Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. (Untersuchungen mit fortlaufender unblutiger Registrierung des...

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Zeitschrift ffir die gesamte experimentelle l~edizin, Bd. 121, S. 101--120 (1953). Aus dem Animalisch-Physiologischen Institut der Universitgt Frankfurt a. M. (Dh'ektor: ProL Dr. K. WnZLE~). Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. (Untersuchungen mit fortlaufender unblutiger Registrierung dos arteriellen Druckes beim Menschen). Von EnNST STEm und ItEmZ LOSSE. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 23. Oktober 1952.) Die Kreislaufreaktionen bei Xnderungen der KSrperlage sind bereits vielfach Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. Die gewon- nenen Ergebnisse haben eine grol~e theoretische Bedeutung, weil sie Aufschlfisse fiber die Mechanismen geben, welehe die Anpassung der Herz- und Kreislaufleistungen an die veri~nderten Bedingungen bei einem Lageweehsel vo]lziehen, sind daneben abet auch yon nicht geringerer praktischer Wichtigkeit, weil l~ichtung und AusmaB der l%eaktionen einen Einblick in die konstitutionelle und aktuelle vegetative Situation vermitteln. Da die Vorg~nge, dutch welche die orthost&tischen Kreislauf- reaktionen ausgel68t werden, weitgehend gekl~rt sind, kSnnen wir uns hier mit einer summarischen Darstellung begnfigen. Wie eine ein l~5hren- system ffillende Fliissigkeit unterliegt auch das im tterzen und in den GefgBen verteilte Blut den physikalischen hydrostatisehen und hydro- dynamisehen Gesetzen. Zu der yon der Tgtigkeit des tterzens und dem Verhalten der Gef~il3e bestimmten Kreislaufsituation kommen beim Ver]assen der I-Iorizontallage Einflfisse der Sehwerkraft, die sich mit zunehmendem Neigungswinkel der KSrperl~ngsaehs e in steigendem Mal~e auswirken. Dem sieh zwisehen Inhalt und Wandspannung der Gef~Be einspielenden Druck summiert sich in aufrechter Haltung in den abhiingigen KSrperpartien der hydrostatische Druck der dariiberstehen- den Fliissigkeitssgule. Die Folge dieser Drucksteigerung ist eine Zunahme des GefaBquerschnittes, wobei alas Volumen der arteriellen Gefg6e wegen ihres hohen Elastizitgtsmoduls nut gering zunimmt, wi~hrend der gleiehe Druckzuwaehs die nachgiebigen W~inde tier Venolen und Venen be- deutend mehr zu dehnen vermag. Die resultierende Volumenzunahme Z. exper. IVied., B4. 121. 8

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Zeitschrift ffir die gesamte experimentelle l~edizin, Bd. 121, S. 101--120 (1953).

Aus dem Animalisch-Physiologischen Ins t i tu t der Universi tgt Frankfur t a. M. (Dh'ektor: ProL Dr. K. WnZLE~).

Kre is lauf reak t ionen bei Lagewechsel .

(Unte r suchungen mit fortlaufender unblutiger Regis t r ie rung

dos arteriel len Druckes beim Menschen) .

Von

EnNST STEm und ItEmZ LOSSE.

Mit 7 Textabbildungen.

(Eingegangen am 23. Oktober 1952.)

Die Kreislaufreaktionen bei Xnderungen der KSrperlage sind bereits vielfach Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. Die gewon- nenen Ergebnisse haben eine grol~e theoretische Bedeutung, weil sie Aufschlfisse fiber die Mechanismen geben, welehe die Anpassung der Herz- und Kreislaufleistungen an die veri~nderten Bedingungen bei einem Lageweehsel vo]lziehen, sind daneben abet auch yon nicht geringerer praktischer Wichtigkeit, weil l~ichtung und AusmaB der l%eaktionen einen Einblick in die konstitutionelle und aktuelle vegetative Situation vermitteln.

Da die Vorg~nge, dutch welche die orthost&tischen Kreislauf- reaktionen ausgel68t werden, weitgehend gekl~rt sind, kSnnen wir uns hier mit einer summarischen Darstellung begnfigen. Wie eine ein l~5hren- system ffillende Fliissigkeit unterliegt auch das im tterzen und in den GefgBen verteilte Blut den physikalischen hydrostatisehen und hydro- dynamisehen Gesetzen. Zu der yon der Tgtigkeit des tterzens und dem Verhalten der Gef~il3e bestimmten Kreislaufsituation kommen beim Ver]assen der I-Iorizontallage Einflfisse der Sehwerkraft, die sich mit zunehmendem Neigungswinkel der KSrperl~ngsaehs e in steigendem Mal~e auswirken. Dem sieh zwisehen Inhalt und Wandspannung der Gef~Be einspielenden Druck summiert sich in aufrechter Haltung in den abhiingigen KSrperpartien der hydrostatische Druck der dariiberstehen- den Fliissigkeitssgule. Die Folge dieser Drucksteigerung ist eine Zunahme des GefaBquerschnittes, wobei alas Volumen der arteriellen Gefg6e wegen ihres hohen Elastizitgtsmoduls nut gering zunimmt, wi~hrend der gleiehe Druckzuwaehs die nachgiebigen W~inde tier Venolen und Venen be- deutend mehr zu dehnen vermag. Die resultierende Volumenzunahme

Z. exper. IVied., B4. 121. 8

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102 ERNST STEIN und I-IEINZ LOSSE:

der gesamten unteren Extremit~ten im Stehen ist mehrfaeh plethysmo- graphisch nachgewiesen worden (ATzLEa u. HEI~BST ~, AS~USSE~ und Mita rbe i t e r 2, GOETZ 14, GI~ILL 19, TI{OMPSOI~ und Mitarbeiter ~2, WATEI~- t~I:ELD4 7).

Die Folgen dieses sogenannten ,,Blutversaekens" in das Venen- system der unteren Kfrpertefle sind an und ftir sich die g]eiehen wie die eines Volumenmangels, n~mlich ein MiBverh~ltnis zwischen Gefiil~- kapazit~t und -inhalt und damit ein verminderter Blutrfickstrom zum rechten Vorhof und sekund~r ein verminderter Auswurf aus dem linken Herzen. Der normale Organismus setzt aber Regulationsvorgiinge in Gang, dureh die jenes MiI~verh~iltnis verhtitet oder ausgeglichen wird. Es handelt sich d~bei einerseits am regulative ~al~nahmen, die an den Gefgl~en selbst angreifen, und andererseits um solehe, die den Volumen- mangel kompensieren. In ]etzterer Hinsicht kann der Entspeicherung der Blutdepots eine bedeutende Ro]le zukommen, l%eaktionen an den Gefgl~en spielen sieh sowohl auf der arteriellen wie auf der ven6sen Seite des Kreislaufes ab. An den Arteriolen setzt eine allgemeine Konstriktion ein, die zu einer Erh6hung des periloheren Widerstandes im Stehen ffihrt, wie das WEZLEa u. GOYEI~T 51 (vgl. auch WEZL:E1R. 48 und WEZLm~ mit BREItM 5~ gezeigt haben. Sie kommt wahrscheinlieh reflek- toriseh fiber Pressorezeptoren zustande und ermfglicht trotz des ab- sinkenden Zeitvolumens die Aufrechterhaltung eines genfigenden arteriellen Mitteldruckes. Von versehiedener Seite (ScHMIDT-VoIGT 3s U. a.) wird die Arteriotenkontraktion jedoeh bereits ffir eine pathologisehe Reaktion gehalten, die sieh auf die N~hr- und Sauerstoffversorgung der Gewebe ungiinstig auswirken sell. So wird auch der deutliehe Anstieg des diastolisehen Druekes bei gewissen Formen orthostatiseher Kreis]auf- regulationsstfrungen auf die Arteriolenkontraktion zurfiekgefiihrt (ScHELLONa36). An den Venen mad Venolen seheinen sieh im Stehen ebenfalls aktive Regulationsvorg~nge abzuspielen, und zwar in Form einer Spannungszunahme der muskularen Wandelemente dieser Gefg,13e, die ihrer Erweiterung entgegenwirkt. Die aktiven Anp~ssungsvorg~inge tier Gef&l~peripherie, insbesondere die der venfsen Seite, werden passiv durch den Tonus der Skeletmuskulatur unterstfitzt, der einen EinfluI3 auf den ven6sen P~fckstrom zum Herzen ausfibt (Literatur bei BAYv~I~a).

