Krustige Läsion an der Wange und rötlich glänzende Papel an der Brust einer 70-jährigen...

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Anamnese 70-jährige Patientin in gutem AZ. Seit 6 Monaten 2 leicht juckende, krustige Läsio- nen an der Wange. Vor 1 Jahr wurde an dieser Lokalisation eine aktinische Keratose exzidiert. An Vorerkrankungen bestand 1999 ein nicht-invasives duktales Karzinom der linken Mamma. Die Familienanamnese bezüglich Karzinomen ist positiv: Mutter Lungenkarzinom, Großmutter an Kolonkarzinom und eine Tochter an Endometri- umkarzinom verstorben. Lokalbefund Neben multiplen aktinischen Keratosen im Gesicht zeigt sich an der rechten Wange im Narbenbereich eine gelbliche, plaqueartig-krustige Läsion (Abbildung 1, PE-Stelle markiert). Daneben fällt bei der Ganzkörperinspektion eine rote glasig-glänzende Papel an der rechten Brust auf (Abbildung 2). Histologien Wange: Exulzerierter Tumor mit destruktiv läppchenförmiger Architektur, undiffe- renzierten basaloiden (nicht ausgereiften Sebozyten) und vakuolisierten Zellen (aus- reifende Talgdrüsenzellen), heterochromatischen pleomorphen Kernen, Mitosen so- wie stellenweise Drüsenausführungsgängen (Abbildung 3a). Brust: Gut abgegrenzte Läsion aus undifferenzierten monomorph-basaloiden Zellen mit einzelliegenden oder gruppierten vakuolisierten Zellen (Sebozyten) und vereinzelten Drüsenausführungs- gängen (Abbildung 3b). Diagnosequiz Krustige Läsion an der Wange und rötlich glänzende Papel an der Brust einer 70-jährigen Patientin Crusty lesion on the cheek and red papule on the breast of a 70-year old patient Robert Gruber, Mehmet Baltaci, Laura Richardsen, Anna-Maria Derler, Bernhard Zelger Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich Abbildung 1: Plaqueartig-krustige gelbliche Lä- sion an der Wange. Abbildung 2: Rote glasig-glänzende Papel an der rechten Brust. Abbildung 3: (a) Exulzerierter Knoten mit destruktiv läppchenförmiger Architektur, undifferenzierten basaloiden und vakuolisierten Zellen, Kernatypien, Mitosen sowie stellenweise Drüsenausführungsgängen. (b) Gut abgegrenzte Läsion aus undifferenzierten monomorph-basaloiden Zellen mit einzelliegen- den oder gruppierten vakuolisierten Zellen sowie vereinzelt Drüsenausführungsgängen (H&E). Ihre Diagnose? . . . >>> © The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0709 JDDG | 9 ˙ 2009 (Band 7) DOI: 10.1111/j.1610-0387.2009.07131.x Akademie 801

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Page 1: Krustige Läsion an der Wange und rötlich glänzende Papel an der Brust einer 70-jährigen Patientin

Anamnese70-jährige Patientin in gutem AZ. Seit 6 Monaten 2 leicht juckende, krustige Läsio-nen an der Wange. Vor 1 Jahr wurde an dieser Lokalisation eine aktinische Keratoseexzidiert. An Vorerkrankungen bestand 1999 ein nicht-invasives duktales Karzinomder linken Mamma. Die Familienanamnese bezüglich Karzinomen ist positiv: MutterLungenkarzinom, Großmutter an Kolonkarzinom und eine Tochter an Endometri-umkarzinom verstorben.

LokalbefundNeben multiplen aktinischen Keratosen im Gesicht zeigt sich an der rechten Wangeim Narbenbereich eine gelbliche, plaqueartig-krustige Läsion (Abbildung 1, PE-Stellemarkiert). Daneben fällt bei der Ganzkörperinspektion eine rote glasig-glänzende Papel an der rechten Brust auf (Abbildung 2).

HistologienWange: Exulzerierter Tumor mit destruktiv läppchenförmiger Architektur, undiffe-renzierten basaloiden (nicht ausgereiften Sebozyten) und vakuolisierten Zellen (aus-reifende Talgdrüsenzellen), heterochromatischen pleomorphen Kernen, Mitosen so-wie stellenweise Drüsenausführungsgängen (Abbildung 3a). Brust: Gut abgegrenzteLäsion aus undifferenzierten monomorph-basaloiden Zellen mit einzelliegenden odergruppierten vakuolisierten Zellen (Sebozyten) und vereinzelten Drüsenausführungs-gängen (Abbildung 3b).

