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CHRISTOPHORUS HILDEBRANDT OSB Landwirtschaftliche Berufsbildung und ideologische Schulung für die Ostsiedlung Die Einrichtung eines Landdienstlehrhofes der Hitlerjugend in der beschlagnahmten Benediktinerabtei Gerleve von April 1942 bis März 1945 1. Landdienst und Ostsiedlung a) Ursprung und Ziele des Landdienstes Im Frühjahr 1942 wurde auf dem Gelände der Benediktinerabtei Gerleve, Biller- beck, die im Juli 1941 von der Geheimen Staatspolizei (GESTAPO) aufgehoben worden war, neben dem "NSV-Haus für Mutter und Kind" (NSV = National- sozialistische Volkswohlfahrt) eine weitere Einrichtung des Nationalsozialismus geschaffen: der "Landdienstlehrhof Gerleve". Hatte man das NSV-Haus aus der Not des Krieges heraus eröffnet, um schwangeren Frauen aus bombengefähr- deten Städten einen ruhigen Ort für ihre Niederkunft anbieten zu können, so war der Landdienstlehrhof auf den erwarteten Sieg Deutschlands ausgerichtet. "Wenn der Sieg der deutschen Waffen im Osten errungen sein wird - und eines Tages wird das ganz sicher der Fall sein - dann muß dem Soldaten der junge Bauer folgen, um dort, wo das Blut deutscher Soldaten den Boden tränkte, zu säen und zu ernten", so proklamierte der "Landdienstbrief", das Organ des Landdienstes im Gebiet Westfalen-Nord, vom Januar 1944 die Zukunftspers- pektive des Landdienstwesens. 1 Die Einrichtung des Landdienstes in Deutschland gründete tief im national- sozialistischen Denken. Es war einer der tragenden Grundsätze dieser Ideolo- gie, dass der Bauernstand das "Fundament der gesamten Nation" sei,2 und zwar nicht nur als Garant der Ernährung des Volkes, sondern ebenso als "Lebensquell der nordischen Rasse"3. Von der Reinheit der Rasse hänge die Lebenskraft und Leistungsfähigkeit des Volkes ab, das sich umso leichter gesund erhalten könne, je mehr es dem Boden verbunden sei. 4 "Nur da hatte sich durch Jahrhunderte deutsches Volkstum stark und lebenskräftig erhalten, wo deutsche Bauern sa- ßen";5 dabei ging der Blick auch auf das deutsche Bauerntum, das sich außerhalb 1 Bubenzer, Leo, Landdienstlehrhof Gerleve, in: Landdienstbrief des Gebietes Wesdalen-Nord, Land- dienst der HJ, hg. von Walter Kröcher, Januar 1944. - "Gebiet": Die HJ war regional in 38 Gebiete ge- gliedert, die Je ca. 150 000 Jungen umfassten (Schlag nach! Wissenswerte Tatsachen aus allen Gebieten, Leipzig 1941, S. 216). 2 Hitler, Adolf, Mein Kampf, München 1936, S. 151. 3 Titel eines Buches von Walther Darre, "Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse«. München 1928. - Vgl. auch Albers, Helene, Zwischen Hof, Haushalt und Familie. Bäuerinnen in Westfalen-Lippe (1920-1960), Paderborn, München, Zürich 2001, S. 287. 4 Schrewe, Ernst, Volk und Staat. Greifzu, Julius (Hg.), Handbuch des Deutschen Kaufmanns. Hamburg o. J., S. 33f. . 5 Jaenicke, Ernst, Reichsbauernführer Walther Darre, o. O. o. J., Sadila-Mantau, Hans Heinz (Hg.), Unsere Reichsregierung, Berlin 1936, S. 174. Quelle: Westfälische Zeitschrift 155, 2005 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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CHRISTOPHORUS HILDEBRANDT OSB

Landwirtschaftliche Berufsbildung und ideologische Schulung für die Ostsiedlung

Die Einrichtung eines Landdienstlehrhofes der Hitlerjugend in der beschlagnahmten Benediktinerabtei Gerleve

von April 1942 bis März 1945

1. Landdienst und Ostsiedlung

a) Ursprung und Ziele des Landdienstes

Im Frühjahr 1942 wurde auf dem Gelände der Benediktinerabtei Gerleve, Biller­beck, die im Juli 1941 von der Geheimen Staatspolizei (GESTAPO) aufgehoben worden war, neben dem "NSV-Haus für Mutter und Kind" (NSV = National­sozialistische Volkswohlfahrt) eine weitere Einrichtung des Nationalsozialismus geschaffen: der "Landdienstlehrhof Gerleve". Hatte man das NSV-Haus aus der Not des Krieges heraus eröffnet, um schwangeren Frauen aus bombengefähr­deten Städten einen ruhigen Ort für ihre Niederkunft anbieten zu können, so war der Landdienstlehrhof auf den erwarteten Sieg Deutschlands ausgerichtet. "Wenn der Sieg der deutschen Waffen im Osten errungen sein wird - und eines Tages wird das ganz sicher der Fall sein - dann muß dem Soldaten der junge Bauer folgen, um dort, wo das Blut deutscher Soldaten den Boden tränkte, zu säen und zu ernten", so proklamierte der "Landdienstbrief", das Organ des Landdienstes im Gebiet Westfalen-Nord, vom Januar 1944 die Zukunftspers­pektive des Landdienstwesens. 1

Die Einrichtung des Landdienstes in Deutschland gründete tief im national­sozialistischen Denken. Es war einer der tragenden Grundsätze dieser Ideolo­gie, dass der Bauernstand das "Fundament der gesamten Nation" sei,2 und zwar nicht nur als Garant der Ernährung des Volkes, sondern ebenso als "Lebensquell der nordischen Rasse"3. Von der Reinheit der Rasse hänge die Lebenskraft und Leistungsfähigkeit des Volkes ab, das sich umso leichter gesund erhalten könne, je mehr es dem Boden verbunden sei.4 "Nur da hatte sich durch Jahrhunderte deutsches Volkstum stark und lebenskräftig erhalten, wo deutsche Bauern sa­ßen";5 dabei ging der Blick auch auf das deutsche Bauerntum, das sich außerhalb

1 Bubenzer, Leo, Landdienstlehrhof Gerleve, in: Landdienstbrief des Gebietes Wesdalen-Nord, Land­dienst der HJ, hg. von Walter Kröcher, Januar 1944. - "Gebiet": Die HJ war regional in 38 Gebiete ge­gliedert, die Je ca. 150 000 Jungen umfassten (Schlag nach! Wissenswerte Tatsachen aus allen Gebieten, Leipzig 1941, S. 216). 2 Hitler, Adolf, Mein Kampf, München 1936, S. 151. 3 Titel eines Buches von Walther Darre, "Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse«. München 1928. - Vgl. auch Albers, Helene, Zwischen Hof, Haushalt und Familie. Bäuerinnen in Westfalen-Lippe (1920-1960), Paderborn, München, Zürich 2001, S. 287. 4 Schrewe, Ernst, Volk und Staat. Greifzu, Julius (Hg.), Handbuch des Deutschen Kaufmanns. Hamburg o. J., S. 33f. . 5 Jaenicke, Ernst, Reichsbauernführer Walther Darre, o. O. o. J., Sadila-Mantau, Hans Heinz (Hg.), Unsere Reichsregierung, Berlin 1936, S. 174.

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der Reichsgrenzen angesiedelt hatte. "Das Deutschland der Zukunft wird ein Bauernreich sein, oder es wird nicht sein"; emphatisch wurde dieses Hitler-Wort zitiert.

Es lag auf der Linie dieser Auffassung, dass 1934 für alle Jugendlichen, die nach Ablauf ihrer Schulpflicht die Schule verließen, also für die Vierzehnjährigen, die "Landjahrpflicht" eingeführt wurde, und zwar, wie es im "Preußischen Gesetz über das Landjahr" hieß, um ihre "seelische Verbundenheit ... mit Heimat und Volkstum und das Verständnis für den völkischen Wert gesunden Bauerntums zu vertiefen".6 Auch sollte durch die Heranziehung der Jugendlichen zu "Land­hilfe" und "Erntehilfe" der Landwirtschaft geholfen und die Beziehung zu ihr gestärkt werden.7

War das "Landjahr" eine staatliche Einrichtung, die dem Reichserziehungs­ministerium unterstand,8 so handelte es sich beim "Landdienst" um einen "Son­derdienst" der Hitlerjugend (HJ), die ihrerseits eine Untergliederung der Natio­nalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) war. Der Landdienst war 1934 aus dem "Bund der Artamanen" hervorgegangen.9 Die Artamanen-Bewe­gung war 1923 mit dem Ziel ins Leben gerufen worden, den Einsatz polnischer Landarbeiter auf den Gütern in den Ostprovinzen des Reiches zurückzudrän­gen.

Der Name "Artam", ein alt-indogermanisches Wort, drückte programmatisch das Selbstbewusstsein der Artamanen aus: Er sollte so viel wie "Erneuerung aus den Urkräften des Volkstums, aus Blut, Boden, Sonne, Wahrheit" aussagen. Die Artamanen hielten sich für die, die "das Land verteidigen" . 10 Sie sahen sich auf "den Weg zur Mutter Erde" gewiesen, und zwar im Besonderen zur Erde des ostdeutschen Raumes. "Dort liegt die Lebenslinie unseres Volkes. Sie macht nicht Halt an den geographischen Grenzen, sondern geht soweit die deutsche Sprache und die deutschen Menschen leben", hieß es in einer Schrift des Ar­tam-Bundes. ll Mit diesem Programm trafen sie sich mit Hitlers Forderung, das deutsche Volk dürfe sich nicht durch politische Grenzen von "den Grenzen des ewigen Rechtes" abbringen lassen. lz "Staats grenzen werden durch Menschen geschaffen und durch Menschen geändert", erklärte Hitler.13 Wo diese Staats­grenzen neu geschaffen werden sollten, gab er dann sehr deutlich an: "Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir nur an

6 Gesetz über das Landj'ahr v. 29. 3. 1934, in: Preußische Gesetzsammlung 1934, S. 243, Boberach, Heinz, Jugend unter Hit er, Düsseldorf 1982, S. 96. 7 Albers (wie Anm. 3), S. 319, 325. 8 Niehuis, Edith, Das Landjahr. Eine Jugenderziehungseinrichtung in der Zeit des Nationalsozialismus, Nörten-Hardenberg 1984, S. 60f. 9 Die Überführung der Artamanen in die HJ am 7. 10. 1934 war der "Geburtstag des Landdienstes der HJ", Schmitz, Peter, Die Artamanen. Landarbeit und Siedlung bündischer Jugend in Deutschland 1924-1935, Bad Neustadt a. d. Saale 1985, S. 105. tOBrandenburg, Hans-Christian, Die Geschichte der HJ. Wege und Irrwege einer Generation, Köln 1968, S. 77. - Bedürftig, Friedemann, Lexikon Drittes Reich, München 1997, Artikel "Artamanen". Vgl. auch Schmitz (wie Anm. 9), S. 44. 11 Rosenberg, Alwiß, Zehn Jahre Artam, in: Bund Artam e. V \Hg.), Zehn Jahre Artam, Sternberg­Neumarkt/Lehngut Koritten 1934, S. 1, zitiert nach: Linse, U rieh (Hg.), Zurück, 0 Mensch, zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890-1933, München 1983, S. 331. 12 Hitler (wie Anm. 2), S. 152. 13 Ebd., S. 740.

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Ruß I a n d und die ihm untertanen Randstaaten denken."14 Die Artamanen verfochten den Gedanken, dass nur durch Siedlung deutsches Land im Osten durchgreifend in den Besitz der Nation genommen werden könne und fremde Völker verdrängt werden könnten. 15 Wie Hitler ging es den Artamanen dabei nicht nur um die Beschaffung lebensnotwendigen Raumes für das deutsche Volk; sie waren - wie er - auch davon überzeugt, zum antislawischen Kampf aufgrund des höheren Wertes der germanischen Rasse verpflichtet zu sein. Ihr "blutrotes Hakenkreuzbanner" trug die Inschrift "Naer Ostland willen wij rijden" . "Das war das Symbol des erwachten Rassebewußtseins und der Erkenntnis der Le­benswichtigkeit des ostdeutschen Raumes", schrieb die erwähnte Broschüre des Artam-Bundes. 16 "Artam ist völlige Abkehr vom Westen und seiner Zivilisation. Deutschlands Zukunft, Deutschlands junge Kraft liegt im Osten. Unser Schick­sal entscheidet sich nicht an Ruhr und Rhein, sondern an der Weichsel und der Meme!." 17 Die Artamanen standen von ihrem Denken her dem Stadtleben skep­tisch gegenüber. Sie schrieben ihm Geburtenunfähigkeit und die Gefahr erbge­sundheitlicher Schädigungen zu. Deshalb entarte und versickere die germanische Rasse in den Großstädten. Hingegen könne in Verbindung mit dem Boden ein neuer Aufbau erfolgen, so dass man zur Wiederverwurzelung des deutschen Menschen auf dem Land verpflichtet sei. 1B Der Bauernstand müsse durch Sied­lung gestärkt werden, die die Ernährungsgrundlage des Volkes sichere und vom Ausland unabhängig mache, erklärte der Artam-Bund. Die neue "Verwurzelung mit der Scholle" werde die selbstständigen Existenzen vermehren und die Ar­beitslosigkeit bekämpfen. Dabei wurde auch auf den kulturellen Gewinn der Neuansiedlung verwiesen: Sie verstärke das "organische, gesunde Denken" .19

Bei der Nähe artamanischen Denkens zur nationalsozialistischen Ideologie ist es kaum zu verwundern, dass bereits 192780 Prozent der Artamanen Na­tionalsozialisten waren. Eine Reihe von ihnen gelangte im NS-Staat zu hohen Ämtern. Heinrich Himmler, der Reichsführer der SS, war Gauführer der Arta­manen in Bayern gewesen.20 Ebenfalls hatte Richard Walther Darre, der als Ver­fechter einer rassischen Erneuerung des deutschen Volkes mit Himmler und der SS Kontakt bekommen hatte, ihnen angehört.21 Seit 1930 war er der Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung der NSDAP, des "agrarpolitischen Apparates";22 1933 wurde Darre Reichsbauernführer sowie Reichsminister für Ernährung und

14 Ebd., S. 742 (Sperrung im Original). 15 Uhl-Sallentin, Philipp, Warum Siedlung, in: Bund Artam (wie Anm. 11), S. 3, zitiert nach: Linse (wie Anm. 11), S. 332. 16 Rosenberg (wie Anm. 11), in: Bund Artam (wie Anm. 11), S. I, zitiert nach: Linse (wie Anm. 11), S. 331. Die Inschrift "Naer Ostland ... " nahm den Anfang eines flämischen Liedes auf, vgl. Schmitlt, H . w., u . Weber, A. (Hg.), Die Garbe. Aus der Ernte deutscher Volkslieder, Köln 1921, S. 225. 17 Ebd. 18 Rosenberg (wie Anm. 11), in: Bund Artam (wie Anm. 11), S. I, zitiert nach: Linse (wie Anm 11), S.332. 19 Uhl-Sallentin (wie Anm. 15), in: Bund Artam (wie Anm. 11), S. 3f., zitiert nach: Linse (wie Anm. 11), S.332. 20 Ackermann, losef, Heinrich Himmler - ,Reichsführer - SS', in: Smelser, Ronald / Zitelmann, Rainer (Hg.), Die braune Elite. 22 biographische Skizzen, Dannstadt 1989, S. 128. 21 Jaenicke (wie Anm. 5), Sadila-Mantau (wie Anm. 5), S. 178. 22 Barkai, Avraham, Das WlrtSchaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und ideologische Hintergrund. 1933-1936, Köln 1977, S.I11.

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Landwirtschaft im Kabinett Hitler. Sein Plan einer Kolonisation der deutschen Ostgebiete wurde während des Krieges von der SS, die sich selbst als "Neuer Adel", in "Bauernschwarz" gekleidet, apostrophierte, auf die eroberten osteuro­päischen Länder ausgedehnt.23 Schließlich ist Rudolf Höß zu nennen, der 1929 zu den Artamanen stieß, über sie zur SS gelangte und von 1940 bis 1945 der be­rüchtigte Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz war. Er schilderte die Artamanen so: "Es war dies eine Gemeinschaft junger, volks bewußter Men­schen, Jungen und Mädel, aus der Jugendbewegung aller national-denkender [sie!] Partei-Richtungen hervorgegangen, die einmal aus dem ungesunden, zer­setzenden und oberflächlichen Leben der Städte, besonders der Großstädte, her­aus zu einer gesunden, harten, aber naturgemäßen Lebensweise auf dem Lande zurückfinden wollten. Sie verschmähten Alkohol und Nikotin, ja alles, was einer gesunden Entwicklung des Geistes und des Körpers nicht dienlich ist. Und zum anderen: auf dieser Lebensgrundlage ganz zum Boden zurückzukehren, aus dem ihre Vorfahren hervorgegangen waren, zum Lebensquell des deutschen Volkes, zur gesunden bäuerlichen Siedlung. "24

Als der Reichsjugendführer der NSDAP, Baldur von Schirach, nach seiner Ernennung zum "Jugendführer des Deutschen Reiches" am 17. Juni 1933 be­gann, alle Jugendorganisationen außerhalb der Hitlerjugend aufzulösen und zu verbieten - die katholischen Jugendverbände ereilte dieses Schicksal allerdings erst 1938 -, entging der "Bund der Artamanen" dieser Maßnahme. Er wurde am 7. Oktober 1934 mit 500 Mitgliedern in 45 Gruppen geschlossen in die HJ über­nommen und bildete nun den Kern des "Landdienstes" der HJ;25 alle Führer­steIlen des Landdienstes wurden in der Anfangszeit mit ehemaligen Artamanen besetzt. Auch später hatten sie die meisten mittleren und höheren Führungsstel­len inne.26 Dass die Artamanen auch unter den rechtsgerichteten Jugendbünden eine besondere Stellung einnahmen und den Ideen des Nationalsozialismus am nächsten standen, kommt in von Schirachs Feststellung zum Ausdruck: "Es ist bezeichnend, daß die einzige reale bündische Organisation, der Bund der Ar­tamanen, Pionierarbeit für den Nationalsozialismus leistete und sich ganz dem Dienst am Werke Adolf Hitlers verschrieb ... Die Artamanen dienen einer Idee, die ein Teil des Nationalsozialismus ist, die Bünde hingegen sind ein Stück Ver­gangenheit. "27 Voller Genugtuung stellte Darre auf dem 6. Reichsbauerntag in Goslar am 27. November 1938 fest: "Und es ist kein Zweifel darüber, daß die Bestrebungen der Artamanen geistig Pate gestanden haben bei außerordentlich vielen Bekenntnissen der NSDAP zum deutschen Bauerntum."28 Ideen und Ziele der Artamanen hat der Landdienst der HJ aufgegriffen und fortgeführt; allerdings konnte er die Härte des Arbeitseinsatzes, wie sie beim Artamdienst

23 Corni, Gustavo, Richard Walther Darre, SmelserlZitelmann (wie Anm. 20), S. 16-23. - Eimer, Hans­Jürgen, Hitlers Deutsche. Das Ende eines Tabus. Gernsbach 1990, S. 285. 24 Höß, Rudolf, Kommandant in Auschwitz. Autobiographische Aufzeichnungen, hg. von Manfred Broszat, München 4. Aufl. 1978, S. 53; vgl. S. 53-55. 25 Die Kameradschaft, Blätterfür Heimabendgestaltung in der BI, Ausgabe B, 22. 3. 1939, Folge 12, S. 15. - Klönne, Arno, Jugend Im Dntten ReICh. DIe Hliler-Jugend und ihre Gegner. Dokumente und Analysen, Düsseldorf 1982, S. 23 u. 27. - Brandenburg (wie Anm. 10), S. 79. 26 Schmitz (wie Arun. 9), S. 105. 27 Baldur von Schirach, Hitler-Jugend, o. O. o. J., 5.51, Brandenburg (wie Arun. 10), S. 79f. 28 Rühle, Gerd, Das Dritte Reich. Dokumentarische Darstellung des Aufbaus der Nation. Das sechste Jahr, 1938, Berlin o. J ., S. 315.

