Kurzstudie Agrotreibstoff im Flugverkehr Bericht... · 2014-05-26 · 1 Agrotreibstoff im...

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^base-kol ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH Kurzstudie Agrotreibstoff im Flugverkehr im Auftrag von Heidelberg, 25. April 2014

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^base-kol ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg GmbH

Kurzstudie Agrotreibstoff im Flugverkehr

im Auftrag von

Heidelberg, 25. April 2014

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Kurzstudie

Im Auftrag von

Autor:

Horst Fehrenbach

ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung gGmbH

Wilckensstr. 3, D – 69120 Heidelberg

Tel.: +49/(0)6221/4767-0 – direkt: -16

Fax: +49/(0)6221/4767-19

E-mail: [email protected],

Website: www.ifeu.de

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Inhaltsverzeichnis

Seite

1 Aufgabenstellung .............................................................................................. 1

2 Zertifizierung von Nachhaltigkeit ..................................................................... 2

2.1 Übersicht über das Thema .................................................................................. 2

2.2 Nachhaltigkeitsanforderungen der RED .............................................................. 3

2.2.1 Verbindliche Anforderungen ................................................................................ 3 2.2.2 Berichtspflichten .................................................................................................. 4

2.3 Inwiefern sind Agro-Treibstoffe davon betroffen? ................................................ 4

2.4 Zertifizierungssysteme ......................................................................................... 4

2.4.1 Übersicht über die anerkannten Systeme ............................................................ 4 2.4.2 Benchmark für RSB und ISCC ............................................................................ 6 2.4.3 Bewertung nach WWF Studie ............................................................................ 14 2.4.4 Bedeutung der Systeme am deutschen Agrokraftstoffmarkt .............................. 15

2.5 Grenzen der Zertifizierung ................................................................................. 16

2.5.1 Risiken missbräuchlichen Handelns .................................................................. 16 2.5.2 Risiken bei Abwesenheit von „Good Governance“ ............................................. 18 2.5.3 Die Lücke der indirekten Effekte ........................................................................ 19

2.6 Nachhaltigkeitszertifizierung im globalen Kontext .............................................. 21

2.7 Zusammenfassung und Empfehlung ................................................................. 24

3 Klimaeffekte und andere Umweltaspekte ...................................................... 25

3.1 Welche Agrotreibstoffe sind relevant? ............................................................... 25

3.2 Was ist relevant in der Klimabilanz von Agrotreibstoffen? ................................. 26

3.2.1 Landnutzungsänderung ..................................................................................... 27 3.2.2 Anbau der Biomasse ......................................................................................... 29 3.2.3 Verarbeitungsprozesse ...................................................................................... 31 3.2.4 Transport und Verteilung ................................................................................... 32

3.3 Algen als Rohstoff? ........................................................................................... 32

3.4 Wieviel Klimaschutz ist durch Kerosin aus Biomasse möglich? ......................... 33

3.5 Zusammenfassung zur Klimabilanz von Agrotreibstoffen .................................. 36

3.6 Andere relevante Umweltaspekte von Agrotreibstoffen ..................................... 37

3.6.1 Wasser .............................................................................................................. 37 3.6.2 Biodiversität ....................................................................................................... 40 3.6.3 Boden ................................................................................................................ 41

4 Ernährungssicherung ..................................................................................... 43

4.1 Problematik der Agrokraftstoffe insgesamt ........................................................ 43

4.2 Die spezifische Problematik der Agrotreibstoffe für den Flugverkehr ................. 46

5 Zusammenfassung .......................................................................................... 49

6 Literatur............................................................................................................ 51

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

1 Aufgabenstellung

Der Evangelische Entwicklungsdienst Brot für die Welt setzt sich im Referat für Klima-

gerechtigkeit im Tourismus u.a. mit der Frage auseinander, welche Rolle der Flugver-

kehr in diesem Themenkomplex einnimmt, ob und wie der Anspruch auf Klimaverträg-

lichkeit sowie Nachhaltigkeit insgesamt erfüllt werden kann. Eine zentrale Rolle neh-

men bei dieser Frage der Treibstoff bzw. die mit seiner Nutzung verbundenen Freiset-

zung von Klimagasen ein. Die Flugverkehrsbranche sieht ihren Beitrag zum Klima-

schutz neben der Erhöhung der Energieeffizienz vor allem in der Substitution fossilen

Kerosins durch klimaneutrale oder erneuerbare Energieträger.

Konkret geht es dabei in erster Linie um Treibstoffe auf Basis von Biomasse, im Allge-

meinen als Biotreibstoffe bezeichnet. Solche, die auf Basis von landwirtschaftlichen

Rohstoffen erzeugt werden, werden zur begrifflichen Schärfung auch Agrotreibstoffe

genannt. Im Folgenden wird dieser Begriff verwendet, so der Kontext nicht auf Bio-

treibstoffe im allgemeinen Sinne (aus Biomasse generell) zielt oder auf Begriffe aus

offiziellen Zusammenhängen (z.B. Gesetzestexte) Bezug genommen wird.

Die vorliegende Kurzstudie soll Aufschluss darüber geben, wie die Nachhaltigkeit von

Agrotreibstoffen bewertet werden kann, welche Anforderungen nach dem Stand der

Wissenschaftlichen Diskussion zu stellen sind und welche Instrumente für den Nach-

weis von Nachhaltigkeit zur Verfügung stehen. Folgende Fragen stehen dabei im Vor-

dergrund:

Wie ist die Nachhaltigkeitszertifizierung zu bewerten? Welche Anforderungen

sind zu stellen, was fordert die Gesetzeslage, was kann die Praxis dazu leis-

ten?

Welche spezielle Rolle spielen dabei Kernprobleme wie die Ernährungssiche-

rung aufgrund von Konkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion und Klima-

effekte sowie über den Klimaschutz hinausgehender relevanter Umweltaspek-

te?

Parallel zu IFEU erarbeitet das DBFZ komplementäre Aspekte zum Thema, wobei die

Schwerpunkte auf der Analyse der aktuellen Rahmenbedingungen, den Technologie-

optionen für biobasierte Kerosinsubstitute und dem Status Quo bezüglich Mengen so-

wie auf den Zielen von Politik und den Flugunternehmen liegen. IFEU liefert hierzu

ergänzenden Input insbesondere zu den im zweiten Punkt mitbetrachteten Bandbreiten

der THG-Emissionen der einzelnen biobasierten Treibstoffe.

Ziel beider Studien ist die Erarbeitung von Informationen zu aktuellen Entwicklungen,

Daten und Fakten sowie Tendenzen, um Brot für die Welt bei der Positionierung zum

Thema Agrotreibstoff im Flugverkehr zu unterstützen.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

2 Zertifizierung von Nachhaltigkeit

2.1 Übersicht über das Thema

Ein Kernelement zum Erreichen der klimapolitischen Ziele der EU-Mitgliedsländer ist

die Steigerung der Bioenergieproduktion. In der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED,

2009/28/EG)1 werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum Jahr 2020 einen Anteil

von mindestens 10 % Energie aus erneuerbaren Quellen bei allen Verkehrsträgern zu

gewährleisten. Dabei beschränkt sich die Forderung auf die im Straßenverkehr und im

Schienenverkehr verbrauchten Endenergiemengen an Kraftstoff sowie Elektrizität. Fak-

tisch wird der Großteil durch Biokraftstoffe im Straßenverkehr abzudecken sein.

Um ihre Biokraftstoffe auf diese Quote angerechnet werden zu können, müssen die

Hersteller eine Reihe von Nachhaltigkeitsanforderungen nachweisen. Dieser Nachweis

soll über anerkannte Zertifizierungssysteme erfolgen. Mit dieser Regelung greift die

EU-Kommission auf ein langjähriges Praxismodell aus der Privatwirtschaft zurück. In

der Land- und Forstwirtschaft sind Zertifizierungssysteme bereits seit langem etabliert,

um ökologisch, fair oder nachhaltig produzierte Erzeugung auszuzeichnen und dem

Kunden diese Produktionsweise nachweisen zu können.

Dieses Kapitel soll Antworten auf folgende Fragen liefern:

Welche Nachhaltigkeitsanforderungen fordert die RED konkret ein und was be-

deuten diese für die Praxis?

Inwiefern sind Agro-Treibstoffe davon betroffen?

Welche Zertifizierungssysteme stehen dafür zu Verfügung und wie sieht die

Nachweisführung aus?

Hierzu wird ein fokussiertes Benchmarking für die zwei aktuell wichtigsten Zertifizie-

rungssysteme durchgeführt, dies sind der RSB (Roundtable on Sustainable Biomateri-

als)2 und der ISCC (International Sustainability & Carbon Certification). Die anderen im

Bereich der Biokraftstoffzertifizierung tätigen Systeme werden kurz charakterisiert und

bewertet anhand folgender Fragen:

Welche Aspekte von Nachhaltigkeit sind durch die Systeme zufriedenstellend adressiert, welche nur ungenügend, welche gar nicht?

Wie nachhaltig ist folglich als nachhaltig zertifiziertes Agrokerosin einzuschät-zen?

Wo liegen die Grenzen zwischen den gesetzlich verbindlichen Nachweisverfah-ren und Kriterien einerseits und freiwilligen Systemen anderseits? Worin bestehen Vor- und Nachteile von Verbindlichkeit und Freiwilligkeit?

Wie sieht es außerhalb Europas aus? Welche Formen der Nachhaltigkeitszerti-fizierung gibt es in anderen Ländern oder im globalen Kontext?

1 Im Folgenden wird für die Nennung dieser Richtlinie das international übliche Kürzel RED

(Renewable Energy Directive) verwendet. 2 ehemals: Roundtable on Sustainable Biofuel

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

2.2 Nachhaltigkeitsanforderungen der RED

Die RED formuliert in den Artikeln 17 bis 19 Nachhaltigkeitsanforderungen für alle Bio-

kraftstoffe und flüssigen Biobrennstoffe, die auf dem europäischen Markt gehandelt

und für die Einhaltung der nationalen Ziele und Verpflichtungen einbezogen und/oder

entsprechend finanziell gefördert werden. Die Anforderungen sind unterteilt in solche,

die verbindlich von allen Marktakteuren erfüllt werden müssen, und solche, über die

von den Mitgliedsstaaten lediglich berichtet werden muss.

2.2.1 Verbindliche Anforderungen

Alle Biokraftstoffe und flüssigen Biobrennstoffe, die auf das Ziel der RED angerechnet

werden sollen, müssen die im Folgenden beschriebenen Nachhaltigkeitsanforderungen

erfüllen. Auch nationale Förderinstrumente sind an die Erfüllung der Kriterien gebun-

den.

Treibhausgasbilanz (Art. 17(2))

Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe müssen gegenüber einem fossilen Refe-

renzwert eine Minderung von mindestens 35 % erreichen. Ab 2017 bzw. 2018 gelten

Mindesteinsparungen von 50 % bzw. 60 %. Die Richtlinie enthält in Anhang V Regeln

zur Berechnung der Emissionsminderungen. Weitere Aspekte finden sich in Art. 19.

Flächenbezogene Anforderungen

Die Rohstoffe zur Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen dürfen

nicht von Flächen stammen, die im oder nach Januar 2008 den folgenden Status hat-

ten:

Flächen mit hoher Biodiversität (Art. 17 (3)): Primärwald, geschützte Flächen,

Grünland mit großer biologischer Vielfalt,

Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand (Art. 17 (4)): Feuchtgebiete, kontinuierlich

bewaldete Gebiete,

Torfmoore (Art. 17 (5))

Die unter Art. 17 (3) und (4) genannten Flächen dürfen aber im Grundzug dann genutzt

werden, wenn die Biomasseproduktion oder -entnahme das Schutzziel nicht gefährdet.

Ausnahmen sind dabei Primärwälder und natürliches Grünland mit großer biologischer

Vielfalt, die von jeglicher Nutzung ausgeschlossen sind.

Anbaubezogene Anforderungen

Die Rohstoffe, die innerhalb der EU angebaut werden, müssen den gemeinsamen Re-

geln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Cross Compli-

ance) sowie den Mindestanforderungen für den guten landwirtschaftlichen und ökologi-

schen Zustand entsprechen (Art. 17(6)).

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2.2.2 Berichtspflichten

Die folgenden Kriterien sind keine verbindliche Voraussetzung für eine Anrechnung der

Energieträger, sondern es bestehen lediglich Berichtspflichten seitens der Kommission

sowie der Wirtschaftsteilnehmer (Art. 17(7)):

Maßnahmen zum Schutz von Boden, Wasser und Luft

Folgen der Biokraftstoff-Politik der Gemeinschaft hinsichtlich der Verfügbarkeit von

Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen (insbes. in Entwicklungsländern)

Wahrung der Landnutzungsrechte

Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Kern-Normen

Unterzeichnung des Protokolls von Cartagena über die biologische Sicherheit

und des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten

frei lebender Tiere und Pflanzen (CITES)

2.3 Inwiefern sind Agro-Treibstoffe davon betroffen?

Biokraftstoffe, die im Flugverkehr genutzt werden, können heute bereits auf die oben

genannten Ziele der RED angerechnet werden, sofern sie die vorausgehend aufgeführ-

ten, verbindlichen Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Bei der konkreten Umsetzung der

Quotenziele bleibt der Sektor bislang jedoch von verbindlichen Anforderungen ausge-

spart. Begründet wird dies mit derzeitigen technischen und ordnungspolitischen Gren-

zen, die dem kommerziellen Einsatz von Biokraftstoffen in der Luftfahrt gesetzt sind,

und dem gegenüber dem Straßenverkehr eher geringeren Anteil am Endenergiever-

brauch des Gesamtverkehrs.

Während die Verfehlung der nach dem Biokraftstoffquotengesetz geltenden Quotenzie-

le bei Diesel und Ottokraftstoff zu Strafzahlungen der Mineralölkonzerne führt, bleibt

die Flugtreibstoffbranche von Ähnlichem verschont. Die tatsächlichen Anteile an Ag-

rotreibstoff dürfen jedoch wie gesagt angerechnet werden. In den Nachhaltigkeitskrite-

rien und dem Nachweis über Zertifizierung bestehen keine Unterschiede.

2.4 Zertifizierungssysteme

2.4.1 Übersicht über die anerkannten Systeme

Die EU-Kommission hat bis heute 15 Zertifizierungssysteme für den Nachweis der

Nachhaltigkeitsanforderungen anerkannt. Sie sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Da-

runter befinden sich Systeme mit sehr unterschiedlichen Entstehungsgeschichten und

Herangehensweisen an die Zertifizierung. Grob und ohne Anspruch auf Vollständigkeit

lassen sie sich einteilen in

global und vielseitig anwendbare Systeme häufig mit breitem Multi-Stakeholder-

Bezug (RSB, ISCC),

Feedstock-spezifische Systeme mit breitem Multi-Stakeholder-Bezug (Bonsu-

cro, RTRS, RSPO)

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Produkt-spezifische, konzernbezogene oder auf nationale Wirtschaftsinitiative

gegründete Systeme (2BvS, RBSA, Ensus, Red Tractor, SQC).

