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Lars Jacob "Stauffenberg-Eine Ästhetik des Widerstands"
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Transcript of Lars Jacob "Stauffenberg-Eine Ästhetik des Widerstands"
Stauffenberg.Eine Ästhetik des Widerstands
Lars Jacob
TheaTersTück
Bibliograische Informationen der Deutschen
Nationalbibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese
Publikation in der Deutschen Nationalbibliograie; detaillierte
bibliograische Daten sind im Internet über www.d-nb.de
abrufbar.
Alle Rechte der deutschen Ausgabe:
© 2014 JONAS PLÖTTNER VERLAG UG, LEIPZIG
1. Aulage
ISBN 978-3-95537-139-5
Umschlagreihengestaltung: Maike Hohmeier, Hamburg
Graik: Ralph Jank, Montage von Abbildungen zweier Büsten
Frank Mehnerts, fotograiert von Frank Mehnert und Renate
Braun (1929/30)
Foto des Autors: Ralf Wilschewski
Lektorat: Carola Ritz
Satz: Jonas Plöttner
Gesetzt in der Adobe Garamond Pro
Druck: Elbe Druck, Wittenberg
www.ploettner-verlag.de
ZUM BUCH:
Drei junge Männer, Brüder, im Bann eines Dichters. Der jüngste,
Claus von Staufenberg, wird am 20. Juli 1944 das Attentat auf
Adolf Hitler begehen. Zehn Jahre hat er dem »Führer« als Of-
izier gedient – und sich am Ende gegen ihn gewandt. Doch
zuvor, seit 1923, war er zehn Jahre lang Mitglied im elitären
Kreis des Dichters Stefan George. Die Lehren und die Lyrik
des »Meisters«, wie ihn seine Anhänger nennen, bleiben auch
für Claus von Staufenberg bestimmend – bis hinein in die Ver-
schwörung und die Ausführung des Attentats. In erfundenen
Szenen und Dialogen, basierend auf den historischen Ereignis-
sen, folgt das heaterstück den verschlungenen und geheimen
Pfaden, die vom dichterischen Wort zur politischen Tat führen.
Es entfaltet sich das Drama einer Ästhetik des Widerstands.
ZUM AUTOR:
Lars Jacob, geboren 1968 in Braunschweig. Studium der Germa-
nistik, Philosophie und heaterwissenschaft in München; Pro-
motion in Köln; arbeitet als Redakteur bei der ARD-Programm-
direktion in München. 2000 erschien der Porträtband »apropos
Marlene Dietrich« im Verlag Neue Kritik Frankfurt a. M.; zahl-
reiche Radio-Features zu verschiedenen hemen der Literatur-
und Musikgeschichte.
Der Text dieses Buchs ist iktiv. Er erhebt nicht den Anspruch,
die dargestellten historischen Personen, deren Handlungen,
Gedanken und Gespräche so wiederzugeben, wie sie wirklich
waren oder stattgefunden haben. Allerdings spricht eine hohe
historische und künstlerische Plausibilität dafür, dass es so oder
so ähnlich gewesen sein könnte. Die Chronologie der einzelnen
Szenen folgt weitestgehend den historischen Ereignissen.
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- 9 -
Inhalt
Staufenberg. Eine Ästhetik des Widerstands
Die Personen 11
Prolog 12
Erster Aufzug 13
Zweiter Aufzug 41
Dritter Aufzug 62
Vierter Aufzug 90
Fünfter Aufzug 116
Sechster Aufzug 140
Siebter Aufzug 159
Epilog 186
Anhang
Die historischen Vorbilder der iktiven Figuren 188
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- 11 -
DIe Personen
Claus von Staufenberg (Rittmeister)
Berthold von Staufenberg (Adjib, Phes*)
Alexander von Staufenberg (Ofa)
Stefan George (Der Meister)
Max Kommerell (Pollux, Puck, die Kröte)
Johann Anton (Castor, Hansel, der Prinz)
Ernst Kantorowicz (Eka, der Chevalier)
Frank Mehnert (Wobs)
Albrecht von Blumenthal (Albo)
Ludwig hormaehlen
Nina von Staufenberg Ehefrau von Claus
Mika von Staufenberg Ehefrau von Berthold
Melitta von Staufenberg Ehefrau von Alexander
Caroline von Staufenberg (Duli*)
Alfred von Staufenberg (Schlaggi*)
Verschiedene Nebenpersonen
Ort: überwiegend in Deutschland
Zeit: zwischen 1922 und 1944
In Klammern: Namen im George-Kreis
In Klammern mit*: Kosenamen in der Familie von Staufenberg
Brüder
weitere Mitglieder des George-Kreises
Eltern der Brüder
- 12 -
Prolog
Die leere dunkle Bühne. Im Hintergrund in der Mitte auf einem
Katafalk aufgebahrt Georges Leichnam, mumiengleich in ein Tuch
gehüllt. An seinen Schläfen sieht man im schwachen Licht die
Enden zweier Lorbeerzweige emporsteigen. Im Vordergrund, den
Rücken dem Publikum zugewandt, ein junger Mann, es könnte
Claus von Staufenberg sein, nackt, in kniender Haltung, das eine
Bein angewinkelt, den Kopf leicht gesenkt, als würde er beten. Nach
einigen Sekunden des Schweigens erklingen von links und rechts im
Wechsel Stimmen.
