Kultur Schockbilder IN KÜRZE - lao.ar.tum.de · Das Architekturmuseum der TU München zeigt...

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16 Kultur Telefon (089) 53 06-447 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86.55 AUSSTELLUNG IN DER PINAKOTHEK DERMODERNE·· .............. . Schockbilder Münchner Me~kur Nr. 98 1 Freitag, 28 . April 20 17 KULTUR IN KÜRZE Das Architekturmuseum der TU München zeigt „draußen/ out there - Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain" Passau wirbt für Europäische Wochen Unter der neuen Inten- danz von Thomas E. Bau- er starten die Europäi- schen Wochen in ihre 65. Saison. Vom 29. Juni bis 6. August werden an sechs Wochenenden 48 Veranstaltungen geboten . Mit den Programmen wol- len Bauer und sein Verein die Menschen wieder „emotional" für die Idee Europa gewinnen. Zum Festakt am 1. Juli im Fürst- bischöflichen · Opernhaus in Passau hat sich der Phi- losoph Peter Sloterdijk als Festredner angesagt. Am selben . Tag steht Ludwig van Beethovens 9. Sinfo- nie auf dem Programm . Den Bass-Part übernimmt der Intendant, der zu den renommiertesten Sängern seines Fachs zählt . Insge- samt siebenmal wird Bau- er selbst auftreten , unter anderem auch bei der Auf- führung des „Paulus" von Felix Mendelssohn Bar- tholdy. VON ALEXANDER ALTMANN Das mit den Schockbildern macht offenbar Schule. Jetzt knallen sie uns nicht nur auf Zigarettenschachteln entge- gen, sondern auch in Ausstel- lungen wie „draußen/ out there", die das Architektur - museum der TU München in der Pinakothek der Modeme präsentiert. Gleich beim Be- treten der Schau steht man vor dem Riesenfoto eines leb- losen Flusses zwischen Tro~ penvegetation, an dessen Ufern sich ekelerregende Müllberge dahinziehen. Fehlt nur noch ein Warnhinweis in der Art: ,,Achtung, diese Aus 0 stellung will Ihr Weltbild ver- ändern." Denn laut Untertitel soll es hier um „Landschaftsarchi- tektur auf globalem Terrain" gehen, und .da denkt unser- Unser Weltbild soll verändert werden einer natürlich an Parks, wei- te Rasenflächen, sanfte Hü- gel, üppige Blütenpracht oder den Englischen Garten. Aber weit gefehlt! Mit solchen Kleinbürgeridyllen von ges- tern macht diese Ausstellung radikal Schluss. Schonungs- los, wie's ihre Art ist, zertrüm- mern die weltläufigen Kurato- ren unseren naiven Provinz- lerglauben ans Gute, Wahre und Schöne, jawoll! Denn Landschaft, erfährt man, ist , heute vor ' allem Stadtland- schaft: ,,Wir erleben derzeit die · größte Verstädterungs- welle, die die Menschheit je gesehen hat ", erklärt mit Blick auf Asien, Afrika und Südamerika Christian Werth- mann , Professor für Land- schaftsarchitektur in Hanno- ver und einer der Kuratoren der Schau. Weil aber all die Zuzügler vom Land in der Stadt irgend- wo wohnen müssen, errich- Der Müll, die Stadt und der Fluss: Jakartas Ciliwun~ Riv~r im Viertel Kampung Bukit Duri. FOTO: JÖJ\G REKITIKE Lima in Peru zeigt die Verstädterung, und zwar durch schwarz gebaute Siedlungen. FOTO: EVELYN MERINO-REYNA ten sie im Eigenbau notdürfti- ge Behausungen. Als Platz für diese „informellen Bauten", wie man Slums vornehm nennt , kommen meist nur Or- te infrage, die deshalb noch frei sind, weil man dort ei- gentlich gar nicht wohnen kann: