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LEHRBUCH Team ICG® Germany LEHRHEFT: Trainingswissenschaft - Anatomie und Physiologie Verantwortlich: Deutscher Fitness & Aerobic Verband e.V. unter Leitung von Prof. Dr. Theodor Stemper, Sportwissenschaftler Weltweit anerkannte Ausbildungen DFAV e.V. Geschäftsstelle Potsdamer Platz 2 53119 Bonn Tel.: +49 (0)2 28-7 25 30-0 Fax: +49 (0)2 28-7 25 30-29 E-Mail: [email protected] Internet: www.dfav.de

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LEHRBUCH Team ICG® Germany LEHRHEFT: Trainingswissenschaft

- Anatomie und Physiologie Verantwortlich: Deutscher Fitness & Aerobic Verband e.V. unter Leitung von Prof. Dr. Theodor Stemper, Sportwissenschaftler

Weltweit anerkannte Ausbildungen

DFAV e.V. Geschäftsstelle Potsdamer Platz 2 53119 Bonn Tel.: +49 (0)2 28-7 25 30-0 Fax: +49 (0)2 28-7 25 30-29 E-Mail: [email protected] Internet: www.dfav.de

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Inhaltsverzeichnis

1. Zelllehre 4

2. Gewebslehre 5

2.1. Epithelgewebe 5 2.2. Stützgewebe 6 2.3. Fettgewebe 6 2.4. Muskelgewebe 7 2.5. Nervengewebe 11

3. Funktioneller Aufbau des Körpers 13

3.1. Orientierung im Körper 13 3.2. Körperabschnitte 17

4. Atmung 18

4.1 Anatomie der Lunge 18 4.2 Atemmechanik 19 4.3 Funktion der Atmung 22

4.3.1 Gewebsatmung 22 4.3.2 Lungenatmung 22

5. Herz 22

5.1. Anatomie des Herzens 22 5.1.1. Lage und Größe des Herzens 23

5.1.2. Funktion des Herzens 23 5.2. Kontraktion des Herzens 24 5.2.1. Erregung des Herzens 25 5.2.2 Sauerstoffversorgung des Herzens 26

6. Herz-Kreislauf-System 26

6.1. Arterien 26 6.1.1 Aufbau der Arterien 26 6.1.2 Funktion der Arterien 26 6.2. Venen 27 6.2.1. Aufbau der Venen 27

6.2.2 Funktion der Venen 27 6.3. Kapillaren 27

6.3.1. Aufbau der Kapillaren 27 6.3.2. Funktion der Kapillaren 28

6.4. Blutkreislauf 28 6.4.1. Körperkreislauf 29 6.4.2. Lungenkreislauf 30 6.4.3. Blutfluss 30

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7. Energiestoffwechsel 32

7.1. Arten der Energiebereitstellung 32 7.2. Energiebereitstellung unter Belastung 39

7.2.1. Maximalbelastung und Energiebereitstellung 39 7.2.2. submaximale Belastungen und Energiebereit- 41 stellung 7.2.3. `Fettverbrennung´ 42 7.2.4. `Superkompensation´ der Glycogenspeicher 43 7.2.5. Energiebereitstellung bei Kraftbelastungen 43

8. Nervensystem 44

8.1. Zentralnervensystem 44 8.1.1. Vegetatives Nervensystem 44 8.1.2. Zerebrospinale Nervensystem 45 8.2. Erregung und Kontraktion am Muskel 45

8.3. Neuromuskuläres System 46 8.3.1. Dehnungsreflex (Muskelspindel-Reflex) 48 8.3.2. Eigenhemmung (Golgi-Rezeptoren) 49

8.3.3. Reziproke Hemmung 50 8.3.4. Alpha-Gamma-Koaktivierung 51

9. Verdauungssystem 52

9.1. Magen 52 9.2. Dünndarm 53 9.3. Dickdarm 53 9.4. Bauchspeicheldrüse 54 9.5. Leber 54

10. Tabellenverzeichnis 55

11. Abbildungsverzeichnis 56

12. Literaturverzeichnis 57

13. Kontrollfragen 58

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1. Zelllehre

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 1 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Jeder Organismus ist aus Zellen, den kleinsten Baustoffen unseres Körpers aufgebaut. Durch Differenzierung von Gestalt und Struktur werden sie zum Bauelement verschiedener Gewebe. Eine Zelle baut sich aus Zytoplasma (Zellflüssigkeit; darin verschiedene spezialisierte Strukturen), Kern und Zellmembran (Zellwand) auf. Nur wenige Zellen, wie etwa die reifen Erythrozyten (rote Blutkörperchen), haben keinen Kern (vgl. Grafik-Katalog, S. 3). Das Zytoplasma ist eine Lösung mit verschiedenen kleinsten Teilchen (Kolloid) von Gel artiger Beschaffenheit, was zu drei Viertel aus Wasser besteht. Das restliche Viertel ist ein Gemisch aus Eiweißen, Lipiden (Fett oder fettartige Stoffe), Kohlenhydraten und Salzen. Im Zytoplasma können wir eine Reihe spezialisierter Strukturen erkennen.

Das endoplasmatische Reticulum ist ein vielfach verzweigtes System von Spalten. An der Außenfläche der Lamellen sitzen kleine Körnchen (Ribosomen), die als Ort der Eiweißsynthese (-herstellung) gelten.

Die Mitochondrien sind längliche, von einer Doppelmembran umgebene Gebilde des Zytoplasmas. Ihre Anzahl steigt mit der Aktivität der Zelle an, so dass sie in stark wechselnder Zahl und Größe vorkommen. Die Mitochondrien sind die Träger der Atmungsenzyme und die energetischen Zentren des Zellhaushaltes (sog. `Zellkraftwerke´). Hier wird Energie gewonnen, indem Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße (Aminosäuren) mit Hilfe von Sauerstoff oxidiert werden. Diese Energie wird in Form eines phosphorhaltigen Stoffes, dem Adenosintriphosphat (ATP), gespeichert und weitergegeben. ATP ist der letztlich einzige Energielieferant für Stofftransporte, chemische Synthesen, Muskelkontraktionen und Nervenreize.

Die Golgi-Zone wird von besonderen Lamellensystemen gebildet. Das Golgi-Feld wird als Zellorganelle der Sekretproduktion betrachtet.

Bei den Zentrosomen handelt es sich um Strukturen, die aus neun zylindrischen Röhrchen aufgebaut sind. Sie haben als Zellorganellen mit den Bewegungsvorgängen im Zytoplasma zu tun.

Die wichtigsten chemischen Substanzen im Kern sind die Kernsäuren (Ribonucleinsäuren <RNS> und Desoxyribonukleinsäuren <DNS> bzw. DNA im englischen). Verbunden mit Eiweißen bilden sie Nucleoproteine, welche für den Aufbau der spezifischen Eiweiße verantwortlich sind. Der Kern ist das Steuerzentrum für die Stoffwechselvorgänge der ganzen Zelle. Eine besondere Zellmembran grenzt das Zytoplasma nach außen ab und kontrolliert den Eintritt und Austritt der in Wasser gelösten Stoffe. Der Austausch mit dem zwischenzelligen Milieu kann auf zwei Arten erfolgen.

Da unser Körper zu 50 - 60 % aus Wasser besteht, laufen die meisten chemischen Reaktionen des menschlichen Körpers in wässriger Lösung ab.

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Ein Viertel des Wassers liegt außerhalb der Zellen und bildet das Plasma des Blutes und die zwischenzellige Flüssigkeit. Werden nun kleinste Teilchen, gelöst in einem Lösungsmittel, durch eine Membran mit entsprechender Porengröße unter Druck durchgepresst, so spricht man von einer Filtration. Als Beispiel seinen hier die Kapillargefäße genannt. Verteilen sich die Gase entsprechend ihrem Druck oder gelöste Stoffe entsprechend ihrer Konzentration, so spricht man von Diffusion. Das Durchtreten von Sauerstoff und Kohlensäure durch die Wände der Lungen- bläschen erfolgt zum Beispiel nach den Gesetzen der Diffusion. Diffusion durch eine halbdurchlässige Membran bezeichnet man als Osmose. Die höher konzentrierte Lösung zieht Wasser an. Es entsteht ein Druck- unterschied, den man in mm Hg (Millimeter Quecksilber-säule) messen kann und osmotischen Druck nennt. Der osmotische Druck der Gewebeflüssigkeit hängt von deren Eiweiß- und Salzgehalt ab und entspricht etwa einer Salzlösung von 0,9 % Kochsalz. Eine solche physiologische Kochsalzlösung ist isotonisch. In hypertonischen Lösungen geben die Zellen Wasser ab und schrumpfen. In hypotonischen Lösungen nehmen sie Wasser auf und quellen. Stofftransport kann aber auch als aktive Ein- oder Ausschleusung in das Zytoplasma vorkommen.

2. Gewebelehre

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 2-4 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Wie Gewebe aus Zellen zusammengeschlossen sind, so bilden Gewebe ihrerseits wiederum das Baumaterial für die Organe und Organsysteme. Es lassen sich folgende Gewebeklassen unterscheiden:

2.1. Epithelgewebe Das Epithel ist ein geschlossener Zellverband, welcher äußere oder innere Oberflächen bekleiden. Epithelgewebe können aufgrund des vielfältigen Aufbaus (ein- und mehrschichtig, kubisch, etc.) verschiedene Funktionen ausüben. Man unterscheidet vier Funktionen:

Schutzfunktion Beispiel Epidermis der Haut

Stoffabgabe (Sekretion) Beispiel Hautdrüsen

Stoffaufnahme (Resorption) Beispiel Epithel der Darmzotten

Reizaufnahme Beispiel Sinneszellen des Epithels Tabelle 1: Funktionen des Epithelgewebes

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2.2. Stützgewebe Beim Stützgewebe steht die Körperform erhaltende Funktion im Vordergrund, wobei zwischen Bindegewebe, Knorpel und Knochen unterschieden wird.

Das Bindegewebe besteht aus Bindegewebszellen und interzellulärer Substanz. Diese Interzellularsubstanz ist ein zäher Grundstoff, in dem sich feine, unverzweigte Fasern (sog. kollagene Fasern) in wechselnden Mengen befinden. Bindegewebszellen sind verschiedener Art, wie Fibroblasten (Vorstufe für

andere Zellen), Makrophagen sowie Fett- und Pigmentzellen und im ganzen Körper verteilt. Sie dienen z.B. der Umhüllung von Nerven, Lymph- und

Blutgefäßen, füllen Lücken aus (z.B. zwischen Muskeln und Muskelfasern) und dienen als Stützgewebe für Organe oder bilden die Bänder des passiven Bewegungsapparates.

Der Knorpel ist ein druckfestes Stützgewebe, dass je nach Beschaffenheit unterschieden wird: Der hyaline Knorpel als Gelenkknorpel, der elastische Knorpel, z.B. der Ohrmuschel und der Faser- bzw. Bindegewebsknorpel, aus dem z.B. die Bandscheiben und Menisken bestehen. Der Gelenkknorpel ist auch am Längenwachstum der Röhrenknochen durch Zellteilung beteiligt und wird zu Knochengewebe umgebaut.

Knochen sind mehrschichtig aufgebaut und bestehen aus der Rindenschicht (Substantia corticalis oder Substantia compacta) und der Innenschicht (Substantia spongiosa oder Substantia trabecularis). In der Innenschicht, die vom Endost gebildet wird, liegen die Knochenbälkchen mit der Ausrichtung nach den hauptsächlich auftretenden Kräften. Die Außenschicht wird von der Knochenhaut (Periost) gebildet, in der das Wachstum der Knochendicke stattfindet. Knochen haben eine Schutzfunktion (Absicherung des Gehirns, des Knochenmarks etc.), eine Stützfunktion (bilden das Gerüstwerk der Weichteile) und eine Bewegungsfunktion indem sie feste Hebel für den Ansatz der Muskeln darstellen. Des Weiteren dienen sie mit ihrer Stoffwechselfunktion auch als wichtiges Stoffwechselorgan, das eine erhebliche Speicherungsfunktion für Kalzium- und Phosphatstoffwechsel hat und weist eine Steuerungsfunktion als wichtiger Faktor in der Blutbildung innerhalb des Knochenmarks auf.

2.3. Fettgewebe Man unterscheidet die Speicher- und die Baufunktionen des Fettgewebes. Das Speicherfett dient als Brennstoffvorrat (kalorische Reserve). Je mehr Fettgewebe gebildet wird, umso reichlicher muss das Kapillarnetz, das die Fettzellen umspannt, ausgebildet werden. Je mehr Fett also vorhanden ist, desto stärker wird dadurch der Kreislauf belastet. Speicherfett lagert sich vor allem im Unterhautfettgewebe ab. Mit der Größe seiner Ausbildung steigt auch der Wärmeschutz des Körpers (Isolationsfett) und sinkt der Energiebedarf der Thermogenese. Eine Anreicherung des Unterhautfettgewebes am Bauch (sog. Abdominalfett) ist gesundheitlich bedenklicher als an anderen Körperstellen.

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Das Baufett ebnet tote Winkel aus und bildet an mechanisch beanspruchten Stellen, wie z.B. an der Ferse, Druckpolster. An anderen Stellen ist Baufett für die Lage von bestimmten Organen verantwortlich. Die Fettkapsel der Niere ist z.B. für deren Befestigung bestimmt.

