La Nouvelle - Epp & Kühl Avocats Rechtsanwälte€¦ · als Mieter nur eingeschränkt kündigen...

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Das Magazin der deutsch-französischen Rechtsanwaltskanzlei 2014·2015 kanzleimonitor.de FÜHRENDE KANZLEI Frankreich 2014·2015 kanzleimonitor.de TOP 10 Westeuropa III/ 2015 Vertrags- und Prozessrecht • Verträge und Gerichtsverfahren in Frankreich • Zusammenarbeit mit Handelsvertretern • Beendigung von Geschäftsbeziehungen • Gewerblicher Mietvertrag • Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Titeln in Frankreich • Werbung und AdWords bei Google La Nouvelle Spezialausgabe Vertrags- und Prozessrecht Aktuelles Recht in Frankreich

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Worauf sollten Sie bei Verträgen und Gerichtsverfahren in Frankreich achten?

Jörg [email protected]

Vanina [email protected]

Raphaël [email protected]

Julien [email protected]

Checkliste

Für deutsche Unternehmer, die Geschäfte mit franzö-sischen Kunden machen, in Frankreich einen Vertriebs- partner haben, dort eine Immobilie anmieten möchten oder die vor der strategischen Frage stehen, ob sie zur Wahrung ihrer Rechte in Frankreich ein Gerichtsver-fahren einleiten sollen, soll die nachfolgende Check-liste helfen, einige typische Fehler zu vermeiden.

Sie enthält Antworten auf ausgewählte Fragen, die sich im Rechtsverkehr mit Frankreich regelmäßig stellen.

Existieren meine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in der richtigen Sprache?

Wenn die Korrespondenz (Vertragsanbahnung, Ver-tragsverhandlungen, Bestellvorgang etc.) mit dem französischen Kunden in französischer Sprache ge-führt wurde, sind AGB, die in einer anderen Sprache verfasst sind (z. B. deutsch, englisch etc.), nicht durch-setzbar. In diesem Fall stünden Sie also im Ergebnis so, als wären Ihre AGB, auf deren Anwendung Sie sich von Beginn an verlassen haben, inexistent. Es würden dann die Vorschriften des anwendbaren Gesetzes oder ggf. die AGB Ihres Vertragspartners gelten.

Habe ich meine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) dem französischen Kunden nachweislich zugeschickt?

Der bloße Verweis auf AGB (z. B. „zum Nachlesen im Internet“ oder der Abdruck der AGB lediglich und erst auf der Rechnung) reicht im internationalen Geschäft nicht aus, damit diese AGB auch als vereinbart gel-ten und wirksam werden. Es ist in Frankreich vielmehr erforderlich, dass Ihre AGB Ihrem Kunden nachweis-lich körperlich (Papierform, als pdf-Dokument in einer Email, per Fax) zugehen.

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Enthalten meine Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen (AGB) eine Rechtswahlklausel und eine Gerichtsstandsklausel?

Im Rahmen der Rechtswahlklausel sollten Sie prüfen, welches Recht das für Sie vorteilhaftere ist. Bei Fehlen einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines deut-schen Gerichts müssen Streitigkeiten in der Regel vor den französischen Gerichten am Sitz des französischen Kunden ausgefochten werden.

Entspricht mein Eigentumsvorbehalt den Erfordernissen des französischen Rechts?

Trotz einer Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts muss die Gestaltung der Eigentumsvorbehalts-klausel stets den Vorgaben des französischen Rechts entsprechen, damit sie durchsetzbar ist. Dies gilt insbe-sondere für den Fall der Insolvenz Ihres Kunden.

Wie beachte ich bei der Beendigung der Zusammenarbeit mit einem französischen Händler die von der Rechtsprechung geforderte „ausreichend lange Kündigungsfrist“?

Nach französischer Rechtsprechung kann diese Kün-digungsfrist bis zu 24 Monate, in Einzelfällen auch länger, betragen. Dies gilt unabhängig von etwaigen kürzeren Kündigungsfristen, die im Händlervertrag vereinbart worden sind.

Habe ich in meinem Vertrag mit meinem französischen Handelsvertreter das deutsche Recht für anwendbar erklärt?

Bei fehlender Rechtswahl (z. B. zugunsten des deut-schen Rechts) ist das französische Recht anwendbar, welches im Falle der Kündigung einen hohen finanzi-ellen Ausgleichsanspruch zugunsten des Handelsver-treters vorsieht.

Ist mein französischer Handelsvertreter wirklich ein Handelsvertreter (agent commercial) im Sinne des Gesetzes?

Da es in Frankreich noch weitere Formen des Ver-triebsmitarbeiters gibt – insbesondere den arbeitneh-merähnlichen VRP (Voyageur, Représantant, Placier) – sollten Sie darauf achten, dass der freie Handelsver-treter Ihnen seine Eintragung im französischen Han-delsvertreterregister nachweist.

Auch bei der Vertragsgestaltung sollten die Klauseln so formuliert sein, dass eine Auslegung als Arbeits-vertrag vermieden wird.

Bei Anmietung von Gewerbemieträumen in Frankreich: Bin ich mir darüber bewusst, dass ich als Mieter nur eingeschränkt kündigen kann?

Nach französischem Mietrecht haben gewerbliche Mietverträge in der Regel eine Dauer von 9 Jahren, wobei der Mieter nur alle 3 Jahre kündigen kann.

Bei Anmietung von Gewerbemieträumen in Frankreich: Weiß ich, dass ich als Mieter ein gesetzliches Recht auf „Erneuerung“ des Mietvertrages habe?

Nach französischem Mietrecht hat der Mieter nach Ablauf der neunjährigen Mietdauer gegenüber dem Vermieter ein Recht auf Erneuerung des Mietvertra-ges. Erneuerung des Mietvertrages bedeutet einen weiteren Mietvertrag über wiederum 9 Jahre. Verwei-gert der Vermieter die Erneuerung, kann der Mieter von ihm eine Besitzentzugsentschädigung verlangen.

Welche besonderen Vorschriften des französischen Rechts muss ich bei Geschäften mit privaten Endverbrauchern beachten?

Unabhängig von einer Rechtswahl sind bei Lieferun-gen und Leistungen an Verbraucher stets die zwin-genden französischen Verbraucherschutzvorschriften einzuhalten.

Lohnt sich ein Gerichtsverfahren vor einem französischen Gericht?

Da Anwalts- und Übersetzungskosten in französischen Verfahren in der Regel höher als in Deutschland und grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind, sollte bei kleineren Streitwerten überlegt werden, ob eine güt-liche Einigung mit dem Gegner nicht wirtschaftlich sinnvoller ist. Im Rahmen der Verhandlung und der rechtssicheren Ausformulierung einer solchen gütli-chen Einigung ist es ratsam, sich anwaltlichen Rat ein-zuholen.

Nicht alle denkbaren Fallstricke können im Rahmen dieser Darstellung behandelt werden. Zu vielen The-men finden Sie jedoch auf den folgenden Seiten wei-tere vertiefende Ausführungen.

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Risiken bei der Beendigung von Geschäftsbeziehungen mit einem französischen Partner

Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, Geschäftspart-ner wie z. B. Händler, die sich oft in der Abhängigkeit von einem wirtschaftlich stärkeren Vertragspartner se-hen, vor einer zu kurzfristigen und dadurch existenzge-fährdenden Beendigung der Geschäftsbeziehungen zu schützen. Aus Sicht des Gesetzgebers soll die gekündig-te Partei während der Kündigungsfrist ausreichend Zeit haben, um auf wirtschaftlichen Konsequenzen der Kün-digung reagieren zu können (Abbau von Arbeitsplätzen, Suche nach einem neuen Lieferanten, eventuell Kündi-gung von angemieteten Geschäftsräumen etc.).

Bevor man eine bestehende Geschäftsbeziehung mit einem in Frankreich ansässigen Partner beendet, sollte man diese Besonderheit des französischen Rechts im-mer im Blick haben.

Um das Haftungsrisiko wegen abrupten Abbruchs der Geschäftsbeziehung nach französischem Recht gering zu halten, sollte die Kündigung in jedem Fall schriftlich erklärt und eine ausreichend lange Kün-digungsfrist eingehalten werden.

Nachfolgend erfahren Sie, was darüber hinaus bei der Beendigung einer Geschäftsbeziehung in Frankreich noch zu beachten ist und welche Möglichkeiten beste-hen, um eine Haftung wegen Abbruchs der Geschäfts-beziehung (rupture brutale) möglichst zu vermeiden.

Vanina [email protected]

Julien [email protected]

Wenn Sie in Frankreich mit einem Händler zusam-menarbeiten und die bestehende Geschäftsbeziehung zu ihm beenden möchten, kann das riskant sein, wenn gewisse Punkte nicht beachtet werden.

Der gekündigte Geschäftspartner (z. B. der Händler) kann den Kündigenden nach französischem Recht auf Schadensersatz verklagen, wenn aus seiner Sicht die Kündigungsfrist zu kurz bemessen war.

Das französische Handelsgesetzbuch (Code de com-merce) sieht ausdrücklich vor, dass sich derjenige haftbar macht, „der eine bestehende Geschäftsverbin-dung auf abrupte Weise ohne schriftliche Vorankün-digung und ohne Beachtung einer Kündigungsfrist, deren Dauer sich an der Dauer der bestehenden Ge-schäftsbeziehung orientiert, und ohne Beachtung der bestimmten Mindestkündigungsfrist bezogen auf die Handelsbräuche, die durch branchenübergreifende Vereinbarungen bestimmt worden sind, ganz oder teilweise kündigt“ (Artikel L. 442-6 n° 5 des französi-schen Handelsgesetzbuchs, sog. rupture brutale, deut-sche Übersetzung etwa: „abrupte Beendigung“).

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Einhaltung einer angemessenen Frist vor Beendi-gung der Geschäftsbeziehung

Wenn die Geschäftsverbindung derart von Dauer und Stabilität geprägt ist und beendet werden soll, gilt grundsätzlich: je länger die Dauer der Geschäftsbezie-hung war, desto schützenswerter sind die Interessen des Vertragspartners und desto länger muss somit die Kündigungsfrist bemessen sein, um als angemessen angesehen werden zu können.