Die meisten Autoren, die sich mit der Frage orthostatiseher Reak- tionen befal3ten, haben sieh methodisch der arteriellen I)ruekmessung nach RIVA,I~oocI, v. I~E(JKLII~GHAUSEN u n d KOI~OTKOFF bedient. Das in der Klinik am meisten gebr~uehliehe, yon SCI~LLONG sG ausgearbeitete Verfahren zur Kreislaufregulationsprfifung berficksichtigt neben diesem Druek im Liegen und Stehen die Herzfrequenz und gewisse elektrokardiographisehe Besonderheiten. Die Frage der orthostatischen EKG-Ver~nderungen ist yon KIENL]~ e~ in einer Monographie eingehend

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 103

besproehen worden. Einige weitere Mitteilungen befassen sich mit den Verh~ltnissen der peripheren Durehblutung bei Lageweehse] und ziehen hierzu die Plethysmographie (ATzL]~ u. H]~BST a, ASMUSSEN und Mit- arbeiter 2, GOSTZ 14) oder Messungen der Haut tempera tur (RoT~ und Mitarbeiter aS, M~YE~sos u. TOTg 29) heraD. BAYER t hat u. a. die Ver- gnderungen der Herzdynamik im Stehen untersucht, und R]~IND~LL s4 hag eine geihe sehfner r6ntgenkymographischer Befunde beigebracht. Viele andere Autoren haben die Kreislaufverh~ltnisse bei Lagewechsel mittels gasana]ytischer oder physikalischer Verfahren n~her zn kl~ren versueht; diese Arbeiten werden unten zu besprechen sein.

Wir haben uns dem Fragenkomplex der orthostatischen Kreislauf- reaktionen noch einmal zugewandt in der Hoffnung, mit einer ver/einerten Methodi/c weitere Gesiehtspunkte gewinnen zu kfnnen. Besonders hin- sichtlich der Messungen des arteriellen Blutdruckes konnten die bis- herigen Untersuchungen nicht vfllig befriedigen, weft zumeist nut stich- probenartige Einzeldruekwerte gewonnen wurden, so dag Feinheiten der Regulation und sehnell voriibergehende t~eaktionsphasen der Beob- aehtung entgangen sind, ganz abgesehen yon den methodischen Fehlern, mit denen die fibliche Blutdruckmessung belastet ist. Um die bisher vorliegenden Untersuehungen in dieser Hinsicht erggnzen zu kfnnen, haben wir uns in den Versuchen, die dieser Mitteilung zugrunde liegen, eines Verfahrens bedient, mit dem sich der arterielle Druek beim Men- schen ]ortlau/end verzeiehnen lggt. Dabei werden zug]eieh die unkontrol- lierbaren Fehler, die bei jeder Einzelmessung nach RIvA-RoccI auf- treten und die Resultate verfalschen k6nnen, weitgehend vermieden, weft die relativen Druck~nderungen, die fiir die interessierenden Reak- tionen allein yon Bedeutung sind, automatiseh und objektiv dargestellt werden. Insbesondere erfahren auch die physikalisehen Methoden zur Kreislaufanalyse (WEzLEI~ U. BOGER 49, BROEMSER U. RANKE 7) durch die fortlaufende Blutdruckregistrierung eine wertvolle Bereicherung, indem damit der zu jedem einzelnen Pu]s gehfrende arterielle Druck- wert best immt werden kann, so dal~ die Bereehnung rascher Anderungen der dynamischen Grf~en erm5glieht wird. Da praktisehe Erfahrungen fiber den Gebrauch des erst kfirzlich yon SCttROEDER 39 angegebenen Ger~tes noch fehlen, soll zun~chst ausffihrlieher fiber seine Arbeitsweise und zweckm~igs te Handhabung berichtet und die erforderliehe Rechen- operation an Hand eines Beispieles demonstriert werden.

Methodik. Die Arbeitsweise dos yon uns gebrauchten Scm~oEDERschen Apparates beruht

auf dem Prinzip der entlasteten Gefi~Bwand. ])as Gerat selbst besteht aus einer U-f6rmigen Kunststoffschiene, die durch eine verstellbare Gegenplatte dem Ober- arm angepaBt wird und einen Fltissigkeitsraum umschlieBt, der andererseits yon einer dem Arm anliegenden Gummimembran begrenzt wird. Zur Entspannung der

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104 EazcsT STEII~ und I-~EINZ LOSSE:

Gef/~Bwand wird der Druck in diesem Raum (Entlastungsdruek) zu Beginn des Versuehes auf einen Wert eingestellt, tier 10 mm Kg fiber dem unter Ruhe- bedingungen naeh RIvA-RoceI gemessenen diastolisehen Druck lieg% Die intra- arteriellen pulsatorisehen und sonstigen Drucksehwankungen teilen sieh dann dem Fltissigkeitsraum mit, werden pneumatiseh auf ein elastisches Manometer fiber- tragen und fortlaufend optiseh registriert. ~ h e r e physikalische und technisehe Einzelheiten sind yon Scmzo~D~ 39 beschrieben worden.

Bei der praktisehen ttandhabung ist zun/iehst die richtige, f/ir die Vp. bequeme Lagerung des Armes, an dem die 1Vfessung erfolgt, yon grSBter Wiehtigkeit. Bereits ldeinste aktive oder passive Bewegungen des Armes bedingea dureh Ver~nderung des Entlastungsdruckes eine falsche Wiedergabe des Kurvenverlaufes. Bei uns hat sich folgende Anordnung bew/~hrt: Der Arm wird um etwa 700 im Schultergelenk abduziert und ira Ellenbogengelenk ann~hernd reehtwinklig gebeugt. Der Unter- arm und die Hand werden auf einer gepolsterten Schiene gelagert, die an dem Untersuchungstisch befestigt ist und deren untere K/~lfte an ihrer Oberseite eine distal geschlossene Leinwandtasehe tr/~gt, in welehe die Hand und ein Tefl des Unter- armes eingefiihrt werden. Der Arm liegt so unverr/iekbar lest, und es ertibrigt sich ein Anbinden, wodureh eine Stauung hervorgerufen werden kSnnte. Der Oberarm ist bei dieser Anordnung vSllig entspannt, und das Ger/~t kann bequem ange]egt werden, ohne dal] es mit der Unterlage in Bertihrung kommt. Beim Anlegen des Apparates daft die Gegenplatte nur Soweit angedriickt werden, dab am Unterarm gerade eine venSse Stauung siehtbar wird. Bei zu starker Stauung treten im be- treffenden Arm Mit]empfindungen auf, und die Pulsdruckamplitude kann zu klein wiedergegeben werden.

