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Landwirtschaft und Naturschutz im oberen Goms: Gemeinsamer Einsatz für das Braunkehlchen Jahresbericht 2015 Petra Horch Reto Spaar Jahresbericht zu Handen der am Projekt beteiligten Be- wirtschafter, der Dienststelle für Landwirtschaft und der Dienststelle für Wald und Landschaft des Kantons Wallis

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Landwirtschaft und Naturschutz im oberen Goms: Gemeinsamer Einsatz für das Braunkehlchen

Jahresbericht 2015

Petra Horch

Reto Spaar

Jahresbericht zu Handen der am Projekt beteiligten Be-

wirtschafter, der Dienststelle für Landwirtschaft und der

Dienststelle für Wald und Landschaft des Kantons Wallis

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 1

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

Impressum

Landwirtschaft und Naturschutz im oberen Goms: Gemeinsamer Einsatz für das Braunkehl-

chen. Jahresbericht 2015

Bericht zuhanden der am Projekt beteiligten Bewirtschafter, der Dienststelle für Landwirtschaft und der Dienststel-

le für Wald und Landschaft des Kantons Wallis

Autoren

Petra Horch, Dr. Reto Spaar

Bestandsaufnahmen

Petra Horch (Projektleiterin, Fördergebiet Reckingen), Lukas Arn (Zivildienstleistender, Fördergebiete Geschinen,

Geschinen Tal, Obergesteln, Oberwald, Ritzingen)

Fotos (Titelseite)

Oben: Braunkehlchenmännchen, Marcel Burkhardt; unten: Blick über das Fördergebiet Reckingen, Petra Horch

Zitiervorschlag

Horch, P. & R. Spaar (2016): Landwirtschaft und Naturschutz im oberen Goms: Gemeinsamer Einsatz für das

Braunkehlchen. Jahresbericht 2015. Schweizerische Vogelwarte, Sempach.

Kontakt

Petra Horch, Schweizerische Vogelwarte, Seerose 1, 6204 Sempach

Tel.: 041 462 97 00, 041 462 97 44 (direkt), Fax: 041 462 97 10, [email protected]

© 2016, Schweizerische Vogelwarte Sempach

Dieser Bericht darf ohne Rücksprache mit der Schweizerischen Vogelwarte Sempach weder als Ganzes noch

auszugsweise publiziert werden.

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 2

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung 3

1. Einleitung 3

1.1 Vernetzungsprojekt 2014–22 3

1.2 Deponiekonzept oberes Goms und Gemeindefusion 2015 4

1.3 Das Braunkehlchen 5

1.3.1 Kurze Beschreibung von Art und Bestandssituation 5

1.3.2 Das Problem: Auswirkungen der Grünlandbewirtschaftung 6

1.3.3 Die Lösung: Grossflächige Schutz- und Fördermassnahmen 7

2. Wirkungskontrolle Braunkehlchen 8

2.1 Methode und Kartierflächen 8

2.2 Ergebnisse Braunkehlchen 2015 9

2.2.1 Bestandszahlen 9

2.2.2 Fördergebiet 37: Ritzingen 10

2.2.3 Fördergebiet 38: Reckingen 11

2.2.4 Fördergebiet 40: Geschinen Südhang 12

2.2.5 Fördergebiet 41: Geschinen Nordhang 13

2.3 Bestandsentwicklung: Revierdichten 15

3. Fazit 17

4. Ausblick 2016 17

5. Dank 18

6. Literatur 18

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Zusammenfassung Seit 2014 werden durch das Vernetzungsprojekt im Oberen Goms vier „Fördergebiete Braunkehlchen“

gesichert, die für die Braunkehlchen wichtig sind. Die Wiesen müssen für acht Jahre extensiv oder

wenig intensiv genutzt werden und können als Biodiversitätsförderflächen angemeldet werden. Die

erste Nutzung erfolgt ab dem 15. Juli und muss eine Mahdnutzung sein.

Das Braunkehlchen-Monitoring, das die Vogelwarte seit 2006 auf Teilflächen durchführt, wurde 2015

fortgesetzt. Aufgrund der neuen Perimeter ist nur ein Vergleich der Dichten pro 10 ha sinnvoll. Über

die letzten 10 Jahre gesehen geht der Bestand zurück, hat sich aber im Vergleich zu 2014 in den

meisten Flächen leicht erholt.

2016 wird das Monitoring des Braunkehlchenbestands im oberen Goms fortgesetzt.

1. Einleitung

1.1 Vernetzungsprojekt 2014–22

Mit dem Start des achtjährigen Vernetzungsprojektes 2014–22 im oberen Goms wurden vier „Förder-

gebiete Braunkehlchen“ bezeichnet (Abb. 1, Tab. 1).

Abb. 1. Situation der vier vorgeschlagenen Fördergebiete für das Braunkehlchen im oberen Goms (rot schraffiert;

© Kanton Wallis, Vernetzungsprojekt oberes Goms, buweg).