STIMME 1: Mein leidend leben neigt dem schlummer zu
Doch gütig lohnt der Himmlischen verheissung.
STIMME 2: Ich werde heldengrab ∙ ich werde scholle
Der heilige sprossen zur vollendung nahn ..
STIMME 1: Mit diesem kommt das zweite alter ∙ liebe
Gebar die welt ∙ liebe gebiert sie neu.
STIMME 2: Wunder undeutbar für heut
Geschick wird des kommenden tages.
STIMME 1: Mein traum ward leisch und sandte in den raum
STIMME 2: Kommt wort vor tat kommt tat vor wort?
STIMME 1: Hemmt uns ! untilgbar ist das wort das blüht.
STIMME 2: Du hast des lebens götterteil genossen
Von glück und rausch und schwärmen wunderbar ..
STIMME 1: Du darfst nicht murren ∙ ward dir nun beschlossen
Des wahren lebens ander teil: gefahr.
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erster aufzug
Erste Szene
Speisezimmer der Familie von Staufenberg im Schloss in Lautlin-
gen. Am Tisch die Familie: die Eltern Caroline und Alfred mit den
Söhnen Berthold, Alexander und Claus. Alfred sitzt am Kopfende,
ihm gegenüber Albrecht von Blumenthal.
CAROLINE: Es freut mich so, lieber Blumenthal, dass Sie
uns hier in Lautlingen besuchen. Das Landleben ist doch allzu
eintönig. Was gibt es Neues aus Jena? Sind Sie nun schon Pro-
fessor?
BLUMENTHAL: Fast, liebe Gräin, fast. Im November noch
die öfentliche Probevorlesung – dann habe ich die Venia
Legendi. Endlich.
CAROLINE: Das ist ja großartig!
ALFRED: Dann gibt es was zu feiern. Darauf müssen wir
einen Toast ausbringen.
Alle heben die Gläser.
ALFRED: Auf den Professor!
CAROLINE: Auf eine glänzende Karriere in der Wissenschaft!
Alle trinken.
CAROLINE: Und über was werden Sie sprechen?
BLUMENTHAL: Über Kritias. Eine Art Huldigung des viel-
geschmähten Tyrannen als Dichter und Schriftsteller. Platon
hat ihm sein letztes Dialogfragment gewidmet.
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CAROLINE: Wie aufregend! Da wird es Sie vielleicht interes-
sieren, dass unser Berthold gerade einen Vortrag über den Em-
pedokles von Hölderlin für seine Abiturklasse vorbereitet.
BLUMENTHAL: Ach wirklich? Der Empedokles, eine ganz
wunderbare Wahl. Zu Berthold. Es scheint, als hättest du die
Leidenschaft zur Dichtung von deiner Mutter geerbt. Zu Ale-
xander und Claus. Und ihr beiden, teilt ihr diese Begeisterung?
ALEXANDER: Ich liebe das Altertum, seine Philosophen und
Poeten. Die helle Klarheit und der dunkle Grund.
CLAUS: Wie stolz und vornehm die alten Griechen doch wa-
ren!
CAROLINE: Ach, ihr Schwärmer ! Habt ihr heute überhaupt
schon geübt auf euren Instrumenten?
BERTHOLD: Aber Mamá, du schwärmst doch selbst ! – Für
Hofmannsthal und Rilke ganz besonders. Zu Blumenthal.
Mamá hat sich mit ihm sogar schon Briefe geschrieben.
CAROLINE ermahnend und verschämt: Berthold, bitte, nicht
so vorlaut.
ALFRED: In diesem Haus wird viel zu viel geschwärmt! – und
viel zu wenig über Plichten nachgedacht. Die Burschen sind
schon ganz verweichlicht.
BLUMENTHAL: Mir scheint, dass Dichtung eine gute Schule
für das Leben ist. Sie gibt das Leben selbst in konzentrierter
Form und macht die Jugend stark.
ALFRED: Nein nein, mein lieber Blumenthal, da irren Sie ge-
waltig. Sie zieht vom Leben ab. Vernebelt den Blick für die Reali-
tät. Besonders bei den Buben hier. Die träumen viel zu viel, statt
kräftig anzupacken. Verkriechen sich nur hinter ihren Büchern.
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CAROLINE: Ein Gedicht kann das Leben ändern, Alfred.
Aber davon verstehst du nichts.
ALFRED: Ja, Gott sei Dank nicht! Irgendwer muss ja einen
klaren Kopf behalten hier.
CAROLINE: Alfred ist halt mehr praktisch veranlagt, lieber
Blumenthal. Er baut so wunderschöne Lampenschirme, wie
diesen hier über dem Esstisch.
BLUMENTHAL: So weit ist die Dichtung nicht entfernt von
der Wirklichkeit wie Sie denken. Nehmen Sie nur das hema
meiner Antrittslesung. Da ist das Dichterische höchst poli-
tisch: Kritias lebte in einer Zeit der allgemeinen Aulösung im
untergehenden Athen nach dem Tode Perikles’. Das Land in
den Händen geringer Menschen, nicht in der Lage, die Staats-
verwaltung in Ordnung zu halten. Allgemeine Richtungs-
losigkeit, die Verfallsform einer verderblichen Demokratie,
wie sie Platon geißelte. Und heute?