Tabelle 1 Zertifizierungssysteme, von der EU-Kommission gemäß RED anerkannt

System Anwendungsbereich

ISCC Für Bioenergieträger aller Art; entstanden aus einem aus Bun-desmitteln finanzierten Projekt mit Multi-Stakeholder-Prozess

BonSucro EU Für Zuckerrohr(ethanol); entstanden aus Initiative der Zucker-rohr-Prozesskette, hier RED-kompatible Variante des allgemei-nen Bonsucro-Systems (vormals BSI, Better Sugarcane Initiative)

RTRS EU RED (Roundtable for Responsible Soy)

Für Soja; entstanden aus Initiative der Soja-Produktionskette, hier RED-kompatible Spezialvariante des allgemeinen RTRS-Systems

RSB EU RED Für Bioenergieträger aller Art; entstanden aus internationalem Multi-Stakeholder-Prozess

2BSvs (Biomass Biofuels

Sustainability voluntary scheme)

Für Biokraftstoffe; entstanden aus Initiative französischer Unter-nehmen, als Prüfinstanz ausschließlich Bureau Veritas einbezo-gen

RBSA (Abengoa RED

Bioenergy Sustainability Assurance)

Für Ethanol; entstanden aus Initiative des Unternehmens Aben-goa; rein industrieintern (konzernintern), keine Dritt-Partei einbe-zogen

Greenergy (Brazilian

Bioethanol verification pro-gramme)

Für Zuckerrohr(ethanol); gegründet vom UK Energiehändler Greenergy fokussiert auf brasilianisches Zuckerrohrethanol

ENSUS voluntary Scheme

under RED Für Ethanol; gegründet vom britischen Ethanolverband ENSUS; rein industrieintern, keine Dritt-Partei einbezogen

Red Tractor (Red Tractor

Farm Assurance Combinable Crops & Sugar Beet Scheme)

Für Getreide und Zuckerrübe; britisches regionale System für Zertifizierungen in der Landwirtschaft

SQC (Scottish Quality Farm

Assured Combinable Crops) Für Getreide und Zuckerrübe; schottisches regionale System für Zertifizierungen in der Landwirtschaft

RedCert Für Biokraftstoffe; gegründet von Branchenvertretern in Deutsch-land

NTA 8080 Für Bioenergieträger aller Art; nationale niederländische Norm

RSPO RED (Roundtable

on Sustainable Palm Oil RED)

Für Palmöl, entstanden aus Initiative der Palmöl-Produktkette, hier RED-kompatible Spezialvariante des allgemeinen RSPO-Systems

Biograce XLS-basiertes Rechentool für RED-kompatible Treibhausgasbe-rechnungen

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

HVO Renewable Die-sel Scheme for Verification

of Compliance with the RED sustainability criteria for biofuels

Für hydrierfähige und hydrierte Biomasse; keine weiteren Infor-mationen verfügbar

2.4.2 Benchmark für RSB und ISCC

Von den 15 anerkannten Systemen werden im Folgenden RSB und ISCC näher be-

schrieben und anhand einer umfassenden Kriterienliste bewertet (Benchmark). Sie

distanzieren die anderen Systeme weitgehend wegen ihrer Vielseitigkeit in Bezug auf

Bioenergiepfade, ihrer breiten Abdeckung von Nachhaltigkeitskriterien und ihrer kon-

zernunabhängigen Entwicklung und Kammerstruktur.

Roundtable on Sustainable Biomaterials (RSB)

Dieses Zertifizierungssystem geht auf eine im Jahr 2007 an der EPFL (École Poly-

téchnique Fédérale de Lausanne) gegründete Initiative zurück, das sich zunächst als

ein internationales Stakeholder-basiertes Diskussionsforum für die Herleitung von

Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe verstanden hat. Über die Welt verteilt wurden

regionale Einzelforen ins Leben gerufen. Im Jahr 2009 wurde der Beschluss gefasst,

als operatives Zertifizierungssystem aktiv zu werden.

Seit 2011 liegt der RSB-Standard in der zweiten Version, sowohl in einer globalen als

auch in einer auf die RED adaptierten Fassung vor.3 Dieser Standard beschreibt an-

hand von 12 Prinzipien und 37 Kriterien die umfangreichen Anforderungen für die Zerti-

fizierung entlang der Verarbeitungskette.

Der RSB ist als eine jedermann offene Mitgliederorganisation aufgebaut. Die Mitglieder

können einer von 7 Kammern beitreten. Jede Kammer entsendet 2 Vertreter in den

Vorstand. Der Standard wurde entsprechend dem ISEAL Code for Good Practice for

Setting Social and Environmental Standards entwickelt. Damit sind hohe Anforderun-

gen an die Stakeholderbeteiligung bei der Standardentwicklung sichergestellt worden.

Im Jahr 2011 wurden die ersten Zertifikate ausgestellt.

Seit März 2013 hat der RSB seine Ausrichtung erweitert und zertifiziert neben Bioener-

gieträgern auch biobasierte Produkte. Aus diesem Grund wurde auch der Sinn des Bs

im Systemnamen von Biofuels auf Biomaterials geändert.

Für das Benchmarking in Tabelle 2 wird die von der EU-Kommission Version 2 EU

RED zu Grunde gelegt. Der Unterschied zum globalen Standard liegt fast ausschließ-

lich in Details der Berechnungsmethode der Treibhausgasemissionen.

International Sustainability and Carbon Certification (ISCC)

ISCC wurde am 26.01.2010 gegründet als Zertifizierungssystem für Biomasse und

Bioenergie (Kraftstoff und Strom) 4. Ziel von ISCC ist die Etablierung eines international

ausgerichteten, praktikablen und transparenten Systems zur Zertifizierung von Bio-

3 http://rsb.org/sustainability/rsb-sustainability-standards/ (Version 2.0)

4 http://www.iscc-system.org (Version 2.3)

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

masse und Bioenergie. Das System wurde 2011 als erstes System von der EU-

Kommission anerkannt. Seine Entwicklung wurde durch Zuwendung des Bundesminis-

teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert. ISCC wird vor

allem von Wirtschaftsakteuren gestützt. Von Seiten der großen Umweltverbände enga-

giert sich der WWF innerhalb des Systems. Inzwischen ermöglicht es mit ISCC plus

auch die Zertifizierung von Biomasse für stoffliche Anwendungen (z.B. Joghurtbecher

aus maisbasierter Polymilchsäure, siehe „Activia“).

Das System umfasst verschiedene Dokumente, die unterschiedliche Aspekte regeln.5

So ist der Biomassenbau im Dokument ISCC 202 (Nachhaltigkeitsanforderungen - An-

forderungen an die Herstellung von Biomasse (Pflanzenanbau)) geregelt. Die Anforde-

rungen an die Herstellung von Biomasse sind in 6 Prinzipien aufgegliedert. Das Sys-

tem gewichtet nicht alle seine Anforderungen gleich. So gibt es so genannte „Minor

Musts“ von welchen lediglich 60% für eine erfolgreiche Prüfung erfüllt sein müssen.

Diese „Minor Musts“ betreffen u.a. viele Anforderungen aus den Prinzipien 3 und 4.

ISCC ist Mitglied in der AIREG (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany

e.V.) und im Mitgliederkreis das einzige Zertifizierungssystem.

Ergebnis Benchmarking

In Tabelle 2 werden die Nachhaltigkeitsstandards der beiden Systeme anhand von 37

Prüfkriterien bewertet. Gleichzeitig werden die rechtlichen Anforderungen der RED

betrachtet, um zu verdeutlichen, wie weit die Zertifizierungssysteme über die gesetzli-

chen Mindestanforderungen hinausgehen.

Während manche Systeme lediglich die grün markierten Kriterien (RED) adressieren,

erfüllen RSB und ISCC den hier angesetzten Katalog in weitem Umfang. Von den 37

Prüfkriterien nimmt RSB auf 34 klaren Bezug, bei ISCC sind es immerhin noch 26.

Untersucht man die beiden Systeme tiefer im Detail, wird deutlich, dass RSB stärkeres

Gewicht auf den Anspruch auf möglichst umfassende Erfüllung von Nachhaltigkeit legt,

während die spezielle Stärke von ISCC in „handfesten“ Anleitungen liegt, z.B. zum Ar-

beitsschutz, zur fachlichen Schulung und zum sicheren Umgang mit Pestiziden.

Gegenüber der Mehrzahl der anderen gemäß RED anerkannten Systeme (siehe Ta-

belle 1) liegen diese beiden Systeme in jedem Falle deutlich im Vorteil. Bonsucro,

RTRS und RSPO weisen zwar ebenfalls über den Rahmen der RED hinausgehende

Anforderungen auf, sind jedoch an bestimmte Agrarprodukte gebunden. Einen an-

spruchsvollen Ansatz stellt außerdem die niederländische Norm NTA 8080 dar. Sie

beruht auf den Arbeiten der sogenannten Cramer Kommission, die bis 2007 intensiv an

der Ableitung von Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergie gearbeitet hatte.

Besonders erwähnt sei an dieser Stelle, dass von allen Systemen RSB und ISCC als

Einzige explizit Anforderungen gegen negative Beeinträchtigungen der Nahrungsmit-

telsicherheit stellen. Dabei widmet RSB dem Thema ein ganzes Prinzip (6. Local Food

5 http://www.iscc-system.org/documents/certification/basics/index_eng.html

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Security) und bietet dem Nutzer spezielle „RSB Food Security Assessment Guidelines“

als Tool an.6 Auf diese Thematik wird auch in Kapitel 0 eingegangen.

Tabelle 2 Zusammenfassung der Nachhaltigkeitskriterien in Zertifizierungssyste-

men und in der RED

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

UMWELT

Klimaschutz

1. Minderung von Treibhausgas-Emissionen

Principle 3: Biofuels shall

contribute to climate change mitigation by signif-icantly reducing lifecycle GHG emissions as com-pared to fossil fuels. (RSB bietet dazu ein Re-chentool an).

ISCC 201 Systemgrundlagen

Die im Rahmen dieses Zertifi-zierungssystems erzeugte flüssige Biomasse bzw. Bio-kraftstoffe muss ein Treib-hausgas-Minderungspotenzial von mindestens 35 Prozent aufweisen. ISCC 205 Berechnungsmetho-

dik der THG Emissionen und THG-Audit.

Artikel 17(2) Artikel 19 Anhang V

2. Schutz kohlen-stoffreicher Flä-chen

Criterion 7.a Conservation

values of local, regional or global importance within the potential or existing area of operation shall be maintained or enhanced. (enthält als minimum requi-rements den Wortlaut von Artikel 17(3) der RED).

Prinzip 1: Biomasse wird nicht in artenreichen Gebieten, koh-lenstoffreichen Böden oder Torfmooren gewonnen (ge-mäß RED). Gebiete mit hohem Naturschutzwert werden ge-schützt.

Artikel 17(3)

Biodiversität

3. Schutz wertvoller Lebensräume, Tier- und Pflan-zenarten

Principle 7: Biofuel opera-

tions shall avoid negative impacts on biodiversity, eco-systems, and conser-vation values. (RED als minimum, 7.a) Criterion 7.b Ecosystem

functions and services that are directly affected by biofuel operations shall be maintained or enhanced.

Prinzip 1: Biomasse wird nicht in artenreichen Gebieten,

kohlenstoffreichen Böden oder Torfmooren gewonnen (gemäß RED). Gebiete mit hohem Naturschutzwert werden ge-

schützt. Artikel 17(3)

4. Einrichtung von Schutzzonen mit natürlicher Vege-tation und ökolo-gischen Korrido-

Criterion 7.d: Ecological

corridors shall be protected, restored or created to min-imize fragmentation of habitats.

6 http://rsb.org/pdfs/guidelines/12-30-04-RSB-GUI-01-006-01-RSB-Food-SecurityGuidelines.pdf

7 grüne Felder: verbindliche Anforderung der RED,

orange Felder: Berichtspflicht durch die EU-Kommission,

gelbe Felder: Berichtspflicht der Wirtschaftsteilnehmer verpflichtet durch die Mitgliedstaaten

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

ren

5. Pufferzonen um ökologisch wert-volle Flächen

Criterion 7.c Biofuel opera-

tions shall protect, restore or create buffer zones.

6. Standortange-passte Arten-auswahl mit Schwerpunkt auf einheimischen Arten und einer möglichst diver-sen Struktur

Criterion 7.e Biofuel opera-

tions shall prevent invasive species from invading are-as outside the operation site.

7. Genveränderte Organismen

Criterion 11.c Micro-

organisms used in biofuel operations which may rep-resent a risk to the envi-ronment or people shall be adequately contained to prevent release into the environment.

Artikel 17 (7)

Boden

8. Standortange-passte Boden-bearbeitung

Principle 8: Biofuel opera-

tions shall implement prac-tices that seek to reverse soil degradation and/or maintain soil health.

Prinzip 2: Biomasse wird auf

umweltbewusste Weise produ-ziert. Dies beinhaltet den Schutz von Boden, Wasser und Luft und die Anwendung einer guten Agrarpraxis (GAP).

Artikel 17(6) 8

Artikel 18(3)

9. Erhalt der Bo-denstruktur durch umsichti-gen Einsatz von Maschinen

Criterion 8.a Operators

shall implement practices to maintain or enhance soil physical, chemical, and biological conditions. Criterion 8.a 2: Participat-

ing operators shall imple-ment measures to improve soil health, such as Con-servation Agriculture prac-tices as defined by the FAO

unter Prinzip 2:

Es wird eine Bilanz organi-scher Bodenstoffe erstellt (kann generisch sein) oder alle 6 Jahre wird eine Bodenstoff-analyse durchgeführt. Die Er-gebnisse werden 7 Jahre auf-bewahrt.

Artikel 17(6) 8

Artikel 18(3)

10. Einsatz erosi-onsmindernder Anbaumethoden

Criterion 8.b1 Soil erosion

shall be minimized through the design of the feedstock production site and use of sustainable practices in

Unter Prinzip 2:

Maßnahmen zur Reduzierung von Bodenerosion sind nach-weisbar. Karten von anfälligen Böden müssen verfügbar sein.

Artikel 17(6) 8

8 In den Mitgliedsstaaten der EU müssen die Cross Compliance-Anforderungen eingehalten

werden; für Länder außerhalb der EU bestehen lediglich Berichtspflichten zum Boden-

schutz.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

order to enhance soil phys-ical health on a watershed scale.

Eine Managementstrategie für Böschungsbepflanzung ab ei-ner bestimmten Neigung (bo-den- u. klimaabhängig) sollte vorhanden sein. Management-strategie für anfällige und prob-lematische Böden (z. B. sandi-ge, nährstoffarme Böden) soll-te zur Verfügung stehen

Artikel 18(3)

11. An Nährstoffbe-darf angepasster Düngereinsatz

Unter Prinzip 2:

Organischer Dünger wird ge-mäß Nährstoffbedarf verwen-det.

Düngemittel werden gemäß einer Input/Output-Bilanz ver-wendet.

Artikel 17(6) 8

Artikel 18(3)

12. Vorsichtiger und sachgerechter Einsatz von Ag-ro-Chemikalien

Criterion 11.d Good prac-

tices shall be implemented for the storage, handling, use, and disposal of biofu-els and chemicals.

Unter Prinzip 2:

(umfangreiche Anforderungen an den Umgang mit Pestizi-den)

Artikel 17(6) 8

Artikel 18(3)

13. Umsichtiger Umgang mit Ab-fallstoffen (Lage-rung, Entsor-gung)

Criterion 11.e Residues,

wastes and byproducts from feedstock processing and biofuel production units shall be managed such that soil, water and air physical, chemical, and biological conditions are not dam-aged.

Unter Prinzip 2:

Managementpläne zur Entsor-gung sind vorhanden. Wieder-verwertung vermeidet und re-duziert Abfall und führt nicht zur Aufschüttung oder Ver-brennung.

14. Anpassung der Ernteraten (incl. Reststoffen) an Standortgege-benheiten

Criterion 8.a2 Participating

operators shall implement practices to maintain or enhance soil organic matter on the feedstock production site. The use of agrarian and forestry residual products for feedstock production, including lignocellulosic material, shall not be at the expense of long-term soil stability and organic matter content.

15. Verbot der Ver-brennung als Bewirtschaf-tungsmethode

Criterion 10.b Biofuel

operations shall avoid and, where possible, eliminate open-air burning of resi-dues, wastes or by-products, or open air burn-ing to clear the land.

Unter Prinzip 2:

Verbot von Verbrennung als Teil des Kultivierungsprozes-ses.

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11

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

Wasser (Qualität)

16. Angemessener Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden

Principle 9. Biofuel opera-

tions shall maintain or en-hance the quality and quan-tity of surface and ground water resources, and re-spect prior formal or cus-tomary water rights.

Criterion 9.d 1 Adequate

precautions shall be taken to contain effluents and avoid runoffs and contami-nation of surface and ground water resources, in particular from chemicals and biological agents.

Unter Prinzip 2:

Während des Einsatzes von Düngemitteln mit hohem Stick-stoffgehalt wird darauf geach-tet, Oberflächen- und Grund-wasser nicht zu kontaminieren.

Sachgemäße Lagerung von anorganischem Dünger zur Vermeidung der Kontaminie-rung von Wasserläufen.

Pflanzenschutzmittel werden gemäß der lokalen Bestim-mungen, sicher und sachge-recht gelagert. Eine potentielle Kontamination des Grundwas-sers muss vermieden werden.

Artikel 17(6) 8

Artikel 18(3)

17. Bevorzugung von biologi-schem Pflanzen-schutz und or-ganischem Dün-ger

- Unter Prinzip 2:

Unterstützung bei der Einfüh-rung eines Systems des Inte-grierten Pflanzenschutzes durch Lehrgänge oder Bera-tung.

18. Errichtung von Pufferzonen um Wasserflächen

Criterion 9.d.1 Buffer

zones shall be set between the operation site and sur-face or ground water re-sources.

-

19. Sachgerechter Umgang, Lage-rung und Ent-sorgung von Ag-ro-Chemikalien

Siehe: Criterion 9.d 1 Siehe oben unter Prinzip 2:

3. Absatz

20. Kein Einsatz v. ungeklärtem Abwasser zur Bewässerung

9.d.2 Waste water or runoff

that contains potential organic and mineral con-taminants shall be treated or recycled to prevent any negative impact on hu-mans, wildlife, and natural compartments (water, soil).