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üblich war,29 nicht fordern. Doch wirkte sich die Integration der Artamanenbe­wegung bei der Hitlerjugend so aus, dass diese sich nun mit größerem Interesse dem Bauerntum zuwandte und auf das Problem der Landflucht aufmerksam wurde.

Im Zuge der Industrialisierung hatten die Städte seit der Mitte des 19. Jahrhun­derts immer mehr Teile der Landbevölkerung aufgesogen. "Es war keine Ehre mehr, Dorfmensch und Bauer zu sein. Die Menschen suchten ihr Herkommen zu verleugnen", vermerkte 1935 ein katholisches Werkblatt für Jugendpräsides.30

Die erheblichen Ernährungsschwierigkeiten, die die Blockade der Alliierten im Ersten Weltkrieg für die deutsche Bevölkerung mit sich gebracht hatte, waren noch in Erinnerung. Sie sollten in Zukunft keine Bedrohung mehr für Deutsch­land werden. So war man darauf aus, das Reich landwirtschaftlich autark zu ma­chen. Da das Hitler-Reich die Grundforderung der nationalsozialistischen Ideo­logie, die Reinerhaltung und Stärkung der germanischen Rasse, in einem starken Bauerntum erfüllt sah, galt es, "das Bewußtsein von dem Wert und der Würde der bäuerlichen Arbeit und von der Bedeutung des Bauerntums für die biologi­sche Zukunft unseres Volkes zu wecken und zu verstärken".3! Im Dienste dieser Ideologie setzte sich der Landdienst drei Ziele. Er wollte: ,,1. durch sein Beispiel die gesamte deutsche Jugend auf die Kräfte des Landes, auf das Bauerntum aus­richten, 2. einen Teil der in den Städten lebenden Jugend für den praktischen Einsatz in der Landwirtschaft gewinnen". Vor allem aber ging es ihm nicht nur um einen zeitweiligen Einsatz der Jungen und Mädchen in landwirtschaftlicher Arbeit, sondern er wollte: ,,3 . eine möglichst hohe Anzahl seiner Angehörigen beruflich mit der Arbeit auf dem Lande verbinden".32 Sie sollten später einmal einen eigenen Hof bearbeiten und besitzen. Diese Ziele waren am 8. Januar 1940 in einer Vereinbarung zwischen der Reichsjugendführung, der obersten Reichs­behörde der Hitlerjugend in Berlin, und dem Reichsnährstand, der Organisation des deutschen Bauerntums, festgelegt worden. "Die HJ ist alleinige Trägerin des Landdienstes. Sie hat die politische und weltanschauliche Erziehung. Aufgabe des Reichsnährstandes ist es, im Bauerntum Verständnis und Aufgeschlossenheit im vollsten Maße zu erreichen, die wirtschaftliche und soziale Betreuung und die berufliche Förderung zu übernehmen."33

Der Landdienst ging bewusst von der Stadt aus.34 Gern wies man darauf hin, dass schon die Vorfahren der jetzigen LanddienstIer "den Pflug gezogen" hät­ten;35 nun strebten die jungen Menschen - "die Hälfte von ihnen sind Berg­mannssöhne aus dem Pütt" - "zur eigenen Scholle" zurück.36

29 Vgl. Ritz, Eugen, Das Bundesgut Koritten, in: Bund Anam (wie Anrn. 11), S. 10f., zitien nach: Linse (wie Anrn. 11), S. 333. - Mager, Wolfgang, 1933 als Student im Anamdienst, in: Bund Anam (wie Anrn. 11), S. 14-16, zitien nach: Lmse (wie Anm. 11), S. 335-338.

30 J. T. , Wege in zeimahe Landseelsorge, Jugendpräses 1935/2, Werkblatt für Präsides, Düsseldorf, S.103. 31 Appell der vestischen Landjugend, Landdienstbrief, April 1944. 32 Fischer, Hilde 1 Fröhlich, Kurr, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. 33 Koch, Hannsjoachim W., Hitlerjugend, München 2. Auf!. 1983, S. 151. 34 SS-Hauptamt, Denkschrift über den Landdienst v. 2. 3.1939, Bundesarchiv Berlin (BAB) 0.239 HJ S. 26. 35 Vgl. Henkel, Karl-Heinz, D er Osten ruft die Jugend, Wesdälische Tageszeitung 14. 6. 1942.

36 Bubenzer (wie Anrn. I).

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b) Förderung des Landdienstes im nationalsozialistischen Staat

Im Unterschied zum Landjahr, zum Haushalts-Pflicht jahr und zum Reichsar­beitsdienst beruhte der Landdienst auf Freiwilligkeit. Es musste dafür also die Werbetrommel gerührt werden. Die Vermittlung von Lehr- und Arbeitsstellen war einmal allein die Aufgabe der Arbeitsämter gewesen. Seit 1935 hatte aber die HJ immer mehr Einfluss auf diesen Bereich gewonnen. So erfolgte auch die Werbung für den Landdienst in engster Zusammenarbeit zwischen HJ und den Arbeitsämtern.37 Reichsjugendführer Axmann begründete die Einflussnahme der Hitlerjugend in Bereichen, die ihr früher nicht zugänglich waren, mit der Verantwortung der Hitlerjugend für die junge Generation und für ihre Leis­tungsfähigkeit. Wo früher die gewerkschaftliche Haltung die Jugend in Oppo­sition zum Staat gebracht habe, sei heute ein inniges Zusammenwirken mit allen Stellen der Partei, des Staates und der Wirtschaft getreten, das sich in Gesetzen, Verordnungen und praktischen Maßnahmen dokumentiere, die den "Geist der Hitler-Jugend" trügen.38

Bei den Werbeaktionen für den Landdienst stieß man nicht selten zunächst auf Ablehnung bei den Jugendlichen. Sie hatten eine schlechte Meinung vom Bauern und zogen die Ausführungen der Landdienstwerber ins Lächerliche. In einem Be.richt über eine Werbeaktion in Lagern der Kinderlandverschickung hieß es: "Uberall trafen wir erst auf eisige Ablehnung. Wenn dann das Eis gebrochen war, erkannten die Jungen die Gelegenheit und griffen zu. Immer wieder konn­ten wir feststellen, daß die Jungen im ersten Augenblick Hemmungen hatten. Sie dachten wohl daran, was ihre Eltern, was der Lehrer dazu sagen würde, wenn sie sich meldeten. Wenn ihnen dann der Lehrer sagte, daß auch er von der Wichtig­keit dieser Aufgabe überzeugt sei, wenn wir erklärten, die Sache mit ihren Eltern regeln zu wollen, erst dann gingen die Jungen aus sich heraus und waren Feuer und Flamme."39

Wir wissen allerdings, dass viele Eltern für landwirtschaftliche Berufe ihrer Kinder nicht zu haben waren, sondern für sie eine Tätigkeit als Facharbeiter und in "städtischen" Berufen vorzogen, weil sie darin bessere Chancen für Auf­stieg und höhere Löhne sahen.40 "Coesfelder Jungen und Mädel aufs Land!", so rief auch die "Allgemeine Zeitung für die Kreise Coesfeld und Ahaus" am 4. Juli 1942 die Jugendlichen auf, "sich in Scharen dem Landdienst der Hit­ler-Jugend zur Verfügung zu stellen". Sie machte Mut mit der Feststellung, Coesfelder Jungen und Mädchen, die ihre Dienstpflicht bereits auf dem Land ableisteten, hätten so viel Freude und Lebensinhalt in der Landarbeit gefun­den, dass sie möglicherweise überhaupt nicht mehr in die Stadt zurückkehren wollten. Wie sehr der HJ-Führung der Landdienst am Herzen lag, zeigt etwa auch, dass zu einer Dienstbesprechung der Berufsberater und -beraterinnen der westfälischen Arbeitsämter im September desselben Jahres eigens von der Hit-

37 Klönne (wie Arun. 25), S. 49. - Schubert-Weller, Christoph, Hitlerjugend. Vom »Jungsrurm Adolf Hicler" zur Staatsjugend des Dritten Reiches. Materialien zur Historischen Jugendforsdiung, hg. von Ulrich Hermann. Weinheim, München 1993, S. 189. 38 Axmann, Arrur, Die sozialistische Tat der Jugend, Landdienstbrief, April 1944. 39 Loseh, Werner, Landdiensrwerbung in den KLV-Lagern des Gebietes Hochland, Landdienstbrief, April 1944. 40 Hauke, Reinhard, Das Landjahr. Ein Stück Erziehungsgeschichte unter dem Hakenkreuz, Hagen 1996, S. 307f.

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lerjugend der K -Gebietsführer (= Kriegs-Gebietsführer, wegen des Krieges nur kommissarischer Gebietsführer), Oberbannführer van O open, erschien und den Berufsberatern für ihre Arbeit nachdrücklich die Werbung für den Landdienst empfahl.41 Bewusst appellierte die Reichsjugendführung an den Idealsinn der jungen Menschen, wenn sie die Arbeit des Bauern von solchen Tätigkeiten ab­hob, die auf Gewinnstreben gerichtet seien. Beispielhaft ist das Titelbild einer Broschüre, das einen Trommel schlagenden Hitlerjungen zeigt; darunter steht in einem Balken: "Landarbeit als Aufgabe der deutschen Jugend"; und am Kopf des Bildes die Suggestivfrage: "Geld oder Arbeit?".42 Man machte sich geschickt die Bereitschaft junger Menschen zunutze, für ein höheres Ziel Opfer zu brin­gen. Reichsbauernführer Walther Darre stellte dem 6. Reichsbauerntag in Goslar am 24. November 1938 die Begeisterung der Jugend im Landdienst vor Augen: "Hier hat sich wieder eine Jugend zusammengefunden, denen [sic!] es aus ihrem Idealismus heraus eine Aufgabe ist, an der Uberwindung der Landflucht mit­zuarbeiten. Diese Jugend hat wieder das Herz aufgeschlossen für die Aufgaben auf dem Lande draußen und hat daher auch wieder Erfolg mit ihrem Beginnen. Diese Tat wird wohl einmal als eine der geschichtlichsten Taten der HJ. in diesen geschichtlichen Jahren gewertet werden. Ich richte an dieser Stelle an die Bau­ernführer den Appell, diesen Bestrebungen der HJ. mit dem größten Verständ­nis und dem größten Wohlwollen entgegenzukommen."43 Dezidiert stellte der Landdienst heraus, dass er seinen Ruf an "die besten und opferwilligsten Kräfte unter der deutschen Jugend" richte.44 Damit sollte aber nicht nur das Selbst­wertgefühl der Jungen und Mädchen, die sich für den Landdienst interessierten, angesprochen werden; man war tatsächlich auf qualitätsvolle, einsatzfreudige Mitarbeit bedacht, was schon durch den wiederholten Aufruf zur Leistung und durch die häufigen Ausleseverfahren deutlich wird.45

Diese strenge Auslese hatte man wohl am Anfang nicht durchgeführt. Es fehlte noch an Erfahrung; und man war - um die Arbeit zuerst einmal in Gang zu brin­gen - gezwungen, zu nehmen, wer kam. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass viele Jungen und Mädchen schon nach einem Jahr wieder aus dem Landdienst aus­schieden. Walther Darre hatte denn auch in seiner bereits erwähnten Rede auf dem 6. Reichsbauerntag offen zugegeben: "Wir bilden uns nicht ein, daß alle, die im Landdienst der HJ. tätig sein werden, für das Landleben auch gewonnen sind. Die harte Wirklichkeit der ländlichen Arbeit ist nicht jedermanns Sache. Das ist auch gut so, denn dan n b lei ben wir k I ich nu r die H art e nun d B rau c h bar e n i n der L a n dar bei t zurück. "46 Seit einer Vereinbarung zwischen dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler, und dem Reichsjugendfüh-

41 Wesdälische Tageszeitung 11. 9. 1942, Jugend vor der Berufswahl. - "Gebietsführer": Innerhalb der BI an der Spitze eines Gebietes, hauptamthcli .• Oberbannführer": Der nächste Rang unter dem Gebiets­führer, hauptamtlich. Vgl. Klönne (wie Anm. 25), S. 43ff. 42 Abbildung des TItelbildes einer undatierten Broschüre der Reichsjugendführung, Boberach (wie Anm. 6), S. 96. Um die Alternative .Geld" oder "Arbeit" deutlich zu machen, ist das Wort "oder" durch deutsche Schreibschrift gegenüber der sonstigen Druckschrift hervorgehoben. 43 Rühle (wie Anm. 28), S. 315. 44 V~l. etwa: Warum Landdienst? Eine große Aufgabe für die Jugend. (gezeichnet mit dem Kürzel ,,-zer ), Billerbecker Anzeiger 6. 3. 1940. 45 V gl. etwa Fröhlich, Kurt, Liebe Eltern! in: Landdienstbrief, April 1944. - Henkel, Der Osten ruft die Jugena, Wesdälische Tageszeitung 14. 6. 1942. 46 Rühle (wie Anm. 28), S. 315 (Sperrung im Original).

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rer, Baldur von Schirach, im Dezember 1938 bemühte man sich, "den besten Teil unseres Volkes wieder in ein enges Verhältnis zur Heimaterde zu bringen", wie es hieß. 47 Am 2. März des folgenden Jahres stellte der "Chef des SS-Hauptam­tes" in einer "Denkschrift über den Landdienst der HJ." fest: "Entsprechend der Zielsetzung kann der Landdienst nur von einer Auslese getragen werden. "48

Es ging nun gezielter darum, in den jungen Menschen den Wunsch zu wecken, auf dem Land zu bleiben und sich in landwirtschaftlichen Berufen ausbilden zu lassen.49 Der Landdienstbrief vom Januar 1944 zitiert Reichsjugendführer Artur Axmann, seit August 1940 Baldur von Schirachs Nachfolger: "Wir wollen nicht die Untauglichen oder bedingt Tauglichen für den Landdienst haben. Die Besten sind uns für diese Arbeit gerade gut genug. Deswegen zwingen wir niemanden, sondern wir richten, wie bei jedem großen Werk, unseren Appell an die Freiwil­ligkeit und den Idealismus der Jugend."50

Die Anforderungen an die Landdienstbewerber musste man auch deshalb anheben, weil nach der Vereinbarung zwischen dem Reichsführer SS und dem Reichsjugendführer der Landdienst der Jungen als besonders geeignet dafür galt, Nachwuchsorganisation der SS, und zwar der "Allgemeinen" SS wie auch der Waffen-SS zu sein. Das bedeutete zwar nicht, dass alle Angehörigen des Land­dienstes automatisch in die SS überführt wurden. Aber die Chance, Mitglied der SS zu werden, sollte doch möglichst vielen gegeben werden. Ein Ausschuss, ge­bildet von HJ und SS, hatte festzustellen, ob der Landdienstbewerber den "be­sonderen Tauglichkeitsbedingungen der Reichsjugendführung" entsprach. Fer­ner mussten eine abgeschlossene Volksschul- oder höhere Schulbildung und ein Dienstleistungszeugnis der HJ -Formation vorliegen. Um die SS-Tauglichkeit zu erreichen, hatten die Jungen bestimmten Kriterien der Haar- und Augenfarbe, der Körpergröße, der Ebenmäßigkeit des Körperbaus zu genügen und einen ari­schen Abstammungsnachweis bis zum Jahre 1800 zu erbringen.51

Um der geringschätzigen Meinung vom Bauerntum bei Kindern und Eltern zu begegnen, wies man nachdrücklich auf das inzwischen gewandelte Berufs­bild des Bauern hin: Für die Tätigkeit in der Landwirtschaft genüge nicht mehr der ungelernte Hilfsarbeiter. Der Beruf des Bauern sei ein "gelernter" Beruf mit Lehre geworden, wie sie bei anderen Berufen längst vorgeschrieben war. "Not­wendig ist ... - wie in jedem richtigen Beruf - das Lernen", schreibt ein Zei­tungsartikel unter der Überschrift "Die große Frage an die Jugend" .52 Der Arti­kel geht auch auf die materielle Sicherheit und die Aufstiegsmöglichkeiten der in der Landwirtschaft Tätigen ein. Er beeilt sich aber zu betonen, dass man solche Erwägungen materieller Art nicht etwa der jungen Menschen wegen anstelle, die man ja gerade noch auf ihre Einsatzbereitschaft angesprochen hatte. Die Jugend, die "Bannerträgerin einer Idee", könne man sich nicht gut mit dem Rechen­stift in der Hand vorstellen. Die Eltern vielmehr wollten aus ganz begreiflichen Gründen die Zukunft ihrer Kinder auf gesicherter Grundlage aufgebaut wissen.

47 Klönne (wie Anm. 25), 5. 34. 48 BAB 0.239 HJ 5. 26. 49 Neubauern aus HJ. und 55, Billerbecker Anzeiger 16.1. 1939. 50 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief,Januar 1944. 51 Ackermann (wie Anm. 20), SmelseriZitelmann (wie Anm. 20), 5.127. 52 Billerbecker Anzeiger 20. 3. 1940.

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Deshalb würden sie, die Eltern, darauf aufmerksam gemacht, dass die Berufe in der Landwirtschaft krisenfest seien, in der freien Natur ausgeübt würden und so gut wie keine Berufskrankheiten kennten. Man unterließ auch nicht den Hinweis auf die sozialen Leistungen, die das nationalsozialistische Regime der Jugend zu­gute kommen lasse. Dazu gehöre eine planmäßige Jugendgesundheitsfürsorge und das Sanitätswesen der HJ. Reichsjugendführer Artur Axmann hob hervor, dass Ärzte bei der Aufstellung der Dienstpläne im HJ -Dienst mitgewirkt hätten. Dem Jugendschutzgesetz vom 30. April 1938, das weitgehend auf die Initiative und Mitarbeit der HJ zurückgehe, verdanke die deutsche Jugend "den besten Arbeitsschutz der Welt". Auch hinter diesen bemerkenswerten Maßnahmen stand allerdings - wie Axmann selber herausstellte - der Gedanke der "Wehr­haftmachung" der jungen Menschen und vor allem der Plan der "biologischen Erhaltung und Mehrung des Volkes".53

Die bereits mehrfach zitierten Landdienstbriefe, die unter dem Titel "Land­dienst der Hitler-Jugend" seit dem Jahr 1944 von Gebietsführer Walter Kröcher für das Gebiet Westfalen-Nord herausgegeben wurden,54 waren nicht nur als "Schulungs blatt" für die im Landdienst tätigen Jungen und Mädchen gedacht, sondern wurden vor allem herausgebracht, "um den Eltern der im westfälischen Landdienst als Freiwillige eingesetzten HJ- und BDM-Angehörigen [BDM = Bund Deutscher Mädel] regelmäßig Gelegenheit zu geben, sich über 1as Wollen und die Arbeit des Landdienstes zu unterrichten", wie es unter der Uberschrift "Zum Geleit!" im ersten Landdienstbrief hieß. Diese Briefe bemühten sich offen­bar darum, etwaigen Bedenken von Eltern gegenüber dem Landdienst und der Arbeit in der Landwirtschaft zu begegnen. Sie hoben die "ordentliche landwirt­schaftliche Ausbildung" hervor, die die Jungen und Mädchen des Landdienstes durchmachten. Sie wiesen auch darauf hin, dass der Landdienst ein neu es Be­rufsziel ergebe und "eine nationalsozialistische Schule für ein neues Bauerntum im Reich des Führers" darstelle.55 Sie wollten in Berichten und Geschichten, die teilweise von Jungen und Mädchen des Landdienstes selbst geschrieben wur­den, dokumentieren, welches Engagement und welche Freude mit der Arbeit im Landdienst verbunden seien. Fotos zeigten Jungen und Mädchen bei Arbeit und Feier. Holzschnitte, Lieder und Gedichte mit Themen des Landlebens bemühten sich, eine poetische Note in das Heft zu bringen. Den Eltern wurde versichert: "Die Landdienstlager werden fortlaufend verbessert und wohnlicher gestaltet, damit sie Euren Söhnen in etwa das Elternhaus ersetzen. Wie bisher, werden sie tadellose Bekleidung und Ausrüstung von uns erhalten. Ihr Gesundheitszustand wird fortlaufend überprüft. Und so hoffe ich, daß Sie wirklich das Gefühl haben, Ihre Jungen gut aufgehoben zu wissen und daß Sie uns weiterhin Ihr vollstes Vertrauen schenken."56

53 Axmann, Die sozialistische Tat der Jugend, Landdienstbrief, April 1944. 54 Es liegen mir lediglich die Landdienstbriefe Folge 1 vom Januar 1944 und Folge 2 vom April 1944 vor. Wahrscheinlich ist es nur zur Herausgabe dieser beiden Nununern gekonunen.