ALFRED: Ja, da mögen Sie recht haben. Aber wer könnte
etwas dagegen tun? Die Dichter doch wohl am wenigsten.
BLUMENTHAL: Im alten Athen jedenfalls war es der betö-
rende Zauber eines bedeutenden Menschen wie Kritias, der
Staatsmann war und zugleich Dichter. Mit mächtiger Gebärde
hat er dem Einzelnen und seinem Volk den Weg gewiesen.
ALFRED: Das mag vor 2500 Jahren im kleinen Athen geklappt
haben. Aber heutzutage? Bei uns? Sehn Sie sich doch nur um:
Wer soll das Reich denn noch zusammenhalten? Separatismus
überall und weitere Gebietsabtritte an Polen – selbst gegen den
Willen der dortigen Bevölkerung. Die unseligen Reparations-
zahlungen bluten uns zusätzlich aus. So eine Schmach ist noch
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keinem Volk zuteilgeworden. Wir werden uns auf Jahrzehnte
verschulden müssen. Dabei halten sie unsere besten Industrie-
regionen besetzt. Wie sollen wir da jemals etwas abbezahlen?
CAROLINE: Reg dich nicht auf, Alfred. Wir können’s doch
nicht ändern.
ALFRED weiter in Rage geratend: Und mittendrin unsre Po-
litiker! Was die zu allem Übel mit uns machen. Die elende
Arbeitslosenunterstützung wird Deutschland noch schlimmer
zerstören als irgendein Feind von außen. Und was, wenn die
Regierung nicht mehr zahlen kann? Dann gibt es noch mehr
Streiks und die Kommunisten kommen weiter hoch.
CAROLINE: Soweit wird’s die Regierung schon nicht kom-
men lassen, Alfred.
ALFRED: Die Regierung? Haut mit der Faust auf den Tisch.
Ein Lumpenpack ist das! Haben uns verraten und verkauft
und quasseln nur rum in ihrem Parlament.
CAROLINE: Schlaggi, so mäßige dich doch!
ALFRED: Unfähiges Lumpenpack! Gesindel!
CAROLINE zu Blumenthal: Ihn regt die Politik so auf, lieber
Blumenthal. Verzeihen Sie. Wir sollten besser nicht darüber
sprechen. Sie müssen wissen: Wir dienten im engsten Kreis der
alten württembergischen Monarchie. Mein Mann war Ober-
hofmarschall. Der König und die Königin gingen ein und aus
bei uns. Ich selbst war erste Hofdame. Den Tränen nah, selbst
zunehmend um Fassung ringend. Nun ist das alles hin und
Alfred nur das Rentamt geblieben.
BLUMENTHAL: Aber Verehrteste. Sie brauchen sich doch
hier nicht zu entschuldigen. Der unselige Krieg, er hat uns alle
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viel gekostet – und der Versailler Friede schwer gedemütigt.
Das steckt keiner so leicht weg. Das hinterlässt Spuren. Bei
jedem von uns. – Unsere Hofnung ist die Jugend. Zu Berthold
und Alexander. Was wollt ihr zwei denn nach der Schule ma-
chen? Habt ihr euch schon entschieden?
BERTHOLD: Genau noch nicht. Auf jeden Fall dem Vater-
land dienen, an vorderster Front.
BLUMENTHAL: Als Oiziere?
BERTHOLD: Vielleicht beim Regiment. Aber eigentlich will
ich zum Auswärtigen Amt. Und davor Rechts- und Wirt-
schaftswissenschaften studieren.
ALEXANDER: Ich könnt mir auch die Alte Geschichte vor-
stellen. Mal sehn, was wird.
BLUMENTHAL: Und Claus, du hast ja noch ein bisschen
Zeit. Aber vielleicht schon einen Plan?
CLAUS: Etwas Tüchtiges leisten will ich, Herr von Blumen-
thal! Meine Liebe gehört der Architektur: Baumeister werden,
Tempel errichten dem deutschen Volk zu Ehren! Allerdings:
Wenn die Soldatenplicht ruft, würd ich mich opfern im
Kampf fürs Vaterland!
CAROLINE: Deinen Heldenmut in Ehren, Bub. Aber es sind
schon zu viele gefallen fürs Vaterland. Ich will nicht auch noch
meine Söhne geben müssen. Wir alle hofen, dass kein Krieg
mehr kommt. Und dass wir zuversichtlich in die Zukunft bli-
cken können. Trotz allem.
BERTHOLD versonnen vor sich her blickend: Ach, Mamá. An
die Zukunft zu denken, das hat doch gar keinen Sinn. Es wird
eh bald alles im wilden Chaos enden. Ich seh nichts andres
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mehr in unsrem armen Deutschland. Und wenn das nicht
kommt, dann landen wir im ärgsten Amerikanismus.
ALFRED: Na, nun malt den Teufel mal nicht an die Wand! So
kann man nicht ins Leben treten. Eure Mutter hat ganz recht –
ausnahmsweise: Zuversicht, Jungs !
