Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ......

53
Lehrmodul „Polen auf einen Blick“ im Rahmen des Projektes „Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und die Region Stettin“ Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in Mecklenburg-Vorpommern KOWA-MV Tilly-Schanzen-Strasse 17 17033 Neubrandenburg Tel: +49 395 555 3170 Fax: +49 395 563 9335 E-Mail: [email protected] Stand: Mai 2005

Transcript of Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ......

Page 1: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Lehrmodul

„Polen auf einen Blick“

im Rahmen des Projektes

„Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und die Region Stettin“

Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in Mecklenburg-Vorpommern

KOWA-MV

Tilly-Schanzen-Strasse 17 17033 Neubrandenburg

Tel: +49 395 555 3170 Fax: +49 395 563 9335

E-Mail: [email protected]

Stand: Mai 2005

Page 2: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

2

Inhalt:

Vortrag (36 Seiten)

Folien zum Vortrag (12 Seiten)

Informationen zum Projekt (3 Seiten)

Page 3: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

3

Vortrag

Page 4: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

4

INHALTSVERZEICHNIS

1. Vorwort 5

2. Historischer Überblick 6 2.1. Wechselvolle Geschichte 6 2.2. Zeitgeschichte 7

3. Einwohner – Fläche – Bevölkerungsdichte 9

4. Politik 10 4.1. Das Staatsoberhaupt 10 4.2. Die Regierung 11 4.3. Territorialverwaltung 11 4.4. Legislative und Exekutive 12

5. Gewerkschaften 12

6. Religionsgemeinschaften 14 6.1. Andere christliche Gemeinschaften 17 6.2. Juden 17

7. Lage und Aussichten der Wirtschaft 18

8. Das polnische Bildungssystem 20

8.1. Geschichte des polnischen Bildungssystems 20 8.2. Gliederung des Schulsystems 21

8.2.1. Die Vorschulerziehung 21 8.2.2. Die Grundschule 21 8.2.3. Das Gymnasium 22 8.2.4. Die Weiterführenden Schulen 22 8.2.5. Das Hochschulwesen 23

9. Jugend und Gesellschaft 25 9.1. Jugend allgemein 25 9.2. Die Familien aus der Sicht der polnischen Jugend 25 9.3. Die Politik 26 9.4. Die Kirche 26 9.5. Bildung und Beruf 26 9.6. Jugendarbeitslosigkeit 27 9.7. Jugendkriminalität 27 9.8. Jugendlicher Drogenkonsum 27

10. Polen und die Europäische Union 28 10.1. Beziehungen zu Deutschland 30

10.1.1. Deutschland als Partner 30 10.1.2. Gegenseitige Wahrnehmung 30

11. Geschichtlicher Abriss 33

12. Quellenverzeichnis 35 Literatur 35 Internetquellen 36

Folien zum Vortrag

Informationen zum Projekt

Page 5: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

5

1. Vorwort

Die mehr als tausendjährige Geschichte der deutsch–polnischen Be-

ziehungen ist von vielen Missverständnissen, kriegerischen Auseinander-

setzungen, militärischen Allianzen und völkerübergreifenden Annäher-

ungsversuchen geprägt worden.

Im 20. Jahrhundert kämpfte das polnische Volk nicht nur erneut um seine

Eigenständigkeit, sondern hat auch sehr viel Leid erfahren. Doch stand

das letzte Jahrzehnt des Jahrtausend für eine neue Etappe der Aus-

söhnung und des Austauschs zwischen Polen und Deutschen auf allen

Gebieten.

Dieses Lehrmodul soll dem gegenseitigen Verstehen dienen und ist für

junge Menschen in der deutschen Grenzregion zusammengestellt worden.

Dabei werden historische, kulturelle, politische und wirtschaftliche Fakten

und Strukturen ebenso durchleuchtet, wie die Bildungsreform und das

Leben der polnischen Jugend.

Seit dem 1. Mai 2005 ist Polen Mitglied der Europäischen Union.

Sowohl auf deutscher als auch auf der polnischen Seite, weiß man, dass

das Grenzgebiet ein Gradmesser für die deutsch-polnischen Beziehungen

ist. Alltäglich entwickeln sich hier Bilder und Meinungen über das jeweilige

andere Land. Das vorliegende Lehrmodul soll den Abbau von Vorurteilen

unterstützen.

Folie 1

11 Bundesstelle für Außenhandelsinformation Hrg.: Polen. Wirtschaftsstandorte – Woiwodschaften. Köln 2000, Seite 4. 2 Datenbank für internationale Jugendarbeit: Polen. IJAB e.V., Bonn 2004, Seite 4 3 http://www.europa-digital.de/laender/pol/staat/index.shtml (Erstveröffentlichung am 7.3.2001) 4 http://www.bpb.de/themen/VZK2LJ,0,0,Wahlsystem.html 5 Krystyna Schneider. Der Transformationsprozeß in Polen. Politische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen des Wandels. Bonn 1999. Seite 209. 6 http://80.237.230.157/html/03_laen/06_pole.asp 77 IJAB e.V. (Hrg.): Datenbank für internationale Jugendarbeit. Polen. Bonn 2004, S.17 8 IJAB e.V. (Hrg.): Datenbank für internationale Jugendarbeit. Polen. Bonn 2004, S.17 9 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 138 10 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 139 11 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 139 12 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 143

Page 6: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

6

2. Historischer Überblick

Der Urstamm der Polen waren die Polaner. Die Bezeichnung steht für

Bauern bzw. Landmänner. Erste Siedlungen gab es zwischen den Flüssen

Warthe und Weichsel im 6. Jahrhundert. Ihre Hauptsiedlung hieß

Gniezno. Von hier aus eroberten die Polaner in den nächsten zwei Jahr-

hunderten umliegende Gebiete und verbündeten sich mit slawischen

Stämmen ihrer Umgebung.

Im 8. Jahrhundert entstanden daraus mehrere slawische Fürstentümer,

die sich im südlichen Bereich des heutigen Polens zum Reich der Groß-

mährer zusammenschlossen.

2.1. Wechselvolle Geschichte

Die sechziger Jahre des 10. Jahrhunderts markieren dann endlich den

Eintritt Polens in die europäische Geschichte. Der, aus dem Herrscher-

geschlecht der Piasten stammende Herzog Mieszko (um 960- 992) ver-

trieb, die seit einem halben Jahrhundert plündernden Magywren, und

gründete das erste polnische Herzogtum. 966 ließ er sich taufen und nahm

das lateinische Christentum an. Als Kaiser Otto II. im Jahr 1000 das Grab

des heiligen Adalbert in Gnesen (Gniezno) besuchte, erhob er Mieszkos

Sohn Boleslaw I. (der Tapfere) zum „Bruder und Mitarbeiter des Reiches“.

Damit wurde die erste polnische Kirchenprovinz geschaffen. 1025 wurde

Boleslaw I. mit päpstlicher Billigung der erste polnische König.

Durch viele Eroberungskriege wurde Polen in den nächsten dreihundert

Jahren in etwa so groß wie das heutige Polen und erlangte im Jahr 1320

seine dauerhafte Erhebung zum Königreich.

Damalige Hauptstadt war Krakόw (Krakau).

Allerdings gab es auch immer wieder verheerende Einfälle heidnischer

Pruzzen, die Konrad I. von Masowien 1230 dazu veranlassten einen Hilfe-

ruf an den 1198 im Heiligen Land gegründeten Deutschen Ritterorden zu

richten. Als Gegenleistung versprach er ihnen das Kulmer Land. Dieser

Orden entwickelte sich schnell zu einer großen Militärmacht und zu einer

Gefahr für die Stellung der piastischen Fürsten im Norden Polens. Im Juli

1410 konnte der Orden in der Schlacht bei Grunwald (Tannenberg)

durch ein vereinigtes polnisch-litauisches Heer bezwungen werden.

Folie 2

Page 7: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

7

Lange wurde diese Auseinandersetzung in Polen zum Sinnbild eines

dauerhaften deutsch-polnischen Gegensatzes stilisiert, während die zum

Aufstieg des Deutschen Ritterordens stattgefundene positive deutsch-

polnische Beziehung aus dem allgemeinen Bewusstsein zurückgedrängt

wurde. Im 12. Jahrhundert vollzog sich, auf Einladung polnische Herr-

scher, die „deutsche Ostsiedlung“. Sie war eine ökonomische, rechtliche

und kulturelle Leistung von der alle in Polen siedelnden Ethnien und die

Polen selbst profitierten und die bis ins 14. Jahrhundert andauerte.

Mit dem Ableben Sigismund II. 1572 erlosch das Herrschaftsgeschlecht

der Jagiellonnen, die Polen zu seiner größten Blüte verholfen hatten. Der

Adel bestimmte nun über die Geschicke des Landes. Die Wahlmonarchie

wurde eingeführt. Unterschiedliche Interessen des Adels und schwache

ausländische Könige führten dazu, dass Polen immer mehr unter den

Einfluss Russlands geriet.

Im 18. Jahrhundert erfuhr Polen drei große Teilungen (1772, 1793 und

1795). Dabei wurde das Land komplett unter Russland, Österreich und

Preußen aufgeteilt. Polen als Staat gab es fortan nicht mehr.

Erst durch die Ereignisse des Ersten Weltkrieges konnte Polen 1918 seine

Unabhängigkeit zurückgewinnen. Eine Zeit mit inneren und äußeren

Schwierigkeiten für Polen. Mit dem Überfall Hitlers am 1.9.1939 wurde

der junge Staat erneut zerschlagen. Stalin und Hitler hatten dies zuvor in

einem Geheimprotokoll beschlossen. Dieses Ereignis hat sich tief in die

Erinnerung der Polen vergraben und ist wichtig für das Verständnis der

deutsch-polnischen Beziehung

2.2. Zeitgeschichte

1945 wird Polen auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam nach

Westen verschoben. Große Teile Ostpolens gehen an Russland, dafür

werden ehemalige Gebiete des Deutschen Reiches Polen zugesprochen.

Millionen Polen und Deutsche müssen umsiedeln.

1950 wird die Oder-Neiße-Grenze von der DDR anerkannt und 1955 tritt

Polen dem Warschauer-Pakt bei. Die ersten blutigen Arbeiterunruhen

fanden 1956 in Posen statt. Die Studentenunruhen von 1968 wurden blutig

niedergeschlagen. Eine Säuberungswelle in der Kultur und im Partei-

apparat folgten. Im gleichen Jahr kam es zu einem Aufstand in der

Folie 3

Page 8: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

8

Tschechoslowakei, dem sogenannten Prager-Frühling, der mit Hilfe der

polnischen Armee beendet wurde.

1970 schlossen die BRD und Polen einen Vertrag zur Normalisierung der

Beziehungen ab. Willy Brandt, damaliger Bundeskanzler, vollzog bei

seinem Besuch in Polen den legendären Kniefall vor dem Denkmal des

Warschauer Ghettos. Aufgrund von enormen Preissteigerungen kam es

im gleichen Jahr zu blutigen Ausschreitungen in Danzig.