Die Wertung, ob eine Kündigungsfrist angemessen lang ist oder nicht, steht im alleinigen und vollständi-gen Ermessen der Tatsachenrichter, die von Fall zu Fall abwägen. Das französische Gesetz gibt die Dauer der Kündigungsfrist dabei nicht starr vor. Das Gesetz gibt lediglich vor, dass die Dauer der Kündigungsfrist von folgenden Faktoren abhängig ist:

• Dauer der bisherigen Geschäftsbeziehungen,

• Gebräuche in der jeweiligen Branche.

Als Maßstab gilt, dass die Frist so lange bemessen sein muss, „dass dem Händler ausreichend Zeit verbleibt, um die Störungen, die aus der Kündigung resultieren, zu beseitigen“, beispielsweise um sich nach neuen Ge-schäftspartnern umzusehen, sich gegebenenfalls um-zuorientieren oder neue Investitionen zu tätigen.

Die Rechtsprechung hat daneben zusätzliche Faktoren benannt, die bei der Dauer der Kündigungsfrist eben-falls Berücksichtigung finden müssen, wie z. B.:

• Der prozentuale Anteil des Händlers an seinem Ge-samtumsatz, den er mit den Produkten des Lieferan-ten erzielt

• Die Gewinnspanne des Händlers mit diesen Produkten

• Die vom Händler in die Werbung für diese Produkte getätigten Investitionen

• Die Schwierigkeit, einen neuen Händlervertrag mit ei-nem gleichwertigen Produkt abzuschließen

• Die allgemeine Marktsituation

• Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Händlers vom Lieferanten

Was ist bei der Beendigung einer Geschäftsbezie-hung mit einem französischen Geschäftspartner zu beachten?

Andauernde und stabile Geschäftsbeziehungen

Der Tatbestand der verbotenen rupture brutale, also der abrupten Beendigung, bezieht sich auf Geschäfts-beziehungen, die zwischen den Parteien andauernd und stabil sind. Typischerweise fällt darunter zum Bei-spiel die Beziehung zwischen einem Automobilherstel-ler und seinem Exklusivhändler, oder zwischen einem Lebensmittelhersteller und den großen Handelsketten. Sie trifft aber auch auf den kleinen oder mittelständi-schen deutschen Hersteller zu, der über Jahre hinweg seine Produkte an einen Händler in Frankreich ver-kauft. Solche Beziehungen sind in der Regel auf Dau-er angelegt und die Geschäftspartner dürfen auf das Fortbestehen der Verbindung vertrauen. Oft entsteht dabei auch – ohne dass dies ausdrücklich von vornhe-rein geplant gewesen sein muss – eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Einen gegenüber dem Anderen.

Ein Anhaltspunkt dafür, ob eine andauernde und stabile Geschäftsverbindung vorliegt, ist die Dauer. Aber nicht nur diese ist ausschlaggebend. Auch wenn die Geschäftsbeziehung erst seit einigen Monaten besteht, können bei der Beendigung Schadensersat-zansprüche entstehen, wenn der Geschäftspartner aufgrund der Umstände auf eine längere Geschäfts-verbindung vertrauen durfte und deshalb beispielswei-se teure Investitionen getätigt hat (Immobilien, Lager, Arbeitskräfte, Technologie etc.).

Anders liegt es, das heißt ein Schadensersatz ist dann eher nicht geschuldet, wenn die Geschäftspartner zwar schon seit vielen Jahren, aber (zeitlich gesehen) immer nur punktuell miteinander arbeiten.

Die französische Rechtsprechung hat entschieden, dass die Geschäftsbeziehung beispielsweise dann nicht als stabil anzusehen ist, wenn zwischen den Geschäfts-partnern keine Rahmenvereinbarung besteht und der Geschäftspartner vor jeder Bestellung eine Ausschrei-bung durchführt und zwischen den Parteien keinerlei Mindestumsatz garantiert wurde (französischer Kassa-tionsgerichtshof, Urteil vom 4. November 2014). Auch wenn stets derselbe Lieferant die Ausschreibung ge-winnt, begründet dies noch keine stabile Geschäfts-beziehung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften, da bei Ausschreibungen der Aspekt des Unklaren bzw. Unstabilen naturgemäß im Vordergrund steht.

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Wie kann man sich vor dem Haftungsrisiko, das im Rahmen der Beendigung von Geschäftsbeziehungen besteht, schützen?

Der beste Weg, sich vor Schadensersatzansprüchen wegen Abbruchs von Geschäftsbeziehungen zu schüt-zen ist, die Beendigung ausreichend lange im Voraus zu planen und eine entsprechend lange Kündigungs-frist einzuplanen und einzuhalten.

Zwar ist die genaue Dauer der Kündigungsfrist im Gesetz nicht klar definiert, jedoch haben sich aus der Rechtsprechung folgende Tendenzen herausgebildet:

Dauer der Geschäftsbeziehung

Kündigungsfrist

0 bis 3 Jahre 1 bis 2 Monate pro Jahr der Beziehung

3 bis 5 Jahre 4 bis 6 Monate

5 bis 10 Jahre 6 bis 9 Monate

10 bis 20 Jahre Mindestens 12 Monate

Mehr als 20 Jahre 12 bis 24 Monate

Entscheidend ist die Dauer der Geschäftsbeziehung, nicht die des bestehenden Vertrages

Zu beachten ist, dass der französische Gesetzgeber ausdrücklich nicht von der Beendigung einer Ver-tragsbeziehung, sondern der Beendigung von Ge-schäftsbeziehungen spricht.

Unbeachtlich ist also, ob die Parteien einen Vertrag ge-schlossen haben. Auch die abrupte Beendigung von vorvertraglichen Geschäftsbeziehungen kann zu Scha-densersatzansprüchen führen (Kassationsgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2009).

Für die Beurteilung der Frage, seit wann die Geschäfts-beziehung besteht, wird eine Gesamtbetrachtung durchgeführt. Wenn die Parteien beispielsweise meh-rere befristete Verträge hintereinander geschlossen haben, so ist nicht nur die Dauer des zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Vertrages ausschlagge-bend, sondern die Dauer aller Verträge insgesamt.

Das bedeutet, dass auch die Nichterneuerung eines befristeten Vertrages zu Schadensersatzansprüchen führen kann.

Form der Beendigung der Geschäftsbeziehung

Da beim Tatbestand der rupture brutale auf die Ge-schäftsbeziehung und nicht auf einen konkreten Vertrag als solchen abgestellt wird, kann sich die Be-endigung der Geschäftsbeziehung unterschiedlich ge-stalten: Neben der Variante der Kündigung des Vertra-ges kann ein Abbruch von Geschäftsbeziehung auch dadurch erfolgen, dass ein befristeter Vertrag nicht erneuert wird, keine neuen Vertragsbedingungen ver-handelt werden oder Vertragsbedingungen auferlegt werden, die für den anderen Vertragspartner aus wirt-schaftlichen Gesichtspunkten nicht akzeptabel sind (zum Beispiel die einseitige Erhöhung von Preisen oder die Umstellung auf Vorkasse).

Die französische Rechtsprechung hat klargestellt, dass auch der starke Rückgang von Bestellungen als Teilbe-endigung bestehender Geschäftsbeziehungen zu wer-ten ist und zu Schadensersatzansprüchen führen kann (Kassationsgerichtshof, Urteil vom 12. Februar 2013).

Der frz. Kassationsgerichtshof hat ferner ebenfalls entschieden, dass der Wegfall der Exklusivität, die von den Parteien vertraglich vorgesehen war, keinen Abbruch der Geschäftsbeziehungen darstellt und die die Exklusivität aufkündigende Partei nicht schadens-ersatzpflichtig wird (Kassationsgerichtshof, Urteil vom 9. Juli 2013).

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Was passiert, wenn die Parteien eine Gerichtsstandklausel zugunsten eines Gerichts außerhalb von Frankreich vereinbart haben?

Die Frage des anwendbaren Rechts ist von der Frage des zuständigen Gerichts streng zu trennen und ist in Handelsverträgen auch von großer Relevanz.

Wie bereits erwähnt ist die frz. Vorschrift zum Ab-bruch der Vertragsbeziehungen (Artikel L. 442-6 n° 5 des frz. Handelsgesetzbuchs) zwingend, das heißt sie muss grundsätzlich immer angewendet werden. Das bedeutet aber nicht, dass immer auch die französi-schen Gerichte für Rechtsstreitigkeiten, die auf dieser Grundlage geführt werden, ausschließlich zuständig sind.

Die jüngste höchstrichterliche Rechtsprechung hat be-stätigt, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch im Rahmen von Streitigkeiten wegen Abbruchs von Ge-schäftsbeziehungen wirksam sind.

Haben die Parteien im Vertrag z. B. derart wirksam ei-nen Gerichtsstand zugunsten der deutschen Gerich-te vereinbart, so kann nicht vor einem französischen Gericht auf Schadensersatz wegen Abbruchs der Ge-schäftsbeziehungen geklagt werden. Das angerufene französische Gericht würde sich ansonsten zugunsten der Zuständigkeit des deutschen Gerichts für unzu-ständig erklären.

Zu beachten ist allerdings, dass dies nicht immer gilt, sondern es gemäß der französischen höchstrichterli-chen Rechtsprechung auf den Wortlaut der Gerichts-standsvereinbarung ankommt.

Eine entsprechend korrekt formulierte Klausel im Ver-trag kann also zumindest verhindern, dass ein Verfah-ren wegen Abbruchs von Geschäftsbeziehungen vor einem französischen Gericht durchgeführt wird.

Es ist dann durchaus denkbar, dass der Schadensersatz zum Beispiel vor einem deutschen Gericht, das eine vergleichbare Vorschrift aus dem deutschen Recht nicht kennt, geringer ausfällt, falls es zu einer Verur-teilung kommt.

Die Kündigung bzw. Mitteilung über die Nichterneu-erung des Vertrages muss zudem immer schriftlich erfolgen.

