Landesklasse Nord: 2. Runde Nichts für schwache Nerven ... · und Bauer. Aber J. Hohlbein's Se5...

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Landesklasse Nord: 2. Runde Nichts für schwache Nerven: Das war knapp ! Sonntag, 09.10.2016, Gastgeber SK Vellmar 1 erwartete im Gemeindezentrum Vellmar West das Team vom Kasseler SK 3, natürlich auch ein Klassiker unter all den Mannschaftskämpfen der vergangenen Jahre. Der KSK war, ist und bleibt der Vorzeigeklub in der nordhessischen Schachsport-Szene. Deshalb sind Punktkämpfe gg. diese Spezies immer etwas Besonderes. Auch wenn es „nur die Dritte des KSK“ war. Die Erste und Zweite dieses Mitglieder-Magneten agieren bekanntlich in uner- reichbaren Sphären für alle anderen Klubs. Wohlgemerkt – für nordhessische Verhält- nisse. Darüber hinaus ist, schachsportlich gesehen, Nordhessen gewissermaßen „Ent- wicklungsland der dritten Welt“ geworden (mit starker Tendenz zu bezirkseigenen Schachsport-Altersheimen). Äußerst bedauerlich, aber es lässt sich nicht ändern. Beide Teams traten auch ersatzgeschwächt an, wobei dieser Begriff sehr relativ zu sehen ist. Nicht selten sind die sog. Ersatzleute stärker als die Stamm-Protagonisten, und bedeuten somit auch keine Schwächung. Bei den Gästen fehlte Vincent Sommer am Spitzenbrett. Er ist inzwischen Student an der Uni Göttingen und hat eben nicht immer Zeit, wenn die Termine anstehen. Dafür steht dem KSK ein erlesener Kreis von Ersatzspielern zur Verfügung. Diesmal waren das Dr. Bernhard Heitsch und Dr. Andreas Forgach, beide zwar auch nicht mehr die Jüngsten, aber es steckt noch enormes spielerisches Potential dahinter. Vellmar musste auf Spitzenspieler Leonid Dubinsky verzichten. Für ihn sprang Henri Johannes Blaschke ein. Und dieser junge Mann ist für die Zeit seiner Anwesenheit in Vellmar ein nicht hoch genug einzuschätzender Gewinn ! SK Vellmar 1 vor der 2. Runde der Landesklasse Nord. V.l.n.r. Klaus Müller, Eugen Knoth, Volker Haus, Thomas Löbermann, Felix Kleinschmidt, Dr. Wolfgang Fichte, Manfred Heinelt, Henri Blaschke

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Landesklasse Nord: 2. Runde

Nichts für schwache Nerven: Das war knapp !

Sonntag, 09.10.2016, Gastgeber SK Vellmar 1 erwartete im GemeindezentrumVellmar West das Team vom Kasseler SK 3, natürlich auch ein Klassiker unter allden Mannschaftskämpfen der vergangenen Jahre. Der KSK war, ist und bleibt derVorzeigeklub in der nordhessischen Schachsport-Szene. Deshalb sind Punktkämpfegg. diese Spezies immer etwas Besonderes. Auch wenn es „nur die Dritte des KSK“war. Die Erste und Zweite dieses Mitglieder-Magneten agieren bekanntlich in uner-reichbaren Sphären für alle anderen Klubs. Wohlgemerkt – für nordhessische Verhält-nisse. Darüber hinaus ist, schachsportlich gesehen, Nordhessen gewissermaßen „Ent-wicklungsland der dritten Welt“ geworden (mit starker Tendenz zu bezirkseigenenSchachsport-Altersheimen). Äußerst bedauerlich, aber es lässt sich nicht ändern.