BLUMENTHAL nachdenklich: Die Jugend spürt mit siche-
rem Instinkt, woran es unsrer Zeit gebricht. Was haben wir
denn noch in dieser entzauberten Welt? Ist nicht alles merk-
würdig ziellos geworden? Wo sind die Ideen und Ideale, an die
wir uns halten könnten? Wir haben den Kompass verloren,
fürchte ich.
CAROLINE: Ach Blumenthal, Sie sprechen mir aus vollem
Herzen! Alles ist so entwertet heutzutage.
BLUMENTHAL: Der entfesselte Rationalismus, an dem unsre
moderne Welt krankt, er bleibt blind für die irrationale Option.
Und doch treibt sie auch darin ihr Wesen.
BERTHOLD: Wie meinen Sie das?
BLUMENTHAL: Nun. Der Fortschrittsglaube zum Beispiel.
Oder der Glaube an den Kapitalismus: die Geldvermehrung.
Sind das nicht alles ganz irrationale Dinge? Letztlich bleibt
unsre Zeit die Antwort auf die Frage nach dem Sinn der ganzen
Veranstaltung schuldig. Wahre Sinnstiftung gibt es am Ende
nur noch in der Dichtung. Einer Dichtung selbstverständlich,
die sich traut, Religion zu sein nach dem Tode Gottes, wie ihn
schon Nietzsche prophezeit hat.
CAROLINE: Ich ahne wohl, auf wen und was Sie anspielen.
Stehn Sie noch in Kontakt zu unsrem großen deutschen Dich-
ter Stefan George?
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BERTHOLD plötzlich aufgeregt, kaum auf dem Stuhl zu halten:
Herr von Blumenthal kennt den Meister? ! Ist das wahr?
ALEXANDER zu seiner Mutter gewandt: Das gibt’s nicht ! Wa-
rum hast du uns das nicht gleich gesagt, Duli ?
BERTHOLD aufspringend: Herr Gott, wir sitzen hier und dis-
kutieren über Deutschlands Zukunft und was wir einmal werden
wollen. Und niemand sagt uns, dass unser Gast die Atemluft des
Meisters teilen darf! Der Gründer des Neuen Reichs. Unser Idol !
Wir kennen alle seine Gedichte !
CLAUS hitzig: Bei den Neupfadindern haben wir nur ihn ge-
lesen am Lagerfeuer. Erzählen Sie ! Wie ist er ? Und wie ist’s, um
ihn herum zu sein?
CAROLINE: Gemach, Kinder! Nun bestürmt den lieben Herrn
von Blumenthal nicht so. Er kommt ja kaum zu Wort. Und setzt
euch erst mal wieder ordentlich hin.
BLUMENTHAL: Lassen Sie nur, Gnädigste. Der Meister ist
der größte Mentor und Führer der heutigen Jugend. Ich weiß
nur allzu gut, wie sehr allein sein Name die Gemüter der jungen
Leute erhitzt. Zu Recht, möchte ich sagen.
BERTHOLD: Ich würde alles geben, ihn einmal kennenler-
nen zu dürfen. Er ist als Heiland dieser Welt gesandt. Nur eine
Geste, einen Blick von ihm, ihm leibhaftig begegnen. Das wär
das Höchste !
BLUMENTHAL: Wie es der Zufall will, seh ich ihn kom-
mende Woche. Was haltet ihr davon, wenn ich ihn einfach frag?
BERTHOLD: Das würden Sie tun für uns?
BLUMENTHAL: Ja selbstverständlich ! – Natürlich nur, wenn
eure verehrte Frau Mamá nichts einzuwenden hat dagegen.
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CLAUS: Bitte, Mamá!
CAROLINE nach kurzem Zögern: Na, seht ihr. Und im Nu ist
die Welt nicht mehr so düster wie Berthold sie gerad noch ge-
malt hat. Jetzt lasst uns aber essen, bevor es kalt wird.
Zweite Szene
Arbeitszimmer Stefan Georges. George zusammengesunken vor sei-
nem Schreibtisch sitzend, in einen schwarzen Mantel gehüllt als
würde er frieren. Er trägt einen Diamantring und ein goldenes
Armband. Das gepuderte graugelbe Haar ist streng nach hinten
gekämmt. Schräg hinter ihm auf einer Konsole eine Marmorbüste
seines Kopfes. Im Hintergrund an der Wand über einer Chaise-
longue eine Photographie von ihm in Proilansicht. In der rechten
Ecke ein kleiner Teetisch mit drei Stühlen. Es klopft an der Tür.
George verharrt reglos im Stuhl. Nach einem weiteren Klopfen hebt
er den Kopf.
GEORGE: Ja bitte.
Blumenthal betritt den Raum.
GEORGE: Ach Albo, du …
BLUMENTHAL: So niedergeschlagen?
GEORGE: Es geht mir nicht gut. Mein Kopf ist schwer und
müd. Seit Tagen sitz ich nun schon hier. Von den durchwachten
Nächten ganz zu schweigen. Und nichts, nichts will aufs Papier!
Hab ich dann endlich eine Zeile, nur einen Vers, der etwas taugt,
will sich kein Reim, kein Wort dazugeselln, das passen tät.
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BLUMENTHAL: Du leidest sehr. Das spüre ich. So kann’s
nicht weitergehn. Dir fehlt ein neuer Kreis, ein Umfeld, das
dich inspiriert, ein frischer Wind …
GEORGE abwinkend: Nein, Albo, nein. Ich will nicht mehr.
