch pro 10 000 Einwoh-ner eine Infektion pro Jahr toleriert und jeder täglich 2 L Trinkwasser zu sich nimmt, muss sichergestellt sein, dass in 30 000 L kein Rotavi-rus enthalten ist.
Auch dazu eignet sich das Prin-zip der kombinierten Konzentrie-rung. Um die Machbarkeit zu zei-gen, wurde in einem DFG-Projekt eine CUF-Anlage aufgebaut, die ei-nen Filtratfluss von 1 m3·h–1 er-reichte (Abbildung 2).
Die CUF-Anlage arbeitet mit ei-nem Trinkwasser-Aufbereitungs-modul des Herstellers Inge (Grei-fenberg), das aus mehrkanaligen Hohlfasern mit einer Gesamtfiltrat-fläche von 6 m2 besteht. Die Hohl-fasern haben eine Porengröße von 20 nm und bestehen aus Polyether-sulfon. Damit lassen sich dem Lei-tungswasser zudosierte MS2-Pha-gen mit einer Wiederfindung von über 30 % (Plaque-Assay und qRT-PCR) in 20 L Eluat konzentrieren. Daran angepasst wurde eine MAF-Kartusche (BigMAF, Abbildung 3) aus MAF-Discs mit einem Durch-messer von 3,8 cm entwickelt. Mit einer Flussrate von 1 L·min–1 wur-de die Wasserprobe auf 20 mL ein-geengt. In einem letzten Schritt er-reichte man über zentrifugal unter-stützte Ultrafiltration ein Endvolu-men von 1 mL. Die Wiederfindung mit qRT-PCR lag bei 11 %. Konzen-trierung von Viren um 2,4 × 105
(Gesamtanreicherung BigCUF-MAF-CeUF) ist somit möglich.
Schnellnachweisverfahren
b Multiplex-Analysenverfahren quantifizieren mehrere unter-schiedliche Keime parallel und be-
Abb. 4. Detektionseinheit des MCR 3 mit temperierbarer
Flusszelle.
Abb. 3. BigMAF zur schnellen Konzentrierung von Viren aus 20 L Eluatprobe über Adsorptions-Elutionsverfahren.
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1210 BBlickpunktV Analytik
stimmen mikrobiologische Para-meter daher schnell und preisgüns-tig. Die Analysenplattform Munich Chip Reader (MCR 3) wurde im BMBF-Projekt Path2ogenscan für Chemolumineszenz-DNA-Mikroar-rays einsetzbar gemacht (Abbil-dung 4). Es wurde eine Peltier-ge-steuerte Heizfunktion in die Mikro-array-Flusszellenaufnahme einge-baut, so dass sie Hybridisierungsas-says auch bei höheren Temperatu-ren erlaubt. Temperaturerhöhung auf 40 °C erreicht stringentere Be-dingungen: Es setzen weniger Kreuzreaktionen von PCR-Produk-ten ein, so dass die Selektivität auf dem DNA-Mikroarray zunimmt (Abbildung 5).
Ein weiterer positiver Effekt ist, dass sich Sekundärstrukturen auf-lösen und dadurch die PCR-Pro-dukte besser mit den immobilisier-ten DNA-Sonden hybridisieren. Im Path2ogenscan-Projekt wurde je Mikroorganismus oder Virus eine separate PCR auf jeweils einem Thermocycler durchgeführt, die amplifizierte DNA anschließend gepoolt und nach Einzelstrangtren-
nung vereinigt in eine Proben-schleife im MCR 3 injiziert (Abbil-dung 6, S. 1212).
Der MCR 3 für DNA-Mikroar-rays quantifizierte anschließend die einzelnen PCR-Amplifikate pa-rallel. Die Amplifikation erfolgte über eine Stop-PCR.10) Im Gegen-satz zu einer Endpunkt-PCR, kor-relierte im dynamischen Bereich der PCR die eingesetzte DNA mit der amplifizierten DNA. Der MCR3 quantifizerte die pathogene Bakterien wie E. coli O157:H7, Cam py lo bac ter jejuni, Salmonella enterica gleich nachweisstark wie mit einer qPCR.11) Das Path2ogenscan-Projekt etablierte
für jedes Pathogen eine Stop-PCR, indem Primer untersucht, Tempe-raturzyklen der PCR angepasst und optimale Stop-Zyklen be-stimmt wurden. Der MCR 3 quan-tifizierte erstmals Viren wie die Bakteriophagen MS2 und PhiX174 und die Pathogene Adenovirus und Norovirus parallel über DNA-Mikroarrays.