Es ist ebenfalls möglich, das Ende der Geschäftsbezie-hung im Einvernehmen mit seinem Geschäftspartner zu planen (Kassationsgerichtshof, Urteil vom 16. De-zember 2014). In dieser vorgenannten Angelegenheit (Urteil) hatten die Parteien im Jahr 2010 eine Vereinba-rung getroffen, in der die Modalitäten der Vertragsbe-endigung zum Ende des Jahres 2012 festgelegt waren, insbesondere die progressive Reduzierung der Abnah-meverpflichtung. Gemäß dem Kassationsgerichtshof können die Parteien eine solche Vereinbarung treffen und die Entschädigungsmodalitäten miteinander aus-handeln und regeln. Die von der gekündigten Partei geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen angeblich abrupter Vertragsbeendigung (rupture bru-tale) wurden, da eine Vereinbarung diesbezüglich exis-tierte, entsprechend abgewiesen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Parteien grundsätzlich nicht im Voraus, quasi vorsorglich und anlassunabhängig, auf die Geltend-machung von Ansprüchen auf der Grundlage einer rupture brutale (abrupte Beendigung der Vertragsbe-ziehungen) verzichten können.

Schützt die Vereinbarung von deutschem Recht vor Ansprüchen aufgrund einer rupture brutale?

Das deutsche Recht kennt den Tatbestand der abrup-ten Beendigung von Geschäftsbeziehungen nicht.

Die Tatsache, dass eine Vertragsbeziehung durch eine Rechtswahlklausel dem deutschen Recht unterworfen wurde, schreckt den gekündigten französischen Ver-tragspartner aber oft nicht vor einer Klageerhebung in Frankreich ab.

Das liegt daran, dass nach französischer höchstrichter-licher Rechtsprechung der Artikel L. 442-6 n° 5 des frz. Handelsgesetzbuchs (= gesetzliche Grundlage des Schadensersatzanspruchs) als eine zwingende Vor-schrift des französischen Rechts angesehen wird (sog. Ordre-public-Vorschrift). Das bedeutet, dass diese Vorschrift immer Anwendung findet, also auch dann, wenn die Parteien vereinbart haben, dass ihre Vertragsbeziehung dem Recht eines anderen Staates (z. B.: deutschem Recht) unterliegt.

Die Vereinbarung des deutschen Rechts schließt also nicht aus, dass die gekündigte Partei solche Scha-densersatzansprüche auf Grundlage des französischen Rechts geltend macht. Der französische Richter muss diese zwingende Vorschrift des französischen Rechts immer berücksichtigen, sobald sich eine Partei darauf beruft.

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Der gewerbliche Mietvertrag (bail commercial) in Frankreich

Epp & Kühl begleitet regelmäßig deutsche, österreichi-sche und schweizerische Mieter, die von einem franzö-sischen Vermieter Gewerberäume anmieten möchten. Wir stehen Ihnen dabei sowohl während der Verhand-lungsphase zum gewerblichen Mietvertrag zur Seite, als auch während der gesamten Laufzeit des Vertrags.

Die in der Praxis in Frankreich am häufigsten anzutref-fenden potentiellen Konfliktquellen zwischen Mie-ter und Vermieter betreffen nach unserer Erfahrung insbesondere folgende Punkte:

• Die zwingende Anwendung bestimmter gesetzlicher Vorschriften zum gewerblichen Mietvertrag

• Die Laufzeit des Vertrags und die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung durch den Mieter oder durch den Vermieter, die Höhe und die (gesetzlich begrenz-te) Möglichkeit der Änderung des Mietzinses, der oft an einen spezifischen Index gekoppelt ist

• Die Kosten und Gebühren, die auf den Mieter umge-legt werden können

• Die Erneuerung des Vertrags nach dessen Ablauf

• Die Zulässigkeit der Untervermietung der Räumlich-keiten, die Gegenstand des Vertrags sind

• Die Zulässigkeit der Abtretung des Vertrags an einen Dritten

Gemäß unseren Erfahrungen bleiben einige dieser Punkte von deutschen Mietern, denen die Vorschriften des französischen Gewerbemietrechts unbekannt sind bzw. die nicht hinreichend dazu beraten werden, bei den Vertragsverhandlungen häufig unerkannt.

Ferner ist in der Praxis festzustellen, dass zahlreiche Probleme und Rechtsstreitigkeiten schlicht aus einer ungenauen oder lückenhaften Redaktion des Mietver-trags resultieren. Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass dieser auf der Grundlage eines im Internet gefundenen und angepassten Musters erstellt wird.

Raphaël [email protected]

Zu Beginn der Aufnahme einer unternehmerischen Aktivität in Frankreich steht meist der Abschluss eines Gewerbemietvertrags an.

Der gewerbliche Mietvertrag in Frankreich ist prinzipiell auf eine langjährige Bindung der Vertragsparteien ausge-legt. Dies soll, nach der Konzeption des Gesetzes, beide Parteien schützen: Den Vermieter, damit er sich auf den mehrjährigen Bezug der Mietzahlungen einrichten kann, aber auch den Mieter, der sich gerade bei einer Gewer-beraummiete darauf verlassen können muss, dass der Mietvertrag über eine gewisse Mindestdauer läuft, wäh-rend der ihm nicht (ordentlich) gekündigt werden kann.

Die konkrete Ausgestaltung eines gewerblichen Miet-verhältnisses in Frankreich bemisst sich zum einen an den (teils zwingenden) Vorschriften des französischenHandelsgesetzbuchs (Code de commerce) sowie an den konkreten Klauseln des Mietvertrags. Dieser auf den ersten Blick komplex anmutende Dualismus bietetbeiden Parteien zahlreiche Möglichkeiten der bedarfs-gerechten Gestaltung des Mietverhältnisses.

Der Vermieter und der Mieter sind zwar einerseits Ge-schäftspartner, andererseits haben sie unterschiedliche Interessen.

Gegenüber dem französischen Vermieter befindet sich der deutsche gewerbliche Mieter oft in einer „schwä-cheren Position“: Zum einen sind ihm die konkreten existierenden (und oft zwingenden) Regelungen des französischen Rechts zum gewerblichen Mietvertrag meist nicht geläufig. Auch rechnet er mit vielen ge-setzlichen Regelungen nicht, da zahlreiche davon kein Äquivalent im deutschen Recht haben.

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Die Möglichkeiten der Kündigung des Mietver-trags durch den Mieter können in gewissem Um-fang verhandelt werden

Das Gesetz räumt dem Mieter grundsätzlich die Mög-lichkeit ein, den gewerblichen Mietvertrag zum Ab-lauf einer jeden Dreijahresperiode, d. h. nach 3, 6 und 9 Jahren ab Beginn des Vertrages, zu kündigen.

Aus diesem Grund wird der französische gewerbliche Mietvertrag gemeinhin auch als „Mietvertrag 3, 6, 9“ (bail 3, 6, 9) bezeichnet.

Die Möglichkeit der Kündigung zum Ablauf jeder Drei-jahresperiode ist seit dem Gesetz „Pinel“ vom 18. Juni 2014 eine zwingende Rechtsvorschrift, die die Ver-tragsparteien nur in wenigen, ganz besonderen Fällen vertraglich ausschließen können, und zwar:

• Bei gewerblichen Mietverträgen, deren Laufzeit 9 Jahre überschreitet

• Bei gewerblichen Mietverträgen für einseitig genutz-te Geschäftsräume, d. h. in denen nur eine Art der Tätigkeit ausgeübt wird

• Bei gewerblichen Mietverträgen für eine ausschließ-liche Büronutzung

• Bei gewerblichen Mietverträgen für eine Lagernutzung

In diesen Fällen können die Vertragsparteien die Kün-digungsmöglichkeiten des Mieters vertraglich aus-schließen, aber auch erweitern – was den Mietern zum Zeitpunkt der Verhandlung des Mietvertrages oft nicht bekannt ist.

Theoretisch kann im Vertrag beispielsweise wirksam vereinbart werden, dass der Mieter jährlich, monatlich oder sogar jederzeit kündigen kann (wobei eine Kün-digungsfrist dennoch stets eingehalten werden muss).Ebenfalls kann wirksam vereinbart werden, dass der Mieter zum Beispiel nur während den ersten X Jahren jederzeit kündigen kann, was insbesondere für den deutschen Mieter, der den französischen Markt erst einmal testen möchte, sinnvoll sein kann.

Derartige Punkte sind reine Verhandlungssache.

Wir unterstützen unsere Mandanten gerne bei der Ver-handlung des Mietvertrages und insbesondere bei der Verhandlung von adäquaten Kündigungsregelungen.

Der Vermieter kann seinerseits den gewerblichen Mietvertrag nach Ablauf einer jeden Dreijahresperiode laut Gesetz nur in ganz besonderen Ausnahmefäl-len kündigen (z. B. zum Zweck eines Ausbaus bzw. Wiederaufbaus des Gebäudes oder einer Aufstockung des Gebäudes). Diese gesetzliche Begrenzung des Ver-mieterkündigungsrechts können die Vertragsparteien allerdings vertraglich nicht ausschließen.

Alternativen zum gesetzlich geregelten gewerblichen Mietvertrag

Ein Unternehmer, der in Frankreich Räumlichkeiten mieten möchte, ist prinzipiell nicht gezwungen, einen Mietvertrag abzuschließen, der den gesetzlichen Vor-schriften für gewerbliche Mietverträge unterliegt.

Andere Möglichkeiten, die in der Praxis häufig als Al-ternative zum gewerblichen Mietvertrag gewählt wer-den können, sind beispielsweise:

• Der sogenannte kurzfristige Mietvertrag mit einer Höchstlaufzeit von 3 Jahren

Dieser Vertragstyp mit (im Vergleich zum gewerbli-chen Mietvertrag) wesentlich vereinfachten Rechts-vorschriften kann für diejenigen Mieter geeignet sein, die ihre Tätigkeit auf dem französischen Markt erst einmal „testen“ möchten, bevor sie sich längerfristig verpflichten.

• Der Domizilierungsvertrag mit einer verhandelba-ren Laufzeit

Dieser Vertragstyp, der lediglich für Mieter in Frage kommt, deren operative Tätigkeit weiterhin in Deutschland ausgeübt wird, ist insofern vorteilhaft, da er sehr flexibel ist und der „Mieter“ im Rahmen dieses Vertrags, neben der vorübergehenden Zurver-fügungstellung von Räumlichkeiten und einer fran-zösischen Postanschrift, von verschiedenen Verwal-tungs- und Logistikleistungen profitieren kann.

