«Kreativität verlangt konkretes · 2014-04-17 · Gestaltung Bern und Biel, an der er seit 1986...

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Interview Elisabeth Pacher Fotos Daniel Uhl Roger Spindler, wie werde ich Künstlerin? Man wird nicht einfach Künstlerin oder Künstler. Kunst entsteht durch das konkrete Tun, die Begabung und den Glauben an sich selber. Sie können nicht an unsere Schule kommen und sagen: «Jetzt möchte ich Künstlerin werden.» Jeder Kunstschaffende wird wahrscheinlich einen anderen Weg dafür aufzeigen. Für eine Kunstausbildung müssen Sie an eine Hochschule. Wir bilden Personen in gestalterischen Berufen aus und weiter. Worauf legen Sie in der Ausbildung besonderen Wert? Die Schule für Gestaltung ist in erster Linie eine Berufsschu- le. Unsere Aus- und Weiterbildungen sind berufsbegleitend. Die meisten Leute behaupten sich bereits in der Praxis und setzen sich bei uns mit den gestalterischen Themen ausei- nander. So kommen zum Beispiel eine Grafikerin oder ein Gestalter für Werbetechnik im Rahmen ihrer Ausbildung ein bis zwei Tage zum Lernen hierher. Welche Talente muss eine Person mitbringen? Insbesondere eine gesunde Neugierde. Unsere Zielgruppe sind junge Menschen, die «gluschtig» und offen durch die Welt gehen, diese kritisch hinterfragen und ein Flair für die visuelle Umsetzung mitbringen. Sie sollten Augen für For- men, Farben und für unsere Umgebung haben. Kreativitäts- techniken können sie bis zu einem gewissen Grad lernen. Neugierde hingegen nicht. Braucht es Kreativität, um beruflich erfolgreich zu sein? Unbedingt! Aber Kreativität darf nicht auf das reduziert wer- den, was in Wikipedia steht. Die Lernenden sollen ihren eige- nen Kreativitätsbegriff entwickeln, da sich dieser ständig ändert. Als Dozierende vermitteln wir kreatives Denken und Handeln. Kreativität hat etwas mit Machen zu tun, mit Expe- rimentieren und Entdecken. Haben kreative Berufe eine Zukunft? Bestimmt. Je länger, je mehr setzt sich Kreativität auch im Management durch, um zu innovativen Lösungen zu gelangen. Demgemäss fordern wir die Lernenden heraus, neue und unkonventionelle Wege zu suchen. Als eine der wenigen Schulen in der Schweiz arbeiten wir in einzelnen Weiterbildungen mit «Design-Thinking» als didaktischem Modell. Wofür steht «Design-Thinking»? Bei dieser Methode stellen die Lernenden zuerst unbequeme Fragen, sie beobachten genau und bilden sich dann eine eigene Meinung. Jetzt erstellen sie einen Prototyp, den sie ausprobieren und optimieren. Das Problem wird ganzheit- lich erfasst und die daraus entwickelte Lösung am Schluss kritisch hinterfragt. Worauf legen Sie im Unterricht besonderen Wert? Wir versuchen, den Unterricht mit der beruflichen Realität zu verknüpfen. Wir sind ein Aquarium, kein Elfenbeinturm, das heisst, wir bieten Freiraum, in dem ich mich als Ler- nender bewegen kann. Ich darf experimentieren, scheitern und muss nicht immer verkaufen. In der Industrie kommt Kreativität häufig erst dann ins Spiel, wenn nichts mehr geht. Genau das wollen wir nicht. Künftig wird derjenige Erfolg haben, der offen denkt und schnell handelt. Wie beurteilen Sie die Lernenden? Neben den gestalterischen Fähigkeiten ist uns wichtig, dass sie kompetent argumentieren. Sich gut verkaufen ist näm- lich ein Erfolgsfaktor. Schlussendlich ist der Mix zwischen theoretischem, praktischem und gestalterischem Wissen entscheidend. Ist jemand ein extrem guter Fachspezialist, kann aber nicht mit Leuten umgehen, nützt das