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Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin Bearbeitet von Peter Deplazes, Johannes Eckert, Georg von Samson-Himmelstjerna, Horst Zahner überarbeitet 2012. Taschenbuch. 656 S. Paperback ISBN 978 3 8304 1135 2 Format (B x L): 19,5 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Veterinärmedizin > Veterinärmedizin: Bakteriologie, Virologie, Parasitologie, Hygiene Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin

Bearbeitet vonPeter Deplazes, Johannes Eckert, Georg von Samson-Himmelstjerna, Horst Zahner

überarbeitet 2012. Taschenbuch. 656 S. PaperbackISBN 978 3 8304 1135 2

Format (B x L): 19,5 x 27 cm

Weitere Fachgebiete > Medizin > Veterinärmedizin > Veterinärmedizin: Bakteriologie,Virologie, Parasitologie, Hygiene

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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156Metazoa

▄ Unterstamm Trematoda (Saugwürmer)

9.1 Klasse Digenea

Platyhelmintha: platys (gr.): platt, breit; helmis (gr.): Wurm. Trematoda: Trema (gr.): Loch. Bezug auf die loch-förmigen Saugnäpfe. Engl.: flukes.

Im Unterstamm Trematoda (Trematoden) sind parasitisch lebende Metazoen zusammengefasst, die in die Klassen Aspidogastrea (Syn. Aspidobothrii) (etwa 80 Arten) und Digenea (Syn. Malacobothrii) (Digenische Saugwürmer) (rund 8000 Arten) eingeteilt werden. Aspidogastrea sind meist kleine, bis etwa 10 mm lange Trematoden mit di-rektem Entwicklungszyklus (Ei → Larve → Adultus), die in Schnecken und Muscheln sowie im Darm oder den Gallenwegen von Fischen und Wasserschildkröten para-sitieren. Sie werden hier nicht näher berücksichtigt. Für die Veterinär- und Humanmedizin sind die Digenea als Krankheitserreger von großer Bedeutung.

Merkmale und Eigenschaften. Der Körper der Digenea ist bilateralsymmetrisch gebaut, meist dorsoventral ab-geflacht und blatt- oder lanzettförmig, teils auch birnen-förmig, zylindrisch oder anders geformt (▶ Abb. 9.1). Die adulten Digenea haben Körperlängen von < 1 mm bis zu einigen Zentimetern, in einem Ausnahmefall (ein Fisch-parasit) bis zu 12 m.

Das Integument (Körperoberfläche) wird von einer syncytialen, kernlosen Außenschicht gebildet, die durch Plasmabrücken mit tiefer liegenden, kernhaltigen An-teilen des Syncytiums verbunden ist (▶ Abb. 9.2). Inte-gument und Muskulatur (Längs-, Ring- und Dorsovent-ralmuskeln) der Digenea und anderer Plattwürmer sind eng miteinander verbunden und bilden den sog. Haut-muskelschlauch. Bei den adulten Stadien der Digenea ist das Integument gefaltet und teils mit Schuppen oder Stacheln besetzt. Bei verschiedenen Arten ist als äußere Schicht eine Glykocalix aus Polysacchariden nachgewie-sen.

Die Leibeshöhle enthält ein mesodermales, spal-tenreiches Parenchym, in welches die inneren Organe eingebettet sind. Als Haftorgane dienen meist 2 musku-löse Saugnäpfe. Der Saugnapf am Vorderende umgibt die Mundöffnung (Mundsaugnapf), der ventrale Bauch-saugnapf hat keinen Zugang zu inneren Organen (▶ Abb. 9.1). Die Anordnung und die Ausprägung der Saugnäpfe variieren in den verschiedenen Gruppen von Digenea. Bei einem Teil der Arten kommen weitere Adhäsionsstruktu-ren vor, z. B. Stachelkränze. Der Verdauungstrakt besteht aus dem Vorderdarm mit Mund, Pharynx (kann fehlen) und Mitteldarm, der meist blind endet und gegabelt oder stärker verzweigt sein kann (▶ Abb. 9.1). Zirkulations- und Atmungsorgane fehlen. Das Exkretionssystem be-steht aus Protonephridien und verzweigten Kanälen. Die Geschlechtsorgane sind meist sehr komplex gebaut und zwittrig angelegt; nur wenige Gruppen sind getrennt-geschlechtlich (z. B. die Schistosomatidae). Die von den