Ausblick: effiziente Extraktion und Automatisierung
b Für das Ziel, Krankheitserre-ger in Wasser möglichst automa-tisiert zu analysieren, ist an mul-tiplexfähigen Amplifikationsstra-
25 °C 40 °C
MS2-spezifische Sonde Adenovirus-spezifische Sonde
Hybridisierung von MS2-Produkt an beiden Sonden �Kreuzreaktion
Verstärkte Hybridisierung ausschließlich an der MS2-spezifischen Sonde �keine Kreuzreaktion
b Gastroenteritis-Epidemien durch Viren
Wie kann es zu virusbedingten
Gastroenteritis-Ausbrüchen kom-
men? Viren, die auf den Verdau-
ungstrakt wirken, werden oral
aufgenommen, passieren den Ma-
gen-Darmkanal, vermehren sich in
Zellen des Verdauungstrakts und
werden über den Stuhl ausge-
schieden. Betrachten wir den Weg
eines solchen enteralen Virus
nach der Ausscheidung und schät-
zen die Viruskonzentration in der
Umwelt grob ab: Bei einer Infekti-
on beträgt die Viruskonzentration
im Stuhl etwa 109 g–1. Wenn man
annimmt, dass eine Person am
Tag zirka 150 g Stuhl abgibt und
150 L verbraucht, ergibt sich eine
Fäkalienkonzentration im Abwas-
ser von 1 g·L–1. Die Viruskonzentra-
tion im Abwasser wird sich bei ei-
ner einzigen Infektion unter
100 000 Einwohnern im Mittel auf
Der Mensch kommt mit enteralen
Viren entweder über das Oberflä-
chenwasser in Kontakt, indem er
in Seen oder Flüssen badet, oder
über Agrarprodukte wie Obst und
Gemüse, die mit Oberflächenwas-
ser bewässert wurden. Ein Teil des
Trinkwassers ist aufbereitetes
Oberflächenwasser und kann des-
wegen eine weitere Infektions-
quelle sein. Die Aufnahme einzel-
ner Rotaviren reicht aus, um eine
Infektion auszulösen. Durch dieses
hohe Infektionsrisiko von Viren im
Trinkwasser sind, geht es nach der
WHO,9) viel größere Wassermen-
gen zu beproben, als es bei patho-
genen Bakterien notwendig ist
(10 bis 32 m3 an Stelle von 100 mL,
wie die Trinkwasserverordnung für
Keime vorschreibt). Für Oberflä-
chenwässer genügen Probenvolu-
mina von 10 bis 100 L.
104·L–1 einstellen.12, 13) Je nach
Zahl und Art der Infektionen sind
noch größere Konzentrationen zu
erwarten. Die Abwasserklärung
inaktiviert 80 % bis 99,9 % der Vi-
ren. Die Eliminationseffekte hän-
gen stark von den Betriebsbedin-
gungen der Anlage ab. Zudem
spielen Witterungsbedingungen
eine Rolle, zum Beispiel wenn bei
Starkregenfällen das Abwasser di-
rekt in den Vorfluter geleitet wird
und damit ungeklärt in Oberflä-
chenwasser abfließt. Entspre-
chend schwankt die Viruskonzen-
tration im Oberflächenwasser in
Abhängigkeit der Abwasserbelas-
tung zeitlich und örtlich. Genaue-
re Daten sind kaum verfügbar,
weil bislang keine effektiven Auf-
konzentrierungstechniken für die
Vermessung von Umweltwasser-
proben zur Verfügung standen.
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1211Analytik BBlickpunktV
Abb. 5. CL-DNA-Mikroarray zum Nachweis von MS2-Phagen bei 20 und 40°C.
tegien für DNA-Mikroarrays und an integrierten DNA-Extraktions-verfahren zu forschen. Um große Wasservolumina zu konzentrie-ren und über DNA-Mikroarrays zu analysieren, stehen nun In-strumente zur Verfügung. Was-serproben aus Trink- und Grund-wasser können jetzt schon umfas-send auf Krankheitserreger unter-sucht werden. Für Oberflächen-wasser und Abwasser werden effi-zientere MAF-Säulen entwickelt, um den Verteilungsweg von Krankheitserregern über Abwas-ser, Grundwasser, Oberflächen-wasser bis hin zum Trinkwasser umfassend zu beproben und zu analysieren.
