Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) Heinrich-Heine ... · Susan: Ich habe auch einen...

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2007 Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM) Heinrich-Heine-Allee 2-4 99438 Bad Berka Telefon: 036458/56-0 Telefax: 036458-56-300 E-Mail: [email protected] Inhalt/Redaktion: Dr. Sigrid Biskupek

Adelheid Kierepka Manuela Metscher

unter Mitarbeit von

Frank Biewendt Joachim Böttner Constanze Gramann Dr. Renate Schenk Titelfoto: Regina Künzel, Zella-Mehlis Dem Land Thüringen, vertreten durch das ThILLM, sind alle Rechte der Veröffentlichung, Verbreitung und Übersetzung und auch die Einspeicherung und Ausgabe in Datenbanken vorbe-halten. Die Herstellung von Kopien in Auszügen zur Verwendung an Thüringer Bildungseinrich-tungen, insbesondere für Unterrichtszwecke, ist gestattet.

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Inhaltsverzeichnis

Zum Anliegen des Materials ...........................................................................................................4 1 Thüringer Lehrpläne – neue Lernkultur und veränderte Bewertung von Schülerleistungen.....5

1.1 Auf dem Schulhof umgehört – Schülermeinungen zur Bewertung.............................................. 5

1.2 Thüringer Lehrpläne und Bewertung ........................................................................................... 7

1.3 Neue Lernkultur – veränderte Rolle der Bewertung .................................................................... 8 2 Beobachten des Lernens ...........................................................................................11 3 Einschätzen des Lernens...........................................................................................15

3.1 Einschätzungsbogen zur Kompetenzentwicklung...................................................................... 16

3.2 Portfolio...................................................................................................................................... 17

3.3 Berichte über das Lernen............................................................................................................ 21 4 Bewerten des Lernens ................................................................................................25 5 Glossar ...............................................................................................................................30

Zum Anliegen des Materials Die kontinuierliche Reflexion der Lehr- und Lernprozesse ist ein wichtiges Qualitätskriterium im Entwicklungsvorhaben zur „Eigenverantwortlichen Schule“ in Thüringen. In diesem Zusam-menhang geht es insbesondere darum, Wege zu einer veränderten Lernkultur in den Schulen aufzuzeigen, bei der Schüler1 mehr Eigenverantwortung für ihr Lernen übernehmen und Lehrer ihren Blick auf Lernprozesse und Kompetenzentwicklung richten. Das vorliegende Material greift Fragen auf, die sich aus diesem Entwicklungsprozess zur eigen-verantwortlichen Schule ergeben und in Fortbildungsveranstaltungen immer wieder gestellt wer-den. Es sind vor allem Fragen zur differenzierten Einschätzung und Förderung der Schüler im Unterricht, wie z. B.: Welche Wege zur differenzierten Bewertung sind möglich? Welche Instrumente können in der täglichen Unterrichtspraxis dafür genutzt werden? Wie kann ich differenziert bewerten? In das vorliegende Material sind der aktuelle internationale und nationale Diskurs und unter-richtspraktische Erfahrungen eingeflossen. Im Ergebnis werden Wege und Instrumentarien be-schrieben, die Impulse und Anregungen für eine veränderte Bewertung im Unterricht geben. Für die Handlungsfelder Beobachten, Einschätzen und Bewerten des Lernens werden mögliche In-strumente beschrieben und mit Beispielen erläutert. Das Material ist so konzipiert, dass an kon-kreten Aufgabenstellungen oder Themen weiter gearbeitet werden kann. Es ist also nicht „fertig“ und erhebt in keinem Fall Anspruch, den einzig möglichen Weg zur Leistungsbewertung aufzu-zeigen. Diese Offenheit bedingt einen ständigen Reflexionsprozess über die eigenen Erfahrungen beim Beobachten, Einschätzen und Bewerten des Lernens.

1 Anm.: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit stehen Personenbezeichnungen für beide Geschlechter.

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1 Thüringer Lehrpläne – neue Lernkultur und veränderte Bewertung von Schülerleistungen

1.1 Auf dem Schulhof umgehört – Schülermeinungen zur Bewertung

Thomas: Jetzt, so vier Wochen vor den Zeugnissen, lege ich einen Gang zu und drängele den Lehrern meine Hefter oder einen Kurzvortrag auf. So biege ich mei-ne Geschichts- und die Geo-Note noch hin. Sebastian: Das finde ich ungerecht. Thomas strengt sich einmal an, kriegt ’ne gu-te Note. Ich lerne immer und das wird nicht bewertet. Susan: Ich habe auch einen Kurzvortrag für Bio vorbereitet und irre viel Materi-al aus dem Internet kopiert, Stunden gesessen und nix ist rausgekommen. Nur weil ich beim Vortrag ins Stocken gekommen bin und die blöden Fragen nicht beant-worten konnte. Echt ungerecht. Sabine: Ich mag Präsentationen vor der Klasse, allerdings übe ich vorher das freie Sprechen und nehme einen kleinen Stichwortzettel. Außerdem solltest du verstehen, was du ausgearbeitet hast und nicht so sinnloses Zeug runterquasseln. Thomas: Gestern gab’s eine Englisch-LK zurück, um einen Punkt an der Drei vorbei. Ich bin sauer. Nun hab ich mal die Texte geübt - und wofür? Was bringt so eine blöde Punktbewertung? Christin: Wenn ich an die nächste Stunde denke, wird mir schon ganz flau, zwei Stunden Mathe-Klassenarbeit. Warum immer die schriftlichen Noten? Mündlich habe ich keine Probleme, aber bei schriftlichen Arbeiten kriege ich Panik. Sabine: Mir geht es genau anders, schriftlich ist OK. Ich freue mich auf Diktate, weil ich weiß, da kriege ich mit Sicherheit eine Eins. Sebastian: Ich hoffe noch auf die Bewertung der Projektarbeit. Aber ehrlich ge-sagt, wenn Thomas da auch wieder absahnt und ohne mit der Wimper zu zucken eine gute Note abfasst, mache ich Krach. Susan: Ich würde an deiner Stelle Frau H. fragen, wie die Noten für die Projekt-arbeit entstanden sind. Frau H. müsste dir begründen können, wonach sie bewer-tet hat.

Wie Frau H. die Bewertung der Projektarbeit von Sebastian begründet, bleibt an dieser Stelle offen. Die fiktiven Pausengespräche der Schüler könnten jedoch so oder in ähnlicher Weise auf vielen Thüringer Schulhöfen zu hören sein. Die Schüler sprechen typische Erfahrungen und Probleme individualisierter Leistungsbewertung an. Oft erleben sie diese als zu wenig transpa-rent und fühlen sich nicht einbezogen. Bewertungskriterien bleiben häufig undurchsichtig, wo-durch Bewertung leicht als subjektiv und ungerecht empfunden wird. Im Folgenden wird versucht, Anregungen für die Beobachtung, Einschätzung und Bewertung individualisierter Lernprozesse zu geben. Dabei sind in der Unterrichtspraxis die Grenzen zwi-schen dem Beobachten, Einschätzen und Bewerten von Schülerleistungen meist fließend. Wenn ein Schüler nach festgelegten Kriterien beobachtet wird, schließt die Einschätzung seiner Lern-handlung oft nahtlos an. Dies kann Grundlage für die Bewertung des Lernprozesses sein.

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Für die drei Handlungsfelder Beobachten – Einschätzen – Bewerten werden mögliche Bewer-tungsinstrumente beschrieben. Dabei bilden die Thüringer Lehrpläne mit ihrem erweiterten Lernbegriff den Ausgangspunkt für die Darstellung der veränderten Rolle der Bewertung. Der erweiterte Lernbegriff zielt auf den Erwerb von Lernkompetenz, wobei das „traditionelle“ fach-lich-inhaltliche Lernen (Sachkompetenz) durch das methodisch-strategische (Methodenkompe-tenz), das sozial-kommunikative (Sozialkompetenz) und das selbsterfahrende, selbstbeurteilende Lernen (Selbstkompetenz) erweitert wird (vgl. dazu auch S. 7).