nämlich nichts. Wie zentral ist bei der Ausbildung die wirtschaftliche Exis- tenzsicherung? In der Grundbildung der Berufslehre ist dies ein weniger zentrales Thema. In der Weiterbildung dagegen ist, zum Bei- spiel im Studiengang Kommunikationsdesign – neben dem gestalterischen Schwerpunkt –, auch das unternehmerische Denken ein wichtiger Aspekt. Die Studierenden müssen ver- stehen, was ihre gestalterische Leistung kosten soll. Letztes Jahr verbrachten die Studierenden des Kommunikations- designs eine Woche in Berlin. Wir traten als Agentur auf und akquirierten einen Kunden im Modebereich. Dafür entwi- K R E AT I V I TÄT U N D B E R U F «Wir sind ein Aquarium – kein Elfenbeinturm» Gestalterische Berufe sind im Trend, und kreativ an Lösungen herangehen ist nötiger denn je. Roger Spindler, Leiter Höhere Berufs- und Weiterbildung an der Schule für Gestaltung Bern und Biel, über die Herausforderungen in gestalterischen Berufen, den praxisorientierten Unterricht und die Bedeutung der Kreativität. ckelten wir eine Plattform, in der sich die verschiedenen «Player» der Modeszene in Berlin vernetzen können. Unser Auftrag- geber führt heute das Projekt in Zusam- menarbeit mit dem Berliner Senat weiter. Haben Sie noch weitere Beispiele? Beim Studium Medienwirtschaft/-mana- gement prüfen die Studierenden am Ende ihrer Ausbildung eine Woche lang ein Me- dienunternehmen auf «Herz und Nieren». Sie analysieren nach der «Design-Thin- king»- Methode. Am Ende der Woche prä- sentieren die Studierenden der Geschäfts- leitung und dem Verwaltungsrat eine Zukunftsstrategie für ihr Unternehmen. Das ist real – eine Operation am offenen Herzen sozusagen. Bringt die Schule die Auszubildenden mit Geldgebern in Kontakt? Ja, immer wieder. Die Berner Musikband Ocean gelangte an uns, weil sie für ihr neues Album ein Cover suchte. Die Band spielte zuerst live im Schulzimmer und erklärte ihren Auftrag. Jeder Teilnehmen- de gestaltete dann ein Cover. Am Schluss wählte die Band eins aus. An der Schule ist das Projekt in dem Moment abgeschlos- sen, in dem wir es präsentiert haben. Der Auftraggeber setzt dieses mit dem Stu- denten zusammen um. Generell gehen Gestaltung und Geld gut nebeneinander. Und gute Kunst und Gestaltung fördern sich selber. 6 4 I 2014 der arbeitsmarkt GRÜNDUNG 2000 ANGEBOT Ausbildungen auf der Sekundarstufe II (Propädeutikum, Berufsfachschule, Fachklassen), der Tertiärstufe (höhere Berufsbildungen) und Weiterbildungen. Der «Zweijahr- vorkurs» startet im September 2014. Der einjährige Vorkurs wurde gestri- chen. Das Propädeutikum Gestal- tung und Kunst richtet sich neu ausschliesslich an Personen mit ei- ner gymnasialen, einer Berufs- oder einer Fachmaturität. Die Vollzeitaus- bildungen der Fachklassen Grafik und Keramikdesign sind die gefrag- testen Berufslehren, gefolgt von den Weiterbildungen Interaktionsdesign, Medienwirtschaft/-management und Kunsttherapie. MITARBEITENDE 275 Vollzeit- und Teilzeitstellen LERNENDE Jährlich besuchen rund 3500 Personen die Schule. Sie lernen einen Beruf, den sie mit einem eid- genössischen Fähigkeitszeugnis abschliessen. Zwischen 250 und 300 Personen absolvieren die Aufnahme- prüfung für das einjährige Propä- deutikum Gestaltung und Kunst. Die Schule bietet jedoch nur 72 Ausbil- dungsplätze an. In die Fachklassen Grafik und Keramikdesign werden jeweils 2 bis 3 Kandidatinnen oder Kandidaten aufgenommen. Schule für Gestaltung Bern und Biel «Gestalterische Arbeiten haben ein klares Ziel und einen Nutzen.»