1978 wurde Karol Wojtyła zum Papst gewählt. Johannes Paul II. war nach

400 Jahren der erste nicht aus Italien stammende Bischof, der Papst

wurde.

In Danzig kam es 1980 erneut zu Unruhen und Streiks. Die erste unab-

hängige Gewerkschaft des Ostblocks, die NSZZ „Solidarność“ wurde

gegründet. Ihr gelang es erste offizielle Kontakte mit der Regierung aufzu-

nehmen. Bald darauf jedoch (1981) verhängte General Jaruzelski das

Kriegsrecht über Polen. Tausende Gewerkschaftsanhänger wurden

interniert und bei der Erstürmung der Grube „Wujek“ Menschen getötet.

Mit der allgemeinen Entwicklung in Osteuropa kam es 1989 zu ersten

Verhandlungen am Runden Tisch. Daraus folgten die ersten halbfreien

Wahlen, aus denen die Kommunisten als Verlierer hervorgingen. Der erste

nichtkommunistische Premierminister wurde damit Tadeusz Mazowiecki.

1990 wurde die Oder-Neiße-Grenze auch vom vereinigten Deutschland

anerkannt. Lech Wałesa, ehemaliger Gewerkschaftsführer, wurde im

gleichen Jahr Staatspräsident. Ihm folgte 1995 Aleksander Kwaśniewski,

der 2000 in seinem Amt für weitere fünf Jahre bestätigt wurde.

1997 erhielt Polen eine neue Verfassung. Seit Mai 2004 ist Polen EU-

Mitglied.

Page 9: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

9

3. Einwohner – Fläche – Bevölkerungsdichte

Polen ist ein europäisches Land mittlerer Größe. Es nimmt in Bezug auf

seine Fläche den 9. Platz in Europa und den 69. in der Welt ein. Mit seiner

Einwohnerzahl erreicht es den 8. Platz in Europa und den 29. in der Welt.

Ländername: Republik Polen (Rzeczpospolita Polska)

Fläche: 312 678 km²

Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus, Litauen, Russland,

Deutschland und Tschechische Republik

Landessprache: Polnisch

Hauptstadt: Warschau / Warszawa (Großraum) ca. 2,4 Millionen

Einwohner

Anderer wichtige Großstädte: Kraukau (Kraków), Posen (Poznań),

Breslau (Wrocław), Lodz (Łódź), Danzig (Gdańsk), und Stettin (Szczecin).

Wojewodschaften und ihre Hauptstädte:

Zachodnio-Pomorskie (Westpommern) – Szczecin (Stettin)

Pomorskie (Pommern) – Gdańsk (Danzig)

Warmińsko-Mazurskie ( Emsland und Masuren) – Olsztyn

Podlaskie – Białystok

Mazowieckie (Masowien) – Warszawa (Warschau)

Kujawsko-Pomorskie (Kuljawien/Pommern) – Bydgoszcz

Wielkopolskie (Großpolen) – Poznań (Posen)

Lubuskie – Zielona Góra

Dolnośląskie (Niederschlesien) – Wrocław (Breslau)

Łódzkie – Łódź

Lubelskie – Lublin

Opolskie – Opole (Oppeln)

Śląskie (Schlesien) – Katowice (Kattowitz)

Świętokrzyskie – Kielce

Małopolskie (Kleinpolen) – Kraków (Krakau)

Podkarpackie – Rzeszów 1

Bevölkerung: 38,19 Millionen (Stand 31.12.2003), 123 Einwohner pro

km², Wachstum 0,01% (2001)

Folie 4

Page 10: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

10

Altersaufbau der Bevölkerung (2002):

0-17 Jahre: 23,2%

19-44 Jahre: 39,9 %

45-64 Jahre: 21,9 %

über 65 Jahre: 15,0%

„Auch in Polen kam es im Rahmen des Transformationsprozesses in den

Neunziger Jahren zu starken Geburtenrückgängen: 2002 wurden im Ver-

gleich zur letzten Volkszählung 1988 etwa 2,7 Millionen weniger Kinder

unter 14 Jahren gezählt. Im gesamten Ostblock wurden in den Neunziger

Jahren 30 % weniger Kinder als zuvor geboren.“2

Religionen: Katholiken ( 35 Millionen), Russisch Orthodoxe, Protestanten,

Altkatholiken, Juden.

4. Politik

Seit 1997, vom polnischen Parlament (Sejm) eine neue Verfassung be-

schlossen und in einem Referendum vom Volk angenommen wurde, ist

Polen eine parlamentarische Republik mit einem Zwei-Kammern-Par-

lament und einem direkt vom Volk gewählten Präsidenten.

4.1. Das Staatsoberhaupt

Der Staatspräsident steht an der Spitze der Republik Polen und wird direkt

vom Volk alle fünf Jahre gewählt. Aleksander Kwaśniewski hält seit dem

23. Dezember 1995 dieses höchste Amt inne. Im Oktober 2000 wurde er

für weiter fünf Jahre im Amt bestätigt und erhielt dabei sofort im ersten

Wahlgang 56,1 Prozent der Stimmen. Seine Amtsdauer ist allerdings nun

beschränkt bis Herbst 2005, da der polnische Staatspräsident maximal

zwei Wahlperioden im Amt sein darf.

Er verfügt über ein großes Machtpotential, darf jedoch laut der Verfassung

von 1997 nicht in die täglichen Regierungsgeschäfte eingreifen. Als

„oberster Hüter der Republik“ trägt er dennoch die Verantwortung für die

Umsetzung aller nationalen Interessen. Innerhalb von 21 Tagen muss er

jedes Gesetz unterzeichnen, kann es aber auch mit einer Begründung an

den Sejm zurückschicken. Der Sejm hat dann aber immer noch die

Möglichkeit es mit einer 3/5-Mehrheit durch zu setzen. Der Staatspräsident

Folie 5

Page 11: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

11

kann auch eine Gesetzesvorlage vor das Verfassungsgericht bringen,

sollte sie ihm als verfassungswidrig erscheinen. Wird diese allerdings vom

Verfassungsgericht als verfassungskonform angesehen, muss er sie

unterschreiben.

4.2. Die Regierung

Der Staatspräsident ernennt und vereidigt die Regierung Polens gemäß

der Verfassung. Innerhalb von zwei Wochen muss dann das Parlament die

Berufung mit absoluter Mehrheit bestätigen. Es müssen also mindestens

die Hälfte aller Abgeordneten anwesend sein. Mit einem konstruktiven

Misstrauensvotum kann das Parlament den Regierungschef abberufen.

Bei einzelnen Ministern ist dafür kein Gegenvorschlag nötig.

4.3. Territorialverwaltung

Von 1945 – 1975 besaß Polen eine dreistufige Verwaltungsgliederung

(Gemeinde, Kreis, Wojewodschaft) mit 22 Wojewodschaften. 1975 wurde

mit der Verwaltungsreform die Zahl der Wojewodschaften auf 49 erhöht

und die Ebene der Kreise abgeschafft.

Seit 1999 besteht wieder das dreistufige Verwaltungssystem. Polen ist nun

eingeteilt in 16 Wojewodschaften und 308 Kreise sowie 65 kreisfreie

Städte.

An der Spitze der Wojewodschaft steht der Wojewode, der durch den

Ministerpräsidenten ernannt wird und der örtliche Vertreter der Regierung

ist. Diese Ämter sind unter anderem zuständig für die Ausführung zentraler

Anweisungen in der lokalen Verwaltung, Sozialhilfe, Schulen, Gesund-

heitswesen und Raumordnung. Seit den neunziger Jahren nimmt das

Gewicht der Regionalparlamente stetig zu. Seit 1999 sind die

Wojewodschaften in etwa vergleichbar mit den deutschen Bundesländern.

Die Wojewoden haben eine Position inne, die der unserer Minister-

präsidenten ähnelt. Die Marschälle als Vorsitzende der Wojewodschafts-

parlamente gleichen den deutschen Landtagspräsidenten.

Page 12: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

12

4.4. Legislative und Exekutive

„Die polnische Nationalversammlung ist ein Zweikammernparlament und

besteht aus dem Sejm mit 460 Abgeordneten und dem Senat mit 100

Abgeordneten. Sejm und Senat werden gemeinsam in geheimen Wahlen

für eine vierjährige Amtsperiode gewählt, der Sejm nach dem Verhältnis-

wahlrecht, der Senat dagegen nach dem relativen Mehrheitswahlrecht.“3

Polnische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die wahlberechtigt sind

und das 21. Lebensjahr vollendet haben, können in den Sejm gewählt

werden. Für die Wahl in den Senat muss das 30. Lebensjahr vollendet

sein. Allgemeines Wahlrecht hat jeder Bürger ab dem 18. Lebensjahr.

„Bei der Wahl zum Sejm wird das Land in 41 Wahlkreise eingeteilt, in

denen – abhängig von der Bevölkerungszahl der Wahlkreise – zwischen

sieben und 19 Mandate vergeben werden. Die Bürger verfügen über eine

Stimme, die sie einer Liste geben. Die Verteilung der Mandate an die

Parteien erfolgt in den Wahlkreisen entsprechend den gewonnenen

Prozentanteilen. Berücksichtigt werden aber nur die Parteien, die eine

landesweite Sperrklausel von fünf Prozent für Parteien und 8 Prozent für

Wahlbündnisse überwinden.

Bei der Wahl zum Senat dagegen wird das Land in 40 Wahlkreise

eingeteilt, in denen zwischen zwei und drei Senatsmandaten vergeben

werden, einzig der Warschauer Wahlkreis entsendet wegen der Bevöl-

kerungsgröße vier Senatoren. Die Wahl erfolgt nach dem relativen Mehr-

heitswahlrecht. Um allerdings überhaupt ein Mandat anstreben zu können,

müssen die Bewerber 3000 Unterschriften von Bürgern aus dem Wahlkreis

vorlegen, die die Kandidatur unterstützen. „Da Sejm- und Senatswahl ge-

meinsam durchgeführt werden, können die Bürger zwei Stimmen ver-

geben.“4

5. Gewerkschaften

Die Anfänge der polnischen Gewerkschaften gehen auf das 19. Jahr-

hundert zurück. Zu dieser Zeit war das Land unter Preußen, Russland und

Österreich aufgeteilt. Deshalb haben sich die Gewerkschaftsbewegungen

der jeweiligen Länder auf die Entwicklung der polnischen Gewerkschaften

ausgewirkt. In Oberschlesien entstand 1889 die Gesellschaft für

Gegenseitige Hilfe und in Bochum und Posen wurde 1902 die Polnische

Folie 6

Page 13: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

13

Gewerkschaft gegründet. In Österreich-Ungarn gab es zwei polnische

Gewerkschaftszentralen mit 40.000 Mitgliedern. Im russischen Teil des

Landes waren die gewerkschaftlichen Organisationen bis 1905 illegal. Ihre

Mitgliederzahl betrug 1907 115.000.

