Kuhn aus einem Guss · Giesserei werden Guss-Modelle in schwarzen Sand gepresst, der aus früheren...

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| Kuhn baut in Saverne im Elsass (F) seit 190 Jahren Anbaugeräte für die Landwirtschaft und macht noch fast alles selber. Das Unternehmen kann damit den hohen Qualitäts-Standard seiner Produkte sicherstellen. text ANDREAS SCHWANDER / bild MAREYCKE FREHNER Kuhn -Anbaugeräte sind aus einem Guss Nr. 6 2018 die grüne 16 LANDTECHNIK Landtechnik-Serie

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| Kuhn baut in Saverne im Elsass (F) seit 190 Jahren Anbaugeräte für die Landwirtschaft und macht noch fast alles selber. Das Unternehmen kann damit den hohen Qualitäts-Standard seiner Produkte sicherstellen.

text ANDREAS SCHWANDER / bild MAREYCKE FREHNER

Kuhn-Anbaugeräte sind aus einem Guss

Nr. 6 2018 die grüne

16 LANDTECHNIK

Landtechnik-Serie

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die grüne Nr. 6 2018 Nr. 6 2018 die grüne

Saverne ist ein beschauliches Städt-chen im Elsass mit 11 000 Ein-wohnern: Hier stehen Fachwerk-

Bauten aus dem 16. Jahrhundert, das Rohan-Schloss aus dem 18. Jahrhun-dert und Jugendstil-Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Doch mitten drin in der Idylle, gleich neben dem Rosen-garten der Stadt, da brennen die Gies-serei-Öfen und rumpeln die Werk-zeug-Maschinen, da wird geschweisst, gedreht und gefräst.

Die Firma Kuhn baut seit 190 Jahren landwirtschaftliche Maschinen. Alles, was moderne Landwirtschafts-Betrie-be zur Futterernte brauchen, zur Bo-denbearbeitung, zum Pflanzenschutz oder zum Einsammeln und Pressen. Alles was am Traktor hinten oder vor-ne dranhängt. Ganz ohne Motoren geht es aber auch bei Kuhn nicht, etwa bei selbstfahrenden Futtermisch-wagen und Pflanzenschutzspritzen.

Der Schmied Joseph Kuhn baute seinen Betrieb verkehrsgünstig am Rhein-Marne-KanalGegründet im Jahr 1828, war die Fir-ma anfangs eine kleine Bude im Ört-chen Eckartswiller bei Saverne. Dort baute der Schmid Joseph Kuhn Dezi-malwaagen, auf denen zum Beispiel der Kartoffelsack mit einem geeich-ten Gegengewicht gewogen wurde.

Ab 1864 baute Kuhn erstmals land-wirtschaftliche Geräte. Am heutigen Standort, wo 1888 auch die Giesserei entstand, fast mitten in der Stadt. Das hatte damals logistisch gewaltige Vor-teile. Denn lange bevor es vernünftige

Strassen oder gar Eisenbahnen gab, führte in Saverne der Rhein-Marne-Kanal vorbei.

Kanäle waren die Autobahnen des 19. Jahrhunderts. Über den Rhein-Marne-Kanal konnte Kuhn einfach und günstig Rohmaterial und Brenn-stoff herantransportieren. Die ferti-gen Produkte wurden auf dem gleichen Weg in die grossen Landwirtschafts-gebiete Europas verschickt.

Die Lage zwischen den Grossmäch-ten, zuhause in der deutschen und der französischen Welt, war für Kuhn oft ein grosser Vorteil. Immer wieder aber auch ein gewaltiger Nachteil. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871 kam das Elsass zu Deutschland und Reichskanzler Bismarck wollte den legeren Franzosen zeigen, wie man einen «schönen» Staat baut: Mit per-fekten Strassen, Eisenbahnen und Wasserwerken. Und mit Schulen, die aussehen wie preussische Kasernen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Elsass wieder französisch, unter Hitler wieder deutsch und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder französisch. Einmal wurden die deutschsprachigen Bürger mit Billigung von Paris schika-niert, dann die französischsprachigen Citoyens mit Billigung von Berlin. Und immer waren sie zwischen Hammer und Amboss.