55 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. 56 Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, April 1944.

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c) Osteinsatz des Landdienstes

Die Landdienstbriefe zeigten den Eltern auch unmissverständlich den eigent­lichen Zweck des Landdienstes der Hitlerjugend auf: nicht nur die Rückführung junger Menschen aus der Stadt aufs Land, sondern ihre Vorbereitung auf den Beruf des "Wehrbauern" und der "Wehrbäuerin" im "Osten". Sie sollten später einmal einen eigenen Hof besitzen und bearbeiten. Dabei war nicht an die Grün­dung großer Güter gedacht. Hitler hatte bereits in "Mein Kampf" die Meinung vertreten: "Ein fester Stock kleiner und mittlerer Bauern war noch zu allen Zei­ten der beste Schutz gegen soziale Erkrankungen, wie wir sie heute besitzen."s7 "Der Weg dieses Bauerntums weist in den Osten."S8 Mit dieser Zielsetzung stieß der Landdienst nun unmittelbar in den Kompetenzbereich der SS, deren Führer, Heinrich Himmler, nach der Eroberung Polens von Hitler am 7. Oktober 1939 zum "Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (RKF)" ernannt worden war. 59 Für die Siedlungsaufgabe außerhalb der alten Reichsgrenzen er­hielt nicht eine staatliche Verwaltung, sondern die SS als politische Organisation die Zuständigkeit, weil diese Aufgabe in erster Linie als ein politisches Metier angesehen wurde, in dem der Wille des Führers in besonderer Weise zum Tra­gen kommen sollte.6O Den Beruf des Wehrbauern ergreifen zu können, sollte als Auszeichnung gewertet werden. Er war solchen Hitlerjungen zugedacht, die sich im Landdienst bewährt hatten und der SS eingefügt worden waren.61 Vor der Eroberung Polens hatte man noch sehr allgemein, ohne Polen zu nennen, davon gesprochen, dass der Einsatz auf NeubauernsteIlen vorzugsweise in sol­chen Gegenden stattfinden werde, in denen das Deutschtum "besonders vor­ge b i I d e t e Bau ern" verlange.62 Später konnte man offen aussprechen, was immer schon im Blick gewesen war: der "wiedergewonnene deutsche Osten" brauche Neubauern und Siedler.63

Der "wiedergewonnene deutsche Osten" - das waren die Gebiete, die das Deutsche Reich infolge des Vertrags von Versailles vom 28. Juni 1919 an den seit 1795 zerschlagenen und nun neu gebildeten polnischen Staat hatte abtreten müssen: Westpreußen, Posen, Teile von Pommern, Oberschlesien sowie die zur Freien Stadt unter Völkerbundsprotektorat erklärte Stadt Danzig.64 Es wurden nach dem Sieg über Polen daraus die Provinzen bzw. Reichsgaue Danzig-West­preußen, Posen, ab 29. Januar 1940 "Wartheland" genannt, und Oberschlesien gebildet. Der nicht annektierte Teil Polens wurde als "Generalgouvernement" bezeichnet; als eine Art koloniales "Nebenland" des Deutschen Reiches war aber auch er nach der geplanten Austreibung von 80 % der polnischen Bevöl-

57 Hitler (wie Anm. 2), 5.151. 58 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. 59 Buchheim, Hans, 55 und Polizei im N5-5taat, Duisdorf bei Bonn 1964, 5. 187ff. 60 Vgl. Buchheim, 55 und Polizei (wie Anm. 59),5.86 u. 193. - Buchheim, Hans, Anatomie des 55-5taa­tes, Bd. 1. München 4. Auf]. 1984,5. 84f. 61 50 stellte es der Reichsführer 55 H immler auf der HJ-Kundgebung in Berlin im Februar 1939 heraus, Heß: Jugend aufs Land!, Billerbecker Anzeiger 15. 2. 1939. - Vgl. auch Klönne (wie Anm. 25), 5. 34. 62 Neubauern aus HJ und 55, Billerbecker Anzeiger 16. 1. 1939 (5perrung im Original). 63 Warum Landdienst?, Billerbecker Anzeiger 6. 3. 1940. 64 Preußen hane sich diese Gebiete im Zuge der Teilungen Polens im 18. Jahrhundert einverleibt.

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kerung als Siedlungsland für deutsche Bauern ins Auge gefasst.65 Neben der Eingliederung des "neuen deutschen Ostraumes" in das Deutsche Reich unter staatspolitischen und ethnischen Gesichtspunkten erschien seine wirtschaftliche Einbindung als nicht minder dringlich. Die "Haupttreuhandstelle Ost", zustän­dig für die "Erfassung, Verwaltung und Verwertung" des polnischen Staats- und Privatvermögens,66 erteilte dem "Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deut­schen Fertigware", Nürnberg, den Auftrag zur Erstellung einer Studie über die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der "eingegliederten Ostgebiete" . Dieses Gutachten, "Kurzer Auszug. Die Wirtschaft des neuen deutschen Ost­raumes" überschrieben, wurde' 1941 von Ludwig Erhard, dem späteren Bundes­wirtschaftsminister und Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, er­stellt und im Juli 1941 abgeliefert, nachdem er sich auf Reisen eingehend über die wirtschaftliche Situation in den annektierten Gebieten informiert hatte. Erhard, der das deutsche Ostsiedlungsprogramm befürwortete, geht von einer "immer stärkeren Besiedlung des Raumes" mit deutschen Siedlern aus und spricht sich für eine "Intensivierung der Landwirtschaft" aus, die auch einschlägige Indus­trien fördern werde.67

Bereits im Frühjahr 1940 waren Landjahrpflichtige sowie ausgewählte Land­dienstgruppen zum Einsatz auf ehemals polnischen Gütern in die neuen Ost­gaue ausgesandt worden.68 Ein Jahr nach der Rückgliederung des Warthegaus ins Deutsche Reich konnte man dort bereits auf über 900 Führerinnen des BDM hinweisen. Die meisten waren "volksdeutsch", d. h., sie kamen aus dem Warthe­gau oder anderen Gebieten, die bis vor kurzem noch nicht Teil des Reiches ge­wesen waren; man warb aber in allen Gauen um die Jungen und Mädchen mit der Parole, die "endgültige innere Rückgewinnung der neuen Ostgebiete" sei eine Aufgabe der ganzen Jugend Deutschlands.69 "Was nützen alle Siege, was nützt aller Raumgewinn, wenn die Menschen fehlen, die bereit sind, die mit dem Blut unserer Besten so teuer erkaufte Erde zu bebauen und zu halten"7o, so und ähnlich wurde die Jugend aufgerufen, das "Ostbekenntnis zur Tat werden zu lassen" und einen "Wall von Fleisch und Blut" aufzurichten, "wo das Schwert des Soldaten deutschen Boden zurückgewonnen hat"71. Was der Soldat mit dem Schwert erkämpft habe, müsse der Bauer nun mit dem Pflug erobern.72

Aufbauend auf den Erfahrungen in den rund 1 000 Landdienstlagern des "Altreichs" wurden in den neuen deutschen Ostgebieten Lager erstellt, in denen

65 Vgl. Bedürftig (wie Anm. 10), Artikel "Generalgouvernement". - Hohenstein, Alexander, Warthelän­disches Tagebucli aus den Jahren 1941/42, München 1963, S. 33. 66 Benz, Wolfgang / Gram/, Hermann / Weiß, Hermann (H~.), Enzyklopädie des Nationalsozialis­mus, München 1997, S. 503f., Art. "Haupttreuhandstelle Ost . 67 Kurzer Auszug. Die Wirtschaft des neuen deutschen Ostraumes. Vorbericht über die Markt- und Betriebsstruktur sowie die sich daraus für den Aufbau ergebenden Schlussfolgerungen. Erstattet vom Institut für Wirtschaftsbeobachtung der Deutschen Fertigware, Nürnberg, Juli 1941 [Verfasser Erhard, Ludwig), Christian Ger/ach, Luawig Erhard und die "Wirtschaft des neuen deutschen Ost­raumes", in: Hamann, Matthias / Asbek, Hans (Hg.), Halbierte Vernunft und totale Medizin, Berlin 1997, S. 257. 68 Vgl. Hauke (wie Anm. 40), S. 317. 69 Vgl. Mädelarbeit im Warthegau, Billerbecker Anzeiger 5. 11. 1940. 70 Appell der vestischen Landjugend, Landdienstbrief, April 1944. 71 Axmann, Die sozialistische Tat der Jugend, Landdienstbrief, April 1944. 72 Pflug und Schwert, Billerbecker Anzeiger 18. 10. 1940.

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jeweils 20 bis 25 Jungen oder Mädchen unter Leitung von besonders ausgebilde­ten Landdienstführern und -führerinnen lebten und arbeiteten.73 1942 standen im Landdienst der Ostgebiete 30000 Jungen und Mädchen sowie "Ostfreiwil­lige der germanischen Jugend" (Niederländer, Norweger, Dänen und Flamen). 18 Landdienstlehrhöfe waren für sie neu eingerichtet worden.74 Nicht nur Land­dienstIer waren bereit, in den Osten zu gehen; auch Schüler und Schülerinnen ließen sich begeistern, einen großen Teil ihrer Ferien den Volksdeutschen und den aus Südosteuropa, aus Ostpolen und aus dem Baltikum auf deutsches Terri­torium zurückgewanderten "Umsiedlern"75 im Warthegau, in Danzig-Westpreu­ßen, in Oberschlesien zur Verfügung zu stellen. Unter der Leitung von HJ-Füh­rern und BDM-Führerinnen leisteten sie Erhebliches und fanden guten Kontakt zu den Familien, denen sie zugewiesen waren. "Ihr schönstes Ferienerlebnis" überschrieb die "Westfälische Tageszeitung" vom 12. August 1942 ihren Bericht über den sechswöchigen "Osteinsatz" - auch. "Sommersondereinsatz" genannt­von 40 westfälischen BDM -Führerinnen. Uber ihren täglichen Arbeitseinsatz hinaus wurden die Jungen und Mädchen aus dem Landdienst, aus dem Ostein­satz sowie Landjahrpflichtige und Jugendliche aus dem Reichsarbeitsdienst dazu aufgeboten, das deutsche Volkstum im Osten zu sichern.76 Dem Landdienst war die Aufgabe zugedacht, "später den kulturellen Mittelpunkt für alle Deutschen der Umgebung zu bilden".77 Die Begeisterung, mit der die jungen Menschen - den Zeitungsartikeln zufolge - ihren Einsatz leisteten, ist durchaus beeindru­ckend. Jugendliche Schaffenskraft, das Bewusstsein, gebraucht zu werden, aber auch durch nationalsozialistische Propaganda geschürter Nationalstolz verban­den sich bei ihnen.

Die Ansiedlung von Deutschen und die Hilfe junger Frauen aus Westfalen in vormals polnischen Gebieten hatte allerdings auch eine Kehrseite. In dem eben zitierten Artikel ist von "ehemaligen polnischen Gutshäusern und Schulen" die Rede. Polnische Familien seien vorher "umgesiedelt" worden. Aber nichts lässt der Artikel davon ahnen, unter welchen unmenschlichen Umständen diese "Um­siedlung" vor sich gegangen war. Im Dezember 1939 waren aus dem Warthegau innerhalb von 17 Tagen rund 90 000 Polen ins Generalgouvernement abgescho­ben worden. Diese Deportationen wiederholten sich bis zum Frühjahr 1941. Die oft im Schlaf überfallenen Polen mussten in weniger als einer Stunde mit ihrem Gepäck von 30 Kilogramm ihre Wohnungen verlassen und wurden hinter Sta­cheldraht gebracht. Bis zum Frühjahr 1941 war eine halbe Million Menschen ins Generalgouvernement zwangs evakuiert worden.78 Der genannte Zeitungsartikel weiß nur von dem "polnischen Dreck" zu berichten, den die Mädchen hätten beseitigen müssen, und von den schlechten polnischen Straßen. Es ist auch von polnischen Arbeitern und Arbeiterinnen die Rede. Sie waren zurückgeblieben als unterdrückte, rechtlose und besitzlose Gruppe, die in ihrer Lebensentfaltung

73 Die Väter erwarben es mit dem Schwert, Westfälische Tageszeitung 24. 8. 1942. 74 Hauke (wie Anm. 40), S. 421, Anm. 158. 75 Vgl. Erhard, Kurzer Auszug, in: Hamann/Asbek (wie Anm 67), S. 253. 76 Urlaub freiwillig zur Verfügung gestellt, Westfälische Tageszeitung 10. 7. 1942. 77 Landdienstmädel für den Osten, Billerbecker Anzeiger 24. 4. 1940. - Artikel v. Voß, Westfälische Tageszeitung 26. 8. 1942. 78 Vgl. Broszat, Martin, Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik, Frankfurt/Main 2. Auf]. 1978, S.283ff.

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gegenüber der deutschen Bevölkerung stark eingeschränkt war und der etwa der öffentliche Gebrauch ihrer polnischen Muttersprache untersagt war.79 Nicht besser erging es den ins Deutsche Reich zwangsverschleppten Polen.

Diese "Polenpolitik" entsprach ganz dem Programm, das im Führerhaupt­quartier am 24. Juni 1940 aus der Feder des Reichsführers SS, Heinrich Himm­ler, hervorgegangen war. In einer Art Denkschrift hatte Himmler die bisherige "deutsche Ostsiedlung" , die weiterhin mit polnischen Arbeitern gerechnet hatte, verworfen. Damit hatte auch Erhards Empfehlung, die er ein Jahr später in dem erwähnten "Kurzen Auszug" erteilte, aus wirtschaftlichen Gründen gegenüber den Polen eine "auf lange Sicht versöhnlich ausgerichtete Politik der Menschen­führung" zu praktizieren und "mö~lichst spannungs frei mit der polnischen Be­völkerung zusammenzuarbeiten", 8 von vornherein keine Chance. "Provinzen und Länder sind nur dann wirklich deutsch, wenn sie grundsätzlich bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau - ganz gleich in welcher Stellung und in welchem Beruf sie sich befinden - deutsch besiedelt werden und sind. Ein Land besitzt man nur, wenn auch der letzte Bewohner dieses Gebietes dem eigenen Volk angehört .. . Ausserdem ist eine gemischt rassige Bevölkerung nicht nur eine Gefahr für die Provinzen selbst, sondern für das ganze Reich, da von die­sen die blutliche Vermischung als solche und das schlimmste Vorbild der Ras­senmischung insgesamt ausgeht", so Himmler. Notwendig sei, dass auch die städtischen Siedler rassisch, erb gesundheitlich und politisch nach besten Bluts­und Weltanschauungsgesichtspunkten ausgelesen würden. Die Güter dürften in den übergeordneten Stellungen nur Deutsche haben; wie viele andere land­wirtschaftliche Betriebe in Deutschland könnten sie wohl für die B.estellung und Ernte östliche (polnische) Wanderarbeiter einsetzen. Nach einer Ubergangszeit, in der die deutsche Besiedlung vor sich gehe, und nach Erledigung der Arbei­ten im Straßen- und Häuserbau würde die Aussiedlung der polnischen Arbeiter beginnen. Solche fremden Arbeitskräfte würden dann nur noch für einmalige Arbeitsvorhaben oder jährlich wiederkehrende vorübergehende Arbeiten aus Nachbarländern eingesetzt. Es müsse ein heiliges, für alle Zeiten gültiges Gesetz bei der Verwendung fremdrassiger Wanderarbeiter sein, dass jede wirtschaftli­che Gleichstellung mit germanischen Menschen unmöglich und verboten sei. Himmler schließt: "Alle hier für den Osten ausgesprochenen Gedanken gelten in gleicher Weise für alle von fremder Bevölkerung bewohnten, neu zum deut­schen Reich hinzugekommenen Provinzen."81

Unter den 1940 ausgesandten Landdienstgruppen befanden sich bereits 50 Jungen und Mädchen aus dem westfälischen Landdienst, die in den Warthegau kamen "mit dem Ziele, im deutschen Osten am Aufbau eines gesunden Bauern­tums mitzuhelfen" . Ihr Endziel war der "Neubauernhof im wiedergewonnenen deutschen Osten" . "Die junge Mannschaft ist erfüllt vom Glauben an den Füh­rer und seine Idee. Sie ist ausgerüstet mit dem, was unsere westfälische Heimat aus ihrer Volksseele hervorgebracht hat", hieß es im "Münsterländer Heimatka­lender" von 1941.82 " ... auf die westfälischen Mädel ist eben felsenfester Verlaß"

79 Broszat (wie Anm. 78), S. 289f.

80 Hamann/Ashek (wie Anm. 67), S. 254. 81 BAB NS 19/3282 82 Timmerbeil, Louise, Der Landdienst der Hitler-Jugend im Gebiet Westfalen, in: Münsterländer Hei-

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ist das Fazit einer Fahrt in den Warthegau, von der die Westfälische Tageszeitung am 27. Januar 1943 berichtete. "Auf Schritt und Tritt begegneten uns prächtige junge westfälische Mädel, die als erste dem Ruf nach dem Osten Folge geleistet hatten . . . " Aus eigener Erfahrung hätten sie die gewaltige Aufgabe erkannt, die es für das Deutschtum zu lösen gelte. Mit westfälischer Zähigkeit widmeten sie sich dieser Aufgabe. Wenn diese Mädchen bekannten: "Nie mehr zurück in die Enge des Altreichs!", wenn sie von der "Weite des Ostens" schwärmten, wenn die Wichtigkeit des Berufs der "Umsiedlerbetreuerin" hervorgehoben wurde, dann konnte sich nur noch der Appell anschließen: "Sollten sich da nicht noch mehr Frauen oder Mädel mit warmem Herzen finden lassen, die sich dieser schönen, wenn auch schweren Aufgabe widmen wollen?"83