Zum Beispiel bietet die bei deutschen Unternehmen beliebte Domizilierungs- und Dienstleistungsge-

sellschaft EURO-DROIT aus Strasbourg, die auf die Unterstützung von deutschsprachigen Unterneh-men in Frankreich spezialisiert ist, ihren Kunden eine Anschrift, eine französische Telefonnummer mit automatischer Weiterleitung auf einen bestimmten Telefonanschluss in Deutschland und die Unterstüt-zung in laufenden Verwaltungsangelegenheiten im Bereich Arbeitsrecht, Buchhaltung und Steuerwesen.

www.eurodroit.com

Der Abschluss eines solchen Domizilierungsvertrages kann als Alternative zum gewerblichen Mietvertrag oder als „erster Schritt“ auf dem Weg zum Vertrieb in Frankreich gesehen werden und zu einer erhöhten Flexibilität sowie zu wesentlichen Kosteneinsparun-gen für den Mieter führen. So kann ein möglichst ein-facher und kostengünstiger Markteinstieg in Frank-reich erfolgen. Deshalb sollten die Möglichkeit und die Zweckmäßigkeit eines solchen Vertrages vor der Entscheidung für einen gewerblichen Mietvertrag geprüft werden.

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Die Umlage der Nebenkosten und Gebühren zulasten des Mieters ist gesetzlich beschränkt

Im Allgemeinen versucht der Vermieter, im Mietver-trag sämtliche Nebenkosten (laufende Kosten und Sonderkosten) und Gebühren, die im Zusammenhang mit dem Mietobjekt anfallen können, auf den Mieter umzulegen.

Seit dem „Pinel-Gesetz“ vom 18. Juni 2014 können nicht mehr alle Nebenkosten und Gebühren auf den Mieter umgelegt werden.

Nunmehr (d. h. bei Mietverträgen, die seit dem 1. Sep-tember 2014 abgeschlossen oder erneuert wurden und werden) können die Kosten, die mit den wich-tigsten Bauarbeiten zusammenhängen (d. h. jene, die die Struktur des Gebäudes selbst betreffen) und be-stimmte Gebühren nicht mehr vertraglich dem Mie-ter auferlegt werden. Ferner müssen die Kosten, die auf den Mieter umlegbar sind, nun genau im Vertrag aufgelistet werden (Transparenzgebot), anderenfalls kann der Vermieter ihre Erstattung vom Mieter nicht fordern.

Welche (umlegbaren) Kosten in einer Liste im Mietver-trag aufgeführt und somit auf den Mieter umgelegt werden, ist prinzipiell Verhandlungssache zwischen den Parteien.

Der Mieter sollte in jedem Fall vor dem Abschluss des Mietvertrags hierauf besonders achten und auch während der Laufzeit des Mietvertrags die Neben-kosten, die der Vermieter tatsächlich im einzelnen auf ihn umlegt, überprüfen.

Die Höhe des Mietzinses kann während der Dauer des Mietvertrags erheblich steigen

Im französischen gewerblichen Mietvertrag handelt es sich bei dem vereinbarten Mietzins selten um einen festen und somit während der Vertragslaufzeit unveränderlichen Mietzins, dies hauptsächlich aus folgenden Gründen:

• Der Mietzins wird häufig an einen Index gekoppelt, was bedeutet, dass sich der im Vertrag ursprünglich vereinbarte Mietzins in Abhängigkeit eines Indexes ändern kann, was in der Regel automatisch und jähr-lich geschieht.

• Beiden Vertragsparteien wird gesetzlich die Möglich-keit eingeräumt, alle 3 Jahre (unter gewissen Vor-aussetzungen) eine Anpassung des Mietzinses zu beantragen. Können sich die Parteien in der Folge nicht auf den künftigen Mietzins einigen, wird die-ser, gemäß dem „lokalen Mietzins“, auf Antrag ei-ner der Parteien gerichtlich festgelegt.

Die Parteien haben im Mietvertrag einen gewissen Spielraum in Bezug auf die Entwicklung der Höhe des Mietzinses, sie können insbesondere:

• Eine Indexbindung des Mietzinses vereinbaren oder eine solche auch ausschließen

• den bestimmten Referenzindex (aus den verschiede-nen gesetzlich zulässigen) auswählen

• die Festsetzung einer Höchstgrenze bei der indexmä-ßigen Entwicklung des Mietzinses vereinbaren

Es kann auch eine sogenannte „Umsatz-Klausel“ (üblich zum Beispiel in Mietverträgen über Räumlich-keiten in Einkaufszentren) vereinbart werden. Durch eine solche Klausel ist ein Teil des zu zahlenden Miezin-ses fest und der andere Teil des Mietzinses wird dann in Abhängigkeit vom Umsatz, den der Mieter durch die Geschäftstätigkeit in den angemieteten Räumlich-keiten erzielt, festgelegt.

Indem auf diese verschiedenen Möglichkeiten, die reine Verhandlungssache sind, zurückgegriffen wird, können die Parteien eine gewisse Kontrolle (oder zu-mindest eine gewisse Transparenz) über den tatsäch-lich zu zahlenden Mietzins behalten und dadurch „böse“ finanzielle Überraschungen vermeiden.

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Bei Ablauf des Vertrags steht dem Mieter gesetzlich das Recht zur Erneuerung des Mietvertrags zu

Möchte der Mieter nach Ablauf des gewerblichen Mietvertrags in den gemieteten Räumlichkeiten blei-ben, kann er sich auf sein gesetzliches Recht auf Er-neuerung des Mietvertrags berufen.

Dieses gesetzliche Recht auf Erneuerung des gewerb-lichen Mietvertrags ist vermutlich die bedeutendste Besonderheit der französischen Regelung der gewerb-lichen Mietverträge und ist den deutschen Mietern oft nicht bekannt – und wird deshalb oft nicht ausgenutzt.

Übt der Mieter dieses Recht aus (unter Einhaltung der diesbezüglich gesetzlich festgelegten Modalitä-ten), ist der Vermieter in folgenden Fällen gesetzlich zur Zahlung einer Besitzentzugsentschädigung „indemnité d’éviction“ an den Mieter verpflichtet: Wenn der Vermieter eine Erneuerung des gewerbli-chen Mietvertrags ablehnt, diese Ablehnung jedoch nicht ausreichend rechtfertigt (Beispiele: Verletzung des Mietvertrags durch den Mieter, illegale Tätigkeiten im Mietobjekt) oder falls das gemietete Gebäude als gesundheitsgefährdend oder einsturzgefährdet ein-gestuft wird. Der Vermieter entschädigt dadurch den Mieter grundsätzlich für den Schaden, den Letzterer erlitten hat aufgrund des Verlusts der Kundschaft, die an die Lage der Geschäftsräume gebunden war.

Diese Entschädigung kann sich auf den Gesamtwert des Geschäftsbetriebs des Mieters belaufen.

Zu beachten ist, dass der Vermieter dann nicht zur Zahlung einer Besitzentzugsentschädigung an den Mieter verpflichtet ist, wenn der Mieter selbst den Mietvertrag kündigt oder wenn er mit der Kündigung des Mietvertrags einverstanden ist.

Dies hat u. a. zur Folge, dass der Mieter, der das Miet-recht von einem Vormieter (gegen Zahlung eines gewis-sen Preises bzw. Einstandsgeldes) erworben hat (eine sog. cession du bail commercial), den Preis, den er zum Erwerb des Mietrechts gezahlt hat, nicht zurückbekommt, wenn er den Mietvertrag letztlich selbst kündigt oder sich mit der Kündigung des Mietvertrags einverstanden erklärt.

Dem Mieter, der vorzeitig aus dem Mietvertrag ausstei-gen möchte, ohne den Preis, den er zwecks Erwerbs des Mietrechts an den Vormieter gezahlt hat, komplett zu verlieren, stehen jedoch andere lukrative Möglich-keiten offen, z. B. kann er, gegen Zahlung eines be-stimmten Preises, sein Mietrecht an einen neuen Mie-ter weiterveräußern.

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Ein Beispiel für ein „typisches“ Problem bei der Redaktion des Mietvertrags

Ein französischer Gewerbemietvertrag enthält in der Praxis in der Regel eine Auflösungsklausel, die es dem Vermieter ermöglicht, bei mieterseitiger Verlet-zung von Vertragspflichten unter gewissen gesetzli-chen Voraussetzungen den gewerblichen Mietvertrag zu kündigen.

Die Vertragsbeendigung tritt dabei aber nicht automa-tisch ein: Möchte der Vermieter den Mietvertrag kün-digen, muss er seinen Mieter im Rahmen eines vom Gerichtsvollzieher zugestellten Vollstreckungstitels auffordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen (zum Beispiel, indem der Mieter seine Miete zahlt).

Der Mieter verfügt dann über eine Frist von einem Mo-nat ab dem Datum der Zustellung des Vollstreckungs-titels durch den Gerichtsvollzieher, um seine Verpflich-tungen zu erfüllen.Die Auflösungsklausel wird erst nach Ablauf dieser Frist von einem Monat wirksam und der Vermieter kann dann beim zuständigen Ge-richt die Kündigung des Mietvertrags beantragen.

Diese Frist von einem Monat muss im Vollstreckungsti-tel angegeben werden, da dies ausdrücklich so in Arti-kel L. 145-41 des frz. Handelsgesetzbuchs gefordert ist. Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Bestimmung des zwingenden Gesetzesrechts, was bedeutet, dass Ver-tragsklauseln, mit denen versucht wird, die Anwendung dieses Artikels zu umgehen, nichtig und wirkungslos sind.

Allerdings kommt es nicht selten vor, dass in der Auf-lösungsklausel eines Mietvertrags auf eine Frist von dreißig Tagen verwiesen wird und nicht auf eine Fristvon einem Monat wie es in Artikel L. 145-41 des frz. Handelsgesetzbuchs vorgeschrieben ist.