Einschätzen Vergleichen von Wahrnehmungen mit vorabfestgelegten transparenten Kriterien Dokumentation der Einschätzung kann Grund-lage für die Analyse von Lernprozessen oderfür die Diagnostik des Schülerhandelns sein

Bewerten Beurteilen von Leistungen mit Hilfe transpa-renter Bewertungskriterien entsprechend eines festgelegten Maßstabs

Beobachten gezieltes und strukturiertes Wahrnehmen des Verhaltens unter Zuhilfenahme eigener Noti-zen, Protokolle oder medialer Aufzeichnungen

Überblick über Handlungsfelder

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1.2 Thüringer Lehrpläne und Bewertung Das zentrale Ziel der Thüringer Lehrpläne ist die Entwicklung von Lernkompetenz der Schüler. Der traditionelle, fachlich-inhaltliche Lernbegriff wird durch sozial-kommunikative, methodisch-strategische und persönliche Dimensionen des Lernens erweitert. Dies führt zu einem erweiterten Leistungsbegriff, der die Lernentwicklung des Schülers ganzheitlich umfasst. Ein pädagogisches Leistungsverständnis, das auf die Entwicklung von Lernkompetenz der Schüler fokussiert ist, wird durch folgende Merkmale beschrieben:

- Leistungsbewertung ist produkt- und prozessbezogen. - Leistungsbewertung schließt individuelles und kooperatives Lernen ein.

- Leistungsbewertung fördert die individuelle Eigenverantwortung, die Leistungsbereit-

schaft und Lernmotivation als eine Bedingung für erfolgreiches Lernen.

- Leistungsbewertung trägt dazu bei, dass Kinder und Jugendliche lernen, den eigenen Lernprozess und die eigenen Leistungen und die der Lerngruppe zu reflektieren und ein-zuschätzen. 2

fachlich-inhaltlich

Sachkompetenz

sozial-kommunikativ

Sozialkompetenz

methodisch-strategisch Methodenkompetenz

selbsterfahrend-selbstbeurteilend Selbstkompetenz

erweiterter Lernbegriff

erweiterter Leistungsbegriff

Dimensionen des Lernens

2 Vgl. Bohl, Thorsten: Prüfen und Bewerten im offenen Unterricht. Neuwied 2001, S. 11ff

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Schüler unterscheiden sich in ihren individuellen Lernvoraussetzungen und haben unterschiedli-che Lernbedingungen. Entsprechend verschieden sind ihre Lernwege und Lernergebnisse. Für den Lehrer bedeutet dies, die Heterogenität seiner Lerngruppe bei den Planungsentscheidungen zu berücksichtigen. Der einzelne Schüler kann durch systematisches selbstgesteuertes Lernen gefördert werden. Das heißt jedoch nicht, eine heterogene Lerngruppe auf den gleichen Lern-stand zu bringen. Zur ständigen Begleitung des Lernprozesses gehört die Analyse des Lernstands der Schüler durch den Lehrer. Wenn im Unterricht differenziertes, individuelles Lernen durch entsprechende Lernarrangements ermöglicht wird, muss sich die bisherige Bewertungskultur verändern.

1.3 Neue Lernkultur – veränderte Rolle der Bewertung Schüler verfügen über heterogene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bedürfnisse und lernen auf indi-viduellen Wegen. Die daraus resultierende veränderte Lernkultur wird durch folgende Merkma-le3 beschrieben.

Merkmale einer neuen Lernkultur

Die neue Lernkultur zielt auf eine Demokratisierung des Lernens sowohl aus der Sicht der Leh-renden als auch der Lernenden und fordert mehr Partizipation der Schüler in Bezug auf das Beo-bachten, Einschätzen und Bewerten ihrer Leistungen. Die neue Lernkultur ist geprägt durch: − eine höhere Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Lernenden, bezogen auf die

Lernsituation und die Kompetenzentwicklung − eine stärkere Orientierung auf Lernprozesse und die Kompetenzen zu deren Steuerung (Di-

daktik) − die Hinwendung zu komplexen, alltagsnahen Aufgaben, die alle Kompetenzbereiche der

Schüler fordern

3 Vgl. Winter, Felix: Leistungsbewertung. Eine neue Lernkultur braucht einen anderen Umgang mit Schülerleistun-gen. Hohengehren 2004, S. 6

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Die Lernkultur in den Schulen verändert sich nur, wenn die beteiligten Akteure, Lehrer und Schüler, ihr alltägliches Handeln verändern. Ihre Rollen im Unterrichtsprozess müssen schritt-weise neu verteilt und „erlernt“ werden. Die Leistung des einzelnen Schülers im Lernprozess rückt zunehmend in den Blick des Lehrers und wird mit Hilfe geeigneter Instrumente beobachtet, eingeschätzt oder bewertet. Auch die Leistungsbewertung erfährt folgerichtig eine Veränderung. Sie bezieht die sozial-kommunikative, methodisch-strategische und persönliche Dimension des Lernens ein, ist Teil des Lernprozesses und nicht seine „Endkontrolle“.

Schülerhandeln

Lehrerhandeln

Schüler ... − kennen Lernziele und Kriterien der Bewer-

tung − übernehmen die Aufgabe der Kontrolle und

erlernen entsprechende Techniken − dokumentieren das eigene Lernen − geben sich selbst und anderen inhaltliches

Feedback − entwickeln Interesse am eigenen Lernfort-

schritt

Lehrer ... − legen Lernziele und Kriterien der Bewer-

tung auf Handlungsebene der Schüler fest und arbeiten schülerorientiert

− leiten Selbstbeobachtung, Selbstkontrolle der Schüler an

− erstellen Materialien/Angebote für selbst-ständiges Lernen

− nehmen Diagnose und Bewertung im Dia-log mit den Schülern vor

− ziehen Schlussfolgerungen für individuelles und gemeinsames Lernen

Ziel: − eigener Erkenntniszuwachs − mehr Unabhängigkeit und Verantwortung

Ziel: − Lernbegleiter und Lernberater

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2 Beobachten des Lernens Beim Beobachten werden z. B. Lernhandlungen, Lernstrategien oder Lösungswege der Schüler im Unterricht bewusst durch Sehen und Hören wahrgenommen. Diese Wahrnehmungen können durch eigene Notizen, Protokolle oder mediale Aufzeichnungen dokumentiert werden. Für die Beobachtung und Dokumentation von Lernprozessen einzelner Schüler oder Lerngrup-pen ist ein Beobachtungsbogen hilfreich. Ein strukturiertes Raster mit Kriterien und einer Ska-lierung erleichtert das Vorgehen. Die Analyse der Beobachtungsergebnisse kann Grundlage für Reflexionen über die beobachteten Lernhandlungen sein und dem Schüler die individuellen Stärken und positiven Leistungen be-wusst machen. Im Gegensatz dazu steht die häufige Praxis Fehler oder Fehlleistungen aufzuzei-gen, ohne deren produktive Funktion für den Lernprozess zu nutzen. Es sind verschiedene Formen der Beobachtung möglich: − die gegenseitige Beobachtung der Schüler − die Beobachtung des Schülers/der Schülergruppe durch den Lehrer − die Selbstbeobachtung der Schüler Der Beobachtungsbogen wird vor allem für die Leistungsermittlung in komplexen Lernprozes-sen und bei Präsentationen genutzt. Um die Aufnahme- und Dokumentationsfähigkeit des Beob-achters nicht zu überfordern, bleibt die Beobachtung auf wenige Schüler oder eine kleine Schü-lergruppe beschränkt. Beim Beobachten sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein: − Die Schüler sind bereit, im Beobachtungsprozess mitzuarbeiten und für die Beobachtung

motiviert. − Das Klima in der Lerngruppe ist offen und vertrauensvoll. − Die Schüler sind mit dem Beobachtungsverfahren und der auswertenden Reflexion über das