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Tab. 1. Zusammenstellung Vorgabe Fördergebiete (FG) Braunkehlchen, Zielwerte und effektiv erreichte Biodiver-

sitätsförderflächen (BFF):

Vorgabe Zielwert Zielwert realisierte

Id Gemeinde(n), Stand Mai 2015 FG (ha) BFF (%) BFF (ha) BFF (ha)

37 Grafschaft, Reckingen-Gluringen 40 50 20 13

38 Reckingen-Gluringen 70 50 35 46

40 Münster-Geschinen 90 50 45 76

41 Münster-Geschinen, Obergoms 95 50 48 61

Das Vernetzungsprojekt hat zu einer Sicherung von weiteren Biodiversitätsförderflächen BFF für das

Braunkehlchen und die Wiesenflora und -fauna geführt. Umfasste das Fördergebiet 38 Reckingen-

Gluringen (ab 2011) eine Fläche von 18,5 ha, so ist es mit dem Vernetzungsprojekt auf 46 ha ange-

wachsen (Tab. 1). Das Fördergebiet 40 Münster-Geschinen (ab 2010) wuchs von 28,5 ha auf 76 ha.

Zusätzlich konnten mit dem Vernetzungsprojekt zwei weitere Fördergebiete realisiert werden (Förder-

gebiete 37 und 41), welche Gebiete umfassen, die sich bei den Erhebungen des Braunkehlchenbe-

stands 2006 (Rey & Sierro 2007) im ganzen Goms als wichtig für die Braunkehlchen herausstellten.

Es gelang hier bislang aber nicht, spätgeschnittenen Flächen zu sichern.

Angemeldet werden dürfen extensiv genutzte Wiesen (keine Düngung, keine Bewässerung) oder we-

nig intensiv genutzte Wiesen (Düngung mit maximal 30 kg verfügbarem Stickstoff in Form von Mist

oder Kompost; Ausnahme bei Vollgüllesystemen: verdünnte Vollgülle in kleiner Gabe bis maximal

15 kg pro ha und Gabe, jedoch nicht vor dem ersten Schnitt). Es besteht ein absolutes Kunstdünger-

verbot. Die botanische Qualität darf sich in den Vertragsjahren nicht verschlechtern (vgl. Wirkungskon-

trolle Flora), und vorhandene Strukturelemente müssen erhalten werden.

Es wird also spannend sein, die Entwicklung der Braunkehlchenbestände in den Fördergebieten in

den nächsten Jahren zu beobachten. Dazu dient das Projekt „Wirkungskontrolle Braunkehlchen obe-

res Goms“.

1.2 Deponiekonzept oberes Goms und Gemeindefusion 2015

Das Deponieprojekt fürs obere Goms wurde im Verlauf der ersten Jahreshälfte 2015 sistiert. Man

wollte zunächst den Entscheid an der Urne über die Fusion der Gemeinden im oberen Goms abwar-

ten. Im Februar 2015 beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Obergoms, aus dem Fusionsprozess

oberes Goms auszusteigen. Am Wochenende vom 13./14. Juni 2015 stimmte die Bevölkerung von

Niederwald, Blitzingen, Grafschaft, Reckingen-Gluringen und Münster-Geschinen der Fusion ihrer fünf

Gemeinden zur Gemeinde Goms klar zu. Die neue Gemeinde wird mit 1‘267 Einwohnern die einwoh-

nerstärkste Gemeinde im Bezirk Goms. Der Fusionsbeschluss wird nun dem Staatsrat unterbreitet

und soll vom Walliser Parlament im Verlauf des Jahres 2016 behandelt werden. Die Fusion soll am 1.

Januar 2017 in Kraft treten.

Das Deponiekonzept könnte schon schneller wieder Thema werden. Falls weiterhin die Fläche in Re-

ckingen als Materialdepot genutzt werden soll, hoffen wir, dass die 2014 von uns eingebrachten An-

liegen des Braunkehlchens berücksichtigt werden und als Ersatz für die Reduktion des bestehenden

Fördergebiets ebenfalls vom Braunkehlchen besiedelte Flächen, gerade benachbart zwischen Kan-

tonsstrasse und Rhone, neu in den Förderperimter aufgenommen werden (Abb. 2.).

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Abb. 2. Das Fördergebiet Braunkehlchen in Reckingen (gelbe Perimeterlinie). Das in Diskussion stehende Gebiet

für die Materialdeponie liegt im Nordosten des Gebiets (blauer Perimeter). Das von der Vogelwarte als Ersatz

vorgeschlagene Gebiet liegt nördlich angrenzend auf der anderen Rottenseite (oranger Perimeter) zwischen

Fluss und Kantonsstrasse [SWISSIMAGE © swisstopo (DV 043734)].

1.3 Das Braunkehlchen

1.3.1 Kurze Beschreibung von Art und Bestandssituation

Das Braunkehlchen ist ein insektenfressender, am Boden von Wiesen brütender Singvogel (Abb. 3).

Es verbringt den Winter südlich der Sahara in Afrika und gehört damit zu den Langstreckenziehern.

Der Bestand zeigt in der Schweiz seit Mitte des letzten Jahrhunderts infolge der Mechanisierung der

Landwirtschaft einen massiven Rückgang. Es sind kaum noch Brutgebiete unterhalb von 800 m be-

setzt. Auch in mittleren Lagen und in Tallagen der Alpen zeigen sich je nach Exposition und Intensivie-

rungsgrad der Grünlandbewirtschaftung rückläufige Tendenzen. Auf der Roten Liste der Brutvögel der

Schweiz wird das Braunkehlchen seit 2010 als „verletzlich“ (VU, vulnerable) eingestuft (Keller et al.