Die diastolisehen Druckhnderungen werden yore Ger~t proportional registriert und kSnnen direkt aus der Eichkurve des verwendeten Manometers entnommen werden. Die angezeigten systolisehen Druekwerte und damit die Amplitude entsprechen jedoch nicht den tats/~chlichen Werten sondern kommen verkleinert zur Darstellung, da die elastisehen Muskelmassen des Oberarmes bei den relativ raschen pulsatorischen Druckschwankungen aus den seitlichen PelottenSffnuugen ausweichen kSnnen. Die wahre Amplitude muB daher erreehnet werden. Die theore- tisehen Grundlagen sind im einzelnen yon SCItROEDER 39 besprochen worden, die praktische Durchf/ihrung der Rechnung soll an Hand eines aus Tabelle 1 entnom- menen Beispieles demonstriert werden (Werte des Pulses X1).

Jede Amplitude einer bestimmten Kurve mull mit einem ffir diese Kurve kon- stanten Fa/ctor K multipliziert werden. K ergibt sieh aus der Division der nach RIvA-RoccI gemessenen Amplitude durch die mit dem Ger/~t registrierte Amplitude (im Beispiel K = 54/19 = 2,85). Jede Amplitude, deren absoluter Weft bestimmt werden soll, ist weiterhin mit einem nut /i~r disse Amplitude geltenden t'aktor R zu multiplizieren. Dieser Quotient ber/ieksiehtigt den mit verschiedenen Mitteldrueken wechselnden Elastizit~tskoeffizienten (E) des Armes und ergibt sich aus dem Verh/~ltnis yon E der Ausgangsamplitude zum E der gesuchten Amplitude. Der Z~hler des Quotienten bleibt somit fiir eine bestimmte Kurve stets konstant. Zur Bestimmung yon E werden bei einem dem diastolisehen Blutdruek en~spre- chenden und bei einem um 20 mm }tg dar/iberliegenden Entlastungsdruek jeweils 2 cm 3 Fliissigkeit zusgtzlich in den Pe]ottenraum injiziert. Bei dem h6heren Ent- lastungsdruck bewirkt dies einen grS~]eren diastolisehen Druekanstieg, als er bei dem ~fiedrigeren Entlastungsdruck verzeichnet wird. Die Zunahme beruht auf der verminderten Elastizit/~t des Armes bei hSherem Entlastungsdruck und ist eine lineare. Sie erreehnet sich f/it die Verh~ltnisse der Vp., deren Werte in Tabelle 1 aufgefiihrt sind, wie folgt: ]3ei Entlastungsdruek yon 70 mm g g : 7 mm Anstieg

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Kreislaufreaktionen bei Lageweehsel. 105

(E fiir 70 mm Hg), bei Entlastungsdruck yon 90 mm Hg: 8 mm Anstieg. Das be- 8 - 7

deutet ein Steigen yon 90--70 -- 0,05 mm pro mm ttg. h'achdem man so die

Steigung pro mm t tg ffir den betreffenden Arm bestimmt hat, kann R bereehnet werden: Mitteldruek der Ausgangsamplitude (Puls 1, Tabelle 1): 79,5 mm I-Ig. E ffir diesen Mitteldruck betr~gt: 7 + (9,5 X 0,05) = 7,48 (7 = E fiir 70 mm Hg, s. o.). Naehdem somit der Zi~hler des Quotienten ermittelt ist, erfolgt auf gleiehe Weise die Berechnung des mit den einzelnen Amplituden wechselnden Nenners: Mitteldruck ffir Puls XI: 86,5 mm I-Ig; E ffir Mitteldruek yon X 1 : 7 @ (16,5 • 0,05)

7,48 = 7,83. Somit betr~gt R : 7 ~ = 0,95. Die tats~chliche Amplitude des Pulses X 1 .

erreehnet sich also aus 18 ( = registrierte Amplitude) • 2,85 (Faktor K) • 0,95 (Faktor R) und betri~gt demnaeh 49 mm Hg.

Die Tabelle zeigt, dag der Faktor R, wie zu erwarten ist, mit fallendem Mittel- druek ansteigt.

Bei einiger Ubung 1/~13t sieh die zun~chst sehwierig erseheinende Reehnung raseh durchffihren. Auch zur Anlegung des Apparates benSt.igt man kaum mehr als 3 rain Zeit.

Die Untersuchungen wurden w~hrend der Sommermonate 1952 an 15 m~nn- lichen und 3 weibliehen kreislaufgesunden Vp., zumeist Studenten und Instituts. personal, und zum Vergleieh an mehreren Pat. mit deutliehen orthostatisehen Kreislaufregulationsstbrungen durehgeffihrt. Die KSrperlage wurde, i~hnlieh wie in den Untersuehungen yon W~ZLEe~ u. BREn~ 5~ passiv auf einem Kipptiseh ver- ~ndert, an dem der jeweilige Winkel, den die KSrperlangsaehse mit der Horizon- talen bildete, genau einstellbar war. Mit I-Iilfe des Kipptisches lieBen sieh vor allem die Einflfisse der ~Iuskelt~tigkeit, welche die Kreislaufreaktionen bei gewShnliehem Aufstellen ver~ndern, aussehalten. Ein in GesitBh6he am Kipptisch verstellbar an- gebrachter Fahrradsattel ermSglichte es auBerdem, die Vp. ohne Anspannung der Beinmuskeln stehen zu lassen. Vor Beginn eines jeden Versuches wurde die Vp. mindestens 20 rain auf dem Kipptiseh horizontal und in vSlliger K6rperruhe ge- lagert. Der dann nach RIvA-RoccI gemessene Blutdruck diente als Ausgangs- und guhewert (vgl. oben). Der arterieile Druck wurde for~laufend im Liegen, beim Aufriehten, w~hrend des Stehens und wiederum im Liegen registriert. Dutch die eingangs besehriebene, besondere Fixierung wurde eine Lage~nderung des Ger/~tes w/~hrend des Kippversuches weitgehend vermieden.

Zur weiteren Kl~rung der orthostatischen Reaktionen wurden in Verbindung ,nit der Blutdruckschreibung fortlaufende Kreislaufanalysen nach der Methode von W ~ Z L ~ u. Bba~R ~9 vorgenommen. Die in einigen Versuchen durehgeffihrte Abklemmung der Oberschenkel erfolgte dureh je eine an eine PreBluftflasehe an- geschlossene Gummimanschette mit dosiertem Druek, der jeweils mindestens 50 mm Hg fiber dem systolisehen Druek eingestellt wurde. Sehliel?lieh wurden mit- tels einer um den Thorax gelegten Mansehette die Atembewegungen registriert.

Ergebnisse. Normale Stehrealctionen.

Abb. 1 ze ig t den ohne U n t e r b r e c h u n g im Liegen , in K o p f h o c h l a g e

v o n 70 o u n d bei t~ i i ck lagerung in die H o r i z o n t M e reg i s t r i e r t en a r t e r i e l l en

D r u c k y o n 3 g e s u n d e n Versuchspe r sonen . Die S t e h r e a k t i o n de r K u r v e a

b e s t e h t in e i n e m s te i l en in i t i a l en A n s t i e g des d ias to l i schen Druekes , de r

bei 1/~ngerem S t e h e n l a n g s a m in R i c h t u n g a u f den A u s g a n g s w e r t f/~llt.