Lernen vertraut. − Die Beobachtungskriterien und Indikatoren sind transparent. − Die Beobachtungskriterien und Indikatoren sind für die Beteiligten verständlich formuliert. − Der Beobachtungsbogen ist übersichtlich und handhabbar. Grenzen und Chancen Die Wahrnehmungsfähigkeit des Lehrers in einem bestimmten Zeitraum hat physische Grenzen. Wenn Schüler in den Reflexionsprozess einbezogen werden, lassen sich „Beobachtungslücken“ schließen und gemeinsam eine Leistungseinschätzung erarbeiten. Ein Problem beim Beobachten liegt im Lernprozess selbst begründet, der sich in inneren und äußeren Lernhandlungen vollzieht. Innere Lernvorgänge sind rein gedanklich und von außen nicht beobachtbar. Ein möglicher Ausweg, die inneren Vorgänge zu ergründen, ist die Wieder-gabe der Gedanken des Lernenden - das „laute Denken“. Daraus lassen sich Rückschlüsse über Lernwege und innere Lernhandlungen ableiten.

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Beispiel für Lehrer-Beobachtungsbogen

Lehrer-Beobachtungsbogen Gruppenarbeit

Skalierung

gesichert erreicht

erreicht, aber z. T. noch unsicher

Ansätze erkennbar

nicht erreicht

Indikatoren

++ + - - - Schüler A B C D A B C D A B C D A B C D

Kriterien

SEHEN stellt Material zur Verfügung

spricht mit anderen hält Blickkontakt sitzt in der Gruppe übernimmt Aufga-ben/Rolle in der Gruppe

HÖREN spricht mit anderen über die Aufgabe

argumentiert

Verantwortung übernehmen

fordert andere auf SEHEN

hält Blickkontakt hält vereinbarte Regeln ein

nutzt Informations-möglichkeiten

HÖREN spricht Probleme an benutzt Fachspra-che

Arbeitsweise in der Gruppe

geht auf andere ein Wenn sich Lehrer entschließen, Schüler in die Leistungsbewertung einzubeziehen, sind sie auf dem Weg, die Lernkultur zu verändern. Schüler erhalten mehr Eigenverantwortung und größere Selbstständigkeit für ihren Lernprozess. Die Selbstbeobachtung der Schüler unterstützt den kriti-schen Umgang mit dem eigenen Arbeits- und Sozialverhalten und fördert die Entwicklung eines realistischen Selbstbildes.

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Beispiel für einen Schüler-Selbstbeobachtungsbogen

Selbstbeobachtungsbogen

Gruppenarbeit Wie hast Du in Deiner Gruppe gearbeitet?

Ich bringe Material zum Thema mit.

Ich spreche mit ande-ren zum Thema.

Ich sorge dafür, dass alle auf die Zeit achten. (Zeitwächter)

Ich halte mich an die Gruppenregeln.

Für die Erarbeitung eines Beobachtungsbogens gibt es keine allgemeingültigen Vorga-ben. Jeder Bogen ist ein „Einzelstück“. Es gibt jedoch vielfältige Erfahrungen, die beimEntwickeln eines Beobachtungsbogens helfen können Unsere Tipps für Sie

Bestimmen Sie zunächst das Ziel der (komplexen) Aufgabe. Gliedern Sie den Lernprozess in Teilprozesse (inhaltlich und zeitlich). Leiten Sie daraus entsprechende Bewertungsschwerpunkte ab. Legen Sie die Wichtung der Schwerpunkte fest. Bestimmen Sie entsprechende Beobachtungskriterien.

Denken Sie dabei daran: „Was kann ich sehen?“ „Was kann ich hören?

Nutzen Sie als Dokumentationshilfe eine Skalierung. Wir empfehlen Ihnen dafür ein vierstufiges System, um einer Assoziation mit der sechsstufigen Notenskala zu entgehen.

Entscheiden Sie, ob der Bogen der Fremdbeobachtung durch den Lehrer o-der/und der Selbstbeobachtung durch den Schüler dient.

Stellen Sie den Beobachtungsbogen gemeinsam mit den Schülern auf. Beachten Sie dabei, dass die Indikatoren für den Schüler verständlich formuliert

und im Umfang begrenzt sind. Reflektieren Sie gemeinsam mit den Schülern den Beobachtungsprozess.

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3 Einschätzen des Lernens Beim Einschätzen werden Wahrnehmungen mit vorab festgelegten Kriterien verglichen. Eine Einschätzung kann Grundlage für die Analyse des beobachteten Lernprozesses oder für die Dia-gnostik des Schülerverhaltens sein. Im Schulalltag gehört die Einschätzung des Schülers durch den Lehrer – Fremdeinschätzung – zur täglichen pädagogischen Praxis. Die Fremdeinschätzung des Lernens kann zum Beispiel mit entsprechenden Instrumenten wie dem Thüringer Einschätzungsbogen zur Kompetenzentwick-lung oder durch reflektierende Gespräche zwischen Lehrer, Schüler oder der Lerngruppe erfol-gen. Wenn Schulen sich auf den Weg zu einer veränderten Lernkultur begeben, verändert sich die Perspektive der Einschätzung des Lernens. Zur Fremdeinschätzung durch den Lehrer kommt schrittweise die Selbsteinschätzung durch den Schüler hinzu. In diesem Prozess übernimmt der Lernende zunehmend Verantwortung für die eigene Kompetenzentwicklung. Dazu bedarf es der Unterstützung durch den Lehrer. Er muss seine veränderte Rolle als Lernbegleiter begreifen und den Unterricht so gestalten, dass die Schüler zur Selbstreflexion befähigt werden. Ziel der Selbsteinschätzung Die Selbsteinschätzung macht dem Schüler Stärken und Schwächen bewusst, zeigt seine Lern-fortschritte auf und unterstützt die Entwicklung des Schülers zum mündigen Lerner. Zur Bewertung der Qualität der Schülerleistungen werden Kriterien von Lehrkraft und Schülern erarbeitet und Bewertungsraster erstellt. Sie sollen dem Schüler helfen, seine Lernprodukte mög-lichst objektiv einzuschätzen und Lernfortschritte aufzuzeigen. Die Bewertungsraster erfüllen eine doppelte Funktion. Zum einen sind sie ein Mittel, mit dem der Schüler lernt, vor allem seine Stärken, aber auch seine Schwächen einzuschätzen, zum anderen befördern sie durch ihre positi-ve Formulierung die Selbstkompetenz und das selbstbewusste Lernen des Schülers. Einschätzungskriterien können z. B. aus den Lehrplanzielen, den Nationalen Bildungsstandards, den Kompetenztests, dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen oder der konkreten Aufgabenstellung abgeleitet werden. Ein möglicher Zugang kann auch das zu erwar-tende Lernprodukt, der Lernprozess oder, falls geplant, die Präsentation der Ergebnisse sein. In jedem Fall sollten die Einschätzungskriterien mit dem Schüler besprochen und mit ihm erarbeitet werden. Das wichtigste Gebot ist die Transparenz des Verfahrens und vor allem der Kriterien für Schüler, Eltern und Lehrer. Die festgelegten Einschätzungskriterien sollen die Selbstreflexion des Schülers anregen und bil-den die Grundlage für einen Dialog über das Lernen. Dazu können verschiedene Instrumente genutzt werden, wie z. B. − Einschätzungsbogen zur Kompetenzentwicklung − Portfolio − Lernbericht − Lerntagebuch − Einschätzungsbogen mit Einschätzungsraster4 − Fragen zur Einschätzung des Lernens

4 Vgl. Bewertung nach dem Kompetenzmodell. Reihe Materialien Heft 86. ThILLM Bad Berka 2003

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3.1 Einschätzungsbogen zur Kompetenzentwicklung Die Thüringer Lehrpläne gehen auf einen erweiterten Lernbegriff zurück, der fachlich-inhaltliches und gleichermaßen methodisch-strategisches, sozial-kommunikatives und selbster-fahrend-selbstbeurteilendes Lernen einschließt. Aus der veränderten Lernkultur erwächst eine veränderte Bewertungskultur, die auch die Entwicklung der Methoden-, Sozial- und Selbstkom-petenz der Schüler erfasst. Mit der Implementation der Thüringer Lehrpläne wurde ein Ein-schätzungsbogen zur Kompetenzentwicklung5 erarbeitet und sukzessive weiterentwickelt. Der Bogen enthält sechs Kompetenzelemente, die auf die o. g. Kompetenzbereiche zurückgehen. Die Einschätzung von Kompetenzen ist komplex und manchmal auch schwierig, weil man Kom-petenzen nicht beobachten, sondern nur aufgrund von Handlungsmerkmalen erschließen kann.