Diagnosequiz

Krustige Läsion an der Wange und rötlich glänzendePapel an der Brust einer 70-jährigen Patientin

Crusty lesion on the cheek and red papule on the breast of a 70-yearold patient

Robert Gruber, Mehmet Baltaci, Laura Richardsen, Anna-Maria Derler, Bernhard ZelgerUniversitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich

Abbildung 1: Plaqueartig-krustige gelbliche Lä-sion an der Wange.

Abbildung 2: Rote glasig-glänzende Papel an derrechten Brust.

Abbildung 3: (a) Exulzerierter Knoten mit destruktiv läppchenförmiger Architektur, undifferenzierten basaloiden und vakuolisierten Zellen, Kernatypien,Mitosen sowie stellenweise Drüsenausführungsgängen. (b) Gut abgegrenzte Läsion aus undifferenzierten monomorph-basaloiden Zellen mit einzelliegen-den oder gruppierten vakuolisierten Zellen sowie vereinzelt Drüsenausführungsgängen (H&E).

Ihre Diagnose? . . . >>>

© The Authors • Journal compilation © Blackwell Verlag GmbH, Berlin • JDDG • 1610-0379/2009/0709 JDDG | 9˙2009 (Band 7)

DOI: 10.1111/j.1610-0387.2009.07131.x Akademie 801

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>>> Diagnose:Talgdrüsenkarzinom undSebazeom bei Muir-Torre-Syndrom

Sebaceous carcinoma and sebaceoma in Muir-Torre syndrome

Verlauf und TherapieIn der Durchuntersuchung mittelsGanzkörper-CT, Sonografie, Gastro-skopie und Koloskopie zeigten sich einnicht-stenosierendes Karzinom am Zä-kalpol und ein suspektes flat adenomaim proximalen Colon ascendens, diehistologisch mäßig differenzierte Dick-darmkarzinome ergaben. Therapeu-tisch erfolgten eine Hemikolektomierechts, Ovarektomie und Hysterekto-mie sowie die Exzision des Talgdrüsen-karzinoms.

DiskussionDie seltene Diagnose Muir-Torre-Syndrom wurde hier in Zusammenschauder Klinik, bildgebenden und histologi-schen Befunde und der positiven Fami-lien- und Eigenanamnese unserer Patien-tin bezüglich Karzinomen gestellt.Das nach den Erstbeschreibern be-nannte Muir-Torre-Syndrom wird alsManifestationsvariante des hereditärennicht-polypösen kolorektalen Karzi-noms (Lynch II Syndrom) angesehen,bei der zusätzlich Hauttumore auftre-ten [1]. Eine gebräuchliche Definitionvon Cohen et al. erfordert zur Diagno-sestellung das Vorliegen von minde-stens einer talgdrüsig differenziertenkutanen Neoplasie und eines viszeralenMalignoms [2]. An pathognomoni-schen Hauttumoren werden nebenTalgdrüsenkarzinom, Sebazeom (auchteilweise als Talgdrüsenepitheliom be-zeichnet), Keratoakanthom und Basa-liom mit fokal sebazeärer Differenzie-rung auch das Talgdrüsenadenomangeführt [3, 4], wobei letzteres lautAckerman et al. heute als hochdifferen-ziertes sebazeäres Karzinom angesehenwird [5]. Als innere Neoplasien tretenbei mittlerem Manifestationsalter von53 Jahren in 49 % der Fälle Kolorektal-karzinome auf, gefolgt von Karzino-men des Urogenitaltraktes (20 %), derMamma (10 %), myeloproliferativen