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Interview Elisabeth Pacher Fotos Daniel Uhl

Roger Spindler, wie werde ich Künstlerin?

Man wird nicht einfach Künstlerin oder Künstler. Kunst entsteht durch das konkrete Tun, die Begabung und den Glauben an sich selber. Sie können nicht an unsere Schule kommen und sagen: «Jetzt möchte ich Künstlerin werden.» Jeder Kunstschaffende wird wahrscheinlich einen anderen Weg dafür aufzeigen. Für eine Kunstausbildung müssen Sie an eine Hochschule. Wir bilden Personen in gestalterischen Berufen aus und weiter.

Worauf legen Sie in der Ausbildung besonderen Wert?

Die Schule für Gestaltung ist in erster Linie eine Berufsschu-le. Unsere Aus- und Weiterbildungen sind berufsbegleitend. Die meisten Leute behaupten sich bereits in der Praxis und setzen sich bei uns mit den gestalterischen Themen ausei-nander. So kommen zum Beispiel eine Grafikerin oder ein Gestalter für Werbetechnik im Rahmen ihrer Ausbildung ein bis zwei Tage zum Lernen hierher.

Welche Talente muss eine Person mitbringen?

Insbesondere eine gesunde Neugierde. Unsere Zielgruppe sind junge Menschen, die «gluschtig» und offen durch die Welt gehen, diese kritisch hinterfragen und ein Flair für die visuelle Umsetzung mitbringen. Sie sollten Augen für For-men, Farben und für unsere Umgebung haben. Kreativitäts-techniken können sie bis zu einem gewissen Grad lernen. Neugierde hingegen nicht.

Braucht es Kreativität, um beruflich erfolgreich zu sein?

Unbedingt! Aber Kreativität darf nicht auf das reduziert wer-den, was in Wikipedia steht. Die Lernenden sollen ihren eige-nen Kreativitätsbegriff entwickeln, da sich dieser ständig ändert. Als Dozierende vermitteln wir kreatives Denken und Handeln. Kreativität hat etwas mit Machen zu tun, mit Expe-rimentieren und Entdecken.

Haben kreative Berufe eine Zukunft?

Bestimmt. Je länger, je mehr setzt sich Kreativität auch im Management durch, um zu innovativen Lösungen zu gelangen. Demgemäss fordern wir die Lernenden heraus, neue und unkonventionelle Wege zu suchen. Als eine der wenigen Schulen in der Schweiz arbeiten wir in einzelnen Weiterbildungen mit «Design-Thinking» als didaktischem Modell.

Wofür steht «Design-Thinking»?

Bei dieser Methode stellen die Lernenden zuerst unbequeme Fragen, sie beobachten genau und bilden sich dann eine eigene Meinung. Jetzt erstellen sie einen Prototyp, den sie ausprobieren und optimieren. Das Problem wird ganzheit-lich erfasst und die daraus entwickelte Lösung am Schluss kritisch hinterfragt.

Worauf legen Sie im Unterricht besonderen Wert?

Wir versuchen, den Unterricht mit der beruflichen Realität zu verknüpfen. Wir sind ein Aquarium, kein Elfenbeinturm, das heisst, wir bieten Freiraum, in dem ich mich als Ler-nender bewegen kann. Ich darf experimentieren, scheitern und muss nicht immer verkaufen. In der Industrie kommt

Kreativität häufig erst dann ins Spiel, wenn nichts mehr geht. Genau das wollen wir nicht. Künftig wird derjenige Erfolg haben, der offen denkt und schnell handelt.

Wie beurteilen Sie die Lernenden?

Neben den gestalterischen Fähigkeiten ist uns wichtig, dass sie kompetent argumentieren. Sich gut verkaufen ist näm-lich ein Erfolgsfaktor. Schlussendlich ist der Mix zwischen theoretischem, praktischem und gestalterischem Wissen entscheidend. Ist jemand ein extrem guter Fachspezialist, kann aber nicht mit Leuten umgehen, nützt das nämlich nichts.

Wie zentral ist bei der Ausbildung die wirtschaftliche Exis-

tenzsicherung?

In der Grundbildung der Berufslehre ist dies ein weniger zentrales Thema. In der Weiterbildung dagegen ist, zum Bei-spiel im Studiengang Kommunikationsdesign – neben dem gestalterischen Schwerpunkt –, auch das unternehmerische Denken ein wichtiger Aspekt. Die Studierenden müssen ver-stehen, was ihre gestalterische Leistung kosten soll. Letztes Jahr verbrachten die Studierenden des Kommunikations-designs eine Woche in Berlin. Wir traten als Agentur auf und akquirierten einen Kunden im Modebereich. Dafür entwi-

K r e a t i v i t ä t u n d B e r u f

«Wir sind ein Aquarium – kein Elfenbeinturm» Gestalterische Berufe sind im Trend, und kreativ an Lösungen herangehen ist nötiger denn je. Roger Spindler, Leiter Höhere Berufs- und Weiter bildung an der Schule für Gestaltung Bern und Biel, über die Herausfo rderungen in gestalterischen Berufen, den praxisorientierten Unterricht und die Bedeutung der Kreativität.

ckelten wir eine Plattform, in der sich die verschiedenen «Player» der Modeszene in Berlin vernetzen können. Unser Auftrag-geber führt heute das Projekt in Zusam-menarbeit mit dem Berliner Senat weiter.

Haben Sie noch weitere Beispiele?