Eine Frist von dreißig Tagen entspricht nicht unbedingt einer Frist eines (Kalender-)Monats, der 28, 29, 30 oder 31 Tage haben kann. Daher ist, nach einer Ent-scheidung des frz. Kassationsgerichtshofs (Entschei-dung vom 11. Dezember 2013, Nr. 12-22616), eine Auflösungsklausel, in der nicht ausdrücklich eine Frist von einem Monat vereinbart wurde, nichtig, da dies die Bestimmungen des Artikels L. 145-41 des frz. Han-delsgesetzbuchs aushebelt.

Gegebenenfalls kann der Mieter vor Gericht die Nich-tigkeit dieser Klausel geltend machen und so die Kün-digung des Gewerbemietvertrags anfechten, indem erWiderspruch gegen den Vollstreckungstitel einlegt und beim Gericht die Feststellung der Nichtigkeit der Auflösungsklausel beantragt.

Sowohl bei der Redaktion als auch während der Lauf-zeit des Mietvertrags beraten und unterstützen wir un-sere Mandanten gerne.

Die Rechte des Mieters auf Untervermietung der Räume sowie auf Abtretung des Mietvertrags können vertraglich nur teilweise ausgeschlossen werden

Um die Kontrolle über die Identität des tatsächlichen Mieters zu bewahren, möchte der Vermieter im Allge-meinen jede Möglichkeit für den Mieter zur Unterver-mietung sowie zur Abtretung des Mietrechts (oder zumindest die Möglichkeit, dies ohne ausdrückliches Einverständnis des Vermieters zu tun) ausschließen.

Während ein solcher Ausschluss in Bezug auf die Untervermietung grundsätzlich möglich ist, kann die Abtretung des Mietvertrags nicht vollständig ausge-schlossen werden.

Die gesetzlichen Regelungen für gewerbliche Mietver-träge sehen vor, dass das Recht des Mieters, sein Miet-recht im Rahmen der Abtretung seines Geschäfts-betriebs (fonds de commerce) mit abzutreten, nicht wirksam ausgeschlossen werden kann. Der Grund hierfür ist, dass das gewerbliche Mietrecht im franzö-sischen Recht untrennbarer Bestandteil des Geschäfts-betriebs (fonds de commerce) ist.

Folglich ist jede Klausel, in der etwas Gegenteiliges vereinbart wird, nichtig und wirkungslos.

Es kann jedoch im Mietvertrag vereinbart werden, dass jede Abtretung des Mietrechts (darin eingeschlossen auch der „automatische Übergang des Mietrechts“ auf den Erwerber des Geschäftsbetriebs des Mieters) unter Einhaltung bestimmter Formalitäten durchzu-führen ist, wie beispielsweise unter Einhaltung einer Frist für den Mieter oder unter Formulierung einer Aufforderung an den Vermieter, zur Vertragsunter-zeichnung mit dem neuen Mieter zu erscheinen. All dies ist reine Verhandlungssache.

In der Praxis wird im Mietvertrag zugunsten des Mie-ters häufig die Möglichkeit vorgesehen, die Räum-lichkeiten an jedwede Gesellschaft, die zur selben Unternehmensgruppe wie der Mieter gehört, unter-zuvermieten bzw. an eine solche Gesellschaft das Mietrecht abzutreten.

Der Mieter sollte beim Abschluss des gewerblichen Mietvertrags auf diese Punkte, ebenso wie auf die Möglichkeiten der Kündigung des Vertrags, besonders achten und diese in seinem Sinne verhandeln – im-merhin geht es hierbei um die Modalitäten, die einen „Ausstieg“ aus dem Mietvertrag regeln.

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Das Gerichtsverfahrenin Frankreich

Rechtliche Streitigkeiten, die einen Bezug zu Frankreich haben, können auch rasch vor einem französischen Gericht landen – entweder, weil Ihr Unternehmen dort verklagt wird oder wenn Sie Ansprüche gegen Ihren Vertragspartner geltend machen möchten, für die nach den internationalen Zuständigkeitsvorschriften allein ein französisches Gericht zuständig ist.

Die Verlockung ist groß, zu denken, dass ein Ge-richtsverfahren vor einem französischen Richter ge-nauso oder jedenfalls ähnlich abläuft wie vor einem deutschen Amts- oder Landgericht. Verfahrensrecht ist jedoch nationales Recht. Ein „europäisches verein-heitlichtes Verfahrensrecht“ für Gerichtsverfahren gibt es in Europa ebenso wenig, wie eine einheitliche Ge-richtssprache.

Es existieren daher auch französische Besonderheiten, die man als Prozesspartei vor einem Gericht in Frank-reich kennen sollte.

Wir möchten Ihnen nachfolgend einen Überblick über die wesentlichen Besonderheiten des Zivil-gerichtsverfahrens in Frankreich geben.

Gerichtssprache

Die Gerichtssprache ist französisch. Dies gilt auch in Grenzregionen, wie z. B. dem Elsass. Dort sind zwar viele Menschen noch der deutschen Sprache mächtig und hin und wieder hat man es im Elsass mit Rich-tern und Staatsanwälten zu tun, die perfekt deutsch sprechen. Dennoch müssen Schriftsätze in französi-scher Sprache verfasst sein. Es müssen auch sämtli-che Anlagen, durch die Behauptungen gestützt oder Forderungen nachgewiesen werden sollen, in franzö-sischer Sprache bei Gericht eingereicht werden. Die Übersetzung etwa deutschsprachiger Beweismittel (z. B. ein Kaufvertrag in deutscher Sprache) sollte durch einen vereidigten Übersetzer beglaubigt werden. Nicht ins Französische übersetzte Anlagen darf der Richter ab-lehnen. Nur im Einzelfall wird man sich mit der gegneri-schen Partei einigen können, dass Unterlagen in der Ori-ginalsprache eingereicht werden können, wenn auch das Gericht dieser Sprache mächtig ist und dies akzeptiert.

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Jörg [email protected]

Vanina [email protected]

Raphaël [email protected]

Julien [email protected]

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Man kann auch nicht davon ausgehen, dass englisch-sprachige Unterlagen, was gemeinhin als „Weltspra-che“ angesehen wird, akzeptiert werden. Bestrebun-gen wie in Deutschland, wo bei einigen Gerichten spezielle Kammern für internationale Handelssachen gebildet werden sollen, in denen auch in englischer Sprache verhandelt werden kann, sind dem französi-schen Gerichtswesen fremd.

Zusammensetzung der französischen Handelsgerichte

Handelsgerichte sind in Frankreich mit Laienrichtern besetzt. Eine Ausnahme bilden allerdings die Gerich-te in der Region Elsass (bestehend aus den beiden Départements Hochrhein und Niederrhein) und im Département Moselle, wo die Handelskammern der Landgerichte – wie in Deutschland – mit Berufsrich-tern besetzt sind.

Die Laienrichter sind in der Regel Geschäftsleute aus dem Wirtschaftsleben, die eine langjährige Berufser-fahrung in der Unternehmenswelt haben. Diese Tat-sache hat meist erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung der Argumentation in Schriftsätzen sowie während des mündlichen Vortrags vor Gericht: Lai-enrichter haben meist eine pragmatischere Herange-hensweise an die Schwierigkeiten des Wirtschaftsle-bens. Besondere juristische Problematiken müssen durch den Anwalt ausführlich dargelegt werden, allzu rechtstheoretische Ausführungen sollten dabei ver-mieden werden. Erst in zweiter Instanz, also vor den Berufungsgerichten, sind die Handelsgerichte (auch außerhalb von Elsass und Moselle) frankreichweit mit Berufsrichtern besetzt.

Dauer der Gerichtsverfahren

In Frankreich kann ein Gerichtsverfahren verhältnismä-ßig lange dauern. Dies liegt daran, dass es in der Regel keine richterlichen Ausschlussfristen zur Einreichung von Schriftsätzen gibt. Die Parteien können ferner ohne besondere Begründung die Vertagung der an-beraumten Gerichtstermine beantragen. Die beklagte Partei kann diese Möglichkeit zum Beispiel wieder-holt nutzen und so zur Verschleppung des Verfahrens beitragen, das sich dann bis zu 2 Jahren pro Instanz hinziehen kann. Damit einher geht das Risiko, dass während dieser langen Zeit die Beklagte ihre Insolvenz „organisiert“ und ein stattgebendes Urteil somit am Ende nicht mehr vollstreckt werden kann.

Im Berufungsverfahren (2. Instanz) werden dann al-lerdings Fristen für die Einreichung von Schriftsätzen festgelegt und Vertagungen der anberaumten Termine sind dann auch nur noch in Ausnahmefällen möglich.

Zeugenaussagen

Anders als in Deutschland ist die Ladung von Zeugen zur Anhörung durch das Gericht äußerst selten. Zeugen- aussagen werden im französischen Gerichtsverfahren von den Zeugen schriftlich verfasst. Der Zeuge selbst er-scheint dann in der mündlichen Verhandlung meist selbst gar nicht. Die Beweiskraft solcher schriftlichen Aussagen bleibt naturgemäß eingeschränkt, da die Richter keine Gelegenheit haben, die Glaubwürdigkeit des Zeugen im Rahmen eines persönlichen Eindrucks einzuschätzen.

Kosten des Gerichtsverfahrens

Die Erstattung von aufgewendeten Anwaltskosten liegt in Frankreich im freien Ermessen des Richters. In der Praxis führt das meist dazu, dass jede Partei die Kosten, die sie für die Geltendmachung ihrer eigenen Interessen aufgewendet hat, in großem Umfang selbst trägt, auch im Falle des Obsiegens. Dies liegt auch daran, dass die gegebenenfalls vom Richter zugesprochenen Kostener-stattungsbeträge die tatsächlich aufgewendeten Kos-ten bei weitem nicht erreichen. Dieser Punkt sollte vor jeder Klageerhebung in Frankreich beachtet werden, stellt dies doch einen erheblichen Unterschied zu vie-len anderen Rechtsordnungen dar. Gerade bei kleineren Forderungen sollte man sich daher gut überlegen, ob sich der Gang zum Gericht wirklich lohnt.

Im Gegenzug muss der Kläger in Frankreich jedoch keinen streitwertabhängigen Gerichtskostenvorschuss bezahlen, bevor die Klage dem Beklagten zugestellt werden kann. Dies wiederum ist bei höheren Forde-rungen vorteilhaft für den Kläger.