Nach der Gründung der Republik Polen 1918 wurden mehrere Beschrän-

kungen und Verbote, die die Gründung von Gewerkschaften betrafen,

aufgehoben. Mit der Anerkennung der Gewerkschaften als juristische

Person konnten mehrere ihrer organisationspolitischen Forderungen

umgesetzt werden. 20 Gewerkschaftszentralen mit über 2.000 Einzel-

gewerkschaften existierten in den zwanziger Jahren. Als jedoch 1935 die

Kontrolle der gewerkschaftlichen Organisationen eingeführt wurde,

erschwerte sich die Lage der Gewerkschaftsbewegung in Polen erheblich.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1949 in der Volksrepublik Polen der

Zentralrat der Gewerkschaften eingerichtet, der die Politik des

sozialistischen Staates vertrat. Zu seinen Aufgaben gehörten z.B. die

Führung der staatlichen Gewerbeaufsicht, die Organisation des Arbeits-

wettbewerbes unter den Arbeitnehmern und die Auslegung der Gesetze

des Arbeitsrechts. Die Arbeiterproteste und Streikwellen 1956, 1970 und

1976 missbilligte der Zentralrat der Gewerkschaften.

Die politische Opposition in Danzig und Oberschlesien gründeten 1978 die

„Freie Gewerkschaft“ und organisierte 1980 die Streikwelle. Im gleichen

Jahr wurden die unabhängigen Gewerkschaftsorganisationen von der

kommunistischen Regierung anerkannt. Zu dieser Zeit zählte die

Gewerkschaft „Solidarnosc“ ca. 10 Millionen Mitglieder. Am 13.12.1981

wurde der Kriegszustand ausgesprochen und sämtliche Gewerkschaften

aufgelöst. Allerdings führte ein Teil der Opposition ihre politischen

Aktivitäten im Untergrund fort.

Ab 1984 wurde der kontrollierte Neuaufbau staatsabhängiger Gewerk-

schaften in den Unternehmen eingeleitet. Im November desselben Jahres

entstand die Gesamtpolnische Vereinigung der Gewerkschaften (OPZZ)

als Dachorganisation. Im Juni 1989 wurde nach Verhandlungen die NSZZ

„Solidarnosc“ wieder registriert und als Gewerkschaft anerkannt.

Auch nach der Wende blieb der OPZZ der stärkste Gewerkschaftsbund mit

über 100 Branchenorganisationen und verzeichnete seitdem ebenso wie

die Solidarnosc einen dramatischen Rückgang seiner Mitgliederzahl.

Page 14: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

14

Zurzeit erleben die Gewerkschaften einen ungebremsten Bedeutungs-

verlust. In der wirtschaftlichen Umbruchphase nimmt die Bereitschaft der

Arbeitnehmer ihre Interessen durch Streiks durchzusetzen kontinuierlich

ab.

In den letzten Jahren sind zahlreiche gesellschaftliche Organisationen und

Stiftungen entstanden und ihre Zahl nimmt ständig zu. Doch mangelt es

generell am Verständnis für Nichtregierungsorganisationen. Sie werden

eher als Lobbies oder Klienten und Konsumenten gesellschaftlicher Fonds

angesehen, die sich um finanzielle Unterstützung bemühen. Jedoch fehlt

bislang das Verständnis, dass gesellschaftliche Organisationen und

Interessensgruppen das Netz der Bürgergesellschaft bilden.

6. Religionsgemeinschaften

Polen gilt heute als das katholischste Land Europas. Über 95 Prozent der

Bevölkerung sind katholisch. Die große Zahl gläubiger Katholiken in Polen

ist erst durch den zweiten Weltkrieg und seine Folgen geschaffen worden.

Ein Grund dafür ist sicherlich die Tatsache, dass die katholische Kirche

während der kommunistischen Ära die einzige Opposition zum Staat war.

Zwar hatte die römisch-katholische Kirche immer schon einen großen

Einfluss in Polen, aber damals waren nur etwa zweidrittel der Bevölkerung

katholisch. Das lag hauptsächlich an ihrer nationalen Zusammensetzung

und dem Nebeneinander zahlreicher Glaubensgemeinschaften. In der

Verfassung und Recht verankert, sind alle Glaubensgemeinschaften

gleichgestellt.

6.1. Die römisch-katholische Kirche

Mit dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Polen fand sich die

Katholische Kirche 1989 in einer neuen Situation wieder. Seit 1945 war die

Katholische Kirche von jeglichem Einfluss auf das politische Leben

ferngehalten worden und hatte einen wesentlichen Teil ihrer Besitztümer

verloren und damit nicht nur ihr Eigentum, sondern auch ihre Institutionen

und Vereinigungen. Politische Parteien der christlichen Opposition war es

nicht möglich sich zu organisieren und damit zu funktionieren. Der

katholische Laie konnte den Kontakt zu den Einrichtungen des religiösen

Lebens kaum wahrnehmen, denn dieser unterlag der Bewachung. Wer

Folie 7

Page 15: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

15

sich für die Kirche entschied, hatte keinen Zugang mehr zum öffentlichen

Leben.

In der Nachkriegszeit hörte die Katholische Kirche in der Volksrepublik

Polen nach dessen Recht auf zu existieren. Da sie in Polen keine

juristische Person war, besaß sie auch keine Rechte. Erst im Mai 1989

verabschiedete der Sejm der Volksrepublik ein Gesetzespaket über

kirchliche insbesondere die Katholische Kirche betreffende Angelegen-

heiten. in dem Gesetz wird das Verhältnis des Staates zur Katholischen

Kirche, Garantien zur Gewissens- und Religionsfreiheit und die Sozial-

versicherung für Geistliche festgehalten.

„Obwohl die Kirche während der sozialistischen Ära so gut wie kein

Mitspracherecht hatte, fiel paradoxerweise gerade ihr in dieser Zeit eine

deutliche politische Rolle zu. Sie war die politische Opposition. Die Kirche

hatte diese Rolle nicht freiwillig gewählt, sie war ihr durch die Entwicklung

der Situation zugefallen.

Ein bedeutender Teil der Gesellschaft betrachtete sich als gläubige

Katholiken, während der totalitäre Staat die Vernichtung der Religion zu

seinem Ziel gemacht hatte. Die Katholische Kirche stand nun vor der

Notwendigkeit, die eigene Identität zu verteidigen. Sie konnte sich nicht

unterwerfen, wenn sie ihr Selbst wahren wollte. Die Verteidigung der

eigenen Identität bedeutete den Kampf um die Anerkennung der

Religionsfreiheit; und weil diese Freiheit die Grundlage jeglicher Freiheit

bildet, scharten sich um die Kirche diejenigen, die bestrebt waren, die

Menschenwürde wiederzuerlangen.“ 5 Wer sich ihr anschloss, identifizierte sich nicht unter allen Umständen mit

ihr, aber mit dem Kampf den sie führte. Die Katholische Kirche wurde,

indem sie um ihre Identifikation kämpfte zur treibenden Kraft gegen

Unterdrückung, für die Freiheit und die Selbstfindung einer Gesellschaft

und ihres Volkes.

Sie wurde zu einer kulturellen und moralischen Opposition und war damit

auch die einzige Opposition, wenn auch keine politische.

In der Zeit der Solidarność 1980/81 fiel der Kirche die Rolle des

Moderators in gesellschaftlichen Konflikten und in Gesprächen der

Opposition mit den Machthabern zu. Am 17. Mai 1989 wurde im Sejm ein

Gesetz über das Verhältnis des Staates zur katholischen Kirche

Page 16: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

16

verabschiedet und im Juli folgte die Wiederaufnahme der diplomatischen

Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Volksrepublik

Polen sowie die Ernennung eines Nuntius in Warschau im August des

gleichen Jahres. Damit hatte die katholische Kirche ein Höchstmaß an

Rechtssicherheit und Wirkungsmöglichkeiten erreicht.

Nach 1989 ist die Kirche in Polen in eine neue Situation gekommen.

Nachdem sie nun ihre Rechte und Handlungsfreiheiten wiedererlangt

hatte, versuchte sie das zurück zu erhalten, was ihr genommen worden

war. Sie versuchte nun wieder ins gesellschaftliche Leben zurück zu

kehren, indem sie ein Netz von Institutionen wiederaufbaute, derer sie

beraubt worden war. In der Tagespolitik machte sie insbesondere in der

ersten Hälfte der neunziger Jahre ihren politischen Einfluss geltend. Dabei

drehten sich die Auseinandersetzungen seit 1990 um den wieder

eingeführten schulischen Religionsunterricht, um Geburtenregelung, das

Konkordat, um christliche Werte in den Massenmedien und der

Verfassung, aber auch um steuerliche Privilegien und um Eigentums-

rückerstattungen.

Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung richtet sich jedoch nicht nach den

Empfehlungen der katholischen Kirche. Daraus zog die Kirche Konse-

quenzen und hält sich seit 2001 mit Wahlempfehlungen weitgehend

zurück.

Das Grundproblem zwischen Staat und Kirche besteht nach ihren

jahrzehntelangen Erfahrungen darin, gegenseitig zu akzeptieren, dass der

neue demokratische Staat kein Gegner der Kirche ist und dass im

Gegenzug die Kirche den Staat nicht als Herrschaftsgebiet beansprucht.

Gleichzeitig verschärft diese Situation Dechristianisierungsprozesse und

die liberaldemokratische Trennung von Staat und Kirche, wie sie in den

übrigen westeuropäischen Staaten seit Jahrzehnten verliefen. Damit muss

sich die katholische Kirche in Polen ungewöhnlich schnell einer neuen

Situation stellen.

Die katholische Kirche versäumte, in der Trauer über den Verlust ihrer

privilegierten gesellschaftlichen Stellung, sich weniger um politische

Angelegenheiten zu kümmern, denn um Erziehungsarbeit, mit dem Ziel,

die Katholiken auf ein Leben in einer modernen pluralistischen

Gesellschaft vorzubereiten. Damit wurde sie vor allem in den frühen

neunziger Jahren eher zum Konfliktverursacher.

Page 17: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

17

6.2. Andere christliche Gemeinschaften

In Polen existieren auch weitere Religionsgemeinschaften, die jedoch

wegen des erdrückenden Übergewichts der Katholiken in der Gesellschaft

kaum auf eine intensive Dialogbereitschaft der römisch-katholischen

Kirche treffen. Dazu zählen ein großer Teil der Ukrainer griechisch-

katholischen Bekenntnisses (110 380), die autokephale orthodoxe Kirche

mit 561 400 Gläubigen als zweitstärkste Glaubensgemeinschaft neben der

römisch-katholischen Kirche und die polnischen Protestanten mit 87 300

Mitgliedern.

6.3. Juden

Im 12- und 13. Jahrhundert siedelten sich in Polen die ersten Juden an.