2.4. Muskelgewebe Muskelgewebe zeigen eine Reaktion nach dem Alles oder Nichts Gesetz. Wir unterscheiden glatte Muskulatur, Skelettmuskulatur und Herzmuskulatur aufgrund des Aufbaus und des physiologischen Verhaltens. Für den Fitnesstrainer ist vor allem das Verständnis der Skelettmuskulatur wesentlich und ein Grundwissen über die Herzmuskulatur hilfreich, weshalb hier auf eine Beschreibung der glatten autonomen Organmuskulatur verzichtet wird.

Quergestreifte Skelettmuskulatur Die quergestreifte Muskulatur besteht aus Muskelfasern, die 10 - 100 Mikrometer (10-6) dick und bis 15 cm lang werden können. Die Kerne liegen mit ihrer Längsachse in Richtung der Muskelfaser und zwar unmittelbar unter der Oberfläche. Die Muskelfasern bestehen aus Myofibrillen und diese aus so genannten Myofilamenten. Es gibt dünne Aktinfilamente und dicke Myosinfilamente. Die Querstreifung wird durch periodischen Wechsel von schmaleren, helleren `I´-Streifen und breiteren, dunkleren `A´-Streifen hervorgerufen (vgl. Abbildung `Aufbau eines quergestreiften Muskels´). Im A-Streifen findet man eine Mittelscheibe `H´- Band, im I-Streifen einen Zwischenstreifen `Z´- Band. Der zwischen zwei Z-Streifen (Z-Band) gelegene Myofibrillenabschnitt wird als Sarkomer bezeichnet (Abschnitt zwischen H- bis Z-Band ist ein ½ Sarkomer). Alle diese Elemente sind plastisch. Ein elastisches Element, das Titinfilament, umgibt das Myosinfilament und verbindet es mit dem Z-Streifen. Zwischen den Myofibrillen befindet sich mitochondrienarmes Sarkoplasma und ein glattes sarkoplasmatisches Retikulum, das die Kalziumionen speichert, die letztlich als Voraussetzung für die Auslösung der Muskelkontraktion erforderlich sind.

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Abbildung 1: Aufbau eines quergestreiften Muskels KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

Die Muskelfasern enthalten die Filamentproteine Aktin und Myosin. Das dicke Myosinmolekül lässt sich schematisch in Form einer lang gestreckten und einer kugeligen Molekülkomponente darstellen. Mehrere Myosinmoleküle (ca. 400) sind jeweils in charakteristischer Weise zu einem Bündel zusammengefasst, so dass in regelmäßigen Abständen die Köpfchen ringsum aus dem Bündel der Myosin-moleküle herausragen können. Das Aktinmolekül kann man sich als Kugel vorstellen. Die Anordnung des Aktins in Form einer zweireihigen „Perlenkette“ führt zur Bildung eines so genannten dünnen Filaments, welches an den Z-Scheiben befestigt ist. Diese Anordnung der Eiweiß- moleküle in Form von Filamenten stellt die günstigsten Voraussetzungen für eine gleichgerichtete Kontraktion dar.

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Abbildung 2: Aktin- und Myosinfilament im Längsschnitt KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

Eine Besonderheit der Muskelzelle ist die Existenz verschiedener Fasertypen mit spezifischer Funktion, wobei man grundsätzlich drei Haupttypen unterscheidet:

rote, langsam zuckende Muskelfasern (slow-twich-fibers bzw. ST-Fasern), die durch ihre Stoffwechselbesonderheiten prädestiniert für ausdauernde Muskelarbeit und statische Haltearbeit sind

weiße, schnell zuckende Muskelfasern (fast-twitch-glycolytic-fibres oder FTG-Fasern), die wegen ihrer schnellen Impulsleitung besonders für Maximal- und Schnellkraftleistungen herangezogen werden und

sog. intermediäre Fasertypen (fast-twitch-oxidative-fibres oder FTO-Fasern), die zwar schneller als die roten ST-Fasern kontrahieren können, aber auf der anderen Seite durchaus auch günstige Voraussetzungen für die aerobe Energiebereitstellung bieten.

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Die FT-Fasern werden anhand der Kontraktionsstärke, der Ermüdbarkeit sowie der überwiegenden Nutzung entweder des aeroben oder des anaeroben Stoffwechsels unterteilt in oxydative Fasern (FTO-Fasern) und glykolytische Fasern (FTG-Fasern). In der folgenden Tabelle sind die wesentlichen Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen zusammengefasst:

Tabelle 2: Wesentliche Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen (vgl. Badtke, 1998)

Den physiologischen Kenngrößen der ST-Fasern - rot, langsam kontrahierend und ermüdungsresistent - entsprechen gewebsmäßig (histologisch) Muskelzellen, die

von kleinen motorischen Nervenzellen im Vorderhorn des Rückenmarks (kleine -Motoneurone) innerviert werden. Die ST-Fasern haben in der Nähe ihrer Zellmembran und zwischen den Myofilamenten zahlreiche Mitochondrien und sind mit großen Anteilen von Myoglobin ausgerüstet. In den Fasern dominieren die Enzyme des aeroben Kohlenhydrat- und des Fettstoffwechsels. Hierfür sind zahlreiche Fetttröpfchen eingelagert. Die myoglobinarmen FT-Fasern – also die weißen, schnell kontrahierenden Muskelfasern - entwickeln große Kraft, ermüden jedoch schnell. Sie werden von

ST-Fasern FTO-Fasern FTG-Fasern

Kontraktions-geschwindigkeit

langsam schnell sehr schnell

Kontraktionsdauer 75 ms 30 ms 20 ms

Kraft / Kontraktion wenig groß sehr groß

Zugspannungsfaktor 1 4 12

Ermüdbarkeit resistent ermüdbar schnell ermüdbar

Motoneuronen klein groß groß

Motorische Endplatte klein größer groß

Reizschwelle niedrig höher hoch

Mitochondrien sehr viele viele wenig

Myoglobin sehr viel mäßig viel wenig

Anzahl der Kapillaren sehr viele viele wenig

Phosphagene wenig viel sehr viel

Myosin-ATP-ase Aktivität

gering hoch sehr hoch

Speicherung der Nährstoffe

viele Fett und KH

viele KH sehr viele KH

Enzymbesatz hochaktive Enzyme des aeroben Fett-

und KH-Stoffwechsels

Enzyme des aeroben und anaeroben

Stoffwechsels

Dominanz der Enzyme des anaeroben Stoffwechsels

Querschnitt 3100 bis

5000 2

4400 bis

5900 2

3500 bis

5300 2

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großen -Motoneuronen innerviert. Die Leitungsgeschwindigkeit einer großen -

Zelle übertrifft die einer kleinen -Zelle. Die Unterschiedlichkeit der Muskelfasertypen weist darauf hin, dass sie verschiedene Aufgaben haben. Bewegungen, die wenig Kraft erfordern, lassen die

kleinen -Motoneurone die zugehörigen ST-Fasern ansteuern. Reichen diese zur Lösung der Aufgabe nicht mehr aus, oder ist die Belastung von Anfang an höher oder schneller, so werden FTO-Fasern mit einbezogen. Die FTG-Fasern werden nur innerviert, wenn maximale Bewegungsanforderungen realisiert werden müssen. Für das Training bedeutet dies, dass die FTG-Fasern sich nur entwickeln können, wenn mit maximalen Kontraktionen oder Geschwindigkeiten gearbeitet wird.

Herzmuskulatur Die Herzmuskulatur ist aus Herzmuskelzellen aufgebaut, die wie die Skelett- muskelzellen eine Querstreifung, allerdings auch Eigentümlichkeiten der glatten Muskulatur aufweisen. So finden wir zentrale Zellkerne (1 Kern je Zelle, unregelmäßig verzweigt), reicheres Sarkoplasma als die Skelettmuskulatur und viele Mitochondrien zwischen den Myofibrillen. Aus diesem Grund ermüdet der Herzmuskel nicht so schnell und hat eine wesentlich höhere Sauerstoffausbeute.

2.5. Nervengewebe Reizaufnahme, Erregungsleitung und Reizverarbeitung sind Eigenschaften einer lebenden Substanz. Sie ermöglichen es, sich in der Umwelt zu orientieren und auf sie einzuwirken. Das Nervengewebe, das sich auf Erregungsleitung ausgerichtet hat, ist so hoch differenziert, dass sich seine Zellen im erwachsenen Zustand nicht mehr zu teilen vermögen. Das Nervengewebe bildet das Nervensystem. Es besteht aus nervösen Zentren zur Reizverarbeitung und peripheren Nerven, welche die Reize von der Peripherie zum Zentrum oder vom Zentrum zur Peripherie leiten. Erfolgt die Leitung vom Empfänger zum Zentrum, so sprechen wir von empfindungsleitenden (afferenten oder sensiblen) Fasern. Geht die Leitung vom Zentrum zu den ausführenden Organen, so nennt man sie (bewegungs-)auslösende (efferente oder motorische) Fasern. Die Signale, welche in einer Nervenfaser geleitet werden, bezeichnet man als Nervenimpulse. Die dabei auftretenden physikalisch-chemischen Veränderungen sind von elektrischen Ladungen begleitet. Schon im Ruhezustand zeigt jede Nerven-membran zwischen ihrer Oberfläche und dem Nerveninneren eine elektrische Spannungsdifferenz, das so genannte Ruhepotential. Bei der Erregung verliert die Zellmembran der Nervenfaser ihre äußere positive Ladung und wird vorübergehend leicht negativ. Durch diese vorübergehende Umpolarisierung entsteht ein „Zwei Phasen Aktionspotential“, dessen Ladungs- oder Potentialdifferenz um 90 Millivolt (mV) beträgt. Diese explosionsartig rasch ablaufenden elektrischen Vorgänge werden dadurch ausgelöst, dass die Durchlässigkeit der Zellmembranen für Natrium plötzlich um das 500-fache zunimmt. Natriumionen strömen dann von der Oberfläche ins Zellinnere und laden es kurzfristig positiv. Der Ausstrom von Kaliumionen nach

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außen ist viel geringer. Sobald der Reiz abgeklungen ist, müssen unter Aufwand von Energie die Natriumionen wieder aus dem Zellinneren entfernt werden und Kaliumionen zurückwandern (Natrium-Kalium-Ionenpumpe). Für die damit verbundene Enzymtätigkeit ist Vitamin B1 von besonderer Wichtigkeit.

Abb.: Motorische Einheit

Abb.: Motorische Einheit und Innervation

Abb.: Innervation Abbildung 3: Erregungsleitung KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

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Die Baueinheit des Nervengewebes ist das Neuron. Es besteht aus der Nervenzelle mit allen ihren Fortsätzen. Die meist kurzen, verzweigten Fortsätze, welche die Erregung anderer Nervenzellen empfangen, werden als baumartige Fortsätze (Dendriten) bezeichnet. Die meist langen Fortsätze, welche die Erregung von der Zelle weg leiten, werden Neuriten genannt. Ihre Länge kann beim Erwachsenen bis zu einem Meter betragen. Berührungsstellen, an welchen Nervenimpulse von einem Neuron zu einem anderen oder zu einem Erfolgsorgan überspringen, nennt man Synapsen. Ein Nerv kann mechanisch, chemisch, elektrisch oder mittels Wärme gereizt werden. Damit ein Reiz wirksam ist, muss er eine gewisse Stärke (Intensität) haben und eine gewisse Zeit dauern, um die Reizschwelle zu überschreiten. Für jeden wirksamen Reiz gilt das `Alles-oder-Nichts´-Gesetz. Wenn überhaupt, dann wird ein Neuron stets in höchstem Maße erregt. In einem Muskelfaserbündel sprechen nicht immer alle Muskelfasern an. Ein starker Reiz erregt mehr Fasern als ein schwacher. Nach einem erfolgten Reiz bleibt ein Nerv 0,4 Tausendstel einer Sekunde (0,004 Sek.) unerregbar, was als Refraktärphase (s. o.) bezeichnet wird; in dieser Zeit arbeitet die Ionenpumpe und es kann kein anderer Reiz zur Geltung kommen. Auf diese absolute Refraktärperiode folgt eine relative, in welcher ein normaler Reiz wenig wirksam ist.

3. Funktioneller Aufbau des Körpers

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 5 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Für die Trainingspraxis ist es ratsam, den Körper in Abschnitte, Ebenen oder auch Zonen zu unterteilen. Damit gelingt es einerseits, die anatomischen Gegebenheiten und Funktionen besser einzuordnen und zu verstehen. Zum anderen ist gerade im Bodybuilding bzw. beim Muskelaufbautraining auch ein Training nach Körper-abschnitten üblich. Für die Beschreibung von Bewegungen werden Begriffe benötigt, die einheitlich sind, so wie Backbord und Steuerbord in der Schifffahrt.

3.1. Orientierung im Körper Der dreidimensionale Körper kann mit Hilfe von Körperebenen und -achsen sowie mit Lagebezeichnungen und Bewegungsrichtungen unmissverständlich beschrieben werden. Man unterscheidet bei den Ebenen: 1. die Frontalebene, die den Körper in einen vorderen und hinteren Anteil teilt, 2. die Sagittalebene, die den Körper in einen rechten und linken Anteil teilt 3. und die Transversalebene, die den Körper in einen oberen und unteren Teil durchtrennt.

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Da alle Ebenen verschiebbar sind, muss nicht jede Ebene den Körper zwangsweise in der Mitte teilen, sondern kann dies in jedem Verhältnis tun (1:1; 1:3 usw.). Die Ebenen werden vor allem benutzt, um Bewegungen zu beschreiben, wobei zu beachten ist, dass hierfür immer eine Drehachse benötigt wird, die senkrecht zur Ebene steht und in der Regel in einem Gelenk liegt. Man unterscheidet folgende Drehachsen, je nach Lage zur Ebene:

1. Die Longitudinalachse bildet die Längsachse des Körpers und verläuft vom Kopf zu den Füssen. Sie ist Schnittlinie der Frontal- und Saggitalebene und steht senkrecht zur Transversalebene. Alle Pirouetten des Eislaufens (etc.) drehen sich z.B. hierum.