Rechtsanwaltsvergütung

Anders als in Deutschland oder in Österreich gibt es in Frankreich kein Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Anwaltshonorare werden zwischen Mandant und Anwalt frei vereinbart. Daher sollte beim Abschluss ei-ner Rechtsschutzversicherung in Deutschland mit dem Versicherer geklärt werden, ob er auch frei vereinbarte Honorare bei Auslandsfällen erstattet.

Keine Sicherheitsleistung bei der Vollstreckung von Urteilen

In Frankreich ist für die vorläufige Vollstreckung eines stattgebenden Urteils fast nie die Vorab-Einzahlung von Sicherheitsleistungen erforderlich. Die obsiegende Partei kann die Verurteilung aus dem französischen Titel ge-gen den Schuldner sofort und ohne Sicherheitsleistung vollstrecken. Der Schuldner muss, falls er dies zu seinem Schutze wünscht, die Anordnung von Sicherheitsleis-tungen in einem neuen Gerichtsverfahren beantragen, was für ihn wiederum mit Kosten verbunden ist.

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Die Zusammenarbeit mitfranzösischen Handelsvertretern

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Jörg [email protected]

Vanina [email protected]

Wenn deutsche Unternehmen bei ihrem Frankreich-vertrieb mit in Frankreich ansässigen Handelsvertre-tern zusammenarbeiten, wird bei der Vertragsgestal-tung oft der internationale Bezug vernachlässigt. Dies kann zu unangenehmen finanziellen Konsequenzen führen. Diese sind aber leicht vermeidbar, wenn einige Punkte beachtet werden.

Als Alternative zur Einstellung eines eigenen Außen-dienstmitarbeiters in Frankreich oder zur Nutzung einer eigens gegründeten französischen Vertriebsgesellschaft bearbeiten viele ausländische Unternehmen den fran-zösischen Markt mit Handelsvertretern, die auf franzö-sischem Staatsgebiet für das deutsche, österreichische oder schweizerische Unternehmen tätig werden. Hier-für sprechen zahlreiche Vorteile: Nahezu keine Fixkos-ten, Vermeidung hoher Sozialversicherungsabgaben und Unabhängigkeit vom strengen französischen Ar-beitsrecht. Dies sind Aspekte, die bei der Wahl der Ver-tragsform des Handelsvertretervertrages in der Regel eine entscheidende Rolle spielen. Für den Handelsver-treter sprechen ferner sein oft schon bestehendes gu-tes Kundenportfolio, das meist zur sofortigen Nutzung bereit steht, sowie seine Marktkenntnis.

Häufig wird die Zusammenarbeit mit dem Handelsver-treter einfach begonnen, ohne sich über Fragen wie rechtlicher Status des Vertreters, anwendbares Recht, eventuell geschuldete Entschädigungszahlungen bei einer Kündigung oder zuständiges Gericht für Streitig-keiten vorab Gedanken zu machen.

Welches sind in diesem Zusammenhang die wesent-lichen Fallstricke und wie lassen sie sich vermeiden?

Verwechslungsgefahr mit einem VRP

Das deutsche Unternehmen sollte sich zunächst ver-gewissern, dass der Vertriebspartner, der sich als „Ver-treter“ ausgibt, auch tatsächlich ein selbständiger Handelsvertreter (agent commercial) ist.

In Frankreich existiert nämlich ein weiterer Berufsstand neben dem des selbständigen Handelsvertreters, näm-lich der des VRP (Voyageur Représentant Placier). Der VRP ist Handelsreisender, der zwar meist wie ein Handelsvertreter auf Provisionsbasis arbeitet und der auch für mehrere Firmen tätig sein kann, der aber Arbeitnehmer ist und somit dem französischen Ar-beitsrecht, Sozialversicherungsrecht und sogar einem eigenen französischen Tarifvertrag unterliegt.

Insbesondere bei einer Kündigung der Vertriebsperson kann das deutsche Unternehmen, das jahrelang davon ausgegangen war, es mit einem echten (also: selbstän-digen) Handelsvertreter zu tun zu haben, böse finanzi-elle Überraschungen erleben. Der Vertreter kann z. B. unter Berufung auf seinen tatsächlichen Status als VRP ein französisches Arbeitsgericht anrufen, die Miss- achtung der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzvor-schriften rügen und vom Unternehmen erheblichen Schadensersatz fordern. Zudem können die französi-schen Sozialversicherungsbehörden dann auch für die Vergangenheit Sozialversicherungsabgaben nachfor-dern, die vom deutschen Unternehmen in der (gutgläu-bigen) Überzeugung, gerade keinen Arbeitnehmer zu beschäftigen, natürlich nicht abgeführt worden sind.

Die deutsche Firma sollte sich daher stets vor Beginn jedweder Zusammenarbeit mit dem Vertreter einen Auszug aus der Handelsvertreterrolle (registre spé-cial des agents commerciaux) vorlegen lassen. Fer-ner sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Klauseln des Handelsvertretervertrages bei der Formu-lierung der Pflichten des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmen eben kein übermäßiges, für Ar-beitnehmer typisches Über-Unterordnungs-Verhältnis erkennen lassen. An dieser Stelle werden in Verträgen die Grenzen zwischen Handelsvertreter und Arbeit-nehmer oft etwas unscharf formuliert, so dass hier be-sondere Vorsicht geboten ist.

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Anwendbares Recht

Sollte kein schriftlicher Handelsvertretervertrag ge-schlossen worden sein, der eine Rechtswahlklausel zugunsten des deutschen Rechts enthält, ist, gemäß der EU-Verordnung über das auf vertragliche Schuld-verhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom I-Ver-ordnung) stets das Recht des Landes anwendbar, in dem der Handelsvertreter seinen Sitz hat.

Beim grenzüberschreitenden Vertrieb Richtung Frank-reich würde dies typischerweise zur Anwendung des französischen Rechts führen, mit den oben erläuterten erheblichen negativen finanziellen Auswirkungen für Ihr Unternehmen.

Das deutsche Unternehmen, das die Anwendbarkeit des französischen Rechts sinnvollerweise vermeiden möchte, muss daher auf den Abschluss eines schriftli-chen Vertrages bestehen.

In diesem schriftlichen Vertrag darf dann eine Rechts-wahlklausel zugunsten des deutschen Rechts nicht fehlen.

In „Handschlagsabkommen“, bei denen mit der Aktivi-tät der Vertriebsperson in Frankreich „einfach erst mal“ losgelegt wird, kommt es unvermeidbar zur Anwendung des französischen Rechts. Dieses ist insbesondere im Fal-le der Vertragsbeendigung aus Sicht des Unternehmens wesentlich nachteiliger als z. B. das deutsche Recht.

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Zahlungen und Kündigungsfristen bei der Been-digung des Handelsvertretervertrages

Der Handelsvertreter hat sowohl nach deutschem als auch nach französischem Recht bei Vertragsbeendi-gung durch das Unternehmen – von Ausnahmetat-beständen abgesehen – einen Anspruch auf Zahlung einer finanziellen Entschädigung.

Während das deutsche Recht in § 89 b HGB (Handels-gesetzbuch) den Ausgleichsanspruch (auch bekannt als „Kündigungsentschädigung“) auf maximal eine Jahresprovision aus dem Provisionsdurchschnitt der letzten 5 Tätigkeitsjahre betragsmäßig deckelt und zudem die Frage eine große Rolle spielt, ob der Vertreter Neukunden geworben hat (Vorteil für das Unternehmen) und ob die Kunden beim Unternehmen zukünftig verbleiben werden (Prognose), gewährt das französische Recht gemäß Artikel L.134-12 Code de commerce (frz. Handelsgesetzbuch) dem Handelsver-treter einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Kündigung in Höhe von 2 Jahresprovisionen aus dem Durchschnitt der letzten 3 Jahre der Tätigkeit, und zwar ganz ohne Rücksicht auf Altkundenbestand und Neukundenwerbung, also völlig unabhängig vom Vorteil, den der Handelsvertreter dem Unternehmen tatsächlich gebracht hat oder nicht.

Somit ist das Risiko des „Ausgleichsanspruchs“ nach französischem Recht für das Unternehmen wesentlich größer als nach deutschem Recht.

Der deutsche Unternehmer hat also ein großes wirt-schaftliches Interesse daran, im Handelsvertreterver-trag das deutsche Recht für anwendbar zu erklären.

Zwar ist nach deutschem Recht bei der Kündigung ei-nes Vertragsverhältnisses, das schon länger als 5 Jahre bestanden hat, eine 6-monatige Kündigungsfrist ein-zuhalten (89 b HGB), was doppelt so lang ist wie die Kündigungsfrist nach französischem Recht (Artikel L. 134-11 Code de commerce). Dies sollte für das Un-ternehmen aber kein Argument gegen die Wahl des deutschen Rechts sein, denn die oben dargestellten Nachteile im Zusammenhang mit dem Ausgleichsan-spruch nach französischem Recht wiegen schwerer.

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Nachvertragliches Wettbewerbsverbot

Dass ein Handelsvertreter während seiner Tätigkeit für den deutschen Unternehmer nicht gleichzeitig auch für einen Wettbewerber dieses Unternehmers tätig sein darf, versteht sich von selbst und ist ihm zu-dem gesetzlich verboten. Bei einer Missachtung dieses Wettbewerbsverbots drohen dem Handelsvertreter die fristlose Kündigung und der Wegfall seines Aus-gleichsanspruches.

Aber auch für die Zeit nach der Beendigung des Handelsvertretervertrags können die Parteien festle-gen, dass sich der (dann ehemalige) Handelsvertreter einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten hat.

Sowohl nach deutschem als auch nach französischem Handelsvertreterrecht sind derartige Vereinbarungen, nachvertragliche Wettbewerbsverbotsklauseln genannt, zulässig. Die Dauer dieses nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darf nach beiden Rechtsordnun-gen 2 Jahre nicht überschreiten.