Erkrankungen (9 %) und Karzinomendes oberen Gastrointestinaltraktes (7 %),wobei in höherem Lebensalter der An-teil an Urothelkazinomen deutlich zu-nimmt [2, 5, 6]. Die Prognose ist auf-grund der meist niedrigen Aggressivitätder Neoplasien besser als bei sporadischentstandenen Malignomen, wobei ~60 %der Erkrankten innerhalb von 10 Jah-ren Metastasen aufweisen. Die Hälfteder Betroffenen entwickelt über zweiviszerale Karzinome mehrheitlich vorund gleichzeitig, seltener nach demAuftreten von Talgdrüsenproliferatio-nen [2]. Im Gegensatz zu den sporadi-schen überwiegend am Kopf lokalisier-ten Talgdrüsenläsionen ist derenAuftreten am Körperstamm hochver-dächtig auf eine Assoziation mit einemMuir-Torre-Syndrom. Dieses wird au-tosomal-dominant mit inkompletterPenetranz vererbt, als molekulare Ursa-che finden sich Mutationen in den fürdie DNA-Reparatur wichtigen GenenMLH1 und MSH2 [7, 8]. Durch di-rekte genetische Analysen, immunhi-stochemische Färbung auf MSH2 oderMLH1 und den Nachweis von instabi-ler Mikrosatelliten-DNA im Tumorge-webe [9] können Anlageträger bereitspräsymptomatisch identifiziert werden.Es existiert keine kausale Therapie, eineKombinationsbehandlung mit Isotreti-noin (0,5 mg/kgKG/Tag) und Inter-feron�2a wurde als Rezidivprophylaxevon Talgdrüsenneoplasien eingesetzt[10].Zusammenfassend sollte beim Vorliegenvon Talgdrüsenläsionen an das Muir-Torre-Syndrom gedacht und eine innereNeoplasie zwecks Prognoseverbesserungmöglichst frühzeitig erkannt werden.Eine jährliche Durchuntersuchung beiErkrankten und die gezielte Krebsvor-sorgeuntersuchung ab dem 30. Lebens-jahr bei deren Familienmitgliedern mitgenetischen Veränderungen sind daheressenziell. <<<

KorrespondenzanschriftDr. med. Robert GruberUniversitätsklinik für Dermatologie undVenerologieMedizinische Universität InnsbruckAnichstraße 35A-6020 InnsbruckTel.: 0043 512 504 81096Fax: 0043 512 504 22990E-Mail: [email protected]

Literatur1 Anderson DE. An inherited form of

large bowel cancer: Muir´s syndrome.Cancer 1980; 45: 1103–1107.

2 Cohen PR, Kohn SR, Kurzrock R. Asso-ciation of sebaceous gland tumors andinternal malignancy: the Muir-Torre syn-drome. Am J Med 1991; 90: 606–613.

3 Dinneen AM, Mehregan DR. Sebaceousepithelioma: A review of twenty-one cases.J Am Acad Dermatol 1996; 34: 47–50.

4 Burgdorf WH, Pitha J, Fahmy A.Muir-Torre syndrome. Histologic spec-trum of sebaceous proliferations. Am JDermatopathol 1986; 8: 202–208.

5 Ackerman AB, Nussen-Lee S, AldreneTan M. Histopathologic diagnosis ofneoplasms with sebaceous defferentia-tion, 2. Auflage, Ardor Scribendi, NewYork, 2009.

6 Wyman A, Brown JN, Zeiderman MR,Smith JHF, Rogers K. Multiple seba-ceous neoplasms and visceral carcino-mas: Torre´s syndrome. Eur J Surg On-col 1990; 16: 74–76.

7 Bapat B, Xia L, Madlensky L, Mitri A,Tonin P, Narod SA, Gallinger S. Thegenetic basis of Muir-Torre syndromeincludes the hMLH1 locus. Am J HumGenet 1996; 59: 736–739.

8 Kruse R, Lamberti C, Wang Y, RuelfsC, Bruns A, Esche C, Lehmann P,Ruzicka T, Rütten A, Friedl W, ProppingP. Is the mismatch repair deficient typeof Muir-Torre syndrome confined tomutations in the hMSH2 gene? HumGenet 1996; 98: 747–750.

9 Machin P, Catasus L, Pons C, Munoz J,Conde-Zurita JM, Balmana J, BarnadasM, Marti RM, Prat J, Matias-Guiu X.Microsatellite instability and immun-ostaining for MSH-2 and MLH-1 incutaneous and internal tumors from pa-tients with the Muir-Torre syndrome. JCutan Pathol 2002; 29: 415–420.

10 Graefe T, Wollina U, Schulz HJ, Burg-dorf W. Muir-Torre syndrome – treat-ment with isotretinoin and interferonalpha-2a can prevent tumour development.Dermatology 2000; 200: 331–333.

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