Sie erhielten von Fürst Boleslaw den Frommen Sonderprivilegien in

seinem Fürstentum, was König Kazimierz III. (1333 – 1370) bestätigte und

auf das gesamte Königreich ausdehnte.

Da in Polen gegenüber den Juden eine relativ große Toleranz herrschte,

wurde es Mitte des 14. Jahrhunderts zu Zufluchtsstätte vieler in West- und

Mitteleuropa lebender Juden vor den zunehmenden Pogromen. Im 16.

Jahrhundert lebten ca. 15.000 Juden in Polen-Litauen. 1582 erhielt

Litauen einen eigenen jüdischen Landtag.

Die Kosakenunruhen von 1648 und die darauffolgenden Kriegswirren

richteten sich eigentlich gegen die polnisch-katholische Herrschaft,

entluden sich jedoch gegen die Juden, die große Teile von Handel und

Verwaltung inne hatten.

Nach Polens Teilung kamen rund 800.000 Juden unter russischer, habs-

burgischer und preußischer Herrschaft. In den preußischen und habs-

burgischen Gebieten war ein starkes Assimilationsbestreben durch die

jüdische Oberschicht feststellbar, die ohnehin zur deutschen Kultur neigte.

Mit der Neugründung des polnischen Staates 1918 konnten sich die

polnischen Staatsbürger jüdischen Glaubens wieder politisch relativ frei

entfalten. Sie hatten Parteien und Abgeordnete, die sie im Sejm vertraten

während fast aller Parlamentsperioden.

Mit der Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre nahm der Anti-

semitismus wieder stark zu. Im Nationalsozialismus wurden in ganz

Europas die Juden verfolgt und insbesondere auf polnischem Boden in

Page 18: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

18

Vernichtungslagern umgebracht. Nur zehn Prozent von insgesamt 3,3

Millionen Juden, die 1939 in Polen lebten, überlebten den Holocaust.

Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg lebten noch rund 250 000 Juden in

Polen. Es wurden 30 Gemeinden gegründet, doch verließen weitere Zehn-

tausende das Land nach Ausschreitungen in verschiedenen Ortschaften.

1947 lebten nur noch 100 000 Juden in Polen. Die anti-national-jüdische

Politik des kommunistischen Regimes und der israelisch-arabische Sechs-

Tage-Krieg im Juni 1967 veranlassten 1968 den größten Teil, der noch in

Polen lebenden Juden, das Land zu verlassen.

Heute leben nur noch 5 000 Juden in Polen. Die meisten von ihnen sind im

Schnitt über siebzig Jahre alt. 1996 gab es 21 jüdische Gemeinden. Seit

den achtziger Jahren gibt es eine bemerkenswerte Wiederentdeckung der

jüdischer Kultur und des jüdischen Erbes.

7. Lage und Aussichten der Wirtschaft

Mit Ungarn und der Tschechischen Republik gehört Polen zu den Staaten

Mittel- und Osteuropas, die als erstes den Wandlungsprozess von einer

staatlichen Planwirtschaft zu einem am Markt orientierten liberalen Wirt-

schaftssystem vorantrieben.

Unter den EU-Beitrittsländern galt Polen lange als Musterschüler und wies

ein sehr dynamisches Wachstum auf. Hohe Auslandsinvestitionen und das

Engagement vieler kleiner und mittlerer Unternehmen haben diese Ent-

wicklung mit getragen. Dadurch hat sich auch der Lebensstandard der

Polen seit der Wendezeit deutlich verbessert: verdiente ein Pole 2002

durchschnittlich 2 100 Złoty, das entspricht etwa 500 Euro, so lag der Lohn

1996 noch bei der Hälfte. Ende 2002 lag die Inflation sogar unter einem

Prozent.

„Das schnelle Wachstum der vergangenen Jahre hat Polen zum stärksten

Wirtschaftsmagneten für Auslandsinvestitionen werden lassen: 36 % aller

Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa werden in Polen getätigt. Zu

den wichtigsten deutschen Investoren gehören die HypoVereinsbank,

Metro, Opel, die Commerzbank, Reetsma, Aral und Volkswagen.“6

Polen verfügt über gute Reserven an Kohle, Kupfer und Schwefel. Eines

der qualitativ hochwertigsten Steinkohlevorkommen Europas wird in Süd-

Folie 8

Page 19: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

19

polen (Oberschlesien) abgebaut. Für Polen sind diese heimischen Ener-

giereserven von großer Bedeutung, denn sie bilden die Grundlage für ihre

Energiewirtschaft.

Zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen zählen die Schwerindustrie, der

Maschinenbau, der Elektro- und Elektroniksektor, die Energiewirtschaft,

die Textilindustrie, die Lebensmittelindustrie und die chemische Produktion

sowie Einzel- und Großhandel und Dienstleistungen.

Etwa 4% des Bruttoinlandproduktes werden über die Agrarproduktion

erwirtschaftet, doch sind 18 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig

und dabei machen einen großen Teil kleine und mittlere Familienhöfe aus.

„Vor allem östlich der Weichsel ist die Lage prekär, hier lebt in manchen

Regionen fast jeder Zweite von der Landwirtschaft. Dort kann man oft noch

Pferde beim Pflügen sehen. Dies erklärt, warum Polen bei den Beitritts-

verhandlungen mit der Europäischen Union (EU), die im Dezember 2002

zu einem Beitritt im Mai 2004 führten, vehement höhere Agrarbeihilfen

gefordert hat.“7

Die katastrophale ökologische Situation wurde lange Zeit als der

problematischste Punkt für einen Beitritt Polens in die EU angesehen. So

leitet Polen mit Abstand die größte Menge Schadstoffe in die Ostsee und

seine Gewässer sind insgesamt in einem sehr schlechten Zustand. Zwar

hat Polen in den letzten Jahren schon einige Fortschritte erzielt, doch

besteht immer noch Handlungsbedarf, um die strengen Richtlinien der EU

erfüllen zu können.

„Die Arbeitslosigkeit ist in Polen nach wie vor sehr hoch und lag im

September 2004 bei 18,7%, wobei überproportional viele Jugendliche

betroffen sind. Fast 80% der Arbeitslosen sind auf Sozialhilfe oder

Familienunterstützung angewiesen, weil sie keinen Anspruch auf

Arbeitslosenhilfe mehr haben.“ 8 Dabei versuchen viele ihre Einkünfte

durch Schwarzarbeit aufzubessern.

Page 20: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

20

8. Das polnische Bildungssystem

8.1. Geschichte des polnischen Bildungssystems

Polen nimmt eine erhebliche Position im europäischen Kultur- und

Geistesleben ein. Nikolaus Kopernikus (Mikolaj Kopernik) studierte von

1491 bis 1494 in Krakau Astronomie und hat dem neuzeitlichen Denken

und Forschen einen großen Impuls gegeben.

Als weitere berühmte polnische Geistesgrößen zählen z. B.: der

Komponist Frederyk Chopin, die Physikerin Marie Curie, der Pädagoge

Janusz Korczak, der Filmregisseur Roman Polanski u. v. a. m.

Die Kirche legte in Polen bereits im Mittelalter den Grundstein zum

polnischen Bildungssystem. Sie betrieb im ganzen Land Dom-, Kollegiats-

und Pfarrschulen. Die Gymnasialbildung fand durch Reformation und

Gegenreformation besonders starke Verbreitung.

Mit der Aufteilung Polens unter Preußen, Russland und Österreich wurde

das Bildungssystem lange von außen bestimmt.

Nach 1918 gab es dann wieder ein Bildungssystem das dem europäischen

Standard entsprach.

Unter der Führung der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei wurde nach

dem 2. Weltkrieg versucht im Sinne der marxistisch ökonomischen Theorie

zu erziehen. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Immer gab es auch eine

Reihe privater Schulen und sogar eine private Hochschule: die Katholische

Universität Lublin.

Seit 1990 wurden für die Neuorganisation des Bildungssystems die

gesetzlichen Vorraussetzungen geschaffen. Die wichtigste Intention des

Gesetzes besteht in der Rückführung der Schule in die Hand der

Gesellschaft. Das Gesetz beseitigt alle Bezüge auf das sozialistische

Menschenbild und führt dafür das christliche Wertesystem als Orien-

tierungsgrundlage für das Bildungssystem ein. So ist z. B. der

Religionsunterricht nun auch ein Pflichtfach an allen Schulen. Das

Bildungsgesetz von 1990 sah jedoch keine Reform der Struktur des

Bildungssystems vor und so bleiben die Strukturen aus der sozialistischen

Ära bis ca. 2007 erhalten. Zurzeit existieren in Polen zwei Bildungs-

systeme nebeneinander. Einerseits das seit 1990 eingeführte noch aus der

sozialistischen Zeit stammende System und anderseits das seit dem 1.

Folie 9

Page 21: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

21

September 1999 nach und nach eingeführte neue Bildungssystem. Bis ca.

2007 werden nach den Plänen des Bildungsministeriums beide Systeme

nebeneinander existieren. Die Schulen in Polen sind unendgeldlich. Sie

starten am 1. September eines jeden Jahres und enden in der zweiten

Junihälfte.

8.2. Gliederung des Schulsystems

8.2.1. Die Vorschulerziehung

Flächendeckend soll in Polen die Vorschulerziehung ausgebaut werden.

Damit wird eine Kompensation mehrer Funktionen versucht. Einerseits

sollen besonders Kinder vom Land gefördert werden, andererseits soll so

früh wie möglich die Lernfähigkeit der Kinder entwickelt werden.

Alle Kinder können einen Kindergarten vom dritten bis zum sechsten

Lebensjahr besuchen. Die Gruppen sind altersgemischt mit 20 bis 25

Kindern. Auf eine Erziehungsperson kommen im Schnitt zwölf Kinder. Der

Besuch des Kindergartens ist nicht verpflichtend. Der Besuch im Umfang

von fünf Stunden täglich ist kostenlos, zusätzliche Betreuung und

Verköstigung sind kostenpflichtig. Die meisten Kinder besuchen allerdings

den Kindergarten erst ab dem sechsten Lebensjahr oder eine Vorschule,

da die meisten Eltern die kostenpflichtige Betreuung nicht aufbringen

können. Die Vorschule ist meist Bestandteil der Grundschule und richtet

sich an Kinder zwischen sechs und sieben Jahren.

8.2.2. Die Grundschule

In Polen bestand nach dem „alten“ System eine allgemeine Schulpflicht

vom siebten bis zum fünfzehnten Lebensjahr. Diese Zeit verbrachten die

Schüler in der sogenannten Pflichtgrundschule. Seit 1999 dauert die

Schulpflicht in der Regel bis zum sechszehnten Lebensjahr, höchstens

jedoch bis zum achtzehnten Lebensjahr. Die Schüler besuchen die

sechsjährige Grundschule und dann das dreijährige aufbauende Gym-

nasium. Die Schulpflicht entspricht also neun Jahre.