Unter Prinzip 2:

Die Verwendung von ungeklär-tem Abwasser ist nicht erlaubt.

Wasser (Ressourcen, Verfügbarkeit)

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

21. Nachhaltige Bewirtschaftung von Wasserres-sourcen (Was-sermanage-mentplan)

Criterion 9.b Biofuel op-

erations shall include a water management plan which aims to use water efficiently and to maintain or enhance the quality of the water resources that are used for biofuel opera-tions.

-

Artikel 18 (3)

22. Keine negativen Einflüsse auf Wasserressour-cen

Criterion 9.c Biofuel opera-

tions shall not contribute to the depletion of surface or groundwater resources beyond replenishment capacities.

-

Artikel 18 (3)

23. Berücksichtigung lokaler/indigener Wassernut-zungsrechte

Criterion 9.a Biofuel opera-

tions shall respect the exist-ing water rights of local and indigenous communities.

Unter Prinzip 2:

Der Erzeuger beachtet formale und gewohnheitsmäßig beste-hende Wassernutzungsrechte und kann die Bewässerung rechtfertigen. Lokale Gesetz-gebung wird beachtet.

Luft

24. Identifizierung von Luftschad-stoffen während des Produkti-onsprozesses und deren Ver-minderung

Principle 10. Air pollution

from biofuel operations shall be minimized along the supply chain. Criterion 10.a Air pollution

emission sources from biofuel operations shall be identified, and air pollutant emissions minimized through an air management plan.

Artikel 18 (3)

25. Verbot der Ver-brennung von Abfällen

Criterion 10.b Biofuel

operations shall avoid and, where possible, eliminate open-air burning of resi-dues, wastes or by-products, or open air burn-ing to clear the land.

Unter Prinzip 2:

Managementpläne zur Entsor-gung sind vorhanden. Wieder-verwertung vermeidet und re-duziert Abfall und führt nicht zur Aufschüttung oder Ver-brennung.

26. Verbot von Brandrodung zur Landkonversion

Siehe: Criterion 10.b

Ressourcen

27. Vermeidung und Recycling von Abfällen

Unter Prinzip 2:

Managementpläne zur Entsor-gung sind vorhanden. Wieder-verwertung vermeidet/reduziert Abfall und führt nicht zur Auf-schüttung oder Verbrennung.

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13

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

SOZIO-ÖKONOMIE

Menschenrechte

28. Wahrung der Menschenrechte

Principle 4. Biofuel opera-

tions shall not violate hu-man rights or labour rights, and shall promote decent work and the well-being of workers.

Prinzip 4: Die Erzeugung von

Biomasse verstößt nicht gegen Menschenrechte, Arbeitsrecht oder Landnutzungsrecht. Die Produktionsweise fördert ver-antwortungsbewusste Arbeits-bedingungen, Gesundheit, Si-cherheit und Wohlstand der Arbeitskräfte und basiert auf guten Beziehungen zur Ge-sellschaft.

Arbeitsrechte

29. Wahrung der Arbeitsrechte

Siehe Principle 4: Siehe Prinzip 4 Artikel 17 (7)

Landnutzungsrechte

30. Wahrung der Landnutzungs-rechte; inkl. tra-ditioneller Land-nutzungsrechte

Principle 12. Biofuel op-

erations shall respect land rights and land use rights.

Siehe Prinzip 4 und unter Prinzip 5

Der Erzeuger kann sein Land-nutzungsrecht nachweisen und die Sicherung traditioneller Nutzungsrechte garantieren.

Artikel 17 (7)

Lebensbedingungen

31. Förderung der sozialen und ökonomischen Entwicklung der Arbeiter und lo-kalen Bevölke-rung

Principle 5. In regions of

poverty, biofuel operations shall contribute to the social and economic development of local, rural and indige-nous people and communi-ties.

32. Keine negative Beeinträchtigung der Nahrungs-mittelsicherheit

Principle 6. Biofuel opera-

tions shall ensure the hu-man right to adequate food and improve food security in food insecure regions.

Unter Prinzip 4

Die Erzeugung von Biomasse wirkt sich nicht nachteilig auf die Verfügbarkeit von Lebens-mitteln aus.

Artikel 17 (7)

Umgang mit Bevölkerung

33. Beteiligung lokaler Stakeholder

Criterion 2b. Free, Prior &

Informed Consent (FPIC) shall form the basis for the process to be followed during all stakeholder con-sultation, which shall be gender sensitive and result in consensus-driven nego-tiated agreements.

Unter Prinzip 4:

Alle Auswirkungen auf umlie-gende Gemeinden, Nutzer und Landbesitzer werden

berücksichtigt und Betroffene angemessen entschädigt.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Prüfkriterien Adressiert von den Zertifizierungssystemen Rechtlich

RSB ISCC RED7

34. Einrichtung von Beschwerde- und Entschädi-gungsmecha-nismen

Siehe Criterion 2b.

Unter Prinzip 4:

Der Betrieb stellt ein Be-schwerdeformular und/oder eine entsprechende Verfah-rensweise zur Verfügung, mit-tels derer Angestellte und be-troffene Gemeinden ihre Be-schwerden vorbringen können

Weitere Aspekte

Grundsätzliche Rechtmäßigkeit

35. Einhaltung der Gesetze

Principle 1: Biofuel opera-

tions shall follow all appli-cable laws and regulations.

Prinzip 5: Die Erzeugung von

Biomasse steht im Einklang mit der regionalen und nationa-len Gesetzgebung und ent-spricht den maßgeblichen in-ternationalen Verträgen.

Management-Praxis

36. Kontinuierliche Verbesserung

Principle 2: Sustainable

biofuel operations shall be planned, implemented, and continuously improved through an open, transpar-ent, and consultative im-pact assessment and man-agement process and an economic viability analysis.

Criterion 2c. Biofuel opera-

tors shall implement a business plan that reflects a commitment to long-term economic viability.

Prinzip 6: Gute Management-

praktiken müssen angewendet werden. Es ist ein Erfassungssystem für jede in diesem Betrieb her-gestellte Produktionseinheit einzurichten. Die damit ver-bundenen Aufzeichnungen müssen für mindestens 3 Jah-re in einem ordnungsgemäßen und aktuellen Zustand erhalten

bleiben.

37. Sichere Arbeits-bedingungen

Criterion 4.f Conditions of

occupational safety and health for workers shall follow internationally-recognized standards.

Prinzip 3: Sichere Arbeitsbe-

dingungen durch Schulung und Ausbildung, Verwendung von Schutzkleidung und angemes-sene und schnelle Hilfeleistung bei Unfällen.

2.4.3 Bewertung nach WWF Studie

Benchmarking-Arbeiten zu Zertifizierungssystemen wurden vielfach auch von anderer

Seite durchgeführt. Besonders erwähnenswert ist dabei die Studie des WWF (2013),

die alle 15 von der EU-Kommission anerkannten Systeme unter der RED (siehe auch

Tabelle 1) anhand von umfassenden Kriterien bewertet. Die Studie kommt zu erhebli-

chen Unterschieden zwischen den Systemen, ganz besonders in Bezug auf folgende

entscheidenden Faktoren:

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Gute Praxis der Zertifizierung (v.a. Beachtung des Code of Good Practice der

ISEAL-Allianz – siehe hierzu auch unter Kapitel 2.6)

Transparenz (3rd Party-Prüfung)

Stakeholder-Beteiligung

Und ganz besonders: Good Governance.

In Abbildung 1 sind die Ergebnisse der Studie in konzentrierter Form zusammenge-

fasst. Sie soll das breite Spektrum von hohem Erfüllungsgrad bis sehr geringem ver-

deutlichen. Die vorangehend von IFEU bewerteten Systeme RSB und ISCC finden sich

auch hier ganz bis sehr weit oben.

Abbildung 1: Vergleichende Analyse von anerkannten Zertifizierungssystemen nach

dem Certification Assessment Tool (CAT) des ISEAL;

eigene Darstellung auf Basis von Daten aus WWF (2013)

2.4.4 Bedeutung der Systeme am deutschen Agrokraftstoffmarkt

Die BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) ist in Deutschland die zu-

ständige Behörde für die Überprüfung der Nachweisverfahren gemäß RED. In ihrem

Evaluierungsbericht (BLE 2013) ist dargestellt, wie viele Teilnehmer in Deutschland an

der Zertifizierung teilnehmen und mit welchen Systemen. Die beiden mit Abstand be-

deutendsten Systeme in Deutschland sind danach ISCC und REDCert (siehe Abbil-

dung 2).

Die Kriterien des System von REDCert gehen nicht über die Erfüllung der Mindestan-

forderungen der RED hinaus. Weitergehende ökologische und soziale Standards sind

nicht enthalten. Da sich das System bisher auf die Produktion in Deutschland und be-

nachbarte mitteleuropäische Länder beschränkt, ist dies nicht als gravierend zu werten.

Schwerwiegende soziale Kriterien wie die Wahrung von Landrechten sind hier in Mit-

0 20 40 60 80 100

RSBRSPOISCC

RTRSNTA 8080BonSucro

GreenergyREDCert

Red TractorAbengoa

ENSUSSQC

2BSvs

voll erfüllt

teilw. erfüllt

nicht erfüllt

Bewertungs- kriterien

Prozent Erfüllung der Bewertungs- kriterien

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16

Agrotreibstoff im Flugverkehr

teleuropa nicht in dem Maße relevant wie in vielen anderen Ländern, aus denen Ag-

rotreibstoffe importiert werden.

Abbildung 2: Teilnehmer in Deutschland an den verschiedenen Zertifizierungssyste-

men; aus BLE (2013)

2.5 Grenzen der Zertifizierung

Zertifizierung ist eine weit verbreitete Vorgehensweise zum Nachweis bestimmter Pro-

dukteigenschaften, insbesondere was die Herkunft von Produkten betrifft. Manche

Formen der Zertifizierung erfolgen aufgrund gesetzlicher Anforderungen, werden je-

doch durch privatrechtliche Einrichtungen durchgeführt. So ist es auch bei den Bio-

kraftstoffen im Rahmen der RED der Fall.

Trotz aller Erfahrungen mit diesem Prinzip und der sicher überwiegend erfolgreichen

Anwendungen ist der Ansatz der Zertifizierung nicht frei von Fehlern und Unzulänglich-

keiten. Zu unterschieden ist dabei zweierlei:

1. Zertifizierung kann durch nachlässige oder vorsätzliche falsche Handlung kon-

terkariert werden.

2. Bestimmte Ziele und Anforderungen lassen sich mit dem Instrument der Zertifi-

zierung nicht erfüllen.

2.5.1 Risiken missbräuchlichen Handelns

Das Risiko zu missbräuchlicher Anwendung liegt umso höher, je schwächer Kontroll-

mechanismen ausgeprägt sind, die das Risiko zu solchem Handeln eingrenzen. Ge-

eignete Kontrollmechanismen sind:

klar strukturierter Prüfprozess durch Dritt-Partei-Prüfer

transparente, umfassende Stakeholder-Beteiligung

Veröffentlichung der Prüfergebnisse

Unabhängiger Akkreditierungsprozess für die Prüfer

Regelmäßige Kontrolle von Prüfern und Akkreditierern

Wasserdichte Produktverfolgung (chain of custody)

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17

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Sind diese Kontrollmechanismen umgesetzt, sind die Risiken für Missbrauch und Fehl-

zertifizierung deutlich gemindert. Einen hundertprozentigen Schutz bieten auch sie

nicht. Denn im Zweifel kann ihnen eine Reihe von Risikofaktoren entgegenwirken, wie

z.B.:

Strukturelle Armut vor Ort mit geringem Beteiligungsgrad der Bevölkerung an

der Wertschöpfung und als Konsequenz hohe Neigung zu illegalen Nutzungen.

Geringeres Demokratieverständnis in der Gesellschaft mit der Konsequenz ei-

ner geringen Wertschätzung von Stakeholdern bzw. deren Meinung.

Schwächung der Kontroll- und Sanktionsinstrumente durch Korruption und poli-

tische Instabilität.

Geringes Wissen und Know-How vor Ort mit der Folge von Verständnisschwie-

rigkeiten zwischen Zertifizierern und Geprüften.

Der wirksamste Schutz vor Missbrauch ist in den meisten Fällen das reale Risiko eines

konsequenten Abbruchs des Liefervertrags, was wiederum effektive Kontrollmecha-

nismen voraussetzt. Dabei ist entscheidend, wer der Kunde am Ende ist und aus wel-

chen Gründen eine Zertifizierung durchgeführt wird. Folgende Varianten können zu

völlig unterschiedlich Konsequenzen führen:

1. Im Falle von freiwilligen, privatrechtlichen Zertifizierungen (z.B. Öko-Produkte)

wirkt der Imageschaden i.d.R. rasch als Korrektiv. Erfährt der Kunde, dass das

Label zu Unrecht getragen wird, wendet er sich ab.

2. Im Falle der Zertifizierung von Bioenergie nach RED hat der Staat die Rolle des

Kunden – keinesfalls die Bürger an der Zapfsäule und erst recht nicht der Flug-

passagier. Der Staat wiederum übernimmt seine Kontrollfunktion als Abnehmer

nur, wenn er die Kontrolle institutionell verankert hat. Das ist in Deutschland

immerhin zu einem gewissen Grad gegeben. Über die Nachhaltigkeitsverord-

nungen9 ist die zuständige Überwachungsbehörde (BLE) verpflichtet, 3 % der

an die Quote angerechneten Lieferungen zu überprüfen. Das ist gegenüber der

Situation in den meisten anderen EU Mitgliedsländern ein nicht unerheblicher

Gewinn an Sicherheit gegen Missbrauch.

3. Unübersichtlich wird die Lage jedoch, wenn die Verpflichtung gering ist und

mehr auf freiwilliger Absichtserklärung beruht, der Adressat ein Branchenver-

band, der das nachhaltig gelabelte Produkt zum eigenen Vorteil bezieht, ohne

dem politischen Zwang des Staates zu unterliegen oder die Produktansprüche

eines Verbrauchers zu haben.

In dieser Weise ließe sich etwa die Situation der Flugverkehrsbranche darstel-

len, die ihre (nominellen) CO2-Emissionen reduzieren möchte, aber nicht der di-

rekten Quotenpflicht nachhaltigen Biotreibstoffs unterliegt.

Damit wird keinesfalls unterstellt, dass die Situation der Flugverkehrsbranche sich real

in dieser Weise verhält. Es soll nur dargestellt werden, dass die Voraussetzungen für

9 Biokraftstoff- Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV) und Biomassestrom-

Nachhaltigkeitsverordnung (BioSt-NachV)

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18

Agrotreibstoff im Flugverkehr

eine Minimierung von Risiken und Schwachstellen hier im Vergleich eher ungünstiger

liegen.

Die einzige Möglichkeit hier von der Endabnehmerseite bestmögliche Risikominderung

und damit Glaubhaftigkeit zu erreichen, läge in der Wahl eines besonders hochwerti-

gen Zertifizierungssystems. Würde man in diesem Fall auf ein tendenziell intransparen-

tes, wenig ambitioniertes System setzen, wären dem zu erwartenden Vorwurf des

„Green Wash“ schwerlich Argumente entgegen zu setzen.

2.5.2 Risiken bei Abwesenheit von „Good Governance“

Es gibt eine Reihe von Effekten und Mechanismen, die mit den „üblichen“ Nachhaltig-

keitsstandards von Zertifizierungssystemen nur schwer oder gar nicht abgedeckt wer-

den. Spielen solche Effekte eine wichtige Rolle oder werden sie von relevanten Kreisen

so eingestuft, gehen Zertifizierungen das Risiko ein, hinsichtlich ihrer Schutzfunktion

gegen Nichtnachhaltigkeit generell in Frage gestellt zu werden.

Dabei handelt es sich gerade bei diesen besonders kritischen Aspekten um Faktoren,

die weit über den Einflussbereich eines einzelnen Produktionsbetriebs hinausreichen.

Es sind dies neben den im nachfolgenden Abschnitt betrachteten „indirekten Effekten“

in erster Linie die Folgen langjähriger schlechter politischer Führung mit:

chronischen Landrechtskonflikten bzw. Entrechtungen

systemischer Armut und

fehlender Durchsetzung der geltenden Gesetze.