2010a). Der Bestandsindex zeigt eine stark negativen Entwicklung in der Schweiz (Abb. 4).

Schon seit 2001 gilt das Braunkehlchen als prioritäre Art für Förderprogramme. Seit 2005 werden

regional Fördermassnahmen für das Braunkehlchen umgesetzt (Horch et al. 2008, Horch & Spaar

2015).

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Abb. 3. Braunkehlchenmännchen: Gut zu erkennen ist der weisse Überaugenstreif (© Markus Jenny).

Eine Erhebung des Braunkehlchenbestands im Goms im Jahr 2006 ergab, dass im Goms neben dem-

jenigen im Engadin der wichtigste inneralpine Braunkehlchenbestand in der Schweiz vorkommt. Zu-

dem erarbeiteten die Dienststelle für Wald und Landschaft des Kantons Wallis und die Schweizerische

Vogelwarte Sempach gemeinsam ein Artenförderungskonzept Vögel für den Kanton Wallis (Posse et

al. 2011). In Anlehnung an das nationale Konzept zur Prioritätensetzung im Vogelschutz (Keller et al.

2010b) wurden die für den Naturschutz im Wallis besonders wichtigen Vogelarten identifiziert. Für das

Braunkehlchen wird eine hohe kantonale Handlungspriorität ausgewiesen. Konsequenterweise wur-

den in den letzten Jahren auch Massnahmen zur Förderung des Braunkehlchens im Oberen Goms

ergriffen.

Abb. 4. Bestandsindex Braunkehlchen Schweiz. Der Wert für das Jahr 2000 ist auf 100 gesetzt (© Schweizeri-

sche Vogelwarte, 2015).

1.3.2 Das Problem: Auswirkungen der Grünlandbewirtschaftung

Bestandsentwicklungen bei Wiesenbrütern wie dem Braunkehlchen hängen stark von der Intensität

der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethoden ab. Im Frühling/Sommer 2011 untersuchten wir im

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Oberen Goms das Konfliktpotenzial zwischen dem Brutverlauf (Brutphänologie) beim Braunkehlchen

und dem Mahdablauf auf sieben unterschiedlich exponierten Flächen (zwei Hangflächen in Südaus-

richtung, drei Talflächen, zwei Hangflächen in Nordausrichtung; Strebel et al. 2011). Unsere Untersu-

chungen zeigen, dass der Mahdzeitpunkt und nicht der Brutablauf des Braunkehlchens das Konflikt-

potenzial bestimmt. Als Langstreckenzieher trifft das Braunkehlchen nämlich in den verschiedenen

Untersuchungsflächen im Oberen Goms gleichzeitig ein. Es beginnt in den höher gelegenen Talflä-

chen in Oberwald nicht später zu brüten als weiter unten im Oberen Goms. Insgesamt war das Kon-

fliktpotenzial zwischen landwirtschaftlicher Bewirtschaftung und Bruterfolg in den intensiver bewirt-

schafteten, früher gemähten Flächen im Talboden am höchsten, während es in Wiesen in Hanglage

relativ gering war. Die Studie zeigt weiter, dass der Konflikt negative Auswirkungen auf die Brutdichte

und damit auch den Bestand des Braunkehlchens hat: Gebiete mit einem hohen Konfliktpotenzial

zeigen eine geringere Revierdichte der Braunkehlchen. Die Bewirtschaftungsmethoden der letzten

Jahre scheinen den Bruterfolg der Braunkehlchen hier so massiv reduziert zu haben, dass die Revier-

dichte inzwischen stark ausdünnte.

Das Braunkehlchen ist ein ortstreuer Brutvogel. Die Männchen kehren jedes Jahr in das Brutgebiet

zurück, in welchem sie erfolgreich brüten konnten, und versuchen eine Familie zu gründen und Nach-

wuchs grosszuziehen (Bastian & Bastian 1996). Dies machen sie auch, wenn sich inzwischen die

Bewirtschaftung der Wiese verändert hat und die Mahd zu früh für eine erfolgreiche Brut beginnt oder

weniger Insekten zu finden sind. Geschieht die Mahd zum Zeitpunkt, wenn das Weibchen noch die

Eier bebrütet, ist es möglich, dass es auch getötet wird. Weibchen haben daher eine höhere Mortalität

während der Brutzeit als Männchen (Grüebler et al. 2008). Da mit den meisten gebräuchlichen Monito-

ringmethoden nur singende Männchen dokumentiert werden, fällt das Fehlen von Weibchen nicht

unbedingt auf – erst wenn auch die Männchen nicht mehr in die Gebiete zurückkehren, wird der nega-

tive Effekt der Intensivierung bemerkt. Die Auswirkungen auf die Bestände der Braunkehlchen werden

also verzögert festgestellt.

1.3.3 Die Lösung: Grossflächige Schutz- und Fördermassnahmen

Ein später Mahdzeitpunkt scheint eine wirksame Schutzmassnahme für die Braunkehlchenbestände

im Oberen Goms zu sein. Das vom Bund für extensiv genutzte Flächen vorgegebene Mahddatum vom

15. Juli, das die Vogelwarte für Braunkehlchenfördergebiete anwendet und das auch für die Verträge

im Vernetzungsprojekt Anwendung findet, räumt dem grössten Teil der Braunkehlchenpaare genü-

gend Zeit für eine erfolgreiche Aufzucht der Jungen ein (Horch & Spaar 2015).