Die „alte“ Grundschule (Pflichtschule) bestand aus 8 Klassenstufen und

wurde von Kindern ab dem vollendeten 7. Lebensjahr bis maximal zum 17.

Lebensjahr besucht. In der Regel wählten die Kinder mit 14 Jahren

zwischen einer allgemeinbildenden höheren Schule (Lyzeum), einer

berufsbildenden höheren Schule (Berufstechnikum) und einer Berufs-

Page 22: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

22

grundschule.

Seit der Bildungsreform von 1999 gibt es eine obligatorische sechsjährige

Grundschule für 7- 13jährige Kinder. Die erste Stufe umfasst die Klassen

eins bis drei mit integriertem Anfangsunterricht. In der zweiten Stufe mit

den Klassen vier bis sechs, findet fächerübergreifender Blockunterricht

statt. Am Ende der sechsten Klasse legen alle Schüler eine Kompetenz-

prüfung ab, die extern von regionalen Kommissionen bewertet wird, und

setzten dann ihre Schullaufbahn in einem weiterführenden Schultyp fort.

8.2.3. Das Gymnasium

Das polnische Gymnasium hat nichts mit dem deutschen Gymnasium

gemeinsam. Es wurde mit dem Schuljahr 1999/2000 neu eingeführt und ist

für alle Schüler ab dem 13. bis zum 16. Lebensjahr verpflichtend. Das

Gymnasium umfasst drei Schuljahre und baut auf den sechs

Grundschuljahren auf. Zum Schluss dieser drei Jahre legen alle Schüler in

ihrer Schule eine allgemeine Prüfung ab. Dieses findet jeweils im Mai statt.

Inhalt der Prüfung sind die humanistischen und mathematisch-

naturwissenschaftlichen Fächer. Ein externer Prüfungsausschuss bewertet

die Prüfungen. Diese gelten als Voraussetzung für die Zulassung an einer

weiterführende Schule. Seit 1999 wurde intensiv in diesen Schultyp

investiert, so dass dieser heute über eine relativ gute Ausstattung an

Computern, Fachräumen und Laboren verfügt.

8.2.4. Die Weiterführenden Schulen

In Polen gelten als weiterführende Schulen die Schulen der Sekundar-

stufe. Sie werden auch Mittelschulen genannt. Voraussetzung für ihren

Besuch ist eine Aufnahmeprüfung. Dies bezieht sich auf das „alte System“.

Die Ausnahme hierfür bildet die dreijährige Berufsgrundschule. Für ihren

Besuch ist keine Aufnahmeprüfung erforderlich. Sie bereitet lediglich auf

den auszuübenden Beruf vor und befähigt nicht zu einer höheren

Ausbildung. Dieser Schultyp ist der am heftigsten kritisierte Schultyp

Polens. Hier landen Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, die

lediglich das Bedürfnis haben „irgendetwas“ zu erreichen. Die Absolventen

der Berufsgrundschule münden mit ihrem Facharbeiterabschluss direkt auf

dem Arbeitsmarkt und leider immer häufiger direkt in die Arbeitslosigkeit.

Es gibt aber neben den Mittelschulden und den Berufsgrundschulen noch

Folie 10

Page 23: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

23

verschiedene weiterführende Schulen wie das allgemeinbildende Lyzeum

und die technischen und berufsbildenden Mittelschulen. In den beiden

letzten Schultypen können innerhalb von vier oder fünf Jahren zwei

Abschlüsse gleichzeitig erworben werden, nämlich die Hochschulreife und

eine berufliche Qualifikation, als hochqualifizierter Facharbeiter oder als

Techniker. Dieser Schultyp ist ein Relikt aus der sozialistischen Ära. Die

doppelten Abschlüsse waren für die Polen durchaus attraktiv. Von ihnen

möchte man sich ungern trennen. Für viele Eltern und Schüler ist die

geplante Abschaffung deshalb unverständlich.

Das Lyzeum befähigt nach 4 Jahren zur Reifeprüfung (Abitur/poln:

matura), womit grundsätzlich der Besuch einer Hochschule möglich ist.

Aber auch mit den Abschlüssen der Berufstechnika kann ein Jugendlicher

sich zur Aufnahmeprüfung an einer Hochschule bewerben. Nach dem

Abitur sind die Schüler meist neunzehn Jahre alt und haben zwölf

Schuljahre besucht.

Das polnische Berufsausbildungssystem unterscheidet sich in seiner

Organisationsform deutlich von dem deutschen zweigliedrigen System. Die

Ausbildungsgänge sind hauptsächlich vollzeitschulisch und nicht betriebs-

gestützt. Die berufspraktischen Anteile sind also sehr gering. Der

mangelnde Bezug zu den Unternehmen und damit zum Beschäftigungs-

system ist ein großer Kritikpunkt der Bildungspolitik.

8.2.5. Das Hochschulwesen

Das polnische Abitur berechtigt nicht automatisch zum Besuch einer

Hochschule. Hierzu sind Aufnahmeprüfungen, Interviews und Wettbe-

werbe zu bestehen. Allerdings sollen mit dem neu eingeführten Abitur

auch die Zulassungsprüfungen künftig wegfallen. Neben der

Hochschullaufbahn steht den polnischen Abiturienten auch die Möglichkeit

offen eine postabiturielle (postsekundäre) Schule zu besuchen. Die

Ausbildung erfolgt dort meist in Modulen über zwei bis vier Semestern und

schließt mit einer mittleren beruflichen Qualifikation ab.

Das Studium an den polnischen Hochschulen ist als Regelstudium

gebührenfrei, als Fern- oder Abendstudium allerdings kostenpflichtig.

Die Hochschulen bieten unterschiedlich lange Studiengänge an. Das

Magisterstudium mit seinen einheitlichen vier bis fünf Studienjahren wird

dabei bevorzugt. In dieser Form werden in der Regel auch die polnischen

Page 24: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

24

Lehrer ausgebildet. Nach dem Magisterexamen kann noch ein Doktorgrad

erworben werden. Ein drei- bis vierjähriges Berufsstudium bieten zudem

insbesondere die landwirtschaftlichen und technischen Hochschulen an,

das den Titel Lizentiat oder Diplom oder Ingenieur verleiht.

Die gleichen Abschlüsse können über das Fernstudium erlangt werden.

Fast die Hälfte aller Studenten in Polen sind Fernstudenten. Für das

Fernstudium müssen keine Aufnahmeprüfungen abgelegt werden. Viele

dieser Studenten haben keinen Regelstudienplatz bekommen oder

qualifizieren sich als berufstätige auf diesem Weg weiter. Dies gilt

insbesondere für viele polnische Lehrerinnen und Lehrer. Eine Präsenz

der Studenten in den Hochschulen wird lediglich an Wochenenden

erwartet.

Die am häufigsten belegten Studienrichtungen waren im Jahr 2000

Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, technische Studiengänge,

Sozialwissenschaften und Pädagogik.

Seit 1997 gibt es in Polen auch Fachhochschulen. Sie bilden die zweite

Säule im polnischen Hochschulwesen.

Die erste deutsch-polnische Universität entstand 1992, die Europa-

Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Zum Wintersemester

2001/2002 kamen von 4 000 Studierenden bereits 1 250 aus Polen.

In Warschau haben die zentralen außeruniversitären Forschungs-

einrichtungen ihren Sitz. Dazu gehören die international renommierte

Polnische Akademie der Wissenschaften und die berühmte Polnische

Nationalbibliothek.

Seit 1991 sind auch nichtstaatliche Hochschulen amtlich zugelassen. Dazu

zählen auch ausländische Gründungen wie die Französich-Polnische

Hochschule für Informationstechnologie in Posen. Die nichtstaatlichen

Hochschulen sind meist kleinere Einrichtungen, die oft recht hohe

Gebühren verlangen aber keine Aufnahmeprüfung. Sie bieten in der Regel

lediglich ein Berufsstudium an mit dem Abschluss Lizentiat oder Diplom.

Vor allem Wirtschaftshochschulen dominieren, die die Mangelfächer

Ökonomie, Finanzen und Marketing oder Management anbieten. Manche

Studiengänge werden auch in den westlichen Fremdsprachen angeboten.

Insgesamt gilt die Bildungsreform als Schlüssel der allgemeinen Reform-

entwicklung Polens. Alle sind sich einig darüber, dass die Ausbildung der

Page 25: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

25

Jugend die Zukunft des Landes bestimmen wird.

9. Jugend und Gesellschaft

9.1. Jugend allgemein

Von den knapp 39 Millionen Einwohnern sind ca. 6,4 Millionen Menschen

(16,4 % der Bevölkerung) 15 bis 25 Jahre alt. Das Ende des

Kommunismus und die Einführung der Freien Marktwirtschaft sind nicht

ohne Folgen für die polnische Gesellschaft geblieben. „So haben die

neuen Verlockungen des Konsums und das enorm gestiegene Maß der

Selbstverantwortung für das eigene Wohlergehen zu einem starken

Rückgang der Geburtenraten geführt. Während 1990 noch knapp 550

Tausend Kinder geboren wurden, kamen 1997 nur noch ca. 400 Tausend

Kinder zur Welt. 1990 wuchs Polens Bevölkerung um ca. 157 Tausend;

1997 nur noch um 32 Tausend. Die Zahl der jährlich geschlossenen Ehen

fiel zwischen 1990 und 1997 von 255 auf 205 Tausend, die Zahl der

Scheidungen jedoch blieb unverändert bei ca. 42 Tausend und damit (pro

1 000 Einwohner) halb so hoch wie in Deutschland.“10 Da Polen sich im

Umbruch befindet, gibt es große regionale und soziale Unterschiede. In

den Großstädten hat die Jugend den Anschluss an die Moderne gefunden,

in den entlegenen kleinen Städten und Dörfern sind jedoch Handys und

Bankkarten noch nahezu unbekannt. Die Situation der Jugendlichen ist

also regional bedingt sehr unterschiedlich, doch lassen sich einige

gemeinsame Vorstellungen skizzieren.

9.2. Die Familien aus der Sicht der polnischen Jugend

Die Familie hat auch bei der Jugend immer noch einen hohen Stellenwert.

Verhältnismäßig früh – im Alter zwischen 22 und 26 Jahren – wird

geheiratet und vor dem 30. Lebensjahr die Familie gegründet. Zu einem

erheblichen Teil (60%) besteht immer noch die Dreigenerations-Familie.

Das steht natürlich auch im Zusammenhang mit der weiterhin schlechten

Wohnungssituation. Insbesondere wegen der finanziellen Abhängigkeit

hält der Einfluss der Eltern lange vor. Selten wohnen 18 – 20 jährig schon

alleine, es sei denn, sie beginnen ein Studium in einer anderen Stadt. Da

für viele Eltern die Wende zu spät gekommen ist, um die neuen Chancen

für sich zu nutzen ( sie sind jetzt einfach zu alt) übertragen sie ihren

Folie 11

Page 26: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

26

Ehrgeiz auf die Kinder, die dazu angehalten werden Sprachen zu lernen,

zu studieren und dem Leistungsdruck standzuhalten. Typisch für Polens

Jugend ist ein früherer voller Einstieg ins eigene Berufs- und Familien-

leben, bei wesentlich späterer finanziellen und räumlichen Abnabelung

vom Elternhaus, als es in Deutschland üblich ist.