1946, als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, wusste die Gründerfamilie Kuhn nicht mehr weiter. Sie holte sich Hilfe in der unversehrten Schweiz, bei der Firma Bucher-Guyer in Nieder- weningen ZH (heute Bucher Indus-

tries, siehe Kasten). Bucher vertrieb seit Jahrzehnten auch landwirtschaft-liche Maschinen ausländischer Her-steller, das Elsässer Unternehmen passte da perfekt ins Portefeuille.

Bucher Industries baute Kuhn aus – von der rein französischen Firma zum internationalen UnternehmenDie neuen Eigentümer bauten das Unternehmen auf und aus. Sie liefer-ten die eine oder andere Werkzeug-Maschine aus der eigenen Produktion, liessen sonst aber die Elsässer gewäh-ren. Im Jahr 2000 hatte das Unter- nehmen vier Werke in Frankreich mit 2000 Mitarbeitern – und war trotz der Schweizer Eigentümerschaft stark auf Frankreich ausgerichtet. Die Kon-zentration auf das Heimatland war

durchaus sinnvoll, zumal Frankreich mit 27 Mio Hektaren landwirtschaft-licher Nutzfläche der mit Abstand grösste Agrar-Staat Europas ist. Weit abgeschlagen folgen Deutschland mit 17 Mio und Polen mit 15 Mio Hekta-ren. Die 1 Mio Hektare der Schweiz ist dagegen im europäischen Vergleich eine Quantité Négligeable.

Um die Jahrtausendwende stand Kuhn vor der Entscheidung, ob man künftig den Status Quo verwalten wolle – oder investieren und wachsen. Die Geschäftsleitung entschied sich für Letzteres: Das Unternehmen ist nun in rund 100 statt «nur» in 60 Län-dern aktiv. Die Anzahl der Kuhn-Werke ist von vier auf elf Werke ge-stiegen und die Zahl der Mitarbeiter auf über 5000. Trotz diesem enormen

In den elf Kuhn-Werken in Frankreich (hier in Saverne), in den Niederlanden sowie in den USA und Brasilien arbeiten über 5000 Mitarbeiter.

Kuhn in ZahlenDie Kuhn-Gruppe ist zu 100 Prozent Eigentum von Bucher Industries in Niederweningen ZH. Sie macht mit 5000 Mitarbeitern 1 Mrd Euro Umsatz und ist weltweit in 100 Ländern aktiv.

4,5 Prozent des Umsatzes werden in Forschung und Entwicklung investiert. Produziert wird in elf Kuhn-Werken in Frankreich, den Niederlanden, den USA, Brasilien und Argentinien.

Kuhn verkauft weltweit:

• 60 Prozent in Europa

• 30 Prozent in USA und Südamerika

• 4 Prozent in Asien und Ozeanien

• 6 Prozent in andern Ländern.

Obwohl in den afrikanischen Ländern grosse ungenutzte Agrarflächen liegen, ist deren Anteil am Weltmarkt für Landtechnik unter der 2-Prozent-Schwelle.

Bucher Industries AGDie Bucher Industries AG ist eine international tätige Schweizer Unternehmensgruppe der Maschinen-industrie. Das Unternehmen erwirt-schaftete 2017 einen Umsatz von 2,6 Mrd. Franken und beschäftigt über 12 100 Mitarbeiter.

Die Geschäftsfelder umfassen:

• Kommunalfahrzeuge

• Hydraulik-Komponenten

• Steuerungslösungen für die Automatisierungstechnik

• Produktionsanlagen für die Glas- behälter-Industrie und die Wein- und Fruchtsaftherstellung

• spezialisierte Landmaschinen

• Handelsgeschäft mit Traktoren und spezialisierten Landmaschinen in der Schweiz

www.bucherindustries.com

Ulrich Strauss, Vertriebsleiter vom Kuhn Center Schweiz,und Rolf Schneider, Vertriebsdirektor der Kuhn Group (rechts).

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Wachstum wurde seit 2000 über die Hälfte des Wachstums aus den «älteren» Werken generiert. Unter anderem aus dem Kuhn-Werk in Saverne.