Was geschieht während einer Intensivierung der Grünlandbewirtschaftung mit den Wiesen und welche

Schutz- und Fördermassnahmen für das Braunkehlchen sind langfristig erfolgreich? Grüebler et al.

(2015) stellten dies in einem Modell dar: In frühen Stadien der Intensivierung der Grünlandbewirtschaf-

tung, wenn erst wenige Flächen intensiver bewirtschaftet werden, wirkt sich die Mahd gut erkennbar

unmittelbar negativ auf den Braunkehlchenbestand aus: Nester werden durch den Mäher zerstört und

brütende Weibchen auf dem Nest getötet. Theoretisch könnte dieser Konflikt zwischen Bodenbrüter

und Grünlandbewirtschaftung mit Nesterschutz gelöst werden. Doch hat die Intensivierung der Grün-

landbewirtschaftung auch indirekte Effekte wie die Veränderung der floristischen Zusammensetzung

der Wiesen in grasreichere, höher und dichter wachsende Bestände. Dadurch nehmen das Angebot

an Insekten und Wirbellosen und ihre Erreichbarkeit ab. Konzentriert man sich in der Braunkehlchen-

förderung nur auf den Nesterschutz, bleiben diese Veränderungen des Lebensraums und seiner Qua-

lität lange unberücksichtigt und scheinbar unwichtig, denn die Braunkehlchen brüten erfolgreich, keh-

ren also im Folgejahr zurück und ihr Nest wird wiederum geschützt. Erst Jahre nach Beginn der Be-

wirtschaftungsintensivierung hat sich das intensiv bewirtschaftete Grünland so stark verändert, dass

es für die Braunkehlchen gar nicht mehr als Lebensraum in Frage kommt, weil sie darin nicht mehr

genügend Nahrung für ihre Jungen und sich selber finden. Daher verlangt umfassende, langfristig

erfolgreiche Braunkehlchenförderung eine Grünlandbewirtschaftung, die mindestens 50 % der Fläche

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extensiv bewirtschaftet, also weder Düngung noch Bewässerung oder artenarmen Ansaaten von

Kunst- oder Futterwiesen zulässt.

2. Wirkungskontrolle Braunkehlchen

2.1 Methode und Kartierflächen

Der Perimeter der Monitoringflächen für die Wirkungskontrolle der Fördergebiete für das Braunkehl-

chen der Vogelwarte war seit 2011 definiert und wurde für 2015 an die neue Situation angepasst, die

durch das Vernetzungsprojekt entstanden ist (Abb. 5).

Die Perimeter werden von Ende Mai bis Ende Juni möglichst vor Mahdbeginn je dreimal am frühen

Morgen besucht und nach der Methode Bibby et al. (2002) resp. Schmid et al. (2010) auf einer vorge-

gebenen Route abgeschritten. Dies bedeutet:

Je drei Begehungen im Projektperimeter zwischen Morgengrauen und Mittag an Tagen ohne

viel Wind zwischen dem 25. Mai und dem 25. Juni. Fortbewegung auf den Strassen im Gebiet

im Schritt-Tempo und Erfassen aller Beobachtungen von Braunkehlchen. Zwischen den einzel-

nen Rundgängen sollten jeweils mindestens 7 Tage liegen.

Mit Beginn der Mahd verändert sich das Gefüge des lokalen Bestands: Reviere verschieben

sich, Paare trennen sich, neue Paare bilden sich. Daher ist es wichtig, dass die Begehungen

beendet sind, bevor die Mahd im Gebiet zum ersten Mal startet.

Festhalten aller Kontakte mit Braunkehlchen: möglichst genauer Eintrag des Aufenthaltsortes

und des Verhaltens des Vogels auf der Kartierkarte.

Rahmenbedingungen: Festhalten der Vegetationshöhe bzw. des Mahdfortschritts in benachbar-

ten, nicht unter Vertrag stehenden Gebieten pro Kartierrundgang auf der Kartierkarte.

Mit der verwendeten Methode werden insbesondere revieranzeigende Verhaltensweisen, meist sin-

gende Männchen, erfasst. Es handelt sich um eine vergleichende Methode: die Anzahl festgestellter

Reviere wird von einem Jahr zum anderen vergleichbar. Dies erlaubt Rückschlüsse über den Brut-

bestand. Trifft man auf dem Rundgang auf Weibchen (oder im letzten Rundgang auf Familien mit

Jungtieren), so wird dies ebenfalls erfasst. Die Methode sieht aber nicht genügend lange Beobach-

tungszeiten vor, um Aussagen über Verpaarungsrate, die Anzahl effektiver Bruten oder den Bruterfolg

zu machen.

Eine ein Quadratkilometer grosse Fläche bei Geschinen wird im Rahmen des Projekts Monitoring

Häufige Brutvögel (MHB) jährlich kartiert (Abb. 5, weitere Informationen zum Projekt und zur Methode

siehe http://www.vogelwarte.ch/de/ projekte/ueberwachung/monitoring-haeufige-brutvoegel.html).

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Abb. 5. Übersicht über die 2015 kartierten Monitoring-Flächen Braunkehlchen im Oberen Goms (violett: Förder-

gebietsflächen Vernetzungsprojekt 37–41, KFGT = Kontrollfläche Geschinen Tal, KFOG = Kontrollfläche Oberge-

steln, KFO = Kontrollfläche Oberwald) und Flächen des Monitroings häufige Brutvögel MHB (blau) [© swisstopo

(DV 351.5].