9.3. Die Politik

Der polnischen Jugend ist die Demokratie sehr wichtig, obwohl sie den

neuen Institutionen und Politikern ihres Landes mit Rückhaltung

begegnen. Insgesamt erscheint die Jugend mit ihren Auffassungen von

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eher konservativ ausgerichtet. Sie

wünschen sich mehr Selbstverantwortung, weniger Staat, niedrigere

Steuern, niedrigere Sozialleistungen und höhere Gehälter.

9.4. Die Kirche

Der polnischen Jugend sind der Glaube und Gott nach wie vor sehr

wichtig. Die Kirche als Institution und gesellschaftlicher Bezugspunkt spielt

im Leben der Jugendlichen immer noch eine große Rolle. Allerdings ist sie

bei einem großen Teil der Jugend in ihren moralischen Ansichten um-

stritten. Der sonntägliche Kirchgang und die Teilnahme an rituellen

Handlungen der Kirche sind nach wie vor ungebrochen hoch. Taufen,

erste Kommunion, kirchliche Trauungen und die Berufung ins Priesteramt

sind so populär wie vor der Wende. Allerdings sprechen sich etwa die

Hälfte aller jugendlichen Katholiken (und davon sind ca. 80% Jungen) für

die Abtreibung und 21% für die Sterbehilfe aus.

9.5. Bildung und Beruf

Berufswissen und Bildung sind in den Augen der Jugend der Garant für

Erfolg. Wissen ist heute eine Investition und kein Wert mehr an sich, wie

es zu kommunistischen Zeiten noch gesehen wurde. Mit dem Aufbruch in

die neue Marktwirtschaft und zunehmender Präsenz ausländischer

Firmen haben sich auch sehr gute Ein- und Aufstiegschancen für gut

ausgebildete junge Leute ergeben. Deshalb ist es nicht verwunderlich,

dass die Jugend fleißig büffelt, Sprachen lernt und Auslandsaufenthalte

anstrebt. Diese Generation ist die erste, die keine Minderwertigkeits-

komplexe gegenüber den Gleichaltrigen aus dem Westen hat. Längst sind

Page 27: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

27

die Zivilisations- und Technologielücken aus der Zeit des Kommunismus

geschlossen. Heute hören die Jugendlichen die gleiche Musik, surfen im

Internet, tragen die gleiche Mode und sehen dieselben Filme wie ihre

Altersgenossen im westlichen Europa.

9.6. Jugendarbeitslosigkeit

Seit der Wende stellt die Jugendarbeitslosigkeit ein immer größeres

Problem dar. „Im September 2004 hatten 39,1% aller Jugendlichen keine

Anstellung. Im Vergleichszeitraum 2003 waren in Polen aber sogar 40,8%

der unter 25-Jährigen ohne Arbeit.“12 Die besten Perspektiven haben

diejenigen, die bereit sind in die Metropolen des Landes zu ziehen.

Allerdings waren Ende 2001 in den Städten (44,6%) mehr Jugendliche

arbeitslos als auf dem Land (36,8%).

9.7. Jugendkriminalität

Im Zusammenhang mit der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler

Jugendlicher haben sich auch die Kriminalitätsraten stark verändert.

Zwischen 1990 und 2000 haben sich die Zahlen nachgewiesener

Verbrechen, die von Jugendlichen begangen wurden auf fast 35 000 im

Jahr mehr als verdoppelt. Die Zunahme von Gewaltverbrechen geben

Anlass zur Sorge. Im Jahr 2000 wurden sogar 17 Jugendliche wegen

Mordes verhaftet.

9.8. Jugendlicher Drogenkonsum

Seit 1990 nimmt in Polen der Drogenmissbrauch deutlich zu. Das sagen

statistische Daten polnischer Suchtkliniken und der Polizei. Sehr schnell

hat sich Polen dabei den westlichen Standards angenähert. Im

europäischen Vergleich nimmt das Land in der Drogenproblematik einen

mittleren Platz ein. Insbesondere Jugendliche sind früh bereit mit Drogen

zu experimentieren oder auch regelmäßig zu konsumieren. In letzter Zeit

sind aber auch zunehmend Erwachsene an Drogen interessiert.

Unter den 15-16jährigen haben verschiedene Drogen einen unterschied-

lichen Ruf: der Konsum von Cannabis gilt weitgehend als akzeptiert,

während synthetische Drogen wenig toleriert werden und Heroin gänzlich

abgelehnt wird. So erklärt sich auch, warum der Cannabisverbrauch

derzeit zunimmt, wohingegen es in den 90er Jahren vorwiegend Heroin,

Page 28: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

28

Ecstasy und Amphetamine waren. Anfang der 90er Jahre waren vor allen

die großen Städte vom Drogenkonsum betroffen, heute nimmt dieser auf

dem Land besonders stark zu. Zwischen 32 000 und 60 000 Menschen

sollen laut dem polnischen Nationalen Büro für Drogenprävention ernst-

hafte Probleme mit Rauschgift haben

10. Polen und die Europäische Union

Am 13. Dezember 2002 hat die Europäische Union beim Kopenhagener

Gipfel die Erweiterungsverhandlungen mit zehn Staaten abgeschlossen,

die am 1. Mai 2004 der Union beitraten. Neben Polen waren das Estland,

Lettland, Litauen, Malta, die Slowakische Republik, Slowenien, die

Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.

Vom Beitritt wird, trotz aller Ängste, der gesamte Kontinent profitieren.

Bereits heute profitieren alle im wirtschaftlichen Sektor. Allein Deutschland

bestreitet in der Exportwirtschaft zehn Prozent seiner Umsätze mit den

neuen EU-Mitgliedsländern.

„Die Last der Umstellung auf die EU-Fähigkeit tragen die Beitrittsländer

allerdings überwiegend selbst. Auch die befürchtete Lawine von Arbeits-

migranten wird es nicht geben, auf lange Sicht werden nicht einmal die

150 000 bis 250 000 pro Jahr kommen, die wir allein in Deutschland

brauchen, um unsere Überalterung auszugleichen. Schon seit drei Jahren

ziehen ohnehin mehr Auswanderer nach Polen zurück als das Land

verlassen.“9

Die Osterweiterung ist eine Bereicherung, denn nun sind 10 neue

Mitglieder in die Gemeinschaft gekommen und der Umgang mit ihnen ist

noch fremd. Sie sind dynamische junge Gesellschaften, flexibel und

erfolgshungrig. Ihr Wandlungstempo ist rasant, ihre Wirtschaft liberal und

wettbewerbsorientiert. Über kurz oder lang könnten sie die

Problemlösungsstrategien der älteren EU-Mitglieder in Frage stellen und

manch arrivierter Staat könnte sie als Modell für Veränderungen

betrachten. „Die Nachbarn aus dem Osten werden die EU verändern, sie

werden ihr Reformtempo beschleunigen und Reformwege für die

verkrusteten Demokratien und Marktwirtschaften aufzeigen.“10

Die jahrzehntelange kulturelle Spaltung Europas in Blöcke ist mit der EU-

Erweiterung endlich beendet. Europa wird nicht nur größer, sondern

Folie 12

Page 29: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

29

besinnt sich auch wieder auf gemeinsame kulturelle Wurzeln. Mit dem

Beitritt der östlichen Länder Mitteleuropas ist die kulturelle Identität des

Kontinents wieder hergestellt. Europa, das ist eine Idee, die politisch,

kulturell und historisch gewachsen ist. Eine weitere Aufgabe wird es nun

sein, das Sammelsurium an Sprachen, Religionen, Traditionen und

Ansichten als Einheit zu bilden. Europäer sein heißt damit auch, den

Umgang mit dem Fremden in Toleranz zu üben. Europa „braucht kulturelle

Integration auf dem Fundament des gemeinsamen Erbes auch

Christentum und den humanistischen Traditionen von Rom, Athen und

Jerusalem.“11

Für die EU-Fähigkeit Polens galten als wichtigste Vorraussetzung die

Anpassung der polnischen Wirtschaft, die Privatisierung, die Reform der

Landwirtschaft und die Reform der regionalpolitischen Strukturen sowie die

Rechtsangleichung. Während der Beitrittsverhandlungen kristallisierten

sich schnell die Landwirtschaft und die Strukturhilfe für die ärmeren

Regionen als große Problembereiche heraus, daneben die geforderte

Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer auf dem EU-Binnenmarkt sowie der

Bodenerwerb durch Ausländer in Polen. Als Ergebnis der Verhandlungen

ist nun der Erwerb von Grund und Boden durch Ausländer nach zwölf

Jahren mit befreienden Sonderregelungen für Investoren ohne

Einschränkung möglich. Gefordert waren 18 Jahre. Die Polnischen

Arbeitnehmer werden auf dem europäischen Arbeitsmarkt erst nach

sieben Jahren die volle Freizügigkeit genießen, also fünf Jahre zzgl. eine

einmalige Verlängerung von zwei Jahren. Ab 2013 gelten die EU-

Einkommenshilfen für Bauern erst in vollen Umfang. Zuvor werden sie 25

Prozent der in der EU üblichen Direktbeihilfe erhalten. Auch sollen die

Bauern aus EU-Töpfen für ländliche Entwicklungsprogramme zusätzliches

Geld bekommen. Problematisch bleibt dabei nur die chronische Leere im

polnischen Haushalt, der dazu führte, dass bis heute bereits mehrere EU-

Fördermöglichkeiten nicht genutzt werden konnten, weil der

Eigenfinanzierungsanteil von Polen nicht geleistet werden konnte.

„Für die Zukunft in der EU sieht Ex-Außenminister Władysław

Bartoszewski für sein Land drei große Herausforderungen: die Anpassung

an die Anforderungen des einheitlichen Binnenmarktes, die Beibehaltung

eines hohen Wachstumstempos und des mikroökonomischen Gleich-

gewichtes sowie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in Verbindung

Page 30: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

30

damit unabdingbare Standards für Bildung und Gesundheit.“12

10.1. Beziehungen zu Deutschland

10.1.1. Deutschland als Partner

Mit keinem anderen ehemaligen Ostblockland hat Deutschland so

intensive wirtschaftliche Kontakte geknüpft wie mit Polen. „Das deutsch-

polnische Handelsvolumen erreichte 2002 das Rekordergebnis von 30,2

Milliarden Euro. Für Polen ist die Bundesrepublik der mit Abstand

wichtigste Handelspartner: fast ein Viertel aller Importe (24%) und über ein

Drittel aller Exporte (34,4%) wickelte unser östlicher Nachbar 2001 mit

Deutschland ab. 2002 war Polen der zehntwichtigste Abnehmer deutscher

Produkte, bei den Importen in die Bundesrepublik liegt das Land an der

Weichsel an dreizehnter Stelle.“ Nicht nur die wirtschaftlichen

Beziehungen haben sich verbessert. Zur Förderung des Jugendaus-

tausches wurde 1991 das Deutsch-Polnische Jugendwerk gegründet.