8a

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106 ERNST STE~N und ttEI~z Loss~:

Die Amplitude ist zunachst auBerordentlich verkleinert und betragt aueh nach einem Stehen yon annahernd 20 see nur 8 mm Hg, nimmt aber wahrend langeren Stehens kontinuierlich an GrSBe zu. Der Mittel- druck ist zu Beginn des Stehversuehes um etwa 10 mm ttg angestiegen. Naeh Riicklagerung in die ttorizontale stellt sich der Ausgangsdruck

Abb. 1. Verhal ten des ar teriellen Druckes im Stehen. a Vp. 64. H. Ko. c~, b Vp. 73. T. W. ~, c Vp. 58. J . 0 . c~. Besch~eibung im Text .

allmghlich wieder ein. Im Bride b verlguft der diastolisehe Druck naeh dem Aufstellen zunachst ahnlich, halt sich jedoeh im weiteren Ver]auf auf der urspriingliehen HShe. Der diastolische Druekanstieg ist jedoeh bei weitem nicht yon einer derart ausgepragten Amplitudenverkleinerung wie im Falle a begleitet. Daher zeigt in diesem Versueh auch der systo- lische Druek einen deutlichen Anstieg. Die in Kurve c verzeiehnete Stehreaktion ist durch einen verhaltnismaBig geringen Anstieg des diastolischen Druckes bei etwa gleichbleibendem systolisehen Druek charakterisiert, so dab sich die Amplitude nur magig verkleinert. Auch hier halt sich der Druck auf der sofort nach dem Aufstellen erreichten HShe.

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 107

Die in Abb. 1 wie auch auf manchen anderen Bildern bisweilen verzeiehneten raseh ablaufenden, zaeken/~hnlichen Sehwankungen zu Beginn der Stehreaktion beruhen auf unvermeidliehen Ersehfitterungen beim Bewegen des Kipptisches, sie sind artefizieller Natur und haben mit der eigentliehen Stehreaktion niehts zu tun.

Arterielle A bklemmung der Oberschenkel. Der in Abb. 2 dargestellte Versueh wurde an der gleichen Person wie

der in Kurve 1 a abgebildete, jedoeh an einem anderen Tage vorgenom-

Abb. 2. Vp. 68. It. Ko. ~ . Stehen. a ohne, b mit beiderseits arteriell abgeklemmten Oberschenkeln. Beschreibung im Text.

men. Die obere Kurve zeigt daher auch im Vergleich zu jener keine wesentlichen Unterschiede, lediglich die Amplitudenverkleinerung ist bei der zweiten Untersuchung im Stehen etwas schw/~cher ausgepr/tgt. Teil b der Abbildung wurde im Anschlul~ daran gewonnen, naehdem beide Obersehenkel im Liegen arterieU abgeklemmt waren. Der diasto- lische Druckanstieg ist daraufhin bedeutend geringfiigiger, w/~hrend die Verschiebung des systolischen Druckes durch die arterie]le Kompression nicht beeinflul~t wird. Damit betrggt die Amplitude fast das 3fache der- jenigen im Stehen ohne Abklemmung. Im Gegensatz zu dem kontinuier- lich langsam absinkenden Druek im oberen Kurventeil hglt sich der Druek bei abgeklemmten Obersehenkeln ann~hernd auf dem initialen Niveau.

Rhythmische Blutdruck~chwankungen. Die Abb. 3 zeigt eine weitere Stehreaktion bei einer gesunden Ver-

suchsperson. Naeh ~bergang zur Senkrechten treten ausgepr~tgte, mit

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108 ERNST S T E I N u n d I ~ E I N Z L O S S E :

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der Atmung synchrone Blutdruckwellen in Erscheinung, deren Intensit~tt im Verluuf liingeren Stehens noch zunimmt. Die schw~rz umr~ndeten Pulse des mittleren Kurventeiles, die eine der~rtige Welle umfassen, sind

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 109

in Tabelle 1 in ihren absoluten Wer ten errechnet und liegen der Abb. 4 zugrunde. Man ersieht daraus, dug der diastolisehe Druek im Verlauf

Tabelle 1. Vp. Friedr. KS. Auswertung des umrandeten Kurventeils der Abb. & Steigung 0,05 mm Itg; l%ktor K = 2,85 (Puls X1 liegt dem Beisloiel der metho-

dischen Beschreibung zugrunde).

Puls

1.

X1

X2

X3

X4

X5

X 6

X7

X8

X~

X1 o

Xll

Xle

Xls

Xla

I)s

89

95,5

94,5

92,5

88

85

83

81,5

81

79,5

80,5

83,5

86,5

89

91,5

94,5

R e g i s t r i e r t ;'a

70

77,5

77

76,5

75,5

74,5

73,5

73

72,5

72

72

73

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75

76

76,5

hi)"

19

18

17,5

16

12,5

10,5

9,5

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8,5

7,5

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10,5

12,5

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I)II~

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85,5

R

i

7,48

7,48 - - - = 0,95 7,83 7,48

-- 0,96 7,79 7,48

= 0,97 7,73 7,48

-- 0,99 7,59 7,48

- - 1,0 7,48 7,48

- - 1,01 7,41 7,48

- - 1,02 7,36 7,48

- - 1 , 0 2 7,34 7,48

- - 1 , 0 3 7,29 7,48

- - 1 , 0 2 7,3i 7,48

- - 1,01 7,41 7,48

-- 0,99 7,51 7,48

-- 0,98 7,60 7,48

-- 0,97 7,69 7,48

-- 0,96 7,78

hPx IKxP~ Ps Pd

I 124 I

7 0 i

49 126,5 77,5 125

48 77

44 120,5 76,5

110,7 35,2 75,5

104 29,5 74,5

27 100,5 73,5

24,7 97,7 73

24,7 97,2 72,5 94

22 72 96,6

24,6 72

103 30 73

35,2 109,2 74 114

39 75

118,8 42,8 76

49,2 125,7 76,5

einer Welle u m maximal 6 m m t tg schwankt, wghrend der systolische Druck auf der GipfelhShe u m etwa 30 m m Hg fiber dem Maximum des Tales liegt. Es ergibt sich daraus eine Schwankungsbrei te der Ampl i tude yon 24 m m ~g . I m fibrigen ha t sich der durchschni t t l iche Mit te ldruck

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110 E g N S T ST]~IN u n d I-~EINZ LOSSE:

im Stehen nur geringgradig erhSht. Im zweiten Teil des Versuches wurde der Proband aufgefordert, im Liegen forciert zu atmen. Im systolischen und diastolisehen Druek zeigen sich dabei kaum irgendwelche Schwankungen.

In der Abb. 5 ist eine fortlaufende arterielle Druckkurve im Liegen und wahrend 60 o betragender Kopfhoch- bzw. Kopftieflage verzeiehnet. In beiden Stellungen steigt der diastolische Druek deutlich und etwa in gleichem Mal3e an, wahrend sich der systo]isehe Druck weniger verandert. Ein wesentlicher Unterschied besteht abet insofern, als bei Kopfhochlage eine ausgepr~gte Wellenbildung auftritt, die bei Kopftieflage vermil3t wird. In Kopftieflage wird auI~erdem das endgtiltige Ausma~ der Blut- drucksteigerung nieht sofort naeh dem Aufstellen, sondern erst naeh etwa 40 sec erreicht.

Eine derartige Verdeutlichung der Wellenbildung war bei fast allen Versuchspersonen zu beobachten und betraf haufig nicht nur die respira- torischen sondern aueh die yon der Atmung unabhangigen Blutdruck- schwankungen.

Kreislau/analysen.