Nochmal von vorn beginnen. Nochmal die leidge Suche, Aus-
wahl und Erziehung. Nochmal den ganzen Hokuspokus. Das
Abrakadabra. Ich bin zu alt, um dies Spektakel zu entfachen.
BLUMENTHAL: Und doch brauchst du die Knaben. Du
merkst’s ja selbst: Ohne ihr frisches Temperament und den Elan
der Jungs gelingt dir keine Zeile. Und das hältst du noch we-
niger aus. Denn schreiben musst du. Dichten ist dein Leben.
GEORGE: Ich hab genug. Der Prinz und Puck sind mir ge-
blieben, die mich begleiten und umsorgen. Plötzlich verson-
nen-schwärmerisch. So rührend sind die, mein Castor … mein
Pollux … – Was will ich mehr?
BLUMENTHAL: Gefährten! Eine Schar ! Nicht nur die bei-
den, so lieb sie dir sind. – Letzte Woche war ich bei Staufen-
bergs zu Gast. Hab mir die Jungen dort mal näher angesehn.
Von dreien sind mindestens zwei was.
GEORGE: Staufenberg? Staufenberg … – Der Name klingt
nicht schlecht. Ein ganzer Mythos taucht in diesen Silben auf.
Da ließe sich was machen draus. Sind sie denn hübsch und
bildbar?
BLUMENTHAL: Mir schien es, ja. Sie lesen Hölderlin. Die
Mutter ist dichterisch bewegt. Hat sich mit Rilke geschrieben.
GEORGE: Ach je, mit Rilke ausgerechnet. Der alte Betörer
empindsamer Frauenherzen mit seinen süßen Schwanensän-
gen. Da kann ich leider gar nicht konkurrieren.
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BLUMENTHAL: Musst du auch nicht. Die Jungs verehrn nur
dich. Sind voll und ganz von dir begeistert – und brennen drauf,
dir vorgestellt zu werden. Sie haben deine Verse alle schon ver-
schlungen – am Lagerfeuer, bei den Neupfadindern …
GEORGE nach kurzem Überlegen: Also gut, Albo, schaf sie
her. Einen Versuch ist’s wert. Auf dass mir endlich was gelinge.
Dritte Szene
Schlosspark der Staufenbergs in Lautlingen. Berthold auf der Wiese
sitzend, Frank aufgeregt vor ihm stehend.
FRANK: Ihr werdet empfangen? Vom Meister? ! Ich fass es
nicht ! Ach, wie beneid ich euch darum. – Kann ich nicht auch
dabei sein?
BERTHOLD: Du bist zu jung, Knappe, mit deinen 13 Jahrn.
FRANK: Ich weiß ja. Aber trotzdem …
BERTHOLD: Und außerdem tust du mir Dienst. Wer wäre
ich, würd ich dich andren Herren überlassen.
FRANK: Ich bin allein dein Untertan. Nur dir dien ich, mein
Ritter. Bedingungslos. Dass du mich überhaupt beachtet hast
unter den vielen und erwählt an deine Seite … – Ich werd dir
ewig dankbar sein dafür.
BERTHOLD: Na also.
FRANK: Aber du musst mir hernach alles ganz genau erzählen:
Wie der Meister so ist, wie er sich gibt, was er sagt. Jede Einzel-
heit will ich wissen.
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BERTHOLD: Ja sicher tu ich das. Mach dir mal keine Sorgen.
Du bist doch mein Getreuster. Fährt Frank über das Haar.
FRANK: Was wär ich ohne dich? Du hast mir den Hyperion
eröfnet und meine Augen für eine andere, ganz neue Welt.
Als wir gestern im Gras beieinanderlagen und gemeinsam die
Briefe an Adamas lasen, das war so wunderbar ! Seither ist alles
wie verwandelt in mir. Zu Hause lag ich lange wach im Bett,
wie angezündet, aufgewühlt im Innersten, dein Bildnis auf dem
Nachttisch neben mir. Konnt nicht schlafen und essen auch
nichts.
BERTHOLD: Das wird deiner Mutter aber gar nicht gefallen
haben.
FRANK: Ist mir doch ganz gleich ! Ich rede sowieso kaum noch
mit der Familie. Was wissen die denn schon von unsrem Bund
und unsren Träumen! Geht sie ja auch nichts an. Wenn’s mir zu
dumm wird, mach ich Schluss mit ihnen. Für mich gibt es nur
dich und den Zauber und das Verströmen in diesem Sommer.
Als würd ich schweben … Und nun auch noch die Nachricht
von des Meisters Einladung an euch. Das ist die Krönung. Wie
ein Wunder ist das alles.
Vierte Szene
Georges Arbeitszimmer wie zuvor. George in gleicher Haltung in
seinen Mantel gehüllt, unbeweglich, in sich gekehrt, auf dem Stuhl
leicht eingesunken. Es klopft an der Tür. George reagiert nicht.
Nach nochmaligem Klopfen hebt er den Kopf.
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GEORGE: Herein.
BLUMENTHAL: Draußen warten die beiden Staufenberg-Jun-
gen. Darf ich sie zu dir führen?