Auch haben beide Regierungen zur Förderung der bilateralen

Beziehungen im November 2004 Koordinatoren berufen. Diese sind die

polnische Diplomatin Irena Lipowicz und die Präsidentin der Europa-

Univesität Viadrina in Frankfurt an der Oder Gesine Schwan. Durch die

Aufhebung der Visumspflicht vor einigen Jahren, ist der Reiseverkehr

zwischen den beiden Lände stark angestiegen. Immer mehr ältere

Menschen nutzen die Gelegenheit ihre alte Heimat zu besuchen und

schließen dabei auch Kontakte zu unseren polnischen Nachbarn. Und:

nahezu 280 000 Menschen haben die deutsch-polnische Doppelte

Staatsbürgerschaft.

10.1.2. Gegenseitige Wahrnehmung

Die gegenseitige Wahrnehmung ist leider getrübt durch die vielen

„gemeinsamen“ Kriege in der Vergangenheit. 1410, in der „Schlacht von

Grunwald“, wurde die Streitmacht des Deutschen Ritterordens durch das

vereinigte polnisch-litauische Heer entscheidend geschlagen, und hat

damit zum Niedergang des Ostseestaates beigetragen. Auch heute noch

sind viele Straßen in Polen danach benannt. In der gleichen Gegend

schlugen deutsche Truppen während des Ersten Weltkriegs russische

Einheiten. Gefeiert und hochstilisiert wurde dieses Ereignis als „Sieg von

Tannenberg“ - gerade so, als könne damit die Niederlage von 1410 wett

Page 31: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

31

gemacht werden. Auch die neuere Geschichte untermauerte dieses

Feindbild. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der polnische Staat unter

Mitbeteiligung Preußens zerschlagen, insbesondere nach der Gründung

des Deutschen Reiches 1871. Damit fand auch eine extreme

Germanisierungpolitik im preußischen Teilungsgebiet statt. Als dann Polen

nach dem Ersten Weltkrieg wiedergegründet wurde, kam es unter

anderem in Oberschlesien zu heftigen Nationalitätenkämpfen. Mit dem

Kriegsbeginn 1939 brach wohl die schlimmste polnische Zeit an. Von

deutscher Wehrmacht und Roter Armee besetzt, unterlag Polen einer

gnadenlosen Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik. Nach Kriegsende

herrschte unter den Polen erst einmal die Meinung, alle Deutschen seien

Mörder, bis sich nach und nach die Erkenntnis durchsetzte, dass zu

unterscheiden ist, wer aktiv an den Verbrechen beteiligt war und wer zu

den Opfern von Verführung, Angst und Machtlosigkeit gehörte. Dennoch

hielt lange eine gegenseitige negative Wahrnehmung vor. In der BRD

nahm man Polen kaum war, es war hinter dem eisernen Vorhang

verschwunden und in Polen war der Blick gen Westen durch die

vorgeschriebene kommunistische Propaganda getrübt. Erst mit Willy

Brandt zu Beginn der 70er Jahre veränderte sich das polnische

Deutschlandbild zum Positiven. Willy Brandt wollte generell die

Beziehungen zu den Ostblockstaaten verbessern. Als Anfang der 80er

Jahre Streiks und Wirtschaftskrisen Polen erschütterten, erfuhren die

polnische Bevölkerung und die Solidarność-Bewegung viel aktive

Unterstützung (z. B. Pakete) aus der BRD. Seit den 90er Jahren wird

Deutschland kaum noch als Bedrohung wahrgenommen, vielmehr gilt es

als Vorbild insbesondere für Wirtschaftreformen. Dennoch existieren in

beiden Ländern einige Vorbehalte, die hauptsächlich in ihrem

ökonomischen Ungleichgewicht begründet liegen. Polen hat Angst vor

einem Ausverkauf polnischer Erde an Deutsche. Diese Angst kommt vor

allem aus den ärmeren ländlichen Regionen. Hier wird auch der

westeuropäischen Konkurrenz auf dem EU-Agrarmarkt skeptisch und mit

Sorge entgegengeblickt. Letztlich ist jedoch für viele Polen gerade

Deutschland ein Fürsprecher für die Aufnahme ihres Landes in die EU

gewesen. Dem gegenüber steht ein negatives Polenbild in Deutschland,

das aus einem großen Sammelsurium von Vorurteile gegen Polen besteht.

Dabei werden die Polen als Autodiebe, Alkoholiker und Antisemiten

abgestempelt. Gleichzeitig fürchten sich die Bewohner der Grenzregionen

Page 32: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

32

vor einer großen polnischen Migrationsbewegung. Aktuelle Unter-

suchungen und kontinuierliche Beobachtungen sprechen gegen diese

Sorgen, zumal die Regelungen der Europäischen Union hierzu

Beschränkungen festgelegt hat und die Bevölkerung der Grenzregionen

beider Seiten zunehmend im vereinten Europa zusammenwachsen und

die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Nachbarn gut kennen. Ein

freundliches Nachbarschaftsverhältnis bahnt sich an.

Page 33: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

33

11. Geschichtlicher Abriss

6. – 7. Jahrhundert Einwanderung von Slawen

966 Mieszko I. konvertiert zum Christentum

1025 Boleslaw I. wird König

1386 Die Dynastie der Jagiellonen wird begründet

16. Jahrhundert Das Königreich Polen auf der Höhe seiner Macht

1596 Warschau wird Hauptstadt und Residenz von Sigismund III

1655 – 1660 Erster Nordischer Krieg

1772 – 1795 Polen wird zw. Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt

1818 Ausrufung der Republik Polen

1919 Neue Westgrenze Polens durch Versailler Vertrag

1920 Polnisch-russischer Krieg, Gebietszuwachs im Osten

1939 Deutsche Truppen marschieren am 1.9. ein, Polen wird besetzt;

am 17.9. besetzt die Sowjetunion die polnischen Ostseegebiete;

der zweite Weltkrieg bricht aus; in Paris wird eine Exilregierung

gebildet

1941 In den UDSSR wird von polnischen Kommunisten eine

Exilregierung gebildet

1944 Antifaschistischer Aufstand in Warschau; sowjetische Truppen

dringen nach Westen vor; das „Polnische Komitee der Nationalen

Befreiung“(PKWN) wird gegründet

1945 Kommunistische Regierung; die heutigen Grenzen werden

festgelegt

1947 Polen wird Volksrepublik

1952 Eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild tritt in Kraft

1955 Polen tritt dem Warschauer Pakt bei

1956 Arbeiterunruhen

Page 34: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

34

1970 Unruhen und Streiks

1980 Das Kriegsrecht wird verhangen und die Gewerkschaft

Solidarność /Solidarität wird verboten

1983 Lech Wałęsa erhält den Friedensnobelpreis

1989 Die Solidarność wird zugelassen; der erste nichtkommunistische

Regierungschef gewählt

1990 Lech Wałęsa wird Staatspräsident

1995 Alexander Kwaśniewski wird Staatspräsident

1997 Eine neue Verfassung tritt in Kraft

1999 Polen tritt der NATO bei; Verwaltungsreform

2000 Der Staatspräsident Alexander Kwaśniewski wird wiedergewählt

2004 Polen tritt der EU bei

Page 35: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

35

12. Quellenverzeichnis

Literatur

Becher, Ursula A. J./Borodziej, Włodzimierz/Maier, Robert (2004): Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert. Analysen – Quellen – didaktische Hinweise. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Bingen, Dieter(2005): Die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte. 5-6/2005, S. 9-17

Datenbank für internationale Jugendarbeit (2004). Polen. IJAB e.V., Bonn

Dauderstädt, Michael (2004): Transformation und Integration der Wirtschaft der postkommunistischen Beitrittsländer. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 15-23

Diehl, Elke/Faulenbach, Jürgen (2001): Polen. Informationen zur politischen Bildung 273. Bundeszentrale für politische Bildung, München

Dietz, Barbara (2004): Ost-West-Migration nach Deutschland im Kontext der EU-Erweiterung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 41-47

Dylla, Daria/Jäger, Thomas (2005): Deutsch-polnische Europavisionen. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte. 5-6/2005, S. 40-46

Golombek, Dieter (2002): Mehr Europa. Das Beispiel Polen. In: fluter Nr.4. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Ismayr, Wolfgang (2004): Die politischen Systeme der EU-Beitrittsländer im Vergleich. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 5-14

Jäger-Dabek, Brigitte (2003): Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt MV (Hrg.) (2004): Die Erweiterung der Europäischen Union. Lehrmodul. Neubrandenburg

Linden, Brigitte (2004): Studienführer Mittel- und Osteuropa. Polen, Tschechische Republik, Slowakische Republik, Ungarn, Rumänien. Deutscher Akademischer Austauschdienst, Bielefeld

Olschowsky, Burkhard (2005): Die Gegenwart des Vergangenen. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6/2005, S. 27-39

Rothacher, Albrecht (2004): Die EU 25. Chancen, Risiken und politische Folgen der Osterweiterung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 24-34

Ruchniewicz, Krzysztof (2005): Die historische Erinnerung in Polen. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6/2005, S. 18-26

Schneider, Krystyna (1999): Der Transformationsprozeß in Polen. Politische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen des Wandels. Inauguraldissertation, Bonn

Umann, Ullrich (2000): Polen. Wirtschaftsstandorte – Woiwodschaften. Bundesstelle für Außenhandelsinformation, Köln

Zandonella, Bruno (2004): Europa der 25. Osterweiterung der Europäischen Union. Themenblätter für den Unterricht Nr. 34. Bundeszentrale für politische Bildung, Köln

Page 36: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

36

Internetquellen Recherche und download am 22.02.2005

http://www.politiklehrerverband.org/Polen/PL_Jugend.htm

http://80.237.230.157/html/03_laen/06_pol.asp

http://www.bpb.de/themen/I4Z26L,0,0,Wirtschaft.html

http://www.bpb.de/themen/Q26LYN,0,0,Geschichte.html

http://www.bpb.de/themen/9BQWBD,0,0,Verfassung.html

http://www.bpb.de/themen/3U1UQD,0,0,Parteien.html

http://www.bpb.de/themen/VZK2LJ;0,0,Wahlsystem.html

http://www.bpb.de/themen/XMN0NV,0,0,Polen.html

http://www.europa.wahl-baden-wuerttemberg.de/erweiterung/faq.php3

http://www.europa-digital.de/laender/pol/staat/index.shtml

http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/pri

www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_politik.html

http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_wirtschaft.html

http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_bildung.html

http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_geschichte.html

http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_bezieh_02.html

Page 37: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Folien zum Vortrag

Page 38: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Inhaltsverzeichnis

Folie 1 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Lehrmodul „Polen auf einen Blick“

Gliederung:

1. Historischer Überblick

2. Einwohner

3. Politik

4. Gewerkschaften

5. Religionsgemeinschaften

6. Wirtschaft

7. Bildungssystem

8. Jugend und Gesellschaft

9. Polen und die Europäische Union

Page 39: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Historischer Überblick

Folie 2 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Historischer Überblick

• Wechselvolle Geschichte

- „Taufe Polens“ (966)

- Blütezeit des poln. Königreiches zur Zeit der Jagiellonendynastie

- III Teilungen Polens (1772, 1793, 1795)

- Unabhängigkeit nach dem I. Weltkrieg (1918)

- II. Weltkrieg und Auswirkungen der Konferenzen von Jalta und Potsdam

Page 40: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Historischer Überblick

Folie 3 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Historischer Überblick

• Zeitgeschichte

- Kniefall W. Brandts vor dem Denkmal des Warschauers Ghetto (1970)

- Karol Wojtyła wird zum Papst gewählt (1978)

- Blutige Arbeiterunruhen (1956, 1968, 1970, 1980)

- Kriegsrecht (1981)

- Gespräche am Runden Tisch (1989)

- EU-Beitritt (2004)

Page 41: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Einwohner – Fläche - Bevölkerung

Folie 4 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Einwohner – Fläche – Bevölkerung

• Ländername: Republik Polen

• Fläche: 312 678 km2 (8. in Europa/29. in der Welt)

• Bevölkerung: 38,19 Millionen (Stand 31.12.2003)

• Religionen: Katholiken (35 Mil.)