Beide Teams traten auch ersatzgeschwächt an, wobei dieser Begriff sehr relativ zusehen ist. Nicht selten sind die sog. Ersatzleute stärker als die Stamm-Protagonisten,und bedeuten somit auch keine Schwächung. Bei den Gästen fehlte Vincent Sommeram Spitzenbrett. Er ist inzwischen Student an der Uni Göttingen und hat eben nichtimmer Zeit, wenn die Termine anstehen. Dafür steht dem KSK ein erlesener Kreisvon Ersatzspielern zur Verfügung. Diesmal waren das Dr. Bernhard Heitsch und Dr.Andreas Forgach, beide zwar auch nicht mehr die Jüngsten, aber es steckt nochenormes spielerisches Potential dahinter. Vellmar musste auf Spitzenspieler Leonid Dubinsky verzichten. Für ihn sprangHenri Johannes Blaschke ein. Und dieser junge Mann ist für die Zeit seinerAnwesenheit in Vellmar ein nicht hoch genug einzuschätzender Gewinn !

SK Vellmar 1 vor der 2. Runde der Landesklasse Nord. V.l.n.r. Klaus Müller, Eugen Knoth, Volker Haus,Thomas Löbermann, Felix Kleinschmidt, Dr. Wolfgang Fichte, Manfred Heinelt, Henri Blaschke

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Fünf Remis, nur drei entschiedene Partien, aber Höchstspannung am Ende !

Einzelergebnisse:

SK Vellmar 1 - Kasseler SK 3 4,5:3,5

Brett 1: Manfred Heinelt - Karl Shoup 0:1 -“- 2: Eugen Knoth - Wladimir Krutsch 1/2 -“- 3: Felix Kleinschmidt - Harry Wüstehube 1:0 -“- 4: Volker Haus - Jan-Christopher Zärban 1/2 -“- 5: Dr. Wolfgang Fichte - Jens Hohlbein 1/2 -“- 6: Klaus Müller - Dorin-Emil Barna 1:0 -“- 7: Thomas Löbermann - Dr. Bernhard Heitsch 1/2 -“- 8: Henri Johannes Blaschke - Dr. Andreas Forgach 1/2

(fast) alle Akteure beider Teams während der Eröffnungsphase

Ein zunächst gemächlicher Beginn mit einigen kurzzügigen Remis-Partien ließ noch nichts von der späteren Dramatik ahnen.

Brett 2: Eugen Knoth - Wladimir Krutsch

Endstellung nach 10. 0-0 a7a6 Remis

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Nichts los in dieser Partie, W. Krutsch hat einen Mehrbauern, aber er ist mit dem schnellen Remiszufrieden.

Brett 8: Henri Johannes Blaschke - Dr. Andreas Forgach

Endstellung nach 12......Sd7f6 13. h2h3 Remis

Die schwarze Bauernstruktur am Königsflügel sieht etwas ramponiert aus, Bh4 ist schwach unddaher eine bleibende Angriffsmarke. Auf längere Dauer hätte sich das ggf. zum Vorteil für das

weiße Spiel ausnutzen lassen. Aber ein Remis gg. den starken Kontrahenten kann Henri auf jedenFall als einen persönlichen Gewinn betrachten.

Brett 5: Jens Hohlbein - Dr. Wolfgang Fichte

Endstellung nach 30....Tf8d8 es folgte noch 31. Tb1c1 Remis

Eine höchst zweischneidige Stellung steht auf dem Brett: Wolfgang hat eine Qualität gg. Springerund Bauer. Aber J. Hohlbein's Se5 ist eine zentrale, unvertreibbare und spielbestimmende Figur(mit allen möglichen Gabeldrohungen), die auch noch den wFreibauern c6 zuverlässig deckt.Dazu auch noch die insgesamt überlegene weiße Bauernmasse im Zentrum. Fazit – Wolfgang kannmit dem Remis mehr als zufrieden sein ! Jeder Gewinnversuch wäre ein Spiel mit dem Feuer.

Nach drei beendeten Partien lautete der Zwischenstand ausgeglichen 1,5:1,5. Fast

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erwartungsgemäß, so könnte man meinen, aber....

….es folgte ein Feuerwerksknaller mit besonders krachenden Dezibel-Werten, sogar nicht im Sinne des Gastgeber-Teams. Zündender KSK-Raketen-Experte - KarlShoup ! Manfred Heinelt müssen die Tinitus-Ohren nicht nur gepfiffen, sonderngedröhnt haben. So brachial ist er, wenn überhaupt, sicher nur äußerst selten überfah-ren worden.