2.2 Ergebnisse Braunkehlchen 2015

2.2.1 Bestandszahlen

Die Aktivitäten der Vogelwarte standen im Jahr 2015 ganz im Zeichen der Wirkungskontrolle. Es wur-

den Bestandsaufnahmen in sieben Monitoring-Flächen durchgeführt (Abb. 5, Tab. 2).

Tab. 2. Die im Jahr 2015 im Oberen Goms kartierten Braunkehlchen-Monitoring-Flächen und Ergebnis pro Fläche

(n Reviere = Anzahl Reviere). MHB: Monitoring Häufige Brutvögel.

Monitoringfläche Flächen-Typ

(ab 2015)

Kartierer

2015

Perimeter-grösse (ha)

n Reviere n Rev/10 ha

Geschinen Südhang Fördergebiet 40 Lukas Arn 107,1 34 3,1

Geschinen Nordhang Fördergebiet 41 Lukas Arn 76,7 7 0,9

Reckingen Nordhang Fördergebiet 38 Petra Horch 52,9 26 4,9

Ritzingen Südhang Fördergebiet 37 Lukas Arn 76,9 39 5,1

Geschinen Tal Vergleich Lukas Arn 67,7 23 3,4

Oberwald Tal Vergleich Lukas Arn 66,4 18 2,7

Ulrichen MHB Barbara Ziegler 100,0 11 1,1

37

38

40

41

MHB

KFO

KFGT

KFOG

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2.2.2 Fördergebiet 37: Ritzingen

Abb. 6. Blumenwiesen im oberen Teil des Fördergebiets 37: Ritzingen Südhang (© P. Horch).

Die Kartierung der Braunkehlchenreviere zeigt, dass erst eine Minderheit der Braunkehlchen auf der

Vernetzungsprojektfläche Ritzingen (Abb. 6) auf Flächen brüten, die dank dem Vernetzungsprojekt

einen gesicherten Braunkehlchen freundlichen Schnittzeitpunkt vom 15. Juli haben (Abb. 7). Das Ziel

von möglichst 50 % zusammenhängend spät geschnittenen Flächen ist für dieses Gebiet und diesen

Braunkehlchenbestand offensichtlich noch nicht erreicht.

Abb.7. Braunkehlchenreviere 2015 in Ritzingen Südhang, Fördergebiet 37, mit einem Puffer von 35 m (orange

gestreift) und Vertragsflächen Vernetzungsprojekt (hellgrün) [SWISSIMAGE © swisstopo (DV 043734)].

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 11

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2.2.3 Fördergebiet 38: Reckingen

Abb. 8. Blick in den mittleren Teil des Fördergebiets, wo für Braunkehlchen geeignete Flächen liegen, die zum

grösseren Teil im Vernetzungsprojekt angemeldet sind (© P. Horch).

Die BFF im Fördergebiet Reckingen (Abb. 8) sind zusammenhängend und erreichen mehr als 50 %

der Perimeterfläche (Abb. 9). Die Verteilung der Braunkehlchenreviere und die Vernetzungsprojektflä-

chen überlagern sich zu einem grossen Teil.

Abb. 9. Braunkehlchenreviere 2015 in Reckingen, Fördergebiet 38, mit einem Puffer von 35 m (orange gestreift)

und Vertragsflächen Vernetzungsprojekt (hellgrün) [SWISSIMAGE © swisstopo (DV 043734)].

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 12

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2.2.4 Fördergebiet 40: Geschinen Südhang

Über 50 % der Perimeterfläche Geschinen Südhang hat einen Schnittzeitpunkt nach dem 15. Juli. Die

Überschneidung mit den Braunkehlchenrevieren ist dementsprechend gut (Abb. 10). Das Angebot an

Flächen mit einem späten Schnittzeitpunkt ist sogar so gross, dass sich im Fördergebiet wieder mehr

Braunkehlchen ansiedeln könnten.

Abb. 10. Ergebnis der Revierkartierung Braunkehlchen 2015 für das Fördergebiet Geschinen [SWISSIMAGE ©

swisstopo (DV 043734)]. Orange schraffiert = Braunkehlchenreviermittelpunkte mit einem Puffer von 35 m. Hell-

grün eingefärbte Flächen = Vertragsflächen [SWISSIMAGE © swisstopo (DV 043734)].

Für das Vernetzungsprojekt wurden die Pflanzenbestände analysiert. Die meisten Flächen im Förder-

gebiet 40 wurden der Kategorie „artenreiche Fettwiese“ zugeordnet. Die Mehrzahl der Wiesen wurde

von den Bewirtschaftern im Vernetzungsprojekt als „wenig intensiv genutzte Wiese“ angemeldet

(Abb. 11). Diese Wiese darf leicht gedüngt werden. Extensiv bewirtschaftete Wiesen eignen sich aller-

dings langfristig besser für späte Schnitttermine, da die ungedüngte Wiese langsamer reift. In arten-

reichen (Fett-)Wiesen sind auch mehr Insekten und andere Wirbellose vorhanden, hier finden die

Braunkehlchen eine bessere Nahrungsgrundlage als in wenig intensiv genutzten Wiesen.