Die hamodynamischen Vorg~nge, die diesen Stehreaktionen zugrunde liegen, wurden in einigen F~llen n~her analysiert. Elastischer und peri- pherer Widerstand steigen im allgemeinen im Stehen deutlieh an, der

b000 - 120 ~-

_~-"E~gO0 ~. I00 ~- -7S%

I §176176 -60% +I' 'Io [7

II I000;- % 20 I

o- oL o s w f vs vm

Abb. 6. Vp. H. Ko. Kreislaufana]ysen nach ~'I~ZLER-I{0GNER in Verbindung mit fortlaufende~ Blut- druckschreibung, a Im Liege11 (schwarze Satflen) und Stehen (senkrecht schralfierte S~ulen) bei unbehinderter Zirkula~ion, b im Liegen (leere S~t~len) und Stehen (waagerecht schraffierte S~ulen

bei arterie]ler Abk]emmung beider Oberschenkel.

periphere zumeist in wesentlieh starkerem MaBe, und infolge einer starken Verminderung des Schlagvolumens fallt trotz mehr oder weniger deutlieher Frequenzsteigerung das Minutenvolumen ab. Die Verschie- bungen zeigen zwar je nach ctem Ausmal3 der Kreislaufumstellung quantitative Unterschiede, s~nd jedoch richtungsmal3ig identiseh. Die hamodynamisehen Werte einer besonders ausgepragten, aber typischen

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 111

Stehreaktion (Abb. 2) sind in der Abb. 6 dargestellt und den Verhalt- nissen bei arteriell abgek]emmten Oberschenkeln gegeniibergestellt. Das Ausmag der Ver~ndermlgen des Schlag- und Minutenvolumens und der prozentuale Anstieg des peripheren Widerstandes sind im Stehen mit abgeklemmten Oberschenkeln deutlieh geringer als bei unbehinderter Zirkulation.

Orthostatische Regulationsst6rungen. Zum Vergleieh mit den Stehreaktionen Kreislaufgesunder bringen wir

in Abb. 7 zwei Beispiele orthostatiseher Fehlregulationen. Die obere Kurve

Abb. 7. a VP, 90. lVL Oe. b V]9.91, ~ . Kn. Orthostatisehe Fehlregulationen. Besehreibung im Text.

zeigt bei hypotonen Liegewerten naeh dem Aufstellen einen Anstieg des diastolisehen und einen Abfall des systolisehen Druekes, die Amplituden- verkleinerung ist besonders bemerkenswert. Im weiteren Verlauf des Stehens fallen die Druekwerte zungehst etwas ab, die Blutdruekamplitude jedoeh hat sieh naeh einem Stehen yon fast 2 rain nieht nennenswert vergr6Bert. Zu dieser Zeit mugte der Stehversueh abgebrochen werden, da der Patient kollabierte. Der Radialispuls war zu geginn des Stehens noeh sehwaeh, gegen Ende iiberhaupt nieht mehr tastbar. Der untere Kurvenzug gibt die 8tehreaktion eines weiteren Patienten mit fehler- hafter Regulation wieder. Hier fgllt der systolisehe Druek um annghernd 25 mm I-Ig ab, wghrend sieh der diasfolisehe Druek nut wenig senkt, bei erniedrigtem ~i t te ldruek ist die Amplitudenverkleinerung demzu- folge durehaus nieht ungewShnlieh. Die Pulsform zeigt im Stehen einen Ubergang zu ausgeprggtester Dikrotie. Dieser Patient bot ebenfalls im

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112 Tabelle 2. Systolische und diastolische Druckwerte im Stehen bei fortlau/ender Blutdruckschreibung.

2~ame I t~egistrierter Druck nach Aufstellen

V ri I! I

54a

H . S .

j ' 545

A. 8. 74

t t . K . 0 ~ 64

K . K . 5 ~ 50

E . K . 5 ~ 53

J . O . 58

T . W . u 73

F . K . 66

F . K . 0 ~ 47

H . S. 93

C.S. 94

G.M. j ' 48~t

G.M. ~" 48b

W.G. g' lOO G.K. c~ 71

K.G.S. 5 ~ 87

G.V. 70

W . L . c; 42 F . F .

E . S . c~ 51

G.S. c; lO6

120 - 84

122 88

142 98

132 92

124 - 90

124 - 80

118 70 120 92

132 - 80

150 - 80

5 H

102,5

138,5 101

133,5 102,5

141,5 -109

126 109

122 10o,5

127 90,5

129 79

126 101

122,5 86,5 181

--114

99

134_ 95

12~ 98,5

13~ 106

124 105

125,5 ~ , 5

115,5 90

123 77

120 101

125,5 87,5 162 110

i 2o,, i i i

95,5 1 9 5 1 9 2 124 i 126

123,5 121 122,5 96 ~ ] ~

126,5 131,51128,5 103 103 104

- - ~ 9 - 118 1123,~ 99 I 97

126! 12~ 99 198,5

123 121 1118 90 -i 8 ~

122,5 112,5 I 120,5 8 0 ~ 77 i 8 ~

119,5! 121 97 I 96

130,5 136 1136 ~ 5 88 -i 8 ~

170,5 181 [ 183,5 lo6,5 10~i lO4,~

60'" [ 90"" [ Liegen

120 79

103 76

109 74

110 79

114,5 76

116 80

110 74

115,5 80

118,5 75

121,5 76

118 87

117 92 90 81

117 78

119,5 116,5 121,5 93 94 93

125,5 130 102 95

123,5 I 123,5 135

117,5 122

121 77

115,5 ~ 116 ~ 70

191:_ 11290

135,5 129 - - ~ 7---7--

188 189 156 ~ 8o

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 113

Stehen alle Zeichen eines Prgkollapses, der Puls war in aufrechter KSrper- haltung zwar weieh, abet doeh noeh palpabel. Die periodisch wieder- kehrenden tiefen Atemzfige gehen mit entsprechenden Wellenbewegungen im Blutdruek parallel

Die abgebildeten Kurven sind typisehe Beispiele aus einer grSBeren Zahl yon Versuchen. Zwisehen den yon der gleichen Versuehsperson an verschiedenen Tagen aufgenommenen Kurven fanden sich nur gering- ffigige quantitat ive Unterschiede, niemals aber grSbere Abweichungen oder gar prinzipielle Differenzen. Zwischen mi~nnlichen und weibliehen Versuchspersonen oder solehen verschiedenen Lebensalters bestanden in unserem Material keine signifikanten Unterschiede.

Das Verhalten des systolischen und diastolisehen Druckes bei den fibrigen, nicht ngher besehriebenen Versuchspersonen ist in Tabelle 2 zusammengeste]lt.

Besprechnng der Ergebnisse.

Arterielle Reaktion.

Bei Kreislaufgesunden steigt im Stehen der diastolische Druck stets an. Dieses Verhalten ist schon hgufig besehrieben worden (WEzLER U. BRE]tM 5~ BAYER 4, GAMBILL 1]. HINES la, GREEN u. METI~ENylS~ TURNE~ und Mitarbeiter aa, WATERFIELD 47 U.a.) und wir4 dutch unsere mit anderer Methodik gewonnenen Befunde bestgtigt. Unsere Unter- suehungen fiillen jedoch insofern eine Liieke in den mit den fiblichen Verfahren verfolgten Stehreaktionen bei Lagewechsel aus, als sie die orthostatische So/ortreaktion erfassen. Dies erscheint um so wichtiger, als sich schon innerhalb der ersten 30 see nach dem Aufstellen aufschluB- reiche Regulationsvorggnge abspielen, vorwiegend in dem Sinne, dab bereits in dieser Zeit beim Kreislaufgesunde n durch Anpassung an die vergnderte Situation Verschiebungen des arteriellen Druckes in l~ichtung auf die Ruheausgangslage vor sich gehen und somit die akute Stehreaktion nach dieser Zeit nicht mehr in ihrem gesamten Verlauf und Ausmal~ erfaBt werden kann. Gerade in dieser Phase zeigen sich sehon deutliche Unterschiede normaler Stehreaktionen gegenfiber pathol0gischen. Das Ausma~ des diastolischen Druckanstieges differiert bei verschiedenen Versuchspersonen betrgchtlieh, was sich zum Teil durch die yon BAYER 4 nachgewiesenen Zusammenhgnge zwischen Konstitution und orthostatischer Kreislaufreaktion erklgrt. Die an versehiedenen Tagen oder zu verschiedenen Tageszeiten ge- wonnenen Kurven zeigen gleichfalls quanti tat ive Abweichungen von- einander, offenbar infolge der unterschiedlichen vegetativen Ausgangslage. Wie aus unseren Kreislaufanalysen hervorgeht und auch yon anderer Seite bereits festgeste]lt wurde (WEZLE~ u. BREHM 5~ BAYER 4,