Überschwemmungsge- biete von Flüssen wie in Ja- karta (Indonesien) oder Berg- rutsch-gefährdete Hänge wie in Medellin (Kolumbien). Ein weiteres Hauptpro- · blem neben diesen lebensge- fährlichen Standorten ist der Mangel an · ,,Entsorgungs- infrastruktur": Nicht nur die Slums, auch die Häuser der Reichen haben oft keinen Ka- Balis Reisterrassen bedeuten Knochenarbeit für die Bau- ern; dort landet auch das Abwasser. FOTO:WAN JING,STUOIOREKJTIKE. nalisationsanschluss , was dann selbst im Urla~sl\lara- dies Bali dazu führt, dass zur Traumkulisse eine buchstäb- lich .beschissene Kehrseite ge- hört . Was im Luxushotel oben in die Toilette geht, wird unten einfach ins benachbar- te Reisfeld gespült. Guten Appetit! I ;; ..... , ·".. Aber es gibt Hoffnung. Denn die Schau zeigt auch, wie unsere wackeren Land- schaftsarchitekten all diese Probleme in fernen Erdteilen erfolgreich angehen. Da er- fährt man, dass im chinesi- schen Changde dank deut- scher Nachhilfe das ,,Schwammstadt-Konzept" verwirklicht ist, bei dem Ab- wasser durch einen „Fflan- zenfilter" geklärt wird, der zu- gleich als erholsamer Ufer- park entlang des städtischen Flusses dient. Um andere Wasserprobleme geht es hin.- gegen in Lima, denn die Hauptstadt Perus ist „die tro- ckenste Megacity der Welt". Klar, dass man dort keinen Englischen Garten anlegen kann. Um dem Wassermangel abzuhelfen, hatten findige Landschaftsarchitekten also die Idee mit ·den „Nebelfän- gern", ·aufgespannten feinen Netzen, die Feuchtigkeit aus dem reichlich vorhandenen Nebel in Lima filtern. Insgesamt wii:kt die Schau trotz edler Vitrinen und Topografie-Modelle also eher wie eine Dokumentation avancierter Entwicklungspro- jekte. Obwohl dergleichen Madrids Müllberg ist Europas größter Slum natürlich schwer auszustellen ist und leicht so trocken wirkt wie der Boden in Lima, weil der Besucher ohne Lektüre nichts kapiert , vermitteln Fotos und Filme doch auch einen recht sinnlichen Eindruck. Dazu gibt es attraktive Ex- ponate wie „typische Haus- haltsabfälle" - oder einen al- ten Damenschuh von einer Müllkippe bei Madrid. Dort existiert nämlich seit 60 Jah- ren das größte Slumgebiet Eu- ropas, dessen Bewohner (zu denen neuerdings auch im- mer mehr verarmte Mittel- standsbürger zählen) vom Müllsammeln und -recyceln ,,leben". Eine Nachricht, die mindestens so erschreckend wirkt wie Schockbilder. Bis20. August, täglich außer Mo. 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, Barer Str. 29; Telefon 089/ 23 80 53 60. Kulturerbesoll Europagefühl stärken Ein Europäisches Jahr des Kulturerbes soll den Euro- päern 2018 ein stärkeres Gefühl der Zusammenge- hörigkeit vermitteln . Das Europäische Parlament beschloss in Brüssel, acht Millionen Euro bereitzu- stellen. Europa solle sei- nen „kulturellen Reichtum feiern", sagte EU-Kultur- kommissar Tibor Nav- racsics. Das Jahr könne zeigen, ,,dass der europäi- sche Raum unserer 27 Na- tionen zu einer einheitli- chen Zivilisation mit einer gemeinsamen Geschicht e gehört" , erklärte der feder- führende Europaabgeord- nete Mircea Diaconu. Er nahm damit den Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft praktis ch vorweg. Das Kulturerbe- Jahr soll vor allem junge Menschen anspreche n und die lokale Ebene ein- binden .