2. Die Saggitalachse, die senkrecht zur Frontalebene steht und von vorne den Körper wie ein Pfeil durchstößt. Sie wird daher auch als Pfeilachse bezeichnet und ist die Schnittlinie der Transversal- und Saggitalebene. Beim Radschlagen bildet sie die Drehachse.

3. Die Transversalachse (Schnittlinie der Frontal- und Transversalebene), die senkrecht zur Sagittalebene steht und quer durch den Körper verläuft wird auch Horizontalachse genannt. Sie bildet z.B. die Drehachse beim Felgaufschwung.

Alle Achsen sind verschiebbar, so dass z. B. auch alle drei Achsen im Schultergelenk einen gemeinsamen Schnittpunkt bilden und dort für die Beschreibung der sechs Bewegungsrichtungen eines Kugelgelenkes genutzt werden könnten.

Abbildung 4: Achsen und Ebenen im Körper KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

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Für die Bewegungen im Körper benutzt man je nach Achse verschiedene Begriffe, für die: 1. Longitudinal(Längs-)achse:

Schulter/Hüfte Außenrotation (Daumen bzw. Zehen außen)

Innenrotation (Daumen bzw. Zehen innen)

Wirbelsäule Drehung nach rechts Drehung nach links

Ellbogen/Kniegelenk nicht möglich (bzw. Knie nur in gebeugtem Zustand)

nicht möglich (bzw. Knie nur in gebeugtem Zustand)

Tabelle 3: Bewegungen um die Longitudinalachse

2. Sagittal(Pfeil-)achse:

Schulter/Hüfte Abduktion (Bewegung nach Außen)

Adduktion (nach innen)

Wirbelsäule Lateralflexion (Seit-beugung) nach rechts

Lateralflexion nach links

Ellbogen/Kniegelenk nicht möglich nicht möglich Tabelle 4: Bewegungen um die Sagittalachse

3. Transversal(Horizontal-)achse:

Bewegung nach vorne („bauchwärts“, ventral)

Bewegung nach hinten („rückwärts“, dorsal)

Schulter/Hüfte Anteversion Retroversion

Wirbelsäule Flexion Extension

Ellbogen/Kniegelenk Flexion Extension Tabelle 5: Bewegungen um die Transversalachse

Darüber hinaus gibt es gemäß der Abbildung `Lage- und Bewegungsbeschreibung im menschlichen Körper´ noch eine Vielzahl von Begriffen, wobei für den Körperstamm zum Teil andere Begriffe als für die Extremitäten benutzt werden, wie der Tabelle zu entnehmen ist.

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Begriffe am Körperstamm

superior bzw. kranial nach oben, zum Kopf hin

inferior bzw. kaudal nach unten, Steißwerts

anterior bzw. ventral nach vorne, Bauchseite

posterior bzw. dorsal nach hinten, Rückenseite

medial zur Körpermitte (relativ)

lateral zur Seite hin

peripher zum Rand des Körpers

zentral zum Inneren des Körpers

Begriffe für die Extremitäten

proximal rumpfnah (relativ/im Vergleich)

distal rumpffern (relativ/im Vergleich)

radial zur Speiche bzw. zum Daumen

ulnar zur Elle bzw. zum kleiner Finger

fibular zum Wadenbein bzw. kleiner Zeh

tibial zum Schienbein bzw. großer Zeh

palmar zur Handfläche hin

dorsal zum Fuß- bzw. Handrücken hin

plantar zur Fußsohle hin

Begriffe für den Kopf

okzipital nach hinten (zum Hinterkopf)

rostral nach vorne (zum Gesicht / Stirn) Tabelle 6: Lage- und Richtungsbezeichnungen für Körperstamm, Extremitäten und Kopf

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Abbildung 5: Lage- und Bewegungsbeschreibung im menschlichen Körper KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

3.2. Körperabschnitte Eine grobe anatomische Einteilung erfolgt in Körperstamm, obere und untere Extremität. Zur oberen Extremität zählen die Arme und die Hände, zur unteren Extremität die Beine und Füße, die jeweils paarig angelegt sind, während der Körperstamm unpaarig ist. Hierzu zählen der Kopf, der Hals und der Rumpf, der nochmals in Brustkorb, Bauchraum und Becken unterteilt werden kann. Für das Training und das Verständnis der Muskulatur bietet es sich an, eine ähnliche Gliederung vorzunehmen; hier wird unterschieden in Armtraining (obere Extremität), Beintraining (untere Extremität), Hüfttraining (Becken), Wirbelsäulentraining (ähnlich Bauchraum) und in das Schultertraining (Teil des Brustkorbes). Wegen der Bedeutung für die Haltung, kann man noch die Schulter untergliedern in ein Schultergelenkstraining (Kopf des Oberarmes in der Pfanne des Schulterblattes) und ein Schultergürteltraining (Bewegungen der Schulterblätter). Hinsichtlich möglicher Übungen sei auf das Lehrbuch `Fitness-Guide´ aus dem KVM-Verlag verwiesen.

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4. Atmung

In der Lunge findet der Gasaustausch zwischen Atemluft und Blut statt, was im Allgemeinen mit Atmung gleichgesetzt wird. Eine zweite wichtige Aufgabe ist die Regulierung des Säure-Basen-Haushaltes, die an die Elimination von CO2 gekoppelt ist.

4.1. Anatomie der Lunge Die Lungen liegen als paariges Organ im Brustkorb (Thorax). Die obere kuppelförmige Lungenspitze ragt in die obere Thoraxöffnung hinein und reicht vorn 2-3 cm über den Oberrand der ersten Rippe. Die Lungenbasis liegt dem Zwerchfell auf. Im Bereich zwischen den beiden Lungen liegt das Mittelfell (Mediastinum) mit dem Herz und den großen Gefäßen. Funktionell wird zwischen dem luftleitenden Bronchialsystem und dem gasaustauschenden Alveolarsystem unterschieden. Die Alveolen (Lungenbläschen) haben einen Durchmesser von ca. 0,06 - 0,3 mm. Die Lunge besteht aus ca. 300 Mio. dieser Alveolen, die zusammen eine Gesamtoberfläche von ca. 100-150 m² bilden. Dank dieser großen Fläche an Gas austauschenden Alveolen ist es möglich, dass die Lunge auch bei starker körperlicher Anstrengung alle Körperzellen mit genügend Sauerstoff versorgen kann. Jede der beiden Lungen ist in eine Höhle eingebettet. Diese wird durch eine Schleimhaut, das Brustfell (Pleura) gebildet. Die Oberfläche der Lunge wird fest vom Lungenfell (inneres Pleurablatt) überzogen und die Innenseite des Thorax wird vom Rippenfell (äußeres Pleurablatt) ausgekleidet. Dazwischen liegt eine dünne Flüssigkeitsschicht (Pleuraspalt). Im Pleuraspalt herrscht immer ein Unterdruck, damit die Lunge entfaltet bleibt. Aufgrund ihrer Eigenelastizität würde sie sonst in sich zusammenfallen. Die Luft gelangt über die Luftröhre und das Bronchialsystem in die Lunge und wieder heraus.

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Abbildung 6: Lage und Aufbau der Lunge KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

4.2. Atemmechanik Die Lungen funktionieren ähnlich einem Blasebalg. Bei der Einatmung (Inspiration) muss der Druck in den Alveolen niedriger sein als der Außendruck und bei der Ausatmung (Exspiration) muss eine umgekehrte Druckdifferenz bestehen. Daraus folgt, dass bei der Inspiraton der Brustkorb erweitert und bei der Exspiration verkleinert werden muss. Dies hängt zum einen von der Elastizität des Brustkorbes (Thorax) ab und zum anderen von denjenigen Muskeln ab, die den Thorax bewegen, der Atemmuskulatur. Der wichtigste Atemmuskel ist das Zwerchfell. Es bildet die kuppelförmige Trennwand zwischen Brust- und Bauchraum. Man unterscheidet die Atmung in Rippen- und Zwerchfellatmung. Bei ruhiger Atmung werden etwa 75 % der Volumenveränderungen der Lunge durch Zwerchfellatmung (Bauchatmung) bewirkt. Bei erhöhtem O2 - Bedarf wird immer mehr auf die Rippenatmung

Oberlappen

Mittellappen

Unterlappen

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(Brustatmung), später auch unter Hinzuziehung der sog. Atemhilfsmuskulatur (M. pectoralis minor, Mm. scaleni und der Bauchmuskulatur), umgestellt.

Abb.: Mechanik der In- und Exspiration KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

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Abbildung 7: Atemmechanik der Lunge

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4.3. Funktion der Atmung Bei jedem Atemzug wird das Atemzugvolumen (in Ruhe ca. 0,5 l) ein- und ausgeatmet (vgl. Abbildung `Atemmechanik der Lunge´). Von diesem Volumen kommt aber nur ein Teil mit den Alveolen in Berührung. Der Rest wird im so genannten Totraum (Bronchialraum, Luftröhre, Rachen, Mund, Nase) lediglich hin- und herbewegt. Der Totraum dient der Reinigung, Befeuchtung und Erwärmung der Inspirationsluft. Er ist eine feste, anatomisch vorgegebene Größe (ca. 0,15 l). Bei flacher Atmung wird die Atemfrequenz auf Kosten des Atemzugvolumens erhöht. Dadurch kommt es letztlich zu einem geringeren Gasaustausch.

4.3.1. Gewebsatmung Die Gewebsatmung oder auch `innere Atmung´ ist der Vorgang, der sich in den Kapillaren der Erfolgsorgane vom Körperkreislauf abspielt (vgl. Kapitel ebd.). Hier kann der Stoffaustausch wegen des langsamen Blutflusses optimal durch Diffusion (vgl. Kapitel `Zelllehre´) erfolgen. Hierbei wandert der Sauerstoff von seinem Transportmolekül, dem Hämoglobin der roten Blutkörperchen, gemäß der physikalischen Gesetzmäßigkeit vom Ort des hohen Druckes (Blut) zum Ort des niedrigen Druckes (Gewebe) durch eine Membran, bis ein Druckausgleich erfolgt ist. Zugleich wandert das Kohlendioxid (CO2)des Gewebes ebenfalls durch Diffusionskräfte durch die Membran ins Blut und bindet sich dort an das Hämoglobin (an einer anderen Stelle als der Sauerstoff), löst sich im Plasma oder wird gelöst als Kohlensäure transportiert.

4.3.2. Lungenatmung

Bei der Lungenatmung erfolgt der Stoffaustausch im Sinne der `äußeren Atmung´, wobei hier das Blut das überschüssige Kohlendioxid an die Lungenbläschen abgibt und neuen Sauerstoff aus ihnen aufnimmt. Auch hier sind die Druckunterschiede aufgrund der unterschiedlichen Lösung von Kohlendioxid und Sauerstoff auf beiden Seiten der Membran die Triebkraft, um durch die Membran zu diffundieren.

5. Herz

Um das Herz als einen Teil des Herz-Kreislauf-Systems zu verstehen, wird im folgenden Kapitel das Herz zuerst isoliert betrachtet. Für trainingsbezogene Betrachtungen wird auf das Lehrheft ‚Training’ (S. 27 ff.) verwiesen.

5.1. Anatomie des Herzens Die Anatomie des Herzens unterscheidet sich von allen anderen Muskeln im Körper bezüglich der besonderen Faserstruktur (vgl. Kapitel `Muskelgewebe´).

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5.1.1. Lage und Größe des Herzens

Das Herz ist ein kegelförmiges, muskuläres Hohlorgan, welches zwischen beiden Lungenflügeln liegt und mit der Herzspitze das Zwerchfell berührt. Da der rechte Lungenflügel größer ist, liegt das Herz leicht nach links verschoben im Körper, wobei die Herzachse von rechts- oben- hinten nach links- unten- vorne verläuft. Die Größe des Herzens entspricht im Allgemeinen etwa der Faust seines Trägers, was allerdings von mehreren Faktoren wie Alter, Geschlecht, Konstitution und Ausdauertrainiertheitsgrad abhängt. Beim Untrainierten beträgt das Herzgewicht etwa 250-300g (Frau) bzw. 300-350g (Mann), das Herzvolumen etwa 500-600 ml (Frau) bzw. 700-800 ml (Mann). Durch Ausdauertraining werden die Größen entscheidend positiv beeinflusst. In Ruhe fördert ein gesundes Herz ungefähr 7000 l Blut pro Tag, wenn man davon ausgeht, dass bei jedem Herzschlag etwa 70 ml ausgeworfen werden und das Herz 70 Mal pro Minute schlägt. Das bedeutet dann eine Förderleistung von 70 mal 70 ml, also 4.900 ml bzw. ca. 5 l, pro Minute - bzw. am Tag 5 l x 1.440 Minuten, also 7.200 l. Bei Belastung erhöht sich dieser Betrag um ein Mehrfaches.