Michael Seidel, Jahrgang 1973, ist seit dem
Jahr 2005 Gruppenleiter am Lehrstuhl für
Analytische Chemie der TU München und ha-
bilitiert dort seit 2010. Er studierte bis 2000
technische Biologie an der Universität Stutt-
gart und promovierte im Jahr 2003 in physika-
lischer Chemie an der Universität Tübingen.
Anschließend war er bis 2005 F+E-Projektlei-
ter bei Miltenyi Biotec. Seine aktuellen For-
schungsgebiete umfassen die Multiplex-Ana-
lyse mit Mikroarrays in Lebensmittel- und
Umweltanalytik, Konzentrierungs- und Sepa-
rationstechniken, PCR- und antikörperbasierte
Analytik von Mikroorganismen und Viren, Ent-
wicklung von Forschungsgeräten.
Reinhard Nießner, Jahrgang 1951, studierte
Chemie in Freiburg und Dortmund und pro-
movierte dort 1981. Nach seiner Habilitation
im Jahr 1985 war er von 1986 bis 1989 Profes-
sor für anorganische und analytische Chemie
an der TU Dortmund. Seit dem Jahr 1989 hat
er den Lehrstuhl für Analytische Chemie an
der TU München inne.
Sandra Lengger studierte von 2004 bis 2007
Chemie und Biochemie an der Ludwig-Maxi-
milians-Universität (LMU) München und ab-
solvierte von 2007 bis 2009 ein Masterstudi-
um in Chemie ebenfalls an der LMU. Seit 2009
promoviert sie am Institut für Wasserchemie
und Chemische Balneologie der TU München
und entwickelt DNA-Microarrays zur Quantifi-
zierung von Viren in Wassermatrices.
Literatur
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J. Wain: „Enteroaggregative E. coli O104
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tries, 2011, 5, 425–436.
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national Journal of Food Microbiology
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Bonsdorff: „Norovirus outbreaks from
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7) C. Peskoller, R. Niessner, M. Seidel: „Devel-
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10) S. C. Donhauser, R. Niessner, M. Seidel:
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11) S. C. Donhauser, R. Niessner, M. Seidel:
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coli O157:H7, Salmonella enterica, and
Campylobacter jejuni by combining
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chemiluminescence flow-through DNA
microarray analysis“, Analytical Chemis-
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12) R. Botzenhart, M. Seidel, „Mikrobiologie
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2010.
13) F. J. Simmons, I. Xagoraraki: „Release of
infectious human enteric viruses by full-
scale wastewater utilities.“ Water Re-
search 2011, 45, 3590–3598.
Diese Arbeiten wurden im Rahmen des
BMBF-Projekts PATH2OGENSCAN
(WO02WU114) und dem DFG-Projekt SE
1722/1–2 durchgeführt.
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1212 BBlickpunktV Analytik
Empfindlichere Photodetektoren
b Einen hochempfindlichen Bild-sensor haben Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Mikroelek-tronische Schaltungen und Syste-me IMS, Duisburg, entwickelt. Da-für haben sie die CMOS(Comple-mentary Metal Oxide Semiconduc-tor)-Technik erweitert. Der neue Detektor basiert auf Single-Photon-Avalanche-Photodioden (SPAD); die Pixelstruktur des Detektors
zählt einzelne Photonen innerhalb weniger Pikosekunden und ist da-mit schneller als die bisherigen CMOS-Detektoren. Der neue Sen-sor ist Ergebnis des europäischen Forschungsprojekts, Microelec-tronic Single Photon 3D Imaging Arrays for low-light high speed Safety and Security Applications (MiSPiA) an dem sich sieben Part-ner aus Wissenschaft und Wirt-schaft beteiligen. www.ims.fraunhofer.de
Kurz notiert
Abb. 6. Prinzip der kombinierten Messmethode für die Analyse von wasserbürtigen
Mikroorganismen und Viren.