Diese Effekte lassen sich mit dem Mittel der Zertifizierung nicht beheben. Und es ist

umgekehrt kaum vorstellbar, dass ein „Musterbetrieb“ alle Nachhaltigkeitsanforderun-

gen erfüllen kann, wenn er sich in einem in einem Land mit chronisch schlechter Re-

gierungsführung befindet. Kein bäuerlicher Betrieb, keine Plantage operiert in einer

isolierten Sphäre. Der Anspruch, als Positivbeispiel auf die Umgebung auszustrahlen

und zu Verbesserungen zu führen, mag nicht nur ambitioniert sein, er unter den be-

schriebenen Bedingungen nahezu unmöglich umzusetzen. Vielmehr ist zu erwarten,

dass die positiven Zertifizierungsergebnisse in einem Land, in welchem Transparenz

aus politischer Sicht gefährlich ist, von einem intransparenten Schönungsprozess ge-

prägt sind.

Dies ist weniger ein Mangel der Zertifizierung als des Anspruchs und der Erwartung,

die man an sie unter solchen Randbedingungen stellen mag. Es ist ebenso vermessen,

sie als Instrument zur Umsetzung besserer Politik zu überschätzen. Das bedeutet kei-

nesfalls, dass Initiativen zu Zertifizierungen in problematischen Ländern keine sinnvol-

len Maßnahmen für einen Verbesserungsprozess darstellen. Als Element zu Entwick-

lungen in die „richtige Richtung“ können sie u.U. sogar von zentraler Bedeutung sein.

Die Problematik der Abwesenheit von „Good Governance“ im Zusammenhang mit der

Bioenergiepolitik – und damit auch mit den Initiativen im Flugverkehrssektor – liegt in

der Vermengung von zwei Ebenen:

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

1. Auf der einen Seite reklamiert ein Wirtschaftssektor für sich den Anspruch der

Beschaffung von nachhaltig erzeugten Rohstoffen, um damit seinen Beitrag

zum Klimaschutz und nachhaltiges Wirtschaften formal begründen zu können.

2. Auf der anderen Seite stehen Bemühungen, in einem Rohstoffland mit kritischer

Entwicklungslage mittels positiv zu wertenden Projekten auch positive Entwick-

lungstrends zu setzen.

Im idealen Fall wäre davon auszugehen, man könne beide Ziele in einer direkten Ver-

bindung verknüpfen und dies über eine Zertifizierung absichern lassen. Dies ist jedoch

der idealisierte Fall. Wenn die Randbedingungen nicht gegeben sind, um ansatzweise

diese Ebene zu erreichen, wird das Zertifizierungssystem überfordert sein, die Lücke

zu schließen.

2.5.3 Die Lücke der indirekten Effekte

Das politisch hitzig diskutierte Thema der indirekten Effekte (v.a. der indirekte Landnut-

zungsänderung, ILUC im englischen Akronym) ist eine direkte Konsequenz aus dem

Mangel, den eine Zertifizierung hinterlässt, die auf einen Massenmarkt zielt. Bei der

Einführung der Quote mit den Bioenergiezielen der EU wurde deshalb früh kritisiert,

dass damit verstärkte nachhaltige Entwicklungen in der Biomasseproduktion nicht not-

wendigerweise gefördert werden, wenn durch Selektion der bereits vorhandenen posi-

tiv zertifizierbaren Betriebe, der erforderliche Markt (Quote) abgedeckt werden kann

(siehe Schema in Abbildung 3, Bild 1 und 2).

In einem solchen Fall würde also nur der Status quo bewahrt, schlechte Praxis an an-

deren Orten kann weiterhin aufrechterhalten werden. Mit der selektiven Auswahl der

nach „guter Praxis“ produzierten Rohstoffe wird an den realen Produktionsverhältnis-

sen nichts geändert. Die könnte sich jedoch dann ändern, wenn der Markt die zertifi-

zierte, nach besserer Praxis erzeugte Ware mit höheren Preisen honorieren würde.

Wächst jedoch in gleichem oder höherem Maße der Markt für nicht zertifizierte billigere

Ware, dann ist der Einfluss wiederum gleich Null. Die Folge ist schlicht die Teilung der

Märkte. Als Beispiel wird hier gerne Palmöl angeführt, welches mit Zertifikat für etwas

mehr Geld nach Europa geht, in wachsendem Umfang jedoch auch nach China ohne

jede Anforderung an Nachhaltigkeit.

Nun könnte man anführen, dass der auf den europäischen Markt gebrachte Anteil an

Agrarprodukten dann immerhin aus guter Praxis stammt, für die Ware nach China kei-

ne Verantwortung seitens Europa besteht und unterm Strich wenigstens keine zusätz-

lich negativen Auswirkungen entstünden. Dabei wird jedoch der Punkt übersehen, dass

der zusätzliche europäische Bioenergiemarkt, dem vorher bereits bestehenden Markt

Güter entzieht. Diese müssen folglich woanders angebaut werden. An anderer Stelle

muss diese Fläche bereitgestellt werden, wofür Wald fällt oder die Steppe aufgebro-

chen werden muss. Damit ist das Prinzip des ILUC beschrieben (Abbildung 3, Bild 3).

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Abbildung 3: Schematische Darstellung einer Situation mit selektiver Zertifizierung

vorhandener positiver Flächen, ohne Anreiz auf Ausbreitung positiver

Praxis (Bild 1 2) und der Folge von ILUC (Bild 3).

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Kein Zertifizierungssystem ist in der Lage, diese Problematik einzubeziehen. Schließ-

lich betrifft dies nicht allein nur Flächenumwandlungen in unmittelbarer Nachbarschaft

der betreffenden Anbauflächen. Die in Abbildung 3 skizzierte Anbaufläche und der

Wald können auf verschiedenen Kontinenten liegen: Raps in Deutschland auf Fläche,

die zuvor für Futtermittelanbau verwendet wurde, würde damit Flächenumwandlung für

Futtermittelanbau z.B. in Südamerika bewirken.

Mittels komplexer Agrarmodelle wird versucht, diese Zusammenhänge in Zahlen abzu-

bilden, in der Regel in Form von Treibhausgasemissionen durch ILUC10. Nochmals

komplizierter ist die Frage, wie die Märkte darauf in Richtung Nahrungsmittelpreise

reagieren, was letztlich genau in den Kern der Problematik „Tank vs. Teller“ zielt. Ge-

nau dieser nicht zertifizierbare Konflikt ist die Schlüsselfrage zum Erreichen von Akzep-

tanz agrarisch produzierter Bioenergie.

Der Standard der RSB eröffnet immerhin einen Weg, Produktionsweisen mit ILUC-

mindernden Effekten positiv zu zertifizieren. Dabei handelt es sich um den sogenann-

ten LIIB-Ansatzes (Low Indirect Impact Biofuels), entwickelt von WWF, EFPL, Ecofys

(2012). Der Ansatz zielt darauf ab, Produktionsmodelle für Bioenergie zu charakterisie-

ren, mit denen zusätzliche Biomasse hergestellt wird, ohne bestehende Produkte zu

ersetzen ("proof of additionality"). Die Methode enthält detaillierte Ansätze für folgende

Produktionsmodelle:

Anbaubiomasse,

o die durch Ertragssteigerungen hergestellt wurde.

o die durch Effizienzsteigerung des Gesamtsystems hergestellt wurde,

durch Integration von Zuckerrohr und Viehzucht.

o von ungenutzten Flächen mit niedrigem Kohlenstoffbestand und niedri-

ger Biodiversität.

Bioenergie aus End-of-Life Produkten (Abfall, Rückstände), die üblicherweise

entsorgt werden müssten und keine alternative Nutzung in dieser Region haben

Umgekehrt bedeutet diese Methode jedoch, dass jede Art von Biomasse, die nicht die

oberen Bedingungen erfüllt, indirekte Effekte verursacht oder zumindest solche nicht

ausschließt.

2.6 Nachhaltigkeitszertifizierung im globalen Kontext

Die Debatte über nachhaltig erzeugte Bioenergie wird nicht nur in Europa geführt. Ab-

gesehen davon, dass die meisten Systeme international aufgestellt sind, wird in einer

großen Zahl von Ländern weltweit über die Einführung entsprechender nationaler An-

forderungen diskutiert. Dies betrifft nicht nur Länder, die Bioenergie konsumieren (und

damit in der Regel auch importieren), sondern auch viele Entwicklungsländer, die Bio-

energie als einen möglichen Weg zur besseren Selbstversorgung mit Energie und da-

mit zur Ablösung von der Abhängigkeit teurer Importe fossiler Energieträger sehen.

10

Kleine Auswahl an Arbeiten zum Thema:

Laborde (2011). Plevin et al (2010); Searchinger et al. (2008), Searchinger (2013), Ed-

wards (2010)

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Erkennbar ist dies u.a. an der regen Teilnahme von Entwicklungsländern in internatio-

nalen Standardisierungsprozessen (ISO)11 sowie in der Global Bioenergy Partnership

(GBEP)12. Die dort teilnehmenden Vertreter von Entwicklungsländern sehen in diesen

Prozessen folgende Motivationen:13

Die Notwendigkeit, in der eigenen nationalen Gesetzgebung Nachhaltigkeitsan-

forderungen für die heimische Bioenergieproduktion zu verankern;

deshalb zählen die Vertreter der Entwicklungsländer (ganz besonders afrikani-

scher Länder) Kriterien für Nahrungsmittelsicherheit als völlig unverzichtbar an,

während manche Industrieländervertreter eher über die technischen Schwierig-

keiten des Nachweises solcher tendenziell indirekten Effekte dozieren.

Von den internationalen Gremien erwarten sich die Länder einen substanziellen

fachlichen Input für eine Rechtsbasis, die allein aus eigenen Kapazitäten nicht

geleistet werden kann,

und damit auch gleich eine Basis, die international abgestimmt ist und somit

auch die Anschlussfähigkeit an Märkte eröffnet; gleichzeitig besteht die Mög-

lichkeit, über eine gewisse Harmonisierung auch die Wettbewerbsbedingungen

zu vergleichmäßigen.

Sowohl ISO als auch GBEP sind jedoch nicht direkt mit dem zu vergleichen, was eine

Zertifizierung konkret leisten soll.

Mit dem in Arbeit befindlichen ISO-Standard14 stünde ein international vereinbarter

Satz an Prinzipien, Kriterien und Indikatoren zur Verfügung, der für die Nachhaltig-

keitszertifizierung von Bioenergie die zu behandelnden Themen klar benennt. Daran

könnten z.B. die existierenden Zertifizierungssysteme ihre eigenen Standards bench-

marken. Was der Standard nicht enthalten wird, sind die „Grenzwerte“: Oberhalb oder

unterhalb welches Werts ist Nachhaltigkeit gegeben oder nicht.15 Diese müssen von

Seiten der Politik (nationale Gesetze) oder in einer Art Konzernstandard von den betei-

ligten Wirtschaftsunternehmen selbst festgelegt werden. Z.B. könnte Lufthansa oder

AIREG hier eigene Grenzwerte zu Mindestanforderungen definieren.

Der von GBEP im November 2011 vereinbarte Satz von 24 Nachhaltigkeitsindikatoren

für Bioenergie wiederum ist ausdrücklich nicht für die Bewertung eines Einzelproduzen-

ten oder dessen konkrete Erzeugnisse konzipiert. Die GBEP-Indikatoren richten sich

an nationalen Regierungen und ihre Administrationen als Mittel zur Bewertung der je-

weils nationalen Bioenergiepolitik. Von daher sind die Indikatoren durchaus geeignet,

die relevanten Nachhaltigkeitsaspekte zu benennen, nicht jedoch als Schema für eine

betriebliche Zertifizierung.

11

Hier insbesondere im ISO/PC 248: Sustainability criteria for bioenergy": 12

http://www.globalbioenergy.org/ 13

Der Autor ist als deutscher Delegierter seit 2008 in beiden Prozessen intensiv eingebunden

und fasst diese Aussagen und Einschätzungen aus vielen geführten Gesprächen zusam-

men. 14

Er liegt derzeit als Entwurf des Komitees vor und wird, sofern er Zustimmung findet, nicht

vor August 2015 als Standard veröffentlicht werden 15

Typisches Beispiel für eine Grenzwert wäre die 35% Mindesteinsparung an Treibhaus-

gasemissionen wie es derzeit die RED vorschreibt.

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23

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Was konkrete Zertifizierung betrifft, liegen im Übrigen auch langjährigen Praxiserfah-

rungen aus agrarischen und forstlichen Bereichen jenseits der Bioenergie vor. Interna-

tionale Fairtrade-Label (siehe FLO Fairtrade Labelling Organizations International).

sind hier genauso zu nennen wie die Biolandbau-Standards (unter IFOAM organisierte

Systeme) oder die bekannten Forst-Standards (FSC, PEFC).

Viele auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Systeme sind im Übrigen auch unter der ISEAL-

Allianz16 17 organisiert. Diese hat zum Ziel, Zertifizierungssysteme über gemeinsame

Prinzipien

in der Wirksamkeit ihrer Standards zu stärken, in der Definition von Wegen zur Glaubwürdigkeit, und diese nach außen zu vermitteln.

Abbildung 4 zeigt in einem Screenshot von der Internetseite der Allianz eine Übersicht

über die Mitglieder. Mit den unter RED anerkannten Systemen sind vertreten: RSB,

Bonsucro und RSPO.

Abbildung 4: Mitglieder von ISEAL; Screenshot von der Internetseite;

http://www.isealalliance.org/

16

International Social and Environmental Accreditation and Labelling Alliance 17

http://www.isealalliance.org/sites/default/files/Credibility%20Principles%20Brochure%20Ger

man%20June%202013%20low%20res.pdf

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24

Agrotreibstoff im Flugverkehr

2.7 Zusammenfassung und Empfehlung

Zertifizierung ist ein weitverbreitetes, vielfach anerkanntes und dennoch nicht unum-

strittenes Instrument, um nachhaltige Praktiken nachzuweisen. Tatsächliche gute Pra-

xis lässt sich damit vergleichsweise sicher identifizieren und gute Entwicklungen mit

anspruchsvollen Kriteriensätzen unterstützen.

Freiwillige Systeme funktionieren in der Regel gut, wenn der Kunde am Ende der Kette

aus starkem Eigeninteresse die Einhaltung der Standards als entscheidend für die

Wahl des Produkts erachtet und bei publik werdenden Verstößen mit Abwendung rea-

giert. Verbindliche Systeme (ohne korrektive Wirkung durch den Endverbraucher), wie

das der RED mit der Quotenpflicht sind dann funktionsfähig, wenn die staatliche Seite

die Kontrollfunktion beibehält. In jedem Fall ist ein transparentes System mit Dritt-

Partei-Prüfung und intensiver Stakeholder-Beteiligung Grundvoraussetzung für die

Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit eines Zertifizierungssystems. Dies kann bei-

spielsweise den oben ausführlich bewerteten Systemen RSB und ISCC in weiten Zü-

gen bestätigt werden.

Dennoch bleiben Lücken und Bereiche, die auch ein gutes System nicht abdecken

kann. Neben indirekten Effekten, die über diesen Weg kaum erfassbar bleiben, sind es

eine Reihe von Risikofaktoren, die auch gute Systeme in den Bereichen Akzeptanz

und Umsetzung beeinträchtigen. Je schwächer der Ordnungsrahmen in einer Region

gegeben ist, desto schwieriger sind die Rahmenbedingungen für eine verlässliche Um-

setzung von freiwilligen Zertifizierungsprozessen.

Gleichzeitig wird bei Abwesenheit von entsprechenden Rahmenbedingungen die Be-

deutung und Notwendigkeit von Überprüfungen durch Dritte (im internationalen Ver-

gleich) besonders bedeutsam, um Produkte aus entsprechenden Ländern überhaupt

„hoffähig“ und damit im internationalen Kontext handels- und wettbewerbsfähig zu ma-

chen. Im Umkehrschluss kann man sagen, je besser der Ordnungsrahmen einer Regi-

on ist, desto einfacher ist eine verlässliche Umsetzung entsprechender Zertifizierungs-

prozesse.

Soll eine Zertifizierung in schwächer strukturierten Ländern erfolgen, sind unbedingt

solche Systeme zu bevorzugen, die eine breite Anerkennung, ausreichend Erfahrung

und Etablierung im Zertifizierungsprozess sowie ein hohes Maß an Transparenz und

Kommunikationsbereitschaft gegenüber lokalen Umwelt- und Sozialverbänden aufwei-

sen.