Lernkompetenz

Selbstkompetenz Sozialkompetenz Methodenkompetenz Sachkompetenz

Kompetenzelemente des Einschätzungsbogens

1. Verstehen und Problemlösen 4. Präsentation 2. Methodisches Vorgehen 5. Zusammenarbeit 3. Sorgfalt 6. Selbstreflexion

Die Handlungsmerkmale beschreiben die jeweiligen Kompetenzelemente, wobei dies nicht im-mer trennscharf gelingt und es Überschneidungsbereiche gibt. Den Kompetenzelementen wird eine vierstufige Einschätzungsskala zugeordnet. Die Vierstufigkeit wurde gewählt, um einer As-soziation zur Notenskala zu entgehen. Die Einschätzung der überfachlichen Kompetenzentwick-lung wird in einem Feld „Hinweise“ verbal erläutert. Damit wird dem Schüler und den Eltern eine Rückmeldung über die Lernentwicklung gegeben. Jeder Hinweis sollte (mindestens) einen lerndiagnostischen Satz und (mindestens) einen lernfördernden Satz zu den sechs Kompetenz-elementen des Einschätzungsbogens enthalten. Der Bogen ist kein Beurteilungs-, sondern ein Beratungs- und Förderinstrument für die Kompe-tenzentwicklung der Schüler. Die Einschätzungen in den Hinweisfeldern werden in den Gesprä-chen mit Lehrern, Schülern und Eltern und gemeinsam beraten, um die Stärken der Schüler zu stärken und um Schwächen in der Lernentwicklung zu überwinden. Gemeinsam werden Verein-barungen zur Kompetenzentwicklung (Zielvereinbarung) zwischen allen Beteiligten getroffen und auf dem Einschätzungsbogen dokumentiert. Nachfolgende Gesprächen zur Zielvereinbarung unterstützen die Kompetenzentwicklung des Schülers. Insofern ist der Bogen ein Instrument der innerschulischen Kommunikation und der Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus. Der Einschätzungsbogen selbst und die Beratungsgespräche sollten immer ein Signal der Ermutigun-gen und nicht der Entmutigungen sein.

5 „Einschätzung zur Kompetenzentwicklung“ – ein Beispiel für Schulentwicklung in Thüringen. Thüringer Kultus-ministerium 2003

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3.2 Portfolio Ein Portfolio im ursprünglichen Sinne ist eine Mappe, in der Künstler und andere kreative Be-rufsgruppen ihre repräsentativsten Arbeiten aufbewahren und vorzeigen. Im Schüler-Portfolio werden persönliche Lern- und Arbeitsvorhaben sowie Ergebnisse gesam-melt. Es ist gleichermaßen prozess- und produktorientiert und basiert auf Selbstreflexion und Metakognition.

„Ein Portfolio ist eine metakognitive Auseinandersetzung mit Lernsituationen. Die Lernenden setzen sich mit Inhalten auseinander, beobachten dabei ihren Lernprozess und versuchen ihm einen Sinn zu geben“ 6

Im pädagogischen Sinne wird unter Portfolio eine gezielte und bewusst vorgenommene Aus-wahl und reflektierte Dokumentation von Schülerarbeiten verstanden. Der Schüler wird aufgefordert nach entsprechenden Kriterien, die in der Aufgabenstellung selbst vorgegeben oder mit der Lehrkraft ausgehandelt worden sind, seine besten Arbeiten zu sammeln, zu reflektieren und später zu präsentieren. Er denkt über sein Lernen nach, stellt sein Können dar, erkennt Stärken und Schwächen und setzt sich neue Lernziele. Auf diese Art und Weise nimmt der Schüler aktiven Einfluss auf die Einschätzung seiner Leistungen durch die Lehrkraft und übernimmt Verantwortung für sein Lernen. Portfolios dokumentieren die individuelle Entwicklung über einen längeren Zeitraum und sind an keine spezifischen Lernkontexte gebunden. Das Führen eines Portfolios ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und verlangt von den Schülern Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Selbst-ständigkeit, Ausdauer. Vor allem aber erfordert die Portfolioarbeit vom Schüler selbstreflexives Handeln und die metakognitive Fähigkeit, das eigene Handeln sprachlich angemessen zu be-schreiben. Dazu bedarf es der systematischen Vorbereitung und Begleitung der Schüler durch die Lehrkraft. Da der Prozess des Hinführens zur selbstständigen Arbeit mit einem Portfolio sehr zeitaufwändig ist und sich über einen langen Zeitraum erstreckt, wird empfohlen, den Portfolio-Gedanken (sammle – reflektiere –präsentiere) kontinuierlich und in allen Unterrichtsfächern aufzugreifen. Im Folgenden wird exemplarisch dargestellt, welche Steuerungsmechanismen eingesetzt werden müssen, um das Portfolio als ein Instrument der Einschätzung – sowohl der Selbst- als auch der Fremdeinschätzung – von Schülerleistungen zu nutzen. Zunächst werden Gespräche zwischen der Lehrkraft und den Schülern über das Portfolio, über Auswahlkriterien, Ordnungsprinzipien, Zeiten für die Arbeit, Regeln, etc. geführt. Danach wer-den Vereinbarungen entweder mit der ganzen Klasse, mit einzelnen Gruppen oder individuell über zu erreichende Ziele, Inhalte und Produkte getroffen. In dieser Phase werden den Schülern die Lehrplanziele und die sich daraus ableitenden Anforderungen an ihre Arbeit transparent ge-macht. Sie erhalten Instrumentarien, um die Auswahl der zu bearbeitenden Inhalte zu bestimmen und darüber zu berichten. Dies können z. B. Fragebögen oder strukturierte Reflexionsbögen sein, die zu Beginn, während und am Ende des Prozesses von den Schülern ausgefüllt und in das Portfolio aufgenommen werden. Vor allem aber erhalten die Schüler auch ein Repertoire an Einschät-zungsvokabular. Indem Lehrkräfte und Schüler die gleiche Sprache sprechen, wird das bewusste und selbstverantwortete Lernen der Schüler befördert.

6 Behrens, M. (1997). Das Portfolio zwischen formativer und summativer Bewertung. Beiträge zur Lehrerbildung 15 (2), S. 179.