9 Stamm Platyhelmintha (Plattwürmer)

Mundsaugnapf

Ösophagus

Darmschenkel

Samenblase

Ovar

Exkretionsblase mit Exkretionsporus

Uterus mit Ei

Cirrus und Cirrusbeutel

Pharynx

Bauchsaugnapf

Receptaculumseminis

Dotterstock

Hoden

Proto-nephridium

Ootyp mitMehlisdrüse

LaurescherKanal

▶Abb. 9.1 Schema eines Trema-toden der Klasse Digenea (Grafik: IPZ, A. Seeger. Nach S. C. Schell 1985).

aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag

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Helminthen157

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Digenea produzierten Eier enthalten eine Zygote und Dotterzellen, die Eischale ist oft mit einem Deckel (Oper-culum) versehen. Bei der Ausscheidung aus dem Wirt können die Eier bereits eine Larve (Miracidium) enthal-ten. Das Nervensystem (Cerebralganglion, durch Ring-kommissuren verbunden) steht mit freien Nervenendi-gungen und Sinneszellen in Verbindung. Bei den Adulten befinden sich Sinneszellen im Integument, meist gehäuft an den Saugnäpfen, frei lebende Larvalstadien haben zum Teil einfache Lichtsinnesorgane („Augenflecke“).

Die Nährstoffaufnahme erfolgt durch die Mundöff-nung, selektiv auch durch das Integument. Energie ge-winnen adulte Trematoden vorwiegend durch anaerobe Verwertung von Kohlenhydraten, die aber unvollstän-dig vor allem zu Proprionat, Acetat, Succinat und Lactat abgebaut und ausgeschieden werden. Frei lebende Stadi-en (Miracidien, Cercarien), denen Sauerstoff zu Verfügung steht, können Kohlenhydrate vollständig zu CO2 und Was-ser abbauen. Trematoden und andere Helminthen sind zur Proteinsynthese teils auch zur Pyrimidinsynthese befähigt, sie können aber Purin-Nukleotide nicht synthe-tisieren. Der Fettstoffwechsel ist eingeschränkt, da die Fähigkeit zum Aufbau langkettiger Fettsäuren fehlt.

Im Entwicklungszyklus der Digenea treten verschie-dene Stadien auf (▶ Abb. 9.4): Adultstadium → Ei → Mi-racidium → Sporocyste (teils Tochtersporocyste) → Redie (meist mehrere Generationen) → Cercarie → Metacercarie (kann fehlen) → juveniler Saugwurm → Adultstadium (von diesem Grundschema gibt es bei einigen Gruppen der Digenea Abweichungen). Die Adultstadien pflanzen sich geschlechtlich fort und parasitieren in Vertebraten, die

Sporocysten und Redien vermehren sich ungeschlechtlich in evertebraten Zwischenwirten. Die Miracidien und Cer-carien, teils auch die Metacercarien, leben (meist kurz-fristig) in der Umwelt. Die Entwicklung schließt einen Generationenwechsel (geschlechtlich-ungeschlechtlich) und obligate Wirtswechsel (Heteroxenie) zwischen dem Endwirt (Vertebrat) sowie 1 oder 2 Zwischenwirten ein (1. Zwischenwirt ist fast immer ein Weichtier: Schnecke oder Muschel). Der Zyklus ist bei den meisten Arten an Gewässer oder Feuchtbiotope gebunden.