Auch unter den Jungen und Mädchen des "Landdienstlehrhofs Gerleve" wa­ren einige, die bereits zeitweilig in den eroberten polnischen Gebieten eingesetzt gewesen waren.84 Die LanddienstIer erhielten für ihr Vorhaben einen enormen Ansporn, als sie im Osten auf westfälische Landsleute stießen, die bereits in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts durch die preußische Regierung dort angesiedelt worden waren.85 Nach dem Überfall der deutschen Truppen auf Polen am 1. September 1939 war es in Polen zu zahlreichen polni­schen Ubergriffen auf Deutsche und ihre Siedlungen gekommen. Die Westfäli­sche Tageszeitung sprach von Opfern "eines Blutterrors" , der in der Geschichte einzig dastehe. Der Artikelschreiber folgerte aus diesen polnischen Übergriffen die Notwendigkeit, hart und kompromisslos nun seitens der Deutschen gegen­über den fremdvölkischen Arbeitern zu werden, mit denen eine kriegs bedingte, arbeitsmäßige Berührung unvermeidlich sei, und ihnen gegenüber die notwen­dige innere Entfernung und selbstverständliche Tischtrennung zu wahren. "Un­ser Stolz, unsere Ehre und die Achtung vor uns selbst und vor dem deutschen Volk" müssten endgültig den richtigen Trennungsstrich zwischen den Deutschen und jenen Menschen ziehen, die der Ort polnischen Blutterrors in alle Ewigkeit anklagen werde. 86 In hehren Worten malt ein Gedicht von Maria Kahle ein Bild der Zukunft derer, die den "Ritt in den Osten" unternommen hatten:87

matkalender, Ausgabe Kreis Coesfeld, hg. v. Heimatgebiet Münsterland im Westfälischen Heimatbund, 1941, S. 82. - Vgl. auch Unsere Fahne, Zeitschrift der HJ Gebiet Westfalen Nord, hg. von Gebietsführer G. A. Langanke u. Landeshauptmann Kolbow, März 1940, Vom westfälischen Landdienst: 25 Mädel und 15 Jungen würden für den Aufbau des Landdienstes im Warthegau gestellt. 83 Jurascheck, Peter, Stippvisite im »Gau der Frontsoldaten", Westfälische Tageszeitung 27. 1. 1943. 84 Vgl. Mitteilung (Mitt.) Hippel v. 12. 6. 1998, Archiv Abtei Gerleve (AGerl), LLH Pers. - Mitt. Weber, geb. Vogel, v. 10. 7. 1998, ebd. - Mitt. Boltz, geb. Wolter, v. 29. 8. 1998, ebd. Bei den Mitteilungen handelt es sich um Angaben von ehemaligen Schülern oder Lehrpersonen des Landdienstlehrhofs im Interview mit Christophorus Hildebrandt. 85 Vgl. Kohlmann, Fritz, Bei den Westfalen im Warthegau, in: Münsterländer Heimatkalender (wie Anm. 82) 1941, S. 75-78. - Kahle, Maria, Eine westfälische Mutter im Osten, ebd., S. 79-81. - Timmer­beil, Der Landdienst der Hitler-Jugend im Gebiet Westfalen, ebd., S. 81f. - Diese Ansiedlungen waren seit 1885 im Zuge der Polenausweisungen und des staatlichen Bodenkaufs zugunsten deutscher bäuerli­cher »Erbpächter" erfolgt. Vgl. Broszat (wie Anm. 78), S.142ff. 86 Jurascheck (wie Anm. 83). 87 Kahle, Maria, Westfalen im Ostland, in: Landdienstbrief, April 1944.

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Westfalen im Ostland

Sie kamen aus den alten stolzen Gauen Vom Wasserstrom, vom Teutoburger Wald, Sie sahen über fernem Hügelblauen Das Hermannsschwert, die trotzende Gestalt; Sie kamen aus dem Land der Wekingsagen, Wo Freiheit mehr als Gold und Habe wert, Wo breit die Höfe und Eichen ragen, Und Ahnensitte wohnt am Bauernherd.

Nach Osten ging der Weg der Wanderscharen, Weil sich daheim für sie kein Erbe fand, Nach Osten, - wie vor vielen hundert Jahren, Und immer trieb die gleiche Sehnsucht: Land! Der stumme Bauerntraum von eigener Erde Glühte von Urzeit her im Blute tief; Daß Weib und Kindern freie Heimat werde, War ihr Verlangen. Und der Osten rief . ..

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Gerade dem Landdienst wurde die Aufgabe zugewiesen, "den Sieg unserer Soldaten auf ewige Zeiten sichern zu helfen" . Er sei für die "Schaffung eines tüchtigen Siedlernachwuchses" auf politischer, erzieherischer und beruflicher Ebene die geeignete Bewegung.88

Nach dem Uberfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 und der raschen Eroberung weiter Teile des Landes war dann aber bald schon nicht mehr nur die Rede von der Rückeroberung ehemals deutscher Gebiete; man sprach vom "fremden Land", das eine deutsche Heimat werden solle, um dem "ganzen deutschen Volk eine neue Zukunft zu schaffen". Vor allem wurde auch wieder die Verpflichtung betont, "einen lebendigen Wall gegen die minder­wertige Rassenflut, die der Osten seit jeher gegen die Mitte Europas aufbrechen ließ", zu errichten.89 Dass dies den Einsatz des eigenen Lebens bedeute, stellte Reichsjugendführer Axmann in der Neujahrsparole für 1942 "Osteinsatz und Landdienst" heraus: "Bauer werden, heißt nicht nur einen Beruf erlernen, son­dern eine politische und nationale Aufgabe erfüllen. Wenn wir heute von Wehr­bauern sprechen, so meinen wir damit die Bauern, die an der Grenze gleichsam Gewehr bei Fuß stehen und entschlossen sind, das ihnen vom Führer und Volk gegebene Lehen bis zum letzten Atemzuge zu verteidigen."9o Bei vielen jungen Menschen haben solche Worte damals ihre Wirkung nicht verfehlt; ihr Idealis­mus wurde missbraucht im Einsatz für ein Ziel, das nur mit Brutalität und Men­schenverachtung zu erreichen war.

88 Winter, Simon, Landdiensttreffen Bielefeld, in: Landdienstbrief,Januar 1944. 89 Henkel, Der Osten ruft die Jugend, Westfälische Tageszeitung 14. 6. 1942. 90 Landdienstbrief,Januar 1944, vorderes UmschJagblatt, Innenseite.

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2. Der LanddienstlehrhoJ Gerleve

a) Die Entscheidung für Gerleve als Ort eines Landdienstlehrhofs

Dem "Landdienst der Hitlerjugend" gehörten 1942/1943, dem 1. Jahr des "Land­dienstlehrhofs Ger!eve", 29 604 Jungen und Mädchen im Deutschen Reich an.91

Der Reichsjugendführung in Ber!in hatte es sich bald als notwendig erwiesen, Ausbildungsstätten eigens für Landdienstführer und -führerinnen zu schaf­fen, erkannte man es doch als zweckmäßig, die FührersteIlungen innerhalb des Landdienstes nicht einfach mit Führern der HJ, sondern mit solchen Führern zu besetzen, die selbst eine landwirtschaftliche Ausbildung durchlaufen hatten. "Für den Erfolg ausschlaggebend ist die Auslese der Führer", stellte die bereits erwähnte Denkschrift über den Landdienst aus dem SS-Hauptamt vom März 1939 fest. 92 Je länger der Krieg dauerte und je früher die jungen Männer damit rechnen mussten, zum Wehrdienst einberufen zu werden, desto dringender war die Einrichtung von Lehr-Höfen, auf denen die Führeranwärter in kurzer Zeit ausgebildet werden konnten, um vor Antritt ihres Wehrdienstes noch als Füh­rer eingesetzt werden zu können. Der erste Landdienstlehrhof nahm im April 1940 in KoppeisdorfiSachsen seinen Betrieb auf. Nach den positiven Erfah­rungen wurden dann weitere Lehrhöfe errichtet; im Frühjahr 1942 waren es 17 Lehrhöfe, die mit ihrer Arbeit begannen.93 Im HJ-Gebiet Westfalen94 hatten sich 1936 nach einer eingehenden Werbe- und Aufklärungsaktion bereits 700 Jugend­liche für den Landdienst gemeldet, ohne dass Westfalen schon über eigene Lager verfügte. Als im Jahr darauf die Anmeldungen auf 1200 stiegen und 22 Land­dienstgruppen mit 275 Jungen und 100 Mädchen zum Einsatz kamen,95 wurde im Spätsommer auf einer Tagung in der Gebietsführerschule Schloß Schwans­bell bei Lünen der Vorschlag gemacht, auch in Westfalen - wie schon in anderen Teilen Deutschlands - Landdienstlager einzurichten. Im Frühjahr 1938 eröffnete die Hitlerjugend in Münster ihr Landdienstreferat. 96

Der unmittelbare Anstoß zur Gründung eines Landdienstlehrhofs im Gebiet Westfalen ging von Mitarbeitern im Landdienstreferat aus: Franz Peters und Louise Timmerbeil. Als Louise Timmerbeil dem damaligen Landeshauptmann von Westfalen97, Kar! Friedrich Kolbow, die Idee zur Gründung eines Lehrhofs

91 Das Junge Deutschland. Amtliches Organ des Jugendführers des Deutschen Reichs, Sozialpolitische Zeitschnft der deutschen Jugend, Nr. 7, 15. 7.1943: Bauerntum und Landdienst der Hitler-Iugend 1942/43, Fritsch, Hildegard, Land mein Land. Bauerntum und Landdienst. BDM-Osteinsatz. Siedlungsgeschichte im Osten, Preußisch Oldendorf 1986, S. 158f. - Die Broschüre »Landdienst der Hitler-Jugend", hg. v, Reichsjugendführer der NSDAP, Berlin-Charlottenburg 1942, gibt für 1942 30 000 Landdlenstler an, 92 BAB 0.239 HJ S. 26, 93 Winter, Simon, Die Landdienstlehrhöfe, Neues Bauernrum 1942/1943, Fritsch (wie Anm, 91), S. 16lf. - Vgl. Breunsbach, Albert (Lohmar), Aus dem Leben eines jungen Artamanen (Privatbestand Breuns­bach), S, 14 u, 16, 94 Der Gau Westfalen und das HJ-Gebiet Westfalen waren noch nicht in Nord und Süd geteilt. 95 Unsere Fahne (wie Anm. 82), Februar 1939, 96 Peters, Louise, Lebensbericht, S, 3f., AGerl, LLH Pers, 97 An der Spitze der Provinz Westfalen stand als ständiger Vertreter der Reichsregierung der Ober­präsident. Er war seit 1933 zugleich Leiter des westfälischen Provinzialverbandes, d. h. des Kommu­nalverbandes aller Stadt- und Landkreise, dem die Selbstverwaltung vor allem des Armenwesens und des Straßenbaus aufgetragen war. Der Landeshauptmann war ständiger Vertreter des Oberpräsiden­ten; er war mit der selbstständigen Erledigu_ng der laufenden Geschäfte betraut. Klueting, Harm, Geschichte Westfalens. Das Land zwischen Rhem und Weser vom 8. bis zum 20. Jahrhundert, Pader­born 1998, S, 274, S. 401, S, 405.

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im Gebiet Westfalen-Nord vortrug, konnte Kolbow bald das Kloster Gerleve als geeigneten Ort für einen solchen Landdienstlehrhof nennen. Von der Flä­che her (60 ha) hätte man sich zwar ein größeres Anwesen wünschen können.98

Der landwirtschaftliche Bereich der Abtei wies aber alle wichtigen einschlägigen Betriebszweige auf. Er verfügte über mustergültige Vorrichtungen und Anlagen sowie über einen modernen Kraftfahrzeugpark. Er war Pionier in der Silagebe­reitung und im Maisanbau. Vor der Beschlagnahme hatte er unter der Leitung des Ökonomen P. Augustin Hessing als "Mustergutshof" gegolten und Hun­derte von Bauern zur Besichtigung angezogen. In Verbindung mit der Land­wirtschaftskammer Münster wurden vielfach neueste Verfahren für Interessierte vorgeführt.99 Nach der Beschlagnahme der Abtei durch die GESTAPO am 13. Juli 1941 hatte die Gauleitung in Münster die klösterliche Landwirtschaft einem Diplomlandwirt als Verwalter unterstellt. loo War das Klostervermögen zunächst nur beschlagnahmt gewesen, so wurde es im Januar 1942, da es volks­und staatsfeindlichen Zwecken gedient habe - wie man dem Abt mitteilte -, "zu Gunsten [sie!] des deutschen Reiches, vertreten durch den Reichsminister der Finanzen, eingezogen."IOI Damit stellte man klar, dass das Vermögen der Bene­diktinerabtei Gerleve Eigentum des Staates geworden war. Am 6. Februar teilte der stellvertretende Regierungspräsident von Münster, Graf von Stosch, dem Reichsminister des Innern in Berlin die Einziehung des Vermögens u. a. auch der Benediktinerabtei Gerleve mit. Er fügte hinzu: "Die Geheime Staatspolizei hat nach der Beschlagnahme der Klöster ihre Verwaltung der NSDAP Gauleitung Westfalen Nord übergeben, die ihrerseits Treuhänder eingesetzt hat. Nach der Einziehung habe ich die Aufsicht über die Treuhänder übernommen und zu­nächst die Aufstellung von Bestandsverzeichnissen angeordnet. Vorschläge für die Verwertung der Klöster kann ich erst machen, wenn ich mir einen Uber­blick über die vorhandenen Möglichkeiten verschafft habe."lo2 Keine drei Wo­chen später erging allerdings schon ein Schreiben des K-Leiters (= Kriegs-Lei­ter) des Bauamtes der Hitlerjugend, Hauptgefolgschaftsführer Franz Hausen, an den Amtsbürgermeister von Billerbeck, in dem diesem Folgendes vorgetragen wurde: "Das Gutsgelände des Klosters Gerleve soll zu einem Landdienstlehrhof der Hitler-Jugend in Zukunft Verwendung finden [sic!]. Das Hotel ,Ludgerirast' soll die auf dem Lehrhof unterzubringenden 60 Jugendlichen aufnehmen und als Landdienstschule dienen. Zu diesem Zweck muß das Hotel kleineren Umbauten unterzogen werden." Hausen bat deshalb den Amtsbürgermeister, ihm die beim Bauamt befindliche Bauzeichnung für einige Tage zu überiassen. I03 Louise Pe­ters, geb. Timmerbeil, schrieb später: "Nach nochmaliger Rücksprache mit dem Landeshauptmann machten wir eine Inventuraufnahme .. . Nur die Laienbrüder,

98 Vgl. Breunsbach (wie Anm. 93), S. 14. 99 Siehe die entsprechenden Chroniken der Abtei Gerleve. 100 Brief Br. FridolinHeizmann an Abt Raphael Molitor v. 30. 9. 1941, AGerl, PA Heizmann. 101 (Fotokopie einer beglaubigten Abschrift), AGerl, Kampf um die Rückgabe. 102 (Fotokopie einer beglaubigten Abschrift), AGerl, Kampf um die Rückgabe. Dieser Brief ist auch abgedruckt bei Portmann, Heinrich, Dokumente um den Bischof von Münster, Münster 1948, S. 243f. 103 Brief v. 25. 2.1942 (Fotokopie), AGerl, LLH Chron. - Vgl. auch Sonnenschein, Friedrich (Glas­hüttenlTaunus), Aufzeichnungen des gemeinsamen Lebens Friedrich und Erika Sonnenschein, S. 1, AGerl, LLH Pers.: "Er [der Landdienstlehrhof] unterstand der Oberfinanzdirektion MünsterlWestf. und war an die Reichsjugendführung verpachtet.«

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die vorbildlich den großen landwirtschaftlichen Betrieb aufrechterhielten, waren anwesend. Alles tüchtige Fachleute und sehr liebenswerte Menschen."lo4

Die Entscheidung für diese "Verwertung" des Klosters Gerleve muss sich re­lativ schnell herausgebildet haben. Der Gauleiter von Westfalen-Nord, Dr. AI­fred Meyer, war seit November 1941 Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und ständiger Stellvertreter Rosenbergs, des Reichsmi­nisters für die besetzten Ostgebiete.1os Von dieser Aufgabe her wird ihm die Ein­richtung eines Landdienstlehrhofs in Gerleve am Herzen gelegen haben. Zudem sah man in der Errichtung des Landdienstlehrhofs eine Möglichkeit, der Parole zu entsprechen, unter die der Reichsjugendführer die Hitlerjugend für das Jahr 1942 gestellt hatte: "Osteinsatz und Landdienst"; in den Kriegsjahren Sab der Reichsjugendführer für jedes Jahr der Hitlerjugend ein Leitwort heraus. 1 6

b) Der Anfang des Landdienstlehrhofs Gerleve

Am 23. April 1942 kamen die ersten Bewohner des Landdienstlehrhofs in Ger­leve an, um letzte Vorarbeiten für den Einzug des Landdienstes zu leisten. Am 27. April folgte dann der größere Teil der Jungen und Mädchen. Mit ihnen ka­men Lehrer, ein neuer Verwalter, eine Wirtschafterin und eine Büroangestellte. 107

Im Ganzen seien es ungefähr 70 Personen, die im Hotel untergebracht wurden, schrieb Br. Willibald Lobeck, einer der auf dem Hof dienstverpflichteten Or­densbrüder, an Abt Raphael Molitor.108 "Am 27.4. Abends [sie!] kamen einige Herren und Damen und stellten sich vor. Sie waren alle sehr freundlich zu uns. Einer der Herren hielt eine sehr schöne Ansprache. Er betonte besonders zwei­mal, daß bei uns nichts geändert werden sollte, auch hätte er die [sie!] Jugend strenge Anweisungen gegeben, daß sie die Brüder mit Achtung und Erfurcht [sie!] begegnen sollten, den [sie!] es seien alles alte Leute und alte Krieger. Dan [sie!] bat er uns, wir mögten [sie!], wie bisher unsere Arbeit weiter machen. Bis jezt [sie!] geht alles sehr gut, alle sind sehr freundlich zu uns." Der Brief klingt zuversichtlich. Die Brüder konnten also bleiben, und die neue Leitung war of­fenbar sehr darauf bedacht, sie zu beruhigen und zufriedenzustellen.

Der Herr, der die "schöne Ansprache" gehalten hatte, war K-Gebietsführer van Oopen, der den Brüdern versicherte, sie dürften "ihre Gewohnheiten" bei­behalten.109 Am 8. Juni meldete die Westfälische Tageszeitung, der K-Führer des Gebietes Westfalen van Oopen habe dem Führerkorps der Hitlerjugend bei ei­nem Treffen im Landeshaus zu Münster die Einrichtung eines Landdienstlehr­hofs mitgeteilt, der in Kürze in feierlichem Rahmen eröffnet werde.! 10 Es fällt auf, dass die Zeitung den Ort des Landdienstlehrhofs, also Gerleve, nicht nennt. Wollte man die katholische Bevölkerung des Münsterlandes, die zum großen

104 Peters, Lebensbericht (wie Anm. 96), S. 1. - Peters, Louise, Franz Peters, S. 8, AGerl, LLH Pers.

105 Vgl. Benz/ Graml/Weij! (wie Anm. 66), S. 684 Art. "Reichsministerium für die besetzten O stgebiete" u. S. 862 Art. "Meyer, A1fred".

106 Landdienstiehrbrie.f,Januar 1944, Vorderes Umschlagblatt, Innenseite. - Jeder Hitler-Junge leis­tet Knegsemsatz, Westfahsche TageszeItung 8. 6. 1942. - Klönne (WIe Anm. 25), S. 40. 107 Peters, Lebensbericht (wie Anm. 96), S. 3.

108 Brief v. 5. 5. 1942, AGerl, PA Lobeck.

109 Br. Wolfgang Gruber, Bericht, S. 5, AGerl, Dienstverpflichtete Brüder.

110 Jeder Hitler-Junge leistet Kriegseinsatz.

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Teil über die Aufhebung der allseits bekannten Abtei empört war, nicht von vornherein gegen das neue Unternehmen aufbringen?

