Langfristige Nichterwerbstätigkeit und Sozialleistungsbezug im europäischen Vergleich

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Langfristige Nichterwerbstätigkeit und Sozialleistungsbezug im europäischen Vergleich IWH/IAB Workshop zur Arbeitsmarktpolitik: Langzeitleistungsbezug und – arbeitslosigkeit: Ursachen, Konsequenzen, Auswege Halle, 1. Oktober 2014 Regina Konle-Seidl Thomas Rhein Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

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Langfristige Nichterwerbstätigkeit und Sozialleistungsbezug im europäischen Vergleich IWH/IAB Workshop zur Arbeitsmarktpolitik: Langzeitleistungsbezug und – arbeitslosigkeit : Ursachen, Konsequenzen, Auswege Halle, 1. Oktober 2014. R egina Konle-Seidl Thomas Rhein - PowerPoint PPT Presentation

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Langfristige Nichterwerbstätigkeit und Sozialleistungsbezug im europäischen Vergleich

IWH/IAB Workshop zur Arbeitsmarktpolitik: Langzeitleistungsbezug und – arbeitslosigkeit: Ursachen, Konsequenzen, Auswege

Halle, 1. Oktober 2014

Regina Konle-Seidl

Thomas Rhein

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)

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Einführung

Andauernd hohe Empfängerzahlen von Langzeitleistungsbezug (in Deutschland: in der Grundsicherung) generelles Kennzeichen entwickelter Wohlfahrtsstaaten?

Bisherige Forschungsergebnisse für einzelne Länder zeigen Bedeutung institutioneller Regelungen sowie Substitutionsbeziehungen zwischen verschiedenen Zweigen der sozialen Sicherung:

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Literatur

Institutionelle Variablen (Großzügigkeit, Zugangsbedingungen) entscheidend für Zu-bzw. Abnahme der Zahl von DI-Leistungsbeziehern

Autor and Duggan 2010, Burkhauser and Daly 2011, 2012, Börsch-Supan et al. 2009, 2011, OECD 2010

Substitutionsbeziehungen (kommunizierende Röhren) zwischen verschiedenen sozialen Sicherungssystemen

Bsp: GB – Restart 1987, Rückgang der LZA bei gleichzeitig starkem Anstieg der DI-Bezieher

DI als (großzügiges) Absicherungssystem für “verdeckte” Langzeitarbeitslose

Bsp.: NL - ¼ der Neuzugänge in Erwerbsunfähigkeit zwischen 1993 und 2002 verdeckte Erwerbslose (Koning/van Vuuren 2010)

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Sozialleistungsbezieher im Ländervergleich, 2012Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung 15-64 J

UK Dänemark Schweden Niederlande Deutschland0.00%

5.00%

10.00%

15.00%

20.00%

25.00%

Sozialhilfe

Krankengeld/Erwerbsun-fähikeit

ALG II

ALG

Quelle:

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Ausmaß des Langzeit-Leistungsbezugs

Wegen der Substitutionsbeziehungen darf aussagefähiger Ländervergleich sich nicht auf eine Leistungsart beschränken.

Hypothese: Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme determinieren länderspezifische Unterschiede

… und führen zu relativ starken Länderunterschieden in individueller Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein, gegenüber einen anderen Nicht-Erwerbstätigkeitsstatus einzunehmen

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Ländervergleich:

Ausmaß des Leistungsbezug von Langzeit-Nichterwerbstätigen im Ländervergleich

Zusammenhang mit der Konjunktur-/Wirtschaftsentwicklung

Soziale / materielle Lage von Langzeit-Leistungsbeziehern

Einfluss individueller Merkmale und des Haushaltskontexts auf den Langzeit-Leistungsbezug

Art des Leistungsbezugs im Ländervergleich. Einfluss institutioneller Variablen

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Empirische Analyse

Beschränkt sich auf Personen im Haupterwerbsalter (25-54)

Datengrundlage: EU-SILC (Survey on Income and Living Conditions), jährliche Erhebung bei Haushalten und Individuen in den 28 EU-Ländern sowie CH und NO. Querschnittsdaten für die Jahre 2007 und 2011.

Einschränkung: Daten erlauben keine exakte Erfassung von Langzeit-Leistungsbezug nach der in Deutschland (BA) üblichen Definition, wohl aber eine Approximation Definitionen:

Leistungsbezieher = Person, die ihren Lebensunterhalt im vergangenen Jahr überwiegend aus Arbeitslosenunterstützung / Leistungen wg. Erwerbsunfähigkeit oder Krankheit / „Sozialhilfe“ bestritten hat

Langzeit-nichterwerbstätiger Leistungsbezieher = Leistungsbezieher, der seit mehr als einem Jahr nicht erwerbstätig ist

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Ergebnisse Gut 2/3 aller Leistungsbezieher in der EU sind Langzeit-

nichterwerbstätig (DE:70%). Nur 13% (DE: 11%) sind durchgängig erwerbstätig (aber: >30% in SE)

Anteil der langzeit-nichterwerbstätigen Leistungsbezieher an der Gesamtbevölkerung 25-54:

FI DK UK NO ES LT NL DE IS PT

MEAN EE LV SK SE LU SI AT FR CZ PL RO GR CY

BG IT

-4.0

-2.0

0.0

2.0

4.0

6.0

8.0

10.0

20112007-11

*Anteil von Transfers (Arbeitslosenunterstützung, Unterstützung wegen Erwerbsunfähigkeit oder Krankheit, Sozialhilfe, Wohngeld o.ä.) am persönl.