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 13

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Abb. 11. Der Ausschnitt aus dem Bericht zum Vernetzungsprojekt 2014 zeigt, dass die Mehrheit der Flächen im

Fördergebiet Braunkehlchen Nr. 40 als wenig intensiv genutzte Wiesen angemeldet ist (orange). Die grün einge-

färbten Flächen sind Extensivwiesen, die rot eingefärbten übrige Dauerwiesen, violett sind Weiden, blau extensiv

genutzte Weiden dargestellt. Weiss schraffiert bedeutet Bauzone [© buweg 2014]

Die Vegetation zeigt in immer grösseren Flächen grasbetonte Bestände (Abb. 12). Diese Entwicklung

in eine ungewollte Richtung löst etwas Sorge ob der langfristigen Wirkung der Förder-Massnahmen

aus. Der Lebensraum für das Braunkehlchen scheint sich hier zu verschlechtern.

Abb. 12. Blick in den östlichen Teil des Fördergebiets 40: Geschinen Südhang im Mai 2015. Auffällig sind die

Löwenzahnvorkommen, die auf fette, wüchsige Gras-Bestände, also eine Nährstoffansammlung und damit inten-

sivere Bewirtschaftung hinweisen (© R. Spaar).

2.2.5 Fördergebiet 41: Geschinen Nordhang

Das Gebiet Geschinen Nordhang ist nur von wenigen Braunkehlchen auf den etwas weiträumigeren,

offeneren Flächenabschnitten besiedelt (Abb. 13 und 14). Die zwischen Rhone und Bergflanke lie-

genden Wiesen apern spät aus und liegen recht schattig, was zu einer verzögerten Entwicklung der

Wiesen und der Insekten führt. Daher ernähren sie nur wenige Braunkehlchenpaare und als Offen-

landbewohner ist es dem Braunkehlchen in eher von Gehölz dominierten Gebieten nicht wohl. Natürli-

cherweise sind diese Flächen aber erst später nutzbar, weshalb die Bestimmung von BFF mit einem

Schnittzeitpunkt vom 15. Juli hier für die Landwirte betrieblich attraktiv ist.

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 14

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Abb. 13. Blick ins Fördergebiet 41, Geschinen Nordhang (© P. Horch).

Abb.14. Braunkehlchenreviere 2015 in Geschinen Tal 2015, Monitoringfläche, ohne Vertragsflächen für das

Braunkehlchen im Vernetzungsprojekt nördlich/rechts der Rhone und in Geschinen Nordhang, Fördergebiet 41,

südlich/links der Rhone. Die Reviermittelpunkte werden jeweils mit einem Puffer von 35 m umgeben (orange

gestreift). Die Vertragsflächen Vernetzungsprojekt sind hellgrün dargestellt [SWISSIMAGE © swisstopo (DV

043734)].

Vergleicht man die Besiedlung der Braunkehlchen auf der Talfläche rechts der Rhone, wäre hier die

Anlage eines Fördergebiets für die Braunkehlchen sehr viel wertvoller (Abb. 14). Doch sind dies die

gut bewirtschaftbaren, flachen Talflächen, welche die Landwirte möglichst intensiv nutzen möchten.

Die dennoch hohe Besiedlung durch die Braunkehlchen lässt sich auf eine Zone mit extensiv bewirt-

schafteten Wiesen um die neu geschaffenen Weiher auf der ehemaligen Flugzeugpiste zurückführen

(Abb. 15).

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 15

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

Abb. 15. Stark vergrösserter Ausschnitt aus dem Vernetzungsprojekt. Gut erkennbar die Extensivwiesenzone, die

auch die Wasserfläche einschliesst (grün eingefärbt = Extensivwiese, die dunklere Fläche darunter ist der Weiher,

orange = wenig intensiv genutzte Wiese, rot = übriges Dauergrünland) [© buweg 2014].

Auch in Obergesteln gibt es weiterhin ein Vernetzungsprojet mit der Zielart Braunkehlchen. Hier müs-

sen wir Aussagen aus dem Jahresbericht 2014 korrigieren. Das Vernetzungsprojekt Obergesteln wur-

de 2013 in die zweite Phase geführt. Daher läuft es separat und die Flächen wurden nicht ins Vernet-

zungsprojekt oberes aufgenommen. Der Braunkehlchen-Bestand auf der Fläche Obergesteln wird von

uns seit 2012 nur noch alle zwei Jahre erhoben. Die nächste Erhebung steht für 2016 an.

2.3 Bestandsentwicklung: Revierdichten

Die Bestände von kleinen Singvögeln schwanken natürlicherweise von Jahr zu Jahr. Bestandszunah-

men oder -verluste von einem Jahr zum anderen im Rahmen von bis zu 20 % sind normal. Erst wenn

sich Entwicklungen über mehrere Jahre fortsetzen, kristallisiert sich ein Trend heraus.

In Tab. 3 sind die Ergebnisse aus dem Braunkehlchenmonitoring oberes Goms in Anzahl Revieren pro

10 ha dargestellt.

Tab. 3. Ergebnisse aus dem Braunkehlchenmonitoring oberes Goms (2006–2015) für die insgesamt neun Monito-

ringflächen in Anzahl Revieren pro 10 ha (= n R/10 ha). 2007 wurde nur die MHB-Fläche bei Ulrichen kartiert.