Im Klosterhotel "Ludgerirast", das in der Zeit der Abtei auch Exerzitienhaus war und nun Schulgebäude wurde, nahm man für die Notwendigkeiten des Landdienstlehrhofs einige Umbauten vor. So wurden etwa eine Wohnung für den Schulführer, ein S{?eisesaal für die Jugendlichen und Führer sowie ein Ap­pellraum eingerichtet. 11 In den Zimmern des ehemaligen Klosterhotels brachte man jeweils zwei bis vier Jugendliche unter. ll2 Der Bereich der Jungen wurde von dem der Mädchen abgetrennt. ll3 In Gerleve hatte man erstmals den Ver­such unternommen, Jungen und Mädchen in einer gemeinsamen Einrichtung unterzubringen. ll4 Dabei war man wohl von dem Gedanken geleitet, die Jun­gen und Mädchen in ein gutes Zusammenleben und -arbeiten einzuüben. In ei­nem Bericht über einen "Besuch auf einem Landdienst-Lehrhof" - gemeint ist der Landdienstlehrhof Gerleve - hieß es: "Die natürliche, zwanglose Erziehung drückt sich auch in dem Gemeinschaftsleben auf dem Lehrhof aus. Während im Landdienst sonst, ebenso wie im Arbeitsdienst oder im Landjahr, Mädel und Jungen in verschiedenen Lagern untergebracht sind, führt sie der Lehrhof zu­sammen. So wie auf dem Bauernhof Bauer und Bäuerin, Knecht und Magd Hand in Hand arbeiten und sich ergänzen, so ist auch hier die Arbeit entsprechend den unterschiedlichen Fähigkeiten und Körperkräften verteilt. "115 Das Prinzip der "Gemeinschaftserziehung" wurde offenbar bald auf alle Landdienstlehrhöfe übertragen, denn es entspreche der Entwicklungsstufe der 16- und 17-Jährigen, dass ihnen die Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen bewusst würden und zum Erleben drängten, wie es ein Vertreter des Landdienstes, Simon Winter, in "Neues Bauerntum" 1942/ 1943 schrieb.116 Da es sich bei den Jungen und Mäd­chen um Minderjährige handelte, fühlte man sich auch für ihr sittliches Verhal­ten verantwortlich. "Das gegenseitige Verhältnis von Jungen und Mädeln hat in der äußeren Form und in der inneren Haltung sauber, anständig und zuchtvoll zu sein", hieß es in dem erwähnten Aufsatz in der Zeitschrift Neues Bauerntum 1942/1943.11 7

Kurze Zeit, nachdem der Landdienstlehrhof seine Arbeit aufgenommen hatte, sollten in seinem Bereich weitere Veränderungen vorgenommen werden. In einer nationalsozialistischen Einrichtung, in der junge Menschen lebten und lernten, wurde die Kreuzigungsgruppe nordöstlich des Mönchsfriedhofs als Fremdkör­per empfunden. Deshalb sollte sie beseitigt werden. Dagegen legte dann aller­dings ausgerechnet ein Vertreter der Gebietsführung der HJ Einspruch ein, und zwar mit der Begründung, Kultgegenstände dürften vorerst nicht angerührt wer­den; auf jeden Fall müsse die Kreuzigungsgruppe an einer anderen Stelle wieder

111 Brief Br. Markus Gomy an Abt Raphael Molitor, 2. 8. 1942, AGerl, PA Gorny. - Mitt. Heidemanns, geb. Althoff. v. 9. 4. 1994, AGerl, LLH Pers.; u. weitere Zeitzeugen. 112 Mitt. Heidemanns, geb. Althoff, v. 9. 4. 1994, ebd. 113 P. Amandus Eilermann, nLudgerirast", er zi tiert aus einem Brief von Br. Willibald Lobeck v. 4. 5. 1943, AGerl, LLH Chron.; der Brief ist nicht mehr auffindbar. 114 Mitt. Sonnenschein v. 21. 3. 1996, S. 5, AGerl, LLH Chron. 115 Wesdälische Neueste Nachrichten Herford Stadt und Land, 30. 11. 1943: Besuch auf einem Land­dienst -Lehrhof. Die Erziehung zum deutschen Landdienstführer. 116 Fritsch (wie Anm. 91), S. 164. 117 Fritsch (wie Anm. 91), S. 164.

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errichtet werden. Daraufhin ließ man das Bildwerk auf seinem Platz stehen. 118

Immerhin entfernte man die Kreuze und Heiligenbilder in den Betriebsräumen, als man den Besuch von Gauleiter Meyer am Sonntag, dem 28. Juni 1942, in Gerleve erwartete. 119

c) Der Ablauf der Ausbildung in Gerleve zum Landdienstführer

Die Jungen und Mädchen, die Ende April auf dem Landdienstlehrhof Gerleve einzogen, waren durchweg 15 Jahre alt und hatten bereits ihre Landarbeitsprü­fung bzw. Ländliche Hausarbeitsprüfung bestanden. 120 Mit der Landarbeitslehre für die Jungen und mit der Ländlichen Hausarbeitslehre für die Mädchen hatte für sie die Ausbildung im Landdienst begonnen. In Gerleve sollten sie nun auf den Beruf des "Landdienstgruppenführers" vorbereitet werden. Dem Land­dienstführer - wie er auch kurz bezeichnet wurde - kam vOr allem die Erzie­hungsarbeit an den Hitlerjung.~n zu. Die Westfälische Tageszeitung vom 8. Au­gust 1941 schrieb unter der Uberschrift "Ideale Aufgaben für Jugendführer" über die Landdienstführer: "Sie nehmen ... eine Stellung ein, die größtes Verant­wortungsbewußtsein verlangt und zUr stetigen Leistungssteigerung auffordert. Auf den Grundlagen unserer Weltanschauung hat der Landdienstführer natio­nalsozialistisches Gedankengut und umfassendes Wissen über die gegenwärtigen Zeitkräfte an die Jungen heranzutragen und sie zu Menschen zu erziehen, denen die Gemeinschaft und besonders die bäuerliche Dorfgemeinschaft, Sinn und Ziel ihres Lebens ist." Eine der vornehmsten Aufgaben des Landdienstführers sei es, den Willen und die Fähigkeiten des einzelnen Jungen ZUr ständigen Weiterent­wicklung zu wecken und zu vervollkommnen.

Die Jungen und Mädchen, die innerhalb des Landdienstes die Führerlaufbahn einschlagen wollten, wurden nach der bestandenen Landarbeitsprüfung bzw. der Ländlichen Hausarbeitsprüfung als "Landarbeits gehilfen" bzw. "Ländli­che Hausarbeitsgehilfinnen" durch die Landesbauernschaft im Einvernehmen mit der Gebietsführung der Hitlerjugend in eine Landwirtschaftslehrstelle bzw. Ländliche Hauswirtschaftslehrstelle vermittelt. Die Verbindung zum Landdienst blieb gewahrt durch die Landdienstführer und -führerinnen, die die Lehrlinge in ihrer Lehrstelle besuchten und betreuten. 121 Auch in der Umgebung von Ger­leve gab es solche ausgewählten Lehrbetriebe. 122 Da der Landdienstlehrhof Ger­leve über eine eigene Landwirtschaft verfügte, konnte die Landwirtschaftslehre aber auch auf dem eigenen Hof durchgeführt werden. Der Lehrvertrag wurde

118 Brief Br. Markus Gorny an Abt Raphael MolilOr, 2. 8. 1942, AGerl, PA Gorny. 119 Brief Br. Markus Gorny an Abt Raphael Molitor, 2. 8. 1942. Mit dem Datum »28. Juni" als Tag des Besuchs von Gauleiter Meyer in Gerleve hat sich Br. Markus allerdings geirrt: Wie er selbst schreibt, habe Meyer am seIhen Tag seine große Rede in Coesfeld gehalten; das aber war, wie die damaligen Tageszei­tungen ausweisen, Sonntag, oer 5. Juli. Auch Br. WoIfgang Gruber erwähnt diesen Besuch: "Or. Meyer erschien auch an einem Sonntage. Da 'WUrden in den Werkstätten auf dem Hofe die letzten Kreuze ent­fernt." Bericht, S. 11, AGerl, DIenstverpflichtete Brüder. 120 Vgl. Bubenzer (wie Anm. 1). - Vgl. auch Brief Br. Willibald Lobeck an Abt Raphael Molitor, 8. 3. 1942 , AGerl, PA Lobeck. 121 Fischer/Fröhlich, Ausbildung der Landdienstführer und -führerinnen, in: Landdienstbrief Januar 1944. - Winter, Die Form der Lagererziehung, ebd.: "Nach zwei Jahren Land- bezw. Hausarbeitslehrzeit und der Ablegung der Prüfung verlassen Jungen und Mädel das Lager und gehen nun ganz in der Ge­meinschaft des Hofes auf." - Allgemeine Zeitung 30. 8. 1942: Jugend und Landdienst. 122 Vgl. Mitt. WitlWer, geb. Kammler, v. 7. 8. 1993, AGerl, LLH Pers.

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dann zwischen dem Lehrling und dem landwirtschaftlichen Verwalter bzw. der landwirtschaftlichen Lehrerin, die dem Landdienstlehrhof angehörten, abge­schlossen. Diese Lehre dauerte in der Regel zwei J ahre. 123 Mindestens ein Jahr der Landwirtschaftslehre musste absolviert sein, dann wurde durch den Schul­führer und die Mädelführerin des Landdienstlehrhofs ein Ausleselehrgang für das HJ-Gebiet Westfalen in der HJ-Gebietsführerschule "Langemarck" in Hal­dem/Kreis Lübbecke124 durchgeführt. Hier wurden aus der wesentlich größeren Zahl von Jungen und Mädchen, die sich aus dem gesamten HJ-Gebiet für die Führerlaufbahn gemeldet hatten oder von den Landdienstlagern vorgeschlagen worden waren, je 33 Jungen und 33 Mädchen ausgesiebt, die den Lehrgang im Landdienstlehrhof Gerleve beginnen konnten.125 Die Aufgabe des Landdienst­lehrhofs bestand nun darin, die weitere landwirtschaftliche Ausbildung mit der Ausbildung zum Führer für die Landdienstlager zu verbinden. Auf dem Land­dienstlehrhof Gerleve wurden auch 55-Psychologen eingesetzt, die offensicht­lich bei der Auswahl der Führeranwärter beraten sollten. Die Arbeit dieser Be­rufspsychologen fiel durch ihre akademische Sorgfalt auf, die bei der Beurteilung durch die regulären Vorgesetzten so nicht zu erwarten war. 126

Die Jungen und Mädchen des Landdienstlehrhofs wurden vormittags in den verschiedenen Bereichen der ehemals klösterlichen Landwirtschaft und des Haushalts eingesetzt und ausgebildet. Nachmittags erhielten sie im Hauptge­bäude, in der Landdienstschule, durch staatlich geprüfte Lehrkräfte theoreti­schen Unterricht. 127 Ahnlich wie in anderen Landdienstlehrhöfen wird es auch in Gerleve gewesen sein: Der Unterricht "umfaßte Nutzungslehre, Feldwirtschaft, aufgeteilt in Ackerbau und Pflanzenbau, Viehwirtschaft, gegliedert in Tierzucht und Tierhaltung, Fütterungslehre und Hauswirtschaft. In Nutzungslehre und Viehwirtschaft wurden Jungen und Mädel gemeinsam unterrichtet, während die Feldwirtschaft nur für die Jungen, die Hauswirtschaft mit Ernährungslehre, Gar­tenbau und Kleintierhaltung nur für die Mädel angesetzt war."128 Die Führer des Landdienstlehrhofs verstanden es, die Jungen und Mädchen auch zum Lesen der Tageszeitung anzuleiten: Um die Aufmerksamkeit und die Ausdrucksfähigkeit der jungen Menschen zu schulen, aber wohl auch, weil die vorhandenen Zeitun­gen für die große Zahl der Jugendlichen nicht ausreichten, hatte ein Junge oder ein Mädchen die Aufgabe, die wichtigsten Zeitungsartikel zusammenzustellen und sie abends den Kameraden in gedrängter Form vorzutragen.129

So werden sich die LanddienstIer auch für die Zeitungsberichte interessiert ha­ben, die vermehrt im Herbst 1942 über den "Aufbau in der Ukraine" erschienen. Seit einem Jahr war im Reichskommissariat Ukraine eine deutsche Zivil-Verwal-

123 Westfälische Tageszeitung 11. 9. 1942: Jugend vor der Berufswahl. - Mitt. Schumann, geb. Stock, v. 24.4.1998, AGerl, LLH Pers. 124 Heute Gemeinde Stemwede. 125 Sonnenschein, Aufzeichnungen, S. 1, AGerl, LLH Pers. 126 Mitt. Völkening v. 1. 4. 1997, AGerl, LLH Pers. 127 Brief Br. WiUibaid Lobeck an Abt Raphael Molitor, 5. 5. 1942, AGerl, PA Lobeck. 128 Winter, Landdiensthöfe, Neues Bauerntum 1942/1943, hitsch (wie Anm. 91), S. 160. - Breunsbach (wie Anm. 93), S. 15. - Vgl. auch Mitt. Sack v. 11. 1. 1999, AGerl, LLH Pers.: Sack unterrichtete als gelernter Gärtner mit Gehilfenprüfung in Bodenkunde, Düngelehre, Botanik. - Mitt. Schumann, geb. Stock, v. 14.4. 1998, ebd. 129 Mitt. Hippel v. 12. 6. 1998, AGerl, LLH Pers. - Mitt. Boltz, geb. Wolter, v. 29. 9. 1998, ebd. - Mitt. Heese v. 22. 10. 1998, ebd. - Mitt. Weber, geh. Vogel, v. 19. 5. 1999, ebd.

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tung eingerichtet worden, die sich um einen wirtschaftlichen und industriellen Aufbau bemühte. "Deutschland hat die Ukraine befreit und wird auch beim Wiederaufbau helfen", hieß es großsprecherisch. Die Ukrainer müssten durch fleißige Mitarbeit und Pflichterfüllung beweisen, dass ihnen der Kampf gegen den Bolschewismus keine Phrase sei. Inzwischen seien auch Arbeitskräfte aus der Ukraine an Stelle der zum Wehrdienst eingerückten Deutschen nach Groß­deutschland geschickt worden; 500 000 Ukrainer arbeiteten bereits im Reich.130

"Die Ukraine ist der gesegnete Landstrich der unendlichen Weizenfelder" , und es sei das Ziel, sie wieder zum Getreideüberschussgebiet Europas zu machen. l3l

Unmittelbar hinter der kämpfenden Truppe würden bereits deutsche Landwirte mit der Weiterführung der Landwirtschaft beauftragt. Es sei inzwischen gelun­gen, zwei Drittel der Gesamtackerfläche mit nutzbringender Frucht zu bestellen. An erster Stelle werde die kämpfende Truppe versorgt; doch auch die Heimat erhalte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine; schließlich sei auch die Ernährung der einheimischen Bevölkerung sichergestellt.132

Zur Schulung der Landdienstler in Gerleve gehörte wie für alle Mitglieder der HJ und des BDM auch politischer Unterricht, der im Landdienst stark auf das ländliche Leben ausgerichtet war. 133 Unterrichtsreihen wurden zum Thema "Der Soldat im Laufe der Geschichte", "Der Bauer in der Geschichte", "Das Reich Karls des Großen" gehalten134 Natürlich wurde auch Hitlers "Mein Kampf" durchgesprochen. 1J5 Die Intensität der ideologischen Infiltration hing wesent­lich VOn der Person des Schulführers ab. Einer von ihnen erweckte bei den Ju­gendlichen den Eindruck, er solle auf dem Landdienstlehrhof die "Parteilinie" durchsetzen. 136 Die sportliche Ertüchtigung der Jugendlichen zielte auf den Er­werb des "HJL", des "Hitlerjugend -Leistungsabzeichens" . \37 Sportwettkämpfe waren sehr beliebt. Auch Reitunterricht war für die Jugendlichen vorgesehen. 138

Für die Jungen kam noch eine vormilitärische Ausbildung hinzu. Zu diesem Zweck war ein Schießstand eingerichtet worden, wo Schießübungen mit dem Kleinkalibergewehr durchgeführt wurden. 139 Mutproben, VOn denen auch die Mädchen nicht ausgenommen waren, gehörten zur Erziehung. 14o "Die gesamte Erziehung und Führung der Mannschaft auf dem Landdienstlehrhof baut sich auf Ehrgefühl und Verantwortungsbewußtsein auf. In straffer Zucht verläuft der Tag vom ,Aufstehen bis zum Gute Nacht'. Was dazwischen liegt, ist ein langer

130 Stolze Jahresbilanz deutscher Ostarbeit, Westfälische Tageszeirung 20. 8. 1942. 131 Dr. K. 5., Die Erschließung des Ostlandes, Westfälische Tageszeitung 13.12.1942. 132 Der Aufbau in der Ukraine, Westfälische Tageszeitung 19. 8. 1942. 133 Schmitz (wie Anm. 9), S. 109. 134 Mitt. Sonnenschein v. 19.4.1996, AGerl, LLH Pers. 135 Mitt. Crummenerl v. 9. 9. 1999, AGerl, LLH Pers. 136 Mitt. Völkening v. I. 4. 1997, AGerl, LLH Pers. - Mitt. Mirke v. 17.6. 1997, ebd. 137 Bubenzer (wie Anm. 1), 138 Mitt. Sonnenschein v. 19.4.1996, AGerl, LLH Pers. 139 Brief Br. Virus Hahn an Abt Raphael Molitor, 30. 9. 1942, AGerl, PA Hahn. - Mitt. Sonnenschein v. 7.2. 1997, S. 4, AGerl, LLH Chron.: "Daß die Jungens an einer vormilitärischen Ausbildung teilnah­men, war unter den gegebenen Umständen selbstverständlich ... Zum Einsatz ist es Gott sei dank nicht gekommen, obwohl oie jungen Männer es sich wünschten." - Mitt. Mirke v. 12.6.1998 und 17. 6. 1997, ebd. 140 Br. Wolfgang Gruber, Bericht, S. 8f. (wie Anm. 109). - Vgl. auch Mitt. Völkening v. I. 4.1997, AGerl, LLH Pers.

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Arbeitstag, der angefüllt ist mit von innerer Begeisterung getragenem Lernen für die kommenden vielfältigen Aufgaben", schrieb Oberbannführer Leo Bubenzer im Landdienstbrief vom Januar 1944 über den Landdienstlehrhof Gerleve.

Der einzelne Arbeitstag hatte auf dem Landdienstlehrhof eine feste Struktur. Nach dem Wecken um 5 Uhr und der Morgentoilette gab es den Morgenkaf­fee, anschließend wurde die Arbeit eingeteilt. Dann erfolgte am Fahnenmast, der draußen vor dem Schulgebäude aufgerichtet war, der Flaggenappell, bei dem die Fahne aufgezogen und gegrüßt wurde. Nach dem Fahnenappell war allgemeiner Dienstbeginn. Um 10 Uhr wurde das Frühstück zu den einzelnen Einsatzstellen gebracht. Gegen 12.30 Uhr fand das Mittagessen für alle Jungen und Mädchen gemeinsam im Speiseraum des Schulgebäudes statt. Anstelle eines Tischgebetes wurde die Mahlzeit mit einem Tischspruch begonnen. Nach dem Mittagessen gab es eine kurze Mittagsruhe. Um 18 Uhr waren allgemeiner Dienstschluss und das Abendessen. Ab 20 Uhr stand der Abend zur freien Verfügung, wenn nicht ein Heimabend oder eine Singestunde angesetzt war. Vor der Bettruhe um 22 Uhr holte man beim Abendappell draußen die Fahne wieder ein.