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114 E~Ns~ STEIN und I-[EINZ LOSSE:

MG~ICttAEL 30, SWENEu 11. I~AYEI~SON41), beruht der diastolische Druck- anstieg auf einer Zunahme des peripheren Widerstandes und dieser wiederum auf einer Arteriolenkonstriktion. Die periphere Widerstands- erh6hung lalBt sich aueh aus Untersuehungen mittels anderer Verfahren (Plethysmographie, Hauttemperaturmessung) indirekt erschliel~en (lV[AYERSON U. TOTIc129, PI~OGER tl. DEXTEI~ 33, YOUMANS und Mitarbeiter54). Im Gegensatz zu SCHMIDT-VoIGT 3s miissen wir also feststellen, dab die Arteriolenkontraktion eine fiir das Stehen physiologische l~eaktion ist, welche der Aufreehterhaltung eines ausreiehenden Mitteldruckes client.

Der systo]ische Druck verandert sich naeh dem Aufstellen durehaus nieht immer in gleichem Mage. Gerade in denjenigen Fallen, die einen erhebliehen diastolisehen Druekanstieg aufweisen, steigt der systolisehe Weft haufig relativ weniger an oder sinkt sogar um einen geringen Betrag ab. Demzufolge ist die diastolisehe DruekerhShung bei den Ver- suehspersonen im Stehen am geringsten, deren Amplitude sieh gegeniiber dem Liegewert nut wenig verkleinert. Wir mSehten dies so erklaren, da• bei diesem l~eaktionstyp das ven6se Blutangebot ans t terz aueh im Stehen noeh die Aufreehterhaltung eines gentigend grogen tterzzeit- volumens gewahrleistet. Weitere Untersuehungen mit fortlaufenden Kreislaufanalysen miissen hier noeh die endgiiltige Klarung bringen. Da sieh die GrSBe der Amplituden im Stehen umgekehrt proportional zum AusmaB des diastolisehen Druekanstieges verandert, la6t sieh vermuten, da6 bei diesen Fallen primar weniger Blur in den Venen versaekt und dementspreehend sekundar eine starkere Arteriolenkontraktion aus- bleibt. Eine gewisse Bestatigung dieser Ansieht entnehmen wit unseren Versuehen mit arterieller Abklemmung der beiden Oberschenkel. Dabei zeigt sieh namlieh, dal~ im Stehen naeh Abklemmung 1. die Amplituden- verkleinerung signifikant geringer ist - - das kSnnte auf dem geringeren venSsen Blutversaeken beruhen - - und 2. dag der diastolisehe Druek merklieh weniger ansteigt, weil die Notwendigkeit einer regulatorisehen Arteriolenkontraktion verringert ist. Die Analyse der hamodynamisehen Vorgange, die diesem Blutdruekverhalten zugrundeliegen, ergibt, dag naeh Abklemmung der orthostatisehe Abfall des Sehlag- und Zeit- volumens geringer ausfallt und dag der periphere Widerstand weniger ansteigt, wobei der prozentuMe Anstieg des elastisehen Widerstandes unter beiden Bedingungen annahernd der gleiche bleibt. Der auf dem verminderten venSsen l~iiekstrom beruhende Abfall der Sehlag- und Minutenvolumina beim Aufstellen, wie er bei unseren Versuehen zu Tage tritt, wurde sehon 1937 dureh W~ZL~,R und Mitarbeiter 5~ und aueh yon einer groBen Zahl anderer Autoren mittels gasanMytiseher oder physi- kaliseher Kreislaufanalysen naehgewiesen (A.SMUSS~ und Mitarbeiter ~, BIELSCtIOWSKu 5, BOCK 6, ])ELIUS 8, FISCI=[ER 11, FI~EY 12, HAI~TL21~ HENDEttSON 22, KROETZ 25, LINDtIARD27~ l~TIELSEN31~ I~YLIN 32, TURNER

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 115

und Mitarbeiter~4 u. a.) und nur yon einigen teilweise bestritten (GOLD- ]~Loo~ und Mitarbeiter 15, GI~OLLMAN 2~ SCItELLONG U. H E I N E M E I E R 37,

Up E ~5). Die Ver~nderungen des elastischen und peripherenWiderstandes im Stehen sind bereits yon WE ZLE~ 4s und WE ZLE~ u. B ~ E ~ 5~ gekl~trt worden.

Ven6se Regulation. W~hrend die Arteriolenkontraktion bereits eine regulative Mal~nahme

des Organismus darstellt, ist das Blutversaeken in die Venen der unteren KSrperpartien die primate Fo]ge der hydrostatischen Drucksteigerung im Stehen. Ob sich das Blut dabei mehr in den grolten Venen oder in den Hautvenengeflechten beziehungsweise in den subpapill~ren Capillar- plexus (GoLLWITZER-MEIEI~ 16, WOLLHEIM 53) oder vorwiegend im Splanchnicusgebiet (v. DIERINGSHOFEN 9) ansammelt, ist ffir unsere Diskussion belanglos. Wiehtig dagegen ist, dal~ nicht nur auf der arterie]len, sondern auch auf der venSsen Seite des Kreislaufes im Stehen aktive Regulationsmechanismen in Gang gesetzt werden. Nach der vorherrschenden, aber soweit wir sehen noch nicht vSllig bewiesenen Ansicht (s. SCHMIDT-VoIGT ss) hande]t es sich dabei vornehmlich um eine Spannungszunahme der muskulAren Wandelemente der Venolen, welche der Erweiterung dieser Gef~6e und damit dem Blutversacken entgegenwirkt. Da6 die Venen zu einer aktiven Tonussteigerung fiber- haupt in der Lage sind, wurde von GOLLWlTZEt~-~C[EIEI~ 16 bewiesen und geht auch aus neueren, yon STEAD 40 diskutierten Untersuchungen hervor. Die sich aus vielen unserer Normalkurven ergebende Tatsache, dal~ die Blutdruckamplitude im Verlauf langeren Stehens an HShe zunimmt, kSnnte ebenfalls als Ausdruck aktiver l~egulationsvorg/~nge yon seiten der Venen gedeutet werden, vor allem, da die Amplitude bei abgeklemm- ten Oberschenkeln demgegenfiber ihre initiale GrSl~e nahezu unver~ndert beibehs Es wiirde dies also hei6en, dab die beim Aufstellen hydro- statisch gedehnten Venenwande ihren Tonus allmahlieh steigern und damit den Blutrfickstrom zum Herzen verbessern k6nnen. Es besteht aber auch die MSgliehkeit, dal~ es sich bei dem geschilderten Verhalten um einen arteriellen Meehanismus, etwa eine Steigerung des elastischen Widerstandes bei ]angerem Stehen handelt. An der ]angsamen Amp]i- tudenzunahme wahrend aufrechter K5rperhaltung kann natfirlich auch eine Vermehrung der zirkulierenden Blutmenge durch Entspeicherung der Blutdepots beteiligt sein. Wir glauben, dal~ diesem Vorgang zum Ausgleich des Versackens eine erhebliche Bedeutung zukommt, da LOCHNER u. SCItOEDEL 2s gerade wieder gezeigt haben, welch grol~en Einflul] schon geringe Vermehrungen der Blutmenge auf das Herzzeit- volumen haben. Hier miissen weitere Untersuchungen Klarheit bringen.