Dies bedeutet auch, dass im Allgemeinen ein in der Allianz der ISEAL organisiertes

System zu bevorzugen ist.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

3 Klimaeffekte und andere Umweltaspekte

Da Bioenergie als wichtiges Element der Klimaschutzpolitik gesehen wird, stellt die

Klimabilanz neben den Landnutzungsaspekten das zentrale Kriterium für deren Nach-

haltigkeitsbewertung dar. Auch für die Flugverkehrsbranche sind mögliche Minderun-

gen der Treibhausgasemission der alleinige Antrieb zum Einsatz von Agrotreibstof-

fen.18 Umso entscheidender ist die Frage, wie die Klimabilanz über die gesamte Le-

benswegkette der relevanten Treibstoffpfade aussieht.

3.1 Welche Agrotreibstoffe sind relevant?

In Frage kommen grundsätzlich alle alternativen Treibstoffarten, so sie die Verbren-

nungseigenschaften von Kerosin aufweisen, v. a. in Hinblick auf die Temperaturstabili-

tät und den Energiegehalt. Je geringer die Beimischungsquote ist, desto weniger an-

spruchsvoll fallen die Anforderungen aus. Aus technischer Sicht werden hydrierte

Pflanzenöle (als HVO oder HEFA abgekürzt)19 generell als günstig angesehen. Die

Deutsche Lufthansa hat in einem sechsmonatigen Test an einem Triebwerk einen er-

folgreichen Einsatz von beigemischten 50 % HVO durchgeführt (AIREG 2012).

Synthetisierte Treibstoffe werden technisch präferiert, da sich die Eigenschaften dann

noch gezielter einstellen lassen. Die Luftfahrt setzt daher auf die zweite oder dritte Ge-

neration an Biotreibstoffen, um damit auch auf Reststoffe (Fischer-Tropsch-Diesel)

oder Algen als Biomassegrundlage zurückgreifen zu können und so die Problematik

der Landnutzungskonflikte auszuräumen.

Allerdings steht nicht nur die Lösung technischer Fragen der neuen Generationen aus,

auch die Klimabilanzen sind aufgrund aufwändiger Verfahren und geringer Ausbeuten

nicht von vorne herein günstig. Und bei dem Blick auf Reststoffe als Rohstoffbasis stellt

sich die Frage nach den Potenzialen, die effektiv ohne Konkurrenz mit anderen Nut-

zungszielen oder andere negative Wirkungen auszuschöpfen sind.

Für Jetfuel (Turbinentreibstoff) sind die in Tabelle 3 genannten biomassebasierten

Treibstoffe Gegenstand der Diskussion. Die Biomassebasis ist dabei in vielen Fällen

agrarischen Ursprungs. Das Ziel ist, in der Zukunft verstärkt auf Reststoffe und Abfälle

zurückgreifen zu können. Die dafür benötigten Prozesse sind jedoch vergleichsweise

aufwändig.

18

„Das Ziel der internationalen Luftfahrt ist ehrgeizig: Ab 2020 soll der weltweite Luftverkehr

CO2-neutral wachsen und bis 2050 sollen die Netto-CO2-Emissionen gegenüber dem Ba-

sisjahr 2005 um 50 Prozent sinken. Neben technischen Entwicklungen und Einsparungen

kommt es dabei auf den verstärkten Einsatz regenerativer Treibstoffe an.“

Siehe: http://www.aireg.de/de/biokraftstoffe.html 19

HVO = Hydrotreated Vegetable Oils; HEFA = Hydrotreated Esters and Fatty Acids

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Tabelle 3 Übersicht über biomassebasierte Treibstoffe

Typ Rohstoffbasis Produktionsverfahren

HEFA (bzw. HVO)

generell alle Arten von Pflanzenölen (auch Tierfette); bevorzugt angeführt werden:

Jatropha

Camelina

Hydrierung

FT-Diesel (BtL, Biomass to Liquid)

generell alle Arten von Biomassen; bevorzugt angeführt werden:

Holz

Reststoffe aus Ligno-Zellulose

Vergasung (Pyrolyse), Synthese, Aufbereitung und Fraktionieren

GtL (Gas to Liquid)

generell alle Arten von Biogas liefernden Biomassen

Verfahren analog zu FT-Diesel

AtJ

(Alcohol to Jet)

generell alle Arten von Ethanol liefernden Biomassen

Thermo-chemische Syn-these von Kohlenwasser-stoff-Ketten aus Ethanol

3.2 Was ist relevant in der Klimabilanz von Agrotreibstoffen?

Die Lebenswegbilanz von biomassebasierten Treibstoffen lässt sich grob in folgende

Teilschritte untergliedern:

Landnutzungsänderung

Anbau der Biomasse

Verarbeitungsprozesse

Transporte

Werden Abfälle als Biomasse eingesetzt, entfallen die ersten beiden Schritte. Bei den

sogenannten Reststoffen bzw. Rückständen wird dies in der Regel ebenso gehand-

habt. Die wirft die Frage auf: Was genau zeichnet Reststoffe gegenüber Abfällen und

Nebenprodukten aus? Von Reststoffen oder Rückständen spricht man i.d.R. von Ne-

benprodukten mit geringem Wert und daher bislang wegen Unwirtschaftlichkeit nicht

genutzt werden. Die Motivation der Politik besteht daher darin, Anreiz für die Nutzung

solcher Stoffe zu setzen. Aus diesem Grund schriebt z.B. die RED in den Regeln zur

Treibhausgasberechnung (Anhang V, Teil C, Nr. 18):

„Die Lebenszyklus-Treibhausgasemissionen von Abfällen, Ernterückständen wie Stroh,

Bagasse, Hülsen, Maiskolben und Nussschalen sowie Produktionsrückständen ein-

schließlich Rohglycerin (nicht raffiniertes Glycerin) werden bis zur Sammlung dieser

Materialien auf null angesetzt.“

Ungeachtet der politischen Frage und der eindeutigen Regelsetzung für die Anwen-

dung im Rahmen der RED bleiben aus fachlicher Sicht doch Fragen offen. Die Abfuhr

von Biomasse von einer Fläche (sei es Stroh vom Acker oder auch das viel diskutierte

Restholz aus Wäldern) ist schließlich mit einem Entzug von Nährstoffen oder einer

Minderung des Kohlenstoffspeichers in der Fläche verbunden. Ein Weizenfeld, von

welchem neben dem Korn auch Stroh geerntet wird, benötigt mehr Düngemitteleinsatz

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

und trägt damit auch real zu Treibhausgasemissionen bei. Diese Effekte werden somit

völlig außer Acht gelassen bei den üblichen Berechnungen.

Dieses Thema wird an dieser Stelle deswegen betont, weil die ersten beiden Teilschrit-

te der Lebenswegbilanz gerade für die konventionellen Agrotreibstoffe besonders rele-

vant sind. Werden sie per Definition ausgeschlossen, schlägt sich das als großer Vor-

teil in der Klimabilanz nieder. Es ist daher von besonderer Bedeutung den Charakter

eines sogenannten Reststoffs und seine Herkunft genau zu beschreiben. In vielen der

veröffentlichten Studien zum Thema Reststoffpotenziale ist dies nicht präzise ausge-

führt.

3.2.1 Landnutzungsänderung

Direkte Landnutzungsänderung (DLUC)

Sofern die Fläche konkret bekannt ist, auf welcher die Biomasse für einen Agrotreib-

stoff erzeugt wird, kann überprüft werden, ob dort eine Umwandlung z.B. von Wald

oder Grünland stattgefunden hat. Nach der RED gilt als Referenzzeitpunkt der

1.1.2008. Flächenumwandlungen vor diesem Zeitpunkt sind nicht anzurechnen. Direkte

Landnutzungsänderungen sollten sich für die betreffende Biomasse über eine Zertifi-

zierung und das Massenbilanzsystem zuordnen lassen. Für die Berechnung der Treib-

hausgasemissionen aus Landnutzungsänderungen hat die EU-Kommission einen Be-

schluss verfasst20, der weitgehend auf den üblichen Regeln und Daten des IPCC be-

ruht21.

Für die Klimabilanz von Agrotreibstoffen führt eine Landnutzungsänderung in der

Mehrzahl der Fälle zu hohen Beiträgen, sodass die Mindesteinsparungsvoraussetzun-

gen kaum mehr zu erfüllen sind. Bei Umwandlung von Wald ist meist sogar eine Mehr-

emission gegenüber der fossilen Referenz die Folge, es sei denn die Anbaukultur ist

ebenfalls kohlenstoffreich, wie z.B. die Ölpalme. In Tabelle 4 sowie in Abbildung 5 ist

beispielhaft anhand von Palm-, Jatropha- und Sojaöl dargestellt, in welcher Höhe die

Emissionen oder auch Einsparungen aus direkten Landnutzungsänderungen liegen

können.

Indirekte Landnutzungsänderung (ILUC)

In Kapitel 2.5.3 wurde das Thema ILUC bereits ausführlich beschrieben. Hier soll zu-

sammengefasst werden, in welchen Dimensionen die Treibhausgasemissionen von

verschiedenen Experten und Institutionen eingeschätzt werden. Die zahlreichen vorlie-

genden Studien22 machen in ihrer Bandbreite deutlich, dass ILUC ein relevantes Phä-

nomen ist und nicht im „Bagatellbereich“ liegt. Dabei ist es weniger entscheidend, ob

20

Beschluss der Kommission über Leitlinien für die Berechnung des Kohlenstoffbestands im

Boden für die Zwecke des Anhangs V der Richtlinie 2009/28/EG (2010/335/EU) 21

IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories; Volume 4: Agriculture, Forestry

and Other Land Use; 2006 22

IFPRI (2011, 2010), JRC (2010), Öko-Institut (2010), PBL (2010), E4Tech (2010), CARB

(2009), EPA (2009) um hier nur ein paar wenige zu nennen.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

mit einem hoch-komplexen Modell gerechnet wird oder mit einem vereinfachten An-

satz.

Tabelle 4 Treibhausgas-Intensität von Landnutzungsänderungen;

Quelle: Berechnungen des IFEU, BioGrace

Ernte- Kohlenstoff- LUC-Emission (Einsparung)

a)

ertrag bestand tropischer Regenwald

tropisches Buschland

degradiertes Land

MJ Öl/ha t C/ha g CO2Äq./MJ Öl

Palmöl 150.000 60 208 -17 -73

Jatrophaöl 16.000 17,5 2.380 320 -196

Sojaöl 36.000 0 1.160 231 0

trop. Regenwald 230

trop. Buschland 46

degrad. Land

0 Anmerkung: bei der Berechnung der Emission wurde auch die Allokation von Nebenproduk-

ten berücksichtigt.

a) Bei negativen Vorzeichen liegt eine Einsparung durch LUC vor.

Abbildung 5: Treibhausgas-Intensität von Landnutzungsänderungen am Bsp. von

Palm-, Jatropha- und Sojaöl; Quelle: Berechnungen des IFEU

Die Bandbreite streut für die üblichen Agrokraftstoffe zwischen 5 und teilweise über

100 g CO2-Äq./MJ, wobei viele Werte zwischen 15 und 50 liegen. Unter bestimmten

gesetzten Randbedingungen kann ein ILUC auch eine Netto-Einsparung errechnen

(Lywood 2009) (E4Tech 2010). Eine Übersicht gibt Abbildung 6.

Die EU-Kommission greift in ihrem Vorschlag zur Novellierung der RED zur Einbezie-

hung von ILUC auf die Studie von IFPRI (2011) zurück und hat daraus einheitliche

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

standardisierte ILUC-Faktoren jeweils für Getreide- und andere Stärkepflanzen (12 g

CO2Äq/MJ), Zuckerpflanzen (11 g CO2Äq/MJ) und Ölpflanzen (55 g CO2Äq/MJ) in den

politischen Entscheidungsprozess eingebracht.

Die Werte bestätigen die Eingangsfeststellung, dass ILUC bei aller Unsicherheit der

Modelle und Annahmen einen deutlichen Einfluss auf die Klimabilanz nehmen kann.

Abbildung 6: Beispielhafte Zusammenstellung von ILUC-Faktoren nach verschiedenen

Modellen und Ansätzen. Quelle: eigene Darstellung

3.2.2 Anbau der Biomasse

Sieht man von möglichen Landnutzungsänderungen ab, so macht für viele Agrotreib-

stoffe der Anbau den bedeutendsten Beitrag zu den Lebensweg-

Treibhausgasemissionen aus, wobei die Stickstoffdünger die maßgebliche Rolle spie-

len. Sowohl die Herstellung von synthetischem Stickstoffdünger, als auch die Freiset-

zung von Lachgas (N2O) aus dem aufgebrachten Dünger sind dabei die Hauptquellen.

Andere Dünger, der Dieselverbrauch durch Landmaschinen sowie Pestizide sind da-

gegen nur von nachrangiger Bedeutung in der Klimabilanz.

Abbildung 7 zeigt anhand einer Reihe von Agrotreibstoffen, wie sich die Anteile der

Klimabilanz zusammensetzen. Bei Raps und Jatropha nimmt der Anbau etwa die Hälf-

te der Lebenswegsumme ein. Bei Soja liegt der Anteil niedriger, weil diese Leguminose

-200 -150 -100 -50 0 50 100 150 200

Mais-Ethanol

Zuckerrohr-

Ethanol

Weizen-Ethanol

Zuckerrüben-

Ethanol

Rapsöl

Sojaöl

Palmöl

iLUC-Faktor [g CO2eq/MJ]

LCFS

Searchinger 2008

IFPRI 2010

iLUC-Faktor 25% (Fritsche)

iLUC-Faktor 50%(Fritsche)

Tipper 2009

Lywood 2009

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

kaum der Stickstoffdüngung bedarf. Die Ölpalme als Baumfrucht dagegen bringt sehr

hohe Flächenerträge bei vergleichsweise geringem Düngerbedarf.

Abbildung 7: Treibhausgas-Intensität der Einzelaspekte des Biomasseanbaus im Ver-

gleich zu anderen Lebenswegabschnitten am Bsp. von hydrierten Pflan-

zenölen aus Raps-, Palm-, Jatropha- und Sojaöl; Quelle: Berechnungen

des IFEU

Im Zusammenhang mit Agrotreibstoff werden gerne Jatropha und Camelina (Leindot-

ter, wie Raps aus der Familie der Kohlgewächse) als vielversprechende Pflanzen her-

vorgehoben. So gilt Jatropha als trockenresistent und auch auf degradierten oder

marginalen Flächen anbaubar. Allerdings bleiben dann auch die Erträge niedrig und

müssen von kleinräumigen Marginalflächen mühsam geerntet werden. Für eine wirt-

schaftliche, auf Menge angewiesene Produktion ist das kein realistisches Szenario.

Kommerzieller Jatropha-Anbau erfolgt in intensiv geführten Monoplantagen statt mit

Düngung und Bewässerung. Die Mechanisierung bei Anbau und Ernte wird unter sol-

chen Bedingungen schnell sehr aufwändig. Während in Abbildung 7 ein Bespiel klein-

bäuerlichen Anbaus mit einem insgesamt günstigen Ergebnis abgebildet ist, würde sich

die Bilanz von Jatrophaöl bei intensiviertem Plantagenanbau um 13 g CO2Äq/MJ ver-

schlechtern.

Camelina weist einen relativ kurzen Wachstumszyklus auf. Als vorteilhafte Eigenschaft

wird daher ihre Eignung als Untersaat oder Zwischenfrucht hervorgehoben. Tatsächlich

ließe sich eine bessere Ausnutzung der Agrarfläche erzielen. Dennoch entzieht auch

diese Pflanze, wenn sie ertragsreich fruchten soll, dem Boden Nährstoffe und muss

daher gedüngt werden. Außerdem ist auch hier Maschineneinsatz (Aussaat, Düngen,

Spritzen, Ernten) erforderlich. Die Klimabilanz kann unter idealen Bedingungen

(Mischanbau, Ökolandbau ohne Mineraldünger) jedoch günstiger ausfallen, als typi-

scherweise bei Raps. Die Frage ist auch hier wie bei Jatropha, ob ein klimagünstiges

auch ein wirtschaftlich akzeptables Szenario darstellen kann.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

3.2.3 Verarbeitungsprozesse

Wie in Abbildung 7 ebenfalls zu erkennen ist, können auch die Verarbeitungsprozesse

erheblichen Anteil an den Klimabilanzen einnehmen. Zwei Faktoren sind dabei ent-

scheidend:

1. Die Aufwändigkeit des Verfahrens

2. Die Art der Energieversorgung für das Verfahren

In Abbildung 8 ist dargestellt, wie sich die Klimabilanzen für Biodiesel aus Raps mit

Raps-HVO im Vergleich mit FT-Diesel (basierend auf Holzbiomasse) verhalten. Dabei

sind in den drei linken Balkengruppen nur die Standardwerte der RED dargestellt, wo-

bei für den FT-Diesel die extrem gute Bilanz bei Null-Emission durch die Verarbeitung

auffällt. Abgesehen von der Inkonsistenz, dass der Aufwand der Bereitstellung von

Prozesschemikalien offenbar nicht berücksichtigt wurde, beruht die emissionsarme

Bilanz auf der Tatsache, dass der FT-Prozess mit der Energie aus der Inputbiomasse

versorgt wird, die – weil biogen – zu keiner fossilen CO2-Emission führt. Was diese Art

der Darstellung nicht zeigt, ist der hohe Verbrauch an dieser Energie, die wenn sie

fossil bereitgestellt werden müsste, das Ergebnis deutlich ungünstiger erscheinen lie-

ße. Bei der rechten Balkengruppe (FT-Diesel (b)) wurde dies unterstellt. Die Verarbei-

tung läge dann deutlich ungünstiger als bei konventionellem Rapsdiesel oder Raps-

HVO. In der Realität würde natürlich immer die Energie aus der Biomasse verwendet

werden.