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Das Portfolio enthält Elemente eines Lerntagebuchs, in dem der Schüler auf verschiedene Art und Weise die Gelegenheit wahrnimmt, seinen Lernprozess, seine Lernprodukte, aber auch Lernerfolge regelmäßig einzuschätzen und zu dokumentieren. Dadurch werden Stärken, aber auch Schwächen, vor allem im Bereich der Selbst-, Sozial- und der Methodenkompetenz be-wusst gemacht. Dazu bedarf es der Unterstützung durch die Lehrkraft. Je strukturierter inhaltli-che Vorgaben zur Selbsteinschätzung sind, desto besser ist der Schüler motiviert, sich der Auf-gabe zu stellen und desto höher ist die Wirkung der Selbsteinschätzung seines persönlichen Ler-nens. Beispiele für mögliche inhaltliche Strukturierungen Beispiel 1: • Das habe ich über dieses Thema bereits gewusst ............................................................................................................................................ • Das habe ich bei der Arbeit gelernt ............................................................................................................................................ • Das möchte ich noch besser machen ............................................................................................................................................ Beispiel 2: • Das ist mir besonders gut gelungen ............................................................................................................................................ • Hier habe ich noch Schwierigkeiten ............................................................................................................................................ • So versuche ich, diese Schwierigkeiten zu überwinden ............................................................................................................................................ • Hierbei hätte ich gern Hilfe ............................................................................................................................................

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Beispiel 3: Strukturierter Reflexionsbogen zum Einschätzen des Könnens (Sachkompetenz) 7 Der Schüler beschreibt mit Hilfe von Deskriptoren seine Kompetenzentwicklung zu unterschied-lichen Zeitpunkten und erkennt dadurch Lernfortschritte. Diese Dekriptoren basieren auf dem Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Da die Formulierungen positiv sind und dadurch nicht vordergründig Lerndefizite dokumentiert werden, wird der Schüler dafür sensibilisiert, seine Stärken zu erkennen, aber auch seine Schwä-chen. Als Richtgröße für eine bestimmte Lernstufe sind die zu erreichenden Kompetenzstufen des GER vorgegeben.

WAS ICH SCHON IM SPRECHEN KANN WENN ich an Gesprächen teilnehmen und etwas sagen möchte und

wenn mein Partner sehr langsam und sehr deutlich spricht.

SPRACHE: ............................................................. Datum:

Ich kann einfache Fragen zu meiner Person beantworten und sagen

…..wie ich heiße.

…..wie alt ich bin.

…..wo ich wohne.

Selbsteinschätzungsbogen Auf den folgenden Seiten schätzt du selbst ein, wie du eine oder mehrere Sprachen ver-stehen und sprechen kannst und was dir dabei hilft. Du kannst selbst entscheiden, wie oft und welche Tabellen du ausfüllst. Wenn du dir eineTabelle mehrmals vornimmst, wirst du erkennen, welche Fortschritte du in deinen Spra-chen gemacht hast. Dazu ist es notwendig, dass du für jede Sprache extra eine Tabelle ausfüllst. Deine Leh-rer, Freunde oder deine Eltern können dir dabei helfen. Auch dein Lehrer oder deine Lehrerin können dich einschätzen. Sicher wird es dich inte-ressieren, ob sie der gleichen Meinung sind.

7 Anm. Das Beispiel wurde aus dem Europäischen Sprachenportfolio Grundschule für Thüringen 2006 entnommen.

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Die Sinnhaftigkeit der Reflexion für den Schüler wird verstärkt, indem die Selbsteinschätzungs-bögen für Lerngespräche zwischen der Lehrkraft und dem Schüler genutzt werden. Das Führen eines Portfolios bedeutet aber vor allem, dass Lern- bzw. Arbeitsprodukte über den Zeitraum eines Schuljahres gesammelt werden, die Auskunft über das Lernen und die Kompe-tenzentwicklung des Schülers geben. Dabei entscheidet er selbst, welche Arbeiten aufgenommen werden und macht diese Entscheidung auch deutlich: „Ich habe diese Arbeit in mein Portfolio aufgenommen, weil ...“ So entsteht über einen längeren Zeitraum eine Dokumentation über das Können der Schüler, die von der Lehrkraft genutzt werden sollte, um sich in individuellen Ge-sprächen einen Eindruck über das Lernen und den Könnensstand des Schülers zu verschaffen und um die Arbeit und Fortschritte des Schülers wertzuschätzen. Zur Bewertung der Qualität der Schülerleistungen wird ein Bewertungsraster gemeinsam von Lehrkraft und Schülern erstellt, das

- die Lernziele, die die Schüler erreichen sollen − die Einzelleistung, aus denen sich eine komplexe Gesamtleistung ergibt − der Beitrag des Einzelnen in einer Gruppenarbeit − die notwendigen Denk- und Arbeitsschritte

zum Inhalt hat. Formulierungen für Qualität können z. B. „fantastisch“, „akzeptabel“ bzw. „in-akzeptabel“. oder „Das kann ich sehr gut.“; „Das kann ich gut.“; „Da muss ich noch üben.“ sein. Auf der Grundlage dieser Bewertungsraster werden Portfoliogespräche geführt zwischen der Lehrkraft und dem jeweiligen Schüler, der Schüler untereinander, aber auch der Schüler mit ih-ren Eltern und der Lehrkräfte mit Eltern und Schülern. Chancen der Portfolioarbeit Der Einsatz des Portfolios verändert die Unterrichtskultur und damit einhergehend die Chance zur Veränderung der Bewertungskultur. Die Schüler werden aufgefordert, sich aktiv an der Ein-schätzung der eigenen Leistungen zu beteiligen und sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Im Dialog mit den Schülern erhält die Lehrkraft zusätzliche Informationen über das Lernen, die in die Einschätzung der Schülerleistung einfließen und ihr helfen, die Schü-ler angemessen zu bewerten. Zusammenfassend kann die Wirkung des Portfolios als Instrument zur Leistungseinschätzung wie folgt beschrieben werden:

• Die Schüler werden motiviert, indem nicht nur Lernprodukte bewertet, sondern auch Lern-prozesse öffentlich gemacht werden.

• Die Schüler erhalten die Möglichkeit, ihre Kompetenzentwicklung und ihre Stärken aktiv zu präsentieren, statt sich passiv bewerten zu lassen. Sie übernehmen Verantwortung für ih-ren Lernprozess und dessen Einschätzung.

• Die Schüler können ihre selbst gewählten Themen und Produkte präsentieren. Sie sind stolz auf ihre Arbeit. Hierin liegt eine der wenigen Möglichkeiten intrinsischer Motivation im Unterricht.

• Die Reflexion fördert die Selbsteinschätzung und das Bewusstsein für Stärken und Schwä-chen. Dieses Bewusstsein ermöglicht Lernfortschritte.

• Die Nutzung des Portfolios bedeutet weniger Stress, da die Leistung über einen längeren Zeitraum hinweg eingeschätzt wird.

• Die Lehrer werden zunehmend zu Beratern (Coaches) im Lernprozess.

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3.3 Berichte über das Lernen Berichte über das Lernen sind besonders geeignet, um überfachliche Kompetenzen (Methoden-, Selbst-, und Sozialkompetenz) einzuschätzen. Gleichermaßen wird den Lernenden und den Leh-renden die Möglichkeit geboten, das Lernen und die Lernentwicklung gezielt und permanent im Blick zu haben. Der Schüler wird zunehmend zum Subjekt des Lernens. Berichte über das Lernen sind schriftliche Darstellungen, die vom Schüler und/oder dem Lehrer unter Beachtung verschiedener Kriterien, wie z. B. Aufgabenstellung, Lösungsstrategie, Sozial-verhalten angefertigt werden. Sie dienen Lernenden und Lehrenden dazu, den Stand der Ent-wicklung in einem Kompetenzbereich zu dokumentieren, Fortschritte sichtbar zu machen und Konsequenzen für künftiges Handeln zu ziehen. Bestimmte Entwicklungsprozesse der Schüler bleiben oft „unsichtbar“. Fragen, wie z. B. − Wie wurde gearbeitet? − Wem fiel die Aufgabe schwer/leicht? − Wem bereitete diese Art Aufgaben Freude am Lernen oder wer hatte gerade damit Schwie-