L Literaturhinweise

Gibson DI, Jones A, Bray RA. Keys to the Trematoda. Vol. 1. Wal-lingford, Oxon: CABI International; 2002; ISBN 085-1995-470

Jones A, Bray RA, Gibson DI. Key to the Trematoda. Vol. 2, 3. Wal-lingford, Oxon: CABI International; 2005; ISBN 085-19958-7X; 085-1995-888

Kassai T. Veterinary Helminthology. Oxford: Butterworth Heine-mann; 1999; ISBN 0-7506-3563-0

Köhler P. Stoffwechselphysiologie von Parasiten. In: Hiepe T, Lucius R, Gottstein B, Hrsg. Allgemeine Parasitologie. Stuttgart: Parey; 2006: 189–218; ISBN 3-8304-4101-0

Loos-Frank B, Gottstein B. Grundzüge der Biologie von Parasiten. Helminthen. In: Hiepe T, Lucius R, Gottstein B, Hrsg. Allgemeine Pa-rasitologie. Stuttgart: Parey; 2006: 110–140; ISBN 3-8304-4101-0

Maule AG, Marks NJ, eds. Parasitic Flatworms: Molecular Biology, Biochemistry, Immunology and Physiology. Wallingford, Oxon: CABI International; 2006; ISBN-10: 085-199-027-4

Olson PD, Tkach VV. Advances and trends in the molecular syste-matics of the parasitic plathyhelminthes. Adv Parasitol 2005; 60: 165–243

Schell CS. Handbook of Trematodes of North America North of Mexico. Moscow, Idaho: University Press of Idaho; 1985; ISBN 0-89301-095-2

Integumentfalte

Glykocalix

Mitochondrion

Zellkern

Golgiapparat

Cytoplasmabrücke

Sekretionsgranula

Integumentstachel

Ringmuskulatur

Längsmuskulatur

raues endoplasma-tisches Reticulum

▶Abb. 9.2 Schema des Integuments von Fasciola hepatica (Grafik: IPZ, A. Seeger. Nach L. T. Threadgold 1984).

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158Metazoa

9.1.1 Ordnung Echinostomida

Echinos (gr.): Stachel, Igel; stoma (gr.): Mund.

Die Echinostomida sind langgestreckte Trematoden mit flachem Körper, oft mit bestacheltem Integument. Das Vorderende kann zu einem sog. Kopfzapfen (Fasciolidae) umgestaltet sein oder um die Mundöffnung einen Sta-chelkranz tragen (Echinostomatidae). Von zahlreichen Familien sind vor allem die Fasciolidae und Echinosto-matidae veterinärmedizinisch bedeutsam.

Familie Fasciolidae

Fasciola (lat.): Band, kleine Binde. Bezug auf das blattför-mige Aussehen der Parasiten.

Zusammenfassung ● Erreger. In Mitteleuropa ist Fasciola hepatica (Großer

Leberegel) der wichtigste Vertreter der Echinostomi-da. Adultstadium blattförmig, bis etwa 5 cm lang.

● Entwicklung, Epidemiologie. Entwicklung he-teroxen, an Feuchtbiotope gebunden. Endwirte sind Pflanzenfresser, vor allem Schaf, Ziege und Rind. Zwischenwirt in Europa: fast ausschließlich Galba truncatula (Syn. Lymnaea truncatula) (Zwerg-schlammschnecke). Infektion der Endwirte per os: Aufnahme encystierter Metacercarien mit Pflanzen oder seltener mit Trinkwasser (Schwimmcysten). Größtes Infektionsrisiko im Spätsommer und Herbst. Wanderung der juvenilen Leberegel im Endwirt vom Dünndarm → Peritonealhöhle → Lebergewebe (Mi-grationsphase 6–7 Wochen) → Gallengänge. Präpa-tenz 8–10 Wochen.

▼ ● Vorkommen. F. hepatica: weltweit in gemäßigten

Klimazonen, F. gigantica: subtropische und tropische Gebiete (Asien, Afrika). In Europa ist F. hepatica ein wichtiger Leberparasit bei Wiederkäuern, der auch bei anderen Herbivoren (u. a. Pferd, Esel, Kaninchen), Omnivoren (Schwein) und gelegentlich beim Men-schen vorkommt.