Abbildung 8: Treibhausgas-Intensität mit Fokus auf der Verarbeitung im Vergleich zu

anderen Lebenswegabschnitten am Bsp. von Biodiesel und HVO aus

Raps sowie FT-Diesel (BtL); Quelle: RED, BioGrace, Berechnungen des

IFEU

Die guten Klimabilanzen wären folglich zu bestätigen, allerdings sind die Prozesse

höchst ineffizient. Die stillgelegte Anlage der Choren in Freiberg hatte selten mehr als

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

20 % des Energiegehalts der Biomasse in FT-Diesel umgesetzt, während die frühen

Ökobilanzen noch von 50% und mehr ausgegangen waren (Reinhardt et al. 2006).

3.2.4 Transport und Verteilung

Wie aus den oberen Darstellungen zu ersehen ist, führt der Transport je nach Distanz

entweder zu eher geringen Beiträgen zur Klimabilanz oder eben zu durchaus relevan-

ten Anteilen, die wie im Falle von Soja-Biodiesel zur Verfehlen der Mindesteinsparziels

(35% gegenüber fossilem Kraftstoff) führen können.

Neben weiten Hochseetransporten (ca. 0,3 g CO2/MJ Öl pro 1.000 See-Kilometer,

doppelt so hoch bei Ölsaaten) schlagen sich auch weite Lkw-Transporte negativ nie-

der.

3.3 Algen als Rohstoff?

Biotreibstoffe aus Mikroalgen werden häufig als die „dritte Generation“ der Biokraftstof-

fe bezeichnet. Sie benötigen vom Prinzip her keine Ackerflächen und haben eine deut-

lich höhere Photosyntheseleistung als Landpflanzen. Nach Christi (2009) gewinnt man

neun bis dreihundertmal mehr an Öl auf gleicher Fläche. Dies hat die Erwartungen an

diese Option wachsen lassen.

Die bisherigen Arbeiten zu Energie- und Ökobilanzen kommen jedoch zu ernüchtern-

den Ergebnissen: In die Erzeugung von Biotreibstoffen auf der Basis von Mikroalgen

muss deutlich mehr Prozessenergie gesteckt werden, als an Energiewert an Algenöl zu

gewinnen ist (Weiss 2011) (Gehrer et al. 2013) (Clarens et al. 2010). Dies bedeutet,

dass die Treibstoffe aus Algen mehr CO2 verursachen als fossiles Kerosin. Dieser

Nachteil lässt sich nach Einschätzung der Forscher nur durch Einsatz von regenerati-

ver Energie für den Prozess ausräumen. Die Energieeffizienz bleibt dennoch aus und

es ist sicher kein nachhaltiger Weg, wertvolle regenerative Energie auf diese Weise zu

verbrauchen.

Auch das Argument, von Kohlekraftwerken abgeschiedenes CO2 zum Füttern der Al-

gen zu verwenden, führt real zu keiner Verbesserung. Die Algen werden so nur daran

gehindert, das notwendige CO2 der Atmosphäre zu entziehen. Am Klimaeffekt ändert

sich dadurch nichts, da beim Einsatz des Treibstoffs der Kohlenstoff wieder als CO2

freigesetzt wird.

Derzeit zeichnet sich somit nicht ab, dass Algen in absehbarer Zeit einen klimafreundli-

chen, nachhaltig erzeugbaren Energieträger liefern werden. Neben der mangelnden

Energieeffizienz stellt sich beim großtechnischen Einsatz auch das Problem des hohen

Wasserverbrauchs. Es bleibt zu hoffen, dass die umfangreichen Forschungsbemühun-

gen in diesem Bereich die richtigen innovativen Entwicklungsansätze finden.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

3.4 Wieviel Klimaschutz ist durch Kerosin aus Biomasse möglich?

Die nachfolgende Abschätzung ist als sehr grobe Orientierung zu verstehen. Sie ba-

siert nicht auf einer umfassenden und detaillierten Einschätzung der Entwicklung von

Märkten und Techniken, sondern wird anhand folgender einfacher Eckpunkte und An-

nahmen modelliert:

Treibstoffbedarf der deutschen Flugindustrie anhand der Ausgangsdaten der

MKS (BMVBS 2013) sowie Prognosen der AIREG:

Stetige Zunahme von Biotreibstoffen bis zu 10 % im Jahr 2025 (dies entspricht

dem Ziel von AIREG) :

Biotreibstoffe anfangs überwiegend als HVO (Raps-, Palm-, Jatropha, Sojaöl),

erst ab 2020 langsam steigender Anteil der 2. Generation (BTL), Algen erst ab

Jahr 2050.

2050 ist das Jahr, für welches die IATA das ehrgeizige Ziel von 50% Einspa-

rung gegenüber 2010 (Referenzjahr) aufgestellt hat; hier werden 2 Varianten

abgebildet, nach denen dieses Ziel erreichbar wäre:

a. Eine massive Erhöhung der Effizienz (von 360 PJ in 2010 auf 200 PJ pro

Jahr) bei Beibehaltung einer Biokerosin-Quote von 10 %)

b. Die Erhöhung der Effizienz führt nur zur Kompensation des Wachstums der

Verkehrsleistung, stattdessen hoher Anteil an Biokerosin; hier: 50 %.

In Tabelle 5 und sind die angenommenen Basisdaten für die Klimaprognose zusam-

mengestellt. Tabelle 6 enthält die Emissionsfaktoren und Flächeninanspruchnahmen.

Es sei betont, dass die Zusammenstellung der Szenarien auf persönlichen Einschät-

zungen seitens des Autors beruht. Die zwei Szenarien für 2050 sind dabei weniger vor

dem Hintergrund zu sehen, ob diese realistisch sind, sondern um zu zeigen, was not-

wendig wäre, um das 50 %-Ziel zu erreichen.

Tabelle 5 Annahmen zur Klimaprognose zu Biotreibstoffen für die deutsche Flugin-

dustrie

Jahr

2015 2020 2025 2030 2050a 2050b

Energiebedarf des Flugverkehrs in Deutschland (PJ)

400 420 430 400 200 350

Anteile der Biotreibstoffe (in %)

1. Generation HVO Rapsöl 1

HVO Palmöl

1 2 3 2 0 0

HVO Sojaöl 1 2 3 2 0 0

HVO Jatrophaöl 0 1 2 2 0 0

2. Generation BtL (ligno-zell.) 0 1 2 4 5 33

3. Generation Algen 0 0 0 0 5 33

SUMME 3 6 10 10 10 66

SUMME (in PJ) 12 25,2 43 40 20 231

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Tabelle 6 Emissionsfaktoren und Flächeninanspruchnahme für die Klimaprognose

zu Biotreibstoffe für die deutsche Flugindustrie (eigene Daten)

Treibhausgasemissionen Flächenbedarf ohne Landnut-

zungsänderung mit Landnut-zungsänderung

für Anbau a)

g CO2Äq./MJ g CO2Äq./MJ m2 / MJ

1. Generation HVO Rapsöl 40 65 0,395

HVO Palmöl 29 69 0,072

HVO Sojaöl 40 70 0,222

HVO Jatrophaöl 35 50 0,833

2. Generation BtL (ligno-zell.) 10 15 3. Generation Algen 30 30 a) Flächenanteile für Nebenprodukte abgezogen (Allokation nach unterem Heizwert)

Die Ergebnisse der Klimaprognose sind in nachfolgenden Abbildungen dargestellt.

Darin zeigt sich, dass sich durch Biotreibstoffe im besten Fall zwischen 2 und 2,5 Mio.

Tonnen CO2Äq jährlich einsparen lassen (abgesehen von Szenario 2050b). Vorausset-

zung dafür ist jedoch, dass keinerlei Landnutzungsänderung erfolgt, bzw. dass auch

ILUC-Werte nicht angerechnet werden. Bezieht man Landnutzung mit ein, würden sich

die Einsparungen drastisch reduzieren, bzw. teilweise sogar in Emissionssteigerungen

umkehren. Im Szenario 2050b würde der erhebliche Anteil an Biotreibstoffen (66 %

gleichbedeutend mit 231 PJ absolut) auch eine massive Einsparung von 19 Mio. Ton-

nen CO2Äq bedeuten. Ob in 2050 diese Menge an zweiter und dritter Generation tat-

sächlich zur Verfügung stehen wird, ist sicher die strittigste aller oben skizzierten An-

nahmen. Es würde fast dem doppelten Volumen entsprechen als der heute im gesam-

ten Verkehrssektor eingesetzten Biokraftstoffmenge.

Abbildung 9: Klimabilanz des Einsatzes von Biotreibstoffen für die deutsche Flugin-

dustrie bis zum Jahr 2050; Annahmen siehe Text; Abschätzungen des

IFEU

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

In Abbildung 10 ist Entwicklung der gesamten Treibhausgasemissionen der deutschen

Flugindustrie bis zum Jahr 2050 dargestellt. Aufgrund der angenommenen Zunahme

des Energieverbrauchs bis 2025 steigt trotz Biokerosin die Gesamtemission weiter an

und wird nur unwesentlich niedriger als bei ausschließlich fossilem Kerosineinsatz lie-

gen. Erst die Extremszenarien für 2050 zeigen den Rückgang auf die angestrebten

50 %, was wie beschrieben, entweder einen massiven Gewinn an Effizienz oder eine

massive Verfügbarkeit künftiger Generationen von Biotreibstoffen erfordern wird.

Abbildung 10: Prognose der Entwicklung der Treibhausgasemissionen der deutschen

Flugindustrie; Annahmen siehe Text; Abschätzungen des IFEU

Abbildung 11 zeigt ergänzend zu Abbildung 9, mit welchen Flächenverbräuchen die

Szenarien verbunden sind. Im Jahr 2025 wäre danach mit über 8.000 km2 die größte

Inanspruchnahme an Anbauflächen erforderlich. Das entspricht etwa der Fläche mit

Raps für Rapsdiesel im Jahr 2013 in Deutschland (FNR 2014). Erst mit der Zunahme

der zweiten und dritten Generation Biotreibstoffe wird dieser hohe Wert wieder sinken.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Abbildung 11: Flächenbedarf des Einsatzes von Biotreibstoffen für die deutsche Flugin-

dustrie; Annahmen siehe Text; Abschätzungen des IFEU

3.5 Zusammenfassung zur Klimabilanz von Agrotreibstoffen

Die Absichten der Luftfahrtbranche, ihre Klimaschutzziele im großen Umfang an den

Einsatz von biomassebasierten Treibstoffen zu knüpfen, ist mit Blick auf die Einsparef-

fekte der in Frage kommenden Energieträger wahrhaft ehrgeizig. Wie aus der Zusam-

menstellung der aktuellen Daten ersichtlich ist, wären nur die heute nicht verfügbaren

Treibstoffe der sogenannten zweiten oder dritten Generation rechnerisch in der Lage,

einen nennenswerten Beitrag zur Netto-CO2-Einsparung zu leisten.

Bei den Agrotreibstoffen („erste Generation“) tragen die Emissionslasten des Anbaus

bereits einen wesentlichen und schwer zu vermindernden Eigenemissionsanteil zur

Bilanz bei. In der Gesamtsumme bleibt nur in den günstigen Fällen mehr als 50 % Ein-

sparung gegenüber fossilem Kerosin übrig. Dazu kommen die schwer zu berechnen-

den aber nicht zu vernachlässigenden Emissionen einer indirekten Landnutzungsände-

rung (ILUC). Als Strategie zur Einsparung von Klimagasemissionen sind diese Treib-

stoffe somit wenig effektiv. Vernachlässigt man ILUC, könnte eine flächendeckende

50 %-Beimischung (z.B. von hydrierten Pflanzenölen) dennoch in etwa nur 25 % Ge-

samtreduktion ermöglichen.

Dies wird sich auch nicht wesentlich verbessern, wenn die viel erwähnten Ölpflanzen

Jatropha und Camelina verstärkt eingesetzt würden.

Die ganze Hoffnung dürfte folglich auf der derzeit hochgradig unökonomischen „zwei-

ten (und dritten) Generation“ liegen, d.h. auf hochwertigen Biotreibstoffen, die der Ba-

sis von Abfall- und Reststoffen synthetisiert werden. Doch hier besteht erstens noch

massiver Entwicklungsbedarf, um diese Produkte marktfähig zu machen. Reichen die

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Potenziale an Reststoffen und lässt sich damit Flächeninanspruchnahme sicher aus-

schließen, können sehr hohe Treibhausgaseinsparungen möglich sein.

Noch unsicherer zeichnen sich Prognosen zum Thema Algen ab. Hier bedarf es noch

erheblicher Anstrengungen und Entwicklungsgeist, um die Energie- und CO2-Bilanz

positiv zu wenden und dabei eine Kostenreduktion auf die Größenordnung üblicher

Energieträger zu erreichen.

3.6 Andere relevante Umweltaspekte von Agrotreibstoffen

Klimaschutz ist ein zentrales Thema aber nicht das einzige im Umweltbereich. Anbau

von Biomasse ist stets auch mit anderen Umweltauswirkungen verbunden. Die Not-

wendigkeit zu zusätzlichen bzw. gesteigerten Erträgen erhöht die Gefahr solcher Aus-

wirkungen wie:

Risiken der Wasserverknappung (bei Bewässerung) und der

Wasserverschmutzung (übermäßiger Düngemittel- und Pestizideinsatz)

Verlust an Biodiversität durch Umwandlung von Naturräumen (z.B. Regenwald) und Intensivierung (häufig auch Monokulturen) sowie

Das Risiko der Bodenerosion

3.6.1 Wasser

Wasserressourcen

Wasserverfügbarkeit ist eine Schlüsselfrage wenn es um die Steigerung der Agrarpro-

duktion geht. In manchen Ländern ist der Agrarsektor bereits der größte Wasserver-

braucher (siehe Abbildung 12).

Wasser ist mit dem Thema Landnutzung untrennbar verflochten. Das wird besonderes

deutlich, wenn man die Debatte über die Nutzbarmachung der vielfach diskutierten

degradierten Flächen konsequent zu Ende führt. Flächen, die derzeit unproduktiv sind

(wegen starker vormaliger Übernutzung oder weil sie von Natur aus nur geringe Erträ-

ge liefern können), können in aller Regel nur über den Weg der Bewässerung nutzbar

gemacht werden. Wenn aber Wasser in der Region schon ein Mangelfaktor ist (sonst

würde die Nutzung ja bereits erfolgen), dann wird die Mobilisierung von Wasser (Tief-

brunnen, Flussumleitungen) den Mangel nur weiter verschärfen.

Als typischer Fall sei ein Projekt eines schwedischen Energieunternehmens erwähnt,

welches in der Bagamoyo-Region in Tansania ein großflächiges Zuckerrohrplantagen-

projekt umsetzen wollte mit dem Ziel der Ethanol-Produktion für Biokraftstoffe. Erhebli-

che Flächen an Buschwald hätten dazu umgewandelt werden müssen. Gescheitert ist

das Projekt schließlich daran, dass die komplette Vereinnahmung des Flusses, der für

die Bewässerung benötigt worden wäre, politisch nicht durchsetzbar war. Die Wasser-

versorgung der Bevölkerung einer ganzen Region wäre bedroht gewesen. Ohne die

Bewässerung jedoch war das Projekt nicht wirtschaftlich (Franke et al. 2010).

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38

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Abbildung 12: Jährlicher Pro-Kopf-Wasserverbrauch beispielhafter Länder;

Quelle: eigene Darstellung, Daten aus “The World's Water 2008-2009 Data,

Update 2006”; www.worldwater.org

Wasser ist in vielen Bereichen eine soziale Frage. Wie der Vergleich der Karten in Ab-

bildung 13 und Abbildung 14 zeigen, decken sich die Regionen physikalischer Wasser-

knappheit (Regionen, in welchen die Ressourcen tatsächlich übernutzt werden) nicht

mit den Regionen sozialer Wasserknappheit (Regionen, in welchen viele Menschen

erschwerten Zugang zu sauberem Wasser haben).