Leere Felder = Fläche wurde in diesem Jahr gemäss Monitoringkonzept nicht kartiert.

R/10 ha

2006 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Ritzingen Südhang 5,73 3,06 4,33 5,99 4,08 4,97 4,97

Reckingen Nordhang 6,56 6,37 4,44 5,02 5,21 5,02

Geschinen Südhang 5,19 4,43 5,73 6,05 5,51 3,13 3,24 2,05 3,67

Geschinen Tal 2,81 2,36 4,88 4,73 2,36 1,48 3,40

MHB Ulrichen 1,30 1,60 2,00 1,80 2,00 1,80 2,00 1,20 1,10

Oberwald Tal

2,11 1,96 1,36 1,21 2,57 2,72

Revierdichte pro Jahr 3,37 2,61 2,83 3,93 3,97 3,03 3,17 2,16 2,74

Geschinen Nordhang* 1,60 0,88

Obergesteln Tal 2,74 1,99 1,00 1,75 1,99 1,99 1,92

Ulrichen Nordhang! 4,54 3,53

* Geschinen Nordhang wurde nur 2006 bearbeitet; wird ab 2015 jährlich gezählt, da seit 2014 neues Fördergebiet. ! Ulrichen Nordhang wurde nach 2006 nur 2011 bearbeitet; wird 2016 wieder gezählt.

° Obergesteln Tal (ÖQV) wurde bis zum Abschluss des dortigen Gemeinde-Vernetzungsprojekts 2011 jährlich gezählt. Das Vernetzungsprojekt wurde ab 2013 weitergeführt. Das Braunkehlchen ist immer noch Zielart. Daher wurde die Fläche nicht ins Vernetzungsprojekt oberes Goms aufgeniommen. Seit 2012 wird Obergesteln Tal alle zwei Jahre gezählt.

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 16

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

Die folgenden Ausführungen sollen einen Zwischenstand der Entwicklung der Bestände geben:

Die ersten Kartierungen fanden im Goms 2006 statt. Seither wurden verschiedene Flächen jährlich

oder zwei-jährlich gezählt. Allerdings veränderten sich die Untersuchungsperimeter, weil gewisse

Teilflächen z.B. als Bauzone ausgeschieden wurden oder weil mit dem Vernetzungsprojekt einige

neue Flächen mit Verträgen für eine Braunkehlchen-freundliche Bewirtschaftung hinzugekommen

sind. Bis 2015 vergrösserten sich einige bereits bestehende Perimeter, weitere Perimeter kamen

hinzu. So sind auf gewissen Flächen 2015 erstmals seit 2006 wieder Daten erhoben worden. Um

diese Veränderungen zu berücksichtigen, ist nur ein Vergleich der Revierdichten (Anzahl Reviere

pro 10 ha) aussagekräftig (Tab. 3).

Die Revierdichten unterscheiden sich von Fläche zu Fläche stark und verändern sich auch von

Jahr zu Jahr (Abb. 16). Eine Aussage zur Entwicklung in den einzelnen Teilflächen ist daher

schwierig zu machen. Betrachtet man die jährlichen durchschnittlichen Revierdichten und ihre

Trendlinie (Abb. 16, schwarz), zeigt sich eine insgesamt negative Entwicklung der Revierdichte des

Braunkehlchens im Oberen Goms.

Abb. 16. Entwicklung der Braunkehlchenbestände (Revierdichte pro 10 ha) auf den einzelnen, regelmässig ge-

zählten Monitoringflächen im Oberen Goms mit jeweils der linearen Trendlinie in der gleichen Farbe wie die Moni-

toringfläche sowie durchschnittliche Revierdichte und Trendlinie über alle neun Teilflächen insgesamt (in

schwarz).

2015 war aber in vielen Flächen (Ausnahmen Reckingen und MHB-Fläche Ulrichen) ein etwas

besseres Ergebnis oder ein Gleichstand mit 2014 zu dokumentieren. Hoffen wir, dass die Entwick-

lung 2016 für alle Flächen in eine positive Richtung zeigt! Die Rahmenbedingungen in der Agrarpo-

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2006 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Rev

iere

pro

10 h

a Ritzingen Südhang

Reckingen Nordhang

Geschinen Südhang

Geschinen Tal

MHB Ulrichen

Oberwald Tal

Revierdichte pro Jahr

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 17

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

litik sollten dringend ausgebaut werden, damit die Fördermassnahmen für das Braunkehlchen wei-

ter erhöht werden können, ohne dass die Bewirtschafter Einbussen erfahren.Beispielsweise müss-

te die finanzielle Unterstützung von Extensivwiesen gegenüber derjenigen von wenig intensiv ge-

nutzten Wiesen deutlich erhöht werden.

3. Fazit Leider ist seit 2006 auch für das Obere Goms ein Rückgang der Art und ein Ausdünnen der Bestände

festzustellen. Natürlich ist die Entwicklung des Braunkehlchenbestands im Oberen Goms nicht abge-

koppelt vom gesamten Braunkehlchenbestand in der Schweiz zu betrachten. Der neue Schweizer

Brutvogelatlas wird 2017 die Situation des Braunkehlchens in der gesamten Schweiz aufzeigen. Auf

dieser wichtigen Grundlage wird es dann möglich sein, die Bestandsentwicklung des Braunkehlchens

im Oberen Goms mit derjenigen in der ganzen Schweiz zu vergleichen.