5.1.2. Funktion des Herzens

Das Herz als Hohlmuskel besteht aus zwei Hälften, die sich wie zwei nebeneinander liegende Einzelpumpen verhalten. Jede Hälfte besitzt einen Vorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel). Damit lässt sich das Herz insgesamt in vier Hohlräume untergliedern: In die beiden muskelstarken Kammern und die beiden muskelschwächeren Vorhöfe. Zwischen den Kammern und den aus ihnen entspringenden Gefäßen liegen die Taschenklappen, zum einen die Aortenklappe zwischen linker Kammer und der Körperschlagader (Aorta – Hauptschlagader) und die Pulmonalklappe, die zwischen rechter Kammer und der Lungenarterie (arteria pulmonalis) liegt. Aufgabe des Klappenapparates ist es, den Blutstrom nur in eine Richtung zu ermöglichen und damit einen Rückstrom des Blutes von den Gefäßen in die Kammer, bzw. von den Kammern in die Vorhöfe zu verhindern. Somit befinden sich auch noch jeweils eine Klappe je Herzhälfte zwischen Vorhof und Kammer, die so genannten Segelklappen. In den rechten Vorhof münden 2 Venen, die obere und untere Hohlvene, in den linken Vorhof münden gemeinsam die 4 Lungenvenen, die von der Lunge das Blut heranführen; all diese Gefäße gehen ohne Klappen in das Herz über. Das Herz wird vom Herzbeutel (Perikard) umgeben, während die Herzwand in 3 verschiedene Schichten aufgliedert wird: 1. die Herzinnenhaut (Endokard) 2. der Herzmuskel (Myokard) 3. und die äußere Herzhaut (Epikard). Den stärksten Teil des Herzens stellt die mittlere Muskelschicht dar. Die linke und rechte Herzhälfte sind durch die Längsscheidewand (Septum) voneinander getrennt. Funktionell bilden linke und rechte Herzhälfte eine Einheit, auch wenn es für die funktionelle Betrachtung oft einfacher ist, die Hälften zu

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trennen. Die linke Herzhälfte versorgt den Körperkreislauf, die rechte den Lungenkreislauf (vgl. Kapitel ebd.). Die Kammern leisten die wesentliche Pumparbeit, währenddessen sich die Vorhöfe `wie ein Zwischentank´ füllen. Gemeinsam sorgen beide Hälften für die Aufrechterhaltung des Blutstroms in den Gefäßen.

Abbildung 8: Aufbau des Herzens (Mock & Niederberger, 1985).

5.2. Kontraktion des Herzens

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 6 aus Kapitel 13. Kontrollfragen beantworten können!

Die Kontraktion der Herzmuskulatur ist rhythmisch, jedoch im Vergleich zur Skelett-muskulatur langsamer, was an den längeren Aktionspotentialen und einer längeren Refraktärperiode liegt. Die Erregung erfolgt durch ein herzeigenes, autonomes (eigenes) Erregungsbildungs- und Erregungsleitungssystem (vgl. Kapitel Erregung des Herzens). Allerdings ist diese unwillkürliche Kontraktion durch das vegetative Nerven-system (Sympathikus, Parasympathikus) beeinflussbar. Die Herztätigkeit – bezogen auf die Aktivität der Herzkammern – ist durch eine rhythmische Aufeinanderfolge von Kontraktion (Systole) und Erschlaffung (Diastole) gekennzeichnet, Bei einer Ruheherzfrequenz von etwa 70 Schlägen pro Minute wird für einen Herzzyklus (Diastole und Systole) eine Zeit von weniger als eine Sekunde benötigt, bei einer Belastungsherzfrequenz von etwa 180-200 Schlägen je Minute (Puls) verkürzt sich diese Zeit auf etwa 0,3 Sekunden. Der Herzzyklus besteht aus zwei Hauptphasen mit je zwei Aktionsphasen, wie in der Tabelle `Darstellung eines Herzzyklus im Diagramm´ dargestellt.

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Herzzyklus

1. Hauptphase Kontraktion/ Systole

2. Hauptphase Erschlaffung/ Diastole

Aktionsphase A

Anspannung

Aktionsphase B

Austreibung

Aktionsphase C

Erschlaffung

Aktionsphase D

Kammerfüllung

Tabelle 7: Darstellung eines Herzzyklus im Diagramm. (verändert nach Mießner, 2004, S. 25)

Bezogen auf den Herzzyklus zeigt die Abbildung `Kontraktionen im Herzen´ wie das Zusammenspiel von Kammer, Vorhof und Klappen funktioniert.

Abbildung 9: Kontraktionen im Herzen (Mock & Niederberger, 1985).

5.2.1. Erregung des Herzens

Die Herztätigkeit ist durch das Phänomen der Autonomie (vgl. Kapitel `vegetatives Nervensystem´) gekennzeichnet. Das Kontraktionsgeschehen wird durch Erregungen ausgelöst, die im Herzen selbst entstehen. Zum Reizbildungs- und Reizleitungssystem zählen: 1. Der Sinusknoten, 2. der Atrioventrikularknoten (AV- Knoten), 3. das His’sche Bündel und 4. die Purkinje-Fasern.

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Von 1- 4 nimmt die Frequenz der Impulsbildung zunehmend ab. Im Normalfall geht sie immer vom Sinusknoten aus. Die Herztätigkeit ist weitgehend dadurch abgesichert, dass bei Versagen des davor liegenden Schrittmachers kurzfristig ein anderes Zentrum dessen Aufgabe übernehmen kann

5.2.2. Sauerstoffversorgung des Herzens Die Blutversorgung des Herzmuskels selbst wird durch die Herzkranzgefäße (Koronargefäße) gesichert. Die Zufuhr von sauerstoffreichem Blut erfolgt über die rechte und linke Kranzarterie, die als erste Abzweigungen der Aorta unmittelbar über den Aortenklappen entspringen. Das Herz verbraucht selbst etwa 8% der ausgestoßenen Blutmenge. 85% davon fließen durch die linke Koronararterie, 15% durch die rechte. Die Sauerstoffausschöpfung des Herzmuskels ist wesentlich größer als die des Skelettmuskels, was an der Mitochondrienanzahl liegt (vgl. Kapitel `Muskelgewebe´). Sie beträgt bereits unter Ruhebedingungen etwa 70 % (Skelettmuskel 20-25 %).

6. Herz-Kreislauf-System

Das Herz-Kreislauf-System setzt sich zusammen aus dem Herzen und allen Gefäßen, die unterteilt werden in Arterien, Venen und Kapillaren.

6.1. Arterien

`Arterien führen vom Herzen weg´! – Die Behauptung `Arterien führen das sauerstoffreiche Blut´ ist leider falsch.

6.1.1. Aufbau der Arterien

Arterien sind weislich und haben elastische Wände mit Muskelgewebe. Wie in der Abbildung ` Arterien und Venen im Querschnitt´ zu sehen ist, haben sie eine kreisrunde Öffnung.

6.1.2. Funktion der Arterien

Die Arterien dienen dem Bluttransport auf der Hochdruckseite des Kreislaufs. Durch ihre Muskelwand können sie die Druckwelle, die vom Herzen ausgeht, dämpfen und den Blutstrom gleichmäßiger machen.

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6.2.Venen `Venen führen zum Herzen hin´! – Die Behauptung `Venen führen das sauerstoffarme Blut´ ist leider falsch.

6.2.1 Aufbau der Venen

Die Venen sind bläulich-rot und haben dünne, schlaffe, dehnbare Wände. Wie in der Abbildung ` Arterien und Venen im Querschnitt´ zu sehen ist, weisen sie eine zusammengefallene Öffnung auf. In den Venen finden wir Venenklappen. Diese begünstigen den Rückfluss zum Herzen.

6.2.2. Funktion der Venen

Mit ihren elastischen Wänden müssen die Venen den Druckeinwirkungen nachgeben. Die Veneklappen lassen nur einen Blutstrom zum Herzen zu, da sie nach jeder Pulswelle schließen und somit den durch die Gravitation hervorgerufenen Rückfluss (sog. `Versacken des Blutes´) verhindern.

Abbildung 10: Arterien und Venen im Querschnitt

6.3. Kapillaren

Die Kapillaren sind die kleinsten Blutgefäße und bilden den Übergang vom arteriellen zum venösen System.

6.3.1. Aufbau der Kapillaren

Die Kapillaren werden auch als Haargefäße bezeichnet, womit ihre Dicke als auch ihre Anzahl beschrieben werden soll.

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6.3.2. Funktion der Kapillaren

Die Summe der Querschnitte aller Kapillaren in den Erfolgsorganen (Muskeln, innere Organe, etc.) ist größer als der Querschnitt der Aorta, wodurch die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes sowie der Druck sinkt. Der Druck (P) in einem Blutgefäß ist das Resultat aus zwei Faktoren: Der momentanen Stromstärke (I) des Blutes am Anfangsteil der Aorta und dem peripheren Gesamtwiderstand (R) der Erfolgsorgane und des Kreislaufsystems. Nach dem Ohm'schen Gesetz (U = I x R) lässt sich der arterielle Blutdruck vereinfacht als Produkt des Herzzeitvolumens und des totalen peripheren Widerstandes berechnen (BD = HZV x TPR bzw. hier: P = I x R). Das Herzminutenvolumen (HMV), das für die Stromstärke (I) eingesetzt werden kann, setzt sich aus der Herzfrequenz (HF) und dem Schlagvolumen (SV) zusammen. In die Formel eingesetzt ergibt sich dann: P = HMV x R bzw.: P = (HF x SV) x R

Wenn der Druck aufgrund der Querschnittszunahme, wie oben genannt sinkt, verringert sich zeitgleich auch die Fließgeschwindigkeit des Blutes und damit wird die Verweildauer des Blutes in den Kapillaren länger, womit der Stoffaustausch an der Membran der Kapillaren verbessert wird.

6.4. Blutkreislauf

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 7 aus Kapitel 13. Kontrollfragen beantworten können!

Das Herz-Kreislauf-System kann zum besseren Verständnis in zwei Teilkreisläufe gegliedert werden; tatsächlich handelt es sich um ein geschlossenes System wie in der Abbildung ` Schematische Darstellung des Blutkreislaufes´ zu sehen ist.

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Abbildung 11: Schematische Darstellung des Blutkreislaufs (Weineck, 2002)

6.4.1. Körperkreislauf Unter dem Körperkreislauf ist der Teil des Herz-Kreislauf-Systems zu verstehen, der den gesamten Körper mit sauerstoffreichem Blut versorgt und das Kohlendioxid abtransportiert. Dafür muss das Blut von der linken Herzkammer über die Aorta, die Arterien und Arteriolen ins Kapillarsystem gepumpt werden, um von dort über die Venolen, daran anschließend die Venen und letztlich über die untere und obere Hohlvene wieder dem rechten Vorhof zugeführt werden zu können. Für die Aufrechterhaltung des Blutflusses gegen die Schwerkraft (Gravitation) gibt es mehrere Hilfssysteme (vgl. Kapitel `Blutfluss´). Wie in der Abbildung `Schematische Darstellung des Blutkreislaufs´ zu sehen ist, liegen alle zu versorgenden Organe in einem parallelen Kreislauf, wobei die inneren Organe (Magen, Darm, Leber, etc.) in Abhängigkeit von der Belastung durchblutet werden, aber dabei immer mit einer belasteten Muskulatur in Konkurrenz stehen. Das Gehirn wird von einem Abzweig

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der Aorta bevorzugt versorgt, ähnlich dem System der Herzkranzgefäße (vgl. Kapitel ` Sauerstoffversorgung des Herzens´).

6.4.2. Lungenkreislauf Der Lungenkreislauf ist der zweite Teil des Herz-Kreislauf-Systems, der dafür zuständig ist, der Lunge das kohlendioxidreiche Blut zuzuführen, dass vom Körper in den rechten Vorhof und von dort in die rechte Herzkammer zurückgeflossen ist. Dafür wird das Blut von der rechten Herzkammer zur Lunge gepumpt. Von dort wird dann das sauerstoffreiche Blut wieder dem Herzen über den linken Vorhof zugeführt, womit sich der Kreislauf schließt.

6.4.3. Blutfluss Für die Aufrechterhaltung der Blutzirkulation sind die Pulswelle der Arterien, die Tätigkeit der Muskeln, die Atembewegungen mit dem daraus resultierenden Unterdruck im Brustraum und die Sogwirkung des Herzens verantwortlich. Alle gemeinsam befördern das Blut zum Herzen zurück.

Die Pulswelle in den Arterien wirkt auf den Blutstrom der Vene, indem sie die Venen zusammendrückt. Dabei wird die untere Venenklappe geschlossen und das Blut wird durch die obere Venenklappe zum Herzen befördert (vgl. Abbildung `Blutstromdarstellung in der Vene´).

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Abbildung 12: Blutstromdarstellung in der Vene (Mock & Niederberger 1986).

Auch die Muskeltätigkeit hat Auswirkungen auf den Blutstrom der Vene. Durch die Kontraktion des Muskels wird die Vene komprimiert, wodurch die untere Venenklappe wieder zugepresst wird und einen Rückstrom verhindert. Somit strömt das Blut zum Herzen.

Abbildung 13: Auswirkung der Muskeltätigkeit auf die Vene (Mock & Niederberger 1986).

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In der Diastole, wenn sich der Vorhof mit Blut füllt, wird durch diesen Sog des Herzens, das das Blut quasi ansaugt, der Rückfluss begünstigt.

7. Energiestoffwechsel

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 8+9 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Wie jede Zelle braucht auch die Muskelzelle Energie. Denn Organismen können u. a. nur dann leben, wenn ihnen ständig Energie zur Verfügung steht. Damit sie diese erhalten können, ist Energiegewinnung erforderlich. Energie wird freigesetzt, wenn im Organismus der Abbau von energiereichen Stoffen in energieärmere Verbindungen erfolgt - unter Freisetzung von Energie. Diesen Vorgang nennt man Betriebs- oder Energiestoffwechsel, oder auch Energiebereitstellung. Die Bedeutung für das Training wird im Lehrheft ‚Training’ (S. 23-27) erläutert.