Jede Produktionsausdehnung in der Landwirtschaft muss folglich zu allererst anhand

der verfügbaren Wasserressourcen bewertet werden. Unter allen Umständen ist dies

erforderlich, wenn Bewässerung notwendiger Bestandteil der Ausdehnung ist.

Wird Regenfeldbau betrieben, sind die Risiken zwar deutlich geringer. Dennoch sind

auch hier Verdrängungseffekte zu beachten, wenn Kulturen für Energiepflanzen mit

höherem Anspruch auf gut mit Wasser versorgten Böden der Vorzug gegeben wird vor

den Grundnahrungsmitteln der Region.

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39

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Abbildung 13 Bevölkerungsanteile mit Zugang zu sauberem Trinkwasser; Quelle: UNEP

Abbildung 14 Regionen mit Wasserknappheit; Quelle: http://www.grida.no/

Wasserqualität

Intensivierung des Anbaus ist in den meisten Fällen mit Agrarchemikalien verbunden.

Selbst bei guter Praxis lässt sich kaum vermeiden, dass diese Stoffe in Grund- und

Oberflächenwässer eindringen. Ist die Praxis schlecht, weil die Feldarbeiter schlecht

ausgebildet sind, dann können die Folgen gravierend sein.

Ein solches Beispiel ist aus Nicaragua bekannt, wo ein Zuckerrohrunternehmen vor

Gericht für den Tod mehrerer tausend Menschen angeklagt wurde. Die Ursache waren

massiv ausgebrachte Pestizide, die das Grundwasser verseucht haben und als nach-

gewiesene Symptome Niereninsuffizienz bis zum Versagen hervorrufen (Lehtonen

2009).

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40

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Was das Schutzgut Wasser betrifft, weisen die in Kapitel 2.4 bewerteten Zertifizie-

rungssysteme angemessene Standards auf, die immerhin eine gute Praxis sicherstel-

len können.

3.6.2 Biodiversität

Der Verlust von Lebensräumen und damit verbundener Biodiversität ist einer der gra-

vierendsten Folgen der Ausdehnung von Anbauflächen. Besonders betroffen sind die

(sub-)tropischen Regionen, wo hochbiodiverse Flächen mit fortschreitender Dynamik

umgewandelt werden.

Die Ausweitung des Anbaus von Ölpalme und Sojabohne werden dabei als besonders

relevant gesehen, da speziell für diese Kulturen tropische Regenwälder weichen. Seit

den 90ern hat sich weltweit die Produktionsfläche für Palmöl um die Hälfte vergrößert.

Die größten Produzenten sind Malaysia, Indonesien, Nigeria, Kolumbien und Papua-

Neuguinea, allesamt Hotspots der Biodiversität. Dazu kommt, dass die Landnahme

gerade in Ländern wie den letzten drei genannten kaum rechtlicher Kontrolle unterliegt.

In vielen anderen kleineren tropischen Ländern gewinnt die ertragreiche Ölpalme eben-

falls viel Boden.

Die größte Bedeutung haben aber mit Abstand noch immer Malaysia und Indonesien.

Nach Erhebungen des WWF wurden im malaysischen Bundesstaat Sarawak im jährli-

chen Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2008 jährlich über 250.000 Hektar Regenwald

gerodet. Das sind ca. 4 % der Bundestaatsfläche. Die Regierung spricht offiziell nur

von einem Fünftel der durch den WWF erhobenen Entwaldungszahlen.

Das Hauptpotenzial liegt jedoch in dem riesigen Archipel Indonesiens. Der Staat mit

der viertgrößten Bevölkerungszahl (250.000 Menschen) auf einer Fläche von 180 Milli-

onen Hektar verfügt heute noch auf 50 % der Fläche über Wald, der mit die größte

Biodiversität weltweit aufweist: 7% aller Vogelarten, 16% aller Reptilien- und Amphi-

bienarten, 12% aller Säugetierarten und 10% aller Pflanzenarten der Welt23. Die Regie-

rung hat Pläne aufgestellt wonach im Rahmen der REDD+24 eine Zonierung erfolgen

soll in Waldbereiche die unter Schutz stehen sollen und solche die entweder forstlich

genutzt oder gerodet werden sollen. Die Unterschutzstellung und die Zonierung sind

grundsätzlich positiv zu wertende Schritte, doch wird damit auch das Fortschreiten der

Entwaldung legalisiert – was man mit Blick auf Entwicklungsziele dem Land nicht ver-

wehren kann. Die Frage bleibt dennoch, ob sich die Entwaldung aufhalten oder regula-

torisch eindämmen lassen wird. Nach den Auswertungen des WWF von MODIS-

23

Nach dem Forest Investment Programme der Republik Indonesien;

http://forestclimatecenter.org/files/2012-09-26%20Forest%20Investment%20Program%20-

%20Indonesia%20Forest%20Investment%20Plan.pdf 24

REDD: Reducing Emissions from Deforestation and Degradation: ein 2007 von UN einge-

führtes Klimaschutzinstrument, das die Erhaltung großflächiger Wälder als Kohlenstoffspei-

cher finanziell attraktiv machen soll. REDD+ geht darüber hinaus auch auf nachhaltige

Managementmaßnahmen ein, die Wälder nicht nur erhalten, sondern deren Kohlenstoff-

gehalt auch erhöhen können.

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41

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Satellitenaufnahmen der Jahre 2003 bis 2008 vollzieht sich die Entwaldung auf Borneo

ungebrochen auf sehr hohem Niveau weiter. In Kalimantan werden jährlich über 1,1

Millionen Hektar gerodet. Für das Jahr 2020 prognostiziert der WWF eine komplette

Entwaldung der Tieflandregenwälder.25

Abbildung 15 Fortschreitende Entwaldung auf Borneo;

Quelle: http://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/indonesien-

malaysia/waldverlust-seit-1985/die-entwaldung-borneos/

Was für Palmöl in Indonesien und Malaysia gilt, gilt in teilweise abgeschwächter Form

für die Mehrzahl der kommerziellen Projekte im Agrokraftstoffbereich. Selbst zu

Jatropha werden großräumige Plantagen in Indonesien angelegt. Zwar nicht im Be-

reich der Regenwälder sondern auf den mehr trockenen Inseln (Sumba, Flores), doch

können auch dort wertvolle Lebensräume verloren gehen.

Zertifizierung kann hier zwar die Verträglichkeit von Einzelprojekten nachweisen, aber

der große Trend lässt sich damit nicht abbremsen. Vor allem kommt gerade hier der

fatale Leakage-Effekt zum Tragen: Während sich ein überschaubarer Einzelsektor den

„guten“ und zertifizierten Teil der Produktion einkauft, schreitet auf den ausgewiese-

nen, teilweise sogar legalisierten Flächen zur „Inwertsetzung“ der Verlust der Biodiver-

sität unvermindert fort.

3.6.3 Boden

Landnutzung bedeutet in der Mehrzahl der Fälle starke und ständige Eingriffe in den

Boden. Die menschliche Zivilisation existiert seit der agrarischen Revolution der Jung-

steinzeit aufgrund dieses Prinzips. Es ist jedoch zu unterscheiden zwischen boden-

schonenden und fruchtbarkeitserhaltenden Wirtschaftsweisen und solchen, die mehr

oder weniger stark zu Erosion führen. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die klima-

tischen und die topografischen Verhältnisse sowie die Bodenarten selbst.

25

http://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/indonesien-malaysia/

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42

Agrotreibstoff im Flugverkehr

Die Sicherung der Welternährung allein lässt bereits jede Art von Bodenzerstörung

oder Degradierung als untragbar erscheinen. Die Realität sieht jedoch anders aus.

Abbildung 16 zeigt, dass sich die Böden bereits weltweit in einem Degradierungspro-

zess befinden. Stabile Böden (solche, auf welchen durch die bestehende Bewirtschaf-

tung kein Abbau stattfindet) sind eine Seltenheit oder nur dort vorhanden, wo die

menschliche Nutzung praktisch nicht gegeben ist.

Abbildung 16 Weitweite Degradierung von Böden; Quelle: ISRIC

Der Übergang zu bodenschonenden Anbaumethoden ist folglich eine globale Aufgabe.

Dennoch sind auch hier die akuteren Probleme in den tropischen Ländern zu finden.

Vor allem ist zu beachten, dass die „modernen“ Methoden der industriellen Agrarwirt-

schaft in den nördlichen gemäßigten Klimazonen (die auch heute noch immer als ein-

zige Lösung für ertragreiche Produktion verstanden werden) häufig in vielfacher Hin-

sicht unter tropischen Bedingungen nicht adäquat sind. Kotschi (2013) bestätigt in

neueren Untersuchungen die degradierende Wirkung von mineralischen Stickstoffdün-

gern auf tropische Böden.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

4 Ernährungssicherung

4.1 Problematik der Agrokraftstoffe insgesamt

Viele der vorausgehenden Aspekte stehen bereits in direktem oder indirektem Zusam-

menhang mit der Ernährungssicherung. Die Konfliktlage Tank vs. Teller hat in den letz-

ten sieben bis acht Jahren der Debatte um Agrokraftstoffe und die politischen Ausbau-

ziele zur Bioenergie im Grunde ein Leitmotiv gestellt.

Brot für die Welt hat sich in diese Diskussion ebenfalls intensiv eingebracht. Genannt

sei hier eine Reihe von Veröffentlichungen, die die Problematik teils an Fallbeispielen,

teils an der Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Zusammenhängen erörtern, und

dies vielfach bereits bevor die RED verfasst wurde26. In den Stellungnahmen wird der

Politik vorgeworfen mit den verbindlichen Bioenergie nicht die Folgen ausreichend in

Betracht zu ziehen und mit den Schutzvorkehrungen der Zertifizierung zu kurz zu grei-

fen. Die zentralen Problemfelder der Landrechte und Landnutzungsrechte sind in den

verbindlichen Anforderungen nicht berücksichtigt. Damit wird der Gefahr von „Land-

grabbing“, das durch die Quotenpolitik gefördert würde, nichts entgegen gesetzt. Vor

allem aber wird die Preiswirkung über den Konkurrenzdruck der Agrokraftstoffe auf die

Nahrungsmittel hervorgehoben. Hier gibt es keine Möglichkeit schützend einzugreifen.

Eines der Kernprobleme dieses Themas bleibt die Schwierigkeit genauer Prognosen,

in welcher Weise sich die von der Politik angestoßenen Geschehnisse am Markt tat-

sächlich auswirken. Einfache Korrelationen lassen zwar häufig klare einfache Zusam-

menhänge ablesen. So hat Mitchell (2008) mit seiner Herleitung einer Schuld der EU-

und US-Biokraftstoffpolitik zu 70 bis 75% am rapiden Anstieg der Nahrungsmittelpreise

zwischen 2006 und 2008 gleichfalls viel Kritik für die Schlichtheit seines Ansatzes ge-

erntet. Dennoch sind die grundsätzlichen Zusammenhänge schwer zu negieren.

26

Agroenergie in Lateinamerika - Fallstudie anhand vier ausgewählter Länder: Brasilien, Ar-

gentinien, Paraguay und Kolumbien; Autor: Thomas Fritz; Hg. BfdW und Forschungs- und

Dokumentationszentrum Chile – Lateinamerika e.V. 2008

Entwicklungspolitische Folgen des Welthandels mit Agroenergie - Diskussionspapier von

„Brot für die Welt“ 2008

Kampagnenblätter Nr. 8: Agrotreibstoffe; Information zur Kampagne Niemand is(s)t für sich

allein, 2011;

Wenn das Land knapp wird - Was haben Biosprit und Tierfutter mit Hunger zu tun? Material

zur Kampagne Niemand is(s)t für sich allein; 2. Auflage 2012

Palmöl - Entwicklungen und Gefahren eines boomenden Marktes: Fachinformation Aktuell

08; 1/2011

Palmöl: vom Nahrungsmittel zum Treibstoff? Fachinformation Aktuell 20; 2/2011

Zucker statt Brot - Die Produktion von Bioethanol gefährdet die Ernährung der ländlichen

Bevölkerung in Sierra Leone; Fachinformation Aktuell 28; 3/2013

Large-Scale Land Acquisitions in Liberia Case studies and some legal aspects on the palm

oil sector: Fachinformation Aktuell 39; 6/2013

Jatropha - Wunderpflanze oder Bedrohung für die Armen Tansanias: Fachinformation Ak-

tuell 25; 7/2013

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Abbildung 17 Entwicklung der Nahrungsmittelpreise; Quelle: (Mitchell 2008)

Auch für die FAO ist der Zusammenhang von Bioenergieausbau und Nahrungsmittelsi-

cherheit von essenzieller Bedeutung. Sie hat daher 2010 den Bioenergy and Food

Security (BEFS) Approach entwickelt, der einen umfassenden Ansatz darstellt, um in

Zielländern oder Zielregionen alle Faktoren, die zu Nahrungsmittelkonflikten führen

können, intensiv zu analysieren.

Die Elemente des BEFS-Ansatzes der FAO27:

Establishment of an institutionalized dialogue among relevant national stakeholders in

order to identify the key issues surrounding bioenergy and food security, based on the

conceptual foundation provided by the BEFS Analytical Framework;

Assessment of the sustainable bioenergy potential, based on an assessment of land

suitability and production costs, and through an analysis of the environmental and so-

cio-economic dimensions and implications of different bioenergy development path-

ways, with particular emphasis on food security;

Risk prevention and management, through good environmental and socio-economic

practices and related policy instruments;

Investment screening, through an assessment of the sustainability of proposed bioen-

ergy investments/projects;

Impact monitoring, evaluation and response at both national and project levels; and

Capacity building both at technical and policy level through training on the above tech-

nical tools and guidance.

Der Ansatz wurde bereits in Malawi, Peru, Sierra Leone, Tansania und Thailand ange-

wandt. In jedem der Länder wurden spezifische Guidelines zur Anwendung und Um-

setzung des Ansatzes entwickelt. In Sierra Leone wurde der BEFS-Ansatz in den Jah-

ren 2012 und 2013 für sechs Projekte mit einer gepachteten Flächen von insgesamt

90.000 ha per Stakeholder-Konsultation durchgeführt. Darunter ist auch das mit Ab-

27

http://www.fao.org/energy/befs/en/

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45

Agrotreibstoff im Flugverkehr

stand größte Projekt von der Schweizer Addax Bioenergy (44.000 ha Zuckerrohr). Im

Papier „Wenn das Land knapp wird“ von Brot für die Welt wird dieses Projekt kritisch

beschrieben. Tatsächlich tauchen im Bericht zum BEFS-Prozess in Sierra Leone (FAO

2013)28 die von Brot für die Welt monierten Kritikpunkte in vielfach und recht detailliert

wieder auf.

Das aus Sicht des Autors Positive an dem Verfahren in Sierra Leone (wie auch in den

anderen Zielländern) ist:

Es fand vor Ort eine intensive Auseinandersetzung statt, wobei alle relevanten

Problempunkte detailliert aufgearbeitet wurden.

Man versteht das Verfahren als den Anfang eines Prozesses, der für die Ent-

wicklung einer wirklichen Beteiligung der Bevölkerung an den Entscheidungs-

prozessen steht.

Damit kann letztlich kein übergreifendes Gesamturteil gegeben werden, ob eine Inves-

tition, wie es z.B. Addax Bionergy betreibt, grundsätzlich positiv bewertet werden kann.

Die im Papier von Brot für die Welt zitierten Chancen, die sich die Regierung dieses

gebeutelten Landes von dem Vorhaben verspricht, könnten effektive Entwicklungsim-

pulse liefern, wenn Vorgehensweisen wie BEFS ernsthaft betrieben und umgesetzt

werden. Nicht zu erwarten ist, dass solche Prozesse rasch und frei von Konflikten ver-

laufen.

Da es beim BEFS-Ansatz um die Bewertung von konkreten Projekten geht, ist mit die-

sem Instrument natürlich keine Aussage über die globalen Zusammenhänge verstärk-

ter Bioenergiepolitik möglich. Die FAO befasst sich mit der Thematik daher auch mit

globalem Fokus. Eine bedeutende Auseinandersetzung wird mit dem Bericht des High

Level Panel of Experts on Food Security and Nutrition der FAO (HLPE 2013) vorgelegt.