Hoffnung für das Braunkehlchen im Oberen Goms gibt das seit 2015 laufende Vernetzungsprojekt,

das Fördermassnahmen für die Biodiversität und auch das Braunkehlchen verstärkt. Das Vernet-

zungsprojekt sichert bis 2023 Flächen, die nach dem 15. Juli zum ersten Mal gemäht werden. Insge-

samt ist es noch zu früh, die Wirkung des Vernetzungsprojektes zu beurteilen. Allerdings zeichnen

sich bereits jetzt folgende Entwicklungen als Stolpersteine für einen Erfolg ab:

Die Beteiligung der Bewirtschafter im Fördergebiet Ritzingen ist noch ungenügend. Noch

konnte die grossflächig, spät geschnittene, artenreiche Wiesenfläche nicht gesichert werden,

welche die Braunkehlchen für ein erfolgreiches Brüten brauchen.

Im Fördergebiet Geschinen Südhang fällt die hohe Zahl der wenig intensiv genutzten Flächen

auf, die zwar einen späten Schnittzeitpunkt vom 15. Juli einhalten,deren Pflanzenbestände

aber zu verarmen scheinen. Damit wird die Qualität der Wiesen als Lebens- und Nahrungs-

raum für die Braunkehlchen verringert und es droht ein Konflikt mit dem Schnittzeitpunkt.

Leider konnte auch diesmal in der Talfläche von Geschinen kein Fördergebiet für das Braun-

kehlchen eingerichtet werden. Immerhin sichern die unter Vertrag stehenden extensiv genutz-

ten Wiesen um die Weiher einem Teil der Braunkehlchen einen Bruterfolg. Für diejenigen, die

sich auf der übrigen Fläche ansiedeln, kommt es durch die Mahd zum Nesterverlust. Braun-

kehlchen, die daraufhin in noch ungemähten Wiesen z.B. an den Talflanken ein Ersatznest

anlegen, werden dort mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgemäht und einen Brutverlust erleben.

Der Schnittzeitpunkt vom 15. Juli lässt nicht genügend Zeit für eine erfolgreiche Ersatzbrut.

4. Ausblick 2016 Für 2016 steht eine „kleine“ Monitoringrunde an. Jährlich gezählt werden die Bestände des Braun-

kehlchesn in den beiden schon längere Zeit bestehenden Fördergebieten Geschinen Südhang (seit

2010, Fördergebiet 40) und Reckingen Nordhang (seit 2011, Fördergebiet 38). Alle zwei Jahre erho-

ben werden die Braunkehlchenbestände in den beiden Zusatzflächen Ulrichen Nordhang und Ober-

gesteln Tal (ehemalige Projektfläche nach Öko-Qualitätsverordnung). Geplant ist die Anstellung eines

Praktikanten. Falls die Position besetzt werden kann, wird das Monitoring für 2016 ausgebaut und es

werden auch die beiden neuen Fördergebiete Ritzingen Südhang und Geschinen-Münster Nordhang

erfasst (Fördergebiete 37 und 41).

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 18

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5. Dank Wir danken den kantonalen Dienststellen für Landwirtschaft und für Wald und Landschaft für die Zu-

sammenarbeit im Projekt „Landwirtschaft und Naturschutz im Goms: Gemeinsamer Einsatz für das

Braunkehlchen“ (Horch et al. 2010), dessen Ziele nun im Vernetzungsprojekt verstärkt und auf weite-

ren Flächen umgesetzt werden sowie allen Landwirten, die bereit waren und sind, Massnahmen für

die Förderung des Braunkehlchens zu realisieren. Ein besonderer Dank gilt der Biobergkäserei Goms,

die von Anfang an Interesse an der Braunkehlchenförderung zeigte. Einzelne ihrer Mitglieder beteili-

gen sich seit 2010 am Projekt.

Danke auch den Mitarbeitern des Ökobüros buweg für den Informationsaustausch im Zusammenhang

mit dem Vernetzungsprojekt oberes Goms und an die Gemeinde Reckingen-Gluringen sowie an

Raum & Umwelt für die Möglichkeit, die Anliegen der Braunkehlchen im Zusammenhang mit der ge-

planten Deponie einzubringen.

Ein herzliches Dankeschön geht auch an die folgenden Stiftungen, welche die Artenförderung Braun-

kehlchen finanziell unterstützen und damit unsere Aktivitäten überhaupt möglich machen: Stiftung

Schlageter-Hofmann, Stiftung Boguth-Jonak und Stiftung Yvonne Jacob.

Abb. 17. Vielleicht doch etwas rosa am Horizont? Braunkehlchenmännchen auf einem Zaunpfosten in einer vom

Knöterich geprägten, bunten Blumenwiese (© Jürgen Feulner).

6. Literatur Bastian, A. & H.V. Bastian (1996): Das Braunkehlchen – Opfer der ausgeräumten Kulturlandschaft.

Aula-Verlag GmbH, Wiesbaden.

Bibby, C.J., N.D. Burgess, D.A. Hill & S.H. Mustoe (2002): Bird Census Techniques. 2nd edition.

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Braunkehlchenförderung im oberen Goms: Jahresbericht 2015 19

Schweizerische Vogelwarte Sempach, 2016

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