Hier tönt und riecht es wie in einer richtigen Fabrik, wo man Dinge macht, und nicht nur zusammenbaut. In der Giesserei werden Guss-Modelle in schwarzen Sand gepresst, der aus früheren Guss-Prozessen wieder auf- bereitet wurde. Je eine Hälfte für die obere und die untere Seite. Dann wer-den die hellbraunen Sandkerne in die Formen gelegt. Setzt man die Hälften zusammen, entsteht im Innern der Sandform ein Hohlraum mit der Ge-stalt des künftigen Metall-Stückes.

Mit einem Stapler holt ein Arbeiter den Tiegel mit dem flüssigen Metall vom Ofen ab und kippt ein hellrot-heisses Metall-Bächlein in die Formen. Funken stieben und Hitze rollt durch die Halle. Ein paar Stationen weiter kommen die Rohguss-Teile über ein Rüttelband heraus. Von jedem Teil stehen seltsame metallene Trichter und Stäbe ab. Das waren die Zuleitun-gen für das Metall und Ableitungen für die Luft, damit im Guss keine Blasen entstehen und sich die Form komplett mit glühendem Metall füllt.

«Dreckgeschäft» heisst das bei an-dern Firmen, «das geben wir auswärts, das machen sie in China billiger». Nur wenige Unternehmen leisten sich eine so grosse Fertigungstiefe. «Weil wir das alles selber machen, haben wir die Flexibilität», erklärt Kuhn-Ver-kaufsdirektor Rolf Schneider. «Wir können schnell reagieren und müssen uns nicht nach langen Liefer- und Transportzeiten und den Produktions-Kapazitäten von Zulieferern richten. Und wir können schliesslich den hohen Qualitäts-Standard unserer Produkte sicherstellen».

Weil andere Unternehmen trotz Globalisierung ebenfalls Gussteile brauchen, liegen bei Kuhn in Saverne auch Gussformen mit den Logos be-kannter europäischer Bus- und Moto-ren-Hersteller. Doch dieses Dritt- geschäft wird nicht forciert. Es dient dazu, die Schwankungen des zykli-schen Agrargeschäfts auszugleichen.

Weil Kuhn so viel selber macht, tragen selbst die gegossenen Kanal- deckel im Werk das Kuhn-Logo. Viele Rohguss-Teile werden nach einer Auskühlungs- und Aushärtezeit von zwei Wochen spanend weiterver-arbeitet. Aber nur, weil man in Sa-

verne nicht jeden Trend mitmacht, heisst das nicht, dass die Produktion nicht modern ist. Computergesteuer-te Fertigungszentren holen sich auto-matisch das Werkstück, das gemäss Bestellungseingang als Nächstes fer-tig sein muss, und die nötigen Werk-zeuge.

Laserschneide-Maschinen schnei-den selbstständig komplizierte Öff-nungen in aus Blechen geschweisste Mähbalken, die nachher lebenslang wartungsfrei arbeiten.

Und Schweiss-Roboter schweissen selbstständig komplizierteste Konst-ruktionen zusammen. Sie ersetzen zahlreiche Schweisser – und nehmen trotzdem niemandem die Arbeit weg. Denn so viele kompetente Schweisser würde man rund um Saverne nie finden. Für jene, die man trotzdem findet, gibt es auch so genug Arbeit.

In einigen Kuhn-Werken wird in drei Schichten gearbeitet, um die Nachfrage zu befriedigenTrotz Fremdkunden versucht Kuhn das zyklische Agrar-Geschäft mit An-reizen für die Kunden so gut wie mög-lich zu steuern, wie Ulrich Strauss vom Kuhn-Center Schweiz erklärt. So

gibt es für «Frühbesteller» im Herbst die günstigsten Konditionen. Da-gegen zahlen jene mehr, die im Mai merken: «O Gott, wir brauchen ja noch einen neuen Kreiselheuer!»

Trotz diesem Vorziehen der Aufträge hat Kuhn mehr als genug Arbeit. Im Fabriks-Teil «MGM» (für Montage Grandes Machines) im benachbarten Monswiller wird an einigen Arbeits-plätzen sogar in drei Schichten ge-arbeitet. Hier werden die grössten Ma-schinen der Firma montiert, einige mit Arbeitsbreiten bis 17 Metern. Vor den Werken in Saverne und Monswiller erstreckt sich ein weites Feld in Kuhn-Rot. Alles fertige Kuhn-Maschinen, die auf ihre Abholung warten.