● Pathogenese, Krankheitsbild. Juvenile Leberegel zerstören Leberparenchym, Adulte schädigen Gallen-gänge und saugen Blut. Folgen: verschiedene Ver-laufsformen der Fasciolose (akut, subakut, chronisch) oder subklinische Schäden (Leistungsminderung).

● Diagnose. Intravitaldiagnose durch Nachweis von Fasciola-Eiern im Kot (Sedimentationsverfahren), neuerdings auch von Kopro-Antigen. Nachweis spe-zifischer Antikörper in Blut- oder Milchserum (Tank-milchproben) zur Bestandsdiagnose.

● Therapie, Bekämpfung. Zur Therapie stehen wirk-same Anthelminthika zur Verfügung (u. a. Triclaben-dazol), die Bekämpfung erfolgt durch Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe in Verbindung mit strategi-schen anthelminthischen Behandlungen.

● Weitere Arten der Familie. Fasciola gigantica, Fascio-loides magna u. a. (▶ Tab. 9.2).

● Zoonotische Bedeutung. F. hepatica und F. gigantica verursachen Fasciolose bei Menschen.

Die Vertreter der Familie Fasciolidae (▶ Tab. 9.2) sind ziemlich große, blattförmige Trematoden, die in der Le-ber oder im Dünndarm von Säugern parasitieren und eine diheteroxene Entwicklung mit Wasserschnecken als Zwischenwirten durchlaufen. Von besonderer Bedeutung sind Fasciola hepatica und Fasciola gigantica.

▶Tab. 9.2 Arten (Auswahl) der Familie Fasciolidae.1

Arten, Größe, Verbreitung (V) Zwischenwirte Endwirte Hauptsitz der Adulten

Fasciola hepatica2 (Großer Leberegel) 18–50 × 7–14 mm V: weltweit in gemäßigten Klimazonen

Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, andere Lymnaeidae

Rind, Schaf, Ziege, Büffel, Pferd, Schwein, Wildwiederkäuer, Mensch3

Gallengänge

Fasciola gigantica (Riesenleberegel) 24–75 × 5–12 mm V: subtropische und tropische Regionen in Afrika, Asien, östl. Mittelmeerregion

Radix (Syn. Lymnaea) auricularia-Komplex

Rind, Büffel, Schaf, Ziege, Pferd, Esel, Kamel, Mensch

Gallengänge

Fascioloides magna2

(Großer Amerikanischer Leberegel) 70–100 × 20–30 mm V: Nordamerika, Europa

Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, Lymnaea modicella, L. caperata

Wapiti, Weißwedel-hirsch, Karibu, Reh-, Rot-, Damwild, Schaf, Ziege, Rind

Leberparenchym

Parafasciolopsis fasciolaemorpha2 (Elchleberegel) 3–7 × 1,0–2,5 mm V: Europa

Planorbarius corneus Elch, Reh, Rotwild, Wisent, Schaf

Dünndarm, Gallenblase, Gallengänge

1 Angaben ohne Anspruch auf Vollständigkeit; 2 in Mitteleuropa vorkommende Arten; 3 in Australien Einzelfälle bei Vögeln (Emus; akzidentelle Wirte)

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Gattung FasciolaFasciola hepatica (Großer Leberegel)

Erreger der Fasciolose Z

Fasciola (lat.): Band, kleine Binde; hepar (gr.): Leber. Engl.: common liver fluke.

Erreger. Die adulten Stadien sind abgeflacht, lorbeer-blattähnlich, bräunlich grau, etwa 18–50 mm lang und 7–14 mm breit (▶ Abb. 9.3). Das konische Vorderende („Apikalkonus“, „Kopfzapfen“) ist durch eine schulter-ähnliche Verbreiterung vom restlichen Körper abgesetzt, der sich nach hinten allmählich verjüngt. Der Mundsaug-napf liegt apikal, der Bauchsaugnapf an der Basis des Api-kalkonus. Auffallend ist die starke Verzweigung innerer Organe (Hoden, Dotterstöcke, Ovar, Darm); der Uterus liegt in unregelmäßigen Windungen im vorderen Körper-drittel. Integument mit Stacheln. Eier oval, dünnschalig, mit Operculum, 130–145 × 70–90 μm, goldgelb, sie ent-halten bei Ausscheidung aus dem Wirt die befruchtete Eizelle und Dotterzellen. Einige Stämme von F. hepatica produzieren bis zu 180 μm lange Eier.