rigkeiten? werden im Unterrichtsalltag oft nicht gestellt. Ein Bericht über das Lernen macht Stärken und Schwächen des Schülers deutlich und ermög-licht, diese effizient für den Lernprozess zu nutzen. Beispiele für Formen der Berichte über das Lernen sind − der Lernbericht − das Lerntagebuch Die Begriffe werden häufig synonym verwendet und sind hinsichtlich Anliegen, Inhalt, Einsatz und Verwendung nicht trennscharf. In Abhängigkeit von der gewünschten Funktion können Be-richte, einschließlich des Portfolios, Lerntagebücher sein. Lernberichte und Lerntagebücher dokumentieren den Lernprozess bzw. das Gelernte. Einsatzmöglichkeiten Berichte über das Lernen kommen in unterschiedlichen Lernkontexten immer dann zum Einsatz, wenn das Beobachten, Einschätzen und Reflektieren des Lernens beabsichtigt ist. Bewährt haben sich Berichte über das Lernen bei komplexen Lern- und Arbeitsprozessen und bei Lernproduk-ten, wie z. B. dem Projektunterricht, dem Lernen an Stationen, der Seminarfacharbeit des Gym-nasiums oder bei der Projektarbeit der Regelschule. Das Beobachten, Einschätzen und Reflektieren über das Lernen erfordert die Festlegung von Kriterien, mit deren Hilfe Wahrnehmungen aus komplexen Lern- und Arbeitsprozessen vergli-chen werden. In Form von Fragestellungen und/oder Standardformulierungen werden u. a. Angaben dazu er-fasst − was getan wurde, − wie vorgegangen wurde, − ob bzw. welcher Lernzuwachs zu verzeichnen war, − wie der Lern- und Lehrprozess empfunden wurde, − wie der Arbeitsprozess eingeschätzt und bewertet wird. Sie stärken das Selbstvertrauen der Schüler und regen sie zur Selbsttätigkeit an. Daher sollten Berichte über das Lernen nicht zwingend Gegenstand von Bewertung und Zensierung sein.

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Chancen und Grenzen Berichte über das Lernen bedingen eine veränderte Lernkultur und damit ein verändertes Han-deln von Schülern und von Lehrern. Durch das Berichten über ihr Lernen werden die Schüler angeregt, über ihr Handeln nachzudenken und ihren eigenen Lernprozess selbstkritisch und ei-genverantwortlich in den Blick zu nehmen. Neben der Planung und Organisation erkennen sie eigene Vorlieben, Stärken und Schwächen und lernen, diese zu reflektieren. Ein gewisses Maß an Erfahrung und Training ist dafür genauso notwendig, wie die Bereitschaft, das eigene Lernen schriftlich zu dokumentieren und zu reflektieren. Die Anleitung und Unterstützung durch den Lehrer ist hierbei erforderlich. Selbstkompetenz können Schüler nur durch eigenes Mittun erwerben. Aus Sicht des Schülers steht das Erlangen möglichst guter Noten traditionell im Vordergrund. Das Lernen aus Fehlern und der Wille, aus Erfahrungen zu lernen, muss häufig erst von Grund auf ausgebildet werden. Wenn Berichte über das Lernen eingeführt und etabliert sind und auch regelmäßig dokumentiert werden, geben sie wesentliche Informationen über die Entwicklung der Schüler und ihr Lernver-halten. Sie können als ein Medium der Kommunikation fungieren und sind Lernmotivation für die Schüler, weil der Prozess des Lernens und individuelle Lernfortschritte nachvollziehbar wer-den. Reflexionsfähigkeit und Selbstwahrnehmung sind unerlässliche Grundlagen für selbststän-diges Lernen. Die Herausforderung für den Lehrer besteht darin, genügend Raum für ein aktives und indivi-duelles Lernen zu schaffen, wie − Aufgabenstellungen, die unterschiedliche Lösungswege und Kreativität zulassen und auf

unterschiedlichen Niveaustufen angeboten werden, − individuelle Erfolge oder Misserfolge festzustellen und zur Sprache bringen zu können. Dem Lehrer bietet sich die Möglichkeit, das oben beschriebene Handeln der Schüler entspre-chend zu würdigen und gezielt für die individuelle Förderung und Beurteilung des Einzelnen zu nutzen. Er muss gewährleisten, dass die Kriterien seiner Einschätzung eindeutig, transparent und nachvollziehbar sind. Das verlangt auch vom Lehrer ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Kon-sequenz. Berichte über das Lernen müssen in ihrer Grundstruktur verständlich, übersichtlich und hand-habbar sein, so dass sie für alle Beteiligten zu einem brauchbaren und wirksamen Instrument der Einschätzung und Bewertung werden können. Als Diagnoseinstrument ermöglicht der Lernbericht auch Einblicke in Absprachen zwischen den Schülern, in fördernde oder hemmende Faktoren des individuellen Lernens und in Gruppenpro-zesse. Er liefert wichtige Erkenntnisse für die Planung von Unterricht. Das gemeinsame Reflektieren von Lern- und Arbeitsprozessen in Form von Berichten über das Lernen kann ein Unterrichts- und Arbeitsklima fördern, das durch gegenseitige Achtung und Anerkennung geprägt ist. Die Initiierung selbstgesteuerter, individueller Lernprozesse rechtfer-tigt den hohen Zeit- und Arbeitsaufwand der Lehrer für die Einführung und Etablierung dieses Instruments.

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Für das Einschätzen des Lernens stehen vielfältige Instrumente zur Verfügung. Die Aus-wahl des geeigneten Instruments wird sowohl durch den zeitlichen Rahmen als auchdurch die Perspektive (Selbst- bzw. Fremdeinschätzung) bestimmt. In jedem Fall musssichergestellt sein, dass die Lernenden zunehmend Verantwortung für die eigene Kompe-tenzentwicklung übernehmen. Unsere Tipps für Sie

Bestimmen Sie zunächst das Ziel der Einschätzung.

Wählen Sie das entsprechende Instrument aus.

Entwickeln Sie gemeinsam mit den Schülern entsprechende Einschätzungskrite-rien.

Beachten Sie dabei, dass die Kriterien für den Schüler verständlich formuliert und

im Umfang begrenzt sind.

Planen Sie Phasen für die gemeinsame Reflexion ein.

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4 Bewerten des Lernens Beim Bewerten wird eine erbrachte Schülerleistung mit vorab festgelegten Bewertungskriterien verglichen und entsprechend ihrer Güte in einen Bewertungsmaßstab eingeordnet. Bewerten und Beurteilen unterscheiden sich dahingehend, dass − eine Bewertung die konkrete detaillierte Einordnung einer Leistung in einen beschriebenen

Maßstab darstellt − eine Beurteilung sich auf einen längeren Zeitraum bezieht und damit stärker an juristische

Vorgaben gebunden ist.8 Bei der Leistungsbewertung sind nachfolgende Grundsätze9 zu beachten: − Die Leistung ist individuell zurechenbar, d. h. der Schüler erbringt die Arbeit selbstständig

und ohne fremde Hilfe.10 − Der Maßstab für die Leistungsbewertung sind die verbindlichen Anforderungen, insbesonde-

re die Lernplanziele. − Die gestellten Aufgaben erfüllen nachfolgende Anforderungen:

- sie müssen lösbar, also nicht mehrdeutig oder unverständlich sein - die richtige Lösung muss fachwissenschaftlich vertretbar sein - die Aufgabe muss zum behandelten Stoff gehören

− Die Bewertung darf nicht durch sachfremde Erwägungen beeinflusst werden, wie z. B. Sym-pathie oder Antipathie.

− Es gilt der Grundsatz der Chancengleichheit. − Die Leistungseinschätzung wird begründet und reflektiert, insbesondere bei einer als fehler-

haft erachteten Bewertung.