Brett 1: Karl Shoup - Manfred Heinelt

Nichts lässt in der Eröffnungsphase davon ahnen, was später über Manfred hereinbricht. Hatte Karl Shoup dieses Inferno etwa vorbereitet ? Und Manfred tappte ahnungslos hinein ?

Diagramm 1 Diagramm 2

Stellung nach 17....d5xc4 18. Sf3h2 ! Endstellung nach 22....Sb8d7 23. Se4g5 1:0

Weiß nimmt nicht mit 18. d3xc4 zurück, Es drohte natürlich 24. Dh6xh7#, gibt es dagegen sondern bereitet mit dem Textzug den Kö- noch etwas ? Letztes - aber hoffnungsloses Mittel - nigsangriff vor. Da musste Manfred schon Damenopfer 24....Dd8xSg5, ist natürlich sinnlos, stutzig werden und seine Verteidigung or- und Manfred gab auf. ganisieren !

Was war das denn ? Zur Halbzeit lag Vellmar 1,5:2,5 zurück, bahnte sich eine

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Niederlage an ? Dem KSK war erfahrungsgemäß so ein Vorteil nur noch schwer ausder Hand zu nehmen. Aber in der folgenden Partie rückte Felix die Dinge für Vellmarwieder in die Waage zurecht. Das war bitter nötig, um ggf. nicht noch weiter inRückstand zu geraten !

Brett 3: Harry Wüstehube - Felix Kleinschmidt

Diagramm 1 Diagramm 2

Stellung nach 33. Ld2xf4 Tg7g4 Endstellung nach 39. Th1h3 Ta8g8 ! 0:1

Beide Könige dürften sich in ihrer luftigen Felix hat mit Materialgewinn - Turm gg. BauerLage nicht gerade wohlfühlen. Während der und 2 Figuren - bereits eine klare GewinnstellungwK aber sogar als Deckungsfigur für den erreicht. Mit dem Textzug zum „Heumacher Da-eigenen Sg3 herhalten muss, stehen die weis- mengewinn“ setzt er jetzt zum Finale an. Da sen Figuren reichlich unkoordiniert herum bleibt Harry Wüstehube nur noch die Aufgabe.und das kann Felix bei seinem Königsangriff Der Ausgleich zum 2,5:2,5 war geschafft und esgeschickt ausnutzen. ging äusserst spannend weiter.

Brett 4: Volker Haus - Jan-Christopher Zärban

Endstellung nach 40....Kd6c7 41. Td8h8 RemisEine absolut ausgeglichene Stellung lässt beiderseits keine Tricks mit doppeltem Boden zu !

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Die Bretter 1 bis 4Karl Shoup (links) schlürft genüsslich seinen Kaffee, noch hat er seinen „Hammerzug“ nicht

ausgepackt.

Brett 7: Dr. Bernhard Heitsch - Thomas Löbermann

Nach wenigen Eröffnungszügen war Thomas der Meinung, er habe unkorrekt fortge-setzt und Bernhard Heitsch erlangte danach vorteilhaftes Spiel. Das bestätigte sichzum Glück nicht, oder Thomas konnte anschließend mit genauem Spiel seinenvermeintlichen „Lapsus wieder ausbügeln“ und in ruhiges Fahrwasser überleiten.

Endstellung nach 46. Kh2g2 f6f5 Remis

Ganz gerissene Endspiel-Könner sehen hier ggf. sogar einen leichten Vorteil für Schwarz, Grund-das Läuferpaar. Aber das ist gewiss nur marginal und würde auch bei langer Partie-Fortsetzung zukeiner Entscheidung führen. Das war die 7. beendete Partie und der Spielstand - 3,5:3,5 !! Jetztgab es für beide Teams immer noch die drei Möglichkeiten Erfolg – Remis – Niederlage, je nachErgebnis der letzte Runde ! Es muss in Sachen Spannung wieder der bekannte Dramaturg von denHersfelder Festspielen am Werk gewesen sein !