7.1. Arten der Energiebereitstellung Die einzige direkt verwendbare Energiequelle für die Muskelkontraktionen ist jedoch das Adenosintriphosphat (ATP), eine energiereiche Phosphatverbindung, die unmittelbar in der Umgebung der Muskelzelle im Sarkoplasma liegt. Sie stellt sozusagen die `Muskelbatterie´ dar, die durch Entladung und erneute Beladung funktioniert. ATP wird auch umgangssprachlich als `Wechselgeld der Muskelkontraktion´ bezeichnet (vgl. dazu die Abbildung `Erregung und Kontraktion des Muskels´). Allerdings ist die gespeicherte Energiemenge in Form von ATP so gering, dass bei maximaler Belastung nur für ca. 3-5 Sekunden Energie für die arbeitende Muskulatur zur Verfügung stehen würde. Daher ist der Körper bemüht, diesen Speicher möglichst sofort wieder aufzufüllen. Sobald die Spaltung von ATP zu ADP (Adenosindiphosphat) und P einsetzt - die `Batterie´ sich also unter Abgabe von Energie für die Muskeltätigkeit in ADP und P `entladen´ hat - muss sie schnellstmöglich wieder „aufgeladen“ werden, da nur mit ATP weitere Muskelkontraktionen möglich sind. Alle weiteren Vorgänge im Zusammenhang mit dem Thema Energiebereitstellung in der Muskelzelle dienen also letztlich dem Wiederaufbau von ATP. Die Energie für diesen Vorgang, bei dem das energieärmere ADP mit dem P unter Energieverbrauch wieder zum energiereicheren ATP zusammengeführt werden, kann auf unterschiedliche Weise gewonnen werden:

Durch die Spaltung von Kreatinphosphat (KP),

durch die anaerobe Glykolyse (Energiegewinnung aus Kohlenhydraten ohne Beteiligung von Sauerstoff)

durch die Verbrennung (Oxidation) von Kohlenhydraten (in Form von Glycogen, Glucose u. a.),

durch die Verbrennung (Oxidation) von Fett (Fettsäuren, Glyzerin)

und in geringem Umfang auch durch die Verbrennung (Oxidation) von Eiweiß (Aminosäuren).

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Abbildung 14: Erregung und Kontraktion am Muskel (Hohmann, Lames, Letzelter 2002, S. 70) Folgender Ablauf ereignet sich: In Ruhe besteht keine Bindung von Myosin an Aktin. Sobald aber ein Signal über den motorischen Nerv am Muskel eintrifft, öffnen sich Kalziumspeicher (Ca²

+) und

Kalzium strömt aus. Das ausströmende Kalzium, dessen Konzentration sich um das ca. 1000fache erhöht, bindet sich an das Troponin und verlagert („dreht“) damit das Tropomyosin-Filament, das bis dahin die Bindungsstelle des Myosins am Aktin blockiert hat. Nun erst kann sich der Myosinkopf am Aktin anlagern und durch die Abgabe von P wird das Kippen des Myosinkopfes eingeleitet. Das ist die eigentliche Kraftentfaltung im Sarkomer des Muskels, wodurch das Aktin teleskopartig in das Gerüst der Myosinfilamente hineingezogen wird, so dass sich der Muskel verkürzt. Die Abgabe von ADP aus dem Myosinkopf bringt diesen in die Endstellung. Erst durch die erneute Wiederaufnahme von „frischem“ ATP kann sich der Myosinkopf dann wieder vom Aktin lösen und in die Ausgangsstellung zurückschwingen (daher spricht man von der „Weichmacherwirkung des ATP“). (Vgl. dazu weiter Kapitel 2.5 (Nerven) und 8.2 (Erregung und Kontraktion am Muskel) in diesem Heft).

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Der Wiederaufbau (die Resynthese) von ATP gelingt zunächst mit Hilfe des Kreatinphosphats (KP oder auch CP). Aber auch die dort gespeicherte Energiemenge würde bei maximalen Belastungen nur für ca. 8-10 Sekunden reichen können. ATP und KP sind also einerseits die am schnellsten verfügbaren energiereichen Stoffe -sie setzen bei ihrem Zerfall unmittelbar Energie frei. Allerdings ist ihr Energievorrat sehr klein und reichte bei maximalen Belastungen nur für wenige Sekunden (wozu es real aber i.d.R., außer bei höchst intensiven Belastungen, wie im IK- und Hypertrophietraining, nicht kommt). Da der Abbau dieser beiden Stoffe ohne Sauerstoff und auch ohne Laktatbildung erfolgt, nennt man diese Form der Energiebereitstellung `anaerobe alaktazide Energiegewinnung´. Bei allen muskulären Belastungen, ob kurz oder lang, muss folglich Energie aus den weiteren, bereits genannten Quellen gewonnen werden, um damit ATP, und ggf. zuvor KP, wieder aufbauen zu können. Wie bereits erwähnt, werden in der menschlichen Muskulatur dafür die Nährstoffe (`Muskel-Treibstoffe´)

Kohlenhydrate (in Form von Glucose / Glycogen),

Fettsäuren

und nur bedingt auch Eiweiß herangezogen. Zum vereinfachten Verständnis lassen sich die dabei ablaufenden Vorgänge der Energiegewinnung (-freisetzung) im Vergleich zur Energieversorgung eines Autos darstellen, wo analog zu den genannten `Muskel-Treibstoffen´ Benzin zur Energiegewinnung genutzt wird (vgl. Abbildung ` Vereinfachte Darstellung der Energiebereitstellung in der Muskelzelle´).

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Lehrheft Anatomie & Physiologie Team ICG® - 35 -

MOTOR MUSKELZELLE

TANK ENERGIESPEICHER

BENZIN GLYCOGEN DEPOT-FETT PROTEIN-

POOL

Glucose Fettsäuren Aminosäuren

VERGASER ZELLFLÜSSIG-

KEIT (Plasma)

„ZELLKRAFTWERK“

(Mitochondrium)

Benzin-Luft-

Gemisch

schrittweise „Zerlegung (Abbau)

ZYLINDER ENERGIEGEWINNUNG

Verbrennungs-

energie

2 mol ATP 38 mol ATP

Kolbenantrieb Muskelantrieb

(ATP ADP + P) Abbildung 15: Vereinfachte Darstellung der Energiebereitstellung in der Muskelzelle (modifiziert nach Geiger, 1988)

aerob anaerob

aus

Blut

O2

LAKTAT Wasser CO2

ABGASE

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Um es nochmals zu betonen: Alle Energiebereitstellungs-Prozesse nach dem ATP-Abbau dienen letztlich immer dem Wiederaufbau des ATP, das für die Muskeltätigkeit unbedingt erforderlich ist. Die dafür nötigen Nährstoffe werden über die Nahrung aufgenommen und bei der Verdauung aus den Lebensmitteln herausgelöst und den Organen oder Energiespeichern zugeführt. Sie liegen normalerweise dann auch in der Muskelzelle bereits vor. Bei Bedarf können sie aber auch aus den unterschiedlich großen körpereigenen Energiespeichern (z. B. Fettdepots, Glycogendepot der Leber, siehe Tabelle `Energiespeicher (Beispiel: Mann, 75 kg, Fettanteil 20% (=15 kg)´) mobilisiert und über die Blutbahn zu den Erfolgsorganen (hier also den Muskeln) transportiert werden.

Energie-Speicher Größe in g Brennwert pro g

Energie in kcal

Fettgewebe 15.000 7 kcal 105.000

Fett in den Muskeln 300 9,1 kcal 2.800

Glycogen in der Leber 85 4 kcal 350

Glycogen in den Muskeln 350 4 kcal 1.450

Glucose im Blut 20 4 kcal 80

Eiweiß in den Muskeln 10.000 4,1 kcal 41.000 Tabelle 8: Energiespeicher (Beispiel: Mann, 75 kg, Fettanteil 20% (=15 kg), Angaben nach Brotherhood 1984)

PyruvatLaktat

Glucose

AcetylCoA

Citrat- bzw.

Krebs-Zyklus

2 H

Blutbahn

anaerob

aerob

(Mitochondrium)

Fette

Fettsäuren

+ OCO 2= H O

+ ENERGIE2

Blut-bahn

(für Aufbau von 36 ATP)

+ ENERGIE

(für 2 ATP) Aminosäuren

Abbildung 16: Stoffwechselwege beim Energie-Nachschub (vereinfachte Darstellung)

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Welche Form der Energiebereitstellung dann letztlich vorrangig genutzt wird – alle Prozesse laufen im Übrigen ständig parallel ab – hängt in erster Linie vom erforderlichen Energiefluss pro Zeiteinheit ab. Dieser wiederum wird durch den mehr oder weniger intensiven Energieverbrauch bei der Muskelarbeit verursacht. Bei geringer Muskelaktivität dominieren die langsamen, aeroben `Nachschub-Wege´, bei höherer Intensität die schnellen, anaeroben.

Aerobe und anaerobe Energiebereitstellung Energie aus Kohlenhydraten (Glycogen bzw. Glucose) kann dem Muskel auf zwei Wegen zur Verfügung gestellt werden. Der erste, schnelle Weg macht die Kohlenhydrate zum `Superkraftstoff´. Dieser Weg ist bei hohen Belastungsintensitäten nötig, um schnell Energie nachzuliefern. Dann müssen und können Kohlenhydrate (Glucose, Glycogen) anaerob (ohne Beteiligung von Sauerstoff) abgebaut werden, wodurch neues ATP gebildet und der Muskelzelle zur Verfügung gestellt werden kann. Dieser Vorgang heißt anaerobe Glykolyse. Es ist immer der erste Teil-Prozess, der beim Abbau von Glucose durchlaufen wird. Bei dieser Form der Energiebereitstellung werden die Kohlenhydrate aber nur zum Teil abgebaut. Dieser Weg hat dadurch zwei gravierende Nachteile: Es wird immer nur recht wenig ATP je Teil Glucose gewonnen (2 ATP), und als Endprodukt entsteht Laktat. Steigt der Laktatwert im Muskel zu stark an, so führt er zur Hemmung eines Enzyms (PFK, Phosphofruktokinase), was durch Senkung des ph-Wertes die Verlangsamung des Energienachschubs zur Folge oder sogar den Abbruch seiner Tätigkeit bewirkt. Das im Muskel entstandene Laktat kann im tätigen Muskel nicht weiter abgebaut werden. Der Abbau findet in der nicht aktiven Muskulatur sowie hauptsächlich im Herzmuskel und in der Leber statt. Allerdings gibt es auch einen ganz entscheidenden Vorteil bei dieser Form der Energiegewinnung: Das ATP kann sehr schnell wieder aufgebaut werden. Damit ist auch bei intensiven Belastungen oder bei starken Belastungswechseln die Energieversorgung gesichert. Diese Form der Energiegewinnung ohne Sauerstoff wird als anaerob laktazide Energiebereitstellung (aerob = mit Sauerstoff; an = ohne) bezeichnet. Kohlenhydrate (hier: Glucose) und auch Fettsäuren, weniger auch Aminosäuren, können in den Mitochondrien (den `Brennkammern´ der Muskelzelle) noch weiter abgebaut werden. Dazu werden die Nährstoffe aus dem Zellplasma in die `Brennkammern´ geschleust, wo sie letztlich als aktivierte Essigsäure (Acetyl-CoA) Eingang in den sog. Citratzyklus (auch Krebszyklus genannt) finden, um dort schrittweise vollständig abgebaut zu werden. Am Ende des Abbaus bleiben lediglich Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H+) übrig. Der Wasserstoff reagiert dann in der so genannten Atmungskette mit dem aus den Lungen aufgenommenen und über die Blutbahn angelieferten Sauerstoff (O2) zu Wasser (H2O). Wasser und Kohlendioxid werden anschließend über die Blutbahn abtransportiert und `entsorgt´ - das CO2 wird abgeatmet, das Wasser über Urin, Schweiß und Atemluft abgegeben, so dass bei der aeroben Energiebereitstellung auch keine `störenden´ Endprodukte, wie etwa Laktat, übrig bleiben. Auf diesem aeroben Weg kann aus 1 mol Glucose Energie für die Bildung von 38 mol ATP (eine fast 20 Mal größere Menge ATP je Teil Glucose als beim anaeroben

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Vorgang) bereitgestellt werden; aus den energiereicheren Fettsäuren, je nach Kettenlänge der eingesetzten Fettsäure, sogar bei vollständiger Oxidation bis zu 148 Mol ATP (aus Palmitat z.B. 129 ATP). Diese Form der Energiegewinnung wird als aerobe Energiebereitstellung (aerob = mit Sauerstoff) bezeichnet. Zusammenfassend stellen sich die wichtigsten energieliefernden Stoffwechselvorgänge zum Wiederaufbau von ATP folgendermaßen dar (vgl. auch Abbildung `Stoffwechselwege beim Energie-Nachschub’): anaerob alaktazid 1. ATP > ADP + Pi + Energie 2. Kreatinphosphat + ADP > Kreatin + ATP anaerob laktazid 3. Glycogen o. Glucose + Pi + ADP > Laktat + ATP aerob 4. Glycogen (Glucose) oder freie Fettsäuren+ Pi + ADP + O2

> CO2 + H2O + ATP

Eine große Energiemenge korrespondiert aber leider mit einer geringen Energieflussrate, was eine Verkleinerung der zur Verfügung gestellten Energiemenge pro Zeiteinheit bedeutet. Energieflussrate und Energiemenge (bzw. `Energieausbeute´) sind also gegenläufig. So ist die anaerob-laktazide Energiebereitstellung, die nur aus Glucose erfolgen kann, zwar von der Menge her begrenzt, sie läuft aber etwa doppelt so schnell ab wie die weitaus ergiebigere aerobe Verbrennung von Glucose und diese wiederum etwa doppelt so schnell wie die nochmals weitaus ergiebigere Fettverbrennung (vgl. Tabelle `Charakteristika der wichtigsten ATP-liefernden Substrate´).