Entwicklung. Im Adultstadium parasitiert F. hepatica vor allem in Hauswiederkäuern (Schaf, Ziege, Rind, Büf-fel), aber auch in anderen, meist herbivoren Säugetierar-ten und im Menschen. Die Entwicklung ist diheteroxen (Säuger, Schnecke) und verläuft über folgende Stadien: Ei

→ Miracidium → Sporocyste → Redien (bis 3 Rediengene-rationen) → Cercarie → Metacercarie → juveniles Stadium → Adultstadium (▶ Abb. 9.4).

█ Entwicklung vom Ei zum Miracidium. Die ge-schlechtsreifen Leberegel leben in den Gallengängen ih-rer Endwirte. F. hepatica hat eine hohe Reproduktionska-pazität (täglich ca. 4000–50 000 Eier je Parasit im Schaf), die jedoch in Abhängigkeit von Stärke und Stadium der Infektion sowie der Wirtsart starken Schwankungen un-terliegt (s. u., Epidemiologie). Die Eier gelangen im Fluss der Galle zunächst in den Darm und dann mit dem Kot an die Außenwelt. Ein Teil der Eier kann längere Zeit (8–16 Wochen) in der Gallenblase verbleiben und schubweise abgegeben werden. In der Außenwelt erfolgt eine Emb-ryonalentwicklung bis zum Miracidium, wenn die Eier in ein wässriges Milieu gelangen, eine ausreichende Sau-erstoffzufuhr gewährleistet ist und Temperaturen über +10 °C herrschen. In Mitteleuropa dauert diese Entwick-lung bei günstigen Temperaturen während der Sommer-monate 2–4 Wochen.

Das im Ei gebildete reife Miracidium (Länge ca. 130 μm) nimmt mithilfe seines Lichtsinnesorgans (Ocel-lum) Lichtreize wahr, die als Signale für das Ausschlüpfen wirken, das nur im Wasser erfolgt. Die Glykogenvorräte der Miracidien ermöglichen ihnen eine kurze Lebensdau-er von 20–30 h, in der sie einen geeigneten Zwischenwirt suchen. In Europa ist dies Galba (Syn. Lymnaea) trunca-tula, eine amphibisch lebende Süßwasserschnecke, die

Mundsaugnapf

Darmschenkel(im weiteren Verlaufnicht dargestellt)

Uterus mit Eiern

Mehlisdrüse

Dotterstock

Hoden

Ovar

Bauchsaugnapf

Cirrus

a b

▶Abb. 9.3 Fasciola hepatica: a schematisch; b Adultstadium, ungefärbt, verzweigter Darm mit Blut gefüllt (Grafik a: IPZ, J. Peter. Nach R. Wiegand u. O. Mattes 1958; Aufn. b: IPZ, K. Wolff).

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Adultstadium (Juvenilstadiennicht dargestellt)

Ei

Metacercariean Pflanze

Cercarie

Miracidium

Sporocyste

Redie(bis 3 Generationen)

Lymnaeatruncatula

▶Abb. 9.4 Entwicklungszyklus von Fasciola hepatica (Grafik: IPZ, S. Ehrat).

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sich oft an den gut belichteten Rändern kleiner Wasser-ansammlungen dicht unter dem Wasserspiegel aufhält (s. u., Epidemiologie). Die Miracidien führen zunächst ungerichtete, schnelle Schwimmbewegungen aus, ori-entieren sich dann aber zum Licht und zur Wasserober-fläche und werden dadurch zu den Habitaten der Schne-cken geleitet, wo sie im näheren Bereich (< 15 cm) durch Glykokonjugate der Schnecken chemotaktisch angelockt werden. Die Miracidien finden nur bei bestimmten Zwi-schenwirten günstige Bedingungen für das Eindringen (Penetration) und die weitere Entwicklung. Der Penetra-tion geht eine Anheftung des Miracidiums an die Epider-mis voraus, die durch kurzkettige Fettsäuren (C7–C9) im Mucus der Schnecke stimuliert wird. Der Infektionspro-zess ist temperaturabhängig, findet unter +5 °C nicht statt und verläuft bei +15–26 °C optimal.