Bewertungsbogen Der Bewertungsbogen ist ein Instrument zur Leistungseinschätzung von besonders komplexen Lehr- und Lernarrangements, wie z. B. projektorientiertes Arbeiten oder Gruppenarbeit. Er do-kumentiert die Schülerleistung und nimmt die o. g. Grundsätze zur Leistungsbewertung auf. Der Bewertungsbogen fasst in einem Raster Bewertungskriterien zusammen, die der jeweiligen Un-terrichtsform entsprechen. Der Vorteil eines Rasters ist es, dass es ständig verändert werden, an aktuelle Unterrichtssituationen angepasst bzw. durch weiterführende Kriterien ergänzt werden kann. Bewertungskriterien werden aus der Zielstellung der Aufgabe abgeleitet und je nach Schwer-punktsetzung gewichtet. Dabei können alle Kompetenzbereiche gleichzeitig oder punktuell, in Abhängigkeit von der Aufgabe, erfasst werden. Bewertungsbögen greifen nur solche Kriterien auf, die beobachtbar und bewertbar sind. Mit Hilfe von Bewertungsbögen werden Stärken und Schwächen des Schülers detailliert erfasst. Sie sind eine mögliche Grundlage für den Schüler, den eigenen Lernprozess zu reflektieren und zu gestalten. Das setzt voraus, dass die Kriterien für die Bewertung dem Schüler bekannt und, im Idealfall, mit ihm erarbeitet worden sind.

8 vgl. Bohl, Thorsten: Prüfen und Bewerten im offenen Unterricht. Weinheim u. Basel 2004, S. 60-61 9 vgl. Avenarius, Hermann: Schulrechtskunde. Ein Handbuch für Praxis, Rechtssprechung und Wissenschaft, 7. neubearb. Auflage, Neuwied 2000, S. 501ff 10 Anm. Aus pädagogischen Gründen kann eine Gruppenarbeit bewertet werden, wenn die individuellen Beiträge deutlich abgegrenzt sind und die Bewertung nicht den Ausschlag für die Jahresnote gibt. (vgl. dazu Avenarius a. a. O., S. 502)

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Einsatzmöglichkeiten In Thüringer Schulen gibt es bereits Erfahrungen im Umgang mit Bewertungsbögen, z. B. im Seminarfach des Gymnasiums und in der Projektarbeit der Regelschule. Bewertungsbögen werden immer dann im Unterricht eingesetzt, wenn die Schüler fachbezogene oder fächerübergreifende Problemstellungen weitestgehend selbstverantwortlich und selbstge-steuert bearbeiten können. Die beteiligten Lehrer planen im Team über das Einzelfach hinausge-hende Themen und vertiefen Methoden in neuen Strukturen und Zusammenhängen. Sie nutzen variable Konzepte und Medien für den Unterricht, favorisieren soziale Lernprozesse und wenden neue Formen der Bewertung an. Chancen und Grenzen Der Bewertungsbogen bezieht bei verantwortungsbewusster Handhabung die Schüler in den Prozess der Bewertung ein. Zum Beginn des Lernprozesses wird den Schülern das Lernziel durch transparente Bewertungskriterien und deren Wichtung verdeutlicht. Für den Lehrer ist der Bewertungsbogen konkreter Nachweis der erbrachten Schülerleistung innerhalb eines Prozesses, bei der Vergabe epochaler Noten oder der Bewertung eines Produktes. Mit diesem Bewertungs-instrument können individuelle Schülerleistungen innerhalb einer Gruppenarbeit erfasst und do-kumentiert werden. Um eine Vergleichbarkeit zwischen der Benotung einzelner Fachlehrer zu erreichen, ist es not-wendig, die Zuordnung von Bewertungseinheiten zu den Kriterien in der Fachkonferenz abzu-stimmen. Bewertungsbögen sind so Basis und Ziel schulinterner Kommunikation, Kooperation und schulischer Weiterentwicklung.

Das Bewerten des Lernens schließt die Prozesse des Beobachtens und Einschätzens des Ler-nens ab. Unsere Tipps für Sie

Legen Sie zunächst die Schwerpunkte für die Lernhandlung fest.

Ziehen Sie dabei die Handlungsfelder heran, die bereits in vorangegangenen Unter-richtsprozessen beobachtet und eingeschätzt wurden.

Leiten Sie entsprechende Bewertungskriterien ab.

Formulieren Sie diese eindeutig und trennscharf.

Konzentrieren Sie sich auf eine handhabbare Anzahl von Bewertungskriterien.

Entscheiden Sie über die Art der Bewertung.

Planen Sie Phasen für die gemeinsame Reflexion ein.

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Beispiele für Bewertungsbogen

Bewertungsbogen Prozess der Erarbeitung der Seminarfacharbeit an Thüringer Gymnasien

Name: Vorname:

Punkte Bewertungskriterien

5 4 3 2 1 0 Bemerkungen

Form

Konsultationen Seminarfachlehrer

Berichtsheft

Arbeitsplan

Fachwissen und eigene Erfahrungen nachweisen

Wissen verknüpfen und fächerübergreifend anwenden

erworbenes Wissen und gewonnene Ein-sichten in Handlungszusammenhängen umsetzen

Sach- kompetenz

sachgemäß urteilen und schlussfolgern

Arbeits- und Verhaltensziele selbstständig setzen

Arbeitshaltungen entwickeln (sich bewusst und zielgerichtet in den Prozess einbrin-gen, Engagement, Motivation, Konzentrati-on, Ausdauer, Belastbarkeit, kreative Lö-sungen)

Selbst- kompetenz

Kritik- und Selbstkritik

Teamfähigkeit praktizieren (Fähigkeit, miteinander zu lernen, zu arbeiten; Kon-taktfähigkeit; Toleranz; Einhalten verein-barter Regeln)

Verantwortung für den gemeinsamen Lernprozess übernehmen (interessiert und engagiert arbeiten; Pünktlichkeit und Zu-verlässigkeit)

Sozial- kompetenz

Konflikte erkennen und angemessen nach Lösungen suchen

Lernstrategien entwickeln wissenschaftliche Arbeitstechniken und sachbezogene Verfahren anwenden

Informationen beschaffen, analysieren, speichern, auswerten

Methoden-kompetenz

Einzel- und Gruppenarbeitsformen prakti-zieren

Summe der Punkte

Notenpunkte Note

Kriterien für die Prozessbewertung

− Eigenständigkeit − Agieren und Reagieren − Ideenvielfalt − Teamfähigkeit − Aufgabenerfüllung − Zielstrebigkeit − Teilnahme an Lehrveranstaltungen und Konsultationen − Führen des Berichtsheftes

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Bewertungsbogen

für den Prozess der Erarbeitung der Projektarbeit an Thüringer Regelschulen

Bewertungskriterien ++

+

-

--

Planung Themenfindung eigene Denkansätze Kreativität selbstständige Teilzielsetzung Gliederung

Arbeitsweise Zielstrebigkeit Zielorientierung Umsetzung eigener Ideen Flexibilität Arbeitstechniken

Beschaffen und Verarbeitung von Informationen Aufbereitung Auswertung Kulturtechniken

Kooperation/Kommunikation Interesse Teamfähigkeit Eigeninitiative

Formalien Termineinhaltung Beteiligung an Konsultationen Sorgfalt schriftliche Aufzeichnungen Nachweisführung

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5 Glossar Beobachten Beim Beobachten werden Vorgänge gezielt und struktu-

riert wahrgenommen und unter Zuhilfenahme von Noti-zen, Protokollen oder medialer Aufzeichnungen doku-mentiert.

Beurteilen Beim Beurteilen wird eine Meinung über einen Sachver-halt oder eine Person gebildet und in einen bestimmten Maßstab eingeordnet. Im Unterschied zum Bewerten ist das Beurteilen auf einen längeren Zeitraum bezogen und meist enger an juristische Vorgaben gebunden.

Bewerten Beim Bewerten wird die erbrachte Leistung nach vorab festgelegten Bewertungskriterien beurteilt, die durch Transparenz, Aufgabenbezug und Wichtung der Kompe-tenzen gekennzeichnet sind.