Gesamteinkommen > 50%

Pro

zent

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BIP-Entwicklung und Zu-/Abnahme des Anteils der LZ-NE-Leistungsbezieher, 2007-11

-20.00 -15.00 -10.00 -5.00 0.00 5.00 10.00 15.00 20.00

-2.0

-1.0

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

5.0

Zu-/Abnahme des realen BIP in %

Zu-/

Abnahm

e d

es A

nte

ils in P

rozentp

unkte

n ES

ISLT FI

DKPT

NO

LU NLLV

GR EEUK

CYIT

SIFR

AT BGDECZ SE

RO

SK

PL

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Indikatoren zur sozialen und materiellen Lage, 2011

DE FR SE Total AT FI IT ES UK CH NL NO DK0

10

20

30

40

50

60

70

80

von 100 Langzeit-nichterwerbstätigen Leistungsempfängern...

…liegen unter der Armuts-Risikoschwelle …sind zudem materiell depriviert

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Art des Leistungsbezugshauptsächliche Transferart in ausgewählten Ländern,

2011

In Deutschland ist der Anteil der Bezieher von Arbeitslosenunterstützung mit 64 Prozent bei weitem am höchsten, gefolgt von Spanien und Finnland.

Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit/Krankheit haben in der Mehrzahl der EU-Länder einen Anteil von über 50 Prozent

Arbeitslosen-Unterstützung

Leistungen wg. Erwerbs-unfähgkeit /

Krankheit

„Sozialhilfe“ (Social Exclusion)

DE 64,0 30,1 5,2ES 54,5 28,2 16,6DK 46,9 53,1 0,0GR 45,1 54,0 0,9FR 43,1 26,4 28,3IT 37,5 55,2 6,5HU 27,1 68,9 4,0UK 20,6 57,0 20,3SE 17,4 54,3 27,3NL 7,9 45,3 46,8PL 7,3 83,8 9,0CZ 3,5 75,5 19,1NO 2,6 88,3 9,1

MEAN 37,1 46,3 15,5

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Wirkung individueller und haushaltsbezogener Variablen (1) Relevante Faktoren, deren Wirkungsrichtung a priori klar sein

dürfte: Qualifikationsniveau und Alter

Andere relevante Kontextvariablen: Geschlecht, Haushaltskontext, Migrationsstatus

Gesundheitszustand: In EU-SILC lediglich subjektive Selbsteinschätzung erfasst. Problem: länderspezifische Unterschiede der Einschätzung, möglicher „justification bias“, Problem wechselseitiger Kausalität

Identifikation der Wirkungen mit Probit-Regression. Abhängige Variable: Wahrscheinlichkeit, zur Gruppe der Langzeit-nichterwerbstätigen Leistungsbezieher zu gehören

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Wirkung individueller und haushaltsbezogener Variablen (2)

In Deutschland auffällig erhöht: Einfluss des Qualifikationsniveaus (noch stärker allerdings in UK) und des Status Single + Alleinerziehend (auch hier noch stärker in UK). Migrationsstatus hat dagegen keinen signifikanten Einfluss, anders als in den meisten anderen Ländern.

Gesundheitsvariable hat starken Einfluss (Ergebnis einer separaten Regression.

Analyse von Interaktionseffekten zeigt: Krankheit und Alter, sowie Krankheit und (männliches) Geschlecht sind stark positiv korreliert.

Weiter (auf den nächsten Folien): Ergebnisse der Regressionen mit Institutionellen Variablen

DE alle

Frau -.0072** -.0018*gering qualifiziert .0696*** .0373***hoch qualifiziert -.0489*** -.0313***Alter .0020*** .0011***HH_Single .0766*** .0487***HH_Alleinerz .0748*** .0404***HH_mitKindern -.0134** -.0107***Migrant -.0037 .0086***

krank .0783*** .1005***

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Wirkung institutioneller Faktoren (Probit-Modelle)

Modell 1* Modell 2** Modell 3*alo_condit -.0025 -.0061*alo_search .0073** .0086**alo_monit .0044*** .0027alo_sanct .0033 .0039*alo_NRR_2011 .0084*** .0117***dis_coverage -.0104*** .0008dis_minimum -.0048dis_full .0039dis_generos .0079** -.0052**dis_permanence .0008dis_medical .0132*** .0084*dis_vocational -.0065*** .0029*sick_generos .0052*ETQ_25_54_2011 -.0017*** -.0002 -.0028***

Pseudo-R2 0.11 0.10 0.13N 160.463

* Abhängige Variable: Wahrscheinlichkeit Langzeit-Leistungsbezug Arbeitslosenunterstützung** Abhängige Variable: Wahrscheinlichkeit Langzeit-Bezug von Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit / Krankheit.Sample von 18 Ländern: AT, CH, CZ, DE, DK, ES, FI, FR, GR, HU, IT, NL, NO, PL, PT, SE, SK, UK

Weitere Kontrollvariablen: Geschlecht, Alter, Qualifikationsniveau, Migrationsstatus, Haushaltskontext. Berechnung der Standardfehler mit der Option "Cluster", da institutionelle Variablen nur zwischen Ländern variieren.

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Fazit

Leistungsbezug von Langzeit-Nichterwerbstätigen hoch v.a. (aber nicht nur) in entwickelten Wohlfahrtsstaaten; DE über dem europäischen Durchschnitt

Hinweise auf vergleichsweise ungünstige soziale/materielle Lage der Betroffenen in Deutschland (eine Folge von Hartz IV?)

Einfluss der allgemeinen Arbeitsmarktlage im Querschnitt kaum erkennbar (aber: Arbeitslosigkeit)

Im EU-Vergleich dominiert in Deutschand Arbeitslosenunterstützung als Leistungsartdominierende

Belege für Relevanz institutioneller Regelungen und von Substitutionseffekten

Detailliertere Analyse von Verfestigungstendenzen: Verbleibsdauern bzw. Zu- und Abgänge auf Basis von Individualdaten