Ebenso ist, was di e Bedeutung und das Ausma6 des Blutversackens an sich anbet r i f f t , noch keine endgiiltige Beurteilung m6gfich. Aus Untersuchungen yon GREE~ u. METKENu ls geht n~mlich hervor, dat~ aueh

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l l6 EI~NST STEI~ und I~EI~Z LOSSE:

nach akuten Blutentnahmen yon mehr als 1000 cm a der regulations- f~hige Organismus noch eine normale Stehreaktion zeigen kann. Da andererseits bekannt ist, dal~ sich im Stehen nur etwa 500 cm 3 Blu t (ATzLER U. HE~BST 8) bzw. 10% des Blutvolumens (zit. n. STEAD ~~ in den unteren Extremit~ten anh~ufen, kann eine Volumenabnahme dieser GrSl~e veto Normalen ohne weiteres kompensiert werden.

Neben den aktiven venSsen l~egulationsmechanismen wird der Venen- tonus passiv yon der Skeletmuskulatur unterstfitzt. Dies geht auch aus eigenen Versuchen hervor, in denen sieh ergab, daI3 beim Sitzen auf einem Fahrradsattel , d .h . bei passiver aufrechter KSrperhaltung, die orthostatische Blutdruckreaktion eine quanti tat iv andere war als beim Stehen auf der Unterlage. Besonders eindrucksvoll wird der Einflul~ der Skeletmuskulatur auf die Stehreaktion dureh die Experimente yon APPE~LY u. C ~ u 1 demonstriert, die naeh faradischer Muskelreizung einen geringeren Blutdruckabfall im Stehen sahen. Die ~ltere Literatur zu diesem Thema finder sich bei BAYE~ 4, der aueh eigene Ergebnisse dazu geliefert hat.

F ehlregulationen .

Die Kurven unserer ersten Abbildung zeigen die Grenzen normaler orthostatiseher l~eaktionen, innerhalb deter sieh s~mtliehe ~qormalreak- tionen abspielen dfirften. Wir haben bei unseren gesunden Versuehs- personen, die solehe l~eaktionen boten, niemals irgendwelehe subjektiven oder objektiven Symptome einer auf einen Durehblutungsmangel yon Organen zu beziehenden StSrung beobachtet. Derartige StSrungen der orthostatischen t~egulation sind unseres Eraehtens naeh zweierlei Rich- tungen mSglich : 1. kann bei einem extremen Blutversaeken in die Venen, etwa infolge ausbleibender ven6ser Regulation, auch eine noch so aus- gepr~gte Steigerung des Mitteldruekes dutch maximale Arteriolen- konstriktion die Durchblutung nicht mehr auf der HShe halten, die fiir die Funktion der lebenswiehtigen Organe notwendig ist; oder es kann 2. eine StSrung der Kompensationsmeehanismen der arteriellen Seite vor- liegen, indem die reflek~orisehe Arteriolenkontraktion ausbleibt. Der erste T y p i s t charakterisiert dureh ein abnorm kleines Schlag- und Zeitvolumen bei erheblich gesteigertem Mitteldruck, einem Bild, das etwa dem yon WEZLE~ U. BSO~,~ besehriebenen Widerstandshoehdruck bzw. einem Zentralisationszustand des Kreislaufes ( D u E s B ~ r u. SC~O~,D~R l~ entspricht. Die zweite Gruppe zeiehnet sich durch eine geringere Verkleinerung der Amplitude bei deutlich gesenktem Mitteldruck aus. Es fehlt also hier die kompensatorisehe Konstriktion der Peripherie, die Arteriolenkonstriktion bleibt aus, und wahrscheinlich sind die arterio- venSsenAnastomosen geSffnet (paralytischerKollapsnachDu~sB]~R~ u. SC~O~DE~~ Letzteres wiirde auch die Tatsaehe, da6 in solehen l~llen trotz vergleichsweise grol~er Amplitude und nur m~13ig gesenktem

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Kreislauffeaktionen bei Lagewechsel. 117

Mitteldruck, also trotz ausreichendem arteriellen Angebot, deutliche Zeichen einer Durchblutungsnot verschiedener organe auftreten, ver- st~ndlich machen, da durch die Fehlregulation in der terminalen Strom- bahn die Sauerstoffversorgung der Gewebe, welehe allein aus den nutri- tiven Gef~Ben, d. h, den Capil]aren, und nicht aus den Anastomosen erfolgt, in Frage gestellt wird. Die yon SCHELLO~G 36 sogenannte hypo- tone Form der orthostatischen Dystonie gleicht im Erscheinungsbild etwa dem ersten Typ unserer Nomenklatur, wi~hrend die hypodyname Form unserem zweiten Typ entspricht und auch von anderen Autoren auf ein Ausbleiben der kompensatorischen arteriellen Gef~i~verengerung zuriickgefiihrt wird. Aus der Sc~nLLO~Gsehen Klinik hat K N ~ L 24 die hypotone RegulationsstSrung gleichfalls auf eine Insuffizienz des Venen- systems zuriickgefiihrt und die hypodyname Form auf ein Versagen der arteriellen Regulationsvorgi~nge bezogen.

Wenn auch yon den normalen Typen orthostatischer Reaktionen, vor allem den Verh~ltnissen sogleich nach dem Aufstellen, zu diesen patho- logischen Bfldern flieBende ~bergi~nge bestehen und grunds~tzliche Ab- weichungen fehlen, so ]iegt doeh ein wesentlicher, besonders beim Ver- sagen der venSsen Regulation deutlich hervortretender Unterschied darin, dab beim Gesunden mit l~ngerem Stehen die oben diskutierten Regulationsmeehanismeh in Ggng kommen, welche den Zusammenbruch des Kreislaufes verhindern. Gewisse Hinweise fiir einen leichteren Durch- blutungsmange] innerer Organe (Darm, Niere) in aufrechter K5rper- haltung sollen sich nach Angaben yon ASMUSSE~, C~RIST~SEN U. NIELSEN 2 abet auch bei Personen mit normaler Blutdruckreaktion ergeben.

Blutdruckwellen h6herer Ordnung. Ein anderes interessantes und nur mit fortlaufender Blutdruck-

sehreibung exakt faBbares Ph~nomen ist das Auftreten deutlicherer arterie]ter Druckwe]len im Stehen. Sie kommen als atemsynchrone und als vonder Atmung uDabhi~ngige, langsamere Schwankungen vor, werden h~ufig auch schon im Liegen verzeichnet (WAG~ER46), sind aber stets im Stehen viel ausgepr~gter. Zumeist Kndert sieh der diastolische Druck im Verlauf soleher Wellen nut wenig, wi~hrend der systolische Druek Exkur- sionen bis zu 30 mm Hg ausfiihren kann. Entspreehende Schwankungen erf~hrt auch die Blutdruekamplitude. Es ist immer wieder zu beobachten, da$ solche Wellen naeh l~ngerem Stehen an Intensit~t weiter zunehmen und dab sie besonders ausgepri~gt bei Hochwiichsigen in Erscheinung treten. Die Intensivierung der atemsynchronen Wellen beruht nicht etwa auf einer Verst~rkung der Respiration im Stehen, sondern muB mit der aufrechten KSrperhaltung als solcher direkt in Beziehung stehen. Eine forcierte Respiration im Liegen versti~rkt die respiratorischen Wellen n~mlich keineswegs in diesem AusmaB, und auSerdem nimmt nicht