Einschätzen Beim Einschätzen werden Wahrnehmungen mit vorab festgelegten und transparenten Beobachtungskriterien verglichen. Beobachten. Eine Einschätzung kann Grundlage für die Analyse des beobachteten Lernprozesses oder für die Diagnostik des Schülerverhaltens sein.

Freie Arbeit auch Freiarbeit

Den Schülern wird selbstbestimmtes, selbstständiges und interessengeleitetes Lernen in einer vorbereiteten Lern-umgebung bei freier Wahl der Aufgaben, des Arbeitstem-pos, der Sozialform und des Arbeitsortes ermöglicht. Die Ideen und Interessen der Schüler finden dabei Berücksich-tigung. Lernangebote und Materialien werden von der Lehrkraft bereitgestellt.

offene Unterrichtsformen

Kompetenz Kompetenzen sind „[...] die bei einem Individuum ver-fügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkei-ten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert, F.E.: Leistungsmessung in der Schule. Bonn 2001, S.27 ff.). Die Thüringer Lehrpläne zielen auf die Entwicklung von Lernkompetenz als dynamische Verknüpfung der vier Kompetenzbereiche Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz unter ganzheitlicher und mehrdimensio-naler Sicht. Lernkompetenz umfasst folgende Dimensio-nen:

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− Sachkompetenz: Fähigkeit, erworbenes Wissen sowie gewonnene Einsichten in Handlungszu-sammenhängen anzuwenden, Wissen zu verknüp-fen und sachbezogen zu urteilen

− Methodenkompetenz: Fähigkeit, Lernstrategien zu entwickeln, unterschiedliche Arbeitstechniken und –verfahren sachbezogen und situationsgerecht an-zuwenden

− Selbstkompetenz: Fähigkeit, Emotionen, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und einzu-schätzen, Verantwortung zu übernehmen und ent-sprechend zu handeln

− Sozialkompetenz: Fähigkeit, miteinander zu ler-nen, zu planen, zu arbeiten, zu entscheiden, zu handeln und zu leben, andere motivieren zu kön-nen, Verantwortung wahrzunehmen und solida-risch zu handeln. Fähigkeit, die eigenen (kulturel-len) Leitbilder und die anderer reflektieren zu können

Lernbericht Im Lernbericht werden der Stand der Lernentwicklung, individuelle Lernfortschritte und mögliche Schlussfolge-rungen für künftiges Handeln durch den Schüler und/oder den Lehrer schriftlich dargestellt und dokumentiert. Der Lernbericht ist besonders zur Einschätzung überfachlicher

Kompetenzen (Selbst-, Sozial- und Methodenkompe-tenz) geeignet. Eine spezifische Form des Lernberichts ist das Lern-tagebuch.

Lernen an Stationen

Beim Lernen an Stationen erhalten die Schüler Arbeits-pläne mit Pflicht- und Wahlaufgaben, die „Stationen“ genannt werden. Die Verschiedenheit der Aufgabenfor-mate bestimmt die Qualität dieser offenen Unter-richtsform. Schüler planen und gestalten den eigenen Lernprozess selbstständig.

Lerntagebuch Im Lerntagebuch dokumentieren Schüler chronologisch ihren Lernprozess. Lerntagebücher können als Stunden- oder Wochenrückblick geschrieben und formal (Raster, Leitfragen) oder offen gestaltet werden. Lerntagebücher sind entweder die alleinige Sache des Schülers oder wer-den vom Lehrer regelmäßig eingesehen und kommentiert.

offene Unterrichtsformen

Offene Unterrichtsformen ermöglichen den Schülern ein selbstbestimmtes, selbstständiges und interessengeleitetes Lernen. Sie leisten einen Beitrag zur inneren Differenzie-rung des Unterrichts. Lehrer begleiten und beraten den Lernprozess.

freie Arbeit, offener Unterricht, Projektunterricht, Lernen an Stationen, Tages- und Wochenplanunter-richt, Werkstattunterricht

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offener Unterricht

Offener Unterricht ist ein Begriff, der auf verschiedene pädagogische Traditionen und Reformansätze zurückgeht, es gibt daher keine eindeutige Definition. Die Grundsätze offenen Unterrichts sind Selbstbestimmung der Lernen-den, Verbindung von Leben und Lernen, Freiwilligkeit und Selbstregulierung in den Lerngruppen. Öffnung von Unterricht bedeutet Öffnung der Inhalte, Methoden und Räumlichkeiten. Damit sich die gewünschte Offenheit entwickeln kann, unterstützt der Lehrer zunächst das Ler-nen. offene Unterrichtsformen

Portfolio Ein Portfolio ist eine Sammlung von Dokumenten, die den Lernprozess, den Lernfortschritt und die Lernergeb-nisse der Schüler auf einem oder mehreren Gebieten über einen längeren Zeitraum aufzeigen. Bestandteile des Port-folios sind

- die Reflexion über das eigene Lernen in Form von Selbsteinschätzungsbögen

- Lernprodukte, deren Auswahl die Schüler jeweils begründen

- Lernpläne, - (Sprachenpass für das Europäische Sprachenport-

folio). Für die Erstellung des Portfolios werden vorab Ziele und Kriterien formuliert. Ein Portfolio kann zur Präsentation der Lernergebnisse und als Grundlage von Gesprächen über Lernen und Leistung im Sinne der Metakognition genutzt werden.

Projektunterricht auch nur Projekt

Der Unterricht wird als „Arbeit an einem Projekt“ organi-siert. Projekte sind …

- situationsbezogen - problemorientiert - schülerorientiert - handlungsorientiert - produktorientiert und enden mit der Fertigstellung

und der Präsentation des Produktes - ganzheitlich - meist interdisziplinär

Projekte erfordern und fördern Kommunikation und Inter-aktionen in der Lerngruppe und gleichzeitig Selbstorgani-sation und Selbstverantwortung. Der Lehrer ist Lernpartner und behält als Experte die Ko-ordination im Überblick und begleitet die Arbeit. In der Unterrichtspraxis vermischen sich oft das fachdi-daktische Konzept des Projektunterrichts mit dem pro-jektorientierten Arbeiten, bei dem Inhalte des Unterrichts und Materialien vom Lehrer bestimmt und ausgewählt werden. offene Unterrichtsformen

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planunterricht

Unterrichtsorganisation. Die Schüler erhalten zu Beginn eines bestimmten Zeitraumes einen schriftlichen Plan, der Aufgaben unterschiedlichen Formats aus verschiedenen Inhaltsbereichen enthält. Die Schüler legen selbstständig fest

- in welchem Zeitraum - in welcher Reihenfolge - in welcher Sozialform

die Bearbeitung erfolgt. Sie arbeiten selbstverantwortlich und nehmen Hilfe in Anspruch, soweit notwendig. Die Aufgabenkontrolle kann durch den Schüler selbst (Material zur Selbstkontrolle), durch die Lerngruppe oder durch den Lehrer erfolgen.

offene Unterrichtsformen

Werkstattunterricht

Werkstattunterricht bezeichnet eine Lehr- und Lernme-thode, in der die Schüler anhand geeigneter Aufgabenstel-lungen und Reflexionsphasen innerhalb vorbereiteten Ma-terials selbstständig bestimmte Lernziele erreichen sollen. Jeder Schüler bekommt für eine bestimmte Aufgabe die „Chefrolle“ und ist für die Kontrolle dieser Aufgabe und auch für die Beantwortung auftretender Fragen verant-wortlich. Jeder Schüler beginnt die Werkstattarbeit mit seiner Aufgabe, die vom Lehrer kontrolliert wird. Dabei kann es sich im kognitiven Bereich um Lesewerk-statt, Schreibwerkstatt oder auch Mathematikwerkstatt handeln, aber auch um fächerverbindende Werkstätten, die sich an einem gemeinsamen Thema orientieren.

offene Unterrichtsformen

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Tages- und Wochen- Die Arbeit mit dem Wochenplan ist ein Konzept der