█ Entwicklungsstadien im Zwischenwirt. Das Ein-dringen des Miracidiums in die Schnecke erfolgt durch Einbohren mit der vorderen Papille unter Mitwirkung sezernierter proteolytischer Enzyme. Danach verliert das Miracidium die Cilien und wird zur jungen Sporocyste (bis 500 μm lang). Diese wandert in die Verdauungsdrü-se, wo sich aus den in der Sporocyste vorhandenen Keim-zellen Redien (Mutterredien, Generation I) entwickeln, die nach Penetration der Sporocystenwand in das Gewe-be der Verdauungsdrüse gelangen. Die Redien sind etwa 1,5–2,5 mm lange, zylindrische Gebilde mit Mundsaug-napf, Pharynx, unverzweigtem Darm und 2 lateralen Ausstülpungen im letzten Körperdrittel (▶ Abb. 9.4). Jede Redie enthält 16–28 Keimballen, aus denen weitere Redien (Generationen II u. III) oder Cercarien hervorge-hen. Die reifen Cercarien verlassen die Redien durch eine Geburtsöffnung. Die ovalen Cercarien (bis 400 × 220 μm) haben einen langen Schwanz (etwa 800–1000 μm) und sind mit Mund- und Bauchsaugnapf, Pharynx, Ösopha-gus und gegabeltem Darm sowie mit Drüsen ausgestat-tet, die für die spätere Encystierung wichtig sind. Die Cercarien durchwandern das Gewebe und verlassen die Schnecke frühestens 7 Wochen p. i. Allerdings erreichen nicht alle Cercarien gleichzeitig die Reife, sodass aus ei-ner infizierten Schnecke während einiger Wochen oder Monate mehrmals Cercarien freigesetzt werden können. Das Vermehrungspotenzial in der Schnecke ist erheblich; aus einem Miracidium entwickeln sich einige Hundert Cercarien (Entwicklungsdynamik s. u.). Die Entwicklung in den Schnecken dauert unter günstigen Bedingungen 5–8 Wochen; bei niedrigen Außentemperaturen wird die Entwicklung von F. hepatica in der Schnecke vorüberge-hend unterbrochen.

█ Entwicklung der Metacercarie. Nach dem Schlüpfen aus der Schnecke schwimmen die Cercarien lebhaft im Wasser umher und heften sich meist innerhalb weniger Minuten mit dem Bauchsaugnapf an Pflanzenteilen oder anderen Unterlagen fest. Danach stoßen sie den Schwanz

ab und bilden eine mehrschichtige Cystenwand, die aus tannierten und keratinisierten Proteinen sowie Muko-proteinen und Mukopolysacchariden besteht, eine kuge-lige Form annimmt und etwa 250 μm groß ist. Kurz nach Abschluss der Encystierung ist die Metacercarie infekti-onsfähig. Ein Teil der Cercarien (< 10 %) kann sich an der Wasseroberfläche encystieren und so Schwimmcysten bilden. Die Metacercarien sind längere Zeit lebensfähig (s. u., Epidemiologie).