Die Globalisierung des Geschäfts hat Kuhn unempfindlicher gemacht gegen die Launen von Wirtschaft, Wetter, Politik und andern «Elemen-ten». Bei den Pflanzenschutz-Spritzen versucht Kuhn, mit möglichst genauen Dosierungsanlagen den Einsatz von Chemikalien zu reduzieren.

Und dann gibt es Zusammenhänge, auf die man erst einmal kommen muss: In den USA haben die von Prä-sident Trump verhängten Schutzzölle für die US-Farmer massive Konse-

quenzen. Die dort hergestellten land-wirtschaftlichen Maschinen, Hallen und Silos werden sofort deutlich teu-rer, weil die Hersteller und Abnehmer von US-Stahl sofort ihre Preise erhöht haben. Zudem verringern sich die Export-Möglichkeiten für US-Farmer, da die Abnehmerländer ihrerseits Strafzölle für Importe aus den USA verhängen.

Dies erhöht im Gegenzug die Kon-kurrenzfähigkeit der brasilianischen Soja-Produzenten auf dem Weltmarkt – und deren Bedarf an Maschinen. Das globalisierte Unternehmen Kuhn kann die fallende Nachfrage in der einen Region mit dem steigenden Be-darf in der anderen Region kompen-sieren.

Mit modernster Technik und einer eher konservativen Einstellung zum Geschäft hat Kuhn das bewahrt, was «Know-how» genannt wird, das «Ge-wusst wie».

65 000 Kuhn-Kunden auf der gan-zen Welt profitieren von der 190-jäh-rigen Erfahrung, die in jeder Maschine von Kuhn steckt. In den roten Anbau-geräten aus der «Agrar-Schmiede» im romantischen Städtchen am Rhein-Marne-Kanal.

Kuhn Center SchweizDas Kuhn Center Schweiz verkauft die für die Schweizer Landwirtschaft typischen kleineren und mittelgrossen Maschinen für die Futterernte wie:• Mähwerke• Heuer und Schwader• Ballen-Pressen

Sowie Geräte für die:• komplette Bodenbearbeitung• Sätechnik• Pflanzenschutztechnik• Fütterungstechnik

Die ganz grossen Kuhn-Maschinen werden eher weniger verkauft, und auch nicht nur in der Landwirtschaft.

So hat ein Flugplatz mit Graspiste in der Ostschweiz einen sehr grossen Mäher und den zweitgrössten Schwader mit 12,5 Meter Arbeitsbreite beschafft. Damit kann die Piste schneller gemäht, geräumt und wieder betriebsbereit gemacht werden.

Die Kuhn-Bestseller in der Schweiz sind Futterernte-Maschinen, Rundballen-Pressen und Pflüge.

Nur wenige Unternehmen leisten sich eine so grosse Fertigungstiefe wie Kuhn mit seiner eigenen Giesserei. Damit ist Kuhn in der Montage (hier in Saverne) flexibler und kann den hohen Qualitäts-Standard seiner Produkte sicherstellen.

Landtechnik-SerieDie Geschichte hinter den Traktoren und Geräten, die in der Schweizer Landwirtschaft gefahren werden.

Heft 01/2018: Fendt /GVS Agrar AG

Heft 02/2018: John Deere / Robert Aebi Landtechnik AG

Heft 03/2018: Claas / Serco Landtechnik AG

Heft 04/2018: Deutz-Fahr / SAME Deutz-Fahr Schweiz AG

Heft 05/2018: New Holland / New Holland Center Schweiz

Die nächsten Folgen:

Heft 07/2018: SteyrHeft 08/2018: KuhnHeft 09/2018: SAMEHeft 10/2018: Case IHHeft 11/2018: LindnerHeft 12/2018: ValtraDie Dreifach-Scheiben-Mäher-Kombination GMD 9530 von Kuhn

ist wie alle Kuhn-Anbaugeräte sprichwörtlich aus einem Guss. Bild: Jürg Vollmer