Darin kommen die Autoren jener Studie zu folgenden Schlüssen:

Positiv gewertet wird, dass Bioenergiepolitik nicht allein ein Feld der Industrie-

länder darstellt, die sich billiger Lieferländer bedienen. Vielmehr ist anzuerken-

nen, dass über 60 Länder der Welt eigene Politiken und Konzepte für Bioener-

gienutzung entwickelt haben. Zahlreiche Länder sind außerdem aktiv vertreten

in globalen Kreisen wie GBEP oder ISO.

Es wird hervorgehoben, dass die Wechselwirkungen zwischen Bioenergie und

Nahrungsmittelsicherheit nicht nur negativ sein müssen (bedeutende Risiken

bestehen aufgrund der Land- und Wasserkonkurrenz); längerfristig steigende

Preise für Agrargüter kämen auch den landwirtschaftlichen Produzenten zugu-

te. Fatal sind die kurzfristigen Preissprünge, die von armen Bevölkerungs-

schichten nicht verkraftet werden können.

Trotz vieler kontroverser Auffassungen zu der Thematik ist sich der Panel einig,

dass Biokraftstoffe eine wichtige Rolle bei den Preissprüngen der Nahrungsmit-

telpreise gehabt haben.

Die Konsequenz daraus lautet:

o Nahrungsmittelsicherheit muss ein integraler Bestandteil jeglicher Bio-

energiepolitik sein.

28

http://www.fao.org/energy/39237-0a756ac1aeabcfe7758f4265bb4f0304b.pdf

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

o Was lokal geregelt werden kann, muss lokal geregelt werden (gute Pra-

xis, Prozesse wie BEFS, Stakeholder-Beteiligung, Zertifizierung), ge-

mäß lokalen Bedürfnissen, aber nach global gleichwertigen Prinzipien.

o Das Wesen dieser Prozesse muss in die Grundzüge der Bioenergiepoli-

tiken einbezogen werden. Die „transnationale Dimension“ erfordert eine

globale Abstimmung der Bioenergiepolitiken aller daran beteiligten Län-

der. Das bedeutet umgekehrt, dass unilaterale Ziele und Vorgehenswei-

sen in der Bioenergiepolitik abzulehnen sind.

Der Autor dieser Studie stimmt diesen Einschätzungen weitgehend zu.

4.2 Die spezifische Problematik der Agrotreibstoffe für den Flugverkehr

Wie ist nun in diesem Kontext konkret die Rolle der Agrotreibstoffe zu werten? Man

kommt dabei nicht umhin, an den oberen Aussagen zur Gestaltung der Bioenergiepoli-

tik anzuknüpfen. Es macht nämlich einen erheblichen Unterschied, ob die Politik bereit

ist, lenkend zwischen den um den quotenfähigen Biokraft- oder –treibstoff konkurrie-

renden Branchen zu wirken. Wenn es keine substanziellen Unterschiede in den An-

rechnungen oder Zuteilungen zwischen Straßen- und Schienenverkehr auf der einen

und Flugverkehr auf der anderen Seite geben wird, ist es müßig, die Auswirkungen des

Flugverkehrs losgelöst von der gesamten Agro-/Bioenergie-Thematik zu diskutieren.

Es ist weit weniger entscheidend, auf welche Rohstoffe die Flugbranche speziell zielt,

da der restliche Verkehrssektor (plus der Energiesektor) frei (oder genötigt) ist, auf die

gleichen Rohstoffe zurückzugreifen. Um es plakativ zu sagen: Jatropha ist kein Vor-

recht des Flugsektors, wenn auch über diese Pflanze in dem Sektor viel gesprochen

wird und gleich zwei auf Jatropha ausgerichtete Unternehmen Mitglieder bei AIREG

sind.

Entscheidend wäre vielmehr, ob die Politik der Flugbranche prioritären Zugriff auf flüs-

sige biomassebasierte Treibstoffe zubilligt gegenüber den anderen Branchen. Dies

wäre verbunden mit einer Deckelung bzw. einem Rückzug aus den Agrokraftstoffen

(„Erste Generation“) nach 2020 und dem gleichzeitigen Vorrang der Flugbranche beim

Zugriff auf die „Zweite Generation“.

Entscheidend wäre dies deshalb, weil die Auswirkung der Agrotreibstoffe auf die Er-

nährungssicherheit in erster Linie eine Mengenfrage ist. Alle marktgetriebenen indirek-

ten Effekte verhalten sich im Grunde nicht-linear. Experten wie Laborde (2011) weisen

anhand ihrer ökonomischen Agrar-Modelle darauf hin, dass 1 Tonne Agrotreibstoff

nicht grundsätzlich immer einen bestimmten Wert an ILUC oder an Nahrungsmittelkon-

kurrenz verursacht, sondern das Politikziel die Höhe der spezifischen Auswirkung be-

stimmt. Ausschlaggebend ist nämlich vor allem die Gesamtmenge. Bleibt die Ag-

rotreibstoffmenge, die Deutschland oder Europa nachfragt, in der einer Nischen-

Größenordnung (ähnlich wie noch in den 90er Jahren), werden kaum markttreibende

Effekte ausgelöst. Schließlich werden keine zusätzlichen Mengen über die bestehende

Produktion hinaus benötigt.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Würde die EU-Kommission ihren ersten Vorschlag zur Anpassung der RED mit einer

Deckelung der „1. Generation“ auf maximal 5 % am Gesamtkraftstoff durchsetzen29,

dann würde sich der Tank-Teller-Konflikt weitgehend auflösen. Würde der Deckel in

den politischen Verhandlungen auf 7% oder 8% „hochgefeilscht“, dann wäre der Ein-

fluss wieder stärker gegeben, er wäre immerhin deutlich geringer als bei den geltenden

10 %.

Der Flugverkehr nimmt am Endenergiebedarf des Verkehrs in Deutschland insgesamt

13 % ein30. Würden die aktuell geltenden 6,25 % Biokraftstoffquote komplett dem Flug-

verkehr zugewiesen, könnte man damit knapp 50 % des Kerosins ersetzen. Die Über-

legung hinter diesem Zahlenvergleich scheitert jedoch an den aktuellen Qualitäten:

Biodiesel (53%) und Ethanol (25%) stellen den Hauptanteil der zertifizierten Agrokraft-

stoffe dar, sind aber nicht geeignet für den Einsatz in Flugturbinen, bzw. wie bei Raps-

diesel nur in geringen Beimischungen. Hydriertes Palmöl hat 2012 immerhin 10 % am

gesamten Biokraftstoff eingenommen. Die Tendenz dürfte hier steigend sein. Diese

Qualität sollte turbinenfähig sein.

Nochmals zu den von der Flugbranche bevorzugt betrachteten Agrotreibstoffen. Die

Ausrichtung auf spezielle Ölpflanzen wie Jatropha und Camelina wird mit dem Argu-

ment geführt, diese Pflanzen stünden nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, wobei

folgende Begründungen genannt werden:

Die Pflanzen bzw. ihre Öle sind nicht essbar, weil sie toxische Verbindungen

enthalten.

Jatropha gedeiht auf Marginalflächen, die für die Nahrungsmittelproduktion

nicht als geeignet angesehen werden.

Camelina kann als Zwischen- oder Untersaat eingesetzt werden und bean-

sprucht daher keinen zusätzlichen Fläche, verdrängt also keine Nahrungs-

pflanzen

Das erste Argument entbehrt der Stichhaltigkeit. Nahrungsmittelkonkurrenz ist keine

Frage, ob man alternativ die Pflanze essen könnte, sondern der Inanspruchnahme von

Ackerfläche. Es mag ethisch zwar als problematisch erscheinen, Weizen als Energie-

träger zu verbrennen, aber der Anbau von Energiegras auf einem Acker (anstelle von

Weizen) ist von der Konsequenz her nicht anders zu bewerten.

Das zweite Argument, die Nutzung von Marginalflächen (oder auch degradierte Flä-

chen), ist dagegen durchaus zutreffend, zumindest vom Prinzip her. In der Praxis ist es

leider bisher nicht erkennbar, dass nennenswerte Mengen an Jatropha für den interna-

tionalen Bioenergiemarkt nachweislich von solchen Flächen stammen. Es sind zwar

einzelne Projekte mit wenigen Hektar bekannt31, doch bisher ist noch keine nachhaltige

29

Directive amending Directive 98/70/EC relating to the quality of petrol and diesel fuels and

amending Directive 2009/28/EC on the promotion of the use of energy from renewable

sources; COM(2012) 595 final; Brüssel 17.10.2012

http://ec.europa.eu/clima/policies/transport/fuel/docs/com_2012_595_en.pdf 30

Berechnungen des IFEU 31

JatroSolutions, eine Ausgründung der Universität Hohenheim, führt seit 2007 auf Mada-

gaskar auf ca. 1.000 ha Experimentierfelder.

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

Strategie erkennbar, mit diesem Ansatz systematisch zur Rückgewinnung von degra-

dierter Ackerfläche beizutragen, deren Potenzial von manchen Experten auf „weltweit

mehr als eine Milliarde Hektar“ geschätzt wird.32

Pflanzen, die als Zwischen- oder Untersaat geeignet sind und auch in dieser Weise

kultiviert werden, tragen insgesamt zu einer Ertragserhöhung pro Fläche bei. Dies ist

im Sinne der Ernährungssicherung positiv zu werten. Wenn die Nachfrage aus der

Flugbranche zu einer Förderung solcher Anbauweisen führen sollte, wäre dies sehr

begrüßenswert. Doch auch hier muss man realistisch auf die tatsächlichen Mengenpo-

tenziale achten. Camelina bringt gegenüber Raps deutlich weniger Ertrag pro Fläche

und benötigt auch als Zwischensaat Aufwand an Dünger und Landmaschineneinsatz.

32

In diesem Fall wird Prof. Dr. Klaus Becker, ehemals Universität Hohenheim, zitiert;

http://www.spektrum.de/alias/biosprit/mit-jatropha-wird-die-lebensqualitaet-steigen/1183380

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Agrotreibstoff im Flugverkehr

5 Zusammenfassung

In dieser Studie wurden die grundlegenden Aspekte zur Bewertung der Nachhaltigkeit

von biomassebasierten Flugtreibstoffen, speziell Agrotreibstoffen analysiert. Das The-

ma wird dabei aus zwei verschiedenen Perspektiven beleuchtet:

1. Mit Blick auf konkrete Produkte und ihre Lieferkette, wie deren Nachhaltigkeits-

bewertung über das übliche Instrument der Zertifizierung erfolgt, und was die-

ses Instrument leisten kann und was nicht.

2. Mit Blick auf Agrotreibstoffe im Generellen, deren Eignung als Maßnahme für

den Klimaschutz geeignet sind und inwiefern sie ökologische und soziale Prob-

leme aufwerfen oder auch Chancen eröffnen können.

Beide Sichtweisen sind eng miteinander verflochten. Die Zertifizierung von Einzelbe-

trieben ist wenig sinnvoll, wenn die gesamte Richtung im Grundsatz nicht trägt – dieser

Punkt gilt unabhängig davon, ob man Flugtreibstoffe betrachtet oder Agrokraftstoffe im

Allgemeinen.

Betrachtet man die globale Situation der Produktion von Biomasse, ist der dringende

Bedarf an nachhaltigen Anbaumethoden und transparenten Lieferketten offensichtlich.

Standards, wie sie anspruchsvolle Zertifizierungssysteme einbringen können, sind

somit ein ganz wesentliches Element für die Umsetzung vor Ort. Eine wirkliche Alterna-

tive steht hierfür nicht bereit. Außerdem zeigen langjährige Erfahrungen im Ökoland-

bau trotz aller Schwächen, dass dieses Instrument funktioniert. Fälle von Missbrauch

gibt es, bleiben aber eher die Ausnahme. Für die Zertifizierung von Biomasse bieten

Systeme wie RSB und ISCC umfassende Kriterienkataloge. Sie sind ebenso für Ag-

rotreibstoffe geeignet und sollten im Grunde konsequent über den Bioenergiekontext

hinaus Anwendung finden. Dies wäre einer der notwendigen Wege, um das Dilemma

der indirekten Effekte in den Griff zu bekommen.

Der Glaube dieses Dilemma über Zertifizierung allein zu lösen, ist jedoch verfänglich.

Indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) sind ein politisches Phänomen, hervor-

gerufen durch einseitige Förderung eines Sektors mit spezifischen Nachweispflichten

aber gleichzeitig mit offenen Flanken nach allen Seiten (Biomasse für Energie, Nah-

rung, Futtermittel). Dies kann durch die Wirtschaftsakteure allein nicht gelöst werden,

auch nicht durch ambitionierte Ziele z.B. der Flugbranche.

Die Klimabilanz von Agrotreibstoffen lässt sich im Detail zwar technisch berechnen, im

Groben aber bleibt sie abhängig von genau diesen Problemen, die mit dem Phänomen

ILUC mittlerweile weit über die reine Fachszene bekannt sind. Direkt damit verbunden

ist auch die Debatte um den Tank-Teller-Konflikt. Um die derzeit nur in geringem Maße

verfügbaren biomassebasierten Treibstoffe ohne ILUC zeichnet sich ein Konkurrenz-

kampf ab. Dieser ist zwar begrüßenswert, um die Entwicklung der so genannten „Zwei-

ten Generation“ von Biotreibstoffen voranzubringen. Dennoch wird sie noch erhebliche

Zeit benötigen und es bleibt unklar, ob aus Hoffnungsträgern wie den Algen-

Treibstoffen jemals ökonomisch wie ökologisch bessere Alternativen werden.

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Zusammenfassend ergeben sich für den Autor folgende Handlungsempfehlungen:

Die negativen Begleiterscheinungen der Agrotreibstoffe (schlechte Klimabilanz

mit ILUC, Biodiversitätsverlust, Nahrungsmittelkonkurrenz, regionale Energie-

oder Wasserknappheiten) lassen sich erheblich reduzieren, wenn der über

Quoten politisch gesetzte Bedarf an großen Mengen insgesamt gesenkt würde.

Die Bestimmung der Quote sollte sich an dem Bedarf orientieren, der bis in ab-

sehbare Zeit an flüssigen Treibstoffen im Gesamtverkehrssektor nicht ersetz-

bar ist.

Hierbei sollte der Flugsektor im Fokus stehen. Von den freiwilligen Verpflich-

tungen muss der Übergang zu einer klaren, auch international abgestimmten

gesetzlichen Verpflichtung gelingen.

Für diese (auf den Bedarf begrenzten) Mengen muss die Zertifizierung verbind-

lich sein und bleiben – wobei der politische Druck in Richtung Ausdehnung von

Nachhaltigkeitsanforderungen an die agrarische Produktion insgesamt aufge-

baut werden muss.

Welche Wege dahin führen, zeigen in ersten Ansätzen internationale Prozesse

zur gemeinsamen Verständigung über die Nachhaltigkeitsprinzipien: z.B. der

BEFS-Ansatz der FAO, der die lokale Ernährungssicherheit im Fokus hat, oder

die Global Bioenergy Partnership GBEP, die die Entwicklung eines gemeinsa-

men Verständnisses von nachhaltiger Bioenergie und den Erfahrungsaus-

tausch auf internationaler Ebene zu Ziel hat.

Die innovativen Wege in die zweite und dritte Generation müssen unbedingt

weiterentwickelt werden. Dazu ist natürlich staatliche Förderung notwendig.

Bevor jedoch massive Mittel (weiter und verstärkt) in die vielfältigen Produkti-

onsweisen und Produkte gesteckt werden, müssen die Zukunftsaussichten der

einzelnen Optionen intensiver bewertet werden. Dies betrifft vor allem die Fra-

ge der Ressourcen: Wenn über Reststoffe die Rede ist, muss klar sein, von

welchen Materialien konkret die Rede ist und ob diese ohne anderweitige ne-

gative Nebeneffekte zur Verfügung stehen. Sprich: besteht nicht bereits Kon-

kurrenz um diese Materialien und lassen sie sich mit ökonomisch realistischem

Aufwand mobilisieren.

Die Flugbranche mit ihren Wachstumsperspektiven im Verkehrssektor muss sich

selbstverständlich ihrer Pflicht, zum Klimaschutz beizutragen, stellen. Neben der Stei-

gerung der Effizienz bleibt hier auf längere Zeit hin nur der Ersatz von fossilem Kerosin

durch erneuerbare flüssige Kohlenwasserstoffverbindungen. Kurz- bis mittelfristig ste-

hen dafür nur Agrotreibstoffe zur Verfügung. Damit diese tatsächlich in nachhaltiger

Form genutzt werden können, braucht es das Zusammenspiel all der oben genannten

Handlungsebenen.

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