GEORGE: Jaja, natürlich Albo, lass sie eintreten. Sortiert den Stof
seines Mantels, streift sich mit den glatten Handlächen das Haar an
den Schläfen zurecht und wirft sich in Pose. Eine gewisse Unruhe ist
ihm anzumerken.
BLUMENTHAL beim Öfnen der Tür zu Berthold und Claus:
Dies ist eure Chance. Nutzt die Gunst der Stunde!
Blumenthal schiebt Berthold und Claus über die Schwelle in den
Raum und schließt die Tür hinter ihnen. Die Brüder tragen eine
karierte Kniebundhose und Kniestrümpfe, über einem weißen
Hemd eine graue Strickjacke, die mit einem schmalen Ledergürtel
in der Taille zusammengebunden ist.
GEORGE jetzt gut aufgelegt, mit fester, einladender Stimme: Aha,
die beiden Schenken von Staufenberg! Tretet doch näher, ihr zwei.
Beide machen ein paar Schritte vorwärts, bleiben dann aber verlegen
und gehemmt stehen. George ixiert sie; sein Blick scheint sich an ihnen
festzusaugen. Er lehnt sich etwas vor, wobei sein Körper in äußerste
Spannung gerät. Pfeilgerade ist der Blick auf die vor ihm Stehenden
gerichtet.
GEORGE: Na, kommt schon heran. Nur nicht so schüchtern. Was
zögert ihr?
BERTHOLD: Ach Meister, Meister. So vieles wollten wir Euch
sagen. Doch nun bleibt uns das Wort im Halse stecken und nichts
Gescheites will heraus.
GEORGE: Ehrfürchtges Schweigen ist oft die beste Antwort – hier,
wo das Geschwätz erstirbt. Kommt, lasst uns dort hinübersetzen.
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George weist auf die Chaiselongue, erhebt sich und schält sich dabei
aus seinem Mantel, der wie die abgestrifene Haut eines Reptils im
Stuhl liegen bleibt. Darunter wird sein sehr schmaler, ausgezehrter
Körper sichtbar. Er trägt eine eng am Leib anliegende Kamelhaar-
weste, ein hochgeschlossenes Hemd mit schwarzem Seidenhalstuch.
George lässt sich auf der Chaiselongue nieder. Berthold und Claus
lagern auf seinen Wink hin am Boden zu seinen Füßen.
BERTHOLD: Wir können diesen Augenblick noch gar nicht
fassen. Noch sind wir, glaube ich, zu aufgeregt.
GEORGE: Das ist der magische Moment, die Schwellenangst.
Doch nun seid ihr in eine andre Sphäre eingetreten und Zau-
ber wird darin das Herz verwandeln. Anspannung löst sich rasch.
Aufregung weicht Schauern der Ergrifenheit. Streicht Claus
durchs Haar. Und ihr, ihr seid ja selbst der wahre Grund für die-
ses Wunder.
BERTHOLD: Wie meinen Sie das, Meister?
GEORGE: Das Wunder, das euch zu euch selber führte, indem
ihr euren Weg zu meiner Stätte fandet. Denn hinter euch trat
noch ein Schatten durch die Türe, der lange Schatten einer al-
ten Mär. Die Luft vom Kyfhäuser, sie wehte mit euch durch das
Zimmer. Fächelt sich mit der einen Hand Luft zu, als würde er
einem Duft nachriechen. Mit jedem eurer Atemzüge strömt sie
durch den Raum. Ich spürt es gleich. Ihr seid Besonderes.
CLAUS: Vom Kyfhäuser? Dem alten Barbarossa etwa?
GEORGE: Ihm und dem Enkel. Der stolzen Staufer Sippe, wie sie
in eurem Namen klingt. Der Name weist ins Wesen: In euch wallt
alte Weisheit, stauisch strahlndes Blut. Nichts andres kann es sein
als solcher Ahnschaft hohe Art. Das blitzt euch aus den Augen.
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CLAUS: Soviel der Ehre. So hoch wollt Ihr uns heben – allein
vom ersten Anschein, bloßen Anblick. Das ist … das ist …
GEORGE: Ja sicher doch! Wo blieb denn Weisheit, Schönheit,
Macht und Ruhm, wenn nicht ihr sie hättet, der Staufer und
Ottonen blonde Erben?
CLAUS: Ja, Ihr habt recht! Ich wühle gern in alten Heldensagen
und fühl mich oft verwandt so hehrem Tun und ruhmgekrön-
tem Blute.
GEORGE klatscht in die Hände: Vortrelich! So hast du dich
schon selbst erhöht – fast war’s ein Vers, den du in der Begeis-
terung gesprochen. Du bist der Kühnre von euch beiden, der
leicht entlammte, schwärmerische Geist. Wie aber stets mit dei-
nem Bruder, Berthold, dir, dem Älteren?
Claus, mit glühenden Augen, wendet sich zu Berthold um, der hin-
ter ihm sitzt und nun angestrengt nachdenkt.
BERTHOLD: Dem hohen Erbe fühl auch ich mich tief verbun-
den. Doch möcht ich dies Gefühl auch gründen: in Tatsachen.