Die Jungen beendeten ihre Lehre mit der "Landwirtschaftsprüfung", die Mädchen mit der "Ländlichen Hauswirtschaftsprüfung"141 vor der Landwirt­schaftskammer Münster, die auch Zwischenprüfungen und die Tests der land­wirtschaftlichen Lehrbetriebe durchführte. Die Führeranwärter empfingen au­ßer dem Zeugnis über die bestandene Landwirtschaftsprüfung bzw. Ländliche Hauswirtschaftsprüfung eine Urkunde, die die Aufnahme in die Landdienstfüh­rerschaft der Hitlerjugend bescheinigte.142 Die Landwirtschaftsprüfung berech­tigte - wenn sie mit "gut" bestanden war - nach dreijähriger Praxis zum Besuch der Höheren Landbauschule, die mit dem Diplom "Staatlich geprüfter Land­wirt" abschloss. Die Mädchen konnten mit der Ländlichen Hauswirtschaftsprü­fung nach dem Besuch der Landfrauenschule "Ländliche Haushaltspflegerin" und schließlich auch "Lehrerin der landwirtschaftlichen Haushaltungskunde" werden.143 Für die Jungen und Mädchen bestand auch die Möglichkeit, anstelle der Landwirtschaftslehre bzw. Hauswirtschaftslehre eine Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Sonderberuf zu machen, für die Jungen als Winzer, Mel­ker, Schäfer u. a., für die Mädchen als Geflügelzuchtmeisterin, Imkerin usw., die dann jeweils mit der entsprechenden Fachprüfung abschloss.144

Außer diesem soeben dargestellten Berufsweg war noch eine Ausbildung so­zusagen "im Schnellverfahren" zum Landdienstführer vorgesehen - in Anbe­tracht dessen, dass während des Krieges "jeder gerade gewachsene Junge" - wie sich Oberbannführer Leo Bubenzer im Landdienstbrief ausdrückte - mit 17 Jah­ren Soldat wurde. Für die Führungsaufgaben im Landdienst standen zunächst nur Frontsoldaten zur Verfügung, die wegen ihrer Verwundungen als "dienst­unfähig" von der Wehrmacht entlassen worden waren. Aus "den Reihen der fä­higsten LanddienstIer" sollten nun auch sechzehnjährige Jungen als Lagerführer eingesetzt werden. Das aber bedingte, dass diese Jungen - und auch den Mäd-

141 Fischer/Fröhlich, Ausbildung der Landdienstführer und -führerinnen, Landdienstbrief Januar 1944. 142 S. Urkunde Lieselotte Wolter, geb. Boltz, AGerl, LLH Pers. 143 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. - Sonnenschein, Aufzeichnungen (wie Anm. 103), S. 1. - Mitt. Schumann, geb. Stock, v. 24. 4. 1998, ebd. 144 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. - Fischer, Liebe Eltern!, Landdienst­brief, April 1944.

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ehen wurde diese Möglichkeit gegeben - auf dem Landdienstlehrhof statt einer zweijährigen Landwirtschaftslehre nur eine einjährige Lehre absolvierten, an de­ren Ende sie ihre Landwirtschaftsprufung ablegten. Innerhalb der Dienstränge der HJ wurden sie alsdann zu "Scharführern" befördert. 14s So konnten sie als Sechzehnjährige "bei körperlicher, geistiger und charakterlicher Eignung" dem Landdienst noch ein Jahr als Lagerführer oder Unterführer zur Verfügung ste­hen.146 "Damit ist dann im Gebiet der Zustand erreicht", schrieb Bubenzer, "daß nur aus dem Landdienst hervorgegangene junge Führer die Landdienstlager führen. Was ihnen an Jahren und Lebenserfahrung notgedrungen mit 16 Jahren noch fehlt, werden sie ersetzen durch unerschöpflichen Schwung und glühende Gläubigkeit. Als Vorbild ihrer Jungen werden sie den Lägern des Landdienstes im kommenden Jahre erstmalig das Gepräge geben, das die Größe der Aufga­bensteIlung erfordert."

Natürlich stand hinter dem Bestreben, möglichst früh die Jungen und Mäd­chen für Führungsaufgaben heranzubilden, auch das vielberufene Prinzip "Ju­gend soll von Jugend geführt werden" .147 Es wurde den Jungen des Landdiens­tes in Aussicht gestellt, nach abgeleistetem Wehrdienst und Besuch einer Reichs­landdienstführerschule weitere Führungsstellen erwerben zu können. Auch den Mädeln böten sich solche Aufstiegsmöglichkeiten. "Den endgültigen Einsatz aber findet der Landdienstführer als Wehrbauer im Osten", stellte der Land­dienstbrief fest. 148 Wer in der Lage sei, "die politischen Aufgaben des deutschen Bauern zu erfüllen", könne mit 25 Jahren den Neubauernschein erhalten, der zum Besitz eines eigenen Hofes führe. 149

d) Das erste Jahr des Landdienstlehrhofs Gerleve

Als ersten Führer des Landdienstlehrhofs Gerleve und Leiter der Schule setzte das Amt "Bauerntum und Landdienst" der Reichsjugendführung den 23-jähri­gen Franz Peters ein. Im Juni 1942 fand die feierliche Einweihung des Land­dienstlehrhofs, die der K -Gebietsführer van Oopen bereits dem Führerkorps der Hitlerjugend angekündigt hatte, in Gegenwart von Gauleiter Meyer, Landes­hauptmann Kolbow, Vertretern des Reichsnährstandes und der Gebietsführung der HJ statt. ISO Die Ordensbrüder waren nicht zur Einweihung gekommen. Sie wären in ihren schwarzen Habiten wohl auch deplatziert erschienen.lsl Die not­wendigen Repräsentationsaufgaben musste Louise Timmerbeil übernehmen. Al­lerdings sah das Berufsbild des Schulführers eines Landdienstlehrhofs eine Per-

145 Einem "Scharführer" unterstanden drei "Kameradschaften"; eine Kameradschaft bestand aus zehn bis 15 Jungen. Boberach (wie Arun. 6), S. 29. - Klönne (wie Anm. 25), S. 43. 146 Bubenzer(wieAnm.l). 147 Vgl. Klose, Wemer, Generation im Gleichschritt. Ein Dokumentarbericht, Oldenburg/Hamburg 1964, S. 81. 148 Fischer/Fröhlich, Ausbildung der Landdienstführer und -führerinnen, Landdienstbrief, Januar 1944. 149 Appell der vestischen Landjugend, Landdienstbrief, Ar.riI1944. - Winter, Die Form der Lagererzie­hung, Landdienstbrief, Januar 1944: "Die LanddienstfreiWllligen, die sich vier Jahre lang in der bäuerli­chen Arbeit erproben, um sich schließlich als Soldaten zu bewähren, werden auch dann bestehen, wenn sie ihr Ziel erreichen: den "Wehrbauernhof im deut schen O s ten." - Vgl. auch Allgemeine Zeirung 30.8. 1940, Jugend und Landdienst. 150 Peters, Lebensbericht (wie Arun. 96), S. 3. - Peters, Franz Peters (wie Anm. 104), S. 8. 151 Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 11.

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son vor, die verheiratet war. 152 Das war wohl darin begründet, dass die Ehe des Schulführers den Jungen und Mädchen als Vorbild für ihre eigene Familiengrün­dung dienen sollte. In einem Zeitungsartikel, "Besuch auf einem Landdienst­Lehrhof" überschrieben, hieß es: "Die Frau des Schulführers darf keineswegs vergessen werden, wenn alle Erzieher des Lehrhofes genannt werden. Zwar hat sie hier kein öffentliches Amt, aber sie wirkt immer durch ihr Beispiel. Die Ehe des Schulführers muß vorbildlich sein, seine Frau genießt das Vertrauen der Jun­gen und Mädel, die sich in manchem Anliegen vielleicht lieber an sie als an den Schulführer selbst wenden. "153 Am 14. Juli heiratete der Schul führer Franz Peters vor dem Standesbeamten in Billerbeck Louise Timmerbeil. Bei der anschließen­den Hochzeitsfeier waren dann auch die Brüder dabei. "Was waren sie für nette, reizende ältere Herren! Sie hatten solchen Spaß bei uns", schrieb später Louise Peters; und sie fuhr fort: "Ringsherum saßen die Laienbrüder in bunter Reihe mit den Mädeln und Jungen. Es wurde schön gesungen, viel getanzt, und Helga [HusemannJ hatte ein lustiges Laienspiel selbst gedichtet und eingeübt."154

Einem größeren Kreis von Personen wurde der Landdienstlehrhof Gerleve wohl erst im Oktober 1942 vorgeführt. Die Gebietsmädelführerin Käthe Schone­weg lud Referentinnen der NSV, des Landesarbeitsamtes, des Reichsnährstandes und der Deutschen Arbeitsfront zu einer sozialpolitischen Arbeitsbesprechung in den Lehrhof ein. Sie sollten sich an Ort und Stelle von der Arbeit des Land­dienstes überzeugen. Außerdem wurde ihnen in einer Ausstellung anhand von Statistiken die Entwicklung des Landdienstes im Gebiet Westfalen aufgezeigt. 155

Im November besuchte ein Vertreter der Reichsjugendführung in Begleitung des stellvertretenden Gauleiters von Westfalen-Nord, Stangier, den Landdienstlehr­hof Gerleve. Er ließ sich eingehend über die Ausbildung der Jungen und Mäd­chen informieren. "Die Einrichtungen des Landdienstlehrhofs fanden die beson­dere Anerkennung des Stabsführers", schrieb die Westfälische Tageszeitung am 22. November 1942.

Die Jungen und Mädchen des Landdienstlehrhofs erlebten Anfang Oktober 1942 eine angenehme Abwechslung: Sie trafen sich mit 450 Mädchen und 350 Jungen aus den Landdienstlagern des Gebietes Westfalen an einem Wochenende in Lübbecke.156 In den Wochen vorher hatten die Mädchen schon einen Kinder­nachmittag mit Wett- und Theaterspielen vorbereitet. Die Jungen des Gerlever Landdienstlehrhofs gewannen auf diesem Landdiensttreffen ein Fußballspiel ge­gen Jungen aus anderen Lagern. Die Mädchen luden die Lübbecker Bevölkerung zu einem Dorfgemeinschaftsabend ein. Jungen und Mädchen des Landdienst­lehrhofs zeigten gemeinsam in Lied und Text den Kampf des Soldaten durch die Jahrhunderte. Auch der Schulführer ergriff das Wort und berichtete, wie im Landdienst die Volkstumsarbeit, etwa der Volkstanz, gepflegt werde. Am Sonn­tagmorgen sprach der K-Gebietsführer van Oopen innerhalb der "Morgenfeier" vor der Gauschulungsburg über das Hitler-Wort "Es ist herrlich, in einer Zeit zu

152 Peters, Lebensbericht (wie Anm. 96), S. 3.: . Eine Bedingung wurde noch gestellt: Der Schulführer sollte verheiratet sein.«

153 Westfälische Neueste Nachrichten Hetford Stadt und Land, 30. 1 I. 1943. 154 Peters, Lebensbericht (wie Anm. 96), S. 3f. - Mitt. Peters v. 17. 10. 1998, AGerl, LLH Pers. 155 Sozialpolitische ]ugendfragen, Westfälische Tageszeitung 17. 10. 1942. 156 K. V., Sie werden eirunal in den Osten gehen, Westfälische Tageszeitung 7. 10. 1942.

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leben, die ihren Menschen große Aufgaben stellt". Er erklärte dieses Landdienst­treffen zum Ausgangspunkt für einen großen Werbefeldzug für den Landdienst in Westfalen. "Sicher ist der Weg eurer Ausbildung nicht leicht. Alles Glück in eurem Leben wird durch den Kampf gegeben, wie alles Glück im Kampf selbst liegt. Die Mutigsten von euch werden in den Osten gehen, in das Land, das die Zukunft des Volkes ist. Ihr werdet teilnehmen, diesem Land ein deutsches Ge­sicht zu geben ... Wir werden immer mehr Jungen und Mädel an uns heranzie­hen und werden diesen großen Zug der Germanen in den Ostraum beginnen", führte van Oopen aus.

Im Gespräch mit den Jungen und Mädchen sei dem Gebietsführer und der Ge­bietsmädelführerin Käthe Schoneweg immer wieder von den jungen Menschen gesagt worden: "Ich bleibe auf dem Lande, ich will später einmal in den Os­ten, ich werde Bauer", berichtete die Westfälische Tageszeitung am 7. Oktober 1942. Mit solchen begeisterten Bekenntnissen zum Landdienst und zur Arbeit als Bauer auf dem Land wurde immer wieder in den Tageszeitungen geworben. So druckte die Allgemeine Zeitung in Coesfeld am 18. August 1942 den Brief eines Landdienstlers ab: "Als wir alle zusammen waren, guckten wir uns groß an! Denn die Wenigsten kannten etwas von der Landwirtschaft. Das haben uns unsere Bauern aber beigebracht. Wir haben es auch verstanden, und ich freue mich immer, wenn ich auf dem Hofe oder auf dem Felde eine größere Aufgabe bekomme. Ich will ja auch bleiben. Die neue Arbeit ist mir richtig lieb gewor­den. Wir haben jetzt alle erkannt, wie wichtig es ist, daß deutsche Menschen für ihre Volksgenossen den Acker bestellten und das nicht anderen überlassen." Die Zeitung unterließ es nicht zu vermerken, an welcher Stelle sich Interessierte für den Landdienst weiter informieren könnten.157

Der auf dem Lübbecker Landdiensttreffen von Oberbannführer van 00-pen angekündigte Werbefeldzug für den Landdienst wurde - wie man in einer Dienstbesprechung der westfälischen Berufsberater und Berufsberaterinnen der Arbeitsämter und der SozialstelIenleiter der HJ festgelegt hatte - im Rahmen der Berufsaufklärung, die am 15. September im Gebiet Westfalen begonnen hatte, durchgeführt. Dabei sollte den zu Ostern des nächsten Jahres aus der Schule ent­lassenen Jungen und Mädchen "stärkstens" nahe gelegt werden, zum Landdienst zu kommen.158 Unter der Frage "Was soll ich werden?" wies die Allgemeine Zeitung, Coesfeld, am 30. September auf die Berufsaufklärungsaktion durch die HJ hin. Dabei schrieb sie: "Besondere Bedeutung kommt der Berufsaufklärung für die Berufsausbildung im Landdienst der Hitler-Jugend zu .. .. Der Raum im Osten muß nach dem Siege durch den Pflug des deutschen Bauern gesichert werden. Durch weit größeren Einsatz und Verstärkung des Landdienstes der Hitler-Jugend wird die deutsche Jugend dieser historischen Aufgabe gerecht werden." "Wofür der deutsche Soldat sein Blut gegeben, die deutsche Jugend wird es an Arbeit und Schweiß nicht fehlen lassen, damit die Zukunft des Volkes und damit ihre eigene gesichert ist. Der Landdienst der Hitler-Jugend aber steht jedem deutschen Jungen und jedem deutschen Mädel offen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben und das Land und seine Arbeit lieben. Sie alle können mit nach Ostland, sie alle können mit nach Osten fahren", hieß in einem Ar-

157 Dem Lande zurückgewonnen!, Allgemeine Zeitung, Coesfeld, 18. 8. 1942. 158 Jugend vor der Berufswahl, Westfälische Tageszeitung 11. 9.1942.

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tikel der Westfälischen Tageszeitung. 159 Diesmal kamen Landdienstjungen und -mädel selbst ausgiebig zu Wort, um die Gründe für ihre Entscheidung zu nen­nen, ihr Leben auf dem Land zu führen. In die Großstadt, aus der die meisten kamen, wollten sie nicht zurück, weil es auf dem Land nicht so eng wie in der Stadt sei. Sie wollen "freier Mann auf seinem eigenen Grund und Boden sein". Sie schätzten die vielseitigen Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Arbeit. Vor allem aber: "Ich will in den Osten, wir wollen doch alle in den Osten." Dort sei für alle Raum genug. "Nach Ostland wollen wir mit", das sei nicht nur die Sehnsucht der jungen Menschen, sondern ihr festes Ziel und ihr fester Wille. Der lebendig geschriebene Zeitungsartikel fußte auf einem Besuch des Berichterstat­ters auf dem Landdienstlehrhof Gerleve. 160

Wenn auch bei vielen Jungen und Mädchen des Landdienstlehrhofes offen­sichtlich eine Begeisterung für die Idee, einmal im Osten eine Siedlerstelle zu be­kommen, vorherrschte,161 ließen doch im ersten Jahr des Landdienstlehrhofs der Arbeitseifer und die Disziplin zu wünschen übrig. Der "Bericht über die Leiden der Abtei St. Joseph während der Gewaltherrschaft der NSDAP", der bald nach dem Krieg vom Abt oder vom Prior der Abtei verfasst wurde, schrieb: "Diese jungen Nazileute waren wilde Gesellen, denen nichts Traditionelles heilig war. Zwar gelang es den Brüdern sich Ansehen zu verschaffen . ... Indes fehlte Jun­gens und Mädels ungefähr jeder Sinn für religiöse Dinge. Von sämtlichen Kreu­zen, die sich auf den Zimmern der Ludgerirast befanden, schlugen sie die Köpfe ab, schossen auf die grosse Kreuzigungsgruppe im Klostergarten, schlugen der Muttergottes und dem hl. Johannes die Zehen ab und malten auf den Mantel der Gottesmutter einen Judenstern mit dem Worte ,Jude'. Auch an dem Denk­mal unter den Bäumen oben an der Landstrasse nach Billerbeck schlugen sie der Ludgeristatue den Kopf ab und zertrümmerten mit Steinen die rechte Hand des Kruzifixes." Dass die Jungen das Ludgeri-Rast-Denkmal an der Billerbecker Straße stark beschädigten, bezeugt auch Br. Wolfgang Gruber. "Der Schulführer hat sich nachher entschuldigt und Strafe angedroht", schrieb er und fuhr fort: "Mit je 3 Tagen Arrest im Hotel war das aber erledigt."162 "Der Verwalter hatte nur die Arbeitseinteilung und keine Befehlsgewalt", schrieb Br. Wolfgang Gru­ber in seinem Bericht. "Das war natürlich kein Zustand. Schlechte Disziplin. Der Kaffeetrunk um 9 Uhr und 4 Uhr auf dem Hofe immer ein Ereignis. Schulung war wenig, umsomehr Tanz."163

P. Theodor Bogler aus der Abtei Maria Laach, der die Brüder am 21. Februar 1943 in Gerleve besucht, ermuntert und ermahnt hatte, schrieb an Abt Raphael: "Die Mädchen lassen sich vielleicht auch weniger schlecht an als die Jungen, über deren Faulheit zumal geklagt wurde." P. Theodor führte den Mangel an Einsatz­freude u. a. auf die Arbeitsmethode zurück: "Vor allem ist auch die ganze Ar­beitsmethode so wenig günstig, dass selbst bei gutem Willen nichts rechtes [sic!] herauskommen kann. So wurden die Jungen bisher jedem Betrieb auf 8 Tage

159 9. 12. 1942, Großstadtkinder - Bauern von morgen. 160 Die im Zeitungsartikel genanuten Namen der Jungen und Mädchen (Hausnamen in Abkür­zung) mit ihren HerKunftsorten sind beim Einwohnermeldeamt Billerbeck nachweisbar. 161 Vgl. etwa Mitt. Heidemanns, geb. Althoff, v. 9. 4.1994, AGerl, LLH Pers. 162 Gruber, Bericht, S. 12 (wie Anm. 162). 163 Gruber, Bericht, S. 6, ebd.