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16 Kultur Telefon (089) 53 06-447 [email protected] Telefax: (089) 53 06-86.55

AUSSTELLUNG IN DER PINAKOTHEK DER MODERNE·· .................. .

Schockbilder

Münchner Me~kur Nr. 98 1 Freitag, 28 . April 20 17

KULTUR IN KÜRZE

Das Architekturmuseum der TU München zeigt „draußen/ out there - Landschaftsarchitektur auf globalem Terrain"

Passau wirbt für Europäische Wochen Unter der neuen Inten­danz von Thomas E. Bau­er starten die Europäi­schen Wochen in ihre 65. Saison. Vom 29. Juni bis 6. August werden an sechs Wochenenden 48 Veranstaltungen geboten . Mit den Programmen wol­len Bauer und sein Verein die Menschen wieder „emotional" für die Idee Europa gewinnen. Zum Festakt am 1. Juli im Fürst­bischöflichen · Opernhaus in Passau hat sich der Phi­losoph Peter Sloterdijk als Festredner angesagt. Am selben . Tag steht Ludwig van Beethovens 9. Sinfo­nie auf dem Programm. Den Bass-Part übernimmt der Intendant, der zu den renommiertesten Sängern seines Fachs zählt . Insge­samt siebenmal wird Bau­er selbst auftreten , unter anderem auch bei der Auf­führung des „Paulus" von Felix Mendelssohn Bar­tholdy.

VON ALEXANDER AL TMANN

Das mit den Schockbildern macht offenbar Schule. Jetzt knallen sie uns nicht nur auf Zigarettenschachteln entge­gen, sondern auch in Ausstel­lungen wie „draußen/ out there", die das Architektur ­museum der TU München in der Pinakothek der Modeme präsentiert. Gleich beim Be­treten der Schau steht man vor dem Riesenfoto eines leb­losen Flusses zwischen Tro~ penvegetation, an dessen Ufern sich ekelerregende Müllberge dahinziehen. Fehlt nur noch ein Warnhinweis in der Art: ,,Achtung, diese Aus0

stellung will Ihr Weltbild ver­ändern."

Denn laut Untertitel soll es hier um „Landschaftsarchi­tektur auf globalem Terrain" gehen, und .da denkt unser-

Unser Weltbild soll verändert werden

einer natürlich an Parks, wei­te Rasenflächen, sanfte Hü­gel, üppige Blütenpracht oder den Englischen Garten. Aber weit gefehlt! Mit solchen Kleinbürgeridyllen von ges­tern macht diese Ausstellung radikal Schluss. Schonungs­los, wie's ihre Art ist, zertrüm­mern die weltläufigen Kurato­ren unseren naiven Provinz­lerglauben ans Gute, Wahre und Schöne, jawoll! Denn Landschaft, erfährt man, ist , heute vor ' allem Stadtland­schaft : ,,Wir erleben derzeit die · größte Verstädterungs­welle, die die Menschheit je gesehen hat ", erklärt mit Blick auf Asien, Afrika und Südamerika Christian Werth­mann , Professor für Land­schaftsarchitektur in Hanno­ver und einer der Kuratoren der Schau.

Weil aber all die Zuzügler vom Land in der Stadt irgend­wo wohnen müssen, errich-

Der Müll, die Stadt und der Fluss: Jakartas Ciliwun~ Riv~r im Viertel Kampung Bukit Duri. FOTO: JÖJ\G REKITIKE

Lima in Peru zeigt die Verstädterung, und zwar durch schwarz gebaute Siedlungen. FOTO: EVELYN MERINO-REYNA

ten sie im Eigenbau notdürfti­ge Behausungen. Als Platz für diese „informellen Bauten", wie man Slums vornehm nennt , kommen meist nur Or­te infrage, die deshalb noch frei sind, weil man dort ei­gentlich gar nicht wohnen kann: Überschwemmungsge­biete von Flüssen wie in Ja-

karta (Indonesien) oder Berg­rutsch-gefährdete Hänge wie in Medellin (Kolumbien).