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Die Bretter 5 bis 8Bildmitte: Klaus Müler - Dorin-Emil Barna

Brett 6: Klaus Müller - Dorin-Emil Barna

Diagramm 1

Stellung nach 46. Te2g2 Te8h8

Ein Stellungsfazit in diesem Turm/Bauern-Endspiel nach dem Textzug: 46 Züge sind gespielt, alle anderen Partien sind bereits beendet. Das Material ist ausgeglichen, beibeiderseits drei Bauerngruppen hat Weiß zwei schwachen Isolanis f5 und h4. Deren Verteidigungist alllerdings kaum problematisch. Der wK ist aktiv am Spiel beteiligt, während der sK sich auf-grund der gedrückten schwarzen Stellung bedeckt halten muss. Weiß hat mit Raumvorteil deutlichfreies Spiel und besonders die einzige offene g-Linie fest in der Hand. Weiß steht klar besser, aberwie kann Klaus den Vorteil in ein gewonnenes Endspiel umsetzen ? Der Druck ist groß, der Mann-schaftskampf steht auf der Kippe ! Er muss eine Entscheidung treffen: Sollen zwei Team-Punkteher und damit der Gesamterfolg sichergestellt werden, muss Klaus weiterkämpfen. Auch auf dasRisiko hin, aufgrund eines Fehlers die Partie vielleicht zu verlieren. Und Turm-Endspiele sindbekanntlich nicht von der leichten Sorte zu führen ! Aber - „no risk no fun“, erst daserfolgreich bewältigte Risiko macht den Erfolg zum Vergnügen ! Und Klaus entschied sich richtig.

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Die Partie dauerte jetzt zwar nochmals doppelt so lang, Partiegewinn und zwei Team-Punkte warender ausgleichende Lohn der Mühe.

Diagramm 2 Diagramm 3

Stellung nach 76. Kb5c6 Kd8e8 Endstellung nach 90....Ke5d4 91. Ke7xd6 1:0

Geduld war höchst gefragt bei diesem inzwi- den wFreibauern konnte Schwarz nur mit Turm-schen stark veränderten Stellungsbild. Klaus opfer aufhalten. Damit war die Partie entschiedenhatte mit einem strategisch prächtigen Manö- Der sFreibauer f4 wird vom wT jederzeit auf-ver den Kampfplatz vom Königsflügel auf gehalten, während der w Freibauer d5 zur Um-den Damenflügel verlagert und drohte einmal wandlung läuft. Dorin-Emil Barna hatte sich zwischendurch mit Ta7a8#. Das konnte sein lange Zeit gut verteidigt, dennoch hätte er die Kontrahent zwar verhindern, aber er war mit Partie bereits ca. 15 Züge früher aufgeben kön- seinem König vom wFreibauern a5 abge- nen. schnitten.

Es war geschafft, mit seinem hart erkämpften vollen Punkt hatte Klaus den Team-Er-folg zum 4,5:3,5 gesichert, und der SK Vellmar 1 bleibt weiterhin im Spitzenbereichvertreten. Wie sich die Landesklasse Nord nach zwei Runden präsentiert, wird ein echterKampf um die Meisterschaft Illusion bleiben. Die Bilanz kann man derzeit bereitsziehen: Das Halbprofi-Team aus Bad Emstal/Wolfhagen wird alles niederwalzen, wasgeritten und gefahren kommt. Das sich eine solche Konstellation auf die Motivationder Konkurrenz-Mannschaften, und auf den Nordhessen-Schachsport schlechthin,nicht positiv auswirken wird, dürfte allen Beteiligten klar sein.

Alle Ergebnisse aus der 2. Runde der Landesklasse Nord:

SF Bad Emstal/Wolfhagen 1 - SC Ehrenberg 1 8:0SK Vellmar 1 - Kasseler SK 3 4,5:3,5TG Wehlheiden 1 - SK Bad S.-Allendorf 1 5,5:2.5SC Fulda 2 - SV Alsfeld 1 4:4SVG Caissa Kassel 1 - SC Langenbieber 1 4,5:3,5

G. Preuß