Beim Studium Medienwirtschaft/-mana-gement prüfen die Studierenden am Ende ihrer Ausbildung eine Woche lang ein Me-dienunternehmen auf «Herz und Nieren». Sie analysieren nach der «Design-Thin-king»- Methode. Am Ende der Woche prä-sentieren die Studierenden der Geschäfts-leitung und dem Verwaltungsrat eine Zukunftsstrategie für ihr Unternehmen. Das ist real – eine Operation am offenen Herzen sozusagen.

Bringt die Schule die Auszubildenden

mit Geldgebern in Kontakt?

Ja, immer wieder. Die Berner Musikband Ocean gelangte an uns, weil sie für ihr neues Album ein Cover suchte. Die Band spielte zuerst live im Schulzimmer und erklärte ihren Auftrag. Jeder Teilnehmen-de gestaltete dann ein Cover. Am Schluss wählte die Band eins aus. An der Schule ist das Projekt in dem Moment abgeschlos-sen, in dem wir es präsentiert haben. Der Auftraggeber setzt dieses mit dem Stu-denten zusammen um. Generell gehen Gestaltung und Geld gut nebeneinander. Und gute Kunst und Gestaltung fördern sich selber.

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4 I 2014derarbeitsmarkt

GRünDUnG 2000

A n G E B o T Ausbildungen auf der Sekundarstufe II (Propädeutikum, Berufsfachschule, Fachklassen), der Tertiärstufe (höhere Berufsbildungen) und Weiterbildungen. Der «Zweijahr­vorkurs» startet im September 2014. Der einjährige Vorkurs wurde gestri­ chen. Das Propädeutikum Gestal­tung und Kunst richtet sich neu ausschliess lich an Personen mit ei­ ner gymnasialen, einer Berufs­ oder einer Fachmaturität. Die Vollzeitaus­bildungen der Fachklassen Grafik und Keramikdesign sind die gefrag­testen Berufslehren, gefolgt von den Weiterbildungen Interaktionsdesign, Medienwirtschaft/­management und Kunsttherapie.

MiTARBEiTEnDE 275 Vollzeit­ und Teilzeitstellen

LERnEnDE Jährlich besuchen rund 3500 Personen die Schule. Sie lernen einen Beruf, den sie mit einem eid ­ genössischen Fähigkeitszeugnis abschliessen. Zwischen 250 und 300 Personen absolvieren die Aufnahme­prüfung für das einjährige Propä­deutikum Gestaltung und Kunst. Die Schule bietet jedoch nur 72 Ausbil­dungsplätze an. In die Fachklassen Grafik und Keramikdesign werden jeweils 2 bis 3 Kandidatinnen oder Kandidaten aufgenommen.

Schule für Gestaltung Bern und Biel

«Gestalterische Arbeiten haben ein klares Ziel und einen Nutzen.»

Page 2: «Kreativität verlangt konkretes · 2014-04-17 · Gestaltung Bern und Biel, an der er seit 1986 arbeitet. Seit acht Jahren leitet er die Abteilung Höhere Berufs- und Weiterbildung.

Wie gehen Sie mit Leuten um, die scheitern?

Scheitern ist oft Teil eines gestalterischen Prozesses. Wir müssen die Lernenden hier individuell begleiten. Die Akade-misierung macht teilweise auch vor gestalterischen Berufen nicht Halt. Leider hat der Grosse Rat des Kantons im Novem-ber 2013 den einjährigen Vorkurs «gestrichen». Dieser ist wie ein zehntes Schul- oder ein Orientierungsjahr und geht auf die Bauhaus-Bewegung in Deutschland zurück. Dort ist der Vorkurs durch Johannes Itten, notabene einen Berner, ent-standen. Neu wurde der klassische Vorkurs abgelöst durch das Propädeutikum für Leute mit Matura, die an einer Fach-hochschule studieren möchten.

Haben Sie den Entscheid so hingenommen?

Als klar war, dass es uns nach der Spardebatte an der Novem-bersession finanziell «an den Kragen geht», dachten wir über Ausdrucksformen für unsere Anliegen nach. Unsere Lernen den sollen sich gesellschaftlich engagieren. Schliess-lich wollten wir diejenigen kennen lernen, die über unsere Zukunft entscheiden. Die Lernenden am Vorkurs und an der Fachklasse Grafik in Biel porträtierten alle Grossrätinnen und Grossräte. Grundlage dafür bildeten die offiziellen Rats-fotos im Internet. Jeder Lernende hat teilweise bis zu zwei Tage an einem Bild gearbeitet. Stellen Sie sich 16- bis 18-jäh-rige Jugendliche vor, die sich freiwillig so intensiv mit poli-tischen Entscheiden auseinandersetzen. Das ist nicht selbst-verständlich.