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zugeteilt. Wie wenig in diesem kurzen Zeitraum ihr Arbeitsinteresse geweckt werden kann, liegt auf der Hand." 164 Zudem scheinen aber auch die Jungen und Mädchen, die dem Lehrhof im ersten Jahr seines Bestehens zugeführt wurden, nur zum Teil für die Erfordernisse der Arbeit dieses Unternehmens motiviert und qualifiziert gewesen zu sein, brachen doch eine Reihe von ihnen ihre Aus­bildung in Gerleve vorzeitig ab und kehrten in die Stadt zurück.165

Auch sonst weist das erste Jahr die gravierenden Mängel einer Aufbauphase auf. So wundert es nicht, dass der erste Lehrgang im März 1943 mit einer herben Enttäuschung endete: Die Hälfte der Jungen fiel bei der Landwirtschaftsprüfung durch.166 Für eine gerechte Beurteilung dieses schlechten Ergebnisses ist aber Folgendes mit zu bedenken: Das Projekt "Landdienstlehrhof" war wohl mit den Erwartungen, die daran geknüpft worden waren, überfordert. Die Schwierigkei­ten für die Jungen und Mädchen, die vornehmlich aus den Städten kamen, sich auf das ungewohnte Landleben umzustellen, dürfen nicht unterschätzt werden. Die körperlich anspruchsvolle Arbeit, das Leben ohne manchen städtischen Komfort, die Trennung vom Elternhaus werden sich belastend auf manche der jungen Menschen ausgewirkt haben. Es fehlte wohl auch an genügend geeigne­ten Ausbildern, da viele junge Lehrpersonen zur Wehrmacht eingezogen waren. Es mangelte den Verantwortlichen an Erfahrung, wie junge Menschen in die ih­nen fremde Welt des Bauern eingegliedert und dafür wirklich gewonnen werden konnten. Den Jungen stand zudem der Wehrdienst bevor, und sie wussten nicht, wann sie je wieder eine landwirtschaftliche Tätigkeit würden ausüben können. Umso bemerkenswerter ist es, dass im darauf folgenden Ausbildungsjahr bes­sere Ergebnisse erzielt werden konnten.

e) Die Einrichtung der " Lehrschar" auf dem Landdienstlehrhof

Das neue Ausbildungsjahr 1943 brachte dem Landdienstlehrhof nicht nur eine neue Gruppe von Führeranwärtern. Es wurde ihm auch eine Einheit von Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 15 Jahren angegliedert, die die sog. "Lehr­schar" bildeten. Im "Gebiet Westfalen-Nord" waren zwei "Gebietslehrscharen" für Jungen eingerichtet worden: Die "Gebietslehrschar 2" befand sich in Dielin­gen.t67 Die "Gebietslehrschar 1" wurde dem Landdienstlehrhof Gerleve ange­schlossen. Sie bestand in Gerleve aus 20 Jungen. Für Mädchen wurde im Gau Westfalen-Nord lediglich die "Landdienst-Lehrschar Gerleve" gebildet, zu der 16 Mädchen gehörten. t68 Die "Lehrschar" bot den Jungen und Mädchen, die sich

164 Brief v. 26. 3. 1943, AGerl, Dienstverpflichtete Brüder. - Dass die Aufgabenbereiche im 1. Jahr des LLH wöchentlich wechselten, bestätigt Quante, Mitt. v. 28. 9. 1999, AGerl, LLH Pers. 165 Vgl. Einwohnermeldekartei Stadtverw. Billerbeck. - Vgl. auch die Vermutung von Mirke, im ersten Jahr des Landdienstlehrhofs habe es zu Verhaltensweisen kommen können, die später nicht mehr mög­lich gewesen seien. Mitt. v. 17. 6. 1997, AGerl, LLH Pers. 166 Karte Br. Markus Gomy, undatiert, wahrscheinlich April 1943, an Abt Raphael Molitor, AGerl, PA Gorn)'. - Karte Br. Fridolin Heizmann an P. Prior Pius Buddenborg, AGerl, 18.4. 1943, PA Heizmann. - Nach Mitt. Weber, geb. Vogel, v. 10. 7. 1998, AGerl, LLH Pers., seien alle Jungen bei der Prüfung durchgefallen. Nach Mitt. der Landwirtschaftskammer Münster v. 3. 4.1998 wurden alle Unterlagen der Prüfungen durch den Krieg vernichtet, so dass eine Nachprüfung über das Prüfungsergebnis nicnt mehr möglich ist. 167 Dielingen: Heute Gemeinde Stemwede. Vgl. Unterlagen zum Landdienstlager Dielingen im Ge­meindearcruv Stemwede. 168 Die Landdienstlager im Gebiet Westfalen-Nord (9), Landdienstbrief, Januar 1944. - Bubenzer, Landdienstlehrhof Gerleve, ebd.

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für die Ausbildung zum Führeranwärter bzw. zur Führeranwärterin meldeten, die Möglichkeit, die Landarbeitslehre bzw. die Ländliche Hausarbeitslehre, für die an sich eine Zeit von zwei Jahren vorgesehen war,169 um ein Jahr zu verkür­zen. Falls sie vom Landdienstreferenten bzw. von der Landdienstreferentin vor­gemustert waren und sich in einem Ausleselehrgang in der Gebietsführerschule "Langemarck" bei Haldem sowie in dem dieser benachbarten Landdienstlager Dielingen bewährt hatten, erhielten sie bei Eignung den "Annahmeschein" und ihre Einberufung in eine der Lehrscharen. 17o Sie konnten dann bereits nach ei­nemJahr vor der Kreisbauernschaft ihre "Landarbeitsprüfung" bzw. ihre "Länd­liche Hausarbeitsprüfung" ablegen.l71

Der Ehrgeiz der Jungen und Mädchen war groß, in die Gruppe der Land­dienstführeranwärter aufgenommen zu werden.172 Im Unterschied zu den Füh­reranwärtern des Lehrhofs arbeiteten die Jungen und Mädchen der Lehrschar ganztägig, und zwar auf den Höfen der Bauern in der Umgebung von Gerleve. Die Arbeitszeit betrug täglich neun Stunden und konnte in den Erntemonaten zehn Stunden erreichen. Ein halber Tag war in der Woche frei. Das Landdienst­referat in Münster schloss für sie mit den Bauern bzw. mit den Betriebsführern einen Arbeitsvertrag ab. 173 Auf dem Hof, auf dem sie arbeiteten, wurden sie verpflegt, bekamen für die freien Tage ihre Verpflegung mit nach Gerleve, wo sie auch wohnten. Ihre Ausbildung und ihre Abschlussprüfung umfassten vor­wiegend praktische Tätigkeiten. Auf den Höfen sollten sie mit allen anfallenden Arbeiten der Landwirtschaft und - dies gilt für die Mädchen - mit den landwirt­schaftlichen Hausarbeiten vertraut gemacht werden. Auf dem Landdienstlehr­hof selbst wurden jeweils etwa sechs der Mädel und Jungen aus der Lehrschar eingesetzt, um die notwendigen Arbeiten der Führeranwärter zu übernehmen, während diese ihre Unterrichtsstunden hatten.174

f) Das Leben auf dem Landdienstlehrhof

Der "Schulführer" war der organisatorische und disziplinarische Leiter des Land­dienstlehrhofs. Er unterstand direkt dem HJ-Gebietsführer des Gaus Westfalen­Nord. Der Schulführer war auch der Vorgesetzte der auf dem Landdienstlehrhof dienstverpflichteten Ordensbrüder. Für die Mädchen unterstand dem Schulfüh­rer eine Hauptmädelführerin, die für alle Angelegenheiten der Mädchen verant­wortlich war und praktisch die Aufgaben einer Hausfrau wahrnahm. Die Lehr­scharen hatten zudem noch einen eigenen "Lehrscharführer" bzw. eine eigene "Lehrscharführerin". Als landwirtschaftliche Fachkraft war ein "Betriebsleiter",

169 Meyer, Komad, Gefüge und Ordnung der deutschen Landwirtschaft, Berlin 1939, 5. 364, Schmitz (wie Anm. 9), S. 107. - Westfälische Tageszeirung 11. 9. 1942: Jugend vor der Berufswahl. - Fischer/Fröh­lich, Liebe Eltern!, Landdienstbrief, Januar 1944. - Winter, Die Form der Lagererziehung, ebd. - Appell der vestischen Landjugend, Landdienstbrief, April 1944. - Die Landarbeitslehre war am 7. 4. 1936 durch einen Erlass des ReichSernährungsministers eingeführt worden, Rühle (wie Anm. 28), 5. 316. 170 Maertins, Käthe / Kröcher, Walter, Zum Geleit, Landdienstbrief, April 1944. - Fröhlich, Liebe El­tern!, ebd. - Mitt. Mirke v. 17. 6. 1997, AGerl, LLH Pers. 171 Fischer/Fröhlich, Liebe Eltern!, Ausbildung der Landdienstführer und -führerinnen, Landdienst­brief, Januar 1944. - Mitt. Gläßner, geb. Wortmann, v. 4. 7. 1998 u. ilu "Zeugnis über die ländliche Haus­arbeitsprüfüng" (Fotok.), AGerl, LLH Pers. 172 Bubenzer (wie Anm. 1). -Mitt. Capelle v. 11. 6. 1997, AGerl, LLH Pers. 173 55-Hauptamt, Denkschrift über den Landdienst v. 2. 3.1939, BAB 0.239 HJ 5. 26. 174 Sonnenschein, Aufzeichnungen (wie Anm. 103),5.1.

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auch als "Betriebsführer" oder "Verwalter" bezeichnet, für den ökonomischen Bereich verantwortlich. Er war besonders auf die Mitarbeit und den Rat der Or­densbrüder angewiesen, die den Betrieb verständlicherweise am besten kannten. Als Fachmann für den anspruchsvollen Gartenbetrieb mit dem ausgedehnten Gartenfreiland, den Treibhäusern, den Frühbeeten und dem Obstbaumbestand wurde ein Gärtnermeister eingestellt. Den Geflügelhof versorgte eine staatlich geprüfte Landwirtin. Eine landwirtschaftliche Lehrerin hatte die Aufgabe, die Mädchen des Lehrgangs in den praktischen und theoretischen Fächern zu un­terrichten, die Gegenstand der "Ländlichen Hauswirtschaftsprüfung" waren. Sie sorgte auch für eine gute Verpflegung der Belegschaft des Landdienstlehrhofs. Eine Schneidermeisterin war nicht nur für die Reparatur und Neuanfertigung der Kleidung zuständig, sondern auch für die hauswirtschaftliehe Unterweisung der Mädchen im Nähen, Flicken und Stricken.!75 Der Landdienst war darum bemüht, wirklich qualifizierte Fachleute auf den Hof zu bekommen, was ihm - je länger, desto mehr - weitgehend gelang. Insgesamt waren auf dem Land­dienstlehrhof ca. 1S Lehrkräfte eingesetzt.176 Zum Ausbildungsteam des Land­dienstlehrhofs gehörten zeitweilig auch Lehrkräfte der Landwirtschaftsschule Billerbeck. Der Landdienstlehrhof verfügte noch über weitere Mitarbeiter, die nicht zum Führeranwärter-Lehrgang oder zur Lehrschar des Landdienstlehrhofs gehörten, sondern besoldete Angestellte waren, die in verschiedenen Arbeitsbe­reichen - etwa in der Wäscherei und in der Bäckerei - eingesetzt waren.177 Zeit­weise verfügte der Lehrhof auch über eine Rot-Kreuz-Schwester.!78

Es ist auffallend, dass die Leitungsfunktionäre und die sonstigen Mitarbeiter des Landdienstlehrhofs fast ausnahmslos noch keine 30 Jahre alt waren, manche sogar noch keine 20 Jahre. Das Gesicht des Landdienstlehrhofs prägte also eine junge Mannschaft. Das propagierte Prinzip, dass "Jugend durch Jugend geführt" werden sollte, war somit auf dem Landdienstlehrhof durchaus verwirklicht.

Einsatz der Ordensbrüder auf dem Landdienstlehrhof

Nach der Beschlagnahme des Klosters wurden elf Ordensbrüder der Abtei dienstverpflichtet, um die Weiterführung der Landwirtschaft und der Garten­betriebe zu sichern. Da sie das Klostergebäude nicht betreten durften, wurden sie - sehr beengt - in der Ökonomie untergebracht. Ihre Zahl verringerte sich durch Todesfälle und Einberufung zum Militär schließlich auf acht Brüder. Sie erwiesen sich als die eigentlichen "Lehrherren" der Jungen und Mädchen, denn sie waren es, die direkt mit den jungen Menschen zusammenarbeiteten und sie in die praktischen Tätigkeiten, etwa in den Umgang mit den Pferden, in das Schlachten der Tiere, in das Melken des Milchviehs oder in das Veredeln von Bäumen einwiesen. Während des Dienstes waren sie die Vorgesetzten der ihrem Ressort zugeteilten Jugendlichen. Die Brüder standen im An?,estelltenverhältnis zum Landdienstlehrhof und wurden entsprechend entlohnt.! 9

175 Sonnenschein, Gedanken und Erinnerungen, S. 3, AGerl, LLH Pers. - Mitt. Komischke, geb. Slawinski, v. 12. 8. 2000, ebd. 176 Mitt. Sonnenschein v. 19. 4. 1996, AGerl, LLH Pers. 177 Mit!. Heidemanns, geb. Althoff, v. 9. 4. 1994, AGerl, LLH Pers. 178 Mitt. Völkening v. 1.4. 1997, AGerl, LLH Pers. 179 Sonnenschein, Aufzeichnungen, S. 3 (wie Anm. 103).

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Es kann geradezu als Kuriosum gelten, dass ausgerechnet in einer HJ-Führer­schule katholische Ordensbrüder eingesetzt und als solche auch durch ihre Klei­dung, die sie selbst während der Arbeit trugen, ausgewiesen waren. Natürlich waren die schwarzen Gestalten in ihrer Mönchs-Tunika immer wieder den Nazis ein Dorn im Auge. Doch: "Besonders in der Kriegszeit waren die 10 Brüder als Fachkräfte für den Hof unentbehrlich", gibt einer der Leiter des Landdienstlehr­hofs, Friedrich Sonnenschein, zu.180 Manche Äußerungen der Brüder erwecken den Eindruck, dass sie einerseits zu einem kritischen Abstand zur nationalsozia­listischen Einrichtung des Landdienstlehrhofes entschlossen waren, andererseits aber auch bereit waren, das Positive, das sie erlebten, anzuerkennen.181

Zwangsarbeiter auf dem Landdienstlehrhof

Seit dem Polenfeldzug 1939 gab es in der Umgebung der Abtei Gerleve polnische und bald darauf auch französische Gefangene, die zur Arbeit auf den Bauernhö­fen herangezogen wurden, u. a. auch in der Klosterlandwirtschaft. Die Abtei bot ihnen Gelegenheit zum Besuch der hl. Messe.182 Nach der Vertreibung der Mön­che blieben die polnischen Arbeiter weiterhin in der Landwirtschaft des Klosters und wurden schließlich vom Landdienstlehrhof übernommen.183 Dazu wurden noch Zwangsverschleppte aus der Ukraine und "Ostarbeiter", d. h. Bürger aus der Sowjetunion, eingesetzt.184 Uber ihre Behandlung ist uns nichts berichtet.

Religion auf dem Landdienstlehrhof

Es gibt Beispiele, dass Kinder aus christlichen Familien in der NS-Zeit trotz des Drucks von staatlicher und schulischer Seite, trotz des Drucks ihrer Umwelt nicht der Hitlerjugend beitraten. Es gibt Beispiele, dass Jungen, die in ihrer Ge­meinde Messdiener waren, gleichzeitig auch der Hitlerjugend angehörten und sich bemühten, beides miteinander zu verbinden; das ist in manchen Fällen auch gelungen.18s In der Regel aber war die Hitlerjugend mit ihrer nationalsozialis­tischen Indoktrination darauf aus, den Einfluss der Kirchen auf die Jugendli­chen einzuschränken oder gar ganz auszuschließen. Da das "weltanschauliche Ringen" gerade auch der Hitlerjugend aufgetragen war, musste es sich auch auf dem Landdienstlehrhof, der ja eben eine Einrichtung der Hitlerjugend war, ab­spielen.

Es war nicht so, dass die Jungen und Mädchen des Landdienstlehrhofs samt und sonders der Kirche und dem Glauben den Rücken gewandt hätten. Von den Bewohnern des Landdienstlehrhofs, also Jungen, Mädchen, Angestellten und den Personen in leitenden Positionen, bezeichneten sich ca. 19 % als "gottgläubig", gehörten also keiner Kirche an. Es gab durchaus einige, die versuchten, unter

180 Aufzeichnungen, S. 3, ebd. 181 Vgl. die Korrespondenz der Brüder, AGerl, PA. 182 Chronik 193912, S. 8. 183 Br. Robert SchumacheT, Memoiren, S. 24f., AGerl, PA Schumacher. 184 BTade, Christine, Betrifft: Bielefeld. Eine Stadt und ihre Region im Unterricht. Heft 7: Fremd­arbeiterinnen in Bielefeld. Projektgruppe unter Leitung von Christine Brade, Oberstufen-Kolleg, Bielefeld 1984, S. 60. 185 Mitt. Borghoff v. 18.7.1998, AGerl, LLH P~;s.: B. trug als Meßdiener die HJ-Uniform unter dem Ministrantengewand.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 155, 2005 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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den schwierigen Bedingungen einer Ausbildungsstätte für nationalsozialistische Jugendführer ihren Glauben zu leben. So entdeckten Vertreter der HJ-Führung aus Münster bei einer Besichtigung des Lehrhofs auf dem Bücherbord eines der Mädchen, das aus einem gut evangelischen Elternhaus kam, ihr Neues Testament und ihr Gesangbuch. Als sie diese Bücher beanstandeten, verteidigte Schulfüh­rer Peters das Mädchen und sagte, er habe den Eltern der Jungen und Mädchen versprochen, sie im Bereich ihres Glaubens nicht zu beeinflussen. 186 Als eine Mutter ihre achtzehnjährige Tochter, die vom Arbeitsamt als Beiköchin auf dem Landdienstlehrhof dienstverpflichtet worden war, nach Gerleve brachte, ließ sie die Hauptmädelführerin wissen, sie bestehe darauf, dass ihre Tochter sonntags die hl. Messe besuchen könne. Dies wurde ihr auch zugesagt, und die Tochter wurde auch nie daran gehindert.187 Allerdings kam auch das Gegenteil vor: Als einmal entdeckt wurde, dass ein Mädchen mit der Bauernfamilie, bei der es ar­beitete, in die Sonntagsmesse nach Coesfeld gegangen war, bekam es zur Strafe einen Tag "Bau".188 Zu den "Kirchgängern" gehörte auch der Verwalter August Heuckmann, .yon dem Br. Markus Gorny an den Prior schrieb, er sei "gut ka­tholisch" .189 Uber ihn spotteten allerdings die Jungen und Mädchen: "Mit dem Heuckmann gehen noch die Kühe in die Kirche."190

Dennoch kam es gleich in den ersten Wochen des Landdienstlehrhofs zu einer kleinen "Austrittswelle": Von Anfang Juni bis Mitte August 1942, also inner­halb von 2Vz Monaten, wurden dem katholischen Pfarramt in Billerbeck fünf Austritte aus der katholischen Kirche gemeldet. 191 Dahinter eine gezielte Pro­paganda auf dem Landdienstlehrhof zu vermuten, ist nicht notwendig; vielleicht führten die Jugendlichen lediglich aus, was sie längst geplant, aber im Elternhaus nicht gewagt hatten. Nur ganz wenige Jugendliche haben jemals die Abteikir­che betreten. Das war auch von Seiten der Landdienstlehrhof-Führung nicht erwünscht.192 Manchen wird es kaum aufgefallen sein, dass dort sonntags Got­tesdienst stattfand, zumal den Jugendlichen nahe gele~t wurde, sich am Sonntag nicht in der Nähe des Weges zur Kirche aufzuhalten.! 3

Feste und Feiern auf dem Landdienstlehrhof

In Feiern, Riten und Symbolen suchen Religionen und Weltanschauungen ihren Uberzeugungen sinnenhaft Ausdruck zu geben; Feiern, Riten und Symbole ent­halten eine große, die Teilnehmer verbindende und emotional erhebende Kraft. Der Nationalsozialismus war reich an solchen Formen, die er auch gezielt in propagandistischer Absicht einsetzte. Im landwirtschaftlichen Bereich lag es

186 Mitt. Crummenerl v. 7. 8. 1999, AGerl, LLH Pers. 187 Mitt. Komischke, geb. Slawinski, v. 12. 8. 2000, AGerl, LLH Pers. 188 Mitt. Wittwer, geb. Kammler, v. 7. 8.1993, AGerl, LLH Pers. 189 Brief an Prior Pius Buddenborg, 23.1. 1944, AGerl, PA Gorny. 190 Mitt. Komischke, geb. Slawinski, v. 12. 8. 2000, AGerl, LLH Pers. 191 Aufstellun~ Propst Laumann v. 7. 6. 1945, Pfarramt Billerbeck. - Die Austrittszahlen auf evan­gelischer Seite smd nicht mehr festzustellen, da die entsprechenden Kirchenbücher der Coesfelder Gemeinde, zu der damals Billerbeck noch gehörte, im Krieg vernichtet worden sind, Mitt. Evang. Gemeindebüro Coesfeld v. 9. 12. 1999. 192 Mitt. Heidemanns, geb. Althoff, v. 9. 4. 1994, AGerl, LLH Pers. 193 Mitt. Weber, geb. Vogel, v. 28. 9. 1999, AGerl, LLH Pers.