Ein weiteres Hauptpro- · blem neben diesen lebensge­fährlichen Standorten ist der Mangel an · ,,Entsorgungs­infrastruktur": Nicht nur die Slums, auch die Häuser der Reichen haben oft keinen Ka-

Balis Reisterrassen bedeuten Knochenarbeit für die Bau­ern; dort landet auch das Abwasser. FOTO:WAN JING, STUOIOREKJTIKE.

nalisationsanschluss , was dann selbst im Urla~sl\lara­dies Bali dazu führt, dass zur Traumkulisse eine buchstäb­lich .beschissene Kehrseite ge­hört . Was im Luxushotel oben in die Toilette geht, wird unten einfach ins benachbar­te Reisfeld gespült. Guten Appetit!

I ;; ..... , ·"..

Aber es gibt Hoffnung. Denn die Schau zeigt auch, wie unsere wackeren Land­schaftsarchitekten all diese Probleme in fernen Erdteilen erfolgreich angehen. Da er­fährt man, dass im chinesi­schen Changde dank deut­scher Nachhilfe das ,,Schwammstadt-Konzept"

verwirklicht ist, bei dem Ab­wasser durch einen „Fflan­zenfilter" geklärt wird, der zu­gleich als erholsamer Ufer­park entlang des städtischen Flusses dient. Um andere Wasserprobleme geht es hin.­gegen in Lima, denn die Hauptstadt Perus ist „die tro­ckenste Megacity der Welt". Klar, dass man dort keinen Englischen Garten anlegen kann. Um dem Wassermangel abzuhelfen, hatten findige Landschaftsarchitekten also die Idee mit · den „Nebelfän­gern", · aufgespannten feinen Netzen, die Feuchtigkeit aus dem reichlich vorhandenen Nebel in Lima filtern.

Insgesamt wii:kt die Schau trotz edler Vitrinen und Topografie-Modelle also eher wie eine Dokumentation avancierter Entwicklungspro­jekte. Obwohl dergleichen

Madrids Müllberg ist Europas größter Slum

natürlich schwer auszustellen ist und leicht so trocken wirkt wie der Boden in Lima, weil der Besucher ohne Lektüre nichts kapiert , vermitteln Fotos und Filme doch auch einen recht sinnlichen Eindruck.

Dazu gibt es attraktive Ex­ponate wie „typische Haus­haltsabfälle" - oder einen al­ten Damenschuh von einer Müllkippe bei Madrid. Dort existiert nämlich seit 60 Jah­ren das größte Slumgebiet Eu­ropas, dessen Bewohner (zu denen neuerdings auch im­mer mehr verarmte Mittel­standsbürger zählen) vom Müllsammeln und -recyceln ,,leben". Eine Nachricht, die mindestens so erschreckend wirkt wie Schockbilder.

Bis 20. August, täglich außer Mo. 10-18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, Barer Str. 29; Telefon 089/ 23 80 53 60.

Kulturerbe soll Europagefühl stärken Ein Europäisches Jahr des Kulturerbes soll den Euro­päern 2018 ein stärkeres Gefühl der Zusammenge­hörigkeit vermitteln . Das Europäische Parlament beschloss in Brüssel, acht Millionen Euro bereitzu­stellen. Europa solle sei­nen „kulturellen Reichtum feiern", sagte EU-Kultur­kommissar Tibor Nav­racsics. Das Jahr könne zeigen, ,,dass der europäi­sche Raum unserer 27 Na­tionen zu einer einheitli­chen Zivilisation mit einer gemeinsamen Geschicht e gehört" , erklärte der feder­führende Europaabgeord­nete Mircea Diaconu. Er nahm damit den Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft praktis ch vorweg. Das Kulturerbe­Jahr soll vor allem junge Menschen anspreche n und die lokale Ebene ein­binden .