█ Infektion eines Endwirtes und Wanderung zur Le-ber. Die Infektion eines Wirtes erfolgt durch die perora-le Aufnahme der an Pflanzen haftenden Metacercarien oder seltener von Schwimmcysten mit dem Trinkwasser. Im Vormagensystem oder im Magen werden die Meta-cercarien durch die im Vergleich zur Außenwelt erhöhte Temperatur, die Anwesenheit von CO2 und reduzierende Bedingungen aktiviert; sie führen zunächst lebhafte Be-wegungen in der Cyste aus und entleeren während einer folgenden Ruhephase aus ihren Darmblindsäcken Prote-asen (Cathepsine), die auf die innere Cystenwand einwir-ken und so das Ausschlüpfen der Metacercarien vorbe-reiten. Der Schlüpfvorgang wird durch Bestandteile der Galle im Dünndarm stimuliert. Die geschlüpften jungen Egel saugen sich distal der Einmündung des Ductus cho-ledochus an der Dünndarmoberfläche fest, dringen dann in die Darmwand ein, wandern innerhalb von 24 h durch die Darmwand in die Peritonealhöhle und von dort zur Leber, wo der größte Teil nach 4–6 Tagen anzutreffen ist. Die jungen Leberegel führen anschließend eine etwa 6–7 Wochen dauernde Wanderung im Lebergewebe aus und erreichen ab der 6. Woche die Gallengänge, wo sie all-mählich geschlechtsreif werden. Die ersten Eier werden frühestens 2–3 Monate p. i. im Kot ausgeschieden (Präpa-tenz beim Schaf 55–57 Tage, beim Rind 56–77 Tage). Die Lebensdauer der Parasiten im Rind beträgt durchschnitt-lich 9 Monate, im Schaf wesentlich länger. Wandernde junge Leberegel brechen gelegentlich in Blutgefäße ein und gelangen über den Kreislauf in verschiedene Orga-ne, z. B. in die Lunge. Auch eine direkte Einwanderung in andere Organe als die Leber ist möglich. Auf diese Weise kann es gelegentlich zu pränatalen Infektionen kommen, die beim Kalb nachgewiesen worden sind.

Vorkommen und Epidemiologie. F. hepatica kommt weltweit in Regionen mit gemäßigtem Klima vor, in de-nen geeignete Zwischenwirte leben. In vielen Gebieten Afrikas und Asiens überlappen sich die Verbreitungs-gebiete von F. hepatica und F. gigantica (▶ S. 168). Der Entwicklungszyklus von F. hepatica ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wie aus dem folgenden Kapitel her-vorgeht. Dementsprechend unterliegen die räumliche Verbreitung und die Prävalenz von F. hepatica bei End-wirten großen lokalen und regionalen Schwankungen. So waren z. B. in der nördlichen Schweiz durchschnittlich 18 % der Schlachtrinder (n ~ 1300) mit F. hepatica befal-

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len, in hochendemischen Landesteilen wurden aber Prä-valenzen über 60 % festgestellt. Wertvolle Hinweise zur Prävalenz von F. hepatica in Milchkuhbeständen ergaben in den letzten Jahren Untersuchungen von Tankmilch-proben auf spezifische Antikörper im Milchserum (s. u., Diagnostik). Die auf diese Weise ermittelten Prävalenzen in zahlreichen Herden („Herdenprävalenzen“) wiesen z. B. im südlichen Schweden niedrige durchschnittliche Werte auf (6–7 %), hohe u. a. in Belgien (~ 60 %), Ostfries-land (45–57 %), Schleswig-Holstein (~ 50 %) und Bayern 32 % (4–47 %, in einem Landkreis 95 %).

█ Endwirte. Weltweit sind Hauswiederkäuer, vor allem Schaf, Ziege und Rind, die wichtigsten Endwirte von F. hepatica, doch können auch Büffel, Pferd, Schwein, Wild-wiederkäuer, Kaninchen, Hase, Nutria, andere Herbivoren und der Mensch Träger des Parasiten sein. Schafe haben eine besondere epidemiologische Bedeutung, weil sie für F. hepatica sehr empfänglich sind und die Parasiten in ihnen mehrere Jahre mit hoher Eiproduktion überleben können. Rinder scheiden meist geringere Eimengen aus und eliminieren die Infektion in der Regel nach etwa 9 Monaten. Fasciola-Eier gelangen im Kot von Leberegel-trägern oder in Gülle in die Habitate der Zwischenwirte.