Quelle: Westfälische Zeitschrift 155, 2005 / Internet-Portal "Westfälische Geschichte" URL: http://www.westfaelische-zeitschrift.lwl.org

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nahe, altes bäuerliches Brauchtum aufzuspüren und zu neuem Leben zu brin­gen. In diesem Zusammenhang sind auch die Feste auf dem Landdienstlehrhof zu sehen.

Das Erntefest, schon lange in der bäuerlichen Tradition verankert, war 1933 zum Nationalfeiertag erklärt worden. Auf dem Landdienstlehrhof wurde am Erntefest der letzte Erntewagen mit der aufgesetzten Erntekrone von der Be­legschaft des Landdienstlehrhofs feierlich vom Feld auf den Hof eingeholt. Der landwirtschaftliche Verwalter bedankte sich in kurzen Worten bei "seinem Gesinde" für die Arbeit, die im vergangenen Sommer geleistet wurde, und rief zum Feiern auf.1 94 Bald nach dem Erntefest wurden die Eltern der Jungen und Mädchen zur Besichtigung auf den Hof eingeladen.195 Ein weiterer festlicher Höhepunkt des Jahres war der 1. Mai, der ebenfalls 1933 von den Nationalso­zialisten zum Staatsfeiertag erhoben worden war. Ein Ordensbruder wusste zu berichten: "Hier in Gerleve hatte der Landdienst morgens Maigang in den Hof am Nachmittag stand ein großer Maibaum auf dem Hof alle standen im Kreis darum. Die Musik spielte, eine Rede wurde gehalten."196 Der Maibaum galt als Lebensbaum und wurde dem vorchristlichen germanischen Maibrauchtum zu­geschrieben. 197

Natürlich konnte der Nationalsozialismus die christlichen Feste, vor allem die großen Feste - Weihnachten, Ostern, Pfingsten - nicht einfach ignorieren, er be­mühte sich aber, zeitlich über sie zurückzugreifen und ältere Symbole und Bräu­che, die einmal in die christlichen Feste eingegangen waren, von ihrer christlichen Prägung zu lösen und nun als den eigentlichen Kern des Festes herauszustellen. Neben den offiziellen Feiern und Festen kannte der Landdienstlehrhof auch ganz spontane Veranstaltungen mit lustigen Darbietungen und Stegreifspielen.

Veränderungen im baulichen und landwirtschaftlichen Bereich

Außer den Umbauten im Schulgebäude und der Bereitstellung von Wohnräumen für die Lehrschar hatte man während der ganzen Zeit des Bestehens des Land­dienstlehrhofs auch neue Bauvorhaben in Angriff genommen. Die zum ehema­ligen Klosterhotel gehörige Kapelle wird der neuen Führung sicher von Anfang an als Fremdkörper erschienen sein. Im Mai 1943 machte man sich daran, sie zu einem Festsaal umzugestalten. Auf dem Hof wurden in manchen Stallungen Er­neuerungen und Verbesserungen durchgeführt. Als neues Arbeitsgebiet wurde die Schafzucht eingeführt. 198 Der Karpfenteich, der in der Zeit der Abtei seine Funktion verloren hatte, wurde wieder in Betrieb genommen. 199 Eine bedeu­tende Bereicherung für die hauswirtschaftlichen Ausbildungsmöglichkeiten der Mädchen war die Lehrküche, die neu eingerichtet wurde.loo

194 Vgl. die erhalten gebliebenen Fotos des Erntefestes vom 18. August 1944, AGerl, LLH. 195 Br. Robert Schumacher, Memoiren, S. 6 (wie Anm. 183). 196 Brief Br. Robert Schumacher an P. Bonaventura Rebstock, 14. 5. 1944, AGerl, PA Schumacher. 197 V gl. etwa Das Jahr des Bauern, in: Die Kameradschaft, 23. Dezember 1936, Folge 23, S 3. 198 Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 9. 199 Brief Br. Fridolin Heizmann an Abt Raphael Molitor, 22.7.1943, AGerl, PA Heizmann. - Br. Wolfgang Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 11. 200 Jahrbücher der Abtei Gerleve, 4. Bd., S. 129, AGer!. - Mitt. Sonnenschein v. 19.4. 1996, AGerl, LLH Pers. - Mitt. Schumann, geb. Stock, v. 24. 4. 1998, AGerl, LLH Pers.

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g) Das Ende des Landdienstlehrhofs Gerleve

Das Landdiensttreffen des Jahres 1943 fand vom 25 . bis 27. September in Biele­feld statt. Der "Heimat-Brief", der von der Kreisleitung der NSDAP des Krei­ses Ahaus-Coesfeld herausgegeben wurde, berichtete den Coesfelder Soldaten an der Front davon: ,,1100 Jungen und Mädel aus den Landdienstlagern der HJ im Gebiet Westfalen-Nord (9) marschierten am 25. und 26. September zum Landdiensttreffen in Bielefeld auf. "201 Im Unterschied zum vorjährigen Tref­fen in Lübbecke war das Bielefelder Treffen stark von kulturellen Darbietun­gen geprägt. Ein Sinfoniekonzert des Städtischen Orchesters, das Lustspiel von Goldoni "Der Diener zweier Herren", eine kulturelle Morgenfeier, ein Lieder­abend und eine Dichterlesung wurden den Jugendlichen als Anerkennung "für die fleißige und zuverlässige Arbeit der westfälischen Landdienstjungen und -mädel" geboten. Auf dem Appell in der Oetkerhalle teilte der Gebietsführer Walter Kröcher mit, dass das Gebiet Westfalen-Nord - knapp ein Jahr vorher war das HJ-Gebiet Westfalen in Westfalen-Nord und Westfalen-Süd aufgeteilt worden202 - über 16 Lager mit 396 Jungen und 21 Lager mit 525 Mädeln verfüge. Der Landdienstlehrhof Gerleve wurde auch erwähnt: 18 Jungen gehörten dort der Lehrschar an; es gebe 32 Führeranwärter und 30 Führeranwärterinnen. Die Hälfte der in Bielefeld anwesenden Jungen und Mädel habe sich bereits freiwillig entschlossen, "für immer auf dem Lande zu bleiben und demnächst Siedler oder Neubauer zu werden". Ansprachen hielten ferner der Amtschef "Bauerntum und Landdienst" von der Berliner Reichsjugendführung, Oberbannführer Win­ter, und Gauleiter Dr. Meyer, der von den Jungen und Mädeln stürmisch begrüßt worden sei. Seine Rede habe den "packenden Höhepunkt" gebildet. "Wenn wir auch noch harte Zeiten vor uns hätten", so führte Meyer aus, "wir wüßten, daß ein so heldisches Volk wie das deutsche unter einem Führer wie Adolf Hitler nicht untergehen kann." Die Jungen und Mädchen des Landdienstlehrhofs Ger­leve, die nach Bielefeld entsandt worden waren, hatten die Ehre, die sonntägliche Morgenfeier, in der Meyer sprach, kulturell mit Liedern und Sprechstücken zu umrahmen.203

Zwei Wochen nach dem Landdiensttreffen erlebte der Landdienstlehrhof ei­nen furchtbaren Einbruch in sein Leben durch den Luftangriff auf Coesfeld, dem 175 Menschen zum Opfer fielen,204 unter ihnen waren auch vier Jungen und drei Mädchen des Landdienstlehrhofs; andere Jugendliche trugen Verletzun­gen davon. Die Jugendlichen hatten sich am freien Sonntag einen Film im Kino angesehen, das getroffen wurde. "Tage von allergrößter Trauer zogen nun auf Gerleve ein. Von der Bestattung auf einem kleinen Ehrenfriedhof nahmen wir jedoch Abstand, sondern entschlossen uns nach Rücksprache mit den Eltern für eine Uberführung in deren Heimat. Um unseren Fahnenmast setzten wir kleine Gedenksteine, die uns jeden Morgen beim Flaggenappell an unsere toten Kame-

201 Heimat-Brief, Dezember 1943, S. 2. 202 Teilung des HJ-Gebietes Westfalen, Westfälische Tageszeitung 22. 11. 1942. 203 Landdienstbrief, Januar 1944. 204 Staatsarchiv Münster, SS-Polizeiführer von Westfalen, Wehrkreis VI, Schadensmeldung v. 15. 10. 1943, Borgerl, Bernd, Coesfeld. Chronik der NS-Zeit. 1933 bis 1945. Beiträge zur Coesfelder Geschichte und Volkskunde, Bd. 4 (Hg. Heimatverein Coesfeld e.v.), Dülmen 1995, S. 317.

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raden und Kameradinnen erinnern sollten", schrieb der damalige Schulführer.205

In der Gedenkrede, die Gebietsführer Walter Kröcher hielt, hieß es: "Auch dem Letzten muß es allmählich klar werden, daß sie [die Feinde] nichts anderes wol­len, als das deutsche Volk zu vernichten und auszurotten. Jedes Mittel, das zu diesem Ziel führt, auch das gemeinste und brutalste, ist ihnen recht! Und jeder Appell an ihre Vernunft oder Menschlichkeit wäre vergeblich, weil sie unsere größere Arbeitskraft und Leistung, unsere Begabungen, unsere Tapferkeit has­sen! Und weil wir niemals mit ihrer Vernunft rechnen können, zwingen sie uns zu einer Vergeltung, deren Schläge noch härter und nachhaltiger sein müssen, weil es sonst keine Ruhe gibt! Ein solcher Terror, wie wir ihn gerade jetzt erle­ben und standhaft mit zusammengebissenen Zähnen durchstehen müssen, kann nur durch einen noch größeren Gegenterror gebrochen werden. Auf diesen Haß kann es nur eine Antwort geben: Uns er e n Haß! "206 In Gerleve wurde die Zahl der umgekommenen Jugendlichen bald durch geeignete LanddienstIer aus an­deren Lagern ersetzt.207

Trotz des schweren Schlages für den Landdienstlehrhof beeinträchtigte die Kriegslage offenbar die gelöste und zuversichtliche Stimmung auf dem Landdienst -lehrhof nur wenig. Bis wenige Wochen vor dem Einmarsch der Alliierten ins Müns­terland hegte man wohl keinen Zweifel am Fortgang der Arbeit. Gelegentliche Bombenabwürfe auch in der Umgebung des Klosters hatten den Bewohnern des Landdienstlehrhofs bereits vor dem Angriff auf Coesfeld deutlich gemacht, dass sie nicht außerhalb des Gefahrenbereichs des Krieges lagen. Im Juli 1943 wurden des­halb auf dem Gelände des Landdienstlehrhofs Erdbunker angelegt. Hinzu kamen Splittergräben und Deckungslöcher, die vermehrt wohl erst gegen Ende des Krie­ges gegraben und jeweils mit Proviant ausgestattet wurden.20s Das Dienstzimmer des Schulführers war ständig von einem Führeranwärter "vom Dienst" besetzt, der die Aufgabe hatte, auf Fliegeralarm zu achten und ihn der Schulführung zu melden, damit rechtzeitig Alarm für den Landdienstlehrhof gegeben werden konnte.209 Eine weitere Sicherheitsmaßnahme bestand darin, dass Landdienst­ler, mit Karabinern bewaffnet, nachts auf dem Gelände des Landdienstlehrhofs Streife gehen mussten, seit die Alliierten am 17. September 1944 bei Arnheim Luftlandetruppen diesseits des Rheins abgesetzt hatten.2lO

Angesichts der von Westen immer näher rückenden Front wurde der "Deutsche Volkssturm" aufgerufen, die "heimische Scholle" zu verteidigen.211 Nicht nur die Jungen des Landdienstlehrhofs wurden zum Volkssturm eingezogen; von den in Gerleve dienstverpflichteten Ordensbrüdern - es waren um diese Zeit noch acht - mussten sich drei zum Volkssturm melden.212 Der Landdienstlehrhof

205 Sonnenschein, Gedanken und Erinnerungen (wie Anm. 175), S. 5. 206 Krächer, Gedenk-Rede, Landdienstbrief, Januar 1944 (Sperrung im Original). 207 Mitt. Capelle v. 11. 6. 1997. AGerl, LLH Pers. - Mitt. Hippe! v. 12. 6. 1998, ebd. 208 Sonnenschein, Gedanken u. Erinnerungen (wie Anm. 175), S. 4. - Mitt. Schumann, geb. Stock, v. 24. 4. 1998, ebd. 209 Sonnenschein, Gedanken u. Erinnerungen (wie Anm. 175), S. 5. - Mitt. Hippe! v. 12. 6. 1998, ebd. 210 Br. Wolfgang Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 14. 211 Vgl. Ein Volk steht auf!, Westfälische Tageszeitung 8. 11. 1944. - Einmütiger Wille zur Verteidi­gung, Westfälische Tageszeitung 16.12.1944. 212 Brief Br. Martin Wieskätter an Abt Raphae! Molitor, 3. 12. 1944, AGerl, PA Wieskötter.

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stellte Überlegungen über eine Evakuierung der Personen an, die bei einer Verteidigung nicht eingesetzt werden konnten. Der Landdienstlehrhof als sol­cher sollte aber die Stellung nicht aufgeben. Schon Monate vor der Bildung des Volkssturms waren Kisten mit Waffen und Munition in den Zimmern der Leiter und Leiterinnen deponiert worden.2lJ Der letzte Schulleiter erhielt vom Gebiets­führer der HJ, Walter Kröcher, den Befehl, den Landdienstlehrhof beim Einrü­cken der Alliierten zu verteidigen. Dieses Ansinnen war schon deshalb nicht zu verwirklichen, weil seit dem 10. Februar 1945 in das Abteigebäude ein Lazarett eingezogen war, das durch ein rotes Kreuz auf dem Dach auch als solches ge­kennzeichnet war.214 Ein Lazarettbezirk hätte nicht in eine Verteidigungsstra­tegie einbezogen werden können. Da aber auch nur veraltete Waffen zur Verfü­gung standen, lehnte der Schulleiter die Verteidigung des Landdienstlehrhofs ab. Von den Jungen des Landdienstlehrhofs hätten sich wahrscheinlich einige - wie anderenorts H.itlerjungen auch - für den Widerstand gegen den Feind bereit gefunden. In Ubermut und Unbedachtsamkeit drohten sie ohnehin schon den über Gerleve auftauchenden Tieffliegern zu und beschworen damit Attacken der Flieger herauf.215

Im März 1945 wurde der in der Ausbildung befindliche Lehrgang vorzeitig in die Heimat oder in Führerschulen der HJ in Ostwestfalen entlassen, nicht ohne vorher vom Schulleiter und von der Hauptmädelführerin noch eine Beför­derung zu erhalten. Noch einmal wurde den Jugendlichen ihre große Aufgabe vor Augen gestellt und der Glaube an den Sieg beschworen. Für die Arbeit auf dem Hof blieben einige Jungen und Mädchen zurück.216 Am Abend des Grün­donnerstages, dem 29. März 1945, erreichten die feindlichen Panzerspitzen von Westen her die Stadtgrenze von Coesfeld. Am Karfreitag besetzten die alliier­ten Truppen ohne nennenswerten Widerstand die Stadt.217 Als die Alliierten begannen, Coesfeld unter Kontrolle zu nehmen, endete endgültig die Zeit des Landdienstlehrhofs: Morgens verließen der Verwalter und der stellvertretende Schulführer mit den restlichen Jungen fluchtartig Gerleve, zogen zu Fuß nach Billerbeck, um sich dort dem Volkssturm anzuschließen. Der Schulführer selbst hatte schon früher mit seiner Familie den Landdienstlehrhof verlassen.218 Alle nationalsozialistischen Embleme aus dem Schulgebäude hatte man vorzeitig in Sicherheit gebracht, offenbar mit dem Gedanken, sie später, nach dem erwarte­ten Abzug des "Feindes", wieder hervorholen zu können. Als die Amerikaner im Laufe des Karfreitags auf dem Hof erschienen, fanden sie vom Landdienstlehrhof

213 Mitt. Menzel, geb. Salewski, v. 6. 6. 1994, AGerl, LLH Pers. (sie hatte - Ir. Einwohnermelde­kartei Stadtverw. Billerbeck - am 25. 3. 1944 Gerleve verlassen, war also offenbar v. Frühjahr 1943 bis Frühjahr 1944 im Landdienstlehrhof). 214 Br. Wolfgang Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 16. - Vgl. Mitt. Sonnenschein v. 19.4.1996, AGerl, LLH Pers. 215 Mitt. Karl-Heinz Broermann v. 20. 9.1993 u. 2. 8. 1998, AGerl, LLH Pers. 216 Br. Wolfgang Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 15. - Sonnenschein, Gedanken u. Erinnerun­gen (wie Anm. 175), S. 6. 217 Dahms, Hellmuth Günter, Der Zweite Weltkrieg, Tübingen 1960, S. 544f. - Müller, Helmut, fünf vor null. D ie Besetzung des Münsterlandes 1945, Münster 3. Aufl. 1972, S. 28-50. - Kreis Coes­feld (Hg.), Stunde Null. Kreis Coesfeld 1945. Materialien zur Ausstellung, Coesfeld 1995. - Borgert (wie Anm. 204), S. 389-405. 218 Sonnenschein, Gedanken u. Erinnerungen (wie Anm. 175), S. 6.

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nur noch ein Auto vor, das die ehemaligen Bewohner nicht mehr hatten starten können. Die Brüder ließen sie unbehelligt.219 Für keinen der jungen Menschen des Landdienstlehrhofs hat sich die Hoffnung erfüllt, einmal "im Osten" Siedler wer­den zu können.

219 Br. Wolfgang Gruber, Bericht (wie Anm. 109), S. 151.

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