Was ist daran so schlimm, dass der einjährige Vorkurs

abgeschafft wird?

Dadurch besteht die latente Gefahr, dass Leute ohne Matura in einzelne gestalterische Berufe nicht mehr einsteigen kön-nen. Die Umsetzung der Sparmassnahme steht erst bevor. Deshalb können wir die Konsequenzen noch nicht vollstän-dig abschätzen.

Welche Kriterien sind für den Erfolg entscheidend?

Eine wichtige Komponente ist eine gute Idee. Diese konse-quent weiterzuverfolgen und visuell auszugestalten, macht erfolgreich. So war Facebook zum Beispiel eine tolle Idee oder Ikea. Schlechte Ideen verhindern leider oft den ge-stalte ri schen Durchbruch. Letztendlich erfordert Kreativität

Arbe i tswel t

Roger Spindler, 52, ist gelernter Schriftsetzer.

Er absolvierte bereits seine Lehre an der Schule für

Gestaltung Bern und Biel, an der er seit 1986 arbeitet.

Seit acht Jahren leitet er die Abteilung Höhere Berufs-

und Weiterbildung.

«Kreativität verlangt konkretes Handeln. Das braucht Neugierde und

den Willen, anzufangen.»

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4 I 2014derarbeitsmarkt

Konkurrenz aus? Dann fängt der kreative Prozess an, der in der Folge zu einem Ergebnis führt. Scheitern könnte heissen, dass ich mich verrennt habe, die Schrift nicht lesbar ist oder die Formensprache nicht funktioniert.

Wer entscheidet über den Erfolg?

Schlussendlich endscheidet der Kunde.

inwiefern generiert ihre Schule einen Mehrwert für die

Arbeitswelt?

Wenn es um Gestaltung geht, kommt immer sofort die volkswirtschaftliche Diskussion. Dabei ist Kreativität heute eine volkswirtschaftliche Grösse. Gemäss einer aktuellen UNO-Studie wuchs das kreative Volumen in den letzten zehn Jahren von 227 Milliarden US-Dollar auf 424 Milliarden US-Dollar. Das sind immerhin 3,4 Prozent des gesamten Welt-handels. Die Kreativwirtschaft ist heute auch in der Schweiz ein relativ grosser Sektor. Ich bin überzeugt, dass gerade die Schweiz das nötige Potenzial dazu hat. Durch den Freiraum, der hier möglich ist, können Projekte optimal gestaltet wer- den. Genau das benötigen Kreativunternehmen wie Agen tu-ren, Grafiker oder Keramiker, um ihr grosses Potenzial zu realisieren.

Was raten Sie einem jungen Menschen der Generation Y,

der Kunst zu seinem Beruf machen möchte?

Experimentieren, ausprobieren, Grenzen sprengen, scheitern und neu beginnen. Kreativität verlangt konkretes Handeln. Das braucht Neugierde und den Willen, anzufangen. Will jemand Musiker werden, muss er spielen.

Welche Künstler schätzen Sie besonders?

Sicher den Graffitikünstler Bansky. Seine Street Art spricht mich rein vom Konzept her an. Dann den Schweizer Schrift-gestalter Adrian Frutiger, der 1975 die gleichnamige Schrift entwickelte. Er ist mit über achtzig Jahren immer noch sehr an gestalterischen Prozessen interessiert. Und natürlich den britischen Chefdesigner von Apple, Jonathan Ive, der die Kombination Mensch und Technik gestalterisch genial umsetzt.

ist Kunst Arbeit oder Arbeit Kunst?

In erster Linie ist Kunst harte Arbeit. Im Unterschied zu gestalterischen Werken muss Kunst sich nicht unbedingt verkaufen. Gestalterische Arbeiten haben ein klares Ziel und einen Nutzen. Unsere gestalterischen Werke müssen nicht unbedingt im Museum ausgestellt sein. n

Talent, Toleranz und Technologie, das heisst den richtigen Umgang mit Tools oder Werkzeugen. Auch für gestalterische Tätigkeiten gibt es klare Kriterien. So muss eine Internetseite funktionieren, ein Text lesbar sein oder ein Foto eine Situa-tion wiedergeben. Gestalten beginnt mit Nachdenken, mit Recherchieren und Entwickeln eines Konzepts. Das ist Profes sionalität im gestalterischen Bereich.

Welche Abklärungen müssen die Lernenden machen?

Sie müssen die richtigen Fragen stellen. Wer ist die Ziel-gruppe? Was ist das Thema und die Nutzung? Wie sieht die