Hauptenergie-quelle

Kreatinphosphat Glucose Fettsäuren

Reaktionstyp anaerob-alaktazid (Dephosphorylierung)

anaerob-laktazid (Glycolyse)

aerob (Oxidation)

aerob (Oxidation)

Maximale ATP-Bildungsrate (`Energiefluss´)

58 kcal/ min

36-54 kcal/ min

18 kcal/ min

9 kcal/ min

Belastungs-dauer (`Energiemenge´)

bis 30 sec (Bsp. Sprint)

bis 3 min (Bsp. Mittel-strecke)

3 bis 90 min (Bsp. Lang-strecke)

3 bis 150 min (Bsp. Lang-strecke)

Belastungs-intensität

supra-maximal maximal submaximal hoch

Submaximal mittel

Tabelle 9: Charakteristika der wichtigsten ATP-liefernden Substrate (Mit fließenden Übergängen; Fettsäuren und Glucose werden immer parallel oxidiert; nach McArdle, 1991; Schek, 2005)

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7.2. Energiebereitstellung unter Belastung Welcher der Wege zum Wiederaufbau von ATP vorherrscht, ist vor allem abhängig von der Intensität der Belastung, nur zweitrangig auch von der Belastungsdauer. Der Energiebereitstellung entsprechend verhalten sich auch die Intensität und Dauer (Kapazität) der körperlichen Leistung gegenläufig. Eine kurze Dauer geht in der Regel mit hohen Belastungsintensitäten einher, was eine schnelle und damit anaerobe Energiebereitstellung erfordert. Dagegen ist bei langer Belastungsdauer die Intensität meist geringer, was dann zur Folge hat, dass auch der Stoffwechsel weniger intensiv - und daher eher aerob - arbeiten darf (vergleiche Abbildungen in diesem Kapitel). Im Fitness-Training muss das aber nicht zwangsläufig so sein, da auch bei einer kurzen oder mittleren Dauer meistens auch nur mit mittlerer bis submaximaler und nicht unbedingt mit maximaler Intensität trainiert wird. Zum besseren Verständnis muss hinsichtlich der Energiebereitstellung daher zwischen maximalen und submaximalen Belastungen unterschieden werden.

7.2.1. Maximalbelastungen und Energiebereitstellung Bei maximalen Belastungen im Kraftsport, bei denen zwar eine hohe Belastungsintensität aber nur kurze Belastungsdauer dominiert, wird eine hohe Energieflussrate benötigt. Hier dominiert daher die anaerob-alaktazide Energiebereitstellung (ATP, CP) und kurzfristig auch die anaerob-laktazide Energiebereitstellung (aus Glucose). Durch die kurze Belastungsdauer und den geringen Belastungsumfang werden die Glycogenvorräte aber nicht erschöpft. Bei allen Ausdauersportarten bestimmen die Glycogenvorräte in der Muskulatur mehr oder weniger die Leistung. Eine mehrstündige, intensive Belastung führt sogar zur Entleerung der Glycogenspeicher. Je mehr die Glycogenspeicher geleert sind, desto mehr muss der Anteil der Fettverbrennung zunehmen, wobei aber dann die Intensität wegen der geringeren Energieflussrate der Fettsäuren sinkt (z.B. Laufgeschwindigkeit wird langsamer). Bei sehr lang andauernden und/oder weniger intensiven Belastungen im mittleren Bereich (ca. 40-60 % der VO2max) kann die Fettverbrennung 90-70 % des Energiebedarfs decken! Bei Trainierten sind selbst bei Belastungen im submaximalen Bereich von ca. 80 % der VO2max die beiden Energiequellen Fette und Kohlenhydrate noch mit etwa gleichen Anteilen, also jeweils etwa zu 50 %, an der Energiebereitstellung beteiligt. Allerdings ist folgendes zu beachten: Obwohl 1 g Fett etwa doppelt soviel Energie besitzt wie Glucose (9,3 statt 4,1 kcal / g), benötigt der Fettabbau etwa 5 % mehr Sauerstoff (O2) als die Glucoseverbrennung. Daher muss bei hochintensiven Belastungen, bei denen die Sauerstoffzufuhr das leistungslimitierende Kriterium darstellt, die Energie möglichst durch Glucoseverbrennung gewonnen werden, sonst sinkt die Belastungsintensität, auch wegen der schlechteren Flussrate.

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Die unten aufgeführte Tabelle `Energiebereitstellung bei leistungssportlichen Aktivitäten´ zeigt die bevorzugten Energiequellen bei maximalen sportlichen Belastungen in Abhängigkeit von Belastungsart und -dauer:

Art der Belastung Art der Energiebereitstellung

Verwertete Energieträger

Schnellkraftbelastung (Dauer:bis zu 45 Sek)

rein anaerob energiereiche Phosphate (ATP, CP)

Kurzzeitausdauer (Dauer: 45-120 Sek)

vorwiegend anaerob Kohlenhydrate (anaerobe Glykolyse)

Mittelzeitausdauer (Dauer: 2-10 Min.)

gemischt aerob / anaerob

Kohlenhydrate

Langzeitausdauer I / II (Dauer:10-60 Min.)

vorwiegend aerob gemischt Kohlenhydrate / Fette

Langzeitausdauer I / II (Dauer: > 1 Stunde)

fast nur aerob vorwiegend Fette, (Kohlenhydrate gering, z.T. Aminosäuren)

Tabelle 10: Energiebereitstellung bei leistungssportlichen Aktivitäten mit maximaler Belastung bei der jeweiligen Dauer der Belastung

Die entsprechende Abbildung dazu zeigt die vorherrschenden Prozesse bei maximalen Belastungen nochmals in grafischer Form.

Sekunden

%

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

0 20 40 60 80 100 120

ATP KP AnaerobeGlykolyse

AerobeGlykolyse

Abbildung 17: Der Anteil der verschiedenen Systeme an der Energiebereitstellung (in %) bei maximalen Belastungen (in Anlehnung an Keul et al. 1969)

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7.2.2. submaximale Belastungen und Energiebereitstellung Wird eine Belastung nicht maximal ausgeführt, sondern, wie oft im Fitnesstraining, mit mittleren oder submaximalen Intensitäten, dann stellt sich die Energiebereitstellung anders dar. Zur Veranschaulichung der dann vorherrschenden Energiebereitstellung könnte die Darstellung zu maximalen Belastungen an der y-Achse (der Linie zur Intensität) gespiegelt werden – oder die Abbildung wird von rechts nach links gelesen. Das bedeutet, dass bei nicht maximalen Belastungen von Beginn an der aerobe Stoffwechsel dominiert. Eine andere Form der Darstellung ergibt sich, wenn eine Belastung allmählich hinsichtlich der Intensität gesteigert wird. Dann stößt der Energienachschub aus dem `langsamen´ aeroben Stoffwechsel irgendwann an seine Grenzen, so dass zusätzlich der anaerobe dazu geschaltet werden muss (siehe Abbildung `Prozentualer Anteil der energieliefernden Prozesse bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten´). Abb. (a)

90 8575

6050

10

8 1220

3542

80

2 3 5 5 8 10

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Ruhe "sehr

gering"

< 2 mmol

"gering"

< 3 mmol

"mäßig"

< 4 mmol

"mittel"

< 7 mmol

"submax."

> 7 mmol

"maximal

Belastungs-Intensität

%

A

n

t

e

i

l

Fettsäuren KH aerob KH anaerob

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Abb. (b)

Abbildung 18(a) Prozentualer Anteil der energieliefernden Prozesse bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten (nach Stemper, 2003 - Werte geschätzt in Anlehnung an Neumann 1991, 1992; Worm 1993; Abb 18(b) Schek, 2005,

7.2.3. `Fettverbrennung´ Die Fettverbrennung während der Belastung findet immer statt, außer wenn die Belastung so intensiv ist, dass Laktatwerte über 7-8 mmol / l Blut anfallen, da dann die Lipolyse nahezu vollständig gehemmt wird (vgl. Abbildung `Prozentualer Anteil der energieliefernden Prozesse bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten´). Sinkt die Belastungsintensität aber wieder, dann werden auch wieder Fettsäuren zur aeroben Energiegewinnung eingesetzt. Die Erhöhung des Einsatzes von Fettsäuren an der Energiebereitstellung kann man im Übrigen `lernen´. Je häufiger in denjenigen Intensitäten trainiert wird, in denen der Fettstoffwechsel eine Rolle spielt, und je höher der Trainingszustand eines Langzeit-Ausdauersportlers ist, desto höher ist der Anteil der Fettverbrennung in vergleichbaren Belastungsbereichen. Dadurch werden die wertvollen Glycogendepots geschützt und stehen für hohe Belastungen (Zwischenspurts, Endspurt) zur Verfügung. Die Optimierung der Energiebereitstellung über Fettsäuren ist aber nicht mit dem häufig vorherrschenden Wunsch nach `Fettabbau´ zu verwechseln. Beim Thema `Fettabbau´ geht es in erster Linie um eine negative Energiebilanz bei gleichzeitig erhaltener Muskulatur. Das ist einerseits durch alle Ausdaueraktivitäten zu erreichen, auch solchen mit hoch anaerobem Charakter! Denn der Energieverlust ist dann sogar in der Zeiteinheit höher, auch wenn während der Belastung u. U. vermehrt Kohlenhydrate verbraucht werden. Im Nachgang dazu wird jedoch der Fettstoffwechsel zum Ausgleich der negativen Energiebilanz aktiviert und führt zum `Fettabbau´. Anderseits führen bei dieser Frage auch alle Kraftbelastungen zum Ziel, da auch sie akut Energie verbrauchen und gleichzeitig für den Erhalt und ggf. Aufbau

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der Muskulatur sorgen, das in Ruhe das größte Stoffwechselorgan mit Einfluss auf den Grundumsatz ist.

7.2.4. `Superkompensation´ der Glycogenspeicher Der Glycogengehalt der Muskulatur beträgt normal etwa 1 bis 1,5 g / 100 g Muskelgewebe. Dieser Wert kann durch entsprechendes Training auf über das Doppelte gesteigert werden, was vor allem für Leistungssportler im Langzeitausdauerbereich wichtig sein kann. So beträgt der Gesamt-Glycogengehalt bei Untrainierten etwa 250-350 g in der Muskulatur (zusätzlich wenige g im Blut und ca. 80 g in Leberglycogen), bei Ausdauertrainierten etwa 400-500 g. Durch eine kohlenhydratreiche Nahrung (60-70 %) werden diese Vorräte nicht nur wieder aufgefüllt, es kommt sogar zu einer Steigerung über den Ausgangswert hinaus. Diesen Vorgang bezeichnet man als Superkompensation. Der Effekt ist umso größer, je mehr die Glycogenspeicher entleert wurden. In der Sportpraxis versuchen Spitzensportler im Ausdauerbereich dazu gelegentlich, durch intensives Training und kohlenhydratarme Diät eine möglichst große Erschöpfung der Glycogenspeicher bis 4 Tage vor einem Wettkampf zu provozieren, um danach das Training zu reduzieren und kohlenhydratreiche Kost aufzunehmen. Eine Verzögerung des Glycogenaufbaus (Fett/Eiweiß-Diät über 2-3 Tage) mit anschließender KH-reicher Ernährung führt nochmals zu einem Anstieg der Glycogenkonzentration. Diese Eiweiß/Fett-Diät hat sich in der Praxis aber wegen der dann nötigen Reduzierung der Trainingsintensität nur bedingt bewährt. Besonders gute Voraussetzungen für die Wiederauffüllung der Glycogenspeicher finden sich auch in den ersten 1-3 (maximal 10) Stunden nach einer Belastung, da dann die relevanten Enzyme noch sehr aktiv sind! Allerdings können bis zum vollständigen Wiederaufbau 48-72 Stunden vergehen, was bei der Trainingsplanung beachtet werden muss. Nachteil der Superkompensation: 1 g Glycogen bindet ca. 3 g Wasser, was eine Gewichtszunahme bedeutet. Zu bedenken ist auch, dass zum Glycogenaufbau Kalium notwendig ist, weshalb auf ausreichende Zufuhr zu achten ist. Umgekehrt gilt: Der Kohlenhydratanteil in der Nahrung darf nicht unter 45 % fallen, da sonst wertvolle Proteine zur Energiegewinnung herangezogen werden. Eine adäquate Kohlenhydratzufuhr während der Trainingsphase und besonders nach dem Training ist daher sehr wichtig, um hohe Belastungsintensitäten durchzustehen.

7.2.5. Energiebereitstellung bei Kraftbelastungen Auch bei Kraftbelastungen entscheidet letztlich die Intensität der Beanspruchung darüber, welche Form der Energiebereitstellung vorherrscht. Wie die folgende Tabelle `Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Arbeitsweise der Skelettmuskulatur´ zeigt, ist auch bei leichten bis mittleren Kraftbelastungen der aerobe Stoffwechsel dominant, da in der Zeiteinheit nur wenig Energie verbraucht wird, so dass der `langsame´ aerobe Energienachschub ausreicht.