Sicher, wir heißen Staufenberg und kommen aus schwäbischen
Erblanden der Staufer. Auch geht unser Geschlecht zurück ins
13. Jahrhundert. Doch ist die Blutsverwandtschaft daraus ableit-
bar? Gibt’s Quellen, die mir zweifelsfrei belegen, dass ich ein
Spross desselben Stauferstammes bin? Kann eine Namensähn-
lichkeit, die uns ganz sicher schmückt und ziert, nicht bloßer
Zufall sein? Und müsste solche Heldenehre nicht erst ganz neu
gegründet werden?
GEORGE: Natürlich. Ich verstehe deine Zweifel. Und sehe in
dir gleich den Grübelnden, Versonneneren von euch beiden.
Wie kräftig tritt der Intellekt an dir hervor! Doch muss ich dir in
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diesem Punkt auch widersprechen, damit ihr beide seht, wie wir
im Kreis zu denken plegen: Historische Genauigkeit verstellt
uns oft den Blick auf den geheimen Sinn des Ganzen. Wo uns
der Ruf der Mythe tönt, muss das philisterhafte Fragen stum-
men. Stauf – in einer einzgen Silbe liegt’s. Dem Namen folgt das
edle Blut und fängt sogleich zu leuchten an. Jahrhunderte zer-
schmelzen unter solchem Glühn. Die Hoheit schimmert bläu-
lichrot unter der Haut hervor. Und wo sie heiß herausbricht aus
den Adern, wird Ahnung zur Gewissheit. Über dem Gesagten in
Emphase geratend. Stellt euch doch nochmal vor mich her.
Berthold und Claus erheben sich, treten einige Schritte zurück und
bleiben, sich gegenseitig die Arme um Schulter und Hüfte legend, in
gemessenem Abstand zu George stehen.
GEORGE: Prächtig, prächtig! Sieht das entlammte Aug doch
auf den ersten Blick die Kühnheit, Stolz, natürliche Verachtung
alles plump Gemeinen. Allein durch eure Haltung! Die Verle-
genheit von Claus und Berthold bemerkend, plötzlich in veränder-
tem, ermahnendem Tonfall. Ist’s euch unangenehm, Buben, so
betrachtet zu werden? Das darf es nicht. Dies Selbstbewusstsein
müsst ihr üben, die edle Pose einstudiern, dass alle Welt die Bes-
ten gleich herauskennt aus der Masse. Den Typus bilden, darauf
kommt es an! – Sei’s drum. Bei mir im Kreis werdet ihr das
schon lernen – wenn ihr dazu bereit seid …
Berthold und Claus verwirrt und zögernd, bis Berthold einfällt.
BERTHOLD: Ja, ja ! Natürlich, Meister ! Mehr als alles in der
Welt. Stößt Claus mit dem Ellenbogen an.
CLAUS hastig: Wir würden alles dafür geben, in Euren Dienst
zu treten.
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GEORGE: Schon gut, nur nicht zu ungestüm, ihr jungen
Staufer. Fürs Erste soll’s genug der Unterweisung sein. Ich lasse
gerne einen Zustand reifen, bis dass der nächste draus hervor-
rollt. Der Albo führt euch raus. Wir sehn uns wieder.
Berthold und Claus gehen langsam, sich wechselseitig verneigend
rückwärts zur Tür. Als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hat,
verharrt George eine Weile wie angewurzelt auf seinem Platz.
Dann springt er plötzlich auf und stürzt an seinen Schreibtisch,
klammert sich mit beiden Händen an der Tischkante fest und
blickt starr auf das vor ihm liegende weiße Blatt. Mit einer hef-
tigen Bewegung reißt er sich los, taumelt zur Wand und stößt,
wie ein Tier gehetzt an der Tapete entlangtastend, atemlos Verse
hervor.
GEORGE: Reiss mich an deinen rand
Abgrund – doch wirre mich nicht !
Wo unersättliche gierde
Schon jeden zoll breit gestapft hat.
Da in den äussersten nöten
Holten die Himmlischen gnädig
Ihr lezt geheimnis ..
Euch Staufersöhne.
Heb mich auf deine höh
Gipfel – doch stürze mich nicht !
Wankt wieder zum Schreibtisch, greift nach einem der Stifte und
lässt sich auf den Stuhl in seinen Mantel zurücksinken. Leiser,
mit erschöpfter Stimme, beim hastigen Schreiben vor sich hin spre-
chend.
GEORGE: Nur was im schützenden schlaf
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Weihlicher erde noch ruht –
Wunder undeutbar für heut
Geschick wird des kommenden tages.
Er lässt den Stift aus der Hand fallen, der Kopf sinkt erschöpft
aufs Kinn.
Fünfte Szene
Schlosspark der Staufenbergs in Lautlingen wie zuvor. Berthold,
Claus und Frank auf der Wiese sitzend und liegend.
FRANK: Wann kommt er bloß. Das Warten ist unerträglich.
BERTHOLD: Vielleicht hat der Zug Verspätung.
CLAUS: … oder der Meister hat ihn gleich bei sich behalten.
BERTHOLD: Seltsam ist es doch. Warum hat er ihn nicht mit
uns zusammen einbestellt? Warum erst jetzt, nach unserem Be-
such?
CLAUS: Ach, was weiß ich. Wenn er erst hört, wie schön der
Alexander dichtet. Das dürfte ihm gefallen. Im Versemachen ist
er uns allen weit voraus.