Nach deutschem Recht (§ 90 a HGB) ist zudem erfor-derlich, dass das Unternehmen dem ehemaligen Han-delsvertreter während der Dauer des Wettbewerbsver-bots eine finanzielle Entschädigung, die sogenannte Karenzentschädigung, zahlt. Diese muss „angemes-sen“ sein und entspricht in der Regel, bei monatlicher Zahlung, jeweils der Hälfte der zuvor bezogenen mo-natlichen Provision.

Das französische Handelsvertreterrecht (Artikel L.134-14 Code de commerce) sieht eine solche Karenzent-schädigung nicht vor, ist in diesem Punkt also für das Unternehmen attraktiver als das deutsche Recht.

Nun hat aber in einer aufsehenerregenden Entschei-dung vom 7. Januar 2014 das Berufungsgericht von Nancy entschieden, dass – in Anlehnung an die Recht-sprechung zu nachvertraglichen Wettbewerbsverbots-klauseln in Arbeitsverträgen – die nachvertragliche Wettbewerbsverbotsklausel in einem Handelsvertre-tervertrag auch nur dann wirksam sein soll, wenn sie eine finanzielle Gegenleistung an den Handelsvertreter vorsieht. Es handelt sich bei dieser Entscheidung zwar „nur“ um ein Urteil eines Berufungsgerichts, und nicht um ein Urteil der höchsten französischen Instanz, dem Kassationsgerichtshof. Es darf aber mit Spannung ver-folgt werden, ob weitere Gerichte diesem, den Handels-vertreter begünstigenden, Beispiel von Nancy folgen.

Bei der Vereinbarung einer nachvertraglichen Wettbe-werbsverbotsklausel sollte jedenfalls zukünftig bei An-wendbarkeit des französischen Rechts, quasi um auf der „sicheren Seite“ zu sein, von vornherein eine Entschä-digungszahlung als Gegenleistung für das nachvertrag-liche Wettbewerbsverbot vorgesehen werden, so wie dies im deutschen Recht bisher schon gefordert wird.

Gerichtliche Streitigkeiten

Ist im Handelsvertretervertrag keine Regelung zu den für Streitigkeiten zuständigen Gerichten getroffen, gilt nach den Vorgaben der EG-Verordnung 44/2001 (seit Januar 2015 gilt die EG-Verordnung 1215/2012) über die Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen neben der allgemeinen Zuständigkeit der Gerichte am Be-klagtensitz eine weitere alternative Zuständigkeit am sogenannten Erfüllungsort.

Der französische Handelsvertreter, der beispielsweise einen Ausgleichsanspruch oder ausstehende Provisio-nen einklagen möchte, wird daher in aller Regel am französischen Handelsgericht seines Sitzes klagen, da dort der Erfüllungsort seiner Verpflichtungen liegt.

Vor französischen Gerichten ist kein Gerichtskosten-vorschuss zu leisten, die Verfahrenssprache ist fran-zösisch und die Richter an den für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständigen Gerichten sind – mit Aus-nahme von der Region Elsass und dem Département Moselle – keine Berufsrichter. Diese Vorteile wird die französische Partei versuchen, für sich zu nutzen.

Es ist daher zu empfehlen, eine Gerichtsstandsklausel zugunsten eines deutschen Gerichts, z. B. zugunsten des Gerichts am Sitz des Unternehmens, zu vereinbaren.

Der französische Vertriebspartner, der im Rahmen der Streitigkeit zum Gegner geworden ist, wird möglicher-weise durch die deutsche Gerichtskostenvorschuss-pflicht und die Notwendigkeit, einen deutschen An-walt zu nehmen, abgeschreckt. Zumindest kann dies dazu führen, dass er offener wird für Vergleichsver-handlungen. Das Gerichtsverfahren in Deutschland findet für das Unternehmen hingegen auf heimischem Terrain, mit seinem vertrauten Rechtsanwalt und in deutscher Sprache statt. Im Falle des Obsiegens ge-währt das deutsche Zivilprozessrecht einen gesetzlich definierten und somit klar kalkulierbaren Kostenerstat-tungsanspruch (Rechtsverfolgungskosten) gegen die unterlegene Partei – ein Grundsatz, der vor französi-schen Gerichten in dieser Art nicht existiert.

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Anerkennung und Vollstreckung von deutschen Titeln in Frankreich

Die neue Brüssel-Ia-VO

Jörg [email protected]

Julien [email protected]

Die neue EU-Verordnung Nr. 1215/2012 über die ge-richtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Voll-streckung von Entscheidungen in Zivil- und Handels-sachen, auch Brüssel-Ia-VO genannt, ist am 10. Januar 2015 in Kraft getreten. Sie ersetzt die alte Brüssel-I-VO (EG) Nr. 44/2001.

Bei der Anerkennung und Vollstreckung von deut-schen Urteilen in Frankreich spielen diese europarecht-lichen Vorschriften eine große Rolle.

Hintergrund ist, dass ein Urteil oder ein Vollstreckungs- bescheid eines deutschen Gerichts zunächst einmal nicht per se vom französischen Gerichtsvollzieher ge-genüber dem französischen Schuldner vollstreckt wer-den kann, da es sich bei dem Titel um einen ausländi-schen Hoheitsakt handelt. Der ausländische, in diesem Beispiel deutsche Vollstreckungstitel, bedarf zunächst der Anerkennung auf französischem Boden. Alterna-tiv bedarf es einer europäischen Regelung (EU-Verord-nung), die den deutschen Titel einem französischen Titel gleichstellt.

Bereits seit 2005 erlaubt es die EU-Verordnung Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel, deutsche Titel, bei denen der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat (Versäumnisurteile, Vollstreckungs-bescheide, notarielle Schuldanerkenntnisse), in Frank-reich ohne vorheriges Anerkennungsverfahren (sog. Exequatur) zu vollstrecken.

Für Urteile, die in einem streitigen Verfahren ergangen sind, bestand jedoch bisher immer noch das Erforder-nis der Durchführung dieser sogenannten Exequatur, also eines förmlichen Anerkennungsverfahrens vor einem französischen Gericht, das zeitaufwändig und kostspielig war. Dieses Verfahren war in der Brüs-sel-I-Verordnung (44/2001) geregelt. Durch die neue Brüssel-Ia-Verordnung (1215/2012) wurde dieses An-erkennungsverfahren nunmehr abgeschafft.

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Wegfall der Vollstreckbarkeitserklärung (Exequatur)

Die wohl bedeutendste Neuerung stellt die Abschaf-fung des „Exequatur-Verfahrens“ dar. Dieses kostspie-lige und zeitaufwändige Verfahren war nötig, um eine Zulassung ausländischer Vollstreckungstitel zur Zwangs-vollstreckung im Inland zu erlangen. Dabei handelte es sich um ein Erkenntnisverfahren, bei dem die Vorausset-zungen der Anerkennung der Entscheidung und der Verleihung der Vollstreckbarkeit geprüft wurden.

Dieses Verfahren entfällt durch die neue Verordnung. Stattdessen reicht künftig die Vorlage der Ausferti-gung der Entscheidung bei der Vollstreckungsbehörde sowie eine Bescheinigung, die bestätigt, dass die Ent-scheidung vollstreckbar ist.

Bei der Vollstreckung von deutschen Urteilen und sonstigen Titeln in Frankreich reicht es also künftig aus, dass der Vollstreckungstitel, zusammen mit der Bescheinigung des Ursprungsgerichts, dem zuständi-gen französischen Gerichtsvollzieher (huissier de ju-stice) übergeben wird. Das in der Vergangenheit auf-wändige und kostspielige Verfahren der Exequatur vor dem Tribunal de Grande Instance (französisches Land-gericht) ist nicht mehr erforderlich.

Ausweitung hinsichtlich Klagen vor Drittstaaten

Für eine weitere Vereinfachung im internationalen Rechtsverkehr sorgt die neue Möglichkeit für die Ge-richte in den Mitgliedstaaten der EU, ein Gerichtsver-fahren auszusetzen, wenn bereits ein Verfahren in ei-nem Drittstaat anhängig ist und denselben Anspruch betrifft oder wenn beide Verfahren in einem Zusam-menhang stehen.

Dies darf allerdings nur unter der Voraussetzung ge-schehen, dass die Entscheidung aus dem Drittstaat grundsätzlich anerkannt und vollstreckt werden kann. Ferner muss die Aussetzung des Verfahrens im Sinne einer geordneten Rechtspflege erforderlich sein.

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die we-sentlichen Neuerungen der Brüssel-Ia-Verordnung (1215/2012) zur Vollstreckung von nichtfranzösischen Urteilen in Frankreich gegeben.

Schutz von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen

Eine der wichtigsten Änderungen ist das Verhindern von sogenannten „Torpedoklagen“. Durch diese wurden bisher Gerichtsstandsvereinbarungen umgan-gen und das Verfahren verschleppt, indem der Beklag-te eine negative Feststellungsklage (Antrag bei Gericht auf Feststellung der Unzuständigkeit dieses Gerichts) bei einem offensichtlich unzuständigen und für seine langen Verfahrensdauern bekannten Gericht erhob. Die Regelung, dass das zuerst angerufene Gericht (unabhängig von der Gerichtsstandsvereinbarung) sich zunächst mit dem Fall befassen musste, führte dazu, dass das eigentlich zuständige Gericht so lan-ge nicht handeln konnte, bis das unzuständige Ge-richt seine Unzuständigkeit förmlich festgestellt hatte. Erst dann konnte zum Beispiel eine Klage auf Zahlung beim zuständigen, in der Gerichtsstandsvereinbarung festgelegten Gericht erhoben werden. Das führte zu erheblichen Verfahrensverzögerungen von teilweise mehreren Jahren, was natürlich dem Schuldner zugu-te kam.

Beispiel

In einem Vertrag zwischen einem deutschen und einem französischen Unternehmer steht in der Ge-richtsstandsklausel München. Der Beklagte merkt, dass ihm eine Klage droht. Noch bevor der Kläger in München klagt, kommt der Beklagte ihm zuvor und klagt in Paris mit dem Feststellungsantrag, dass das Pariser Gericht nicht zuständig ist. Effekt zugunsten des Beklagten: Solange sich Paris mit dieser Rechtsfrage beschäftigt, kann der poten-tielle Kläger seine Klage nicht in München (und auch nicht anderswo) erheben. Also gewinnt der Schuldner hierdurch wertvolle Zeit.