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Arbeitsweise Muskelspannung in % der Maximalspannung

Statisch < 15 % 15 - 30 % 30 - 50 % > 50 %

dynamisch < 25 - 30 % 30 - 50 % 50 - 70 % > 70 %

Energiebereitstellung

aerob

überwiegend aerob

überwiegend anaerob

anaerob

Tabelle 11: Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Arbeitsweise der Skelettmuskulatur

Je nach Höhe des Krafteinsatzes kann es aber aufgrund der starken Muskelanspannung zur Verengung der Blutgefäße kommen, was eine zunehmende Einschränkung der Muskeldurchblutung nach sich zieht. Dieses hat dann zur Folge, dass die Energiebereitstellung zunehmend anaerob erfolgt. Die erwähnte Tabelle verdeutlicht, in welchen prozentualen Bereichen bezüglich der Maximalkraft die aerobe oder anaerobe Energiebereitstellung überwiegt.

8. Nervensystem

Für das Verständnis des Nervensystems sei vorab nochmals auf das Kapitel `Nervengewebe´ verwiesen.

8.1. Zentralnervensystem Das Zentralnervensystem besteht aus Gehirn und Rückenmark, wobei für die nervöse Steuerung zwei verschiedene Systeme zur Verfügung stehen, das zerebrospinale Nervensystem und das autonome oder vegetative Nervensystem. Sowohl das zerebrospinale wie auch das autonome Nervensystem haben Zentren und periphere Bahnen. Beide Systeme haben als nervöse Zentren das Rückenmark und das Gehirn.

8.1.1. Vegetatives Nervensystem

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 10 aus Kapitel 13. Kontrollfragen beantworten können!

Das vegetative Nervensystem (VNS), das auch autonomes Nervensystem (ANS) genannt wird, stellt zusammen mit dem Zerebrospinalen (auch somatischen) Nervensystem eine funktionelle Einheit dar. Das autonome (unabhängige) Nervensystem steuert den körpereigenen Betrieb (idiotropes Regulationssystem): Es erhält die lebenswichtigen Organtätigkeiten aufrecht (Vegetativum), innerviert vor allem die Eingeweide und regelt Atmung, Kreislauf, Verdauung, Stoffwechsel, Sekretion und Exkretion sowie die Fortpflanzung.

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Das autonome Nervensystem arbeitet im Wesentlichen unabhängig von willentlicher Beeinflussung, obwohl durchaus Verbindungsmöglichkeiten bestehen (vgl. z.B. willentliche Beeinflussung des Herzschlags im Entspannungstraining). Das vegetative Nervensystem besteht aus drei Systemen, dem Sympathikus, dem Parasympathikus und dem intramuralen System welches in den Hohlorganen (Herz, Magen, Darm, Blase, etc.) für eine gewisse Selbständigkeit sorgt. Sympathikus und Parasympathikus haben in der Regel gegenläufige (antagonistische) Funktionen. Während der Sympathikus vorwiegend in Richtung Leistungsförderung über Energieentladung und Stoffwechselabbauprozesse wirksam wird, ist es die Funktion des Parasympathikus, die Energie zu speichern, für Erholung zu sorgen und Aufbauprozesse zu starten.

8.1.2. Zerebrospinales Nervensystem Das zerebrospinale Nervensystem hat seinen Namen daher, weil es vom Gehirn und Rückenmark aus bewusst bzw. willentlich gesteuert wird (Zerebrum = (Groß-)hirn; Spina = an der Wirbelsäule; (z)cerebrospinal = Gehirn- und Rückenmark betreffend). Es regelt die Beziehungen zur Umwelt, vermittelt Empfindung sowie Bewegung und ist willentlich beeinflussbar. Die Sinnesorgane nehmen die Meldungen von der Außenwelt auf und führen sie zum nervösen Zentralorgan, dem Rückenmark und Gehirn. Die Antworten des zerebrospinalen Nervensystems sind motorischer Natur. Wir teilen der Umwelt mit Hilfe von Sprache und Schrift unsere Gedanken mit und wirken mit der Skelettmuskulatur auf sie ein.

8.2. Erregung und Kontraktion am Muskel

Die Reizübertragung erfolgt an der motorischen Endplatte, wo die elektrischen Impulse der motorischen Nervenfaser in eine chemische Reaktion umgewandelt werden. Hierdurch kann die Erregung and er Oberfläche der Muskelfaser weitergeleitet und in der Tiefe der Faser die für die Auslösung der Kontraktion erforderlichen Kalziumionen freisetzen, welche sich zwischen den Myofibrillen im mitochondrienarmen Sarkoplasma in speziellen Speichern befinden. Der Mechanismus der Muskelkontraktion beruht auf einer Reaktion des Aktins mit dem Myosin. Zu Beginn wird durch Einströmen von Kalziumionen in das Sarkoplasma eine Bindungsstelle für den Myosinkopf am Aktin frei. Die Köpfe des Myosins (dicke Filamente in der Mitte) können sich dann an das Aktinfilament anlagern und diese durch einen Kippvorgang der Köpfe des Myosins zur Mitte des Sarkomers hin bewegen. Dabei wird Energie verbraucht (ATP-Spaltung in ADP und P, die dann aus dem Myosinkopf austreten). Die Anordnung des Myosins hat zur Folge, dass die Aktinfilamente von beiden Enden des Myosinfilaments aufeinander zu gezogen werden. Eine Verkürzung der Fasern um maximal 50% ist möglich, dann stößt das Myosin gegen das Z-Band. Zum anschließenden Lösen der Myosinköpfchen vom Aktin ist eine erneute Einlagerung von ATP in das Myosinköpfchen nötig. Der Kontraktionsvorgang besteht also letztlich darin, dass die Myosin- und Aktinfilamente durch den wiederholten „Greif-Loslass-Zyklus“ des Myosins am

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Aktin teleskopartig ineinander gezogen werden, ohne dass sich dabei die Länge der einzelnen Filamente ändert, was auch als Filament-Gleit-Mechanismus bezeichnet wird. Die Kontraktion wird äußerlich durch die Verkürzung des Muskels und durch seine Verdickung sichtbar. Diese Verdickung wird durch das Ineinandergleiten der Filamente hervorgerufen.

Abbildung 19: Schema der Muskelkontraktion KVM – Der Medizinverlag, Berlin © 2013

8.3. Neuromuskuläres System

Nerv und Muskel sind durch unterschiedliche Reflexbögen miteinander verbunden, wodurch die gesamte Skelettmuskulatur unter der Kontrolle des ZNS liegt. Diese Kontrolle erfolgt teilweise schon auf der Ebene des Rückenmarks und ermöglicht stets gleich bleibende Reaktionen des Organismus auf einen bestimmten Reiz.

In der folgenden Tabelle ist die Funktionsweise des neuromuskulären Systems dargestellt. Die Reflexe, die in der Tabelle fett dargestellt sind, haben für die Trainingspraxis eine besondere Bedeutung und werden deshalb näher erläutert.

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Tabelle 12: Funktionelle Gliederung des neuromuskulären Systems in fünf `sensomotorische Funktionssysteme´ (nach Zintl 1989)

Funktionelles System Art der Motorik Übergeordnetes Zentralorgan des Nervensystems

Eigenreflexapparat (monosynaptische Dehnungsreflexe) mit:

Dehnungsreflex

Eigenhemmung

Muskeltonus,

einfache myostatische Automatismen

Rückenmark (Segment-bereich)

Fremdreflexapparat (polysynaptische Reflexe) mit:

Antagonisten-Hemmung

Antagonisten-Erregung

Gekreuzter Beuge-Streck-Reflex

Alpha-Gamma-Koaktivierung

isolierte, zweckbezogene Einzelbewegungen (Abwehr- und Fluchtreaktionen),

primitive rhythmische Fortbewegung

Rückenmark (mehrere Segmente)

Vestibulo-zerebellares System

Gleichgewichts-reaktionen,

Muskeltonus im Dienste der Gleichgewichts-erhaltung,

zeitliche Bewegungs-koordination

Mittelhirn

Extrapyramidales System `unwillkürliche´, affektive Motorik,

erlernte Bewegungen,

Haltungskontrolle

Stammhirn und extrapyramidale Rindenfelder

Pyramidales System bewußte Willkürmotorik,

Geschicklichkeits-bewegungen

Großhirnrinde

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8.3.1. Dehnungsreflex (Muskelspindel-Reflex)

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 11 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Ein Beispiel für den Dehnungsreflex stellt der Patellarsehnenreflex dar, bei dem es nach einem Schlag auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe (Patella) zu einer kurzen Kontraktion des Oberschenkelmuskels kommt. Hierbei löst der Schlag auf die Sehne eine plötzliche Dehnung des Muskels aus und mit ihm werden die Dehnungsrezeptoren im Muskel, die so genannten Muskelspindeln, gereizt. Muskelspindeln sind parallel zu den Muskelfasern in die Muskulatur als Längenmesser eingelagert und von einer spindelförmigen bindegewebigen Hülle umgeben. Im Gegensatz zu den Fasern der Arbeitsmuskulatur sind sie nicht durchgängig kontraktil, sondern nur an den Endabschnitten, um sich der wechselnden Muskellänge anpassen zu können. Damit diese auch erkannt wird, sind die beiden kontraktilen Endungen zusätzlich nervös versorgt. Der Mittelteil, die so genannte Kernsackregion, kann sich nicht zusammenziehen. Um diese schlingen sich spiralig sensible Nervenfasern, die dehnungsempfindlichen Längen-(Dehnungs-) Rezeptoren. Sie melden jede Zustandsänderung ans Rückenmark. Als Folge der Dehnung der Muskelspindel wird eine größere Zahl von Erregungen gebildet, die über die afferente Bahn durch die hintere Wurzel in das Rückenmark geleitet werden. An der motorischen Vorderhornzelle erfolgt die synaptische

Umschaltung über das -Motoneuron auf die efferente Bahn. Die Nervenimpulse erreichen schließlich nach Überleitung in den motorischen Endplatten die Muskelfasern und veranlassen diese zu einer Einzelzuckung, um die durch den Schlag ausgelöste Dehnung zu kompensieren (Schutzfunktion). Der geschilderte reflektorische Ablauf wird häufig als propriozeptiver Reflex oder als Eigenreflex bezeichnet, weil Rezeptor (Muskelspindel) und Effektor (Muskelfaser) in demselben Muskel lokalisiert sind. Charakteristisch für den Eigenreflex als monosynaptischer Reflex ist die einmalige Umschaltung der Reflexbahn an der motorischen Vorderhornzelle.

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Abbildung 20: Aufbau des monosynaptischen Reflexbogens (Thews, Mutschler, Vaupel 1991)

Für den Sport ist dieser Regelmechanismus von unterschiedlicher Bedeutung. Zum einen wird er bewusst zur Leistungssteigerung aktiviert, wie beim Prinzip der Vordehnung bei Ausholbewegungen (siehe Lehrhaft Training > Reaktivkraft). Zum anderen verkehrt sich die Wirkung von Dehnungsübungen ins Gegenteil, wenn dieser Regelmechanismus nicht beachtet wird, wenn zum Beispiel in der traditionellen Dehnungsgymnastik noch sehr stark wippende und schwingende Übungen vorherrschen. Denn eine plötzliche, starke Dehnung auf den Muskel, die durch starkes Wippen und Federn in der Regel ausgelöst wird, führt über die Auslösung des Dehnungsreflexes zur Kontraktion des betreffenden Muskels, da die Frequenz der Spindelerregung nicht nur von der Größe der Dehnung (Längenzunahme) abhängt, sondern vor allem auch von der Dehnungsgeschwindigkeit (Längenänderung pro Zeiteinheit). Folglich erfolgt dann die Dehnung in Kombination mit der Kontraktion des Muskels, was eine ungünstige Kombination darstellt.

8.3.2. Eigenhemmung (Golgi-Rezeptoren) Ein weiterer propriozeptiver Reflex wird über die spannungs-empfindlichen Rezeptoren in den Sehnen der Skelettmuskulatur in Gang gesetzt. Diese so genannten Golgi-Rezeptoren oder auch `Sehnenspindeln´ reagieren auf Spannungserhöhungen und bilden daher sowohl bei extrem starker Muskelkontraktion als auch bei starker passiver Dehnung Impulsserien, die über Nervenfasern zum Rückenmark geleitet werden. Hier erfolgt eine Umschaltung auf

Zwischenneurone, die im Unterschied zum Muskelspindelreflex hemmend auf die -Motoneurone einwirken. Es handelt sich also um eine autogene (Eigen-) Hemmung des Kontraktionsvorgangs im Muskel durch die ihm eigene Sehne. Die von den Golgi-Rezeptoren ausgehenden Signale dienen also der Spannungskontrolle,

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gleichsam als Schutz vor `Überspannung´ und kann als autogene Hemmung bezeichnet werden.

Abbildung 21: Autogene Hemmung (Thews, Mutschler, Vaupel 1991)

8.3.3. Reziproke Hemmung Voraussetzung für eine willkürliche oder reflektorische Gelenkbewegung aufgrund der Kontraktion eines Muskels ist die gleichzeitige Erschlaffung der antagonistisch wirkenden Muskulatur. Wenn also ein Streckmuskel arbeitet muss der Beugemuskel

das zulassen. Das heißt, dass mit der Aktivierung der -Motoneurone für die

Strecker gleichzeitig die -Motoneurone für die Beuger gehemmt werden müssen. Diese Hemmung erfolgt über Zwischenneurone, die in Synapsen an den

antagonistischen -Motoneuronen enden. Eine solche für die Gelenkbewegung notwendige Hemmung antagonistischer Muskelgruppen wird als reziproke Hemmung oder antagonistische Hemmung bezeichnet.