█ Eier in der Außenwelt. Für die Entwicklung der Eier im Freien ist eine Mindesttemperatur von +10 °C erforderlich, die obere Toleranzgrenze liegt bei etwa +35 °C. Bei optima-len Temperaturen von +23–25 °C dauert die Entwicklung der Miracidien ungefähr 2–3 Wochen, bei +16 °C ist sie auf 2–3 Monate verlängert. Hohe Temperaturen ermöglichen zwar eine rasche Entwicklung der Miracidien, wirken aber auf sie zunehmend inhibitorisch oder letal. Bei niederen Temperaturen bleiben die Eier lange entwicklungsfähig, z. B. bei +4 °C länger als 2 Jahre. Frosteinwirkung von –5 °C überleben die Eier nur knapp 3 Wochen. In feuchtem Kot des Wirtes eingeschlossene Eier können in Europa wäh-rend des Sommers etwa 10 Wochen und während der küh-leren Jahreszeiten bis 6 Monate überleben und sich partiell entwickeln. Eine vollständige Entwicklung und das Schlüp-fen der Miracidien erfolgen nur, wenn die Eier aus dem Kot ausgeschwemmt werden und sie ständig von einem Was-serfilm umgeben bleiben oder sie direkt ins Wasser gelangt sind. Bei Austrocknung sterben die Eier rasch ab. Die bei Stallhaltung von Endwirten ausgeschiedenen Eier werden in Stapelmist in 10 Tagen abgetötet, ein Teil bleibt in Gülle im Sommer (bei ~ +18 °C) rund 8 Wochen und im Winter (~ +8 °C) 11 Wochen lebensfähig.

█ Zwischenwirte. Als Zwischenwirte für F. hepatica dienen weltweit verschiedene Arten amphibisch le-bender Süßwasserschnecken der Familie Lymnaeidae. In Europa ist Galba (Syn. Lymnaea) truncatula (Zwerg-schlammschnecke oder Kleine Sumpfschnecke) der wichtigste und meist auch der einzige Zwischenwirt; ei-nige andere Lymnaeiden sind als weniger effiziente Zwi-

schenwirte von lokaler Bedeutung beschrieben worden, z. B. Omphiscola (Syn. Lymnaea) glabra in Frankreich. In außereuropäischen Regionen spielen auch andere Ar-ten als Zwischenwirte eine Rolle. So sind z. B. in Afrika G. truncatula und Pseudosuccinea (Syn. Lymnaea) colu-mella wichtige Zwischenwirte, in Nordamerika Fossaria (Syn. Lymnaea) humilis, F. bulimoides und F. cubensis und in Australien Austropeplea (Syn. Lymnaea) tomentosa. Schnecken können über weite Strecken verschleppt wer-den (z. B. im Wasser beim Transport von Zierfischen) und sich zum Teil in Fremdhabitaten ansiedeln.

G. truncatula ist eine zu den Pulmonata (Lungen-schnecken) gehörende Süßwasserschnecke mit kegelför-migem, rechtsgewundenem, 7–12 mm hohem und mit einem „Nabel“ versehenen Gehäuse (▶ Abb. 9.5). Sie ist in Europa weitverbreitet und kommt sowohl im Flach-land als auch in Berggebieten vor (in Europa bis 2800 m Höhe, in Bolivien bis 4100 m). Die amphibische Lebens-weise ermöglicht es ihr, im Wasser oder auf feuchtem Untergrund zu leben (▶ Abb. 9.6). Man findet sie vor-wiegend in den flachen Randzonen von Gräben, Bächen, Teichen, Flüssen, in kleineren Wasseransammlungen, wie Wagenspuren oder Trittsiegeln von Weidetieren, oder auch in Feuchtstellen von Weiden oder Wiesen. G.

▶Abb. 9.6 Galba (Syn. Lymnaea) truncatula an Feuchtstelle einer Weide (Aufn. IPZ, H. Hertzberg).

▶Abb. 9.5 Galba (Syn. Lymnaea) truncatula, Gehäuse. Gehäusehö-he ca. 7 mm (Aufn. IPZ).

aus: Deplazes u.a., Lehrbuch der Parasitologie für die Tiermedizin (ISBN 9783830411352) © 2013 Enke Verlag