BERTHOLD zu Claus: … na, unser Frank ist auch nicht
schlecht darin …
Frank überrascht, etwas verdutzt zu Berthold herüberblickend.
CLAUS: Du schreibst Gedichte? Seit wann? Lass hörn!
BERTHOLD: Er hat mir gerade gestern eins geschickt. Zieht
einen gefalteten Zettel aus der Tasche. Ganz frisch aus meines
Knappen Feder.
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FRANK: Das ist nicht fair! Es war an dich gerichtet.
BERTHOLD: Claus ist mein zweites Ich. Geheimnisse gibt’s
nicht vor ihm. Was mich erhöht, soll er auch hören. Will zu
lesen beginnen.
FRANK: Sei nicht gemein ! Das ist allein für deine Ohrn be-
stimmt.
BERTHOLD liest:
Göttlicher Jüngling,
der du ein Gott, herabgestiegen vom Olymp,
zu herrschen über die Sterblichen,
wie Alexander, wie ein Caesar, wie Napoleon …
FRANK: Hör auf ! Ich will nicht, dass du’s vorliest !
BERTHOLD fortfahrend:
Nein, nein, gewaltiger noch
als alle drei zusammen und schöner,
denn du bist Berthold –
gleich dem Apoll bist du,
dort am olympischen Tempel des Zeus …
… und so weiter und so weiter … Den Zettel zusammenfaltend,
zu Claus. Nicht schlecht, was? Noch etwas unbeholfen, aber
für den Anfang … Wie indest du’s?
CLAUS: Naja, den Dichterlorbeer verdient’s noch nicht. Aber
ein Kranz aus Gänseblümchen, das wär’s schon wert.
FRANK: Ihr seid grausam. Beide. Ich hab genug von euch. Ich
geh nach Haus.
CLAUS aufblickend: Na endlich ! Da kommt Alexander.
Schnell, ihm entgegen.
Alle laufen dem Ankommenden entgegen.
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BERTHOLD: Und Alexander, sag, wie lief ’s ? Hast du ihn für
dich eingenommen?
ALEXANDER niedergeschlagen: Ach, Berthold, es … es war
ganz … ganz fürchterlich … Fällt seinem Bruder weinend in die
Arme.
BERTHOLD ihn länger haltend: Na komm, nun beruhig dich
erst einmal. Ist ja schon gut. Fasse dich wieder.
ALEXANDER schluchzend: »Ach Gott, wie sind Sie hölzern !« –
hat er zu mir gesagt. Ich habe voll und ganz versagt.
BERTHOLD: Na was, das glaub ich nicht. Du bist mein Zwil-
lingsbruder. Wie könnt das sein.
ALEXANDER: Doch doch. Ich bin ganz einfach durchgefalln
bei ihm. Ich hab’s genau gespürt. Dabei hab ich ihm meine bes-
ten Verse vorgetragen. Ich weiß es nicht warum. Er mag mich
einfach nicht wie euch. Ich werde niemals Gnade inden unter
seinen Augen.
BERTHOLD: Du bist ein Teil von uns, bist Blut von unsrem
Blute. Auch wenn ich ihn abgöttisch liebe: Uns drei trennt
nichts, auch nicht sein Wort.
ALEXANDER: Nein nein. Ich möchte eurem Glück gar nicht
im Wege stehn. Es ist ja meine Schuld. Ich bin nicht gut genug.
CLAUS die beiden Brüder in die Arme schließend: Sei unbesorgt,
uns gibt es nur zusammen oder nicht.
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Sechste Szene
Atelier Ludwig hormaehlens. Die Kreismitglieder. Zwischen bren-
nenden Kerzenständern, Marmor- und Gipsbüsten auf unterschied-
lich hohen Stelen, sind überall Spiegel aufgestellt, in denen sich der
Raum und die darin Versammelten zu vervielfältigen scheinen. Im
Hintergrund ein zugezogener Vorhang. Alles wirkt improvisiert.
GEORGE feierlich: Heut ist der Tag gekommen der lang er-
sehnten Ankunft. Wiedergeboren ist uns ein schon verloren ge-
glaubtes Geschlecht. Halbgötter sie zu nennen, scheu ich mich
nicht. Für deutsches Wesen sind sie’s ganz gewiss: die hehren
Staufer. Drei Edle gleich desselben Stammes hat das Schicksal
uns gesandt. In ihrer Jugend vollster Blüte. Tretet hervor, ihr
jungen Helden. Seid mir willkommen unter den Gefährten !
Berthold, Alexander und Claus kommen, sich an den Händen hal-
tend, hinter dem Vorhang hervor und gehen langsam zur Raum-
mitte. Sie sind barfuß und tragen weiße Gewänder, die sichtbar
aus Leintüchern herausgeschnitten sind. Auf dem Kopf hat jeder
einen Lorbeerkranz.
GEORGE: Nun schließt den Kreis um unsre Neophyten.
Die Anwesenden stellen sich im Kreis um die drei Brüder auf.
George bleibt wie ein Regisseur, die Szene beobachtend, beiseite
stehen.
GEORGE plötzlich mit unzeremonieller, etwas krächzender
Stimme dazwischenfahrend: Nein, halt, so geht das nicht ! Ihr
müsst erhöht sein zum Empfang und Preis. Kommt, Buben,
rasch, holt einen Tisch heran.