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Abbildung 22: Reziproke Hemmung (Thews, Mutschler, Vaupel 1991)

8.3.4. Alpha-Gamma-Koaktivierung Bei allen Muskelkontraktionen, die willkürlich oder über einen Fremdreflex ausgelöst

werden, erfolgt die Aktivierung der -Fasern, die die Innervation der Muskelspindel

auslösen, gleichzeitig mit der der -Fasern, die die Muskelkontraktion auslösen.

Diese so genannte --Koaktivierung verhindert ein Erschlaffen der Muskelspindeln, so dass deren Messempfinden auch während der Muskelverkürzung erhalten bleibt.

Das -Fasersystem ist darüber hinaus an der Auslösung von Muskelkontraktionen

beteiligt, da die -Motoneuronen von höheren Zentren her aktiviert werden und dies zu einer Kontraktion der intrafusalen Muskelfasern in der Muskelspindel führt. Dabei kommt es zur Dehnung der Endungen im Rezeptorteil der Muskelspindeln, so dass in verstärktem Maße afferente Impulse über die Nervenfasern zum Rückenmark

geleitet und auf die -Motoneurone umgeschaltet werden. Diese verstärkte

Aktivierung der -Motoneurone bewirkt schließlich eine Kontraktion, der für die Kraftentwicklung entscheidenden extrafusalen Muskelfasern.

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Abbildung 23: Alpha-Gamma-Koaktivierung (Thews, Mutschler, Vaupel 1991)

9. Verdauungssystem

Mit diesem Kapitel sollten Sie Frage 12 aus Kapitel 13. Kontrollfragen

beantworten können! Das Verdauungssystem besteht aus der Speiseröhre, dem Magen, dem Dünn- und Dickdarm, sowie der Bauchspeicheldrüse und der Leber. Gemeinsam dienen sie der Aufnahme vom Energie und Flüssigkeit und sind für das Verständnis der Ernährung bzw. der Nahrungsaufnahme wichtig. Die Speiseröhre dient im Wesentlichen nur der Weiterleitung der Nahrung, die im Mund mechanisch zerkleinert und mit Hilfe des Speichels auch chemisch vor verdaut wurde.

9.1. Magen Der Magen ist ein geweiterter Verdauungsschlauch links im Oberbauch zwischen Leber und Milz. Der obere Teil des Magens liegt als Magengrund in der linken Zwerchfellkuppel. Magengrund und Magenkörper bilden den verdauenden Abschnitt. Am Magenmund mündet die Speiseröhre in den Magen. Der Pförtnermuskel schließt den Magen am anderen Ende gegen den Zwölffingerdarm ab. Nach außen ist der Magen vom Bauchfell überzogen, welches die gleitende Verschiebung gegen die Nachbarorgane gestattet. Die glatte Muskelwand des Magens ermöglicht peristaltische Bewegungen (wellenförmiges, wurmartiges Zusammenziehen). Die Muskelwand wird aus Längs-, Ring- und Schrägfasern

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aufgebaut. Auf Höhe des Magenpförtners bildet die glatte Ringmuskulatur einen kräftigen Schließmuskel. Die Peristaltik des Magens wird von autonomen Nervengeflechten in der Magenwand gesteuert. Die Entleerung des Magens erfolgt schubweise. Die Verweildauer der Speisen im Magen beträgt zwischen ein und fünf Stunden. Sie hängt von der Zusammensetzung der genossenen Speisen ab. Kohlenhydratreiche Nahrung verlässt den Magen rascher als eiweißreiche Nahrung. Am längsten verweilen fettreiche Speisen.

9.2. Dünndarm Der Dünndarm ist mit seinen etwa drei bis vier Metern der wichtigste Abschnitt der Verdauungswege. Hier werden die Nahrungsmittel in einfache Bestandteile zerlegt, welche von den Epithelzellen des Darmes aufgenommen werden können. Der erste kurze Abschnitt ist der Zwölffingerdarm (rund zwölf Fingerbreiten lang, d.h. ungefähr 24 cm), in dessen absteigenden Teil der Galle führende Gang mündet. Ebenfalls hat die Bauchspeicheldrüse hier ihren Ausführungsgang und leitet ihre Verdauungssäfte (vgl. Kapitel `Bauchspeicheldrüse´) ein. Als weitere Teile des Dünndarmes folgen Leerdarm und Krummdarm, die als Hauptort der Verdauung und Aufnahme der Nahrungsbestandteile (Kohlenhydrate, Eiweißstoffe, Fette, Vitamine, Salze und Wasser) dienen, für den Krummdarm (Ileum) noch die Aufgabe der Immunabwehr hinzu kommt. Die Dünndarmschleimhaut zeigt eine Menge kleiner Falten und Zotten, die ihre Oberfläche enorm vergrößern. Jede Zotte hat ein Kapillarnetz, das für die Resorption der Kohlenhydrate (Zucker) und der Aminosäuren wichtig ist. Die Resorption der Fette erfolgt hauptsächlich in die zentralen Lymphkapillaren und damit hauptsächlich in das Lymphgefäßsystem. Bestimmte Drüsen in den Vertiefungen zwischen den Zotten bilden den Verdauungssaft des Dünndarms. Für die Verdauung zeigt der Dünndarm zwei Arten von Bewegungen, zum einem die Segmentation, die aus abwechselnder Kontraktion und Erschlaffung der glatten Muskulatur besteht und zum Durchmischen des Inhaltes beiträgt, und zum anderen die Peristaltik (vgl. Kapitel `Magen´) zum Weiterschieben des Darminhaltes. Es handelt sich um einen selbsttätig gesteuerten Vorgang, welcher von den autonomen Geflechten des vegetativen Nervensystems (vgl. Kapitel ebd.) ausgelöst wird.

9.3. Dickdarm Der Dickdarm hat eine Länge von eineinhalb bis zwei Metern und umgibt den Dünndarm wie einen Rahmen. Seine Aufgabe ist vor allem Wasserrückresorption für den Wasserhaushalt und Vergärung von Zellstoff. Die unbrauchbaren Reste bilden den Kot, welcher durch den After entleert wird. Der Dickdarm bewegt sich ebenfalls auf zwei Arten. Zum einen durchlaufen ihn Wellen von abwechselnder Zusammenziehung und Erschlaffung nach beiden Seiten und durchmischen den Inhalt, zum anderen durchlaufen ihn große peristaltische Rollbewegungen, die den Inhalt in Richtung des Mastdarmes schieben. Auch dieser Vorgang ist reflektorisch gesteuert.

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9.4. Bauchspeicheldrüse Die Bauchspeicheldrüse liegt hinter dem Magen und ist eine 15-20 cm und 70-80 gr. schwere Drüse die in 24 Stunden etwa 1-1,5 l Sekret produziert. Dieser wird durch den Drüsengang in den Zwölffingerdarm entleert. Der Verdauungssaft enthält z. B. Lipase für die Fettverdauung, Proteasen zur Proteinspaltung und Amylase zur Kohlenhydratsoaltung). Die durch die Gallensäuren in Tröpfchen zerteilten Neutralfette werden zum Teil in Glycerin und Fettsäuren gespalten. Das Enzym Cholesterinesterase verbindet Cholesterin mit Fettsäuren. Amylase verdaut Stärke zu Dextrinen und Maltose. Durch Trypsin und Chymotrypsin werden Polypeptide zu Peptiden abgebaut. Proteasen, wie die Chymotrypsine spalten vor allem die Eiweiße der Milch. Einige Zellen der Bauchspeicheldrüse bilden das Insulin, das die Glycogeneinlagerung in Leber und Muskeln fördert. Andere Zellen bereiten das Glukagon, welches dem Insulin entgegenwirkt, also für die Energiespeicherentleerung sorgt.

9.5. Leber Die Leber erfüllt wichtige Stoffwechselaufgaben und hat enge Beziehungen zu Blut und Kreislauf. Die Gefäßversorgung der Leber erfolgt über die Leberarterie, die sauerstoffreiches Blut zur Leber bringt. Die Pfortader führt venöses Blut von den Baucheingeweiden her, das den einfachen Zucker und die Aminosäuren, welche bei der Verdauung in den Darm aufgenommen wurden, enthält. Das Blut der Leberarterie und der Pfortader gelangt in die weiten Leberkapillaren und verlässt die Leber durch die Lebervenen, welche in die untere Hohlvene einmünden. Sowohl aus dem rechten wie aus dem linken Lappen der Leber geht ein großer Gallengang hervor. Beide Gänge vereinigen sich zum Leberteil der Gallengänge. Die Gallenblase stellt ein Reservoir für die Galle dar, da innerhalb von 24 Stunden etwa ein Liter Gallenflüssigkeit bereitet wird. Aufgabe der Gallenflüssigkeit ist die Zerteilung der Fette in feinste Kügelchen, als Vorstufe für die weitere Aufspaltung mit dem Bauchspeichelsaft. Darüber hinaus hat die Leber wichtige Funktionen im Stoffwechsel der Kohlenhydrate und der Eiweiße. Speicherung und Freisetzung von Glycogen und Zucker stehen unter dem Einfluss des Nervensystems und des hormonellen Systems. Des Weiteren werden hier Aminosäuren zu körpereigenen Eiweißen aufgebaut. Die Galle steht durch den Gallenblasengang mit den Gallenwegen in Verbindung. Der Leberteil der Gallenwege und der Gallenblasengang vereinigen sich zum Galle führenden Gang, welcher im Zwölffingerdarm mündet. Die Gallengänge haben eine glatte Muskulatur. Während der Verdauung wird in der Wand des Zwölffingerdarmes Cholezystokinin gebildet, das die Entleerung der Gallenblase bewirkt. In der Leber erfolgt die Bildung des Harnstoffes, Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels. Der Harnstoff wird auf dem Blutweg den Nieren zugeführt und dort ausgeschieden. Im Rahmen der weiteren Entgiftung werden in der Leber verschiedene Hormone und Medikamente unwirksam gemacht.

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10. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Funktionen des Epithelgewebes Tabelle 2: Wesentliche Merkmale der einzelnen Muskelfasertypen Tabelle 3: Longitudinalachse Tabelle 4: Sagittalachse Tabelle 5: Transversalachse Tabelle 6: Begriffe für Körperstamm, Extremitäten und Kopf Tabelle 7: Darstellung eines Herzzyklus im Diagramm Tabelle 8: Energiespeicher (Beispiel: Mann, 75 kg, Fettanteil 20% (=15 kg)) Tabelle 9: Charakteristika der wichtigsten ATP-liefernden Substrate Tabelle 10: Energiebereitstellung bei leistungssportlichen Aktivitäten mit maximaler Belastung bei der jeweiligen Dauer der Belastung Tabelle 11: Energiebereitstellung in Abhängigkeit von der Arbeitsweise der Skelettmuskulatur Tabelle 12: Funktionelle Gliederung des neuromuskulären Systems in fünf `sensomotorische Funktionssysteme´

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11. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau eines quergestreiften Muskels Abbildung 2: Aktin- und Myosinfilament im Längsschnitt Abbildung 3: Erregungsleitung Abbildung 4: Achsen und Ebenen im Körper Abbildung 5: Lage- und Bewegungsbeschreibung im menschlichen Körper Abbildung 6: Lage und Aufbau der Lunge Abbildung 7: Atemmechanik der Lunge Abbildung 8: Aufbau des Herzens Abbildung 9: Kontraktionen im Herzen Abbildung 10: Arterien und Venen im Querschnitt Abbildung 11: Schematische Darstellung des Blutkreislaufes Abbildung 12: Blutstromdarstellung in der Vene Abbildung 13: Auswirkung der Muskeltätigkeit auf die Vene Abbildung 14: Erregung und Kontraktion am Muskel Abbildung 15: Vereinfachte Darstellung der Energiebereitstellung in der Muskelzelle Abbildung 16: Stoffwechselwege beim Energie-Nachschub Abbildung 17: Der Anteil der verschiedenen Systeme an der Energiebereitstellung (in %) bei maximalen Belastungen Abbildung 18: Prozentualer Anteil der energieliefernden Prozesse bei unterschiedlichen Belastungsintensitäten Abbildung 19: Schema der Muskelkontraktion und ATP-Verbrauch Abbildung 20: Aufbau des monosynaptischen Reflexbogens Abbildung 21: Autogene Hemmung Abbildung 22: Reziproke Hemmung Abbildung 23: Alpha-Gamma-Koaktivierung

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12. Literaturverzeichnis

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13. Lehrheft Medizin: Kontrollfragen

1.) Erklären sie den Begriff `Diffusion´ und geben sie ein Beispiel im Organismus.

2.) Welche Gewebsarten kennen sie?

3.) Beschreiben sie mit Ihren eigenen Worten den Aufbau der quergestreiften Skelettmuskulatur.

4.) Wie unterscheiden sich so genannte ST- und FT- Fasern?

5.) Welche Bewegungsachsen kennen Sie? Nennen Sie zu jeder Achse eine Bewegung in einem Gelenk.

6.) Erklären Sie den Unterschied von Systole und Diastole.

7.) Erklären Sie den Blutkreislauf mit den zwei Teilkreisläufen.

8.) Welche vier Formen der Energiebereitstellung gibt es? Was kennzeichnet sie?

9.) Welcher Energieträger überwiegt bei submaximalen Belastungen bis 3 mmol

Laktat / l Blut? 10.) Was ist das vegetative Nervensystem? 11.) Erklären Sie mit Ihren eigenen Worten die Vorgänge beim Dehnungsreflex. 12.) Nennen Sie alle Abschnitte des Verdauungssystems.