Z. exper . NIed., Bd. 121. 9

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118 ERNST ~TEIN und I-IEINZ LOSSE:

nur die Amplitude der atemsynehronen, sondern in einigen l%llen ebenso die der TI~AUBE-HEmNG-MAYERschen Wellen zu. GoETz 1~ hat bei seinen plethysmographischen Untersuchungen ebenfalls Anderungen der Wellen- intensif/it in Abh~ingigkeit yon der K6rperlage nachgewiesen, aller- dings sind seine l%sultate wegen abweichenderVersuchsbedingungen nieht unmittelbar mit den unsrigen zu vergleiehen. Bei Kopftieflage treten solehe Wellen nieht deutlieher, eher sogar sehw/~eher als im Liegen her- vor, obwohl der durch diese Lage hervorgerufene Blutdruekanstieg der gleiehe wie der im Stehen registrierte ist. Zur Erkl~rung dieses Ver- haltens kann man einmal die untersehiedliehe Druckh6he im Carotis-Sinus heranziehen, der bei Kopftieflage unter naehweisbar h6herem Druek als in aufreehter Position steht (W~zL~R u. BREI~MS~ Eine Beteiligung der Pressorezeptoren an der Stehregulation des Kreislaufes wird allge- mein angenommen (WEzLER u. GOYEET 51, WEZLEE U. BEEtIM 50, F ISCI tER 11

u. a.), ebenso kommt fiir die Entstehung der Blutdruckwellen h6herer Ordnung eine Mitwirkung der Blutdruekziigler in Betraeht (K~f faE~ , WaG~E~46). Zum anderen erseheint es nieht ausgesehlossen - - und uns sogar wahrseheinlicher - - , dab die Verst~rkung der Blutdruck- wellen im Stehen auf einem ven6sen Meehanismus beruht, und zwar in dem Sinne, dab in den dureh den hydrostatischen Druek gedehnten Venen intensivere phasische Tonus~nderungen oder Kontraktionen ab- laufen, die zu einem st~irker wechselnden Blutangebot und zu gr6geren Andernngen des Auswurfvolumens fiihren. GOLLWlTZER-MEIEE 16 hat beim Hunde solche rhythmisehen ven6sen Druekschwankungen eindeutig naehgewiesen, denen W A G ~ a 46 f~r die Entstehung der rhythmischen Sehwankungen der Blutdruckamplitude eine erhebliche Bedeutung bei- migt. Auch liegt eine Beeinflussung der Venen dureh den Carotis-Sinus nach den experimentellen Untersuehungen yon GOLLWrTZEa-MEI]m U. SCRULT~ 17 durchaus im Bereich des M6gliehen. Wir neigen zu der An- nahme , dal3 in Kopftieflage deswegen keine Wellen mehr auftreten, weil die Venen der un te ren KSrperteile, welehe fiir die Intensivierung im Stehen vor allem verantwortlich zu sein seheinen, unter dieser Bedingung relativ leerge!aufen und kollabiert sind. Die h~iufig zu beobaehtende Tat- saehe, dab die Druckwellen im weiteren Verlauf des Stehens an Deutlieh- keit noeh zunehmen, ist naeh dieser Hypothese darauf zuriiekzufiihren, dab sie, wie es oben bereits diskutiert wurde, erst allmiihlieh die F~hig- keit zu Tonussteigerungen gewinnen.

Zusammen/assung. Das Verhalten des arteriellen Druckes nnd die ihm zugrundeliegenden

hgmodynamisehen Reaktionen bei Xnderungen der K6rperlage auf dem Kipptisch wurden bei kreislaufgesunden Versuehspersonen und bei Patienten mit orthostatisehen Eegulationsst6rungen mittels fortlaufend messender Verfahren n~her untersueht. Die Vorteile der angewandten

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Kreislaufreaktionen bei Lagewechsel. 119

Methodik, deren pr~ktische Durehffihrung eingehend besprochen wird, liegen in der M6glichkeit, die orthost~tisehen Sofortre~ktionen und feinere, schnell voriibergehende Vorg~nge objektiv zu erf~ssen. Unter Berficksichtigung ~lterer Befunde anderer Autoren ergibt sich aus diesen Untersuehungen folgendes :

1. Die Ver~nderungen des Blutdruckes im Stehen sind Ausdruck yon Regulationsvorg~ngen, welche primer durch ein Vers~cken des Blutes in die hydrost~tisch gedehnten Venen der abh~ngigen K5rperp~rtien und den hierdurch verminderten ven5sen ~fiekstrom zum Herzen ausgel6st werden.

2. Regul~tionen, die im gesunden Organismus beim Stehen in G~ng kommen, sind ~) eine Arteriolenkonstriktion, durch die trotz vermin- derter Schlag- und Zeitvolumina ein zur normalen peripheren Durch- blutung ausreichender arterieller Mitteldruck aufrechterhalten wird, b) eine Zunahme des Venentonus und c) eine Entspeicherung der Blutdepofs.

3. Physikalische Kreislaufunalysen ergeben dementsprechend eine Abnahme des Sehlag- und Minutenvolumens im Stehen und einen star- ken Anstieg des peripheren Widerstandes. Der diastolisehe Druck steigt stets sogleich naeh dem Aufstellen, jedoch in individuell verschiedenem Ausmal~ an, der systolische Druck zeigt wechseh~de Ver~nderungen, die Amplitude verkleinert sieh zungchst erheb]ich, nimmt beim Gesunden aber mit l~ngerem Stehen langsam an GrSl~e zu. Die arterielle t~eak~ion setzt demnach sofort ein, die venSse seheint hingegen langsamer in Gang zu kommen. Individuelle Untersehiede im Ausma$ der Blutdruck- versehiebungen sind deutlieh.

4. St6rungen der orthostatisehen Regulation kSnnen a) vorwiegend auf einem Versagen der arteriellen oder b) auf einem solehen der venSsen Regulationsmechanismen beruhen. Bei ungeniigender Arteriolenkon- striktion ver~ndert sieh die Blutdruckamplitude nur wenig, der Mittel- druek sinkt ab, und mSglicherweise wird die Blutversorgung der Gewebe dureh ErSffnung arterio-venOser Anastomosen zus~tzlich versehlechtert. Fiir das Versagen der venSsen Regulation ist eine kleine Amplitude bei hohem Mitteldruck eharakteristisch. Wi~hrend sieh sofort naela dem Aufstellen aueh bei Kreislaufgesunden quantitativ /~hnliche Ver~nde- rungen einste]len kSnnen, fehlen bei der vorwiegend venSsen Insuffizienz die VergrSl~erung der Amplitude und der Anstieg des Mitteldruekes, welehe sich beim Gesunden mit l~ngerem Stehen stets einstel]en und einen Zusammenbrueh des Kreislaufes verhindern.

5. t~hythmisehe Schwankungen des arteriellen Druckes, sowoM respi- ratorisehe wie yon der Atmung unabh~ngige, treten im Stehen viel ausgepr~gter in Erseheinung, verschwinden bei Kopf~ieflage dagegen fast vS1]ig. Es l~13t sieh dies auf rhythmische Tonussteigerungen der Venen, die sich im Stehen st/~rker auswirken k6nnen, zuriickfiihren.

9*

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120 ERNST STEIN u n d HEINZ LOSSE: Kreis laufreakt ionen bei Lagewechsel.

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Dr. reed. ERNST STEIN, Medizinische Univers i ta ts -Kl inik , Marburg /Lahn .