Die neue Brüssel-Ia-Verordnung (1215/2012) bestimmt nun, dass bei Anrufung des in der Gerichtsstandsver-einbarung vorgeschriebenen Gerichts das unzustän-dige Gericht sein Verfahren aussetzen muss. Wenn sich nun das aufgrund der Vereinbarung angerufene Gericht für zuständig erklärt, muss sich das zuerst an-gerufene (unzuständige) Gericht automatisch für un-zuständig erklären.

Damit wird den sog. „Torpedoklagen“ der Wind aus den Segeln genommen und eine Verschleppung des Verfahrens durch den Beklagten in Zukunft erschwert.

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Werbung und AdWords bei Google

Das Internetrecht ist ein faszinierendes Recht, das sich ständig weiterentwickelt. Dabei sind die techni-schen Möglichkeiten des Internets den entsprechen-den Anpassungen des Rechts meist einen Schritt vo-raus.

Dies kann am Beispiel der Werbeanzeigen, die auf der Suchmaschine Google mithilfe des Werkzeugs „Google-AdWords“ eingestellt werden, und der sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten veranschau-licht werden.

Falls Sie eine deutsche, österreichische oder schweize-rische Gesellschaft betreiben und sich mit Ihren Pro-dukten und Dienstleistungen erfolgreich auf dem fran-zösischen Markt etablieren möchten, bietet sich auch die Verwendung von Google an, um die französische Zielgruppe auf Ihr Unternehmen und seine Angebote aufmerksam zu machen. Google ermöglicht es Ihnen, bestimmte für Ihr Unternehmen relevante Schlüssel-wörter zu definieren, bei deren Eingabe im Goog-le-Suchfeld neben den ausgegebenen Suchergebnis-sen eine Werbung für Ihr Unternehmen erscheinen soll.

Solche Schlüsselwörter sollten idealerweise auch die Produktgattung, welche Sie anbieten, als solche be-zeichnen, z. B. „pain d’épice“ (Lebkuchen) oder „montres“ (Uhren).

Kriterien für die Haftung des Inserenten

Julien [email protected]

Zusätzlich können Sie Werbung für Ihre Gesellschaft machen, indem Sie Unternehmensnamen Ihrer Konkur-renten oder Namen sonstiger auf dem Markt etablierter Unternehmen als Schlüsselwörter definieren. Der Effekt, den Sie damit erzielen können, ist, dass die Internetseite Ihres Unternehmens auch dann in den Google-Sucher-gebnissen erscheint, wenn ein Nutzer nach diesen an-deren, von Ihnen definierten Unternehmen sucht. Die-se Vorgehensweise ist jedoch insofern riskant, als ein Mitbewerber, der von dieser Art der Werbung durch Definieren eines Schlüsselworts, welches seinem Un-ternehmensnamen, einer ihm gehörenden Marke oder seinem Internet-Domain-Namen entspricht, Kenntnis erlangt, eine Schadensersatzklage wegen unlauteren Wettbewerbs gegen denjenigen, der die Schlüssel-wort-Definition durchgeführt hat, erheben kann.

In der Rechtsprechung sind bereits zahlreiche Entschei-dungen in diesem Zusammenhang ergangen, in de-nen der Zuwiderhandelnde zur Zahlung von Schadens-ersatz in Höhe von mehreren tausend Euro aufgrund deliktischer Haftung verurteilt wurde.

Die ersten diesbezüglich ergangenen Entscheidungen der französischen Gerichte waren relativ streng, da darin allgemein die Auffassung vertreten wurde, dass Personen, die das Google Werbesystem auf diese Wei-se nutzen, unlauteren Wettbewerb betreiben und in unzulässiger Weise als „Trittbrettfahrer“ handeln, in-dem sie sich in den Bereich der positiven Sogwirkung der fremden Marke begeben, um letztlich von ihrem Ruf und so von den seitens des Mitbewerbers getätig-ten Investitionen zu profitieren.

Im Anschluss an zahlreiche diesbezüglich ergangene Entscheidungen war Google gezwungen, seine Politik zu ändern. Google musste die AdWords-Anzeigen, die auf der Liste der Suchergebnisse ganz oben oder in einer Spalte auf der rechten Seite erscheinen, klar erkennbar als „Anzeige“ kennzeichnen. Dies geschah dadurch, dass Anzeigen (Werbung) fortan mit dem gelb unterlegten Begriff „Anzeige“ versehen wurden.

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Falls das Angebot eindeutig unterschiedlich zu den Produkten und Dienstleistungen des tatsächlichen Markeninhabers ist und keinen direkten oder indirek-ten Hinweis auf die Tätigkeit der Konkurrenzgesell-schaft enthält, kann die Konkurrenzgesellschaft den Urheber der Anzeige nicht in die Haftung nehmen.

Die französischen Gerichte haben sich dieser europäi-schen Rechtsprechung angepasst und haben seitdem mehrere Entscheidungen getroffen, die diese Einfüh-rung von zusätzlichen Haftungsvoraussetzungen (Er-schwerung der Haftung) widerspiegeln.

Demzufolge sollten Sie als deutsche, österreichische oder schweizerische Gesellschaft, die in Frankreich mithilfe des Google-Werbesystems wirbt, auf folgen-de Punkte achten:

• Den Namen oder die Marke des Konkurrenten nicht in der eigenen Anzeige explizit erwähnen, denn ansonsten könnte Ihnen die Erzeugung von Verwechslungsgefahr vorgeworfen werden (Als Maßstab für das Vorliegen von Verwechslungsge-fahr wird dabei folgendes herangezogen: Ein mittel-mäßig aufmerksamer Internetnutzer sollte sich nicht fragen müssen, ob es sich um dieselbe Gesellschaft bzw. eine mit ihr zusammenhängende Gesellschaft handelt oder ob es sich hingegen um einen unab-hängigen Mitbewerber handelt)

• Nicht einfach nur die Produkte und Leistungen der Konkurrenzgesellschaft imitieren, sondern auch eine tatsächliche Alternative anbieten (Der Internetnutzer muss erkennen können, dass eine Al-ternative zum Konkurrenzangebot und nicht ledig-lich eine einfache Kopie der Produkte und Leistun-gen angeboten wird)

• Keine Verwässerung, Verunglimpfung oder Be-einträchtigung der Funktion der Marke oder der Firma des Konkurrenten hervorrufen (Ein Hinweis auf dessen Produkte und Dienstleistungen ist nur allgemein, ohne implizit oder explizit auf die Konkurrenzgesellschaft hinzuweisen, zulässig)

Die Rechtsprechung hat sich also gewandelt von ei-nem zunächst strengen Verständnis, wonach beim Reservieren von fremden Marken- oder Unterneh-mensnamen ein Rechtsbruch (rechtswidrige Kunden-abwerbung mit Hilfe von Google) vorliegt, zu einer nunmehr liberaleren Rechtsauffassung, wonach eine solche Kundenakquise seitens Drittunternehmen legal ist, sofern nicht gleichzeitig unlauterer Wettbe-werb betrieben wird.

Somit ist diese Art der Werbung zwar grundsätzlich zulässig, es muss aber darauf geachtet werden, die Grenzen des Zulässigen nicht zu überschreiten, um zu vermeiden, dass Werbehandlungen als unlauterer Wettbewerb bzw. als „Trittbrett“-Aktionen eingestuft werden.

Trotz dieser Änderungen, durch die versucht wurde, die „redaktionellen“ Ergebnisse und die gezielten Werbe-anzeigen deutlicher voneinander abzugrenzen, wurden weiterhin Personen, die das oben dargestellte Werbesys-tem nutzten, wegen unlauteren Wettbewerbs verurteilt.

In der Folge erging am 22. September 2011 eine Ent-scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Interflora gegen Marks & Spencer und Flowers Direct Online, Angelegenheit C-323/09), deren wesentlicher Urteilsinhalt wie folgt lautet:

„Die Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104 und 9 Abs. 1, Buchst. c der Verordnung Nr. 40/94 sind dahinge-hend auszulegen, dass der Inhaber einer bekannten Marke berechtigt ist, einem Mitbewerber zu verbieten, anhand eines dieser Marke entsprechenden Schlüssel-worts, das dieser Mitbewerber ohne Zustimmung des Markeninhabers im Rahmen eines Internetreferenzie-rungsdienstes ausgewählt hat, zu werben, wenn die-ser Mitbewerber dadurch in unlauterer Weise einen Vorteil aus der Unterscheidungskraft oder dem Ruf der Marke zieht (Trittbrettfahren) oder wenn durch diese Werbung diese Unterscheidungskraft (Verwässerung) oder dieser Ruf (Verunglimpfung) beeinträchtigt wird.

Eine Werbung mittels eines solchen Schlüsselworts be-einträchtigt die Unterscheidungskraft der bekannten Marke (Verwässerung) insbesondere dann, wenn sie zu einer Abschwächung dieser Marke, hin zu einem Gattungsbegriff, beiträgt.

Dagegen darf der Inhaber einer bekannten Marke es insbesondere nicht verbieten, dass Mitbewerber, aus-gehend von diesen Schlüsselwörtern, die dieser Marke entsprechen, Werbeanzeigen schalten, die, ohne eine bloße Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen des Inhabers dieser Marke zu präsentieren, ohne eine Verwässerung oder Verunglimpfung herbeizuführen und ohne im übrigen die Funktionen der bekannten Marke zu beeinträchtigen, eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen ihres Inhabers anbieten.“

Diese Entscheidung betrifft zwar speziell den Schutz einer via AdWords definierten Marke. Der Grundsatz wurde aber auch auf das Definieren eines Begriffs, der einer Firma, einem Domain-Namen oder einem Handelsnamen entspricht, ausgeweitet.

In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichts-hof die Haftung des Inserenten klar begrenzt, indem er den Grundsatz aufgestellt hat, dass eine Rechtsver-letzung nur dann vorliegt, wenn die angezeigte Wer-bung es dem normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer ermöglicht, zu erkennen, ob die in der Anzeige ange-botenen Produkte oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke bzw. von einem Unternehmen, das wirt-schaftlich mit diesem verbunden ist oder aber von ei-nem Dritten stammen.

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La Nouvelle I II /2015

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