• Territorialverwaltung: 16 Wojewodschaften, 306 Kreise und

36 kreisfreie Städte

Page 42: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Politik

Folie 5 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Politik

• Zwei-Kammern-Parlament („Sejm“ und „Senat“)

• Staatsoberhaupt

- der Staatspräsident, max. zwei Wahlperioden à fünf Jahre, vom Volk gewählt

- Verantwortung für die Umsetzung der nationalen Interessen

- kein Eingreifen in die täglichen Regierungsgeschäfte

• Regierung

- Der Ministerpräsident und der Ministerrat

Page 43: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Gewerkschaften Folie 6 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Gewerkschaften

- Anfänge der polnischen Gewerkschaften im 19. Jh.

- Ab 1949 Zentralrat der Gewerkschaften

- 1978 Gründung der freien Gewerkschaft „Solidarność“

- 1981 Auflösung sämtlicher Gewerkschaften

- Ab 1984 kontrollierter Neuaufbau staatsabhängiger Gewerkschaften (OPZZ)

- Seit 90er Jahren Rückgang der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder

Page 44: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Religionsgemeinschaften

Folie 7 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Religionsgemeinschaften

• Römisch-katholische Kirche

- 95 % der poln. Bevölkerung ist katholisch (ca. 35 Mio.)

- oppositionelle Rolle der Kirche im Kommunismus

- neue Situation und neue Rechte nach 1989

• Andere Glaubensgemeinschaften

- Juden, Protestanten, Russischorthodoxe

Page 45: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Wirtschaft

Folie 8 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Wirtschaft

- Polen war einer der ersten Staaten in Mittel- und Osteuropa, die den

Wandlungsprozess von einer staatlichen Planwirtschaft zu einem liberalen

Wirtschaftssystem vorangetrieben haben.

- Dynamisches Wirtschaftswachstum als Magnet für Auslandinvestitionen

- Wichtige Wirtschaftszweige: Schwerindustrie, Maschinenbau, Elektro- und

Elektroniksektor, Energiewirtschaft, Textilindustrie, Lebensmittelindustrie u.a.

- 4% des BIP werden über die Agrarproduktion (hier 18% der Bevölkerung tätig)

erwirtschaftet

- Problem: hohe Arbeitslosigkeit (ca. 19% in 2005)

Page 46: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Bildungssystem Folie 9 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Bildungssystem

1990 erste Bildungsreform,1999 zweite Bildungsreform, bis 2007 in der Umstrukturierung

• Vorschulerziehung

- Für Kinder zwischen 6 und 7 Jahren

• Grundschule (6 Jahre)

- Klasse 1-3 integrierter Anfangsunterricht, Klasse 4-6 fächerübergreifender

Blockunterricht, Kompetenzprüfung

• Gymnasium (3 Jahre)

- Abschließende allg. Prüfung – Zulassung für die Weiterführenden Schulen

Page 47: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Bildungssystem Folie 10 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

• Weiterführende Schulen

- Allgemeines und profiliertes Lyzeum (Abitur)

- Technische Schule (Abitur)

- Berufsschule

• Hochschulwesen

- Abschlüsse: Lizentiat, Diplom, Magister

- Regel-, Fern-, Abend bzw. Wochenendstudium

- Universitäten und Hochschulen, öffentlich und privat

Page 48: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Jugend und Gesellschaft

Folie 11 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Jugend und Gesellschaft

- Früherer Einstieg ins Berufs- und Familienleben als in Deutschland

- Berufswissen und Bildung als Garant für Erfolg

- Hohe Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen bis 25 Jahre (23 % im Jahr 2005)

- In den letzten 15 Jahren deutliche Zunahme von Verbrechen und

Drogenkonsum

Page 49: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Polen und die Europäische Union Folie 12 von 12

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Polen und die Europäische Union

- Anpassung der Wirtschaft, Privatisierung, Reform der Landwirtschaft,

Rechtsangleichung waren die wichtigsten Voraussetzungen für den Beitritt

- Seit 01.05.2004 ist Polen vollwertiges Mitglied der EU (Übergangsregelungen)

• Beziehung zu Deutschland

- Intensive wirtschaftliche Kontakte

- Jugendaustausch, deutsch-polnische Universität Viadrina (Frankfurt Oder)

- Immer noch Vorbehalte in der gegenseitigen Wahrnehmung

Page 50: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

EUROPÄISCHE UNION Europäischer Sozialfonds

Mecklenburg-Vorpommern Ministerium für Arbeit und Bau

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Page 51: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Informationen zum Projekt

Ansprechpartner(innen) der Kooperationsstelle:

Dirk Höhner, Geschäftsführer

Monika Panek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Mona Gembus, Projektbearbeitung

So erreichen Sie uns:

KOWA-MV

Tilly–Schanzen-Str. 17

17033 Neubrandenburg

Tel.: +49 395 555 3170

Fax: +49 395 563 9335

E-Mail: [email protected]

Page 52: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

Das Lehrmodul wurde im Rahmen des Projektes „ Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und

der Region Stettin“ von MitarbeiterInnen der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeits-

welt in Mecklenburg-Vorpommern (KOWA-MV) erstellt.

KOWA-MV in Neubrandenburg agiert als Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt.

Sie ermöglicht durch inhaltliche Vorbereitung und Durchführung von Seminaren, Workshops

und Tagungen für Experten aus den Gewerkschaften, Verbänden, Betrieben und Bildungs-

einrichtungen aus Deutschland und Polen einen intensiven gegenseitigen Informationen- und

Erfahrungsaustausch. Somit können Probleme in der deutsch-polnischen Grenzregion

gemeinsam grenzüberschreitend angegangen und Lösungsvorschläge erarbeitet werden.

Ziel des Projektes „Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und die Region Stettin“ ist die

Vorbereitung und die Begleitung der EU-Erweiterung in der Region Mecklenburg-

Vorpommern und Westpommern. Insbesondere gilt das für Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer, die Bildungseinrichtungen sowie Akteure des sozialen Dialogs. Es werden

bestehende regionale und grenzüberschreitende Kooperationsstrukturen weiterentwickelt

und neue Netzwerke etabliert.

Die Arbeitsmarktinitiative will das Zusammenwachsen einer aktiven deutsch-polnischen

Grenzregion im Norden unterstützen, in der deutsche und polnische Beschäftigte ohne

Vorurteile kooperieren und in der die Entstehung neuer Arbeitsplätze gemeinsam angestrebt

wird.

Das Projekt ist dazu in drei strategische Säulen unterteilt:

Die arbeitsweltorientierte Informationsstrategie stellt die Arbeitsbedingungen von

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Mecklenburg-Vorpommern und Westpommern in

den Mittelpunkt. Sie richtet sich sowohl an deutsche als auch an polnische Teilnehmerinnen

und Teilnehmer, die sich im Rahmen von zweitägigen Branchenseminaren mehrmals treffen

und Kooperationsbeziehungen entwickeln. Die Aktivitäten werden in ausgewählten Branchen

modellhaft gebündelt. Hierbei handelt es sich um Hochschulen, Schienenverkehr,

Dienstleistungssektor (Gebäudereinigung) und Metallindustrie.

Die beschäftigungspolitische Strategie hat die Förderung der Beschäftigung und des

grenzüberschreitenden Sozialen Dialogs zum Ziel. Es sollen gemeinsame grenzüber-

schreitende beschäftigungs- und strukturpolitische Strategien entwickelt und umgesetzt

werden. Zielgruppe in diesem Zusammenhang sind die Sozialpartner aus der Region,

Akteure der Beschäftigungs- und Strukturpolitik sowie interessierte Bürger.

Die soziokulturelle Informationsstrategie hat den Abbau des Wissensdefizits über das

Gesellschaftssystem in der Woiwodschaft Westpommern zum Ziel. Sie richtet sich

Page 53: Lehrmodul - TU Berlin: Technische Universität · PDF fileJohannes Paul II. war nach ... (Rzeczpospolita Polska) Fläche: 312 678 km² Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus,

3

insbesondere an Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer sowie Berufsschülerinnen

und Berufsschüler. Dazu wird zum einen eine Reihe von Seminaren zu folgenden

Themenschwerpunkte angeboten:

- „Der Prozess der „EU-Erweiterung“

- „Grundlegende Geschichte Polens“

- „Polen auf einen Blick“

- „Das Berufsschulsystem in Polen“

- „Das Gesundheitswesen in Polen“

Zum anderen werden Unterrichtseinheiten über das Gesellschaftssystem Polens und die

Auswirkungen der EU-Erweiterung erarbeitet und in Kooperation mit Berufsschulen (und

Schulen) durchgeführt.

Darüber hinaus wird die Kooperation von Berufsschulen durch die Schaffung von Foren für

Berufsschullehrerinnen und Berufschullehrer angeregt, um eine nachhaltige Einbeziehung

deutsch-polnischer Fragestellungen in den Unterricht anzustreben.

Unsere Kooperationspartner sind insbesondere der Interregionale Gewerkschaftsrat

Pomerania (gegründet durch DGB Nord und NSZZ „Solidarność“ Westpommern) die

Arbeitgeberverbände und Kammern, die Hochschulen und die regionalen Bildungsträger

sowie die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität

Viadrina in Frankfurt (Oder).

Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungs-

programms des Landes Mecklenburg-Vorpommern und durch die Europäische Union -

Europäischer Sozialfonds.